GUTE NACHT, BURSCHEN-PRACHT - BURSCHENSCHAFTEN IN BERLIN FEMINISTISCHE KRITIK AM VERBINDUNGSWESEN AKTUELLE ENTWICKLUNGEN - ASTA FU BERLIN

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Ein Reader des Antifaschismus und Internationalismus Referats des AStA FU

                        GUTE
                       NACHT,
                    BURSCHEN-
                      PRACHT        BURSCHENSCHAFTEN IN BERLIN
                FEMINISTISCHE KRITIK AM VERBINDUNGSWESEN
                                        AKTUELLE ENTWICKLUNGEN
INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSVERZEICHNIS

           3    EDITORIAL

           4    STUDENTISCHE VERBINDUNGEN - WHAT THE F*CK

           6    BURSCHENSCHAFTEN UND ANDERE STUDENTENVERBINDUNGEN IN BERLIN – GUT VERSTECKT

           9    RECHTS UM! DIE DEUTSCHE BURSCHENSCHAFT – EIN ABRISS DER LETZTEN ZWEI JAHRE

          12    FEMINISTISCHE KRITIK AM VERBINDUNGSWESEN

          14    ZUR GESCHICHTE VON FRAUEN* AN DEN HOCHSCHULEN

          15    DAMENVERBINDUNGEN – EMANZIPATION GEHT ANDERS!

          17    SEXISMUS AN DER UNI? GIBT’S DAS?

          18    EIN BISSCHEN VERSCHWÖRUNGSTHEORIE GEFÄLLIG? BURSCHIS ZU GENDER MAINSTREAMING

          20    WENN DIE BURSCHIS MIT DEN RECHTEN TANZEN – DER WKR-BALL

          22    VERBINDUNGEN VERBINDEN SICH. BURSCHIS IN SOZIALEN NETZWERKEN

          24    KONTAKTE

          25    IMPRESSUM

          26    GLOSSAR

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GUTE NACHT, BURSCHENPRACHT

EDITORIAL

N    och ein Anti-Burschenschafts-
     Reader? Steht da nicht immer der
gleiche Schmarrn drin? Nationalistisch,
                                                       und damit einen negativen Einfluss auf
                                                       die Gesamtgesellschaft haben.
                                                                                                              meist reine Männerbünde sind und
                                                                                                              Frauen die Mitgliedschaft verwehrt
                                                                                                              bleibt. Die Markierung mit dem *, bzw.
antisemitisch, frauenfeindlich – jaja, wir             Dieser Anti-Burschi-Reader soll auf- und               Gender_gap benutzen wir, um andere
wissen es: Burschenschaften sind                       erklären, wer in den burschenschaft -                  geschlechtliche Identitäten einzuschlie-
scheiße! Doch Moment! Die letzten                      lichen Diskursen den T on angibt,                      ßen und deutlich zu machen, dass es
zwei Jahre waren u. a. für die Deutsche                warum der Chefredakteur der Bur-                       sich bei den Bezeichnungen Mann* und
Burschenschaft mehr als aufregend.                     schenschaftlichen Blätter Kopf einer                   Frau* um gesellschaftliche Konstrukte
2011 kam es auf dem Burschentag in                     rechtsextremen Vereinigung (ja, das                    der Zweigeschlechtlichkeit handelt.
Eisenach fast zu einer Spaltung. Der                   darf man nun so sagen) ist, und seit
Dachverband wurde sowohl für seine                     wann Damenverbindungen eine Rolle                      Für eine Uni ohne elitäre Männerbünde,
eindeutig neonazistischen Einstellun-                  spielen. Oder tun sie das überhaupt?                   nationale Traditionen und Geschichts -
gen als auch für seine rassistischen                                                                          revisionismus!
Aufnahmekriterien und der Debatte um                   Wir haben Texte geschrieben zu bur -
den „Ariernachweis“ scharf kritisiert.                 schenschaftlichen Umtrieben in sozia-
Außerdem erreichten die Proteste                       len Netzwerken, über die enge
gegen den WKR-Ball in Wien 2012 ihren                  Schnittstelle zwischen Burschenschaf-
bisherigen Höhepunkt.                                  ten und Rechtsradikalen und bieten
                                                       euch eine feministische Kritik korporier-
Es gibt also einiges zu berichten rund                 ter Traditionen.
um das Thema „Burschenschaft“,
rechte Umtriebe an Universitäten und                   Ihr werdet merken, dass wir auf gegen-
warum Studentenverbindungen gene-                      derte Sprache größtenteils verzichtet
rell ein reaktionäres Weltbild vertreten               haben, weil Studentenverbindungen

 „Ein Burschireader ist eine Publikation, die Studentenverbindungen zum
 Inhalt hat. In aller Regel werden diese von linksgerichteten studentischen Gremien
 oder Vereinigungen erstellt. Diese Burschireader sind kritisch gegenüber dem
 Verbindungswesen eingestellt.

 Oftmals geht diese Kritik aber über das eigentliche Maß einer eben solchen
 hinaus. Statt dessen werden Verbindungen einfach falsch dargestellt und dadurch
 in Misskredit gebracht.

 Besonders auffällig an diesen Burschireadern ist, dass die Autor en faktisch
 gesehen schlicht uninformiert sind und Behauptungen in den Raum geworfen
 werden, derer es jeglicher Grundlage entbehrt.“ 1

 (Frank Kimmerle v. Spezi, Mitglied der B! Cimbria zu Nürnberg)

1 Frank Kimmerle: „Der Burschireader. Studentenverbindungen, so wie sie wirklich sind“, Zugriff am 28.07.2012, unter http://www.burschireader.de/burschireader-2

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STUDENTISCHE VERBINDUNGEN – WHAT THE F*CK?

STUDENTISCHE VERBINDUNGEN –
WHAT THE F*CK?

H     äufig wird das Wort Burschenschaft
      und Studentenverbindung fälschli-
cherweise synonym verwand. Dabei
gilt: Nicht jede Studentenverbindung ist
eine Burschenschaft, aber jede Bur -
schenschaft eine Studentenverbindung.
Soll heißen, Burschenschaften sind ein
spezieller Teil von Verbindungen, neben
ihnen gibt es noch eine Menge anderer
Korporationen. Als da wären: Lands-
mannschaften, Turnerschaften, Corps,
Sängerschaften, Jägerschaften, Wingolfs
und in geringer Zahl auch Damenschaf-
ten. Alle diese V erbindungen eint das
Convents- und Lebensbundprinzip. Des
Weiteren kann man sie unterteilen in
farbentragende und nicht-farben -
tragende Verbindungen und in fakulta-      „Heldengedenken“ beim Burschentag in Eisenach (Foto: Björn Kietzmann)
tiv und pflichtschlagende. Diese
Verbindungen organisieren sich in un-      den sie in der Regel von der Stadt freu-            der Deutschen Burschenschaft. Außer -
terschiedlichen Dachverbänden. Die         dig begrüßt. Das Rathaus ist immer mit              dem war eine Landsmannschaft des Co-
wichtigsten Dachverbände in Deutsch-       dem Symbol des Dachverbandes ge-                    burger Convents für die Organisation
land sind der Cartellverband der katho-    schmückt. Pfingstmontag gibt es tradi-              des WKR-Balls 2012 verantwortlich.
lischen deutschen Studentenver -           tionell eine Soldatenehrung im
bindungen (CV) und der Ring Katholi-       Hofgarten. Dafür wurde 2011 ein Gottes-             Deutsch-national mit Tradition
scher Deutscher Burschenschaften           dienst angemeldet. Die Störung eines                Im Anschluss soll sich nun näher mit
(RKDB), in beiden finden sich katholi-     Gottesdienstes kann mit einer Freiheits-            dem Verbindungstyp der Burschen-
sche, farbentragende, nicht-schlagende     strafe bis zu drei Jahren bestraft                  schaften beschäftigt werden. Diese ver-
Verbindungen. Außerdem gibt es den         werden. Damit verhinderten die Verbin-              stehen sich im Gegensatz zu anderen
Coburger Convent der Landsmannschaf-       dungen, dass Gegendemonstrant_innen                 Verbindungen als explizit politisch, je-
ten und Turnerschaften an deutschen        ihren Unmut kundtun. 2011 reisten 300               doch nicht im parteipolitischen Sinne,
Hochschulen (CC), in welchem nur           und 2012 200 Menschen an, die ver-                  denn Burschis oder besser Alte Herren
farbentragende und pflichtschlagende       suchten den Ablauf des Pfingstkongres-              finden sich in nahezu allen P arteien
Korporationen vertreten sind, und letzt-   ses so gut wie möglich zu stören. 2012              von der SPD, FDP, CDU/CSU bis hin zur
endlich die Deutsche Burschenschaft        wurde der traditionelle F ackelmarsch               NPD. Ihre Politik bezieht sich eher auf
(DB). Ihr gehören farbentragende und       am Montagabend abgesagt, da am                      ihren Wahlspruch von „Ehre, Freiheit,
fakultativ, als auch pflichtschlagende     Samstag ein halber Häuserblock in der               Vaterland“. Dabei vertreten Burschis
Verbindungen, genauer Burschenschaf-       Altstadt brannte.                                   immer wieder ein völkisch-nationales
ten an.                                                                                        Weltbild.
                                           Der CC hat in letzter Zeit keine Skandale
Auf die DB wird im weiteren Verlauf der    wie die DB hervorgebracht, das heißt                Der Wahlspruch, welcher noch heute
Broschüre noch eingegangen. Daher          jedoch nicht, dass es kein Problem mit              von den in der DB organisierten Bur -
hier noch einige Informationen zum CC      Rechtsextremen innerhalb des Verban-                schenschaften verwendet wird, geht zu-
und seinen schlagenden V erbindungs-       des gäbe. Immer noch pflegen einzelne               rück auf die Jenaer Urburschenschaft,
brüdern. Diese treffen sich einmal im      Mitglieder und Korporationen des Co-                welche sich im Jahr 1815 gründete. Zwei
Jahr zu Pfingsten in Coburg. Dort wer -    burger Convent enge Beziehungen mit                 Jahre später fand dann das W artburg-

4
GUTE NACHT, BURSCHENPRACHT

fest statt. Hier gaben sich die Burschis              derts galten Burschenschaften als          zahlreiche Burschenschafter später
nicht nur ein nationalpolitisches Pro-                stärkste Widersacher gegenüber der         Funktionäre im NSDStB.
gramm, sondern verbrannten auch mit                   Einführung des allgemeinen Frauen -
antifranzösischer, antiaufklärerischer                studiums an den Universitäten. Seit        Nach Ende des 2. W eltkrieges waren
und antijüdischer Stoßrichtung Bücher,                1920er Jahren zählten sie zu den stärks-   Burschenschaften zunächst verboten,
u. a. den Code Civil, der die Gleichstel-             ten Unterstützern der NSDAP. Dennoch       aufgrund ihrer zuvor klar pronazisti-
lung der Bürger festschrieb und eine                  inszenieren sich Burschenschaften          schen Positionen. Doch bereits gegen
Schrift des deutsch-jüdischen Schrift-                heute gern als Widerständige und Opfer     Ende der 1940er Jahre wurde dieses
stellers Saul Ascher, welcher bereits da-             der Gleichschaltung durch die Nazis.       Verbot von den Westalliierten aufgeho-
mals vor einem übertriebenen                          Dabei drehten sich die Unstimmigkeiten     ben, nur in der DDR blieben Studenten-
Deutschtum warnte.                                    zwischen dem Nationalsozialistischen       verbindungen offiziell verboten.
                                                      Deutschen Studentenbund (NSDStB)
Ab dem Jahr 1896 wurden keine Juden                   und den Korporierten, lediglich um Füh-    In den folgenden Jahrzehnten erinnerte
mehr in Burschenschaften aufgenom-                    rungsansprüche – inhaltliche Dif feren-    man sich seiner alten „W erte“ und so
men. Zu Beginn des neuen Jahrhun-                     zen gab es kaum. Und so wurden             kam es immer wieder zu personellen
                                                                                                 Überschneidungen mit dem rechts -
                                                                                                 extremen Lager. 1973 scheiterte ein ver-
                                                                                                 bandsinterner Antrag innerhalb der DB,
                                                                                                 welcher das Verbot von Doppelmitglied-
                                                                                                 schaften in einer Burschenschaft und
                                                                                                 dem Nationaldemokratischen Studen-
                                                                                                 tenbund oder anderen rechten Organi-
                                                                                                 sationen forderte.

                                                                                                 Mit der Wiedervereinigung kehrten
                                                                                                 auch die Burschenschaften auf das Ge-
                                                                                                 biet der ehemaligen DDR zurück. Und
                                                                                                 seit 1990 findet regelmäßig die Tagung
                                                                                                 der DB auf der W artburg in Eisenach
                                                                                                 statt. Dabei werden regelmäßig alle drei
                                                                                                 Strophen des „Deutschlandliedes“ ge-
                                                                                                 sungen, es gibt einen F ackelmarsch
                                                                                                 zum Burschenschaftsdenkmal und
                                                                                                 immer wieder wurde von „Sieg-Heil“-
                                                                                                 Rufen berichtet.

                                                                                                 Die Liste der V erstrickungen zwischen
                                                                                                 Burschenschaften und Neonazis in den
                                                                                                 1990er Jahren ist lang und könnte
                                                                                                 ganze Bände füllen. Doch in den letzten
                                                                                                 Jahren sehen sich Burschis immer wie-
                                                                                                 der öffentlicher Kritik ausgesetzt. Dazu
                                                                                                 mehr auf den folgenden Seiten.

Burschenschaftsdenkmal in Eisenach (Foto: Thomas Guffler, wikimedia)

                                                                                                                                        5
BURSCHENSCHAFTEN UND ANDERE STUDENTENVERBINDUNGEN IN BERLIN – GUT VERSTECKT

BURSCHENSCHAFTEN UND ANDERE
STUDENTENVERBINDUNGEN IN BERLIN –
GUT VERSTECKT
A   n Berliner Universitäten treten Stu-
    dentenverbindungen bei weitem
nicht so offen auf wie beispielsweise in
                                           Bezeichnungen haben all diese Verbin-
                                           dungen jede Menge Gemeinsamkeiten.
                                           Sie eint ein konservatives bis reaktio-
                                                                                                   im Coburger Convent. Sie sind alle so-
                                                                                                   wohl farbentragend als auch pflicht-
                                                                                                   schlagend. Das studentische F echten,
Jena oder Marburg. Anders als dort gilt    näres Geschichtsverständnis, das Män-                   was nach eigener Aussage der meisten
an der FU ein Verbot des Farbentragens.    nerbund- (diese Eigenschaft gilt                        Verbindungen die Weiterführung einer
Soll heißen, es ist Burschenschaftern      selbstverständlich nicht für die Damen-                 Tradition ist, zeigt ganz deutlich, wel-
verboten in ihrer Uniformierung auf        schaft) und Lebensbundprinzip und ein                   ches Geschlechterrollenverständnis von
dem Campus umherzulaufen. Dies ist         starker Patriotismus, welcher sich auf                  diesen Verbindungen propagiert wird.
vor allem den Studierenden selbst zu       einen völkischen Nationalismus zurück-                  Als Vorbild gilt der wehrhafte soldati-
verdanken, welche sich aktiv dafür ein-    führen lässt. Die meisten von ihnen                     sche Mann. Doch lassen wir an diese
setzten, an der neu gegründeten Freien     sind farbentragend und zumindest fa-                    Stelle die Korporierten einmal selbst zu
Universität den antifaschistischen Grün-   kultativ schlagend, dass heißt in diesen                Wort kommen. Die folgenden zwei Zi-
dungskonsens ernstzunehmen. So ver-        Verbindungen gehört das „studentische                   tate können exemplarisch für die tra-
suchte der AStA FU bereits 1949 im         Fechten“ zur Tagesordnung und gilt als                  dierten Denkmuster gelesen werden,
Akademischen Senat einen Beschluss         der Teil der „Burschung“ (Der der W eg                  welche in pflichtschlagenden V erbin-
durchzusetzen, wonach Immatrikula-         zum vollwertigen Mitglied). In pflicht-                 dungen weiter vorherrschen.
tion oder Tätigkeit an der FU unverein-    schlagenden Verbindungen muss eine
bar sei mit der Zugehörigkeit zu           Mensur gefochten werden, in fakultativ                  „Wir sind eine pflichtschlagende Verbin-
schlagenden und/oder farbentragenden       schlagenden Verbindungen besteht zu-                    dung und gehen davon aus, dass nur
Verbindungen (Korporationen). Am           mindest formal die Möglichkeit darauf                   der, der bereit ist, für unser e Gemein-
20.04.1950 beschloss der 1. Konvent die    zu verzichten.                                          schaft im wahrsten Sinne des Wortes
Aktivitäten der farbentragenden Verbin-                                                            seinen Kopf mindestens zweimal hinzu-
dungen und das F arbentragen inner-        Alle diese Studentenverbindungen sind                   halten, bei uns ein Leben lang Mitglied
halb der FU oder auf ihren                 außerdem in Dachverbänden organi-                       sein kann.“ (Landsmannschaft Bran-
Veranstaltungen zu verbieten. i Dies er-   siert.                                                  denburg Berlin) ii
schwert es den V erbindungen enorm,
offen an der Uni aufzutreten. Nichtsdes-   Die erwähnten Landsmannschaften                         „Zum einen verhält es sich im interkor-
totrotz gibt es in dieser Stadt eine       sowie Turnerschaften organisieren sich                  porativen Umgang mit den Partien wie
ganze Menge solcher Vereinigungen.

Derzeit sind das 4 Landsmannschaften
(Landsmannschaft Brandenburg zu
Berlin, Landsmannschaft Preußen Ber-
lin, Landsmannschaft Spandovia Berlin,
Landsmannschaft Thuringia Berlin ),
6 Burschenschaften ( Berliner Bursch-
enschaft der Märker, Berliner Burschen-
schaft Germania, Berliner Burschenschaft
Gothia, Burschenschaft Obotitia, Ver -
einigte Berliner Burschenschaft Thurin-
gia, sowie Berliner Burschenschaft
Arminia), hinzu kommt eine T urner-
schaft (Turnerschaft Berlin zu Berlin )
und ein Corps (Corps Berlin) außerdem
gibt es in Berlin eine Damenschaft (VBSt
Lysistrata). Trotz unterschiedlicher       (oben): L! Thuringia Berlin im CC, Schwendenerstr. 10, 14195 Berlin-Dahlem

6
GUTE NACHT, BURSCHENPRACHT

im GTI-Club mit den PS-Zahlen: Haste
mehr, biste mehr! Aus genau diesem
Grund ist der Name unseres Bundes bei
allen schlagenden Verbindungen in
Deutschland ein Begriff und unsere Bun-
desbrüder, ganz gleich wieviel Mensuren
sie persönlich geschlagen haben, wer -
den überall respektiert.“ (Landsmann-
schaft Brandenburg Berlin) iii

Die Berliner Burschenschaften sind zum
größten Teil in der Deutschen Burschen-
schaft (DB) organisiert. Dieser Dachver-
band, mit ca. 100 Burschenschaften aus
Deutschland und Österreich und ca.
10.000 Mitgliedern, ist in den letzten
Jahren wiederholt negativ durch seine         (oben): Berliner Burschenschaft der Märker, Podbielskiallee 15, 14195 Berlin
Nähe zu rechtsextremen Kreisen aufge-
fallen. Im Jahr 2011 sorgte der ver-          In Berlin sind die Burschenschaften der                 „Die Burschenschaft bekennt sich zum
bandsinterne Streit darum, ob Männer          Märker, der Gothia, Germania, Arminia                   deutschen Vaterland als der geistig-kul-
mit nicht in Deutschland geborenen El-        und Vereinigten Berliner Burschenschaft                 turellen Heimat des Deutschen Volkes.
tern, überhaupt Mitglied einer Bur-           der Thuringia in der DB organisiert.                    Unter dem Volk versteht sie die Gemein-
schenschaft sein dürfen für Aufsehen.         Dabei ist die Gothia auch Teil der Bur-                 schaft, die durch gleiches geschichtli-
Dieser wurde in der Presse fortan zu-         schenschaftlichen Gemeinschaft. Im Fol-                 ches Schicksal, gleiche Kultur         ,
recht als Streit um einen „Arierpass“         genden soll exemplarisch noch einmal                    verwandtes Brauchtum und gleiche
beschrieben. 2012 war es erneut die           auf die Burschenschaften Märker und                     Sprache verbunden ist. Pflicht der Bur-
Deutsche Burschenschaft, in Person von        Gothia eingegangen werden.                              schenschaften ist das dauernde rechts-
Norbert Weidner, Chefredakteur der Ver-                                                               staatliche Wirken für die fr         eie
bandszeitung       „Burschenschaftliche       Die Berliner Burschenschaft der Märker                  Entfaltung deutschen Volkstums in
Blätter“, welche für Negativschlagzeilen      ist ein Zusammenschluss aus 3 Grün-                     enger Verbundenheit aller T eile des
sorgte. Dieser hatte den christlichen Wi-     dungsbünden, deren Geschichte an -
derstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer          geblich auf das Jahr 1842 zurückreicht.                    5 gute Gründe gegen
als „Landesverräter“ und seine Hinrich-       Anzutreffen sind die Märker im schö-                       Burschis
tung als „juristisch […] gerechtfertigt“ iv   nen Dahlem ganz in der Nähe der FU.
bezeichnet. Weidner ist Teil der Bur-         Im Jahr 2003 fielen die Märker dadurch                     1. Antifaschismus
schenschaftlichen Gemeinschaft, einer         auf, dass sie das Pressefest für die                       Burschenschafter trauern einem
Untergruppierung der DB, welche den           extrem rechte W ochenzeitung „Junge                        Deutschland in den Grenzen vom
ultra-rechten Rand des burschenschaft-        Freiheit“, inklusive Dampferfahrt aus-                     1.9. 1939 nach. Noch heute ehren
lichen Milieus in Deutschland und             richteten. Zu den geladenen Gästen                         sie regelmäßig Vernichtungskrie-
Österreich repräsentiert. Nachdem             zählte auch der Ideologe der „neuen                        ger und Soldaten der Wehrmacht
Weidners Abwahl beim letzten Bur -            Rechten“ Alain de Benoist. v                               als „Helden“. In ihren Veranstal-
schentag in Eisenach scheiterte, wollen                                                                  tungen und Publikationen betrei-
nun mehrere Burschenschaften aus der          Aus ihrer völkisch-nationalen Einstel-                     ben sie unter dem Vorwand der
DB austreten. Es bleibt also zu hof fen,      lung macht die Burschenschaft dabei                        „Meinungsfreiheit“ systematische
dass die Burschenschaften sich mehr           keinen Hehl, so ist auf ihrer Website zu                   Geschichtsfälschung.
und mehr selbst zerlegen.                     lesen:

                                                                                                                                             7
BURSCHENSCHAFTEN UND ANDERE STUDENTENVERBINDUNGEN IN BERLIN – GUT VERSTECKT

                                                                                                     Abordnungen der Bundeswehr um den
                                                                                                     „gefallenen Kameraden“ oder aber
                                                                                                     auch „Opfern von Krieg und Gewaltherr-
                                                                                                     schaft“ zu gedenken. Da kann es schon
                                                                                                     mal vorkommen, dass man mit NPDlern
                                                                                                     wie Jörg Hähnel um den schönsten
                                                                                                     Kranz konkurriert. ix

                                                                                                     Fazit:
                                                                                                     Dies kann sicher nur ein kurzer Einstieg
                                                                                                     in das Thema der Studentischen Verbin-
                                                                                                     dungen Berlins sein. Es soll an dieser
                                                                                                     Stelle nicht behauptet werden, dass alle
                                                                                                     Burschenschaften oder anderen Verbin-
                                                                                                     dungen rechtsextrem seien und jeder
                                                                                                     Burschenschafter ein Neonazi. Dies
                                                                                                     wäre schlicht und ergreifend falsch. Es
(oben): Berliner Burschenschaft Gothia, Königstraße 3, 14163 Berlin (Zehlendorf)                     findet sich jedoch in allen Burschen-
                                                                                                     schaften und anderen Studentenverbin-
deutschen Volkes, unabhängig von                          „Die Burschenschaft fordert von ihren      dungen ein enorm konservatives
staatlichen Grenzen in einem einigen                     Mitgliedern eine gründliche allgemeine      Weltbild, welches gewisse Schnittmen-
Europa in der Gemeinschaft fr eier Völ-                  und fachwissenschaftliche Ausbildung.       gen mit der extremen Rechten aufweist.
ker.“ (Artikel 9, Satzung der Märker) vi                 Gleichberechtigt neben der Pflege der       Erwähnt seien hier ein völkischer Natio-
                                                         geistigen steht die Ausbildung der kör-     nalismus, der die Grenzen der Bundes-
Dabei sind diese großdeutschen Phan-                     perlichen Kräfte. Die Burschenschaft        republik oft nicht anerkennt, ein
tasien sicher keine Seltenheit, sondern                  hält daher ihre Mitglieder zu allen ge-     revanchistisches Geschichtsverständ-
eher die Norm innerhalb der in der DB                    eigneten Leibesübungen an.“ viii (Artikel   nis, sowie eine klar antifeministische
organisierten Verbindungen. Denn auch                    13, Satzung der Märker)                     Ausrichtung, die Frauen zu Anhängseln
diese sieht das vermeintliche Vaterland                                                              degradiert und ihnen keine politische
„unabhängig von staatlichen Grenzen in                   Die Berliner Burschenschaft Gothia ist      Mitbestimmung zugesteht. Es verwun-
einem freien und einigen Eur opa, wel-                   die einzige vor Ort, die auch Mitglied      dert kaum, dass bei diesen ideologi-
ches Osteuropa einschließt. Sie setzt                    der Burschenschaftlichen Gemeinschaft       schen Grundlagen auch immer wieder
sich für eine enge Verbundenheit aller                   ist, der offen rechten Gruppierung in-      personelle Überschneidungen zwischen
Teile des deutschen Volkes in Fr eiheit                  nerhalb der DB. Auch sie residiert nur      Verbindungen und extrem rechten
ein.“ vii                                                unweit von der FU in Zehlendorf. Ihre       Gruppierungen und P arteien wie der
                                                         Mitglieder haben sich in der Vergangen-     NPD vorkommen.
Wichtig ist selbstverständlich auch hier,                heit immer wieder an V eranstaltungen
neben der intellektuellen Ausbildung,                    zum „Volkstrauertag“ beteiligt. So fin-     Die meisten Studentenverbindungen
die körperliche Ertüchtigung, denn                       det man sie schon fast traditionell zwi-    haben eigene Häuser mit entsprechen-
ohne wehrhafte Jungs lässt sich das Va-                  schen der Ordensgemeinschaft der            den Zimmerangeboten, durch welche
terland nur schwerlich verteidigen und                   Ritterkreuzträger, dem Stahlhelm und        sie gerade zu Semesterbeginn immer
so steht geschrieben:                                                                                wieder versuchen Nachwuchs zu rekru-
                                                                                                     tieren. Also Augen auf, bei wem ihr da
                                                                                                     einzieht! Auch wenn korporierte Stu-
                                                                                                     denten im Unialltag zunächst kaum
                                                                                                     auftreten, so bleibt ihre Ideologie wei-
                                                                                                     terhin gefährlich und es lohnt sich
                                                                                                     diese im Auge zu behalten.
i      http://web.fu-berlin.de/chronik/chronik_1949-1960.html#1950
ii     http://www.l-brandenburg.de/fechten/unsere-sicht/unsere-sich
iii    Ebenda.
iv     Burschenschaftliche Blätter
v      Antifaschistisches Infoblatt, Nr.65, 1/2005
vi     http://www.maerker-berlin.de/
vii    http://www.berliner-burschenschaft.de
viii   http://www.maerker-berlin.de
ix     Antifaschistisches Infoblatt, Nr. 65, 1/2005

8
GUTE NACHT, BURSCHENPRACHT

RECHTS UM!
DIE DEUTSCHE BURSCHENSCHAFT –
EIN ABRISS DER LETZTEN ZWEI JAHRE
D   er Verband „Deutsche Burschen-
    schaft (DB)“ sorgte in den letzten
zwei Jahren immer wieder für Aufre-
                                             ohne Nachweis. Für die DB steht daher
                                             ein solcher nicht zur Debatte. Vielmehr
                                             geht es um das Prinzip der deutschen
                                                                                        Volkstum“: Die Schrift „legt nahe, wir
                                                                                        würden Ausländer aufnehmen“ . Da-
                                                                                        rüber ist er anscheinend stark empört,
gung. Zuerst war es der geforderte           Abstammung. Kann die DB glaubwürdig        denn Ausländer in einer Burschenschaft
Ariernachweis und der Ausschluss von         gegen Umvolkung und Überfr emdung          wo kämen wir da hin. An anderen Stel-
Kai Ming Au, dann Ermittlungen der           auftreten, wenn sie allen Ausländern       len wird immer wieder betont, dass er
Staatsanwaltschaft gegen Norbert Weid-       freien Eintritt einräumt?“ schreibt er     stolz ist Deutscher zu sein, bei der Bun-
ner wegen „Verunglimpfung des Anden-         darin.                                     deswehr Dienst geleistet hat und sich
kens Verstorbener“ und in letzter Zeit                                                  zum Wahlspruch der Deutschen
mit der Haft eines Burschenschafters         Die Forderungen beruhen auf einem          Burschenschaft „Ehre, Freiheit, V ater-
wegen seiner Mitgliedschaft in einer         alten Rechtsgutachten das besagt, dass     land“ bekennt. Auf die Frage von Spie-
kriminellen rechtsextremen V ereini-         bei Zweifeln über die „Volkszugehörig-     gel Online, ob er verletzt sei, dass seine
gung. Im Folgenden soll etwas näher          keit“ eines Burschen erforscht wird, ob    Burschenschaft wegen seiner Mitglied-
auf die einzelnen Vorfälle eingegangen       beide Eltern Deutsch sind. Ist diese       schaft ausgeschlossen werden sollte,
werden, um einen Überblick über den          deutsche Abstammung nicht der F all,       antwortete er: „Der Antrag zum Aus-
Rechtsruck innerhalb des Dachverban-         darf der entsprechende Werber nicht in     schluss der Hansea Mannheim war ja
des zu geben.                                die Burschenschaft eintreten.              nicht gegen meine P erson gerichtet,
                                                                                        sondern gegen meinen Bund. Aber der
Ariernachweis um Kai Ming Au                 Der Antrag führte zu einem großen          Ausschluss wurde damit begründet,
Zum ersten mal machte die DB vor             Presseecho und Diskussionen innerhalb      dass die Burschenschaft Hansea einen
einem Jahr von sich Reden. Kurz vor          des Dachverbandes. Daraufhin wurde er      chinesisch-stämmigen Mann aufgenom-
dem jährlichen Burschentag in Eisenach       zurück gezogen und nicht darüber ab-       men hat. Als ich das erfahren habe, war
2011 wurde ein Antrag der „Alten Bres-       gestimmt.                                  ich sauer, verärgert, fassungs- und
lauer Burschenschaft der Raczeks zu                                                     sprachlos.“ iii
Bonn“ der Öffentlichkeit bekannt. Diese      Die Diskussion führte zu einem neuen
forderten den Ausschluss der „Hansea         Rechtsgutachten, nach dem jetzt alle       Schon allein diese Diskussion innerhalb
zu Mannheim“, weil sie einen Mann            Männer in Burschenschaften eintreten       des Verbandes zeigt nicht nur, wie zer-
aufgenommen hatten, der ihnen zu un-         dürfen, die deutscher Abstammung           stritten die beiden Flügel sind, sondern
deutsch war. Es handelt sich dabei um        sind, oder die deutsche Staatsangehö-      auch, dass selbst der sogenannte libe-
Kai Ming Au, der chinesische Vorfahren       rigkeit besitzen. Dieses Rechtsgutach-     rale Flügel nicht vom Nationalen Gedan-
hat. Die Begründung der Raczeks: „Be-        ten bedeutet aber nicht, dass die          kengut abkommt. Die Möglichkeit, dass
sonders in Zeiten fortschreitender Über-     Burschenschaften eingesehen haben,         ein Mensch ohne jegliche Bindung zu
fremdung ist es nicht hinnehmbar, dass       dass ihr Deutschtum zu weit geht. Es       Deutschland in eine Burschenschaft
Menschen, welche nicht von deutschem         ist lediglich eine Anpassung an das gel-   eintreten könnte wird gar nicht erst be-
Stamme sind, in die DB aufgenommen           tende deutsche Recht zu der sie sich       dacht. Denn das wäre ja lächerlich,
werden. [...] Dies mag für die DB unbe-      gezwungen sahen.                           dann könnte jeder mitmachen und die
quem sein, ist jedoch notwendig um                                                      schöne neue Welt der Elite wäre plötz-
dem Verband das identitätsstiftende          Einige der liberaleren Burschenschaften    lich nicht mehr so elitär . Kai Ming Au
Merkmal der gemeinsamen deutschen            verließen nach dem V orfall den V er-      sieht über den of fensichtlich rassisti-
Abstammung zu erhalten.“ i Unterstüt-        band. Der Großteil von ihnen ging zum      schen Angriff auf ihn hinweg und tut
zung bekamen sie von einem Alten Her-        Dachverband „Neue Deutsche Bur-            ihn als Bruderzwist ab: „Wenn die nicht
ren aus Bayern. Fred Duswald, der in         schenschaft“.                              zu mir kommen, dann lasse ich sie
anderen Artikeln KZ-Häftlinge als krimi-                                                auch in Ruhe. In einem Verband mit
nell bezeichnet, ist Autor der Hetz-         Was sagt Kai Ming Au dazu?                 über 11.000 Akademikern gibt es unter-
schrift „Paßtum contra V olkstum“ ii         Besonders herausstechend ist seine Re-     schiedliche Meinungen. Ich kann damit
„Daß ein Asiat kein Arier ist, sieht jeder   aktion auf die Schrift „P aßtum contra     leben, dass mich einige Verbandsbrüder

                                                                                                                                 9
RECHTS UM! DIE DEUTSCHE BURSCHENSCHAFT – EIN ABRISS DER LETZTEN ZWEI JAHRE

                                                                                                         dass die liberaleren unter den Bur-
                                                                                                         schenschaftern an die Macht kommen.
                                                                                                         Dabei wimmelt es nur so von Gerede
                                                                                                         über deutschen Stolz. V on der taz auf
                                                                                                         die E-Mails angesprochen, verleugnet
                                                                                                         der Autor deren Authentizität.

                                                                                                         Doch auch innerhalb der Burschen-
                                                                                                         schaften gibt es Widerstand. Zum einen
                                                                                                         gibt es die „Initiative Burschenschaftli-
                                                                                                         che Zukunft“, die ein Verband innerhalb
                                                                                                         des Dachverbandes ist und sich gegen
                                                                                                         Extremismus und Rassismus stellt:

                                                                                                         „Ziel dieser Initiative ist es, die Bur -
                                                                                                         schenschaft
                                                                                                         1. aufbauend auf den Prinzipien der ge-
 (mitte): Norbert Weidner von der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn (Foto: indymedia)      meinsam erarbeiteten Grundsatzer-
                                                                                                            klärung und orientiert am Wohl des
 nicht akzeptieren. Hintenrum bekomme                  deren Verbot war er weiterhin in der                 deutschen Volkes – auch im Hinblick
 ich natürlich diese Beleidigungen mit.                Nazi-Szene tätig. 2001 trat er dann in               auf Europa – auf die Zukunft auszu-
 Mein Gott, dann ist es eben so. Aber                  die FDP ein, die nach seinen Aussagen                richten,
 Mitglieder mit dieser Haltung sind in                 über Bonhoeffer ein Parteiausschluss-             2. getreu unseren Idealen Ehre und Frei-
 der absoluten Minderheit.“ iii                        verfahren einleitete.                                heit von jeglichen extr emistischen
                                                                                                            oder rassistischen Positionen an den
 Norbert Weidner und                                   1999 fing Weidner sein Studium an der                politischen oder ideologischen Rän-
 Raczeks Bonn                                          Fachhochschule Köln an und trat in die-              dern fern zu halten.“ vi
 Mit der Debatte um den Ariernachweis                  sem Zuge auch in die Alte Breslauer               Zur Zeit gehören ihr 24 Bünde an.
 hörten die Absurditäten aus der Bur -                 Burschenschaft der Raczeks zu Bonn
 schenschaft der Raczeks Bonn nicht                    ein. Seit 2008 ist er Chefredakteur der           Eine andere Initiative heißt „Burschen-
 auf. Einige Monate später machte Nor-                 Burschenschaftlichen Blätter und hat              schafter gegen Neonazis“. Diese berich-
 bert Weidner von sich Reden. Er be-                   damit die Entscheidungsmacht über die             tet auf ihrer Homepage über
 zeichnete in einem Rundbrief im Herbst                Verbandszeitung.                                  rassistische Übergriffe innerhalb und
 2011 Dietrich Bonhoeffer als „Landes-                                                                   zwischen den Burschenschaften des
 verräter“. „Rein juristisch halte ich die             Doch Weidner ist kein Einzelfall, in der          Dachverbandes. vii Dahinter steckt vor
 Verurteilung für Gerechtfertigt“ schreibt             Burschenschaft der Raczeks sind noch              allem Justus Liebig, der selbst Bur-
 er. iv                                                viele andere die sich wünschen, dass              schenschafter ist. Dabei betonen beide
                                                       die Gesellschaft etwas deutscher wäre.            Initiativen aber immer wieder die bur -
 Dietrich Bonhoeffer war ein christlicher              Ein taz-Artikel vom 13. Juli 2011 titelte         schenschaftlichen Grundsätze von
 Widerstandskämpfer zu NS-Zeiten und                   passend „Der Putschplan steht“. v Darin           „Ehre-Freiheit-Vaterland“.
 wurde am 9.April 1945 im KZ Flossen-                  wird ein E-Mail Austausch zwischen der
 bürg erhängt. Die Staatsanwaltschaft                  Karlsruher Burschenschaft T uiskonia              Die neusten Nachrichten um Norbert
 Bonn ermittelt jetzt wegen „V erun-                   und den Raczeks veröffentlicht. Dieser            Weidner und die Raczeks Bonn sind je-
 glimpfung des Andenkens V erstorbe-                   begann schon einen Tag nach dem Bur-              doch sehr bezeichnend. In einem ge-
 ner“ auf das eine Haftstrafe bis zu zwei              schentag in Eisenach 2011, bei dem die            richtlichen Streit zwischen Norbert
 Jahren stehen kann.                                   Raczeks einen Rückschlag hinnehmen                Weidner und Bundesbruder Christian J.
                                                       mussten, als die Hansea zu Mannheim               Becker, ebenfalls Mitglied bei „Bur -
 Doch Norbert Weidner wird nicht erst                  nicht aus dem Dachverband ausge-                  schenschafter gegen Neonazis“ war das
 jetzt als Alter Herr der Raczeks Bonn                 schlossen wurde. In einer E-Mail vom              Ergebnis, dass W eidner durchaus als
 auffällig. Bereits in seiner Jugend war er            20. Juni 2011 steht „übernehmen wir               „Kopf einer rechtsextremen Bewegung“
 Mitglied der verbotenen Wiking-Jugend                 halt den Laden“. Der rechte Rand der              bezeichnet werden darf. viii
 und später der Freiheitlichen Deutschen               DB vermutete, dass Kai Ming Au für ein
 Arbeiterpartei. Dort führte er zuletzt das            Verbandsamt kandidieren will und das              Andere Neuigkeiten sind, dass ein Bruder
 Amt des Landesgeschäftsführers in                     galt es zu verhindern. So wurde ein               der Raczeks Bonn wegen Mitgliedschaft
 Nordrhein-Westfalen aus. Auch nach                    Plan ausgearbeitet, der verhindern soll           in einer kriminellen rechtsextremen Ver-

10
GUTE NACHT, BURSCHENPRACHT

einigung in Haft sitzt, sieben weitere     Weidner, was die akute Lage in den Bur-              Zusammenfassung
Burschenschafter werden dabei als dem      schenschaften widerspiegelt. Nach der                Die Ereignisse des letzten Jahres sind
Rechtsextremismus nahe bezeichnet. ix      Wahl legten fünf Vertreter des Vorsitzes             die eindeutige Fortführung des Rechts-
Cornelius D. war mindestens bis Ende       ihre Ämter nieder, darunter auch der                 kurses des Dachverbandes DB. Obwohl
2011 Mitglied der Raczeks, allerdings      Pressesprecher. Samstag wurde der                    es viel Kritik von außen und von innen
als Conkneipant. Conkneipanten sind        Burschentag vorzeitig beendet. Es soll               gab, wurde immer wieder abgestritten,
Personen, die keine Studenten oder         im November in Stuttgart eine außer -                dass die dem Rechtsextremismus zuge-
Akademiker sind, aber trotzdem in die      ordentliche Tagung geben, bei der über               neigten Burschenschafter Einfluss auf
Gemeinschaft aufgenommen werden.           die Zukunft des Dachverbandes ent-                   den Verband haben. Spätestens seit
Beigetreten ist er den Raczeks 2009 als    schieden werden soll. Schon bei dem                  dem letzten Burschentag müsste allen
Schülerfux. Wird die Burschenschaft        Burschentag in Eisenach sind keine                   klar sein, dass dies nicht der F all ist.
Raczeks darauf angesprochen, weist sie     liberalen Vertreter mehr für den V or-               Immer mehr liberale Burschenschaften
nur darauf hin, dass Cornelius D. schon    stand angetreten und eine Austritts-                 verlassen den Verband und der rechte
zum Jahreswechsel aus der Verbindung       welle der liberalen Bünde hat                        Rand hält mit seinen Meinungen nicht
ausgeschlossen wurde und er bei Besu-      begonnen.                                            mehr zurück. Der Dachverband sollte
chen „nicht auffällig“ war. Außerdem                                                            längst der V ergangenheit angehören,
behauptet sie, dass sie „Extremismus       Dieses Jahr wurde zum ersten Mal die                 aber immer noch gibt er Alten Herren,
entschieden ablehnt und das Eintreten      Rednerliste von der Stadt überprüft, um              wie Weidner die Chance neuen Mitglie-
gegen diktatorische und verbrecherische    auszuschließen, dass rechtsextreme                   dern seine Meinung nahe zu bringen.
politische Systeme ausdrücklich befür -    Burschen ihr Gedankengut verbreiten                  Um so eine neue Rechte Elite heranzu-
wortet“. x Warum Norbert Weidner und       können. Die Initiative „Burschenschaf-               ziehen.
andere dann immer noch Mitglieder der      ter gegen Neonazis“ hat darauf hin -
Burschenschaft sind bleibt fraglich.       gewiesen, dass das Gedankengut                       Die Linkspartei stellte wegen den be-
                                           trotzdem in Gesprächen verbreitet wer-               drohlichen Entwicklungen eine kleine
Burschentag 2012 und die                   den kann. Andere Burschenschafter                    Anfrage an die Bundesregierung, die die
Entwicklung danach                         waren erzürnt über die „bewusste                     Lage der Burschenschaften einschätzen
Der nächste Eklat folgte schon Anfang      Schädigung des Ansehens“.                            sollte. In ihrer Antwort, schreibt die Re-
Juni 2012 bei dem alljährlichen Bur -                                                           gierung, dass die Deutschen Burschen-
schentag in Eisenach. Liberale Burschen    Andere Anträge des Burschentages                     schaften ganz normale „demokratische
versuchten die Wiederwahl Norbert          waren die „Wiedereinführung der natio-               Studentenorganisationen“ seien und
Weidners als Chefredakteur der Bur -       nalen Währung“ und die F orderung                    „keine hinreichenden Anhaltspunkte
schenschaftlichen Blätter zu verhin-       nach der Gründung einer eignen Partei                dafür vor, dass der Dachverband der
dern, während Rechte ihr Bestes gaben,     „Ehre-Freiheit-Vaterland“.                           Deutschen Burschenschaft (DB) Bestre-
den schon seit einem Jahr geplanten                                                             bungen verfolgt, die gegen die fr eiheit-
Putschversuch durchzuführen.               Wie schon 2011 gab es am Samstag                     liche demokratische Grundordnung
                                           eine Gegendemonstration durch die In-                gerichtet sind" xi Es seien zwar einzelne
Die Auftaktrede wurde von Dr . Sauer-      nenstadt, um lautstark auf die Miss-                 Tendenzen von P ersonen oder P erso-
zapf gehalten. Er ist V orsitzender des    stände aufmerksam zu machen.                         nengruppen zu entdecken, die poten-
„Preußen-Institut“ und Seelsorger beim                                                          tiell Verfassungsfeindlich sind, aber
BGS und Militär. Er sprach 1999 schon                                                           diese entsprächen nicht der Gesamtheit
vor einer Jenaer Burschenschaft über                                                            des Verbandes.
„Auslandsdeutschtum“. Auch in dieser
Rede konnte er seine deutlichen rechts-
extremen Tendenzen nicht verheimli-
                                           i    https://linksunten.indymedia.org/en/system/files/data/2011/06/1095072689.pdf
chen. Er dif famierte Homosexuelle,        ii   https://linksunten.indymedia.org/de/node/45784
dämonisiert Abtreibungen und sagte,        iii  http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/burschenschafter-kai-ming-au-ich-war-fassungslos-a-
dass Ostdeutschland doch in Wirklich-           769149.html
                                           iv http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/burschenschafter-hetzt-gegen-nazi-widerstandskaempfer-
keit Mitteldeutschland sei. x Danach be-        bonhoeffer-a-826757.html
gaben sich rund 300 Burschis zum           v http://taz.de/Erzkonservative-Burschenschaften/!74403/
                                           vi http://burschenschaftliche-zukunft.de/?page_id=7
Burschenschaftsdenkmal in Eisenach         vii http://quovadisbuxe.blogspot.de/
um, wie traditionell, alle drei Strophen   viii http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/burschenschafter-prozess-gericht-erlaubt-rechtsextremis
                                                mus-aeusserungen-a-843864.html
des „Deutschland-Liedes“ zu singen.        ix http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/aerger-fuer-die-burschenschaft-der-raczeks-zu-bonn-wegen-
Am nächsten Tag wurde dann Norbert              nazi-problemen-a-844890.html
                                           x http://sabotnik.blogsport.de/2012/06/04/eisenach-unter-burschen/
Weidner in seinem Amt bestätigt. V on      xi http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/bundesregierung-deutsche-burschenschaft-ist-nicht-rechts
150 Bünden stimmten nur 38 gegen                extrem-a-845961.html

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FEMINISTISCHE KRITIK AM VERBINDUNGSWESEN

 FEMINISTISCHE KRITIK AM
 VERBINDUNGSWESEN

 „Das LesBiSchwulen- und Transgender-                                                     'ne Frau im Auto und...“ – den Rest kön-
 Referat behauptet, Ihr seid frauenfeind-     Wenn Männlichkeit zur Identität wird-       nen wir uns denken und wollen bei die-
 lich. Stimmt das?                            Verbindungsstudenten als Gewalt -           sen niveaulosen Gesprächen ehrlich
 Nein, wir mögen Frauen.                      romantiker                                  gesagt auch gar nicht dabei sein.
 Und warum nehmt ihr dann keine
 Frauen auf?                                    „Heute drum, so lang ein froher           Das Frauenbild der Studentenverbin-
 Weil dann alle möglichen Liebschaften          Jugendmut uns führt zum Sieg,             dungen v ist das einer emotionalen,
 und Eifersuchtsdramen Unruhe in unse-          Heute drum heißt es entscheiden:          passiven und schönen Frau*, deren Ziel
 ren Bund bringen würden und wir auch           mit wem Frieden, mit wem Krieg!           es ist, an des Mannes* Seite zu stehen
 mal gerne in gepflegter Runde den              Freunde, Männer lasst uns werden,         und ihn in seinen Tätigkeiten zu unter-
 einen oder anderen Herrenwitz erzäh-           die da stolz im Kampfe stehn,             stützen. Sie begleiten die Korporierten
 len. Außerdem ist das burschenschaft-          Treu und furchtlos, festverschworen:      als „Couleurdamen“ auf Bälle und of-
 liche Brauchtum seinem ganzen Wesen            nie im Alltag aufzugehn!“ ii              fizielle Veranstaltungen, sind aber
 nach ein männliches. Und letztlich sind                                                  selbst bei der Mehrheit der Studenten-
 wir ein pflichtschlagender Bund, damit       Das Fechten als charakterformende           verbindungen aufgrund ihres „ Ge-
 fällt die Aufnahme von Frauen sowieso        Selbstdisziplinierung soll die Corps-Stu-   schlechts“ von der T          eilnahme
 flach.“                                      denten gegen „Verweichlichung“ iii und      ausgeschlossen. Außerdem sind bei
 „Ganz schön altmodisch. Wollt ihr das        „Verweiblichung“ iv zu starren Männk-       den zahlreichen akademischen V orträ-
 nicht mal für die Zukunft ändern?            lichkeitskonstrukten trainieren. Die        gen, die während des Semesters in Bur-
 Nein.                                        Narbe der Mensur wird den Studenten         schenschaften stattfinden, relativ wenig
 Warum nicht?                                 beim Fechten zugeführt und dabei sol-       vortragende Frauen* zu finden. Das an-
 Darum.“ i (Alte Breslauer Burschen-          len bestenfalls keine Anzeichen von         zustrebende Beziehungskonzept ist das
 schaft der Raczeks zu Bonn)                  Schmerz erkennbar sein. Ziel dieses         einer in einer christlichen Kirche ge-
                                              Ritual ist anscheinend die Ausbildung       schlossenen, monogamen Ehe und die
 Ist euch was aufgefallen? Gefunden           zu militärischem Gehorsam, Durchhal-        damit einhergehende Rollenverteilung.
 haben wir dieses „schöne“ Zitat auf der      tevermögen und Unterordnung. Außer-
 Homepage der Alten Breslauer Bur -           dem      werden Emotionen und               In den „Grundsätzen in der Verfassung
 schenschaft der Raczeks zu Bonn unter        Empfindungen unterdrückt und als            der Deutschen Burschenschaft“ unter
 „Häufig gestellte Fragen“. Sehr originell,   schwach gebrandmarkt. Die Mensur soll       Artikel 7 ist dieser Satz zu lesen: „Die
 wie die Burschenschafter den V orwurf        Ausdruck einer hervorgehobenen Posi-        politische Freiheit erblickt die Burschen-
 der Frauenfeindlichkeit auf anschei-         tion sein und durch ein körperliches        schaft in der Gleichber echtigung aller
 nend so „ironische“ und „lustige“            Merkmal die Mitgliedschaft in elitären      Bürger [...]“ vi und doch lehnt die Deut-
 Weise abwehren. Daran merkt man,             Verbindungen deutlich machen. Diese         sche Burschenschaft die Aufnahme von
 dass sie durchaus öfter mit ihrem frag-      Verherrlichung von Gewalt schüchtert        Frauen* seit ihrer Gründung ab.
 würdigen Frauenbild konfrontiert wer -       ein und geht einher mit dem Zuspruch
 den. Zum Lachen ist es das Ganze             für militärische Disziplin und „Krieger -   Auch wenn einige Frauen* dem über-
 trotzdem nicht!                              Phantasien“.                                holten Frauenbild zustimmen und
                                                                                          somit dem „klassischen“ Rollenver -
 „Liebschaften und Eifersuchtsdramen“.        „Und letztlich sind wir ein pflichtschla-   ständnis entsprechen, sich also freiwil-
 Als hieße Frauen* in den Bund aufzu-         gender Bund, damit fällt die Aufnahme       lig „selbst unterordnen“, ist ein solches
 nehmen automatisch, dass sich Lieb-          von Frauen sowieso flach.“ Moment           Frauenbild abzulehnen. Das Eine betrifft
 schaften und Eifersuchtsdramen               mal: Wieso das denn? Soweit ich weiß,       das individuelle Selbstbestimmungs-
 ergeben würden. Hallo? Schonmal was          können auch Frauen* fechten und sich        recht, das jede_r Person die Möglichkeit
 von Homosexualität gehört? Liebschaf-        Wunden ins Gesicht schneiden. Und           einräumt, ihr oder sein Leben so zu ge-
 ten können sich auch in einem reinen         was sollen die sogenannten „Herren-         stalten wie sie oder er das möchte. Das
 Männerbund ergeben.                          witze“ sein? So nach dem Motto: „Sitz       andere jedoch betrif ft die rückwärts -

12
GUTE NACHT, BURSCHENPRACHT

                                                                            gewandten Traditionen             aus und halten somit die Zweige-
                                                                              und die Deutungs                schlechternorm aufrecht! Frauen* und
                                                                                                              Männern* werden allein aufgrund ihres
                                                                                 hoheit der Stu-              „biologischen Geschlechts“ grundle-
                                                                                   dentenverbin-              gend verschiedene Eigenschaften zuge-
                                                                                    dungen.      In           schrieben und diese hierarchisiert.
                                                                                    diesen Ver-               Männern* werden Eigenschaften zuge-
                                                                                    bänden      ist           traut, die in unserer Gesellschaft Aner-
                                                                                    kein Platz für            kennung genießen, z.B. Stärke,
                                                                                    andere     Le-            Intelligenz, Wehrhaftigkeit und Rationa-
                                                                                   benskonzepte               lität. Frauen* dagegen entsprechen
                                                                                   als das Hetero-            dem konservativen Frauenbild einer
                                                                                   normative und              emotionalen, fürsorglichen, zurückhal-
                                                                                   dadurch, dass              tenden Frau*, die sich um den Haushalt
                                                                                   Frauen* von                und die Kinder kümmert. Nicht nur der
                                                                                  der    Mitglied-            Ausschluss von Frauen* ist also
                                                                               schaft      ausge-             Frauen*feindlich, sondern auch die
                                                                             schlossen sind, wird             patriarchale Struktur, die Sexismus,
                                                                          die Zweigeschlechter-               Homophobie und Antifeminismus re-
                                                                        norm mit den jeweilig                 produziert.
                                                                       daran geknüpften Rollener-
                                                                      wartungen         bekräftigt.           Wir lehnen dieses Geschlechterbild ab
                                                                      Frauen*, die sich aus bur -             und bemühen uns um eine Gesellschaft
                                                                     schenschaftlicher Perspek-               ohne Männer*bünde, Sexismus und
                                                                     tive „unweiblich“ verhalten,             männliches Hegemoniestreben!
                                                                     werden abgewertet.
                                                                                                              Für Feminismus!
                                                        „Da wollen wir gar nicht rein“
                                                        Studentische Verbindungen sind Män-
                                                        nerbünde. Sie schließen Frauen* per se

i     Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn. „Häufig gestellte Fragen“, Zugriff am 25.07.2012 unter http://www.raczeks.de/h%C3%A4ufig-gestellte-
      fragen/.
ii    Deutsche Burschenschaft, „Nicht der Pflicht nur zu genügen“ (1894), in: „Kommers- und Studentenlieder“, Zugriff am 12.07.2012 unter http://www.burschen-
      schaft.de/die-burschenschaft/kommers-und-studentenlieder/kommers-und-studentenlieder-vom-chor-der-vab-stuttgart.html.
iii   Siehe: Kurth, Alexandra, „Männer-Bünde-Rituale“, S.114.
iv    Siehe: Kurth, Alexandra, „Männer-Bünde-Rituale“, S.114.
v     Zur Erläuterung muss hier gesagt werden, dass nicht zwangsweise jeder Verbindungsstudent eine solches Frauenbild vertritt. Da sich jedoch jeder Verbin-
      dungsstudent den Prinzipien seiner Verbindung oder einem Dachverband unterordnet, und diese frauenfeindlich und sexistisch sind, kann dieser Ausspruch
      verallgemeinert gesagt werden.
vi    Deutsche Burschenschaft. „Kurzportrait“. Zugriff am 12.07.2012 unter http://www.burschenschaft.de/die-burschenschaft.html

                                                                                                                                                                 13
ZUR GESCHICHTE VON FRAUEN* AN DEN HOCHSCHULEN

 ZUR GESCHICHTE VON FRAUEN* AN DEN
 HOCHSCHULEN

 I n Deutschland wurden Frauen* erst
   Anfang des 20. Jahrhunderts, zwi-
 schen 1900 (Baden) und 1908 (Preu-
                                                         Die elitären Männer*bünde sahen
                                                         durch das Frauen*wahlrecht ihre Exklu-
                                                         sivität in Gefahr und wehrten sich
 ßen) zum Studium zugelassen. Im                         gegen mögliche Konkur -
 internationalen      Vergleich     stand                rentinnen im universitä-
 Deutschland damit hinter den USA und                    ren Umfeld. Nachdem das
 anderen europäischen Staaten. „Auch                     Frauen*wahlrecht also gegen
 große Teile der Studentenschaft, vor                    den Wille einiger V erbindungen
 allem Korporationsstudenten, welche                     durchgesetzt wurde, hatten Frauen*
 um die Jahrhundertwende immerhin                        immer noch mit dem Problem zu kämp-
 fast die Hälfte der Studentenschaft aus-                fen, nicht in die Studentenverbindun-
 machten [...], lehnten die studierenden                 gen aufgenommen zu werden. Den
 Frauen mehrheitlich ab […].“ i Die Deut-                Frauen*, die sich als V erbindung zu-
 sche Burschenschaft warnte vor „den                     sammenschließen wollten, blieb nur                               Die
 „verrückten“ Bestrebungen, die abso-                    noch die Selbstorganisation. So wur -                        verschiede-
 lute politische Gleichstellung, etwa                    den Anfang des 20. Jahrhunderts eigene                   nen Dachverbände un-
 Frauenstimmrecht und Fr auenreichs-                     Dachverbände gegründet, um der                       terschieden sich in ihrer politischen
 tagsmandate, zu fordern […].“ ii                        männlichen Hegemonie zu entgehen.                Einstellung jedoch sehr und nicht alle
                                                         1906 wurde der Verband der Studentin-            waren fortschrittlich. „Gedenke, dass Du
                                                         nenvereine Deutschlands (VStD) gegrün-           eine deutsche Frau bist“. So lautete der
       5 gute Gründe gegen                               det, dem die         „meisten Farben             Wahlspruch des DVAF und steht somit
       Burschis                                          tragenden und konfessionell ungebun-             symptomatisch für die völkische Ideo-
                                                         denen Studentinnenvereine angehör-               logie und den Antisemitismus, die die-
       2. Antirassismus
                                                         ten.“ iii. Außerdem gab es den Verband           ser Verband vertrat. iv Die Mitgliedschaft
       Noch nach 1945 haben Burschen-
                                                         Katholischer Deutscher Studentinnen-             blieb jüdischen und ausländischen Stu-
       schaften an „Arierparagraphen“
                                                         vereine (VKDSt), die Deutsche Christli-          dentinnen verwehrt.
       festgehalten. Noch heute blasen
                                                         che Vereinigung studierender Frauen
       sie zum „Volkstumskampf“,
                                                         (DCVS) und den Deutsche V erband
       gegen „fremdvölkische Menschen“
                                                         Akademischer Frauenvereine (DVAF). Da            Fazit
       (F. Stefan, B! Olympia, Unirat an
                                                         zu dieser Zeit das Studium für Frauen*           Der Ausschluss von Frauen* und ihre
       der Uni Wien) und zum Schutz der
                                                         in Hessen und Preußen noch nicht be-             Degradierung zu „schmückendem Bei-
       „biologische[n] und kulturelle[n]
                                                         dingungslos durchgesetzt war , nahm              werk“ und „treuen Ehefrauen“ steht
       Substanz des deutschen Volkes“;
                                                         sich der VStD vor, dies zu ändern und            somit ganz in der korporierten Tradition
       dieses sei „vor Unterwanderung
                                                         gehörte somit der bürgerlichen Frauen-           und hat sich seit knapp zweihundert
       seines Volkskörpers durch Auslän-
                                                         bewegung an.                                     Jahren, durch zwei Frauenbewegungen
       der wirksam zu schützen“
       (B! Olympia).                                                                                      hindurch und trotz der ständigen F or-
                                                                                                          derung nach Veränderung, nicht geän-
                                                                                                          dert. Das ist zum einen dem immer
                                                                                                          wieder reproduzierten Sexismus der
                                                                                                          Korps-Studenten zuzurechnen, zum an-
                                                                                                          deren birgt es jedoch auch die fest ver-
                                                                                                          ankerte patriarchale Struktur der
 i      Kurth, Alexandra. „Männer-Bünde-Rituale. Studentenverbindungen seit 1800“. Frankfurt/Main 2004,
        S. 132.                                                                                           Verbindungen.
 ii     Siehe: Kurth, Alexandra, „Männer-Bünde-Rituale“, S. 132.
 iii    Siehe: Kurth, Alexandra. „Männer-Bünde-Rituale“, S. 134.
 iv     Siehe: Kurth, Alexandra. „Männer-Bünde-Rituale“, S. 134.

14
GUTE NACHT, BURSCHENPRACHT

DAMENVERBINDUNGEN –
EMANZIPATION GEHT ANDERS!

D    er Begriff „Dame“ kam im Deut-
     schen im 16. Jahrhundert auf und
bezeichnete Frauen*, die dem Adel zu-
                                            Die Beschreibung von Damenverbin-
                                            dungen ist kurz, anderthalb Seiten zu
                                            „Frauenbild und Damenverbindung“ in
                                                                                        runde, die mit Männern nichts zu tun
                                                                                        haben will, noch ein ehrgeiziger Eman-
                                                                                        zenclub oder einfach nur die weibliche
gerechnet wurden. Genau wie „Herr“,         einem 64-seitigen Buch zu Studenten-        Kopie einer Männerverbindung.“ iii In
ist der Begriff nicht nur Bezeichnung,      verbindungen. Schon die ausschließlich      diesem Zitat sind die klassischen V or-
sondern drückt auch eine gesellschaft-      männliche Form im Titel („Studenten-        urteile gegen Feminisms und feministi-
liche Stellung aus. Impliziert ist eine     verbindungen in Deutschland“) lässt         schen        Frauen* vorhanden:
klare Rollentrennung, und P ersonen,        darauf schließen, dass die beiden           Feminist_innen als Männer hassende
die sich „Herr“ oder „Dame“ nennen,         Autoren die Rolle der Frau* in Bur-         „Emanzen“. Dieses Bild ist nur allzu oft
tun dies aus einem bestimmten Ab-           schenschaften und anderen Studenten-        gezeichnet worden und entspricht so
grenzungswille.                             verbindungen nicht als allzu groß           gar nicht der Realität. Politische, soziale
                                            erachten. Und ja- es gibt nicht viele       und ökonomische Gleichstellung von
Gesellschaftliche Anerkennung               Verbindungen, die Frauen* aufnehmen.        Frauen* und Männern*. Diese (eindeu-
„Die Rolle von Damenverbindungen und        Und ja- Verbindungsstudentinnen ge-         tig zu kurze und erweiterbare) Defini-
von korporierten Frauen wird von der        nießen nicht das gleiche Ansehen wie        tion von Feminismus würden vielleicht
Öffentlichkeit allgemein überschätzt. Sie   ihre „Korporationsbrüder“. Doch ist das     viele „Damen“ unterschreiben, doch
wirken in der Männerwelt der Korpora-       nicht ein klassisches Abbild der Ge-        die von der Gesellschaft reproduzierten
tionen als faszinier endes Kuriosum,        samtgesellschaft? In fast allen Readern,    Klischees haben sich in die Köpfe ein-
sind allerdings fast bedeutungslos. […]     Texten, Büchern zu studentischen V er-      gebrannt. Viele Damenverbindungen
Damenverbindungen werden […] auch           bindungen stellt die feministische Kritik   pflegen enge Kontakte zu Burschen-
zukünftig keine Rolle spielen.“ i           nur einen Bruchteil der angebotenen         schaften und anderen Studentenver -
                                            Lektüre dar. Frauen* und ihre Tätigkei-     bindungen iv, welche eine klare
                                            ten haben es im Allgemeinen schwerer        Rollenaufteilung befürworten und
                                            beachtet zu werden. Deutschnationalis-      Frauen* in die passive „Bedientesten
                                            mus, Antisemitismus, Elitenbildung- die     und Anhang- Rolle“drängen.
  5 gute Gründe gegen                       Themenfindung für Kritik bei Studen-
  Burschis                                  tenverbindungen ist unermesslich. Und       Unterschiede zu Studenten-
                                            doch! Die gemeinsame Schnittstelle,         verbindungen
  3. Antisexismus                           der Teil bei dem sich fast alle einig       Die Liste der Damenverbindungen ist
  Den Burschenschaftlichen Blättern         sind, ist der Ausschluss von Frauen*.       lang. Über 150 Damenverbindungen gab
  zufolge ist die „menschliche Welt-                                                    es in Deutschland seit Gründung des
  ordnung [...] auf das männliche           Selbstdarstellung und                       ersten „Vereins studentischer Frauen
  ausgerichtet“. Als Männerbünde            Abgrenzung vom Feminismus                   Hilaritas“ im Jahre 1899 v. Der Großteil
  konservieren Burschenschaften ihr         „Frauenpower statt Männerbünde“ ii,         der Verbindungen ist jedoch inaktiv
  Idealbild einer Universität ohne          lautet die Überschrift eines Artikels im    oder hat sich in der Zwischenzeit auf-
  Frauen; ihr Frauenbild lässt noch         Kölner Stadtanzeiger und demzufolge         gelöst. Die Zahl der aktiven Damenver-
  jenes der vatikanischen Glaubens-         haben Damenverbindung allein auf-           bindungen beschränkt sich demzufolge
  kongregation als progressiv               grund des biologischen Geschlechts          auf ca. 50 vi. Die Unterschiede zwischen
  erscheinen. Prägend für ihr               ihrer Mitglieder einen emanzipativen        Damen- und Studentenverbindungen
  Männerbild sind die Ideale der            Charakter. Dass dem absolut nicht so        sind unter anderem, dass die selbster-
  Härte, des Ertragenkönnens und            ist, wird klar bei der Hinterfragung des    nannten „Damen“ das Fechten nicht zu
  soldatischer Untertänigkeit sowie         Frauen*bildes der jeweiligen „Damen“.       ihren Tätigkeiten zählen. Sie sind keine
  die Karikatur eines Pseudo-               Es stellt sich heraus, dass viele mit       schlagenden Verbindungen und fügen
  rebellentums. (Bekennende)                dem „Feminismus“ nichts am Hut              sich keine Mensuren zu. Stattdessen
  Homosexuelle werden in Bur-               haben und auch nicht haben wollen.          treffen sie sich anscheinend, um „jun-
  schenschaften nicht geduldet.             „Wir sind weder eine Kaf feekränzchen-      gen Frauen die Eingewöhnung ins Stu-

                                                                                                                                  15
DAMENVERBINDUNGEN – EMANZIPATION GEHT ANDERS!

 dium sowie in das gesellschaftliche                     Hierarchisch, praktisch, gut?
 Leben […] zu erleichtern.“ vii, an Vorträ-              Konvente, Sekt trinken und Freund-                         5 gute Gründe gegen
 gen und Konventen teilzunehmen und                      schaften knüpfen- ist das wirklich alles                   Burschis
 um Partys zu veranstalten. Doch diese                   was Damenverbindungen ausmacht?
 Beschreibung verharmlost und vergisst                                                                              4. Anti-Elitismus
                                                         Nein. Durchbricht man die Fassade, der
 das Seilschaftenprinzip, das Damenver-                                                                             Die „Massenuniversität“, an der
                                                         hellblau-rosa gehaltenen Homepages
 bindungen ebenso wie Studentenver-                                                                                 auch Arbeiter_innenkinder und
                                                         der jeweiligen Damenverbindung mit
 bindungen männlicher Studierender zu                                                                               Frauen studieren dürfen, ist den
                                                         ihren freundschaftlichen und enthusi-
 ihren Charakteristika zählen und des-                                                                              Burschis ein Greuel. Ihr Eigenbild
                                                         astischen Formulierungen und begibt
 sen Grundlage der Elitegedanke ist.Das                                                                             entspricht jenem einer „Wert-
                                                         sich hinter die martialisch anmutenden
 Seilschaftenprinzip ist dazu da, den                                                                               elite“, die gleichzeitig gesell-
                                                         Wappen, so erkennt man die eigentli-
 Mitgliedern Vorteile zu verschaffen und                                                                            schaftliche Funktionselite zu sein
                                                         chen Eigenschaften und Ziele der stu-
 zum beruflichen Erfolg zu verhelfen.                                                                               habe; als männlich-konservative
                                                         dentischen          Zusammenschlüsse.
                                                                                                                    Elitenreproduktionsstätten zielen
                                                         Elitenbildung, Konservatismus, Nationa-
 Bezogen auf die Fächerauswahl der Stu-                                                                             sie auf die Abwehr eines gesell-
                                                         lismus, Obrigkeitstreue und das gesell-
 dentinnen ist auf fällig, dass es nicht                                                                            schaftlichen Aufstieges von
                                                         schaftliche Idealbild einer hierarchisch
 wie bei den Männern auf Medizin, Jura,                                                                             Frauen, „Fremdvölkischen“, An-
                                                         organisierten Gesellschaft mit bürgerli-
 BWL und andere gesellschaftlich aner -                                                                             dersdenkenden und Unterprivile-
                                                         chen Werten.
 kannte Fächer mit guten Berufschancen                                                                              gierten. In ihren Reden vom
 beschränkt ist, sondern dass auch ei-                                                                              „Leistungsprinzip“ offenbaren sie
                                                         Damenverbindungen bilden also keine
 nige dabei sein, die „typische Repro-                                                                              einen Sozialdarwinismus, der im
                                                         emanzipative Ausnahme im V erbin-
 duktions- und Erziehungsfächer“ wie                                                                                Dienste der Absicherung rechter
                                                         dungswesen, sondern vertreten selbst
 Pädagogik und Lehramt studieren.                                                                                   und männlicher Herrschaft und
                                                         meist die gleichen W erte wie ihre
                                                                                                                    Privilegien steht.
                                                         männlichen Kollegen.

 i   Krebs, Felix; Kronauer Jörg. „Studentenverbindungen in Deutschland. Ein kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht.“, Unrast, 2010, S. 17.
 ii  Kölner Stadtanzeiger: „Frauenpower statt Männerbünde“, Zugriff am 25.07.2012 unter http://www.ksta.de/campus/frauenpower-statt-
     maennerbuende,15189650,13250726.html.
 iii Akademische Damen-Verbindung Laetitia zu Aachen. „Wir über uns“. adv-laetitia.de
 iv Siehe: „Frauenpower statt Männerbünde“. ksta.de
 v Damenverbindung Lysitrata. „Übersicht der Damenverbindungen“. Lysi.de
 vi Damenverbindung Lysitrata. „Übersicht der Damenverbindungen“. lysi.de
 vii ADV Selenia. „Wir über uns“. advselenia.de

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