Hochbauamt Didymos Einweihung Ersatzneubau - Kanton Zürich
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Inhalt 4 Ein neuer Spitalbau in den Zeiten der Maske Regierungsrat Dr. Martin Neukom, Baudirektor Kanton Zürich 6 Moderne Infrastruktur zum Wohle aller Regierungsrätin Natalie Rickli, Gesundheitsdirektorin Kanton Zürich 10 Zusammenarbeit als Schlüssel zum Projekt-Erfolg Beat Pahud, Kantonsbaumeister 14 Raum für eine zeitgemässe Gesundheitsversorgung Dr. Franz Studer, Präsident des Spitalrats Rolf Zehnder, CEO 18 Der Anteil Körper am Selbst Caroline Morand, Leiterin Fachstelle Kunstsammlung Friederike Schmid, Projektleiterin Kunst am Bau 22 Ersatzneubau Kantonsspital Winterthur – Bauen für die Gesundheit Thomas Stegmaier / Christoph Butscher ARGE RA-B Architekten, Rapp Architekten AG / Butscher Architekten AG 24 Pläne 30 Chronologie 32 Am Bau Beteiligte
Situation 1:20 000
Regierungsrat Dr. Martin Neukom Baudirektor Kanton Zürich Ein neuer Spitalbau in den Zeiten der Maske Die Einweihung des KSW-Neubaus fällt in eine Zeit, in der der Zusammenhang von Politik und Medizin so präsent ist wie noch nie. Tagtäglich erreichen uns Zahlen zu Ansteckungen, Hospitalisierungen und Todesfällen. Regelmässig wird der Pegelstand der verbleibenden Intensiv-Ressourcen gemeldet. Gleich- zeitig hat sich weiten Teilen der Bevölkerung ein medizinisches Pseudowis- sen angesammelt, das teilweise nicht nur skurril ist, sondern als Politikum von höchstem Wert verstanden wird und eine grosse Gefahr für die allgemeine Gesundheit darstellt. Anstelle von Empirie und Wissenschaftlichkeit treten al- ternative Fakten und Beliebigkeit. Von einem Grundrecht, welches der wissenschaftlichen Methodik Schutz ge- währt, kann die Wissenschaft nur träumen. Sie steht unter einem grossen Rechtfertigungsdruck, während die trüben Gewissheiten draussen mit viel Selbstbewusstsein an die grosse Glocke gehängt werden. In diese Asymmet- rie muss die Politik eingreifen. Nicht nur mittels Abwehr, indem sie Institutionen und Personal verteidigt, sondern auch durch die Bereitstellung von Mitteln und Infrastrukturen. Als am 3. November 2016 auf dem Gelände des KSW der erste Spatenstich gesetzt wurde, war die Welt noch in Ordnung. Zumindest bezüglich Corona- Pandemie. Jahreszahlen wurden genannt: 1876 die Gründung des Bürgerspi- tals, 1886 die Übernahme durch den Kanton. In den 1950er-Jahren kamen die modernen Gebäude und 1968 das Hochhaus dazu. Anhand dieser Zahlen spannte sich ein Zeithorizont von 140 Jahren kontinuierlicher Veränderungen auf. Heute, fünf Jahre nach dem Spatenstich, möchte ich sagen: Daran, und an der Fortsetzung dieser Kontinuität, können auch zwei Jahre Pandemie nichts ändern, zumal diese gezeigt hat, wie wichtig eine funktionierende Ge- sundheitsversorgung ist. Das Hochhaus von 1968 wird alsbald nur noch Phantomschmerz erzeugen. Dennoch war es in struktureller und planerischer Hinsicht von zentraler Bedeu- tung. Eine der grossen Qualitäten des Siegerprojekts «Didymos» war, dass es ohne vorgängigen Rückbau des Hochhauses realisiert werden konnte – eines Baus mit vielen dysfunktionalen Eigenschaften, die mit dem Neubau korrigiert werden konnten. Von dieser negativen Abhängigkeit hat sich der Neubau be- reits jetzt emanzipiert. Wir stehen vor einem eigenständigen und begeistern- den Bauwerk, das die Geschichte des KSW mit viel Elan fortschreibt. Es wird seine Flexibilität sein, die im Gegensatz zu den starren Strukturen sei- nes Vorgängers ein langes Fortbestehen erwarten lässt. Die Idee, die Primär- struktur aus Beton so zu gestalten, dass die Sekundärstruktur im Trockenbau und modular eingebaut werden kann, ist genial und wird es noch lange blei- ben. Ebenso überzeugend sind die Arbeitslandschaften und die Umsetzung des Ziels, die brachliegenden Flächen mittels flexibler Zuteilung von Arbeits- plätzen möglichst klein zu halten. Ich möchte abschliessend sagen: Freuen wir uns, gerade in dieser seltsamen Zeit! Ich danke allen, die zu diesem wichtigen Projekt ihren Beitrag geleis- tet haben, den Architektinnen und Architekten, den Planerinnen und Planern, den ausführenden Firmen und meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hochbauamts. 4
Regierungsrätin Natalie Rickli Gesundheitsdirektorin Kanton Zürich Moderne Infrastruktur zum Wohle aller Ich kann mir vorstellen, dass es für Architekten, Planer und Bauunternehmen sinnstiftend sein mag, ein Spital zu planen bzw. zu bauen. Sie erstellen eine Umgebung, in welcher Menschen geholfen wird, in welcher Menschen wieder gesund werden. Aber auch in welcher Menschen geboren werden. Wie ich vor 45 Jahren im Kantonsspital Winterthur KSW. Spitalbesuche hinterlassen bleibende Eindrücke bei Gross und Klein: Dies beginnt beim herzlichen Emp- fang an der Patientenaufnahme, geht über die behandelnde Ärztin resp. den behandelnden Arzt bis hin zu den Mitarbeitenden der Pflege, welche uns Pa- tientinnen und Patienten mit viel Empathie versorgen. Gewiss, es sind die Menschen, welche Gebäude beleben. Aber es sind auch passende Infrastrukturen, welche es den Menschen ermöglichen, sich wohl zu fühlen. Dies wiederum ist eine wichtige Voraussetzung, um gute Arbeit zu leis- ten. Oder anders formuliert: Eine kontinuierliche Investition in eine moderne und zeitgemässe Spitalinfrastruktur fördert die Motivation der Mitarbeitenden, wovon die Patientinnen und Patienten profitieren. Und darum geht es letztlich: Als Gesundheitsdirektorin ist es mir ein Anliegen, dass die Bevölkerung einen guten Zugang zu sichereren und qualitativ hochstehenden medizinischen Leis- tungen hat. Und der Kanton Zürich hat eine hervorragende Gesundheitsversorgung. Die grosse Zürcher Spitalplanung 2012 war Vorreiterin für die ganze Schweiz. Die spezialisierte und hochspezialisierte Medizin ist über die Kantonsgrenzen hin- aus bestens anerkannt. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass das Zürcher Ge- sundheitswesen schweizweit ein solch hohes Ansehen geniesst. Erfreulich ist, dass die Zürcher Patientinnen und Patienten seit Jahren sehr zufrieden sind mit den Spitälern, wie die Zufriedenheitsbefragung der Gesundheitsdirektion zeigt. Die Bevölkerung wird immer älter. Damit nehmen chronische Erkrankungen und Multimorbidität zu. Man lebt länger, leidet aber tendenziell an mehreren Krankheiten gleichzeitig. Dies führt zu komplexeren Behandlungen und erhöh- ten Anforderungen an die Gesundheitsversorgung. Mit dem Neubau verfügt das KSW über eine hochmoderne Infrastruktur, die es erlaubt, diesen Anforde- rungen gerecht zu werden. Und dies ist wichtig, denn das KSW versorgt die Region Winterthur und damit ein Einzugsgebiet von über 250 000 Menschen. Insbesondere in dieser Versor- gungsregion kommt dem KSW als Zentrumsspital eine besondere Bedeutung zu. Diese spiegelt sich in einem breiten Leistungsspektrum – von Grundversor- gung bis hin zu spezialisierter Medizin – wieder. Damit verbunden verfügt das KSW auch über ein vielfältiges Aus- und Weiterbildungsangebot, was gerade heute vor dem Hintergrund von fehlenden Fachleuten in bestimmten Berei- chen des Gesundheitswesens ein hohes Gut ist. Gemäss Versorgungsplanung wird die Nachfrage nach stationären Leistungen in der Region Winterthur wei- ter zunehmen. Dank dem Neubau, der flexibel und interdisziplinär ausgerichtet ist, kann das Kantonsspital diesem Wachstum gerecht werden. Ich gratuliere dem KSW ganz herzlich zum Neubau «didymos» und danke al- len Beteiligten für die gute, vorausschauende Planung und Umsetzung. Den Mitarbeitenden wünsche ich viel Freude und Erfüllung an ihrem neuen und modernen Arbeitsplatz. 6
Beat Pahud Kantonsbaumeister Zusammenarbeit als Schlüssel zumDie Entwicklung des Areals des Kantonsspitals Winterthur ist seit seiner Grün- dung im Jahr 1876 geprägt von steter Ergänzung und Erneuerung. Die Ansprü- Projekt-Erfolg che an das Gesundheitswesen haben sich fundamental verändert. So hat sich die Lebenserwartung des Menschen seit der Gründung des Spitals bis heute beinahe verdoppelt. Die technischen und medizintechnischen Entwicklungen wie auch neue gesellschaftliche Ansprüche sowie die Zunahme ambulanter Behandlungen prägen die verschiedenen Ausbauetappen. Als wesentlicher baulicher Zwischenschritt erfolgte 1958 eine Neukonzeption durch den Architekten Edwin Bosshard, dessen Neubauten noch heute die Grundstruktur des Areals prägen. 1968 wurde im Geist der damaligen Spi- tal-Philosophie ein isoliert stehendes Spitalhochhaus mit städtebaulicher Aus- strahlung erstellt. Die wachsenden Bedürfnisse im Bereich Untersuchung und Behandlung führten zu diversen An- und Erweiterungsbauten. Eine Machbar- keitsstudie aus dem Jahre 2008 zeigte auf, dass für das Spitalhochhaus zwar dringend eine technische und bauliche Gesamterneuerung erforderlich war, die erforderlichen effizienten betrieblichen Abläufe in der bestehenden Struk- tur jedoch nicht geschaffen werden konnten und Erweiterungen nicht möglich waren. Im Architekturwettbewerb für einen Ersatzneubau erhielt 2010 das Projekt «Didymos» der Arbeitsgemeinschaft RA-B Architekten (Rapp Architekten AG, Butscher Architekten AG) den Zuschlag. Es versprach nicht nur in seiner Grundstruktur einen nachhaltigen Betrieb, sondern konnte ohne grössere Be- einträchtigung des laufenden Betriebes erstellt werden. In Abänderung zum Wettbewerbsprojekt wurde die Radio-Onkologie in einen seperaten Neubau ausgelagert. Der gewonnene Raum wurde für eine angemessene Eingangs- situation und einen Konferenzbereich genutzt. Das Gebäude zeichnet sich dadurch aus, dass es flexibel nutzbar ist und auf zukünftige veränderte Bedürfnisse reagieren kann. Nebst der üblichen, kon- sequenten Trennung der Tragstruktur von den Ausbauten ist beispielsweise der Operationsbereich mit über 17 Metern überspannenden Stützenabständen sehr flexibel umnutzbar und so auf allfällige spätere Spitalkonzepte optimal vorbereitet. Auch wurde planerisch darauf geachtet, dass die Einbett-Zimmer- struktur einfach und schnell in eine Dreibett-Zimmerstruktur überführt werden kann. Das Gebäude leistet einen wichtigen Beitrag zum Wohlbefinden sowohl der Patienten wie der Mitarbeiter. Gute Lichtverhältnisse in allen Bereichen, ein ho- her Bezug zum Aussenraum, ökologische und langlebige Materialien und eine sorgfältige Farbgebung leisten ihren Beitrag zur Genesung und Gesunderhal- tung. Das Spital hat mit der Ostvorfahrt einen neuen Haupteingang erhalten und die ehemalige riesige Parkplatzfläche ist zugunsten einer grossen Wie- se verschwunden. Der dem Bettenhaus vorgelagerte Park mit einem dichten, Lärm abschirmenden Grünsaum aus grosskronigen Bäumen und einer zum Flanieren einladenden Wegführung ist nicht nur für Personal und Patienten, sondern auch für das angrenzende Quartier eine Oase der Erholung. Didymos ist als einer der ersten Spitalbauten Minergie-P-Eco zertifiziert. Der Nachhaltigkeitsgedanke wird mit dem bevorstehenden Rückbau des Hoch- hauses weitergeführt, indem die Materialien weitgehend rezykliert und als Bau- stoffe wieder in den Bauprozess eingeschleust werden. Mit dem frei werden- den Raum entsteht eine Brache, auf der eine nächste Etappe der Erweiterung und Erneuerung des Kantonsspitals Winterthur realisiert werden kann. Vom Kreditantrag bis zur Fertigstellung sind rund sieben Jahre vergangen – eine grosse Zeitspanne, in der sich die Bedürfnisse, Anforderungen und die Medizintechnik stetig weiterentwickelt haben. Diese Projekteinflüsse stellten höchste Anforderungen an das Projektmanagement. Im ständigen Dialog mit den Verantwortlichen des Kantonsspitals und den Planungspartnern wurden Lösungen gefunden und umgesetzt, die es ermöglichten, das Projekt «Didy- mos» selbst unter den widrigen Umständen der Corona-Pandemie innerhalb der Zeit- und Kostenvorgaben umzusetzen. Im Namen des Hochbauamtes Kanton Zürich danke ich allen Projektbetei- ligten für ihren ausserordentlichen Einsatz, ihre Ausdauer und ihre Fähigkeit zur konstruktiven und zielorientierten Zusammenarbeit als Basis des Projekt- erfolges. Dem Kantonsspital Winterthur als Bauherrschaft sowie seinen Mit- arbeitern wünsche ich viel Freude am neuen Gebäude, den Patientinnen und Patienten eine nachhaltige Genesung. 10
Dr. Franz Studer, Präsident des Spitalrats Rolf Zehnder, CEO Raum für eine zeitgemässe Gesundheits-«Wir sind überglücklich», heisst es jeweils in Geburtsanzeigen. Das sind auch wir. Mit der Eröffnung des langersehnten Spitalneubaus verfügt das KSW über versorgung eine hochmoderne Infrastruktur, um die Bevölkerung der Region Winterthur auch in Zukunft effizient und mit fortschrittlichen medizinischen Dienstleistun- gen zu versorgen. Das funktional durchdachte Gebäude unterstützt uns dabei, die Anforderungen zu meistern, die auf uns zukommen: Die Komplexität der Behandlungen wird aufgrund von Individualisierung und Spezialisierung in der Medizin sowie der Polymorbidität einer immer älter werdenden Bevölkerung zunehmen; mehr Patienten werden für durchschnittlich immer kürzere Be- handlungsintervalle das Spital aufsuchen. Der Spitalneubau schafft zudem Freiraum für neue Modelle der interprofes- sionellen Zusammenarbeit und die Vereinfachung von Behandlungsabläufen. Einzelbüros mit Namensschildern und Zutrittsbeschränkungen, wie sie im Bet- tenhochhaus aus den 60er Jahren anzutreffen sind, entsprechen längst nicht mehr den heutigen Bedürfnissen. Im Neubau wurde das veraltete Konzept durch helle, freundlich gestaltete Open-Space-Bereiche ersetzt. Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeitende aus Pflege, Therapie und Administration teilen sich die Sprechstundenzonen und die Büroflächen. Ganz im Sinne von Activity Ba- sed Working sind die Fachleute, mit digitalen Tools ausgerüstet, viel unterwegs auf den Stationen und erledigen administrative Aufgaben mobil. Durchdacht und zeitgemäss konzipiert sind auch die neuen Patientenzimmer. Die im Neubau zur Verfügung stehenden Einbettzimmer decken einerseits das Bedürfnis nach Individualität und Privatsphäre ab. Gleichzeitig ermöglichen Einzelzimmer eine effizientere Belegung, insbesondere bei Kurzaufenthalten: Es bleibt kein Bett frei, weil Frau und Mann nicht gemeinsam in einem Dop- pelzimmer untergebracht werden können oder jemand isoliert werden muss, aus welchen gesundheitlichen Gründen auch immer. Separate Besprechungs- zimmer sind nicht mehr notwendig und Angehörige können besser integriert werden. Die bauliche Erneuerung ist nur eines der zentralen Themen auf unserer Road- map. Wir erarbeiten gezielt Strategien, die uns dabei unterstützen, attraktiv für qualifiziertes Personal zu sein, hohe Qualitätsstandards zu erfüllen oder die wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Ein aktuelles Projekt ist die Weiterentwick- lung der Führungsorganisation. Die Fachbereiche erhalten teils deutlich mehr unternehmerische Eigenverantwortung als bisher, damit sie sich erfolgreich entfalten können. Für die übergeordneten Themen, die das ganze Spital oder eine Gruppe von Fachbereichen betreffen, ist seit Januar 2022 eine sechsköp- fige Geschäftsleitung verantwortlich. Sie ist mit Mitgliedern der bisher 13-köp- figen Spitalleitung besetzt. Unsere Ziele sind klare Entscheidungswege, die Regelung von Kompetenzen und ein starkes Führungsteam, das genügend Zeit für die unabhängige Bearbeitung strategischer Betriebsthemen findet. Der Ersatzneubau «Didymos» ist der erste Meilenstein in der baulichen Erwei- terung des Kantonsspitals Winterthur. In den kommenden Jahrzehnten wer- den, wie bereits im Masterplan und im Richtplan festgehalten, weitere Bau- projekte folgen – denn wir wollen mit der Entwicklung der Patientenzahlen und der Medizin Schritt halten. Ein herzlicher Dank geht an alle Beteiligten, insbesondere an die Planer und Mitarbeitenden auf der Baustelle, die zum Gelingen der ersten Etappe bei- getragen haben. Speziell danken wir dem Hochbauamt, das uns bei der Um- setzung des Masterplans weiterhin unterstützen wird. Zusammen mit unseren Mitarbeitenden freuen wir uns darauf, Leben in die neuen «vier Wände» zu bringen und die Chancen zu nutzen, die uns der Neubau bietet. 14
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Caroline Morand, Leiterin Fachstelle Kunstsammlung Friederike Schmid, Projektleiterin Kunst am Bau Der Anteil Körper am Selbst Gerade im Spitalbereich ist man sich heute der Bedeutung von Kunst und ihrer Wirkung auf Menschen, ihr Wohlbefinden und ihre Genesung, sehr bewusst. Eine 2019 von der WHO publizierte Metastudie «What is the evidence on the role of the arts in improving health and well-being?» belegt erstmals in einem breiten und international recherchierten Umfeld den konkreten Einfluss von Kunst auf ein heilungsförderndes Umfeld sowie deren Impulse auf die Heilung Einzelner. Dort knüpft auch die Arbeit des multimedial tätigen Künstlers Yves Netzham- mer (*1970) an. Im Rahmen eines Studienauftrags für den Ersatzneubau des KSW realisierte er 2021 das Kunst-am-Bau-Projekt «Der Anteil Körper am Selbst», bei dem er in der für ihn typischen Arbeitsweise verschiedene Dimen- sionen seines künstlerischen Schaffens installativ miteinander verknüpfte. Das mehrteilige Werk führt von einer durch eine Schablonenprojektion überlager- ten, gravierten Zeichnung im Eingangsbereich weiter zum Bettenhaus, wo auf vier Stockwerken über vier Glasfronten zweifarbige Sandstrahlzeichnungen das Innen mit dem Aussen verbinden. Netzhammers Werk ist von einem ständigen Fluss von Formen, Materialien und Ausdruckweisen geprägt, immer auf dem schmalen Grat zwischen Illu- sion und Realität oszillierend. Er thematisiert mit hoher Empfindsamkeit die körperlichen Befindlichkeiten der Menschen in einem Spital sowie das Thema des Körpers und der Körpergefühle. In seiner figurativen Bildsprache lotet er die Grenzen des Körpers aus und stellt Fragen zu Lust, Schmerz, Verletzung und Heilung. Seine Herangehensweise zeugt von viel Respekt gegenüber der Nutzerschaft, die sich oft in einer komplexen persönlichen Situation befindet und dadurch auf Bilder wesentlich empfindsamer reagiert als ein Museums- publikum. Die Bespielung der mächtigen Wand im Eingangsbereich zeugt von Netzham- mers subtiler und feinfühliger Umsetzung, thematisch sinnstiftend aber nicht plakativ oder aufdringlich. Die Zeichnungen überziehen die gesamte Front- fläche, verlassen diese und führen über die Seitenwände in den hinteren Teil der Spitalkapelle. Über einen Beamer werden während 33:22 Minuten farbige Schablonen auf die gestaltete Wand projiziert. Die Überblendungen generieren immer wieder neue Assoziationen: Figuren erscheinen, gehen in Tierformen über und verklingen in abstrakten Figurationen. Ein zauberhaftes Spiel von teils blassen, teils starken Farben, von einzelnen Motiven und Körperteilen, die in ein ganzes Wandbild gezoomt werden, um dann in eine nächste Sequenz überzugehen. Wir suchen die Wandfläche nach Figuren ab und imaginieren uns eine Geschichte dazu: hier ein Herz, da ein Fuss, ein gehörnter Kopf. Die Schablonen wirken abstrahierend, so dass die Suche nach neuen Formen un- erschöpflich ist. Wir werden verführt, viele mögliche Bildformen zu entdecken und so auf verspielte Weise den Körper zu thematisieren. Bei der Arbeit im Bettenhaus stellt Netzhammer einen Bezug zu den einzel- nen Abteilungen her. Poetische, empathische und zugleich humoristische Fi- guren und Motive, mit denen er spielerisch und ohne illustrativ zu sein über die Schwere nachdenkt. Zwischen Abstraktion und Figuration angesiedelt, blei- ben die Werke für die Betrachtenden lebendig und werden auch über längere Zeit nicht langweilig. Um die Linien der Zeichnungen herum wurde das Glas aufgeraut und undurchsichtig, bleibt jedoch transluzent, eine wichtige Geste für diesen sensiblen Ort der Warteräume. Die verbliebenen transparenten Li- nien verbinden sich zu Motiven des Spitalalltags. Yves Netzhammer hat mit «Der Anteil Körper am Selbst» im Kantonsspital Winterthur eine sowohl spielerische als auch tiefgründige Arbeit realisiert. Er hat sich umsichtig und mit viel Empathie der Aufgabe gestellt, für die Nut- zerschaft, Patientinnen und Patienten, Pflegende, Ärzteschaft und Publikum eine anregende, erzählerische Bildwelt zu schaffen, welche die Betrachtenden auch zum Schmunzeln bringen kann, Neugierde weckt und zum Nachdenken über unsere Körper anregt. 18
Bildunterschrift, möglichst sprechend umgesetzt 20
Thomas Stegmaier / Christoph Butscher ARGE RA-B Architekten, Rapp Architekten AG / Butscher Architekten AG Ersatzneubau Kantonsspital Winterthur – Bauen für die Gesundheit Mit der Überzeugung, dass Krankenhäuser sich planerisch mit einem Masterplan auf zukünftige Ausbaustufen vorbereiten müssen, hat die Planergemeinschaft mit ihrem Wettbewerbsbeitrag versucht, die unübersichtliche Situation zu klären und wichtige Entwicklungsschritte für die Zukunft aufzuzeigen. Der Neubau fügt sich präzise in die Lücke zwischen Bosshard-Bau und Hochhaus ein. Mit dieser sorg- fältigen Setzung werden mehrere Ziele verfolgt. Der Bau kann ohne wesentliche Beeinträchtigung des laufenden Spitalbetriebs erstellt werden; die städtebauliche Setzung zur Stadt klärt das Erscheinungsbild und schafft mit der Belebung des Parks einen deutlichen Mehrwert; der neu positionierte Vorplatz mit dem Gebäu- dehaupteingang und der Eingangshalle erschliesst den Gesamtkomplex im Zen- trum und schafft eine übersichtliche und logische Personenführung im Gebäude. Das zehngeschossige Bettenhochhaus orientiert sich zum Park und zur Stadt hin und wird von den Architekten in starker Analogie zum bestehenden Bettenhaus verstanden. Daher auch der Wettbewerbsname «Didymos», was auf Griechisch Zwilling bedeutet. Entgegen der Wettbewerbsausschreibung wurde das Projekt 2011 betrieblich auf eine Einbettzimmerstruktur ausgelegt und die Planung ent- sprechend angepasst. Die Struktur aus dem Wettbewerb konnte vollständig bei- behalten werden und zeigt somit die Vorteile einer konsequenten Trennung zwi- schen niedrig und hochinstallierten Gebäudebereichen. Die grosszügige, in Teilen zweigeschossige Eingangshalle mit dem zentralen Empfang ist hell und übersichtlich. Aus dem Zentrum sind die Vertikalerschlies- sungen in den Bestandsgebäuden und im Neubau auf kurzen Wegen erreicht. Neben dem Südzugang über den Park befindet sich an prominenter Lage die neue, grosszügige Cafeteria. Über die offene Treppe zum 1. Untergeschoss mit variablen Veranstaltungsräumen und Platz für Anlässe ist das Personalrestaurant im Bestand eingebunden. Über der Eingangshalle sind die multifunktionalen Untersuchungs- und Behand- lungsräume angeordnet. Die Untersuchungsräume sind von der Fassade abge- rückt und können für zukünftige Veränderungen einfach und flexibel angepasst werden. Die Raumschicht zwischen Fassade und Untersuchungsräumen ermög- licht eine getrennte Erschliessung der Untersuchungsräume und eine direkte Ver- bindung zu den Open-Space Arbeitsbereichen. Der Fassadenkorridor kann auch als Arbeitsbereich genutzt werden und ermöglicht eine moderne, IT-gestützte Arbeitsweise. Über den Untersuchungs- und Behandlungsbereichen befindet sich im 5. Ober- geschoss die OP-Landschaft mit darüberliegender Technikzentrale. Die Positio- nierung und die Konstruktion des Technikgeschosses als Brückentragwerk er- möglichen ein fast stützenfreies OP-Geschoss. Für zukünftige Entwicklungen bietet diese Lösung enorme Vorteile bezüglich Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Investitionskosten. Das Bettenhochhaus orientiert sich zum Park und zur Stadt. Im Norden liegen die gut belichteten Betriebsräume für das Pflegepersonal. Fast alle Zimmer für die Patientinnen und Patienten sind nach Süden zum Park ausgerichtet und pro- fitieren von der grossartigen Aussicht. In der Erkernische ist ein komfortables Sofa als wichtiges Gestaltungselement eingefügt, welches überdies mit wenigen Handgriffen zu einem vollwertigen Bett für Angehörige umgebaut werden kann. Die Patientinnen und Patienten profitieren vom Panoramafenster. Die unabhängi- geren Besuchs- und Übernachtungsmöglichkeiten entlasten auch das Personal, da Angehörige einfache Unterstützungen selbst leisten können. Die Materialwahl und das Farbkonzept sollen sowohl für Patientinnen und Patien- ten wie auch für das Personal eine positive Wirkung entfalten. Im Bettenhoch- haus wird Naturholzfurnier (Kastanie und europäischer Nussbaum) eingesetzt. Das Lichtkonzept ist mehrschichtig und bietet ein hohes Mass an Variabilität zwischen Funktions- und Gestaltungslicht. Die Untersuchungsbereiche sind in schlichtem Weiss und kombiniert mit dunklen Böden gehalten. Über die Material- und Farbsprache wird die Orientierung vereinfacht und die spezifische Funktion zum Ausdruck gebracht. Die Kombination der sorgfältig ausgewählten Materia- lien, kombiniert mit den vier pigmentreichen Grundfarben, zieht sich durch das gesamte Projekt und findet in den warmen Farbtönen der Fassaden aus Travertin, kombiniert mit eloxierten Metallen, ihren Abschluss. 22
Pläne Ansicht Ost Ansicht Süd Situation 0 10 20 30 50 70 m 24 N RA-B Architekten
Pläne Pl Pl K Pf Erdgeschoss 0 5 10 15 20 30 m 25 N Grundrissplan Erdgeschoss RA-B Architekten 0 5 10 15 20
Pläne Pl Pl K Pf 3. Obergeschoss Ansicht Ost N Grundrissplan 3. Obergeschoss RA-B Architekten Rapp Architekten AG, Butscher Architekten AG 0 5 10 15 20 26 nsicht Ost RA-B Architekten
Pläne Pl Pl K Pf 5. Obergeschoss OP-Geschoss Ansicht Süd N Grundrissplan 5. Obergeschoss RA-B Architekten 0 5 10 15 20 30 m Rapp Architekten AG, Butscher Architekten AG 0 5 10 15 27
Chronologie 2010 Offener Projektwettbewerb in zwei Stufen 2011 Überarbeitung Betriebskonzept auf 1-Bett-Zimmer 2012 Vorprojekt 2013 Bauprojekt 2014 2014 Submissionsplanung und Ausführungsplanung Radioonkologie Baueingabe, Geometriephase mit Anpassung Betriebskonzept 2015 Baubeginn Radioonkologie 2016 2016 Erstellung provisorische Passerelle und provisorisches Parking Submissions- und Ausführungsplanung Ersatzneubau Didymos 2017 2017 Übergabe Radioonkologie Baubeginn Ersatzneubau Didymos, Überarbeitung Fassade 2018 Rohbauphase Ersatzneubau Didymos Anpassungen Betriebskonzept/Raumstudien 2019 Ausbau 1 Ersatzneubau Didymos 2020 Ausbau 1 und 2 Ersatzneubau Didymos Terminanpassung durch Coronapandemie, Verschiebung Übergabetermin um 5,5 Monate auf den Oktober 2021 2021 Ausbau 2, Ausstattung Medizintechnik, Inbetriebnahme, Abnahmen, Mängelbeseitigung, Übergabe an HBA/KSW per Oktober 2022 Inbetriebsetzung KSW, Schadstoffsanierung Hochhaus, Start Rückbau Hochhaus 2023 Rückbau Hochhaus, Neugestaltung Vorplatz Hauptzugang 30
Am Bau Beteiligte Bauherr / Besteller KSW Kantonsspital Winterthur Spitaldirektion Rolf Zehnder, Spitaldirektor Nutzer / Betreiber KSW Kantonsspital Winterthur Bauherrenvertretung Baudirektion Kanton Zürich, Hochbauamt Beat Pahut, Kantonsbaumeister Claus Frei, Abteilungsleitung Baubereich D Sacha Wiesner, Teamleitung Giuseppe Di Girolamo, Gesamtprojektleitung Patrick Künzler, Fachprojektleitung Gebäudetechnik Caroline Morand, Leitung Fachstelle Kunstsammlung Felix Schmid, Leitung Fachstelle Nachhaltigkeit Architektur / Gesamtleitung ARGE RA-B Architekten, Münchenstein RAPP Architekten, Münchenstein Butscher Architekten, Basel Fachplaner / Spezialisten Bauingenieure: Rapp Infra, Münchenstein Elektroingenieure: Herzog Kull Group, Aarau L Klima-Ingenieure: Hochstrasser Glaus Partner AG, Zürich H Kälte-Ingenieure: Waldhauser + Hermann, Münchenstein Sanitäringenieure: Locher Sanitärplanung GmbH, Basel Fachplanung räumliche Koordination: anex Ingenieure AG, Zürich Fachplanung Bauphysik: Kopitsis Bauphysik AG, Wohlen Fachplanung Fassade: Emmer Pfenninger Partner AG, Münchenstein Lichtplanung: TT Licht GmbH, Zürich 32
Impressum Inhalt: Giuseppe Di Girolamo Baudirektion Kanton Zürich, Hochbauamt Redaktion: Markus Pfanner Baudirektion Kanton Zürich, Kommunikation Fotografie Gebäudeaufnahmen: Roman Weyeneth gmbh, Basel Fotografie Kunst am Bau: David Aebi, Burgdorf Gestaltung, Layout: Kaja Affolter Baudirektion Kanton Zürich, Hochbauamt Prepress / Druck: kdmz Projektnummer Hochbauamt: 20251 Auflage: 400 Exemplare Herausgeberin: © 2022 Baudirektion Kanton Zürich, Hochbauamt
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