IRMGARD HECK DER ERSTE SCHRITT ZUM GIFTFREIEN GARTEN

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IRMGARD HECK

DER ERSTE SCHRITT
       ZUM
GIFTFREIEN GARTEN
Die l. und 2. Auflage wurde mit freundlicher Unterstützung der
Max-Himmelheber-Stiftung, Baiersbronn, gedruckt.

Anschrift der Verfasserin: Dr. paed. Irmgard Heck,
Dorfbauerschaft 8b,4543 LIENEN

Herausgeber: Theo Tacke
KOTTEN AM KLOSTERDIEK
biologisch - organischer - Versuchshof - R e g e n w u r m f a r m
Borkener Str. 40 - 4280 Borken 2 - BURLO
INHALTSVERZEICHNIS

Weshalb ökologischer Gartenbau?
Zur Einführung                                                      5
Die chemische Belastung unserer Nahrungsmittel                       7
Ökologischer Gartenbau als sinnvolle Alternative                   11
Der Hausgarten als "ökologische Nische"                            12
Vom Wesen des Schädlings                                            14
Vom Segen der unerwünschten Pflanzen                                17
Erste Maßnahmen zur Umstellung des Gartens                         25
Der Zusammenhang von Boden-, Pflanzen-, Tier-
und Menschengesundheit                                             28
Von der Qualität pflanzlicher Nahrungsmittel                       29
Die Fragwürdigkeit der heutigen Tierhaltung und die Tierprodukte   30
Der Mensch am Ende der Nahrungskette                               31

Es geht auch anders, doch warum geschieht es nicht?
Die Verkehrung des Sprichwortes: "Gemeinnutz geht vor Eigennutz"    34
Der Mensch als Opfer seiner eigenen Werke                          35
Was können und sollen wir tun?                                     37
Literaturhinweise                                                  39
Literaturverzeichnis                                               43
Weshalb ökologischer Gartenbau?

Zur Einführung
 Die Entwicklung im Garten- und Landbau während der letzten 30 Jahre
hat einen Zustand herbeigeführt, in dem man ohne den Einsatz chemi-
scher Mittel nicht mehr ohne weiteres eine befriedigende Ernte erreichen
kann. Dies ist leider eine Tatsache.
Was aber nicht den Tatsachen entspricht, was man uns aber immer wieder
glauben machen will, ist, daß es keine alternativen Möglichkeiten gäbe,
den Einsatz von fragwürdigen Chemikalien weitgehend zu vermeiden. Bei
den als "biologisch" bezeichneten Anbaumethoden, heißt es weiter, müsse
die Welt verhungern, da die Erträge zu gering seien.
Abgesehen davon, daß gerade dieses Argument wenig überzeugend klingt
angesichts der Tatsache, daß den Steuerzahler in der EG allein die Be-
wältigung der Milchmarktüberschüsse stündlich mehr als eine Million Mark
kostet (so Graf Lambsdorff auf dem Deutschen Bauerntag 1979), ist längst
bekannt, daß der Export moderner Landbaumethoden in die Dritte Welt
nicht geeignet ist, Die Ernährüngslage dort zu verbessern, sondern eher,
sie zu verschärfen.
In Wirklichkeit beruhen die "modernen" Anbau verfahren, die ja auch
in den meisten Kleingärten angewandt werden, auf der veralteten Vor-
stellung vom Boden als einer Masse, die der Pflanze Halt gibt, und in die
man mehr und mehr Nährstoffe einführt, um möglichst hohe Erträge wie-
der herauszubekommen (eine Rechnung, die in der Praxis aber längst
nicht mehr aufgeht und durch die Energieverknappung immer fragwür-
diger wird). Das Irrige dieser Auffassung erkannte bereits ihr "Urheber",
Justus von Liebig, in seinen späteren Lebensjahren, doch konnte er diese
Erkenntnisse in der Fachwelt nicht mehr durchsetzen. Er sah voraus, was
heute nicht mehr zu übersehen ist: Nach vorsichtigen Schätzungen sind
in den hochentwickelten Ländern ca. 80% der gärtnerisch und landwirt-
schaftlich genutzten Böden "krank", weil sie u. a. an Mikroben und
Spurenelementen verarmt und ihrer Struktur (Bindigkeit) beraubt und
somit der Abtragung (Erosion) durch Wind und Wasser preisgegeben sind.

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Die darauf wachsenden pflanzlichen Erzeugnisse leiden ebenfalls an einer
Verarmung der Inhaltsstoffe, an erhöhter Krankheitsbereitschaft und ge-
ringerer Lagerfähigkeit. Dies alles bedingt den Einsatz der leidigen Gift-
stoffe als "Schutzfaktoren" und deren Rückstände in den Nahrungsmit-
teln. Diese Feststellungen wurden schon vor Jahren an der Bundesanstalt
für Qualitätsforschung gemacht und auch veröffentlicht.

 "Biologisches Gärtnern" bedeutet aber nicht, wie es oft heißt, einen Rück-
fall ins Mittelalter. Es geht hier vielmehr um die Überwindung der oben
beschriebenen mechanistischen Vorstellungen, die das 19. Jahrhundert
hervorbrachte. Biologisch ausgerichtete Wirtschaftsverfahren machen sich
die Erkenntnisse der Ökologie, der Wissenschaft von den Wechselbeziehun-
gen aller Lebewesen mit ihrer belebten und unbelebten Umwelt, die sich
in gesetzmäßigen Kreisläufen vollziehen, zunutze. Während die veralte-
ten Praktiken diese Kreisläufe weitgehend unberücksichtigt lassen und des-
halb zerstören, versucht der "biologische" oder "ökologische", das heißt
eigentlich 'lebensfolgerichtige" Anbau das Wissen um diese Gesetzmäßig-
keit mit in seine Arbeit einzubeziehen. Daß dieser dadurch eine echte Al-
ternative sein kann, beweisen inzwischen Tausende von Hobby gärtnern
und Selbstversorgern sowie genügend landwirtschaftliche Betriebe in al-
ler Welt.

Im folgenden soll aufgezeigt werden, daß dem glücklichen Besitzer eines
Gartens durch dessen ökologische Bebauung ein Weg offensteht, in ei-
nem zwar begrenzten aber wesentlichen Bereich den Einfluß von Um-
weltgiften zu vermindern.

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Die chemische Belastung unserer Nahrungsmittel

Nicht nur in Büchern und Schriften zum Umweltschutz ist darüber zu le-
sen, auch Funk, Fernsehen und Zeitschriften bringen in zunehmendem
Maße Meldungen oder Berichte, die auf die bedenkliche Belastung unserer
Nahrung durch chemische Substanzen hinweisen. Es fehlt natürlich auch
nicht an Beteuerungen, daß alles so gefährlich ja gar nicht sei, weil die
Bundesrepublik gegenüber vergleichbaren Ländern das strengste und damit
beste Lebensmittelschutzgesetz habe. Wer aber weiß, daß jedermann heute
in seiner alltäglichen Umwelt mit etwa 63.000 Chemikalien in Berührung
kommen kann, deren Produktion nach Millionen Tonnen berechnet wird,
muß doch fragen, ob Pflanzen, Tiere und letzlich die Menschen diese un-
natürliche Vielfalt chemischer Substanzen auf die Dauer verkraften kön-
nen, ohne grundlegend Schaden zu nehmen.

Allein bei der Nahrung hat es der Verbraucher mit etwa 10.000 "wohldefi-
nierten" Chemikalien zu tun. Sollte die Summierung all der erlaubten
Fremdstoffmengen wirklich in gar keinem Zusammenhang mit dem sich
ständig verschlechternden Gesundheitszustand der meisten Menschen in
den hochentwickelten Ländern stehen?

Mögen wir auch das beste Gesetz haben - sind aber die Gesetzgeber und
ihre Gutachter bei dieser Chemielawine nicht hoffnungslos überfordert?
Was nützt z.B. die Kontrolle der einzelnen Mittel, wenn beim Zusammen-
treffen verschiedenster Chemikalien - und wieviele Möglichkeiten bieten
sich dazu - ganz neue Verbindungen entstehen, von denen etliche bereits
als krebserzeugend (kanzerogen) erkannt sind, während die meisten un-
erkannt bleiben müssen?

Allein bei der Erzeugung der Nahrungsmittel im Land- und Gartenbau
werden in unserem Land jährlich für 4,3 Milliarden Mark Chemikalien
eingesetzt. Immer wieder müssen aber z.B. Pflanzenschutzmittel aus dem
Handel gezogen werden, weil sich ihre Schädlichkeit für den Menschen

                                  -7 -
erst nach jahrelangem Einsatz herausgestellt hat. Was auf das Konto die-
ser zwischenzeitlichen Belastung verbucht werden müßte, bleibt fast im-
mer im Dunkel. Am bekanntesten wurde der Fall des Insektizides DDT,
das seinem Erfinder den Nobelpreis einbrachte. Als man die Giftigkeit
des Mittels für Mensch und Natur erkannte, hatte es sich bereits über die
ganze Welt verbreitet: Es findet sich sowohl in den Schichten des Grön-
landeises wie in den Körpern der Pinguine in der Antarktis. Da es nur sehr
schwer und über lange Zeiträume abbaubar ist, speichert es sich im Fett-
gewebe von Mensch und Tier. Was das bedeutet, wurde offenkundig bei
der Untersuchung von Muttermilchproben. In Bayern entsprach z.B. von
137 Proben nur eine der Rückstandsmengenverordnung für Kuhmilch.
Alle anderen waren als Säuglingsnahrung wegen ihres hohen Gehaltes an
Pflanzenschutzgift nicht mehr geeignet ("Der Spiegel" vom 17.2.1975).
Im Mittelwert einer solchen Untersuchung ergab sich beim DDT eine
14fache, bei Umwandlungsprodukten des DDT eine 73fache, bei Hexa-
chlorbenzol eine 356fache Rückstandsmenge (vgl. Lit.Verz. Wellenstein,
G.).

Kann es eigentlich einen Sinn haben, wenn sich eine Gruppe intelligenter
Lebewesen so verhält, daß die Urnahrung ihrer Nachkommenschaft zu
Gift wird und man dieses Verhalten auch noch als "notwendiges Opfer
für Fortschritt und Wohlstand" zu rechtfertigen sucht?

Betrachtet man zwei weitere "Ur - Lebensrnittel" des Menschen, das Was-
ser und das Brot, kommt man zu ebenso erschreckenden Ergebnissen.

Abgesehen von den vielfältigen Verunreinigungen, die das Lebenselement
Wasser gegenwärtig schon durch Industrie und Haushalte erfährt, kann es
auch durch die heutige Erzeugungsweise der Feld- und Gartenfrüchte zu
einem Krankheits- und Todeselement werden. Durch die ständig ange-
stiegene Verwendung nitrathaltiger Düngesalze (Stickstoffdünger) und
bei dem übermäßigen Anfall von Tierexkrementen aus der Massentierhal-
tung wird ein großer Teil davon in das oberflächennahe Grundwasser

                                 - 8-
ausgewaschen und erscheint so als Nitrat im Trinkwasser. Nitrat aber
verwandelt sich auf dem Wege durch den menschlichen Verdauungstrakt
in giftiges Nitrit. Es kommt zur Bildung von Nitrosaminen, Verbindungen,
die als krebserregend längst bekannt sind. Die Weltgesundheitsorganisa-
tion WHO setzte deshalb schon vor Jahren Höchstmengen für den Nitrat-
gehalt im Trinkwasser fest. Heute liegt die Grenze bei 90 mg/Liter. Je
nach Jahreszeit und Niederschlägen werden diese Mengen aber oftmals
weit überschritten. So fanden sich z.B. bei amtlichen Untersuchungen im
Frühjahr 1979 im Münsterland Werte von 180 bis 280 mg/Liter in häus-
lichen Wasserversorgungsanlagen. Da die für solche gravierenden gesund-
heitsrelevanten Erscheinungen eigentlich zuständigen Gesundheitsämter
außerstande sind, für besseres Trinkwasser zu sorgen, können die Empfeh-
lungen der WHO nicht eingehalten werden. Der Betroffene bleibt mit
diesem Problem allein, was fast immer in Resignation und unterschwel-
liger Angst endet, von den gesundheitlichen Folgen ganz zu schweigen.

Wer die wohlsortierten Auslagen einer Bäckerei betrachtet, weiß meistens
nicht, daß die knusprigen Erzeugnisse kaum noch einen gesundheitli-
chen Wert haben, deshalb zu vielen zivilisatorisch bedingten Mangel-
krankheiten beitragen und darüber hinaus mit allerlei chemischen Rück-
ständen und Zusätzen befrachtet sind.

Da ist zunächst die "normale" Fremdstoffbehandlung, die alle Getreide-
produkte schon beim Anbau erfahren: Beizen des Saatgutes, Spritzen der
Felder mit Unkrautbekämpfern (Herbiziden), Pilztötern (Fungiziden), In-
sektiziden und Wuchsregulatoren (Halmverkürzern). Nach der Ernte
kommt gewöhnlich ein chemischer Lagerschutz hinzu.

Damit das Mehl zum Backen lange haltbar bleibt, entfernt man den wert-
vollen Getreidekeim. Dies gilt auch für sogenannte Vollkornprodukte.
Bei Weißmehlwaren fehlen auch noch die lebenswichtigen Stoffe der
Randschichten.

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Die moderne Art der Verarbeitung erfordert das Hinzufügen zahlreicher
chemischer Substanzen wie Triebmittel, Emulgatoren, Färb- und Aroma-
stoffe und Schimmelverhütungsmittel. Kann hier noch mit gutem Gewis-
sen von einem "Lebensrnittel" gesprochen werden? Kein Wunder, daß
verantwortungsvolle Hausfrauen eine Getreidemühle kaufen, sich um Ge-
treide aus naturgemäßem Anbau bemühen und wieder selbst die Brot-
und Backwaren für ihre Familie herstellen.

Um das im Handel angebotene Obst und Gemüse ist es kaum besser be-
stellt. Es bedarf bei der geübten Düngepraxis zahlreicher chemischer
"Schutzmaßnahmen", um die Früchte zur Marktreife zu bringen. Dies
gilt im besonderen Maße für Tafelobst. Man muß bezweifeln, ob jeder
Erzeuger im Umgang mit den oft hochgiftigen Substanzen immer vor-
schriftsmäßig verfährt, da die Angst vor Verlusten groß, die amtliche
Kontrollmöglichkeit aber relativ gering ist und notwendigerweise auch
bleiben muß. Wenn von Zeit zu Zeit, z. B. wegen zu stark belasteter Wein-
trauben oder Salate, etwas an die Öffentlichkeit dringt, sind die meisten
der beanstandeten Erzeugnisse bereits verzehrt worden.

Kann man es deshalb den Menschen verübeln, die sich weigern, solche
Vorfälle überhaupt noch zur Kenntnis zu nehmen, weil sie sich ihnen ge-
genüber ohnmächtig fühlen?

Wer sich dagegen um naturgemäß angebaute Erzeugnisse bemüht, hat in
den meisten Fällen große Schwierigkeiten, solche regelmäßig zu bekom-
men. Zudem muß er oft ungleich höhere Preise dafür entrichten, was
ein soziales Problem signalisiert. Auch ist ein Mißtrauen, ob die angebo-
tenen Früchte wirklich "biologisch" angebaut wurden, nur allzuoft be-
rechtigt, weil clevere Erzeuger und Händler ein neues Geschäft auf der
"Umweltwelle" wittern.

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Ökologischer Gartenbau als sinnvolle Alternative

Angesichts der hier geschilderten Zustände erfährt das selbstbewirtschaf-
tete Stück Gartenland mit Recht eine ganz neue Wertschätzung, weil man
schließlich weiß, was man zum Gedeihen der Früchte eingesetzt hat.

Nun könnte man einwenden, daß angesichts der gesamten Umweltbela-
stung, vor der man seinen eigenen Garten sowieso nicht ganz abschirmen
kann, die Erzeugung einer ohnehin unzureichenden Gemüse- und Obst-
menge weniger sei, als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein,. Das
träfe allerdings zu, wenn man bei der bloßen Giftvermeidung stehenblei-
ben würde. Ökologischer Anbau erschöpft sich aber nicht im Fortlassen
von Giften und in der Vermeidung von Rückständen.

Das ausschließliche Streben nach immer höheren Erträgen hat zu einer
Qualitätsverminderung der Erzeugnisse geführt, die sich im Schwinden der
notwendigen Gehalte an Haupt- und Spurenstoffen und einer gestörten
Bildung lebenswichtiger Aminosäuren (Eiweißstoffe) bemerkbar macht.
Z.B. ergab eine Untersuchung über die Einwirkung des Kunstdüngereinsat-
zes in der CSSR u.a. folgendes: "Phosphat bremst die Aufnahme von
Zink, Kupfer und anderen Elementen, die die Pflanze braucht. Super-
phosphat reichert die Pflanze andererseits mit Fluor an. So stieg die täg-
lich konsumierte Fluormenge in Japan von 3,21 auf 8,82 mg/pro Kopf
an. Übermäßige Kalidüngung führt zu Tetanie beim Weidevieh und ver-
mindert den Magnesiumgehalt der Pflanzen, womit die Gefahr der Krebs-
bildung und des Schlaganfalls wächst." (Vgl. Lit. Verz. Heck, I.)

Auch kleinere Mengen an hochwertigen Lebensmitteln, die wir unserem
Körper zuführen, sollten nicht für zu gering erachtet werden. Professor
Fritz Eichholtz (vgl. Lit. Verz.), der bereits 1956 auf die "toxische Gesamt-
situation unserer Nahrung" verwies, und dessen Werk an Aktualität in-
zwischen nichts verloren hat, sagt in einem Resümee: "Für den Konsumen-
ten schließen wir, daß die Gefahr des einzelnen Lebensmittels, das einen

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chemischen Zusatz erhalten hat, umso geringer wird, je mehr Lebensmit-
tel er gleichzeitig in natürlicher Form zu sich nimmt. Dies alles sind so
simple Weisheiten, daß es keiner besonderen Vorbildung bedarf, um sie
zu beurteilen. Aber es ist sehr schwer, dem heutigen Menschen solche
Weisheiten plausibel zu machen."

Mit Hilfe lebensgesetzlicher Erkenntnisse können im naturgemäßen Garten
und Landbau wieder Früchte herangezogen werden, die auf die Dauer zi-
vilisatorische Mangel- und Krankheitszustände überwinden und vermeiden
helfen. Ökologischer Land- und Gartenbau basiert u.a. auf der Erkenntnis
daß nur ein gesunder Boden, der ohne chemische Krücken gesunde und
vitalstoffreiche Pflanzen hervorbringt, wirksam zur Gesundheit von Tie-
ren und Menschen beitragen kann. Diesem Ziel gelten alle Bemühungen,
mit denen allein die gegenwärtig erlebte negative Verkettung von Boden
und Mensch überwunden werden kann,

Der Hausgarten als "ökologische Nische"

In der Bundesrepublik gibt es gegenwärtig etwa 1 0 - 1 2 Millionen Hobby-
und Kleingärtner. Selbst wenn man davon ausgehen muß, daß ein Teil
der von ihnen gepflegten Grundstücke reine Ziergärten sind, ist aber auch
der Trend, wieder mehr Gemüse anzubauen, festzustellen. Ebenso wächst
das Interesse an ökologischen Anbaumethoden. Nimmt man einmal an,
in absehbarer Zeit würde etwa die Hälfte, also 6 Millionen Kleingärten,
ökologisch bewirtschaftet und damit im Rahmen des Möglichen jeweils
ein Vierpersonenhaushalt versorgt, käme etwa die Hälfte der Bundesbür-
ger zeitweise in den Genuß selbsterzeugter und hochwertiger Nahrungs-
mittel. Es ist also gar nicht so wenig, was Hobbygärtner erreichen könn-
ten.

Grundlage eines ökologischen Gartens ist ein fruchtbarer Boden, ein Bo-
den, der ohne Einsatz von chemischen, in der Natur nicht vorkommen-
den Substanzen bei entsprechender Pflege gesunde Pflanzen und Früchte
hervorbringen kann.

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Ein solcher Boden ist'"weder totes Erdreich noch bloße Dunkelheit und
weit mehr als nur Speicherstätte pflanzlicher Nährstoffe, denn der Boden
lebt" (vgl. Lit. Verz. Caspari, F., S. 30). Er bildet zusammen mit den
Pflanzen und der Fülle winzigster Lebewesen bis hin zu den Viren, Pilzen
und Algen einen selbständigen Organismus, der wiederum in Wechselbe-
ziehung steht zu dem gesamten ihn umgebenden Raum und den in diesem
lebenden Wesen. Justus von Liebig bezeichnete einen fruchtbaren Garten-
oder Ackerboden als eine so wunderbare Erscheinung, daß alle mensch-
liche Weisheit davor verstummen müsse. Diese von der Natur vorgegebe-
ne Fruchtbarkeit zu erhalten und zu fördern, war und ist Aufgabe des
Menschen, wenn er sich nicht selbst vernichten will.

Es liegt ein tiefer Sinn darin, wenn man früher ganz selbstverständlich von
der "Mutter Erde", von "heiliger" Erde sprach. Sicher ist es bezeichnend,
daß große Kulturen und Völker untergingen, als sie ihre Ackerböden ver-
nachlässigten. So waren z.B. weite Wüstengebiete Nordafrikas einst frucht-
bare Gartenländer. Daß eine gartenartige, intensive Bebauung bei sorgfälti-
ger, der Natur gemäßer Pflege die Bodenfruchtbarkeit nicht nur erhält, son-
dern sogar steigert, beweist die Fruchtbarkeit der chinesischen Landschaft
über einen Zeitraum von 4.000 Jahren hinweg. Schon Justus von Liebig
beschreibt die chinesische Kompostwirtschaft als vorbildlich, bei der alle
biologischen Reste und Abfälle wieder in den natürlichen Kreislauf einge-
gliedert wurden. Solche "Abfälle", die u.a. auch in den Haushalten anfal-
len, bilden, über die Kompostierung zurückgeführt, Nahrung und dadurch
Existenzmöglichkeit für die Organismen weit im Boden, deren größter Ver-
treter der Regenwurm ist. An ihm kann man verfolgen, wie durch seinen
Verzehr an Angerottetem und Erde auf dem Weg durch seinen Leib die
allerfeinste Humuserde entsteht, die man nach feuchten Nächten als klei
ne Häufchen überall im Garten finden kann. Diese Wurmerde enthält
nach Prof. Alwin Seifert (vgl. Lit. Verz.) dreimal soviel Kali, doppelt so-
viel Phosphor, doppelt soviel Kalk und sechsmal soviel Magnesia wie aller-
beste Gartenerde. Im Verein mit den Milliarden anderen Kleinlebewesen,
deren Gesamtgewicht in einem Hektar Gartenboden etwa dem zweier

                                  -13-
Kühe gleichkommt, entsteht humushaltige Gartenerde. Sie hält die im Bo-
den gelösten Nährstoffe wie Stickstoff-, Phosphorsäure- und Kaliionen
fest, so daß sie nicht ausgewaschen werden können. Allein die feinsten
Wurzelfäden der Pflanzen können diese Nährstoffe aufnehmen. Dabei
versorgt sich die Pflanze nur jeweils mit den Nährstoffen, die sie gerade
benötigt.

Ein solchermaßen durchlebter Boden ist locker und besitzt die begehrte
Krümelstruktur, die auch als Bodengare bezeichnet wird. Wer seinen Gar-
tenboden so weit regeneriert hat - und das ist überall möglich - darf mit
einem gesunden Pflanzenwuchs bei geringer Anfälligkeit für Krankhei-
ten und Schädlinge sowie mit hochwertigen Erträgen rechnen.

Vom Wesen des Schädlings

Wenn man auf einer Wanderung das Glück hat, einen Winkel in der Land-
schaft zu finden, der lange Zeit sich selbst überlassen wurde und fast wie
unberührte Natur anmutet, kann man Beobachtungen machen, die für das
Verständnis und die Behandlung eines Gartens sehr förderlich sind.

Neben der bunten Vielfalt der Pflanzen, die sich hier angesiedelt haben, ist
beim näheren Hinschauen und Hinhorchen ein äußerst reiches Insekten-
leben zu entdecken. Da finden sich Geflügelte und Ungeflügelte, Falter,
Käfer, Fliegen, vielleicht Libellen, Spinnen, Raupen in Farben und For-
men wie sonst nirgends. Man erkennt auch die Spuren ihres Daseins:
hier und dort angenagte oder zugerollte Blätter, feine Gespinste, Schaum-
blasen, runde und spitze Gallen oder feingewickelte Kokons. Beim län-
geren Verweilen würde man auch größere Tiere entdecken, die ebenfalls
ihre Spuren hinterlassen. Was man normalerweise nicht findet, ist das
Überhandnehmen einer einzigen Art und die entsprechenden Schadbil-
der: Hier hat sich durch das Miteinander einer Fülle von Lebewesen ein
Zustand eingependelt, der ursprünglich überall in der Natur vorhanden
war, und den die Ökologie als "Fließgleichgewicht" bezeichnet.

                                  -14-
Als der Mensch damit begann, begehrte Nahrungspflanzen in der Nähe
seiner Behausung anzubauen, griff er dadurch in diese Ausgewogenheit
bereits ein. Viele Pflanzen einer einzigen Art an einem Ort begünstigen im-
mer die Entwicklung der Tiere, die von ihnen leben. War ihre Ausbreitung
innerhalb der natürlichen Pflanzenvielfalt in Grenzen geblieben, so traten
sie nun in Massen auf und vernichteten dadurch oft ganze Ernten.

Das in der Natur vorhandene Bestreben nach Harmonie und Gleichgewicht
äußert sich überall dort, wo es durch menschliche Kulturmaßnahmen ge-
stört wird, in der Mobilisierung von Gegenkräften, die dazu dienen, den
natürlichen Ausgleich wieder herbeizuführen. Diese Gegenkräfte treten auf
in Gestalt von Vögeln, Nagetieren, Insekten, Pilzen, Bakterien, Viren
u.a.m., die bestrebt sind, alles Zuviel zu vernichten. Da dieses Bestreben
im krassen Gegensatz zu den Absichten des Menschen, möglichst viel von
einer einzigen Pflanzenart zu ernten, steht, sah man lange Zeit hindurch
in diesen Regulatoren der Natur nur "Schädlinge", die zu vernichten wa-
ren. So begann der Mensch gegen die Natur zu kämpfen wie gegen einen
Feind.

Bis zum Anbruch des Maschinenzeitalters bot aber auch der vom Men-
schen bewirtschaftete Raum wildlebenden Tieren und Wildpflanzen
noch ausreichende Lebensmöglichkeit (Gehölze, Knicks, Feld- und Weg-
raine, Uferbewuchs unbegradigter Bäche usw.). Dadurch regulierte sich
das massenhafte Auftreten einzelner Arten auf natürlichem Wege immer
wieder ein. Erst die moderne Technik ermöglichte es dem Menschen,
im Zusammenspiel mit der Chemie und den chemischen "Waffen", sich
über die Eigendynamik der Natur hinwegzusetzen und seine Kultur-
maßnahmen zu industrialisieren. Daß der Mensch die Natur nicht besiegt
hat, was man lange Zeit aber glaubte, wird heute deutlich an dem Preis,
der für diese Eingriffe am Lebensnerv der Menschheit zu zahlen ist: Ver-
dorbene Böden, verdorbenes Wasser, Luftverpestung, Gift in der täglichen
Nahrung, steigende Schwierigkeiten im Anbau, Resistentwerden der
Schädlinge gegenüber den Bekämpfungsmitteln, minderwertige Produkte

                                  -15-
und in deren Gefolge die ständig absinkende Tier- und Menschengesund-
heit. Einsicht und Bestrebungen zur Abkehr von diesem im letzten Grunde
sinnlosen Weg gegen die Natur fehlen weitgehend.

Daß Abkehr nicht Umkehr in frühere Verhältnisse sein kann, ist deutlich.
Da wir aufgrund ökologischer Forschung heute weit mehr über die Ge-
setzmäßigkeiten im Zusammenspiel der Naturkräfte wissen als unsere
Vorfahren, müssen wir Verfahren anwenden, verbessern und fördern, die
dem Bestreben der Natur nach Vielfalt (und dies wiederum allein bewirkt
Gesundheit und Harmonie) Rechnung tragen. Dabei braucht der Mensch,
der bis heute vorwiegend eigentlich alles auf sich allein bezogen und be-
trachtet hat, keineswegs zu kurz zu kommen oder gar zu verhungern. Was
viele als einen vermeintlichen Rückschritt ansehen, ist in Wirklichkeit ein
echtes Fortschreiten zu im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtigen
Erkenntnissen.

Wir können und dürfen nicht erwarten, daß sich in den Zentren der Macht
solche Erkenntnisse in absehbarer Zeit artikulieren und durchsetzen wer-
den. Aber im eigenen Garten kann man sie schon jetzt und auch am ehe-
sten und besten in die Praxis umsetzen. Mitten in einer (noch) an unseren
natürlichen Lebensgruhdlagen Raubbau treibenden Umwelt kann eine
"ökologische Nische" geschaffen werden, in der sich auf die Dauer - einige
Geduld werden wir schon aufbringen müssen - wieder ein vielfältiges und
gesundes Leben einfindet und erhält.

                                  -16-
Vom Segen der unerwünschten Pflanzen

Der Bauer steht vor seinem Feld
und zieht die Stirne kraus in Falten:
"Ich hab' den Acker wohl bestellt,
auf reine Aussaat stets gehalten.
Nun seh mir eins das Unkraut an!
Das hat der böse Feind getan!"

Da kommt sein Junge hochbeglückt
mit bunten Blumen reich beladen.
Im Felde hat er sie gepflückt,
Kornblumen sind es, Mohn und Raden.
Er jauchzt: "Sieh, Vater, diese Pracht,
die hat der liebe Gott gemacht!"
                               Julius Sturm

Als Feinde der Gartenkulturen werden gewöhnlich auch jene Pflanzen be-
trachtet, die sich ungerufen und in schier ungebrochener Stetigkeit über-
all dort einmogeln, wo der Mensch eigentlich ganz anderes im Sinn
hat. Ärgerlicherweise zeichnen sie sich auch noch durch außerordent-
liche Robustheit aus sowie durch das Fehlen jeglicher Anfälligkeit ge-
genüber Krankheiten und tierischen Schädlingen. Es kann nicht be-
stritten werden, daß die Menschheit beim Anbau ihrer Nahrungsmittel
einen bedeutenden Anteil der schon biblisch verheißenen Mühe im Kampf
gegen diese Unkräuter aufzubringen hatte. Erst die Erfindung der "chemi-
schen Hacke", der Herbizide, ohne die die moderne Industrialisierung der
Landwirtschaft undenkbar wäre, hat dieser Plage scheinbar ein Ende ge-
setzt: Felder und Weinberge tragen nur noch die Kulturen der Menschen
auf sauberen, d.h. nackten Böden, in Waldanlagen und Schonungen gibt
es kaum noch Wildbewuchs und auch im Garten sieht es anders aus. Wer
möchte schon heute noch alle paar Wochen die Wege schuffein, das Un-
kraut kriechend unter Sträuchern und Hecken entfernen oder es gar aus
den Ritzen der Plattierung kratzen? Löwenzahn und Gänseblümchen sind
aus den in unseren Tagen zum Schönheitsideal er klärten architektonischen,
                                   -17-
makellos grünen Rasenflächen verschwunden, ganz zu schweigen von solch
gewöhnlichen Burschen wie etwa Wegerich und Klee. Auch das obligato-
rische Rosenbeet hat man "in den Griff" bekommen; es bleibt gerade
noch genug Jätearbeit zwischen der Petersilie und den Salatbeeten, in de-
nen die Anwendung von Unkrautmitteln noch schwierig ist. Daß mit den
Herbiziden auch Rückstände über die Lebensmittel (Speicherung in
Pflanzen) und das Wasser (Auswaschung) in unsere Nahrung kommen,
mit noch weitgehend unbekannten langfristigen Auswirkungen, ist der
Preis, den man - kurzfristig - zu zahlen bereit ist. Spätestens seit Seveso
dürften dem Nachdenklichen aber doch Zweifel über die angebliche Un-
gefährlichkeit der chemischen Unkrautbekämpfungsmittel gekommen
sein.

Fragt man aber nach dem Sinn der sogenannten Unkräuter, nach ihrer
Funktion innerhalb der ökologischen Kreisläufe, müssen wir erkennen,
daß die Fehleinschätzung dieser Wildpflanzen die Probleme im Garten,
auf den Feldern und in der Landschaft langfristig nur noch verschärfen
hüft.

In der unberührten Natur gibt es keine von Pflanzenwuchs unbedeckten
Flächen. Wo sich solche finden, liegt bereits das Stadium der Ver-Wü-
stung vor. Die Natur ist bestrebt, das Bodenleben durch intensive Be-
deckung mit Hilfe von Krautern und anderen Pflanzen vor den Einflüs-
sen durch Hitze und Kälte, Trockenheit und Nässe, Wind und Regen so
zu schützen, daß alles im Gleichgewicht bleibt. Die absterbenden Pflan-
zenteile bilden in unseren Breitengraden zugleich eine schützende Winter-
decke sowie Nahrung für die Bodenorganismen. Damit erkennt man schon
einige der wichtigsten Funktionen, die auch ohne menschliche Fürsorge,
man kann sagen, Gott sei Dank, gegeben sind. Die Beobachtung des Arten-
reichtums dieser Wildpflanzen, ihr oft spontanes oder auch massenhaftes
Auftreten, das Gebundensein an bestimmte Klima- und Bodenbedingun-
gen hat weiterführende und gerade für den Garten wichtige Erkenntnisse
gebracht.

                                  -18-
Wildpflanzen.- wir sollten sie nicht mehr als Unkräuter bezeichnen - treten
als heilende Elemente überall dort auf, wo die Harmonie des Bodens in Un-
ordnung geraten ist, was meistens durch die Kulturmaßnahmen des Men-
schen geschieht. Die meisten von ihnen sind auch als Heilpflanzen bekannt.
Wir sollten uns deshalb nicht über sie ärgern, sondern zu verstehen suchen,
was sie uns über den Zustand unseres Gartenbodens "erzählen", und danach
handeln. So treten in gare- und nährstoffarmen Böden vor allem sogenann-
te Pionierpflanzen wie Quecken, Winden, Knöterich, Giersch und andere
auf. Ihre zum Teil tiefgehenden oder weit verzweigten Wurzeln helfen den
Boden zu lockern, aufzuschließen und bringen ihn im Vergehen gerade die
Nähr- und Spurenstoffe, die ihm fehlen, zu. Auf saurem Boden, der immer
kalkarm ist, siedeln sich gern Sauerampfer, Hahnenfuß und Gänseblümchen
an. Anstatt uns darüber zu ärgern und sie totzuspritzen, sollten wir dem
Boden in diesem Fall den milden Korallen- oder Algenkalk zuführen und
mit Gesteinsmehl und Kompost düngen. Da Sauerampfer in seinem Pflan-
zenkörper bis zu 36 % Calcium speichert, Hahnenfuß und Gänseblümchen
etwa 26 bzw. 16 % , bringen die absterbenden (oder kompostierten) Pflan-
zen dem Boden gerade das, was ihm fehlt.

Haben wir die Lehre der Wildpflanzen, die teilweise auch als Bodenzei-
gerpflanzen gelten, angenommen und danach gehandelt, nehmen wir ihnen
ihre artbedingten Bodenansprüche. Sie bleiben dann wieder fort, auch
wenn ihre Samen noch für viele Jahre keimfähig im Boden lagern mögen.
Dieses Beispiel zeigt, daß man im ökologischen Garten, der ja einen leben-
digen und ausgeglichenen Boden bekommen soll, auf die Dauer mit weni-
ger unerwünschten Pflanzen rechnen darf. Dem Naturbestreben nach einer
schützenden Bodendecke kommt der Öko-Gärtner durch das Anlegen ei-
ner Mulchdecke aus Rasenschnitt, Laub oder sonstigen Pflanzenresten ent-
gegen, so lange die Kulturpflanzen den Boden nicht selbst bedecken kön-
nen.

                                  -19-
Es läßt sich aber auch noch eine dritte Funktion der Wildpflanzen im Gar-
ten feststellen, und sie gilt noch mehr für die total vereinseitigten Feldkul-
turen: Sie bringen wenigstens vorübergehend die durch die Monokulturen
ausgeschaltete Vielfalt mit allen ihren positiven Auswirkungen in den Vege-
tationsablauf ein. Die Auffassung, daß das "Unkraut" vernichtet werden
müsse, weil es den Kulturpflanzen die immer teurer werdende Kunstdün-
gernahrung wegnähme, entspricht der oben aufgezeigten mechanistischen
Denkweise. Angesichts der sinnvollen Wirkungsweise unerwünschter Pflan-
zen einerseits und der wohl kaum harmlosen Auswirkung von Unkraut-
bekämpfungsmitteln andererseits sollte dieser Kompflex zumindest vom
Hobbygärtner neu und gründlich überdacht werden.

                                    -20-
Vereinfachte Übersicht

                            l. Mineraldüngung

Prinzip
"Fütterung" der Pflanzen durch leichtlösliche Düngesalze (Kunstdünger)
Wirkungsweise
Die Pflanze wird "gezwungen", mit der notwendigen Wasseraufnahme die
gelösten Nährsalze wahllos aufzunehmen. Der Mensch bestimmt die Nah-
rung.
Folgen
Unorganisches Wachstum (Geilwuchs, Mastigkeit), unvollständige Ausbil-
dung wichtiger Inhaltsstoffe, Anfälligkeit für Krankheiten, Pilze, Insekten-
fraß.
Humusschwund im Boden, Verarmung an wichtigen Spurenelementen und
Bodenmikroben, Verlust von Krümelstruktur und Wasserhaltekraft (Sorp-
tion), geringe Durchlüftung, Verdichtungs- und Erosionsgefahr.
Weitere notwendige Folgen
Einsatz von chemischen Mitteln (biologische Mittel reichen in der Regel
nicht), Wartezeiten, gleichzeitige Vernichtung der Nützlinge und der natür-
lichen Feinde der als Schädlinge auftretenden Lebewesen.
Rückstandsprobleme.
Verminderte Lagerfähigkeit der Früchte.
Arbeitseinsatz des Menschen
In der Regel geringer als im ökologischen Anbau.
"Blindes Handeln" nach vorgegebenen Rezepten.
Nährung des bereits offenkundig werdenden Irrtums, mit Hilfe der Chemie
sei auf Dauer alles zu erreichen. Verlust des eigenen Gespürs für die Wir-
kungsweisen in der Natur, des Verstehens und der Verbundenheit.
2. Organische Düngung

Prinzip
" Düngen heißt den Boden beleben" (R. Steiner)
"Fütterung" des Bodenlebens mit organischer Masse (Kompost, Grün-
düngung, Mist, Horn-Knochen-Blutmehlmischungen sowie mit Gesteins-
und Tonmehl und Algenkalk.
Wirkungsweise
Mikroben verarbeiten die Stoffe zu Humus, dem die Pflanzenwurzel je
nach Bedarf die notwendige Nahrung entnimmt. Die Pflanze "bestimmt"
ihre Nahrung selbst.
Folgen
Phasengerechte Ernährung, harmonische, meist stämmigere Entwicklung
der Pflanze.
Vollständige Ausbildung wichtiger Inhaltsstoffe, reiches Spektrum an le-
benswichtigen Mineralien.
Natürliche Abwehrkraft gegenüber Krankheiten und sich zu Schädlingen
ausbreitenden Pilzen und sonstigen Lebewesen. Aufbau eines reichen Bo-
denlebens, steigender Humusgehalt, Bodendurchlüftung (Sauerstoff), Bin-
dung des Luftstickstoffs durch Bakterien, Entstehung der Krümelstruktur
(Bodengare, Wasserhaltekraft), Auflösung von Verdichtungen, keine Ero-
sionsgefahr (Abtragung oder Auswaschung).
Weitere Folgen
Chemische Mittel sind überflüssig.
Schonung bzw. Förderung der Nützlinge.
Bei schweren Störungen (vor allem in der Umstellungszeit) Einsatz von bio-
logischen Pflanzenauszügen, -Jauchen, -Stäuben und Pflegemitteln.
Keine Wartezeiten, keine Rückstände, gute Lagerfähigkeit der Früchte.
Arbeitseinsatz des Menschen
Vor allem in der Umstellung intensiver.
Durch wachsendes Verständnis wachsen ebenso Interesse, Freude, Identifi-
kation und Befriedigung. Arbeit und Freizeitbeschäftigung wachsen zu-
sammen.

                                  -22-
-23-
Erste Maßnahmen zur Umstellung des Gartens auf eine
ökologische Wirtschaftsweise

Im Rahmen dieser kleinen Schrift können nur allgemeine Hinweise dazu
gegeben werden. Im Anschluß befinden sich Empfehlungen zu geeignetem
Schrifttum mit Ratschlägen für die Auswahl. In diesem Kapitel werden
nur Anleitungen zu Maßnahmen gegeben, die sich für den Umstellungsbe-
ginn als wesentlich erwiesen haben. Sie sind z.T. abhängig von der Jahres-
zeit, in der der Entschluß zur Umstellung gefaßt wird.

Unabhängig vom Zeitpunkt sollten aber ab sofort keine Haushalts- und
Gartenabfälle, die sich zur Kompostierung eignen, mehr verbrannt oder in
die Müllabfuhr gegeben werden. Hierzu gehören
      sämtliche Küchenabfälle pflanzlichen und tierlichen
      Ursprungs (ausgenommen die Schalen stark gespritzter
      Zitrusfrüchte), Kochwässer, Tee- und Kaffeereste
      Küchenpapier, Pappen und wenig bedruckte Papierwaren
      alte Blumensträuße
      Haare, Federn, Wollabfälle
      Gras- und Rasenschnitt, sämtliche Gartenabfälle
      auch gejätete Unkräuter ohne Samen
      Holz- und Knochenasche
      Laub und Heckenschnitt (bis 20 cm Länge)
      Baumrindemehl, Sägemehl (nicht zuviel)
      lehm- und tonhaltiger Bodenaushub
      Schlamm, Grabenaushub u.a.m.

In die Küche stellt man zweckmäßigerweise einen zweiten Deckeleimer
(sogen. Windeleimer) zur Aufnahme der täglichen biologischen Abfälle.
Papiere und Pappen werden gleich grob zerschnippelt. Im Garten wird eine
Sammelecke neben dem zukünftigen Kompostplatz, der nicht zu klein be-
messen werden darf, angelegt.

                                 -25 -
Fällt der Entschluß zur Umstellung in die Sommermonate, so können noch
alle freiwerdenden Beete rechtzeitig mit einer Gründüngung eingesät wer-
den. Hierzu eignen sich im Kleingarten am besten solche Pflanzen, die im
Lauf des Winters abfrieren und sich schützend auf den Bogen legen, z.B.
Senf, Phacelia (Bienenfreund), Sommerwicke, Bitterlupine, Hafer.

Spinat und Feldsalat, rechtzeitig ausgesät, ergeben eine "lebende" Win-
terdecke und zugleich Vitaminspender für die Ernährung. Im ökologischen
Gartenbau vermeidet man ein Nacktliegen des Bodens im Winter. Auch an
milden Wintertagen "arbeitet" unter einer Decke das Bodenleben und be-
reitet den Humus für das nächste Jahr. Spät abgeerntete Beete bedeckt
man mit einer Mulchschicht aus Pflanzenresten, zerkleinertem Stroh, Laub
und letztem Grasschnitt. Vor dem Einsäen bzw. Abdecken wird ein orga-
nischer Dünger, z.B. Oscorna, leicht in die Bodenoberfläche eingeharkt
als "Futter" für die Mikroben. Auf diese Weise macht er schon im Winter
einen Rotteprozeß durch.

Im Frühjahr harkt man unmittelbar vor der Beetbestellung die Reste der
Bodendecke ab. Man findet eine weiche, krümelige Erdmasse vor. Diese
wird auf keinen Fall durch Umspaten "begraben", dann wäre alle Mühe
umsonst gewesen. Mit dem Grubber (Kultivator) oder dem ausgezeichneten
"Sauzahn" lockern wir den Boden vorsichtig auf, harken ihn glatt und be-
ginnen mit der Bestellung.

Wer im Frühjahr mit der Umstellung beginnt, sät am besten die Hälfte
oder wenigstens ein Drittel seiner Kulturfläche mit einer einjährigen Grün-
düngung ein, z.B. Sommerwicke-, Seradella, Rotenburger Gemenge oder,
wo erhältlich, Platterbse. Auch einjährige Kleearten eignen sich sehr gut.
Lupinen in Reinkultur haben den Nachteil, daß sie sich nicht gut den
ganzen Sommer über halten.

                                  -26-
Um den Stickstoff, den diese Pflanzen in ihrem Wurzelbereich sammeln,
der nächsten Kultur zugute kommen zu lassen, schneidet man das Grün
(mit Ausnahme der Platterbse, die den Boden kriechend bedeckt) vor der
Blüte, auf jeden Fall aber vor der Fruchtbildung, und läßt im Herbst einen
Winterpelz zum Herabfrieren stehen. Das Abgemähte kann als Mulche
oder als Kompostmaterial verwendet werden. Es hat sich erwiesen, daß eine
ganzjährige Gründüngung (möglichst alle drei Jahre) der beste "Doktor"
für den Garten ist und damit auch der beste Garant für den nachfolgenden
gesunden Pflanzenbestand.

Die übrige Fläche wird mit einem vollorganischen Dünger nach Vorschrift
versorgt. Wer es möglich machen kann, geht dabei folgendermaßen vor:

So früh wie es das Wetter erlaubt (Jan. - Febr.) wird die nach Vorschrift
für die vorgesehene Fläche abgemessene Düngermenge mit jeweils ein bis
zwei Schaufeln Muttererde pro Quadratmeter und je einer Handvoll Ba-
saltmehl sorgfältig gemischt, gut durchfeuchtet (nicht "klitschig"), zu
einer kleinen Miete geformt und mit dunkler Folie windsicher abgedeckt.
Jeweils nach 3 - 4 Wochen umschaufeln, evtl. nachfeuchten oder durch
Zusatz von Erde entfeuchten; wieder zudecken. Dies sollte an einem son-
nigen Platz geschehen, um den Mikroben Wärme zukommen zu lassen.
Dieser nun schon angerottete "Hilfskompost" wird in die Oberfläche der
Beete vor der Bestellung leicht eingeharkt und ebenfalls keineswegs "be-
graben". Es ist ratsam, im ersten Jahr auf den Anbau all der Gemüsesor-
ten zu verzichten, die bisher nicht ohne chemischen Pflanzenschutz kul-
tiviert werden konnten, z.B. Mohren, Kohl usw., oder aber nur wenige
"Testpflanzen" anzubauen. Diese können als Fruchtfolge für die Grün-
düngungsfläche wieder mit eingeplant werden.

Abschließend noch ein Hinweis für Gärtner, denen noch Mist zur Verfü-
gung steht: Der beste Tiermist ist wegen seiner Milde der Rindermist.
Schweinemist sollte nicht im Garten verwendet werden. Geeignet ist
aber auch der Mist von Kleintieren, Schafen, Hühnern (keine Batterie!)

                                 -27-
oder Tauben. Mist sollte nur im kompostierter Form in den Garten gelan-
gen und eine mindestens sechsmonatige Rottezeit hinter sich haben. Dann
sind die Umsetzungsprozesse so weit fortgeschritten, daß auf den Beeten
keine unerwünschten Insekten mehr angelockt werden. Im Winter müssen
Mistkompostmieten dicht mit Stroh "eingepackt" werden, damit die Wär-
me nicht verlorengeht und die Rotteprozesse zum Stillstand kommen.

Der Zusammenhang von Boden-, Pflanzen-, Tier- und Menschengesundheit

Daß die sinkende Volksgesundheit in unserem hochzivilisierten Land zu ei-
nem ernsten Problem geworden ist, kann man inzwischen allenthalben
hören und lesen. Nachdem die Krankenkassenbeiträge mehrfach erhöht
werden mußten, wird nun ein sparsamerer Medikamentenverbrauch ge-
fordert. Auf der anderen Seite werden zur Erforschung und Bekämpfung
der gefährlichen Zivilisationskrankheiten Millionenbeträge ausgegeben.
Dagegen ist grundsätzlich zwar nichts einzuwenden, doch verwundert es
den nachdenklich Gewordenen, daß man an den offiziellen Stellen den
Zusammenhang von schwindender Gesundheit und der oft zweifelhaften
Qualität der nach modernen Methoden erzeugten Nahrungsmittel nicht
einmal in Erwägung zieht. Offensichtlich würde damit ein zu heißes Ei-
sen angerührt, weil zu viele profitable Quellen für viele daran Verdienen-
de dabei in Gefahr geraten könnten, zu versiegen. Hinzu kommt, daß
Krankheit hierzulande die meisten Bürger nicht um die Existenz bringt.
Die Folge davon ist, daß es an einem umfassenden Bemühen um eine ge-
sunde Nahrung und Ernährung, die unter Umständen auch mit dem Ver-
zicht auf einige liebgewordenen Wohlstandsgewohnheiten oder gar mit
Mehrarbeit einhergehen kann, fehlt.

Gewiß ist es nicht nur die Nahrung, die heute Fremdstoffe enthält, mit
denen der menschliche Körper letzten Endes nicht fertig wird, und die
deshalb ganz und gar nicht zur Gesundheit beitragen. Luft und Wasser
sind, wie schon erwähnt, ebenso belastet. Da sich aber die meisten Men-

                                  -28-
sehen ihre Nahrung noch selbst zubereiten, könnte ihr bewußtes Verbrau-
cherverhalten Erzeugern von biologisch hochwertigen Produkten Mut
machen, mehr davon anzubauen und auf den Markt zu bringen.

Von der Qualität pflanzlicher Nahrungsmittel

Der heutigen Einteilung pflanzlicher Produkte in Güteklassen liegen Aus-
sehen, Gewicht und Größe, also rein quantitative und kosmetische Maß-
stäbe zugrunde. Über den "inneren" Wert sagt diese Klassifizierung nichts
aus. Es liegt anscheinend noch immer nicht im öffentlichen Interesse, zu
neuen Qualitätsbestimmungen zu kommen, die schon vor Jahren Profes-
sor W. Schuphan von der Bundesanstalt für Qualitätsforschung um das Kri-
terium "biologische Qualität" erweitert sehen wollte. Dabei müßten auch
Art und Menge von chemischen Rückständen eine Rolle spielen. Man ver-
weist immer wieder darauf, daß über die Langzeitwirkung von Rückstän-
den in der Nahrung keine als ausreichend und gesichert geltenden Erfah-
rungen vorlägen. Darauf zu warten und bis dahin alles beim alten zu las-
sen, könnte aber riskant sein. Denn schon die schlichte Logik sagt einem,
daß eine dauernde Belastung des Körpers mit Spuren von Chemikalien, die
in der Natur nicht vorkommen und deshalb nur schwer oder gar nicht ab-
gebaut werden können, keinesfalls harmlos sein kann und spätestens die
Nachkommen trifft. Darüber hinaus dürfte auch die Qualität der auf den
ihrer natürlichen Humus- und Mineralstoffgehalte beraubten Böden ge-
wachsenen Pflanzen eine mindere sein. Dies wird z.B. bei einzelnen
Produkten an der verringerten Geschmacksqualität sowie an der schlech-
ten Haltbarkeit deutlich. So haben Verbraucher selbst den "Schnüffel-
test" bei Kartoffeln "erfunden", indem ihr Geruch nach wasserloser Ga-
rung in einem verschlossenen Topf sogleich nach dem Öffnen geprüft
wurde. Die Unterschiede erwiesen sich als verblüffend offenkundig und
nicht als Sorten-, sondern als anbaubedingt. Über die Haltbarkeit unter-
schiedlich angebauter Mohren existiert eine wissenschaftliche Untersu-
chung (vgl. Lit.Verz. v. Wistinghausen, E.), die eindeutig zugunsten der
ökologischen Methode auslief.

                                 -29-
Hier kann auch über eine eigene, unbeabsichtigte "Haltbarkeitsprüfung"
berichtet werden. Auf eine Reise in den Süden wurden in einer gewöhn-
lichen Frühstücksdose biologisch gezogene, gewachsene Frühmöhren mit-
genommen, am 2. und 3. Reisetag zum Teil verzehrt und der Rest im Auto
vergessen. Dieses stand und fuhr 8 Tage lang in glühender Hitze umher.
Nach der Rückkehr fand sich dann die Dose wieder, und beim Öffnen wur-
de eine zersetzte und übelriechende Masse erwartet. Doch nichts derglei-
chen. Die Mohren waren zur größten Verwunderung noch knackfrisch
und wohlschmeckend und konnten mit Appetit verzehrt werden.

Im "normalen" Erwerbsgemüsebau müssen häufig chemische Stabilisato-
ren angewandt werden, um den raschen Zerfall der Ware aufzuhalten. Wä-
re der Gebrauch dieser Mittel deklarantionspflichtig, würde man sich wun-
dern.

Die Fragwürdigkeit der heutigen Tierhaltung und der Tierprodukte

Was man im Hinblick auf den Menschen noch nicht sehen will, nämlich
die Abhängigkeit von Umwelt, Ernährung und Gesundheit, tritt in der
Tierhaltung offen zutage.
Durch eine von vornherein falsch konzipierte Agrarpolitik wurde der Land-
wirt auch zu einer fabrikmäßigen Tierhaltung und -erzeugung gezwungen.
Innerhalb fabrikartiger Gebäude fristen die Tiere ein bejammernswertes
Dasein. In ihrem kurzen Leben ist es ihnen nicht vergönnt, die Erde unter
ihren Füßen zu verspüren. Sie lernen den Sonnenschein nicht kennen und
auch nicht das bescheidene Vergnügen, sich in der freien Natur ihr Futter
einmal selbst suchen zu dürfen. Stattdessen werden sie dazu benutzt, um
auf engstem Raum und bei genau abgemessenem und chemisch präparier-
tem Futter möglichst schnell Fleisch, Eier oder Milch zu "produzieren",
herabgewürdigt zu reinen Eiweißproduktionsautomaten. Ihre haltungs-
und ernährungsbedingte Labilität wird durch Antibiotika, Sulfonamide,
Tranquilizer (Beruhigungsmittel), Nebennierenrinden-, Geschlechts- und

                                 -30-
Schilddrüsenhormone und Parasitenmittel "abgestützt", deren Rückstände
sich auch der Verbraucher von Fleisch, Eiern und Molkereiprodukten ein-
verleibt. Eine seit längerem offenkundige Folge ist die Unverträglichkeit
bzw. Unwirksamkeit von Antibiotika in Ernstfällen beim Menschen.

Es waren die Haustiere, die dem Menschen in der Vergangenheit das Leben
und oftmals das Überleben ermöglichten. Das Aufeinanderangewiesensein
äußerte sich in einer echten Fürsorge seitens des Menschen. So mähte der
Bergbauer früher unter Lebensgefahr an steilen Hängen die Krauter, mit
deren Hilfe das Vieh den langen Stallwinter gesund überstehen konnte.
Heute muß der Bauer den Gedanken an das Wohlbefinden seiner Tiere aus
Existenznot heraus weitgehend verdrängen. Er ist unfreiwillig zum Hand-
langer derer geworden, die nur in einer industialisierten Landwirtschaft
ihren profitalen Absatzmarkt aufrechterhalten können.

Wer sich der Erzeugungsweise der Tierprodukte heute wirklich bewußt
wird, kann sich schon allein aus hygienischen Gründen für den Verzicht
auf Fleischgenuß entscheiden, von ethischen Gesichtspunkten ganz zu
schweigen. Der Landwirt aber wird als anonymer Produzent mit seinem
Gewissen allein gelassen und mehr und mehr zum Umweltverschmutzer
abgestempelt.

Der Mensch am Ende der Nahrungskette

Ökologisches Denken beruht auf dem Erkennen der Kreisläufe , in denen
sich alles Leben auf unserer Erde abspielt.

Jedes Lebewesen kann nur von anderen Lebewesen leben. Diese Tatsache
haben die Menschen weitgehend aus ihrem Bewußtsein verloren, weil ih-
nen z.B. die Nahrungsmittel allermeist industriell verarbeitet und verpackt
angeboten werden. Ihre Grundstoffe aber, Getreide, Kartoffeln, Obst, Ge-
müse, Fleisch, Milch, werden der Kette des Lebens entnommen. Der
Mensch als intelligenzbegabtes Lebewesen hat sich fast die ganze Fülle

                                  -31 -
zur Nahrung geeigneter pflanzlicher und tierlicher Lebewesen zunutze
gemacht. Diese Tatsache ist zum Problem geworden, seitdem er durch
seine Wirtschaftsweisen Giftstoffe in Umlauf gebracht hat, die, wie das
DDT, von allen Lebewesen aufgenommen, gespeichert und in der Nah-
rungskette weitergegeben werden. Diese Giftstoffgehalte vergrößern sich
von Lebewesen zu Lebewesen, sie akkumulieren. So weisen z.B. Plankton
und Wasserpflanzen im Meer 0,04 bzw. 0.08 ppm (ppm = parts per million
= l Milligramm auf 1.000 Gramm), Kleinfische 0,23 ppm, Kormorane
26,40 ppm DDT auf. Das gleiche gilt für Quecksilber und andere Akkumu-
lationsgifte. Während viele Tierarten dadurch zurückgehen oder aussterben,
verzehrt der Mensch die gespeicherten Gifte z.B. mit den Seefischen, Krab-
ben und Muscheln. Bei der Nahrungskette Pflanze - Tier - Mensch ist es
nicht anders. Es sei an dieser Stelle auch an die bedenkliche Akkumula-
tion von Kadmium in wildwachsenden Speisepilzen erinnert. Obgleich
auch hier die wissenschaftlichen Untersuchungen, die ein Bild der Ge-
samtsituation aufwerfen können, nachhinken, gilt als erwiesen, daß wir
alle Gifte, die wir irgendwie in die Umwelt entlassen, mit Luft, Wasser
oder Nahrung in unseren Körper aufnehmen. Wem das deutlich geworden
ist, der wird konsequent versuchen, soweit es ihm möglich ist, diese
aufgezwungene Giftaufnahme zu reduzieren. Eine der Möglichkeiten
bietet sich in der Versorgung mit selbst- oder fremdgezogenen pflanz-
lichen Nahrungsmitteln aus ökologischem Anbau und einer entsprechen
den fremdstofffreien Verarbeitung.

                                  -32-
Es geht auch anders - doch warum geschieht es nicht?

Die Verkehrung des Sprichwortes "Gemeinnutz geht vor Eigennutz"

Mit dem Aufkommen der "Freien Marktwirtschaft", die auf dem Grund-
gedanken beruht, daß alles, was dem einzelnen nutze, auch der Allgemein-
heit Segen bringen müsse, wurde der Egoismus zum Wirtschaftsprinzip er-
hoben.

Der Sinn des Wirtschaften, der Güterbewegung, ist nicht mehr die Be-
darfsdeckung, d.h. daß jeder das nicht selbst Hergestellte, das ihm fehlen-
de Notwendige hinzuerwerben kann. Der Antriebsmotor ist nun ganz of-
fen und legitim das Streben nach einem möglichst hohen Vorteil für sich
selbst, nach Gewinnmaximierung. Dadurch entsteht der als rechtens an-
gesehene gnadenlose Konkurrenzkampf. Den Konkurrenten aus dem Fel-
de schlagen und um Eigentum und Ansehen zu bringen, gilt nicht mehr
als verwerfliche Schurkerei, sondern wird in ehrenvoller Weise als Tüch-
tigkeit, Cleverness oder Pfiffigkeit gewertet. Scharf formuliert, hat der
größere "Schröpfer" auch die größte Aussicht, zu Macht und Ansehen zu
kommen.

Diese Macht erstreckt sich durch die Lobby bis in Regierungsentschei-
dungen und ist dort so gut wie gar nicht auszuschalten. Durch die Fach-
wissenschaft wird "wirtschaftliches" Verhalten untermauert und erfährt
weitere Abstützungen. Der ehrliche Kaufmann, der sich mit einem beschei-
denen Gewinn zufriedengeben würde, wird als dumm oder untüchtig ange-
sehen und sehr schnell durch die "tüchtigeren" Konkurrenten um seine
Existenz gebracht.

So basieren z.B. die innerhalb der Wirtschaft errechneten Bedarfsquoten
an Energie keineswegs auf dem, was der Mensch unbedingt zu einem sinn-
voll erfüllten Leben und zu einem angemessenen Wohlstand benötigt, son-
dern auf dem Streben nach einer gesteigerten Energieerzeugung und fort-

                                  -34-
schreitender Profiterhöhung. Damit der "kleine Mann" hieran so wenig
wie möglich Anstoß nimmt, ja, diese Haltung sogar unterstützt, wird er
durch eine psychologisch ausgefeilte Millionen Werbung dazu veranlaßt,
in der Großindustrie (z.B. Chemische oder Kraftwerksindustrie) seine
Ersparnisse mit höchster Renditeaussicht anzulegen. Dadurch wird auch
sein Interesse an einem bleibenden Wirtschaftswachstum erkauft, selbst
wenn dabei ebenso kontinuierlich seine Umwelt zerstört wird. Die Er-
kenntnis, daß unter den Gesetzmäßigkeiten dieser unserer Welt nichts an-
haltend wachsen kann, ohne schließlich einen globalen Zusammenbruch
auszulösen, wird verschleiert und verdrängt und ist somit für viele auch
gar nicht vorhanden.

Es ist daher auch keineswegs verwunderlich, daß Umweltforderungen, es
sei denn, sie verheißen neuen Profit, so schwer durchzusetzen sind und die
um den Lebensschutz Bemühten immer wieder als Fortschrittsfeinde oder
lächerliche Spinner verunglimpft werden.

Der Mensch als Opfer seiner eigenen Werke

Ein immer wieder ins Feld geführtes und die Menschen in der Tat schockie-
rendes Argument gegen mehr Umwelt- und Lebensschutz sowie Wachs-
tumgsverzicht ist die Drohung mit den dann massenhaft fortfallenden Ar-
beitsplätzen. Dieser Hinweis stimmt insofern, daß die Arbeitsplätze, die
mit umweltschädigenden Produktionen verbunden sind, allerdings weg-
fallen würden. Dafür, und das ist ebenso längst überdacht worden, gäbe es
neue Arbeitsplätze, denn der schonende Umgang mit der Umwelt erfor-
dert nicht weniger, sondern mehr Arbeit. Selbstverständlich würde eine
solche Umwälzung nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Opfer
vonstatten gehen, und jeder einzelne würde mit betroffen sein. Denkt man
sich an diese Situation einmal heran, wird offenbar, daß zur Erhaltung ei-
ner lebenswerten Umwelt für gegenwärtige und künftige Generationen
sich diese Probleme besonders auf der sozialen Ebene stellen werden. Um-
weltfreundlichen Technologien stehen aber erhebliche Widerstände ent-

                                  -35 -
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