HEALTHCARE NEWS NACHRICHTEN AUS DEM GESUNDHEITSWESEN - PWCPLUS
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Auf ein Wort Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Covid-19-Infektionszahlen steigen wieder stark an und die Politik agiert zunehmend nervös. Bund und Länder haben die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona pandemie bis zum 18. April verlängert. Es ist äußerst umstritten, ob uns diese Maßnahmen dem Licht am Ende des Tunnels näher bringen. Vor einem Jahr erwarteten viele, dass wir drei Wochen aushalten müssten. Wo stehen wir heute? Vor Kurzem durfte ich eine Diskussion zwischen Kassenvertretern einerseits und Klinik verantwortlichen andererseits begleiten. Letztendlich konnten sich beide Seiten nicht verständigen, ob die Ausgleichszahlungen eine Bereicherung oder aber das Ende der Kliniken darstellen werden. Auch wenn es um Unternehmen geht, die entweder an der Produktion von Schnelltests oder an der Impfstoffherstellung beteiligt sind, sehen wir, dass hier keine einheitliche Einschätzung vorliegt – übrigens gilt das nicht nur für zentrale Akteure des Gesundheits wesens, sondern auch für die deutsche Bevölkerung. Unser aktuelles Healthcare-Baro meter, für das wir jährlich 1.000 Bundesbürger repräsentativ befragen, zeigt zum Beispiel, dass die Zahl derer, die Pharmakonzerne als Innovatoren wahrnehmen, sich gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt hat und von 19 auf 35 Prozent gestiegen ist. Dies spricht zwar für einen Imagegewinn, jedoch zeigt es gleichzeitig, dass nach wie vor eine Mehrheit, nämlich 52 Prozent, Pharmaunternehmen als rein auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen bewertet. Mehr zu den Ergebnissen des Healthcare-Barometers 2021 lesen Sie auf Seite 7. Was zeigt uns dies letztendlich? Die Pandemie mag uns vieles verdeutlicht haben. Sie hat aber nicht dazu beigetragen, dass die verschiedenen Akteure des Gesundheitswesens Hand in Hand miteinander arbeiten. Sektorengrenzen und unterschiedlich gelagerte Über zeugungen sind resistenter als jedes Virus der letzten Jahrzehnte. Hier gibt es nach wie vor viel zu tun. Aus diesem Grund freue ich mich, dass wir uns bei PwC Gedanken über eine neue Form des Gesundheitswesens machen und uns sektorübergreifend aufstellen. In der Rubrik „Wege aus der Pandemie“ beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe damit, wie die Impf bereitschaft erhöht werden kann und wie die Einführung eines digitalen Covid-19-Impf nachweises in Deutschland gelingen könnte (Seite 22). Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Auf ein Wort 2
Abschließend noch zwei Nachrichten in eigener Sache: Mit Prof. Dr. Nils Breuer haben wir seit Beginn des Jahres einen ausgewiesenen Experten sowohl für die Krankenhaus- als auch die Kassenwelt in unseren Reihen. Mit der Organisation von Impfzentren in einigen Bundesländern tragen wir auch aktiv dazu bei, dass sich etwas bewegt und das Tunnel ende wirklich ein solches ist. An dieser Stelle auch ein Dank an Armin Albat, der nach Jahrzehnten intensiver Beratung von Krankenhäusern den Staffelstab an Fabian Schülke übergeben hat. Ich danke Armin Albat herzlich und wünsche ihm etwas ruhigere Zeiten in der Zukunft. Nils Breuer und Fabian Schülke wünsche ich viel Erfolg und zukunftsgerichtete sowie sektorübergreifende Projekte. Michael Burkhart Tel.: +49 69 9585-1268 Liebe Leserinnen und Leser, bleiben Sie uns positiv gewogen und negativ getestet. michael.burkhart@ pwc.com Ihr Michael Burkhart Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Auf ein Wort 3
Inhalt Aktuelles 6 Neu gewonnenes Vertrauen: Zufriedenheit mit dem deutschen Gesundheitssystem deutlich gestiegen.................................................................. 7 Vermehrte Schäden durch Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen................. 10 Einsatz künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen: Überwindung von Widerständen.................................................................................................. 12 SAP-S/4HANA-Umstellung im Krankenhaus......................................................... 16 Wege aus der Pandemie 21 Helfer für den Weg zurück in die Normalität: der digitale Covid-19-Impfnachweis......................................................................................... 22 Impfen in Deutschland: ein Maßnahmenkatalog für mehr Akzeptanz und Vertrauen......................................................................................................... 26 Recht 29 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von Besuchskonzepten in Krankenhäusern während der SARS-CoV-2-Pandemie .... 30 Rufdienste als Arbeitszeit: mögliche Auswirkungen für Krankenhäuser.............. 34 Steuern 38 Zytostatikaverfahren: Klarstellung zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Vorsteuerbelastung...................................................................... 39 Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 4
Non-Profit-Themen 42 Gemeinnützigkeitsrechtliche Einordnung von Personal- und Sachmittel gestellung sowie Mitarbeiterverpflegung eines Krankenhauses........................... 43 Keine Rückforderung von Umsatzsteuer auf Fertigarzneimittel durch Krankenkassen............................................................................................ 47 women&healthcare-Netzwerktreffen..................................................................... 48 Weitere Veranstaltungen........................................................................................ 50 Über uns................................................................................................................. 52 Unser Service......................................................................................................... 53 Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 5
Aktuelles Neu gewonnenes Vertrauen: Zufriedenheit mit dem deutschen Gesundheitssystem deutlich gestiegen 7 Vermehrte Schäden durch Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen 10 Einsatz künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen: Überwindung von Widerständen 12 SAP-S/4HANA-Umstellung im Krankenhaus 16 Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 6
Neu gewonnenes Vertrauen: Zufriedenheit mit dem deutschen Gesundheitssystem deutlich gestiegen Die jüngste und siebte Ausgabe des Healthcare-Barometers von PwC zeigt: Die Zufriedenheit mit dem deutschen Gesundheitssystem ist während der Covid-19-Pandemie sprunghaft gestiegen. 72 % zählen es zu den drei besten der Welt, im Vorjahr waren es noch 52 %. Dass das deutsche Gesundheitssystem Vertrauen zurückgewinnen konnte, spiegelt sich auch im Imagegewinn der Krankenhäuser und der Pharmaunter nehmen wider. Deutsches Gesundheitssystem unter den Top 3? Während Deutsche ab 35 Jahren das Gesundheitssystem in den Vorjahren kritischer gesehen haben als Jüngere, sind nun mindestens sieben von zehn Bundesbürgern in allen Altersgruppen davon überzeugt, dass das deutsche Gesundheitssystem den Top 3 der Welt zuzurechnen ist. Basis: alle Befragten; N = 1.000 73 % 74 % 72 % 18–34 Jahre 65 % 64 % 64 % 62 % 62 % 70 % 55+ Jahre 59 % 35–54 Jahre 60 % 53 % 58 % 49 % 54 % Basis: alle Befragten; n = 1.000 (2016 52 % bis 2020), n = 1.035 (2015), davon 2020: 48 % 18–34 Jahre: n = 242; 35–54 Jahre: n = 320; 55+ Jahre: n = 438); Einfachnennung. 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 7
• Die Versorgung im Krankenhaus schätzen fast drei Viertel der Patienten als gut oder sehr gut ein. Zum Vergleich: In der Vorjahresbefragung stimmte nur die Hälfte der Deutschen dieser Aussage zu. • Auch bei den Pharmaunternehmen gab es eine positive Entwicklung: Die Zahl derer, die Pharmakonzerne als Innovatoren wahrnehmen, hat sich gegenüber der Vorjahresstudie nahezu verdoppelt und ist von 19 % auf 35 % gestiegen. Damit erkennen die Versicherten an, dass die Branche einen wesentlichen Beitrag zur Krankheitsbekämpfung leistet. • Mit ihrer Krankenversicherung – den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV) – sind die Bürger ebenso wie im Vorjahr ausgesprochen zufrieden, wie 88 % bestätigen. Ebenso hoch ist die Zustimmung zu der Aussage, dass die Krankenkassen alle wichtigen medizinischen Leistungen übernehmen. Bürger wünschen sich mehr Investitionen in Gesundheitsvorsorge Auch wenn die Bundesbürger mit dem deutschen Gesundheitswesen zufriedener als in der Vergangenheit sind, wünscht sich eine Mehrheit, dass in Zukunft der Fokus verstärkt auf die Prävention gelegt wird. Die Befragten waren insgesamt dafür, dass 55 % eines gedachten zusätzlichen Budgets von 100 Millionen Euro in Prävention investiert werden. 45 % sollen in die Heilung investiert werden. Das steht in Widerspruch zum derzeitigen Gesundheits system, das einen sehr kurativen Charakter hat. Wie wichtig sind Heilung und Prävention? Prävention Maßnahmen, die einen Heilung gesunden Lebensstil Maßnahmen zur Wie viel Prozent eines zusätzlichen der Menschen fördern, Verbesserung der Budgets sollte der Staat in medizinischen um das Risiko von Maßnahmen zur Prävention Versorgung und lebensstilbedingten bzw. Heilung investieren? Erkrankungen zu verringern der Behandlung von Erkrankungen 45 % Basis: alle Befragten; n = 1.000 55 % Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 8
Gesundheit geht vor Wirtschaft Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei Eine gute Gesundheitsversorgung ist für die Bürgerinnen und Bürger ein hoher Michael Burkhart Wert. Im Kampf gegen das Coronavirus finden daher zwei Drittel, dass der Tel.: +49 69 9585-1268 Gesundheitsschutz Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben sollte. Dieser michael.burkhart@pwc.com Wert steigt mit dem Alter: Während der Aussage 70 % der über 55-Jährigen zu stimmen, sind es unter den 18- bis 34-Jährigen nur 59 %. Sevilay Huesman-Koecke Tel.: +49 69 9585-3675 sevilay.huesman-koecke@pwc.com „Unsere Studie zeigt eindeutig, dass Gesundheit für die meisten Deutschen oberste Priorität hat, auch wenn die Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung natürlich da und berechtigt ist“, so Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland. Aus Sicht der Bürger: Die Krise wird Deutschland noch lange im Griff haben Auf dem Thema Impfen ruhen große Hoffnungen – nur 15 % lehnen die Impfung für sich selbst strikt ab, da sie Angst vor Nebenwirkungen haben. Rund 60 % der Versicherten sprechen sich für die aktuelle Impfstrategie der Regierung aus, nach der Arbeitnehmer aus systemrelevanten Berufen wie Ärzte und Pfleger sowie ältere Menschen vorrangig geimpft werden sollen. Trotz der Impf möglichkeiten rechnet die Mehrheit der Deutschen aber nicht damit, dass sich das Leben bald wieder normalisiert: 62 % gehen davon aus, dass die deutsche Bevölkerung noch lange mit Einschränkungen leben muss. Aber wie lange wird es aus Sicht der Studienteilnehmer dauern, bis das Leben in Deutschland zum Normalzustand zurückkehrt? Lediglich 4 % glauben, dass das schon Mitte 2021 der Fall sein wird. 26 % rechnen mit einer Rückkehr zum Jahresende 2021 und 17 % meinen, dass die Pandemie das Land noch bis Ende 2022 im Griff hat. Weitere Ergebnisse finden Sie unter www.pwc.de/hcbarometer2021 Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 9
Vermehrte Schäden durch Abrechnungs betrug im Gesundheitswesen Die Neuauflage der PwC-Studie Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen zeigt: Die Branche kämpft immer stärker mit Wirtschaftskriminalität in Form von Abrechnungsbetrug. Manipulierte Abrechnungen, gefälschte Rezepte oder Behandlungen führen zu hohen finanziellen Verlusten. Die Mehrheit der befragten Krankenversicherungen meldet Schäden von Download mindestens 500.000 Euro jährlich. Nach Einschätzung der Studie verschärft Weitere Ergebnisse finden Sie unter die Covid-19-Pandemie den Versicherungsbetrug zusätzlich. www.pwc.de/abrechnungsbetrugim gesundheitswesen Die Dunkelziffer beim Abrechnungsbetrug ist hoch Im Vergleich zu 2012 sind die Zahl der aufgedeckten Betrugsfälle und die daraus resultierenden Schadenssummen stark angestiegen. 53 % der gesetzlichen Krankenkassen berichten von mindestens 100 Betrugsfällen aus dem vergangenen Jahr mit einem Gesamtschaden von überwiegend mehr als 500.000 Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 meldete die Mehrheit (64 %) lediglich bis zu zehn Betrugsdelikte, wobei hiervon 54 % von Schäden von maximal 50.000 Euro berichteten. Einen noch größeren Verlust registrierten die privaten Krankenversicherungen: Bei 76 % von ihnen sind Gesamtschäden von mehr als 500.000 Euro (2012: 50 %) entstanden. Die Zahl der aufgedeckten Betrugsfälle ist im Vergleich zu 2012 unter anderem angestiegen, weil die Krankenkassen heute Betrügereien intensiver aufklären. Die aktuelle Covid-19-Pandemie könnte das Problem des Abrechnungsbetrugs verschärfen. Die Pandemie setzt den normalen Geschäftsbetrieb in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens außer Kraft. Zugleich wächst der finanzielle Druck sowohl aufseiten der Versicherten als auch aufseiten der Leistungserbringer deutlich. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 10
Zwei Haupttätergruppen lassen sich identifizieren Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei Bei den gesetzlichen Krankenkassen stammen die Täter, wie bereits 2012, vor Michael Burkhart allem aus dem Feld der Pflege (Pflegedienst 95 %, häusliche Krankenpflege 68 %). Tel.: +49 69 9585-1268 Bei den privaten Krankenversicherungen sind es hingegen die Versicherten, michael.burkhart@pwc.com die selbst in die Abrechnungsdelikte involviert sind (100 %), da Privatpatienten die meisten Leistungen direkt mit ihrer Krankenversicherung abrechnen. Über Gunter Lescher raschend ist, dass aus Sicht der Krankenversicherungen Kliniken nur eine unter Tel.: +49 211 981-2968 geordnete Rolle beim Thema Betrug spielen, obwohl stationäre Leistungen mit gunter.lescher@pwc.com rund 30 % einen der größten Kostenblöcke darstellen. Linda Heintz Bei der Aufdeckung spielen Hinweise von außen eine Tel.: +49 069 9585-5758 große Rolle linda.heintz@pwc.com Gesetzliche und private Krankenversicherungen verlassen sich zu sehr auf Hin weise von außen und vernachlässigen dabei zu oft eigene Kontrollsysteme. Bei den gesetzlichen Krankenversicherungen sind oftmals andere Kassen, Verbände oder die Polizei Hinweisgeber. Bei den privaten Krankenversicherungen gelten Staatsanwaltschaft und Polizei als Hauptinformationsquellen. Der Zufallsfaktor bei Aufdeckungen spielt somit eine zu große Rolle. Ein Ausbau der Kontrollsysteme ist demnach notwendig. Trotz weiterbestehender Mängel haben die Krankenversicherungen ihre Anstrengungen seit 2012 intensiviert und Personal aufgestockt. Gesetzliche Krankenkassen bei digitalen Datenanalysen abgehängt Trotz dieser verbesserten personellen Ausstattung gehen die Krankenversicherungen Hinweisen auf Straftaten nicht immer konsequent nach: Insbesondere bei den gesetzlichen Krankenkassen hat die Bereitschaft, alle Hinweise zu verfolgen, spürbar nachgelassen und ist auf 53 % gesunken (2012: 73 %), während bei den privaten Krankenversicherungen nahezu unverändert drei Viertel der Kranken kassen allen Hinweisen nachgehen. Die privaten Krankenversicherungen bekämpfen Abrechnungsbetrug entschiedener und sind beim Einsatz digitaler Technologie zur Aufklärung den gesetzlichen Krankenkassen überlegen. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 11
Einsatz künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen: Überwindung von Widerständen Seit nunmehr einem Jahr lenkt die Coronakrise den Fokus verstärkt auf das Thema „Digitalisierung und künstliche Intelligenz“. Zuletzt wurde der Gesetzgeber aktiv und schuf unter anderem mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) neue Fördermöglichkeiten und regulatorische Freiheiten, die die Digitalisierung im Gesundheitswesen entscheidend beschleunigen sollen. Gleichwohl verläuft die Adaption in der Branche eher schleppend. In diesem Bei trag skizzieren wir, wo die entscheidenden Widerstände liegen und wie sie überwunden werden können. Der Verlauf der Covid-19-Pandemie hat unmittelbar dazu geführt, dass beispiels weise das Angebot und die Nutzung von Onlineterminvereinbarungen, Video sprechstunden oder Gesundheits-Apps deutlich zugenommen haben. Doch Digitalisierung kann noch viel mehr. Eine Schlüsselkomponente dabei ist die künstliche Intelligenz (KI). Mithilfe von KI lassen sich schließlich große und komplexe Datenmengen verarbeiten und nutzen. KI kann aus vorliegenden Daten Verknüpfungen und Zusammenhänge identifizieren und so neue Erkenntnisse unter anderem in Bezug auf Prozessabläufe, Erkrankungen und Therapien gewinnen. Insbesondere die Datensituation im Gesundheitswesen mit einer Vielzahl von standardisierten Datentypen und Datenaustauschformaten bildet eine sehr gute Grundlage für den Einsatz von KI. Durch KI lassen sich diese Daten für die Effizienzgewinnung in den Arbeitsabläufen in Krankenhäusern, Arztpraxen, aber auch bei Krankenkassen nutzen: • Ärzte werden durch Empfehlungen und Erkenntnisse der KI bei ihren medizinischen Entscheidungen unterstützt. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 12
• Im Krankenhausumfeld sind bereits erste Anwendungsfälle zur Verbesserung der Genauigkeit von Befunden vor allem in der Radiologie und der Patho logie für die medizinische Auswertung von Bildaufnahmen deutschlandweit im Einsatz. • Krankenversicherungen schwimmen förmlich in Abrechnungs- und Behandlungsdaten und unternehmen erste Versuche in der datengetriebenen Versorgung von Versicherten durch die KI-basierte Analyse dieser Daten. Durch eine solche Nutzung von Daten für KI-Anwendungen können chronische Krankheiten frühzeitig erkannt und gezielte Vorsorgeleistungen angeboten werden. Die Potenziale sind eindeutig, aber erfordern die zielgerichtete Lösung neuer Herausforderungen. Trotz vielversprechender Anwendungsmöglichkeiten und messbarer Mehrwerte zur Kostensenkung oder zur Steigerung der Versorgungsqualität verläuft die Adaption im Gesundheitswesen eher schleppend. Bei näherer Betrachtung lassen sich verschiedene Ursachen dafür erkennen: 1. Identifikation und Priorisierung von erfolgversprechenden Anwendungsfällen Die richtige Auswahl von Anwendungsfällen ist elementar für den Erfolg der Implementierung einer KI-Lösung und legt den Grundstein für eine nachhaltige KI-Reise. Eine strategische und strukturierte Herangehensweise erfolgt in der Praxis jedoch in vielen Fällen nicht, was zu negativen Erlebnissen in der Reali sierung führt und die gesamte Transformation bremsen kann. Dabei ist gerade die Umsetzung der ersten Anwendungsfälle so wichtig, um den Pfad für die weitere Digitalisierung zu ebnen. Krankenhäuser müssen sich daher in der Diskussion möglicher Anwendungsfälle frühzeitig intensiv mit den Themen Um setzbarkeit, Integrationsfähigkeit und Auswirkung auf die Prozesse beschäftigen. 2. Mangel an Fachexpertise und Erfahrung für die praktische Umsetzung von KI Aufgrund der noch nicht fortgeschrittenen Digitalisierung und der Größe einzelner Krankenhäuser besitzt ein Großteil noch keine eigenen Abteilungen Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 13
und Experten, die sich um das Thema „Digitalisierung und KI“ kümmern. Fach experten mit Kenntnissen über die wissenschaftlichen Potenziale der Techno logie in der Forschung leisten oft einen wichtigen Beitrag, mindestens genauso wichtig ist jedoch tiefer gehendes technisches Wissen über die Realisierung in der Praxis. Dafür gibt es zahlreiche externe Anbieter und Berater, die kurzfristig sinnvoll unterstützen können, allerdings muss auch die langfristige Skalierung der Technologie durch zielgerichteten Kompetenzaufbau sichergestellt werden. 3. Integration in Systeme und Prozesse oftmals sehr komplex Häufig findet man eine überkommene IT-Landschaft und die dazugehörigen Prozesse vor. Die Frage nach dem Nutzen und der Integration eines KI-Modells in bestehende Systeme und Prozesse muss bereits im Rahmen der Aus einandersetzung mit dem möglichen Anwendungsfall beantwortet werden, um den häufig agileren Life Cycle von KI-Lösungen im Vergleich zu traditionellen IT- Systemen zu berücksichtigen. Immerhin müssen sich KI-Anwendungen rascher an Veränderungen von Prozessen und Daten anpassen. Die frühzeitige bereichs übergreifende Einbindung von Mitarbeitern aus dem Fachbereich und der IT ist dabei essenziell, um die erwarteten Mehrwerte vollständig realisieren zu können. 4. Regulatorischer Rahmen verändert sich dynamisch Sodann sind die umfassenden und zunehmenden Anforderungen aus dem regulatorischen Umfeld zu betrachten. Gesetzliche Vorgaben zur Datennutzung und -verarbeitung sowie die europäische Verordnung zum Datenschutz erfordern eine detaillierte Betrachtung des Handlungsspielraums auf Einzelfallebene. Hinzu kommen ethische Fragestellungen rund um die Erklärbarkeit von Entscheidungen unter Berücksichtigung unbewusster Vorurteile in den Daten einer KI. Nicht nur wegen hoher Compliance-Risiken gilt es, diese Aspekte vollständig im Blick zu haben und richtig auszulegen. Diese Aufgabe bindet oftmals viele Ressourcen. 5. Datenqualität und -verfügbarkeit erschweren Umsetzung Um verlässliche Aussagen einer KI zu erhalten, müssen die zugrunde gelegten Daten zum einen qualitativ angemessen und zum anderen in der Vielzahl verfügbar sein. Ein Teil des Datenaustauschs im Gesundheitswesen erfolgt bereits über standardisierte Datentabellen und -austauschsysteme zwischen allen Beteiligten. Allerdings führen in der Infrastruktur der einzelnen Organisationen oft veraltete IT- und Datenablagesysteme sowie unsauber gepflegte, überkommene Datenfelder zu Schwierigkeiten bei der Nutzung. Da Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 14
durch ergeben sich Mehraufwände in der Aufbereitung der vorliegenden Daten Weitere Informationen erfragen Sie und Schwierigkeiten bei der Skalierung von Anwendungsfällen. bitte bei Hendrik Reese 6. Vertrauen in die Technologie und deren Sicherheit muss Tel.: +49 89 5790-6093 aufgebaut werden hendrik.reese@pwc.com Nur wenn alle Beteiligten und insbesondere Patienten Vertrauen in neue, KI- gestützte Prozesse haben, kann die Transformation gelingen. Denn Veränderung muss nicht nur technisch, sondern vor allem in den Köpfen der Personen, insbesondere Patienten und Ärzte, stattfinden. Gerade im Gesundheitswesen sind die im Rahmen der Digitalisierung von Prozessen genutzten Daten besonders sensibel und schützenswert. Für eine erfolgreiche Transformation muss daher sehr viel Wert auf Vertrauen und den verantwortungsvollen Umgang mit Daten gelegt werden. Wie kann sich das Gesundheitswesen diesen Herausforderungen stellen? Als Grundregel für die KI-Transformation muss gelten, dass der Mensch und seine Gesundheit weiterhin im Mittelpunkt stehen. Insbesondere bei der Auswahl der Einsatzgebiete und der Implementierung von neuen Prozessen sind die verschiedenen Blickwinkel aller Beteiligten zu beachten. Den zentralen Aspekt stellt in diesem Zusammenhang Vertrauen dar: Vertrauen in die Technologie und Vertrauen in den Schutz der persönlichen Gesundheitsdaten. Die KI-Transformation kann folglich nur gelingen, wenn die dargestellten Heraus forderungen strukturiert in einem Transformationspfad adressiert werden. Den Startpunkt stellt dabei in der Regel eine klare KI-Strategie dar, die im Einklang mit der Unternehmensstrategie und der IT-Strategie steht, gefolgt von einer KI- Roadmap. In dieser sollten insbesondere die folgenden Fragen adressiert und gesteuert werden: (1) Welche Kompetenzen sowie organisatorischen und technischen Fähigkeiten bauen wir wann auf? (2) Welche Use Cases bieten sich für KI an? (3) Was ist rechtlich möglich und ethisch vertretbar? (4) Wie bereiten wir unsere Datenlandschaft auf KI vor? (5) Wie können wir KI auf eine Art und Weise nutzen, dass der Mensch dem System vertraut? Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 15
SAP-S/4HANA-Umstellung im Krankenhaus SAP wird voraussichtlich Ende des Jahres 2027 den Standardsupport der SAP Business Suite einstellen. Gegen einen Aufpreis bietet SAP eine erweiterte Wartung bis Ende des Jahres 2030 an. Daher ist für Krankenhäuser, die aktuell die SAP Business Suite einsetzen, ein Wechsel zu anderen ERP-Systemen oder eine Migration auf SAP S/4HANA in absehbarer Zukunft unausweichlich. Unabhängig davon, ob eine On-Premise-Lösung oder eine Cloud-Lösung bevor zugt wird, kann das volle Potenzial von SAP S/4HANA nur ausgeschöpft werden, wenn bei der Umstellung nicht allein technische Aspekte berücksichtigt werden. SAP S/4HANA ist mehr als eine neue Produktgeneration. Vielmehr legt SAP mit der Lösung das Fundament für die digitale Transformation, die eine integrierte, transparente und effiziente Lösung für alle Geschäftsbereiche ermöglicht. Die digitale Transformation ist ein wichtiger Bestandteil, um als Krankenhaus wettbewerbsfähig zu bleiben. Mit dem im September 2020 in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) werden deutschen Krankenhäusern die erforderlichen Mittel für diese Transformation in Form von Investitions programmen bereitgestellt. Damit eröffnen sich Möglichkeiten, bestehende Prozesse digitalisiert weiterzuentwickeln, Datenanalysen in Echtzeit vorzu nehmen, neue Geschäftsmodelle zu realisieren und das Krankenhaus auf die neuen Anforderungen des Marktes auszurichten. Die Umstellung des ERP- Systems wird auch Auswirkungen auf krankenhausspezifische Informations systeme und deren Schnittstellen haben. Mit der Near-Zero-Downtime-Techno logie, die im Rahmen der Umstellung auf S/4HANA von SAP bereitgestellt wird, können vorübergehende Systemausfälle auf ein Minimum reduziert werden. Diese Technologie ist besonders für Krankenhäuser von hoher Bedeutung, da ein unterbrechungsfreier Daten- und Informationsfluss sowohl ausschlaggebend für die Versorgung der Patienten als auch für die kontinuierliche Gewährleistung der Qualitätsstandards ist. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 16
Die jüngst von PwC veröffentlichte Studie zu Vorgehensweisen, Risiken und Download Chancen auf dem Weg zu SAP S/4HANA bestätigt, dass rund 50 % der Unter PwC-Studie „SAP S/4HANA – nehmen für die Umstellung mit einer Projektdauer von mindestens drei bis Erfahrungen von Unternehmen fünf Jahren rechnen. Ebenfalls rund 50 % der befragten Unternehmen haben in der DACH-Region“ das Umstellungsprojekt bereits gestartet oder umgesetzt. Die Frage, wie die Prozesse künftig ausgestaltet sein sollen, wird von den Unternehmen, die sich www.pwc.de/de/digitale- bereits im Projekt befinden, eindeutig beantwortet: 75 % von ihnen wollen ihre transformation/sap-s-4-hana- Prozesse standardisieren. Klar ist, dass die Umstellung auf SAP S/4HANA mit erfahrungen-von-unternehmen- massiven Investitionen seitens der Unternehmen verbunden ist. Immerhin 65 % in-der-dach-region.html der Befragten rechnen aber nach der Umstellung mit jährlich wiederkehrenden Einsparungen. Zur Sicherstellung der Ressourcen greifen die Unternehmen, die mit der Um stellung bereits begonnen haben, zu 70 % auf SAP-Implementierungspartner zurück, 30 % holen sich Unterstützung für die fachliche Konzeption. Ein häufig nicht erwarteter Vorteil, der sich durch die Einführung von SAP S/4HANA für Unternehmen ergibt, ist ein besserer Überblick über die abteilungsübergreifenden Prozesse. Unternehmen, die die Einführung erfolgreich gemeistert haben, gaben an, dass sie bereits den Rollout in weiteren (Tochter-)Gesellschaften planen. Unser Prüfungs- und Beratungsansatz im Bereich SAP S/4HANA umfasst insbesondere Beratungsprojekte, projektbegleitende Prüfungen sowie nach gelagerte Prüfungen. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 17
Beratungsprojekte Gemäß unserem Ansatz „Von der Strategie bis zur Implementierung“ bieten wir unseren Mandanten im Rahmen unserer Beratungsleistungen in jeder Phase des Implementierungsprojekts die passende Lösung für einen erfolgreichen Umstieg auf SAP S/4HANA an. Bei der Unterstützung der Implementierung orientieren wir uns an der von SAP vorgeschlagenen Methodik „SAP Activate“. In der ersten Phase („Prepare“) liegt der Fokus darauf, das Projekt des Mandanten aufzusetzen und richtungsweisende Entscheidungen zu treffen. Hier für erstellen wir Vorstudien und unterstützen bei der Erarbeitung von Roadmap und Business Case. Auch ein erster Blick in die SAP-Best-Practice-Prozesse kann Bestandteil dieser Phase sein. Die zweite Phase („Explore“) besteht in der Regel aus einer Fit-Gap-Analyse und der Konzeption der Ziellösung. In Workshops analysieren wir hierzu die individuelle Situation und die Bedürfnisse unserer Mandanten. Phase drei („Realise“) beinhaltet die fachliche und technische Umsetzung der Ziellösung in einem agilen Ansatz mit Sprints und Walk-throughs. Abschluss der Phase ist der End-to-End-Test. In der letzten Phase der Implementierung („Deploy and run“) realisieren wir für unsere Mandanten den Go-Live des Systems. Neben der konkreten Partizipation am Projekt nutzen wir unsere Erfahrung mit SAP-S/4HANA-Implementierungen auch, um das Projektmanagement des Mandanten mit den verschiedenen Stakeholdern maßgeblich zu unterstützen. Projektbegleitende Prüfung Die projektbegleitende Prüfung von ERP-Transformationsprojekten bietet seit Jahren und auch in der Zukunft mit SAP S/4HANA ein großes Unterstützungs potenzial für unsere Kunden. Wir begleiten Ihr Projekt als unabhängiger Qualitätssicherer oder „kritischer Freund“ und leisten so einen entscheidenden Beitrag zum Projekterfolg. Die Durchführung der Prüfung begleitend zur Um setzung der Projektaktivitäten ermöglicht uns eine schnelle Kommunikation unserer Feststellungen. Diese können unmittelbar aufgegriffen und im laufenden Projekt mitigiert werden. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 18
Nach Abschluss des Projekts können wir dessen Qualität auf Basis des inter nationalen Standards ISAE 3000 (Revised) attestieren. Hierfür wird das Projekt auf die Einhaltung von Ordnungsmäßigkeitskriterien, wie zum Beispiel GoBD, IDW RS FAIT 1 und IDW PS 850, geprüft. Prüfprogramm und Fokusthemen Im Rahmen der Prüfung des Projektmanagements betrachten wir insbesondere die Aspekte Projektauftrag und Projektorganisation. Die ordnungsmäßige Um setzung dieser Handlungsfelder ist Voraussetzung für den weiteren Projekterfolg bei der Migration auf das SAP-S/4HANA-System. Ziel der Prüfung in dieser frühen Phase ist es, Abweichungen und Verbesserungspotenziale frühzeitig zu identifizieren. Im Rahmen des Reviews der Konzeption prüfen wir, ob die fachlichen Vor gaben geeignet sind, die im Projektauftrag formulierten Ziele umzusetzen. Wir betrachten dabei die Ebene der fachlichen und technischen Konzeption und stellen so die Durchgängigkeit der Vorgaben vom Projektauftrag bis zur Um setzung sicher. Im Rahmen der Prüfung der Testverfahren beurteilen wir, ob die Tests nachvoll ziehbar ausgeführt und dokumentiert wurden. Darüber hinaus wird das Testen der vollständigen und richtigen Übernahme der notwendigen Bewegungs- und Stammdaten geprüft. Bei den funktionalen Tests stehen die Finanz- und Geschäftsprozesse einschließlich der Kontenfindungen im Fokus. Im Rahmen des Go-Live beurteilen wir, ob die Voraussetzungen für eine Produktivsetzung vorliegen und die notwendigen Maßnahmen für die Umsetzung der Hypercare-Aktivitäten, also der Vor-Ort-Betreuung durch das Projektteam in den ersten Wochen nach dem Go-Live zur schnellen Behebung von Fehlern, getroffen wurden. Digitalisierung der Prüfung Für die Prüfung der Einführung von SAP S/4HANA können wir auf ein dediziertes Set von Tools zurückgreifen. Mit Alteryx können wir die Datenmigration auf Voll ständigkeit und Richtigkeit analysieren. ACE und Halo for SAP sind PwC-eigene Tools, welche Berechtigungen, automatische Kontrollen und Prozessflüsse analysieren. Diese Tools kommen situativ zum Einsatz. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 19
Nachgelagerte Prüfung Bei der nachgelagerten Prüfung einer SAP-S/4HANA-Einführung können wir im positiven Fall unseren Mandanten die Ordnungsmäßigkeit der Systemeinführung bestätigen und unterstützen damit auch die Jahresabschlussprüfung. Dies er folgt in der Regel erst nachgelagert zum Go-Live des Systems beim Mandanten. Dadurch beschränken sich unsere Tätigkeiten im Wesentlichen auf die Prüfung der Datenmigration und Inbetriebsetzung. Ausgehend von den Abnahme- und Freigabeprotokollen der Fachbereiche beurteilen wir die Vollständigkeit von funktionalen Tests, die Richtigkeit der Migration von Stamm- und Bewegungsdaten sowie die Umsetzung des Cut Over mit der entsprechenden Fehlerbehandlung im Rahmen der Hypercare-Phase. Zusätzlich können wir bei den nachgelagerten Prüfungen verifizieren, ob die Auswirkungen der Implementierung auf das interne Kontrollsystem sowie das Berechtigungskonzept des Mandanten berücksichtigt wurden und entstandene Risiken adressiert sind. Weitere Informationen erfragen Sie Ziel ist es auch hier, einen Prüfungsbericht zu erstellen, welcher in der Jahres bitte bei abschlussprüfung als Nachweis der Ordnungsmäßigkeit der Migration verwendet Torsten Lechelt werden kann. Tel.: +49 30 2636-1700 torsten.lechelt@pwc.com Weiterführende Informationen zu den Dienstleistungen von PwC im Bereich SAP S/4HANA finden Sie auf der Website von PwC Deutschland und PwC Schweiz. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Aktuelles 20
Wege aus der Pandemie Helfer für den Weg zurück in die Normalität: der digitale Covid-19-Impfnachweis 22 Impfen in Deutschland: ein Maßnahmenkatalog für mehr Akzeptanz und Vertrauen 26 Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Wege aus der Pandemie 21
Helfer für den Weg zurück in die Normalität: der digitale Covid-19- Impfnachweis Impfen, impfen, impfen – so lautet das Gebot der Stunde, um die Coronapandemie langfristig in den Griff zu bekommen und wirtschaftliches sowie gesellschaftliches Leben wieder zuzulassen. Impfnachweise können auf dem Weg dorthin einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie Lockerungen für Personen, die das schützende Vakzin erhalten haben, kontrolliert ermöglichen und so den Weg aus der Pandemie schrittweise ebnen. Die Herausforderung bei der Konzeption eines solchen Nachweises liegt vor allem in der Entwicklung einer schnellen, fälschungssicheren und un komplizierten Lösung. Um hier einen Beitrag zu leisten, haben sich die Expertinnen und Experten von Strategy&, der Strategieberatung von PwC, im Diskussionspapier „Der digitale Covid-19 Impfnachweis“ mit den Modalitäten eines solchen Nachweises auseinandergesetzt. Die Autoren konnten hier auf breites Wissen zum Thema zurückgreifen, da PwC bereits andere Länder wie die Schweiz, Griechenland und Luxemburg sowie die EU und die Weltgesundheits organisation (WHO) dabei unterstützt hat, Konzepte für Impfnachweise zu erstellen. In der Schweiz geschah dies zum Beispiel in Kooperation mit der Stiftung meineimpfungen. Mit myCOVIDvac, einem Modul des schweizerischen elektronischen Impfausweises, können ohne vorherige Registrierung (die Ein willigung reicht aus) Covid-19-Impfungen elektronisch dokumentiert werden. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Wege aus der Pandemie 22
Im Fokus des Diskussionspapiers steht ein digitaler Impfnachweis, der allen relevanten Akteuren schnell und einfach Zugang zu den Daten ermöglicht und Transparenz schafft. Beim Ziel haben sich die Verfasser des Diskussionspapiers am Ziel der deutschen Bundesregierung orientiert: Lockerungen der Covid-19-Maßnahmen bei gleichzeitiger Kontrolle des Infektionsgeschehens zu erwirken. Drei Teilambitionen haben die Verfasser des Papiers daraus abgeleitet: • Ausstellung digitaler Zertifikate als Teilnahmeberechtigung für eine Rückkehr zum Normalzustand • Steigerung der Effizienz des Impf- und Nachsorgeprozesses (Einhaltung Pharmakovigilanz) • Nachweis und digitale Erfüllung der Dokumentationspflichten Zentral bei der Entwicklung einer entsprechenden Lösung ist es, das Augenmerk auf den „Nachweis der Unbedenklichkeit“ zu legen. Nachweise zur Immunität sind an dieser Stelle beispielsweise nicht geeignet, da diese medizinische Information nur unter Einbezug datenschutzrechtlich sensibler Informationen möglich wäre. Neben der Berücksichtigung mehrerer Anwendungen wie der Impferfassung, der Erfassung von Nebenwirkungen und der Nachweis verifikation, die zur Feststellung der Unbedenklichkeit notwendig sind, kommt es darüber hinaus darauf an, verschiedene Effektivitätsszenarien der Covid-19- Impfstoffe zu kalkulieren, damit Lockerungen gewährt werden können. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Wege aus der Pandemie 23
In diesem Zusammenhang kommt es bei der Entwicklung einer entsprechenden Lösung laut den Expertinnen und Experten von Strategy& zudem darauf an, die folgenden sechs zentralen Designprinzipien zu berücksichtigen: Designprinzipien politisch- Datenschutz Diskriminierungs- Rechts- rechtliche und digitale freiheit staatlichkeit Prinzipien Souveränität Sicherstellung von individueller Gewährung von Diskriminierungs- Anwendung rechtsstaatlicher Souveränität und Kontrolle von freiheit in Anwendung und Regelwerke für den Abruf und die Nutzern über Daten; Vermeidung Nutzung der Lösung für alle Nutzung von Daten (z. B. zu Umfang von Zweckentfremdung Bevölkerungsschichten und Dauer der Datenverwendung) nutzenbasierte Effektivität und Umsetzungs- Interoperabilität Prinzipien Nutzbarkeit geschwindigkeit Möglichst Orientierung an noch zu veröffentlichenden Standards Entwicklung geeigneter Möglichst schnelle Entwicklung der WHO/EU zur Ermöglichung Funktionalitäten zur einer Lösung zur kurzfristigen grenzüberschreitender Nutzung Steuerung des Infektions- Nutzung und Kontrolle des (bei gleichzeitiger Abwägung der und Impfgeschehens Pandemiegeschehens schnellen Umsetzbarkeit) Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Wege aus der Pandemie 24
Vor diesem Hintergrund eignet sich insbesondere eine hybride Lösung, Weitere Informationen erfragen Sie bestehend aus App und Hardware, zur Umsetzung eines digitalen Impfnach bitte bei weises. Die initialen Empfehlungen der Autoren des Diskussionspapiers fallen Marcus Bauer daher auf eine verifizierte Smartcard mit Companion App auf Basis der Block Tel.: +49 30 88705-834 chain-Technologie, die Flexibilität, Sicherheitsansprüche und technische Mach marcus.bauer barkeit zusammenbringt. Darüber hinaus berücksichtigt dieser Ansatz auch @strategyand.de.pwc.com weitere Bewertungskriterien wie politische und gesellschaftliche Durchsetz barkeit, Skalierbarkeit sowie eine hohe Sicherheit vor Fälschungen. Langfristig Holger Schmidt plädieren die Expertinnen und Experten von Strategy& aber auch für eine Ab Tel.: +49 30 88705-861 bildung des Covid-19-Impfstatus in der elektronischen Patientenakte. holger.schmidt @strategyand.de.pwc.com Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Wege aus der Pandemie 25
Impfen in Deutschland: ein Maßnahmenkatalog für mehr Akzeptanz und Vertrauen Um die Covid-19-Pandemie zu überwinden, müssen politische Akteure energisch und entschlossen handeln. Die durch die Pandemie ausgelösten Einschränkungen im sozialen und wirtschaftlichen Leben lassen sich nur über winden, wenn neben der Bereitstellung von Impfstoffen und einer umfassenden Impfstrategie sich natürlich ein Großteil der deutschen Bevölkerung impfen lässt. Die Impfbereitschaft zu steigern, ist demzufolge mittel- und langfristig einer der wesentlichen Schlüssel zur Pandemie bekämpfung. Im Rahmen der aktuellen Studie Auf dem Weg zum Restart Deutschland hat Strategy& zwölf Maßnahmen identifiziert, um eine erhöhte Impfbereitschaft unter den Bundesbürgern zu erreichen. Kernelemente sind dabei zielgruppengerecht aufbereitete Informationen, ein erleichterter Zugang zu Impfungen sowie transparente Ziele und daraus ableitbare Konsequenzen. Um eine Herdenimmunität zu erreichen, müssten sich etwa 80 % der Download Bevölkerung impfen lassen, eine Befragung des PwC Healthcare-Barometers Die vollständige Strategy&- 2021 zeigte allerdings, dass noch im Dezember 2020 sich knapp die Hälfte der Studie Auf dem Weg zum Restart deutschen Bevölkerung abwartend verhielt und 15 % einer Impfung sogar ab Deutschland finden Sie unter lehnend gegenüberstanden. www.strategyand.pwc.com/de/de/ studie/2021/impfstrategie.html Um diesen wesentlichen Faktor der Impfbereitschaft positiv zu beeinflussen, muss dringend seitens der Politik gehandelt werden, hierfür haben die Autoren der Studie zwölf Maßnahmen in drei Bereichen identifiziert, die einen Einfluss ermöglichen. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Wege aus der Pandemie 26
Der erste Maßnahmenbereich bezieht sich hierbei auf zielgruppengerechte Information Informationen zu Impfreihenfolgen und den Vakzinen selbst müssen breit gestreut und barrierefrei in unterschiedlichsten Kanälen verfügbar sein, um alle Gesellschaftsgruppen frühzeitig zu erreichen und eine Klarheit der nächsten Schritte zu ermöglichen. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen müssen transparent und nachvollziehbar dargelegt werden. Die Impfstrategie muss hier bei über alle zielgruppenrelevanten Kanäle verbreitet und die Kommunikation je nach Adressatenkreis individualisiert werden. Ein einfacher Zugang zu Impfungen ist ausschlaggebend auf dem Weg zu einer höheren Impfbereitschaft Der zeitliche, organisatorische und finanzielle Aufwand der Bevölkerung, eine Impfung zu erhalten, muss minimal sein. Hierfür ist eine Impfplattform, die übersichtlich alle relevanten Informationen zur Verfügung stellt und darüber aufklärt, wer wann impfberechtigt ist und wo eine Impfung durchzuführen ist (Impfzentrum, Arztpraxis etc.), zwingend erforderlich. Transparenz der Ziele der Impfkampagne Die individuellen und kollektiven Vorteile der Impfung müssen für die Bürger transparent und greifbar werden. Im öffentlichen Diskurs fehlen für Deutschland aktuell sowohl ein Zielwert für die Impfquote als auch konkrete Angaben über die zeitliche Planung. Die Definition und Veröffentlichung von Etappenzielen, etwa von zu erreichenden Inzidenzwerten, müssen in einer Roadmap integriert werden. So können auch kleinere Erfolge sichtbar gemacht werden und die Motivation, weiter durchzuhalten, erhöht werden, vor allem wenn die Erreichung bestimmter Inzidenzwerte direkt an Konsequenzen für den eigenen Alltag gekoppelt wird. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Wege aus der Pandemie 27
„Strategisches und gleichzeitig rasches Handeln ist Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei auf allen Ebenen der Pandemiebekämpfung zentral. Marcus Bauer Auf medizinischer Seite ist dafür ein professioneller Tel.: +49 30 88705-834 marcus.bauer@strategyand.de.pwc.com Gesamtprozess entscheidend, um die nötigen Infra strukturen zum Impfen so schnell wie möglich zu Prof. Dr. Nils Breuer optimieren. Zudem müssen alle Bürger, ob sie Tel.: +49 40 6378-2720 nils.breuer@strategyand.de.pwc.com bereits zu den Impfwilligen gehören oder nicht, mit funktionierenden und digitalen Anwendungen informiert und eng begleitet werden. Dafür sind auch Koordinationsprobleme zwischen den verschiedenen Stakeholdern, Bundesländern, Kommunen und Land kreisen abzubauen“, resümiert Prof. Dr. Nils Breuer, Director bei Strategy& Deutschland und Co-Autor der Studie. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Wege aus der Pandemie 28
Recht Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von Besuchskonzepten in Krankenhäusern während der SARS- CoV-2-Pandemie 30 Rufdienste als Arbeitszeit: mögliche Auswirkungen für Krankenhäuser 34 Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Recht 29
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von Besuchskonzepten in Krankenhäusern während der SARS-CoV-2-Pandemie Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschied am 22. Januar 2021 (Az. 9 TaBV 58/20) unter Verweis auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO NRW, dass der Betriebsrat bei der Ausgestaltung von Besuchskonzepten in Krankenhäusern mitbestimmen darf, weil es sich um betriebliche Regelungen des Gesundheits schutzes handle. Hierbei spielte insbesondere die Frage nach der Verbindlichkeit der Regelungen der Coronaschutzverordnung eine Rolle, die für den klinischen Betrieb (Stand 8. Dezember 2020) folgende Besucherregelung empfiehlt: • Soziale Kontakte sollten möglichst über Telekommunikation anstatt über persönliche Besuche erfolgen. • Besuche sind auf ein Minimum zu beschränken und zeitlich zu begrenzen. Besucher sind zu den erforderlichen Schutzmaßnahmen (Abstand von mindestens 1,5 m zum Patienten, Tragen eines Schutzkittels und eines dicht anliegenden, mehrlagigen Mund-Nasen-Schutzes, Händedesinfektion beim Verlassen des Patientenzimmers) zu unterweisen. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Recht 30
Sachverhalt Der Arbeitgeber betreibt ein Krankenhaus mit circa 850 Arbeitnehmern. Im Zuge der Coronapandemie führte er ohne Beteiligung des bei ihm vorhandenen Betriebsrats ein Besuchskonzept ein, mit welchem Zutritte und Aufenthalt von betriebsfremden Personen dokumentiert wurden. Hierbei sei auch die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zu beachten, wonach Besuche in Krankenhäusern nur auf der Basis eines einrichtungsbezogenen Besuchskonzepts zulässig seien. Entscheidungsgründe Das LAG Köln hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg im Beschluss vom 6. November 2020 (Az. 3 BV 31/20) gestützt. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers handle es sich bei den Arbeits schutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gerade nicht um unverbindliche Empfehlungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wobei sich das Mitbestimmungsrecht auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden bezieht, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Die coronabedingten Beschränkungen wurden zwar für Besucher erlassen, betreffen aber auch Mitarbeiter. Deshalb sind sie mitbestimmungspflichtig. Das Mitbestimmungsrecht setzt dann ein, wenn eine gesetzliche Handlungs pflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen erforderlich werden, um das Ziel zu erreichen. Hierbei ist irrelevant, ob die Rahmenvorschriften unmittelbar oder nur mittelbar dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter dienen (vgl. auch Beschluss des Bundes arbeitsgerichts vom 8. März 2017, Az. 1 ABR 25/15). Eine solche Handlungs pflicht zumindest auch zugunsten der Arbeitnehmer ergibt sich laut LAG aus § 5 Abs. 1 der Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Recht 31
§ 5 (1) 1Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, vollstationäre Einrichtungen der Pflege, ambulante Pflegedienste und besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe, Einrichtungen und Dienste der Wohnungslosenhilfe sowie ähnliche Einrichtungen haben die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Corona viren zu erschweren und Patienten, Bewohner und Personal zu schützen. 2 Hierbei sind insbesondere die Richtlinien und Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zu beachten. 3Besuche sind auf der Basis eines ein richtungsbezogenen Besuchskonzepts zulässig, das die Empfehlungen und Richtlinien des Robert Koch-Instituts zum Hygiene- und Infektionsschutz umsetzt. 4Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Regelungen nicht zu einer vollständigen Isolation der Betroffenen führen dürfen. 5Insbesondere müssen die Begleitung des Geburtsprozesses und der Geburt und Besuche, die aus Rechtsgründen (insbesondere zwingende Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer rechtlichen Betreuung) oder zur seelsorgerischen Betreuung erforderlich sind, infektionsschutzgerecht ermöglicht werden. 6Dies gilt auch für die Begleitung Sterbender. 7Zu weitergehenden Einzelheiten kann das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales gesonderte Regelungen erlassen. Die Ausgestaltung eines Besuchskonzepts ist in der Coronaschutzverordnung nicht abschließend geregelt. Vielmehr wird auf die betrieblichen und ein richtungsbezogenen Gegebenheiten bei der betrieblichen Ausgestaltung verwiesen. Ebenso sind für den Fall der Zulassung von Besuchern durch den Verweis auf die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts dessen Vorgaben als Mindeststandards verpflichtend, jedoch nicht abschließend. Dies unterscheidet sie von den konkreten ordnungsbehördlichen Anordnungen oder Regelungen. Dementsprechend enthalten die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts die ausdrückliche Vorgabe, dass die konkrete Umsetzung unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten erfolgen soll. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Recht 32
Praxishinweis Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei Die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sind zwar unmittelbar verpflichtend. Hansjörg Eger Es bestehen jedoch weitere Gestaltungsmöglichkeiten für Besuchskonzepte. Tel.: +49 711 25034-5212 Dabei ist immer auch zumindest an den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter zu hansjoerg.eger@pwc.com denken, sodass Regelungen bei der Ausgestaltung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösen. Soweit die Empfehlungen lediglich einen Mindest standard darstellen und somit die betrieblichen Besonderheiten zu beachten sind, ist die jeweils aktuelle Coronaschutzverordnung neben sonstigen konkreten ordnungsbehördlichen Verfügungen zum Betrieb und zur Öffnung zu prüfen. Soweit konkrete Vorgaben ohne Umsetzungsspielraum für den Arbeitgeber durch behördliche Anordnung oder eine entsprechend konkrete Verordnung (z. B. Coronaschutzverordnung) vorgegeben werden, ist die Mitbestimmung nicht ausgelöst. Müssen jedoch über ein Mindestmaß hinaus individuelle, für den konkreten Betrieb und die Einrichtung gewünschte oder notwendige Regelungen getroffen werden, die zwar nicht auf die Mitarbeiter gerichtet sind, diese aber zumindest mitbetreffen, sind deren Interessen im Besuchskonzept ebenfalls zu bedenken und die Mitbestimmung ist zu beachten. Aufgrund der sich stetig verändernden Situation, sowohl bei den aktuellen Ver ordnungen als auch bei den Anforderungen an den Betrieb und die politischen Vorgaben, empfiehlt es sich, mit dem Betriebsrat laufend zu kommunizieren. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Recht 33
Rufdienste als Arbeitszeit: mögliche Auswirkungen für Krankenhäuser Es besteht Fachkräftemangel – bei Pflegekräften, aber auch bei Ärztinnen und Ärzten. Die Steigerung der Arbeits attraktivität ist in den Kliniken ein großes Thema, um dem Fachkräftemangel erfolgreich zu begegnen. Dies gilt vor dem Hintergrund der Belastungen durch die Coronapandemie für das klinische Personal umso mehr. Eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzattraktivität spielen die Arbeitszeit- und Dienstplanmodelle. Auf diese haben zwei aktuelle EuGH- Entscheidungen möglicherweise erheblichen Einfluss. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in zwei Vorabentscheidungsverfahren das Thema der sogenannten Rufbereitschaft neuerlich in den Fokus gerückt. Medizinische Rufbereitschaften und die notwendige Gewährung von Ruhezeiten gemäß § 5 ArbZG für medizinisches Personal in Rufbereitschaft sowie unter Um ständen die Vergütung können durch diese Entscheidungen beeinflusst werden. Sie stellen zwar keine Änderung der Rechtsprechung dar, präzisieren aber die Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie im Rahmen nationaler Arbeitszeit- und Vergütungsregelungen und können sich in Einzelfällen auswirken. Dem EuGH-Urteil vom 9. März 2021, Rs. C-580/19, liegt eine Vorlage des Verwaltungsgerichts (VG) Darmstadt zugrunde, das mit der Klage eines Feuer wehrmanns gegen seinen Arbeitgeber befasst war und zu entscheiden hatte, inwiefern Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ im Sinne der EU-Richtlinie 2003/88 einzustufen sind. Der Kläger, ein beamteter Feuerwehrmann, darf seine Bereitschaft außerhalb der Dienststelle verbringen, hat aber von seinem Arbeitgeber die Vorgabe, binnen 20 Minuten mithilfe des ihm überlassenen Einsatzfahrzeugs unter Inanspruch nahme von Sonderrechten im Verkehr einsatzbereit vor Ort zu sein. Der Kläger ist der Ansicht, dass diese Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit anzuerkennen und entsprechend zu vergüten sind, unabhängig davon, ob er während dieser Zeit tatsächlich tätig ist. Healthcare News Ausgabe 62, März 2021 Recht 34
Sie können auch lesen