Herbst 2019 - Jesuitenmission
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Editorial Liebe Leserinnen und Leser! Während ich diese Zeile schreibe, wurde wieder einmal der Temperaturrekord in Deutsch- land gebrochen: 42,6 Grad – so heiß war es Ende Juli im niedersächsischen Lingen und wir stöhnen unter dieser großen Hitze. Da verspricht der Anblick unseres Titelbildes aus Afghanistan ein wenig Kühlung: Bei Schnee und Kälte spielen die beiden Jungs auf den matschigen Wegen einer Rückkehrersiedlung in Kabul. Das Leben dort ist sehr ärmlich und viele Kinder gehen nicht zur Schule. Im Februar waren meine Mitarbeiterin Judith Behnen und ich in Kabul. Eigentlich wollten wir von dort direkt weiter nach Bamiyan und Daikundi. Doch Wolken und Schnee machten den Flug in die Berge unmöglich und wir saßen eine Woche in Kabul fest. Das Gute daran: Jeder Flug, der nicht stattfindet, ist gut für das Klima. Keine andere Art der Fortbewegung verbrennt so viel Energie wie eine Flugreise. Obwohl der Flugverkehr nur einem kleinen Teil der Erdbevölkerung zur Verfügung steht, trägt das Fliegen knapp fünf Prozent zur globalen Erwärmung bei. Unsere Projektpartner im globa- len Süden leiden mehr und mehr unter den Folgen: extreme Wetterphänomene, Verstep- pung und Trockenheit. Mit dem CO₂-Rechner auf unserer Website wollen wir gemeinsam gegensteuern und ökologische Projekte fördern. In diesem Jahr bin ich nach Afghanistan und China geflogen und im September geht es noch nach Mosambik, Simbabwe und Sambia. Nach unserem CO₂-Rechner ergibt das 17 Tonnen und 231 Kilo von mir verursachte CO₂-Emissionen und einen Betrag von 430,80 Euro zum „Ausgleich“. Damit kaufe ich mich nicht frei, aber allein die Zahlen machen mir die Konsequenzen meines Handelns deutlich. Ich kann nicht auf alle Projek- treisen verzichten. Aber verantwortlich handeln: nicht jede Reise unternehmen, nur weil sie möglich ist. Zusammen mit Katrin Morales, unserer Geschäftsführerin in Wien, wünsche ich uns einen angenehm kühlen Herbst und danke Ihnen für Ihre Unterstützung! Klaus Väthröder SJ Mag. Katrin Morales Missionsprokurator Geschäftsführerin in Wien 2 jesuitenweltweit
Hilfe für Ostafrika Inhalt 04 Ernte in Afghanistan Seit 15 Jahren helfen indische Jesuiten im Land 11 Unsere Spendenbitte für Afghanistan Unterstützen Sie die Bildungsarbeit der Jesuiten 12 Jugend sucht Gott Schwester Thuy Tien begleitet Exerzitien in Vietnam 16 Jesuit und Agrarwissenschaftler Titel Afghanistan: Claus Recktenwald SJ wird in Sambia mitarbeiten Zwei Kinder in einer Rückkehrer- siedlung in Kabul 18 Menschenfischer Eine Meditation von Joe Übelmesser SJ Rücktitel Afghanistan: Bergpanorama mit Kindern und 20 „So viel Jugend hält jung!“ Esel in Bamiyan Heribert Müller SJ leitet eine Schule in Mosambik 24 Stoffbeutel statt Plastiksackerl Eine Umweltaktion unserer Freiwilligen in Peru 28 Flüge kompensieren, Klima schützen! Unser CO2-Rechner für ökologische Projekte 30 „Reden ermöglicht Weiterleben“ Bernhard Bürgler SJ trifft Frido Pflüger SJ in Uganda 33 weltweit notiert Buch, Nachruf, Termine, Impressum jesuitenweltweit 3
Ernte in Afghanistan Auf dem Weltfriedensindex 2019 belegt Afghanistan den traurigen letzten Platz. Ein Land voller Unfrieden und Terror. Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten: Der Einsatz indischer Jesuiten im Bildungsbereich seit 15 Jahren gehört dazu. E s ist kalt. Fürchterlich kalt. Der Buk- Ehrgeiz, Konzentration und Motivation. hari in der Ecke, ein traditioneller Es sind Winterferien in Afghanistan und Holzofen, strahlt in direkter Nähe die Schule hat eigentlich geschlossen. Drei Wärme aus, vermag aber das ganze Zim- Monate schulfrei, weil es kalt ist, die Wege mer nicht zu heizen. Die Mädchen sitzen zugeschneit und die Schulen das Feuerholz eingewickelt in Jacken, Mäntel, Tücher und für den Bukhari nicht bezahlen können. In Schals in den Schulbänken. Ihre Gesichter diesen drei Monaten darf der Flüchtlings- sind blass vor Kälte, die Nasenspitzen rot, dienst der Jesuiten (JRS) das Gebäude für aber all das stört sie nicht. Sie sind freiwil- seine sogenannten Winterschulen nutzen. lig hier und verfolgen den Unterricht mit 4 jesuitenweltweit
Afghanistan erste Mal in Kabul gelandet: „Der Flugha- fen war damals nur eine Baracke, es waren überall Einschusslöcher zu sehen. Auf den ersten Blick wirkte alles sehr beängstigend.“ An die Grenzen gehen Nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 beschließen die Jesuiten der südasiatischen Region, angesichts der großen humanitären Not in Afghanistan aktiv zu werden. Mil- lionen von Flüchtlingen hatten vor allem in den Nachbarländern Iran und Pakistan im Laufe des jahrzehntelangen Bürgerkrie- ges Schutz gesucht, die nun nach und nach zurückkehren in ihre zerstörte und ver- Pater Stan (Mitte) und Bruder Noel (rechts) mit Dorfältesten armte Heimat und vor dem Nichts stehen. in Foladi. Großes Foto: Kartoffelernte in Bamiyan. „In meiner indischen Heimatprovinz Pune haben Jesuiten aus dem deutschsprachigen Die Bevölkerung ist jung Raum so viel aufgebaut und uns mitgege- Diese Intensivkurse finden nicht nur hier ben. Jetzt war es an uns, dem Ruf an die in Kabul an verschiedenen Schulen statt, Grenzen zu folgen und dorthin zu gehen, sondern auch in Herat sowie in vielen Or- wo die Not am größten ist“, erklärt Pater ten der beiden Provinzen Bamiyan und Stan. „Natürlich haben mich viele gefragt: Daikundi. Tausende Mädchen und Jungen Was willst du als Priester in einem islami- erhalten so jedes Jahr von Januar bis März schen Land wie Afghanistan? Aber Pater Jo- Englisch- und Computerunterricht. Für sef Neuner hat mich damals ermutigt und Jugendliche der höheren Klassen stehen in gesagt, dass für uns Jesuiten Bildung der Extrakursen auch die naturwissenschaft- Weg ist, um das Evangelium zu verkünden.“ lichen Prüfungsfächer des afghanischen Abiturs auf dem Winterprogramm. Denn Ein Schild an der Straße anhand dieser Note wird anschließend zen- Der Wiederaufbau einer technischen Schu- tral entschieden, wer an welcher Universi- le in Herat ist 2005 das erste Projekt, das tät welches Fach studieren darf. „Gute Bil- die Jesuiten in Angriff nehmen. Bruder dung ist eines der größten Bedürfnisse hier Noel Oliver, der zuvor im indischen Pune im Land“, sagt Pater Stan Fernandes. „Die eine technische Schule geleitet und in Kam- Bevölkerung ist jung, 68 Prozent sind zwi- bodscha nach dem Bürgerkrieg ein Berufs- schen 12 und 25 Jahre alt. Bildung ist der bildungszentrum aufgebaut hatte, erinnert Bereich, in dem die Regierung uns um Mit- sich: „Ich hatte gedacht, Afghanistan sei wie hilfe gebeten hat.“ Der indische Jesuit ist eine Wüste. Wo sollte ich Schatten finden? für die Projekte in Afghanistan verantwort- Aber dann habe ich die Bäume in Kabul lich, die von Englischunterricht über Ma- und Herat gesehen. Die Leute, die ich in turavorbereitung und Lehrerausbildung bis Afghanistan getroffen habe, waren ebenso hin zum Online-Studium reichen. Vor fast wundervoll, genau wie die grünen Bäume. fünfzehn Jahren ist der heute 72-Jährige das Die Zusammenarbeit mit Mister Karimi, 6 jesuitenweltweit
Afghanistan dem Direktor der technischen Schule in Männer an verschiedenen Standorten stu- Herat, gehört zu meinen schönsten Erin- dieren und ein international anerkanntes nerungen.“ Der Kontakt kommt damals Diplom erhalten. zufällig zustande, erzählt Bruder Noel: „Zu Beginn unserer Zeit in Afghanistan ging es Kompass statt Blaupause darum, die Situation zu beurteilen und Vor- Insgesamt rund fünfzig Jesuiten haben seit schläge zu machen, wie wir sinnvoll helfen 2005 in Afghanistan gearbeitet, einige für konnten. Als wir eines Tages auf der Straße mehrere Jahre, andere für ein paar Monate entlangfuhren, fiel mir ein Schild ins Auge: oder für gezielte Trainings- und Beratungs- Herat Technical Vocational High School. einsätze. „Aufgrund der stets instabilen Sofort bat ich unseren Übersetzer anzuhal- und unvorhersehbaren Lage in Afghanistan ten und zu schauen, ob wir die technische haben wir immer flexibel reagiert, um un- Schule besuchen konnten.“ Aus dieser ers- sere Ziele zu erreichen“, meint Pater Stan. ten Begegnung entwickelt sich eine jahre- „Wir haben nie eine statische Blaupause lange Zusammenarbeit. Abdurahim Karimi, gehabt, sondern eher einen Kompass, der der damalige Direktor, sagt im Rückblick: uns die Richtung anzeigt, damit wir den „Alles, was der JRS getan hat, war wie ein Weg nehmen, der am besten zu der jewei- persönliches Geschenk für mich und ich ligen Situation und unseren vorhandenen werde es niemals vergessen. Die technische Ressourcen passt.“ Neben der Flexibilität Schule auf den jetzigen Stand zu bringen, ist die Nähe zu den Menschen ein wesent- hat der jungen Generation Hoffnung gege- liches Kriterium für den Erfolg der Arbeit. ben. Die hier ausgebildeten Ingenieurinnen und Ingenieure tragen zur Entwicklung der gesamten Region bei.“ Das Netzwerk wächst Nach und nach ergeben sich weitere Kon- takte. Unter dem organisatorischen Dach des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS) be- ginnen sich die indischen Jesuiten in un- terschiedlichen Bereichen zu engagieren: In Sohadat, einer tristen Rückkehrersiedlung bei Herat, helfen sie beim Aufbau einer Grundschule und der Wasserversorgung. An der Universität von Kabul unterrichten sie. In Bamiyan beginnen sie mit Englisch-, Pädagogik- und Mathematikkursen für angehende Lehrerinnen und Lehrer, un- terstützen Landwirtschaftsprojekte sowie Selbsthilfegruppen für Frauen und bauen die Winterschulen auf, die sich bald auch auf andere Regionen ausdehnen. Über das Hochschulprogramm Jesuit Worldwide In Sohadat, einer Rückkehrersiedlung bei Herat, haben die Learning (JWL) können junge Frauen und Jesuiten geholfen, die Wasserversorgung zu installieren. jesuitenweltweit 7
Venezuela Schulkinder in Sohadat. Foto unten: Einer der indischen Jesuiten auf dem Weg zur technischen Schule in Herat. Bruder Noel bringt ein anschauliches Bei- Fahrrad durch die Straßen zu fahren, ist für spiel dafür: „Wir haben in Herat nicht Ausländer so gut wie undenkbar. Es herrscht hinter Sicherheitszäunen gelebt, sondern Angst vor Entführungen und Anschlägen. eine Wohnung gemietet und Tür an Tür Parteizentrale, Militärakademie, Universität: mit unseren afghanischen Nachbarn gelebt. Allein im Juli sind diese öffentlichen Ein- Ich erinnere mich noch, wie ich zu Beginn richtungen in der afghanischen Hauptstadt meinen Mitbruder Santiago fragte, ob ich Ziele von Bombenanschlägen geworden. ein Motorrad kaufen solle, damit wir mobil Wir fahren im Taxi durch Kabul – auf dem seien. Er antwortete: Nein, wir werden Fahr- sichersten Weg von der Schule bis zum Haus räder benutzen. Also habe ich zwei Fahrräder der Jesuiten. Das Zentrum meiden, kleinere gekauft und als ich sie am Büro vorbeischob, Wohnstraßen nehmen, nicht an internatio- sagte einer der Mitarbeiter sofort: Oh, du nalen, militärischen oder politischen Institu- bist einer von uns! Wie alle anderen sind wir tionen vorbeifahren, nur persönlich bekann- mit dem Fahrrad ins Büro gefahren, zu Fuß auf den Markt gegangen und haben für wei- tere Strecken den Bus genommen. Ich glau- be, dass unser Jesuiten-Team es geschafft hat, eine sehr enge Beziehung zur lokalen Bevöl- kerung aufzubauen. Wir waren für viele wie Familienmitglieder.“ Enger Bewegungsradius Was 2005 in Herat möglich war, ist im heu- tigen Kabul deutlich schwieriger. Mit dem 8 jesuitenweltweit
Afghanistan ten Taxifahrern vertrauen und auf keinen Fall feste Routen und wiederkehrende Mus- ter erkennen lassen, all diese Regeln gehören in Kabul zum normalen Alltag. Lehrertraining in Kabul Im Haus der Jesuiten in Kabul, das neben einem großen Schulungsraum und Büros ei- nen Wohntrakt beherbergt, leben dauerhaft zurzeit nur zwei Leute: Die Schweizerin Sil- via Käppeli, die als Gesundheitsexpertin seit 2013 den JRS Afghanistan verstärkt sowie Bruder Tommy, der in Indien viele Jahre Schulleiter war und hier für Lehrertrainings verantwortlich ist. Einen Tag in der Woche kommen alle Lehrerinnen und Lehrer der Studieren mit Jesuit Worldwide Learning (JWL). Winterschulen in Kabul in zwei Schichten zur Fortbildung. Bruder Tommy führt sie Anahita und Qandi erzählen auf Englisch durch, so dass sie gleichzeitig Anahita ist 21 Jahre alt, lernt beim JRS Eng- gutes Sprachtraining bieten. Er legt viel lisch und unterrichtet in der Winterschule Wert auf Gruppenarbeit, freie Diskussi- in Herat. Sie erinnert sich an ihre Kindheit: onen und Aufgaben, die zum kritischen „Es ist elf Uhr vormittags an einem heißen Denken herausfordern und zum Suchen Sommertag und unser Schultag im Schatten kreativer Lösungen. Rund dreißig junge eines Baumes war beendet. Als ich hungrig Frauen und Männer sitzen um den großen und durstig wieder zu Hause angekommen Tisch im Schulungsraum. Lebhaft und in- war, hörte ich von meiner Mutter nur: Du teressiert verläuft das Gespräch mit mir. faules Mädchen! Warum sitzt du herum? Untereinander wird kontrovers diskutiert: Geh, geh, kümmere dich um die Schafe und Wie sieht die Zukunft für sie in Afghanis- Kühe, bring sie hinaus, damit sie Futter fin- tan aus? Träumen sie von einem Leben im den. Meine Augen füllten sich mit Tränen, Ausland? Müssen Frauen in der Gesellschaft aber ich nahm die Tiere und ging hinaus. durch Männer beschützt werden? Wie lässt Es war sehr heiß, wie in einer Wüste, aber sich das Bildungssystem verbessern? Viele, ich war daran gewöhnt. Auch die Blasen an die zum JRS-Team gehören, sind seit Jahren meinen Füßen bemerkte ich nicht mehr. dabei: erst als Schüler, dann als Studieren- Aber die Fragen in meinem Kopf kamen de, um jetzt als Mitarbeitende Verantwor- nicht zur Ruhe: Würde ich mein Leben lang tung zu übernehmen. Vor allem die jungen Schäferin bleiben? Warum lässt mich mei- Frauen aus den ländlichen Regionen von ne Familie nicht lernen? Ist es, weil ich ein Bamiyan und Daikundi müssen oft große Mädchen bin?“ Qandi stammt aus Daikun- Widerstände innerhalb ihrer Familien über- di und möchte studieren. Sie erzählt: „Ich winden, um für weiterführende Bildung in komme aus einem Dorf, das in einem tiefen die nächstgelegene Stadt ziehen zu dürfen Tal zwischen drei hohen Bergen liegt. Sechs oder mit einem Stipendium der Jesuiten für Monate im Jahr sind die Zugangsstraßen einige Zeit gar in Indien zu studieren. wegen Schnee oder Schlamm unpassierbar. jesuitenweltweit 9
Afghanistan Als der JRS seine Tätigkeit in meiner Schule Vertrauen ist die Basis aufnahm, hätte ich nie erwartet, dass sich Die Erfahrungen von Anahita und Qandi so vieles verändern würde. Ich konnte Eng- teilen viele Mädchen. Der JRS hat es an lisch lernen und dadurch ging ein Traum vielen Orten geschafft, ihre Bildungschan- für mich in Erfüllung. Die JRS-Kurse ha- cen zu erhöhen. Der Schlüssel für den lang- ben mir Selbstvertrauen geschenkt. Vorher fristigen Erfolg ist dabei das Vertrauen der wusste ich nicht, welche Fähigkeiten ich Eltern und die Zusammenarbeit mit den habe, aber jetzt kenne ich sie. Ich habe ge- lokalen Gemeinschaften. Silvia Käppeli lernt, in der Öffentlichkeit zu sprechen und warnt davor, Traditionen in Afghanistan mich in einer Fremdsprache zu unterhal- gegen die im Westen geltenden Freiheiten ten. Die Meinung in meinem Dorf lautet: auszuspielen: „Im heute weitgehend ge- Wenn ein Mädchen allein aus dem Haus setz- und rechtsfreien Raum sind gewisse geht, bringt dies Schande über ihre Fami- Schutzmaßnahmen durchaus gerechtfer- lien. Wenn ein Junge aus dem Haus geht, tigt.“ Und der indische Jesuit Prem Kumar, bringt es Wohlstand. Ich möchte studieren. der 2014 von den Taliban entführt und Wenn mir das gelingt, kann ich die Vorstel- acht Monate in Gefangenschaft gehalten lungen verändern, die hier über Mädchen wurde, betont: „Wenn wir die Menschen bestehen. Ich möchte Ärztin werden, weil es nicht verstehen und sie nicht so akzeptieren in meinem Bezirk keine Ärztinnen gibt. Ich wie sie sind, dann wird unser Dienst nicht liebe die Menschen in meinem Land und erfolgreich sein.“ frage mich, wie ich ihnen und auch mir selbst helfen kann.“ Judith Behnen Lernen trotz Kälte: Mädchen der Winterschule in Kabul mit Judith Behnen (hinten Mitte mit violettem Kopftuch). 10 jesuitenweltweit
jesuitenweltweit Kirgistan Unsere Bitte für Afghanistan In der Nähe von Bamiyan liegt diese Mühle, die ich schon vor einigen Jahren besucht habe. Sie wird von einem Wasserstrom betrieben, der aus den Bergen kommt und in einen wunderschönen See mündet. Es kam gerade ein Mann mit seinem Esel und seinem Sohn vorbei, der zwei Säcke Weizen zur Mühle brachte. Wir durften im Inneren des kleinen Häuschens zuschauen. Das Korn wird in den Holztrichter geschüttet und zwischen den beiden Mahlsteinen zerrieben. Der feine Mehlstaub liegt in der Luft und das Licht wird dadurch ganz weich. Das ländliche Afghanistan in Bamiyan und Daikundi ist eine Welt, die wir uns aus der Ferne fast nicht mehr vorstellen können: Uralte Traditionen und Lebensweisen, feste Famili- en- und Clanstrukturen, harte Arbeit mit einfachsten Mitteln. Der Krieg hat tiefe Wunden in die Seelen der Menschen geschlagen. Mit ihrer Bildungsarbeit haben die Jesuiten in den vergangenen 15 Jahren Vertrauen und Nähe gewonnen, um mit den Familien gemeinsam einen Weg zu gehen und vor allem für die Mädchen Türen zu öffnen. Mit Ihrer Hilfe wollen wir diesen Weg weiter unterstützen. Von Herzen danke ich Ihnen für Ihre Spende! Spendenkonto Österreich IBAN: AT94 2011 1822 5344 0000 Klaus Väthröder SJ Spendenkonto Deutschland Missionsprokurator IBAN: DE61 7509 0300 0005 1155 82 Stichwort: X31193 Afghanistan jesuitenweltweit 11
Jugend sucht Gott Die Zahlen sind beeindruckend: Mehr als 1.000 Jugendliche nehmen jedes Jahr an den von Jesuiten organisierten Sommerexerzitien in Vietnam teil. Die Ordens- schwester Thuy Tien berichtet über die Erfahrungen einer solchen Woche. I ch denke, dass unsere Jugendlichen wie „Kommt an einen einsamen Ort!“ die übrigen jungen Menschen auf der Auf jeden Fall ist es notwendig, auch mal ganzen Welt nach Wegweisung und der innezuhalten: „Kommt mit an einen einsa- tieferen Bedeutung ihrer Identität und ih- men Ort, wo wir allein sind, und ruht ein res Engagements suchen. Sie begegnen der wenig aus“, lädt Jesus seine Jünger mitten in Welt mit mutigen Augen voller Hoffnung der alltäglichen Hektik ein. „Denn sie fan- und Freude. Sie haben zweifellos die Ener- den nicht einmal Zeit zum Essen, so zahl- gie und die angeborene Hartnäckigkeit, das reich waren die Leute, die kamen und gin- zu suchen und zu finden, was Gott für sie in gen“ (Mk 6,31). Jesus lädt nicht ein, weil diesem Leben angelegt hat. die freie Zeit dazu da ist, sondern weil ihnen gerade diese Zeit fehlt. Eine solche Einla- Schattensuche in der Cloud dung spricht unser Volk sehr an. Ich glaube, Aber das Leben ist nicht einfach. Familiäre dass wir in Vietnam als landwirtschaftlich und gesellschaftliche Realitäten verstärken geprägtes Land eine natürliche Sehnsucht oft die existenzielle Unruhe und das Ge- nach Einfachheit und Einsamkeit haben. fühl, in eine Welt ohne klaren Rhythmus Tatsächlich suchen viele Jugendliche Pago- hineingeworfen zu sein. Das Leben wird den für zen-buddhistische Meditation auf, härter im Industrie 4.0-Zeitalter. Techni- die ihrer Meinung nach die Kirche nicht sche Konnektivität führt nicht automatisch bieten kann. Daher organisierte der Jesui- zu bedeutsamen Beziehungen und sozialem tenpater Thai Son ein Sommerprogramm Zusammenhalt, noch führt steigende Effizi- für junge Menschen in der ignatianischen enz automatisch zu einem Mehr an Freizeit Tradition der Einzelexerzitien. und Freiraum für das eigene Selbst. So en- den viele Jugendliche damit, ihren eigenen Sehnsucht trotz voller Kirchen Schatten in Cloud-Realitäten voller Ver- Die ignatianische Vorgehensweise ist unter sprechungen hinterherzujagen, die sie aber Vietnams Katholiken nicht weit verbreitet. doch nur leerer, frustrierter und innerlich Unsere Kirchen sind zu den täglichen Mes- noch wütender zurücklassen. sen gut besucht und am Sonntag überfüllt. 12 jesuitenweltweit
Vietnam Das Gemeindeleben ist geprägt von Herz- lichkeit und aktivem Engagement. Aber ich spüre die Sehnsucht der Jugendlichen nach einer persönlicheren Erfahrung inmitten der gemeinschaftlichen Glaubensfeiern. Daher investieren wir viel Anstrengung und Auf- wand in das Sommerprogramm und setzen dabei alle Mittel ein, auch in den sozialen Medien mit Kampagnen, Glaubenszeugnis- sen und Spendenwerbung. Neugier und Offenheit Aktuell haben wir im ganzen Land 19 Kurse, Schwester Thuy Tien begleitet die Sommerexerzitien. an denen jeweils rund 65 junge Menschen teilnehmen, also insgesamt etwa 1.200. Viele wenn der Magen leer bleibt. So ist zu Beginn kommen zum ersten Mal und bringen un- der Exerzitien die erste echte Loslösung der terschiedliche Absichten und Motivationen Abschied vom Telefon. In Verbindung mit mit. Sie haben von Erfahrungen früherer der auferlegten Stille bewegen sich die Teil- Teilnehmer gehört oder begleiten Freun- nehmer von nervöser zu extremer Unruhe. de, ohne selbst zu wissen, was sie außer der Es gibt immer eine beträchtliche Zahl von gemeinsamen Zeit erwartet. Einige lockt Leuten, die sich zu eingeengt fühlen und einfach die Neugier. Einige zögern mit der aussteigen wollen. Hat sich die Entschei- Anmeldung, weil ihnen das Geld fehlt. Eine dung zum Bleiben durchgesetzt, kommen Studentin erzählte mir von ihrem Interesse bald verschiedene Besorgnisse und innere und gestand, sich die Gebühr nicht leisten zu Konflikte an die Oberfläche und die emp- können. Anfangs fühlte ich mich hilflos und fundene Leere öffnet Herz und Seele für das zögerte, sie weiter zu ermutigen. Ein paar geistliche Gespräch mit Gott. Sie werden Tage später spendete ein Wohltäter einen in eine neue Sprache eingeführt, in der die großen Betrag für religiöse Zwecke ohne, Seele, die so dringend gehört werden will, dass ich nach ihm gesucht hätte. Von dieser die göttliche Gegenwart berührt, die tief in Zeit an versorgte uns Gott weiter, und die ihrem Inneren allezeit zu wohnen scheint. Jesuiten arbeiten hart daran, die dürftigen Aber der Weg dahin ist mühsam. Teilnehmerbeiträge zu subventionieren. Veränderung durch Schweigen Eine Woche ohne Handy Die äußeren Sinne, die alltäglich gewohn- Während der fünftägigen Exerzitien lassen heitsgemäß angewendet werden, müssen dis- die Teilnehmenden alle schulischen und be- zipliniert werden. Die Augen sollen auf eine ruflichen Aktivitäten ebenso ruhen wie ihre Schriftstelle, eine Kerze oder ein religiöses Kontakte zu Mitmenschen. Ich spüre ihr Bild gerichtet sein, oder in zielloser Kontem- Widerstreben bei der Abgabe von Telefonen plation verharren, während die Gedanken und anderen Geräten, um der Abgeschie- vorbeistürzen, schwankend zwischen flüchti- denheit Raum zu geben. Vietnam ist ein ar- gen Fantasien und plötzlichen Erkenntnissen. mes Land, aber jeder junge Erwachsene ist Die Ohren, die den Lärm belebter Straßen von elektronischen Geräten abhängig, selbst und nörgelnde Stimmen kennen, müssen den jesuitenweltweit 13
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Vietnam „leng keng“-Klang der Glocke respektieren, tungsgespräche zu führen. Ich hatte sogar die zur nächsten Betrachtungszeit ruft. Die Zweifel, ob ich noch das umgangssprachliche Zunge muss im Zaum gehalten werden und Vietnamesisch der Jugend verstehen könnte. die Bewegungen des Körpers erfolgen spar- Überraschenderweise teilten während eines samer. Es ist ein erstaunlicher Anblick, wie Gruppenaustausches einige die Früchte ihres sich die jungen Menschen verändern. Im Gebets, die sie von meinen Impulsen herlei- persönlichen Begleitungsgespräch kommt teten. Sie drücken ihre Dankbarkeit dafür jeder mit Geschichten, Träumen, Schmerzen aus, von dem Vortrag so berührt worden zu und Problemen. Ich sehe deutlich, wie weit sein. Natürlich ist es stetig und immer wie- die heutige Welt der Jugend von der meiner der gesagt worden, dass Gott selbst der Re- Zeit entfernt ist, als ich selbst in ihrem Al- gisseur der Exerzitien ist. Aber wie oft vergaß ter war. Sie kann gleichzeitig so ablenkend ich es, und wie oft wollte mein Ego glauben, und betäubend sein. Ich verstehe immer dass es um mich und meine Leistung ginge. besser ihre Konflikte und Kämpfe und wie ihr Glaube trotz bester Absichten ohne einen Verwandlung und Sendung Ort für persönliche religiöse Erfahrung mög- Die jungen Leute zeichnen ihre vergange- licherweise nie ans Tageslicht kommen kann. nen Erfahrungen nach und schauen sich ihre gegenwärtigen Sorgen an, insbesondere die Wurzeln schlagen in Gott von Schmerz und Trauer, von Hilflosigkeit Ich erinnere mich an einen Teilnehmer, der und Entbehrung. Mit erneuerten Augen des mit Sorgen über sein Studium, seine Bezie- Herzens erkennen sie, dass Gott sie in gro- hung und eine Vielzahl anderer Dinge zu ßer Liebe hält, nie ihre Seite verlässt, mit ih- mir kam. Unter Tränen teilte er seine Last. nen die ganze Zeit leidet und weint. Sie sind Wir sprachen die längste Zeit darüber, wie Zeugen für Gott geworden, erzählen und verwirrt und vernachlässigt er sich fühlte. Er beschreiben ihre Erfahrungen für Freunde, kam die folgenden Tage nicht mehr zum Ge- die Familie zu Hause, in der Schule, am Ar- spräch. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht beitsplatz und in den sozialen Medien. Die beten konnte. So betete ich jeden Tag für letzte Messe des Kurses fühlt sich immer an ihn. Überraschenderweise kam er am letzten wie die Aussendung der Jünger. Ich bin allen Tag und sagte: „Schwester, dies ist das erste sehr dankbar, die mir das Privileg geben, an Mal, dass ich getrennt von meinen Eltern diesem Dienst mitzuwirken. Wie die Exerzi- an einem neuen Ort bin, das erste Mal, dass tienteilnehmer, die eine Verwandlung erfah- ich aufrichtig die Beichte ablege und jemand ren, bin ich selbst ständig verwandelt, weil wirklich zuhört, das erste Mal, dass ich Gott ich die Bewegungen Gottes in ihnen sehen, begegne. Ich habe diese Art von Freude noch hören und fühlen darf. nie verspürt. Es wird für mich die Grundlage Sr. Thuy Tien ACI sein, um Wurzeln zu schlagen in Jesus und zu wachsen.“ Später dankte ich unter Tränen dem Herrn für diese Gnade für den jungen In Frankfurt und Innsbruck bietet die Mann und besonders für mich. Sein erstes Zukunftswerkstatt der Jesuiten für junge Mal war auch mein erstes Mal in der Leitung Leute Auszeitwochenenden und Exerzitien: eines Exerzitienkurses, nachdem ich einige zukunftswerkstatt-sj.de und Jahre im Ausland verbracht hatte. Ich fühlte office@zukunftswerkstatt-innsbruck.org so viel Angst, Impulse zu geben und Beglei- jesuitenweltweit 15
Sambia Jesuit und Agrarwissenschaftler Pater Claus Recktenwald (37) hat sein Zweitstudium der Agrarwissenschaften abgeschlossen und wird jetzt im Kasisi Agricultural Training Center (KATC) in Sambia mitarbeiten, um Methoden nachhaltiger Landwirtschaft umzusetzen. Jünger auf: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Das ist zunächst einmal ein Aufruf, nicht gleich- gültig zu sein für die Situation der anderen. Wachsender Hunger in der Welt Nachdem die Zahl der Hungernden in der Welt lange Zeit gesunken ist, steigt sie seit 2015 wieder an und lag im letzten Jahr bei etwa 821 Millionen. Über zwei Milliarden Menschen haben keinen komplett sicheren Zugang zu Lebensmitteln. Dazu kommt, dass in den ärmsten Gebieten der Welt die Bevölkerung stark wächst, da die Familie oft die einzige Versicherung für das Überle- ben ist. Und gerade in diesen Gebieten, die J esuiten versuchen Gott in allen Dingen oft in Äquatornähe liegen, wird durch den zu suchen und zu finden, deswegen ar- Klimawandel eine drastische Zunahme von beiten sie auch in allen nur denkbaren Wetterereignissen wie Hitze und Dürre, Bereichen. Das war die Quintessenz meines aber auch extreme Regenfälle vorhergesagt. ersten Besuchs auf der Homepage des Ordens In der Landwirtschaft können solche Ereig- kurz nach der Jahrtausendwende. Was ich da nisse große Teile der Ernte vernichten. Die- gelesen habe, hat nachhaltigen Eindruck auf se Situation lässt in Zukunft wahrscheinlich mich gemacht. die Zahl der Hungernden weiter ansteigen. Es gibt die Tendenz in den wohlhabenden „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Ländern, aber auch unter den Reichen der Der Gedanke Agrarwissenschaft zu studie- ärmeren Länder, sich abzuschotten, da ei- ren, kam das erste Mal auf dem Pilgerweg nen selbst die Folgen vermeintlich nicht nach Santiago di Compostela. Er war auf betreffen und man gleichzeitig nichts an einmal da und hat mich seitdem begleitet. seiner Lebensweise ändern möchte. Ich habe ihn als einen Ruf Gottes zu deuten gelernt, der seitdem eine Reihe von Bestäti- Keine Vogel-Strauß-Taktik gungen, oft auch in der Meditation von Bi- In der Enzyklika Laudato si‘ schreibt Papst belstellen, gefunden hat. Das Gleichnis von Franziskus dazu: „Es gibt keine politischen der wunderbaren Brotvermehrung ist eine oder sozialen Grenzen und Barrieren, die uns dieser Erzählungen. Die Menschen kommen erlauben, uns zu isolieren, und aus ebendie- mit ihrem Hunger zu Jesus und er fordert die sem Grund auch keinen Raum für die Glo- 16 jesuitenweltweit
Sambia balisierung der Gleichgültigkeit.“ Der Nati- onalismus, der in vielen Ländern an Zulauf gewinnt, erscheint demgegenüber wie die alt- bekannte Vogel-Strauß-Taktik. Den Auftrag zum Studium der Agrarwissenschaft und die Sendung nach Sambia habe ich mir nicht selbst gegeben, sondern vom Orden bekom- men. Traditionell verstehen sich die Jesuiten als „apostolischen Leib“, das bedeutet, dass jeder Jesuit mit dem, was er tut, einen klei- nen Beitrag leistet zum großen Ganzen, also die Frohe Botschaft Jesu lebendig werden zu lassen. Der Gesamtorden hat vor wenigen Monaten vier Präferenzen formuliert, wozu uns Jesus heute ruft. „Für die Schöpfung: In der Sorge für das gemeinsame Haus zusam- menarbeiten“ ist eine davon und eine zweite ruft dazu auf, an der Seite der Benachteilig- ten für mehr Gerechtigkeit einzutreten. Von meiner Mitarbeit in Kasisi erhoffe ich mir, etwas davon konkret werden zu lassen. Ich gehe als Lernender nach Kasisi. Auf der an- deren Seite sind die Herausforderungen in dieser Gegend groß und mein Auftrag ist es, an ihrer Lösung mitzuarbeiten. Kleine konkrete Schritte Auf der Modellfarm der Jesuiten in Kasisi geht es um die Als Einzelne können wir schon viel tun, in- Erforschung und Umsetzung ökologischer Anbaumethoden. dem wir unseren eigenen Lebensstil verän- dern, sparsamer leben und uns fragen, wie ander zu vernetzen. Es sind die kleinen kon- viel brauche ich denn wirklich? Noch größe- kreten Schritte, die uns voranbringen. Besser re Kraft entwickelt unser Einsatz, wenn sich als alles auf einmal verändern zu wollen ist Menschen zusammenschließen. Den Orden es, zunächst einmal die Dinge herauszufin- selbst erlebe ich in einer Orientierungspha- den, auf die zu verzichten mir leichtfällt. Das se. Auf der einen Seite hat das Leben in der kann bei jedem ganz unterschiedlich sein. Kommunität viele positive Effekte. So tei- In der Diskussion mit Studierenden wurde len wir viele Dinge des alltäglichen Lebens. aber auch der Aspekt genannt, dass wir eine Auf der anderen Seite sind viele Dinge aber Herausforderung brauchen. Wenn wir Men- auch so eingefahren, dass eine Veränderung schen im Wettbewerb stehen müssen, kön- schwerfällt. Bei einer ganzen Reihe von Mit- nen wir uns auch im guten Sinne gegenseitig brüdern ist eine wachsende Sensibilität für anstacheln, um aus unserer Komfortzone das Thema spürbar. Unsere Herausforderung auszubrechen und mehr zu erreichen. ist es, eine Gesprächskultur aufzubauen, die sensibel ist für diese Frage und uns mitein- Claus Recktenwald SJ jesuitenweltweit 17
Menschenfischer Der auf dem Steinklotz sitzt, der sagt zu dem, der vor ihm steht: ich brauche dich, mein Felsenmann! Der da den Fisch am Feuer brät, der sagt zu dem, der Fische fängt: ich brauche dich als Menschenfischer. Denn Menschen leben nicht von Brot allein. Auch nicht allein von Brot und Spielen. Das Herz will mehr. Man darf nicht nur mit Netzen fischen. Oft braucht es eine Angelschnur und einen Köder, der so faszinierend ist für Mensch und alle anderen Wesen wie das lebendige Wort Gottes. Joe Übelmesser SJ 18 jesuitenweltweit
Das Wandgemälde hängt im Manresa Center of Spirituality der Jesuiten in Jingshan/Taiwan. Es stammt von dem Künstler und ehemaligen Jesuiten Francisco Borboa, der in China für seine religiösen Bilder sehr bekannt ist. jesuitenweltweit 19
Mosambik „So viel Jugend hält jung!“ Vor mehr als zwei Jahren ist Pater Heribert Fernando Müller im Hochland Mosambiks angekommen, um die Ignatius-von-Loyola-Schule (ESIL) zu leiten. E s ist schon dunkel und ich muss auf- gelegenen Nordwesten des Landes gezogen. passen, dass ich in kein Loch falle. Nach einem halben Leben in Simbabwe Aber der Sternenhimmel ist bezau- und zwei Jahren als Pfarrer in der mosam- bernd!“ Die Stimme von Pater Heribert bikanischen Hafenstadt Beira ist er nun für Fernando Müller dringt klar und deut- den Ausbau von Schule und Missionsstati- lich aus dem Handy. Das Versenden von on in Tsangano verantwortlich. Sprachnachrichten ist für den 58-jährigen Jesuiten in Mosambik mit einem Spazier- Ein tägliches Abenteuer gang verbunden: Quer über das weitläufige „Mit weit über 50 Jahren noch einmal ganz Schulgelände der ESIL (Escola Secundária neu anzufangen, ist für mich ein tägliches Inácio de Loyola – Ignatius-von-Loyola- Abenteuer. Ich hatte immer gehofft, nach Schule), hinaus in das grüne Umland und meiner Zeit in Makumbi in Simbabwe etwas hoch auf einen kleinen Berg. Denn nur dort Neues machen zu dürfen. Ich hatte dabei an ist der Empfang stark genug, um Nachrich- China gedacht oder an die Flüchtlingsarbeit. ten übers Internet verschicken zu können. Nach Mosambik zu kommen, war dann Im Februar 2017 ist Pater Müller in den ab- doch eine Überraschung. Mein Vorgänger 20 jesuitenweltweit
Mosambik hier an der ESIL wurde nach Rom berufen le unheimlich preisgünstig: Drei Monate und ich musste kurzfristig einspringen, ohne im Internat kosten umgerechnet 60 Euro. viel Vorbereitung. Ich habe mich darauf ein- Doch dieser Betrag ist für viele Familien gelassen und jetzt in den vergangenen zwei schon zu viel. Und dann gehen die Kinder Jahren gemerkt: Ja, hier ist mein Platz, hier ins Nachbardorf, der Vater organisiert eine kann ich etwas geben. Vieles ist mir bereits Unterkunft und schickt dann Mais und zur Heimat geworden.“ Bohnen, damit das Kind sich selbst versor- gen kann. Was viele Kinder auszeichnet, Eine vergessene Region ist ein starkes Verlangen nach Bildung. Sie Eine wunderschöne wie vergessene Land- haben oft große Schwierigkeiten, Portu- schaft umgibt die Schule, die einer gan- giesisch zu sprechen, was im ganzen Land zen Region Aufschwung verheißt. Das verpflichtende Unterrichtssprache ist. Die Hochland von Angonien ist grün soweit meisten Eltern betreiben zu Hause Land- das Auge reicht und weit weg von Mosam- wirtschaft, ganz einfach und oft nur mit biks Hauptstadt Maputo und den anderen wenig Land. Sie sind froh, wenn die Kinder Zentren des südostafrikanischen Landes. auf unseren Schulfeldern zur Eigenversor- Die Menschen, die hier leben, sprechen gung noch einiges lernen, was sie zu Hause die lokale Sprache Chichewa, nur gut zehn dann ausprobieren und umsetzen können. Prozent beherrschen Portugiesisch, die An- Einer unserer Träume ist es, hier eine klei- alphabetenquote in der Region liegt mit 80 ne Landwirtschaftsschule anzuschließen, an Prozent weit über dem Landesdurchschnitt. der die Schüler eine dreijährige Berufsaus- Die Schule der Jesuiten wurde 2014 aus der bildung machen können.“ Taufe gehoben. Im Umkreis von 20 Kilo- metern gibt es keine weitere Sekundarschu- le, im ganzen Bezirk Tsangano sind es gera- de mal zwei: Die Provinz Tete ist auch ein Vierteljahrhundert nach Ende des 15-jäh- rigen mosambikanischen Bürgerkriegs nie auf die Beine gekommen. So stammen die knapp 650 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8 bis 12, die den hügelum- säumten Campus bevölkern, aus einem rie- sigen Einzugsgebiet. Verlangen nach Bildung „Einige Kinder kommen jeden Tag zu Fuß“, erzählt Pater Müller. „230 Mädchen und Jungen wohnen bei uns im Internat. 644 Mädchen und Buben besuchen die Klassen 8 bis 12. Aber es gibt mittlerweile auch im nächs- Pater Müller (links) stammt aus der Diözese Fulda. ten Dorf Familien, die Schüler aufnehmen. Unsere Schüler kommen aus sehr einfachen Träume und Projekte Verhältnissen. Und die Eltern tun sich oft Es gibt noch viele weitere Träume und not- schwer, die Schulgebühren zu bezahlen. Aus wendige Projekte für die Weiterentwick- europäischer Perspektive ist unsere Schu- lung der Schule: Noch fehlt der Anschluss jesuitenweltweit 21
Mosambik Die Kartoffeln für das Internatsessen werden selbst angebaut – die Schüler helfen in der Landwirtschaft mit. an das Stromnetz, solarbetriebene Pumpen Lehrkräften. Aber unter den Sekundarleh- zur Wasserversorgung werden gerade ins- rern finden sich nur wenige Frauen, die talliert, es gibt noch keine Labore für den meisten sind für Grundschulen ausgebildet. Physik-, Chemie- und Biologieunterricht, Es ist unser Wunsch, dass die jungen Lehrer erste Pläne stehen für den Bau einer Ge- sich hier wohlfühlen, ESIL zu ihrer Schu- sundheitsstation, die neben der Schule auch le machen und so mit ganzem Herzen und die umliegenden Dörfer versorgen soll, der voller Energie dabei sind. Viele kommen Bau von ersten Lehrerhäusern hat bereits mit ihren persönlichen Fragen und Proble- begonnen. men zu mir. Ich sehe es als meine Aufgabe an, für ein gutes Klima unter den Lehrern Junge Lehrer binden zu sorgen. Da kann ich viele Erfahrungen „Bis jetzt wohnen die Lehrer in einem aus meiner Zeit in Makumbi einbringen: Hostel, wo jeder Lehrer ein Zimmer hat. das Personal gut zu führen, Gemeinschaft Es gibt dort eine gemeinsame Küche und zu stiften zwischen Schülern, Lehrern, Ar- einen Aufenthaltsraum. Das ist nicht ide- beitern, Jesuiten, da zu sein und ein offenes al, weil sie praktisch wie Alleinstehende Ohr zu haben.“ leben und ihre Familien irgendwo anders sind. In Zukunft wollen wir für die Lehrer Schwestern aus Simbabwe richtige Familienhäuser bereitstellen. Der Um den Frauenanteil an der ESIL zu er- mosambikanische Staat bezahlt die Lehrer höhen, hat Pater Müller einige Fäden im und schickt sie uns. Die Lehrer sind recht Hintergrund gezogen: Die simbabwischen offen, auch für Fortbildungen, zum Beispiel Maria-Ward-Schwestern sind bereit, nach was ignatianische Pädagogik angeht und Mosambik in einen Konvent auf dem den katholischen Charakter unserer Schu- Schulgelände zu ziehen und sich in die le. Leider haben wir nur zwei Lehrerinnen. pädagogische und pastorale Arbeit einzu- Ich hätte gerne mehr Frauen unter unseren bringen. Der Erzbischof von Tete hat ihnen 22 jesuitenweltweit
Mosambik bereits einen offiziellen Einladungsbrief geschrieben und den Aufbau einer Schwes- ternkommunität an der Schule genehmigt. Die Freude darüber ist Pater Müller deut- lich anzumerken: „Ja, die Präsenz von Frau- en ist einfach wichtig!“ Chichewa statt Shona Neben Pater Müller gibt es hier fünf wei- tere Jesuiten. Einer von ihnen betreut die Pfarrei, alle anderen sind als Lehrer, Fi- nanzverwalter und Seelsorger an der Schule tätig. Als Oberer ist Pater Müller auch für zwei weitere Missionsstationen im Umland Thiago träumt davon, Arzt zu werden. Die Schule ist auf mit je einer kleinen Jesuitenkommunität Spenden angewiesen – Projektcode: X41400 ESIL. verantwortlich. Portugiesisch hat er durch seine Zeit in Beira perfekt gelernt, einige Schülern deutlich: „Ehe ich herkam, konn- Schwierigkeiten bereitet ihm noch die loka- te ich fast kein Portugiesisch“, berichtet le Sprache Chichewa: „Jeden Morgen versu- der 16-jährige Mario, der Elektroingenieur che ich, konsequent eine Stunde Gramma- werden möchte. Eine noch größere Chance tik und Vokabeln zu lernen. Natürlich kann erwächst seinem Klassenkameraden Thiago: ich schon die Messe auf Chichewa feiern, Er ist Albino und durch seine hellen Haare aber es fehlt noch das freie Sprechen so wie und die weiße Haut nicht nur stigmatisiert, ich das in Simbabwe in der Shona-Sprache sondern lebt in ständiger Gefahr, da gerade gewohnt war. Aber langsam baut sich etwas auf dem Land viele Mosambikaner aber- auf und ich bin sehr froh darüber.“ gläubisch sind und Albinos magische Kräfte zuschreiben. Jetzt ist er an der ESIL nicht Eine Schule für alle nur ein geschätztes Mitglied der Gemein- Wie wichtig die Arbeit von ESIL für die ge- schaft und kann Vorurteile überwinden, samte Region ist, wird im Gespräch mit den sondern vielleicht sogar den Weg ebnen, um sich seinen großen Traum zu erfüllen: „Arzt werden und anderen helfen.“ Innere Kraft Dankbar ist Pater Müller für die große Un- terstützung aus Deutschland und Öster- reich: „Für alle Spenden und auch dafür, dass ihr für uns betet, mitdenkt, mithofft, liebt. Das ist ganz wichtig und gibt uns in- nere Kraft. Es gibt so viel, was angepackt werden muss. Zum Glück bin ich hier um- geben von so viel Jugend, das hält jung!“ Steffen Windschall /Judith Behnen jesuitenweltweit 23
Jesuit Volunteers weltbegeistert Stoffbeutel statt Plastiksackerl 6067894_JV-Postkarte.indd 2 14.12.15 13:19 Marlen Weingartmann aus Weiz in der Steiermark ist nach der Matura 2018 als Freiwillige nach Piura in Peru gereist. Sie berichtet über eine aktuelle Aktion aus ih- rem Projekt CANAT, das sich für Schutz und Bildung arbeitender Kinder einsetzt. N ach fast einem Jahr in Piura weiß Plastik und dessen Auswirkungen auf unsere ich, dass ich einiges vermissen wer- Umwelt konzentriert haben, gab es für jeden de. Die Offenheit der Menschen eine Stofftasche. Da hier alles in Plastik ver- und das Lachen der Kinder. Was mir defini- packt wird, wollten wir auch für die Kinder tiv nicht fehlen wird, sind Plastiksackerl, die Stofftaschen herstellen. Um 250 Stofftaschen in den Bäumen hängen und Plastikflaschen, zu nähen, fehlten uns die Ressourcen. Im die aus fahrenden Autos geworfen werden. Gefängnis von Piura gibt es für Häftlinge ein Tagtäglich bin ich von Müll umgeben und er Programm, bei dem sie Schmuck herstellen, verdeutlicht ein Problem, das uns alle betrifft nähen oder Computer reparieren. Um die – die Verschmutzung unserer Erde. Meinen Taschen nicht von irgendwo zu beziehen Mitfreiwilligen und mir war es wichtig, die- und das Programm im Gefängnis zu unter- ses Thema in unserer Einrichtung aufzugrei- stützen, haben wir dort einfarbige Taschen fen. CANAT ist ein Ort, an dem Zukunft produzieren lassen und sie anschließend mit geschaffen wird. Eine Zukunft, in der Kinder den Kindern bemalt. nicht in einer verdreckten Welt leben sollen. Ein kleiner Schritt ist besser als keiner, also Spielerisch die Umwelt schützen haben wir uns an die Arbeit gemacht. CANAT, das übersetzt für „Hilfszentrum für arbeitende Kinder und Jugendliche” steht, Aus T-Shirt wird Tasche leitet drei Programme. Begonnen haben wir Angefangen haben wir mit den Mitarbei- mit den Kindern und Jugendlichen aus dem tern von CANAT. Wir wollten nicht nur Programm Manitos Trabajandos („Arbeiten- theoretisch mit ihnen zum Thema Umwelt de Hände“). Rund 50 Kinder und Jugendli- arbeiten, sondern ihnen auch etwas Prak- che im Alter von 7 bis 17 Jahren nehmen an tisches mitgeben. So haben wir uns an die dem Programm teil. Viele von ihnen arbeiten Nähmaschinen gesetzt und aus alten T-Shirts und besuchen die Schule nur unregelmäßig und Jacken Taschen für das gesamte Team oder gar nicht. Da langfristig der einzige Weg genäht. Nach einem Workshop, bei dem wir aus der Armut Bildung ist, versucht CANAT uns auf die Herstellung und Entsorgung von alles, damit die Kinder ihre Schulbildung ab- 24 jesuitenweltweit
Jeder Stoffbeutel wird ein Kunstwerk: Stolz halten die Kinder ihre Taschen hoch. Marlen (2.v.l.) und ihre Mitfreiwilligen haben das Umwelt- projekt auf die Beine gestellt. schließen. Bei Manitos Trabajandos können gelmäßig mit ihren Babys an den Ludotecas sie ihre Hausaufgaben machen, spielen und teilnehmen, zum Thema Umwelt gearbeitet. sie bekommen eine warme Mahlzeit. Einen Für die Kleinen haben wir beispielsweise In- ganzen Tag haben wir mit ihnen spielerisch formationen in Form einer Geschichte ver- Umweltthemen behandelt und anschließend packt. Anschließend durften alle eine Stoff- mit ihnen die Stofftaschen bemalt. Mit Krea- tasche gestalten. tivität sind sie ans Werk gegangen und haben so einige Kunstwerke entstehen lassen. Energiesparmodus einschalten Zuletzt haben wir mit unserem Umwelt- Wo die Müllabfuhr nicht kommt projekt das Programm Manitos Creciendos Beim Programm Manitos Jugandos („Spie- („Wachsende Hände“) besucht. Es richtet lende Hände“) arbeite ich jeden Tag in so- sich an junge Erwachsene aus den ländlichen genannten Ludotecas, was übersetzt so viel Gegenden um Piura und ermöglicht ihnen wie „Spielräume“ bedeutet. Die Ludotecas eine Koch-, Schneider- oder Kosmetikaus- befinden sich in einem Randbezirk von Piu- bildung. Viele Jugendliche haben die Schule ra, in dem Drogen, Gewalt und Prostitution abgebrochen, um arbeiten zu gehen und ihre große Probleme bereiten. Die Ludotecas ge- Familie finanziell zu unterstützen. Bei Mani- ben rund 100 Kindern einen Ort, an dem sie tos Creciendos können sie trotz fehlendem einfach Kind sein können. Denn die meisten Schulabschluss einen Beruf erlernen. Und kommen aus schwierigen Familiensituatio- das oft mit großem Erfolg: Eine der drei Psy- nen und müssen oft viel zu schnell erwachsen chologinnen bei CANAT ist eine ehemalige werden. Spielerisch werden gegenseitiger Re- Teilnehmerin von Manitos Creciendos. Sie spekt, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt konnte sich durch den erlernten Beruf ein erlernt. Unsere Umwelt ist in den Ludotecas Studium finanzieren und ist mittlerweile fest immer wieder Thema, denn eine funktionie- bei CANAT angestellt. Mit diesen jungen rende Müllentsorgung gibt es hier nicht. Wir Erwachsenen haben wir nach Ideen gesucht, haben nicht nur mit den Kindern, sondern wie sie umweltfreundliches Handeln im all- auch mit einer Gruppe von Müttern, die re- täglichen Leben direkt in der Praxis umset- jesuitenweltweit 25
Jesuit Volunteers Einmal CANAT – immer CANAT! Viele der ehemaligen Freiwilligen hat das Jahr in Piura Juan-Carlos arbeitet auf dem Markt von Piura und ist im sehr geprägt und sie engagieren sich weiterhin CANAT-Programm Manitos Trabajandos. auf vielfältige Weise für ihr Projekt. zen können: Plastikflaschen wiederverwen- Beitrag aus der Ferne den, achtsam mit Wasser umgehen oder den Knapp vier Jahre ist es her, seit ich von Energiesparmodus bei ihren Smartphones meinem Freiwilligendienst in Peru zurück- einschalten. Danach durften auch sie ihre gekehrt bin. Gemeinsam mit vier anderen Stofftaschen gestalten. Freiwilligen durfte ich ein Jahr lang Teil von CANAT sein und erleben, wie wirkungs- Nuestra Pachamama voll diese Arbeit ist. Als wir schweren Her- Nun hat jeder eine Stofftasche! Jetzt geht es zens Abschied von unserem neuen Zuhause darum, die Theorie in die Praxis umzusetzen. nehmen mussten, war für uns klar: Unsere Und das betrifft vor allem uns. Zwar waren Geschichte mit CANAT geht weiter! In den wir diejenigen, die über Umweltschutz ge- vergangenen Jahren habe ich in verschiede- sprochen haben und davon, dass es so nicht nen Gemeinden über CANAT gesprochen weitergehen kann. Jedoch sind es gerade wir, und um Spenden gebeten, Vorträge über die oft zu viel konsumieren, ohne an die Aus- meinen Freiwilligendienst in Schulen ge- wirkungen zu denken, die Dinge für selbst- halten und eine Kooperation mit einem ge- verständlich halten und die Augen vor Pro- meinnützigen Verein aus meinem Heimatort blemen verschließen. Aber selbstverständlich aufgebaut. Durch die vielen Spenden konnte ist nichts – das habe ich hier gelernt: Man bereits eine Vielzahl an Projekten umgesetzt muss dankbar sein für unsere Pachamama, werden: die Renovierung des Hauptgebäu- unsere Mutter Erde, auf der wir leben. des von CANAT und der Bau einer neuen Kinderbetreuungsstätte in einem Hütten- Marlen Weingartmann viertel. Es ist bewegend zu erleben, wie viel Hilfe kommt und wie sehr unser Engage- ment geschätzt wird. Bei all diesen Aktionen besteht unser einziges Ziel darin, CANAT und damit mehrere hundert Kinder und Ju- gendliche, die wir zum Teil noch persönlich 26 jesuitenweltweit
Ziel von CANAT: Chance auf Spiel und Ausbildung statt Kinderarbeit beim Herstellen von Ziegeln. Für einen Freiwilligeneinsatz 2020/21 kön- nen Sie sich bei uns bis zum 31.10.2019 bewerben: jesuit-volunteers.org kennen, zu unterstützen. Wir wissen, dass türlich, die fantastische Arbeit von CANAT das Vertrauen, welches uns in Form von möglichst vielen vorzustellen und den Un- Spenden entgegengebracht wird, ein hohes terstützerkreis, auf den CANAT zwingend Gut ist. Tag für Tag arbeitet CANAT daran, angewiesen ist, immer weiter auszubauen. Kindern einen Weg hinaus aus Armut und Gewalt zu ebnen und soll dies auch in Zu- Kilian Lenz kunft tun können. Dafür setzen wir uns ein. Matthias Gramlich CANAT auf 24 Seiten Wer einmal Freiwilliger bei CANAT war, der wird auch immer selber ein Kind von CANAT bleiben. Die Institution ist eigent- lich eine große Familie, in der die Kids ein zweites Zuhause finden. Gleiches gilt für die Mitarbeiter und Freiwilligen. Der Kontakt bleibt immer bestehen und auch wenn es kein täglicher Austausch wie früher ist, so weiß man doch immer, was grade so los ist. Ein Bildband, der 2011 entstand, wur- de über viele Jahre immer wieder nachge- druckt, um die vielschichtige Arbeit von CANAT sinnvoll kommunizieren zu kön- nen. Leider machte dann die Druckerei in Die Broschüre bietet mit vielen Bildern Piura zu. Außerdem hat sich in acht Jahren und kurzen Texten auf Englisch und auch so einiges bei CANAT verändert. Ent- Spanisch einen lebendigen Einblick in standen ist nun eine neue Broschüre, die zu die Arbeit von CANAT. Gerne schicken verträglichen Kosten in größerer Stückzahl wir sie Ihnen kostenlos zu und freuen einem breiteren Publikum zugänglich ge- uns über eine Spende für das Projekt. macht werden kann. Die Hoffnung ist na- jesuitenweltweit 27
Aktion Flüge kompensieren, Klima schützen! Flüge verursachen klimaschädigende Gase. Leidtragende sind vor allem die Men- schen im globalen Süden. Unser CO₂-Rechner hilft, Ihren individuellen Aus- gleich für Flugreisen zu errechnen. O b Urlaubsflug oder Dienstreise: Auf unserer Projektseite können Sie Ihren In vielen Situationen können wir individuellen CO₂-Fußabdruck errechnen Emissionen von Treibhausgasen und die Summe zum Ausgleich spenden. kaum vermeiden, aber zumindest „ausglei- Das Geld fließt in ein Ökologie-Projekt chen“. Mit einem CO₂-Rechner laden wir der Jesuiten in Kambodscha und in das alle Flugreisenden ein, dem Aufruf von „Watershed“-Programm im indischen Ma- Papst Franziskus zu „einer neuen und uni- harashtra. Durch Renaturierung und Auf- versellen Solidarität“ zu folgen: Solidarität forstung, den Schutz der Wasserkreisläufe mit jenen, die am schlimmsten unter den und die Vermittlung von Öko-Landbau Auswirkungen der menschgemachten Kli- helfen wir, die Schöpfung zu bewahren und makrise leiden. Unsere Klimaschutzprojek- sichern die Lebensgrundlagen der lokalen te tragen dazu bei, den CO₂-Ausstoß durch Bevölkerung. Aufforstung zu verringern – und sie unter- stützen die lokale Bevölkerung in Ländern Die Wüste zum Paradies machen des globalen Südens. Sie mindern Armut Landbevölkerung ohne Lebensgrundlage: vor Ort, indem sie Frauen stärken, Gesund- In den Dürregebieten Westindiens sind vie- heit schützen und Perspektiven schaffen. le Böden unfruchtbar; der Regen versickert 28 jesuitenweltweit
Aktion nicht mehr, sondern schwemmt die frucht- bare Erde weg. Im Bundesstaat Maharashtra führt der Jesuit Robert D’Costa mit seinen Mitarbeitern die Arbeit seines Schweizer Mitbruders Hermann Bacher weiter. Pa- ter Bacher, der am 12. Oktober 2019 sei- nen 95. Geburtstag feiern wird, hatte die Watershed-Methode zur Wiederbegrünung von versteppten Flächen entwickelt: den Regen fangen und das karge Land wieder zum Blühen bringen. 100.000 neue Bäume Bis heute haben sich schon über 30 Dörfer P. Robert D’Costa SJ (links) leitet das indische Watershed- in der Region dafür entschieden, an die- Programm. Setzlinge für das Projekt in Kambodscha (oben). sem Programm teilzunehmen. Die meisten sind Angehörige indigener Stämme, wie der suit, Umweltexperte und Leiter des Jesuit Bhil oder Warli. Unter der Anleitung eines Service Cambodia (JSC), hat im Jänner 15-köpfigen Teams ziehen die Bewohner 2013 angefangen gegenzusteuern. Zu- Furchen in die Berghänge bis weit ins Tal nächst haben Gabby und sein Team Flüs- hinein. Diese werden mit lockerer Erde ge- se und Wälder im ganzen Land untersucht füllt und mit jungen Bäumen bepflanzt. und sich mit anderen Umweltaktivisten Wenn dann der Regen kommt, zeigt sich vernetzt. Gemeinsam wurden 15 Orte im das Wunder: Das Wasser wird in den Fur- ganzen Land als Öko-Brennpunkte identi- chen gefangen, versickert und wird im Bo- fiziert, die das Team mit der Lokalbevölke- den gehalten. Die Wurzeln der Bäume halten rung nun konsequent aufforstet. die Erde fest, der Grundwasserspiegel steigt. Trinkwasserbrunnen haben wieder Wasser, ausgedörrte Felder können bewässert werden und bringen reiche Frucht. „Wir verwan- deln die Wüste in ein Paradies“, sagt Robert D‘Costa. 2019 plant er, auf 1000 Hektar in fünf Dörfern 100.000 neue Bäume zu set- zen. Geschätzte Kosten: etwa 10.000 Euro. Schutz der Wälder in Kambodscha Urbanisierung und Industrialisierung in Kambodscha haben in den letzten Jahren zu Ihre Spende gegen die Klimakrise: einer zunehmenden Zerstörung der Wälder jesuitenmission.at/Klimakollekte geführt. Die Konzerne und auch die Regie- jesuitenmission.de/CO2Rechner rung nehmen dabei wenig Rücksicht auf die Errechnen Sie Ihren CO₂-Abdruck und lokale Bevölkerung, deren Lebensgrundlage unterstützen Sie die beiden Projekte in durch den Raubbau immer weiter schwin- Indien und Kambodscha! det. Gabriel „Gabby“ Lamug-Nañawa, Je- jesuitenweltweit 29
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