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Krank durch Sport: Anorexia athletica
                                                              Friedmann-Bette B
                 Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel - Austrian
               Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2012; 5 (4), 7-10

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Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism
                                               Metabolism
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Anorexia athletica

                        Krank durch Sport: Anorexia athletica
                                                                        B. Friedmann-Bette

 Kurzfassung: Sportler aus Sportarten, in denen          tion. Allerdings ist ein orales Kontrazeptivum als   bone mineral density with an increased risk for
 ein geringes Körpergewicht vorteilhaft für die          einzige Therapie – anders als früher angenom-        stress fractures. The combination of low energy
 Leistungsfähigkeit ist, gehen oft durch Reduktion       men – nicht ausreichend zur Behandlung oder          availability, menstrual disturbances, and low
 der Kalorienzufuhr bei gleichzeitig hohem Ener-         Vermeidung einer Knochendichteminderung.             bone mineral density is referred to as the “fe-
 gieverbrauch ein erhebliches Energiedefizit ein.           Zur Prävention der Anorexia athletica sind die    male athlete triad”. Recently, a potential fourth
 Dabei kommt es häufig zu Essstörungen, für die          Aufklärung der Sportler, Trainer und Betreuer und    component, endothelial dysfunction, has been
 in besonders gefährdeten Sportarten eine Präva-         ein Screening im Rahmen von Sporttauglichkeits-      reported.
 lenz von bis zu 80 % berichtet wird und die sich        untersuchungen, vor allem aber auch strukturelle        The most effective treatment of anorexia
 zur Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa ent-          Maßnahmen durch die Sportfachverbände erfor-         athletica is an increase in energy availability to
 wickeln können. Als Folge des Energiedefizits           derlich (wie zum Beispiel im Skispringen mit Re-     more than 30 kcal/kg–1 lean body mass per day.
 können Konzentrationsänderungen von Stoff-              duktion der Skilänge bei Unterschreiten eines        As a considerable increase in body weight is of-
 wechselhormonen, Störungen der Hypothala-               kritischen Körpergewichts).                          ten difficult to realize in mild forms of anorexia
 mus-Hypophysen-Gonaden-Achse und des Kno-                                                                    athletica, at least close monitoring of the diet is
 chenstoffwechsels mit Abnahme der Knochen-              Schlüsselwörter: Essstörung, Energiedefizit,         required to watch for adequate amounts of cal-
 dichte bis hin zur Osteoporose und einem erhöh-         LH-Pulsatilität, sekundäre Amenorrhö, Knochen-       cium, vitamin D, and protein. Supplements for
 ten Risiko für Stressfrakturen beobachtet wer-          stoffwechsel, Osteoporose                            calcium and vitamin D might be necessary as
 den. Der Symptomkomplex aus Essstörung, se-                                                                  well as estrogen replacement. However, the re-
 kundärer Amenorrhö und verminderter Knochen-                                                                 sults of recent studies indicate that the common
 dichte wird auch als „Female Athlete Triad“ be-                                                              practice to simply place amenorrheic athletes on
 zeichnet, wobei in den vergangenen Jahren als           Abstract: Anorexia Athletica – A Sports-             oral contraceptives does not provide sufficient
 viertes Symptom eine endotheliale Dysfunktion           Associated Medical Condition. Many ath-              protection against bone loss.
 beschrieben wurde.                                      letes competing in sports that emphasize lean-          For prevention of anorexia athletica and its
    Die effektivste Therapie ist das Herstellen ei-      ness or low body weight permanently reduce           harms, educational programs for athletes,
 nes dauerhaften Energiegleichgewichts, wofür            their energy intake while their energy expendi-      coaches, and other athletic staff are recom-
 eine tägliche Energieverfügbarkeit von mindes-          ture remains high. Disordered eating seems to        mended as well as watching out for symptoms
 tens 30 kcal/kg Magergewicht erforderlich ist.          be quite common in these athletes with a preva-      during preparticipation screening and the intro-
 Eine hierdurch bedingte Gewichtszunahme kann            lence of as much as 80 % in some aesthetic           duction of specific regulations (as for example in
 den Sportlern nicht immer vermittelt werden,            sports and cases of anorexia and bulimia ner-        ski jumping where the ski length is reduced
 weshalb durch eine sorgfältig zusammengestell-          vosa have been reported. Low energy availability     when a critically low body weight is reached).
 te Ernährung zumindest auf eine ausreichende            induces changes in the levels of metabolic hor-      J Klin Endokrinol Stoffw 2012; 5 (4): 7–10.
 Zufuhr von Kalzium, Vitamin D und Eiweiß ge-            mones and disturbances of the hypothalamic-pi-
 achtet werden muss. Oftmals ist die zusätzliche         tuitary-gonadal axis that become evident in sec- Key words: eating disorders, low energy avail-
 Verabreichung von Kalzium- und Vitamin-D-Prä-           ondary amenorrhea. There is growing evidence ability, LH pulsatility, secondary amenorrhea,
 paraten angezeigt sowie eine Östrogensubstitu-          that it is also the energy deficit that causes low bone density, osteoporosis

 Einleitung                                                                         Hilfe zu beenden und ihr Körpergewicht wieder zu normali-
                                                                                     sieren. Allerdings kann sich die Anorexia athletica auch zu
Die Anorexia athletica wird vor allem bei Sportarten beobach-                        einer Anorexia nervosa ausweiten und es gibt Berichte von
tet, in denen ein schlanker Körper bzw. ein niedriges Körper-                        Todesfällen bekannter anorektischer Spitzensportler, wie
gewicht von Vorteil ist und sich positiv auf die Leistungsfä-                        z. B. der amerikanischen Weltklasseturnerin Christy Henrich
higkeit auswirken kann, z. B. in ästhetisch-kompositorischen                         1994 oder des deutschen Olympiasiegers im Ruderachter
Sportarten (Kunstturnen, rhythmische Sportgymnastik, Eis-                            Bahne Rabe 2001.
kunstlaufen etc.), beim Skispringen, in Ausdauersportarten
(Langstreckenlauf, Skilanglauf, Radsport etc.) oder in Sport-                        Im Rahmen der Anorexia athletica werden hormonelle Regu-
arten, die in Gewichtsklassen ausgeübt werden (Kampfsport,                           lationsstörungen beobachtet, die sich bei Athletinnen in
Leichtgewichtsrudern). In dem Bestreben, ein niedriges Kör-                          Zyklusstörungen bis hin zu einer sekundären Amenorrhö
pergewicht zu erreichen oder zu halten, reduzieren betroffene                        äußern. Weiterhin kann es zu einer Verminderung der Kno-
Sportler die Nahrungszufuhr, ähnlich wie bei einer Anorexia                          chendichte mit einem erhöhten Risiko für Stressfrakturen
nervosa, teilweise extrem und können weitere Essstörungen                            kommen. Die Symptomkonstellation aus Anorexie (Essstö-
entwickeln. Im Unterschied zur Anorexia nervosa sind die                             rung), sekundärer Amenorrhö und Osteoporose wird auch als
Sportler in der Lage, das Hungern selbst und ohne fremde                             „Female Athlete Triad“ bezeichnet. 1992 befasste sich ein
                                                                                     Expertengremium des American College of Sports Medicine
                                                                                     (ACSM) erstmals mit diesem Symptomkomplex, der mit zu-
Eingelangt am 25. Mai 2012; angenommen am 11. Juli 2012; Pre-Publishing              nehmender Teilnahme von Frauen am Wettkampfsport seit
Online am 29. August 2012
                                                                                     Beginn der 1970er-Jahre in den Fokus der Sportmediziner
Aus der Inneren Medizin VII: Sportmedizin, Medizinische Universitätsklinik Heidel-   gerückt war [1]. Seither wurden zahlreiche wissenschaftliche
berg, Deutschland
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Birgit Friedmann-Bette, Innere Medizin VII:
                                                                                     Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt, unver-
Sportmedizin, Medizinische Universitätsklinik Heidelberg, D-69120 Heidelberg, Im     gleichlich viel mehr als zur Anorexia athletica bei Männern,
Neuenheimer Feld 710; E-Mail: Birgit.FriedmannBette@med.uni-heidelberg.de            und der „Position Stand“ des ACSM wurde zuletzt 2007 aktu-

                                                                                                                    J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2012; 5 (4)            7
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Anorexia athletica

alisiert [2]. Seit einiger Zeit wird ein viertes mögliches Symp-       nicht durch Training induzierter Stress für die Störung der
tom im Rahmen der „Female Athlete Triad“ diskutiert: die               Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse verantwortlich
endotheliale Dysfunktion.                                              ist [8, 9]. Die durch das Energiedefizit ausgelösten Mechanis-
                                                                       men, die die Störung der pulsatilen Sekretion des
 Essstörungen                                                         Gonadotropin-Releasing Hormons (GnRH) vermitteln, sind
                                                                       noch weitgehend ungeklärt [6]. In Abhängigkeit von der Aus-
Die Bedeutung der Ernährung für die Erbringung sportlicher             prägung des Energiedefizits und einer interindividuellen Vari-
Höchstleistungen ist allgemein bekannt, weshalb Sportler               abilität kann es zu Lutealphasendefekten, anovulatorischen
sich oft bewusster ernähren als Nichtsportler. So zeigte sich          Zyklen und Oligomenorrhö als Übergangsstadien zwischen
auch in einer an den deutschen Eliteschulen des Sports durch-          Eumenorrhö und Amenorrhö kommen [10].
geführten Untersuchung bei Sportlern gegenüber Nichtsport-
lern generell kein größeres Risiko für die Entwicklung einer           Zu den hormonellen Veränderungen bei Männern mit An-
schweren Essstörung – im Gegenteil: Sport wurde als präven-            orexia athletica gibt es kaum wissenschaftliche Untersuchun-
tiver Faktor identifiziert [3]. Mit Beginn einer Reduktionsdiät        gen. Es finden sich aber Hinweise auf eine bei Ausdauer-
steigt die Gefahr für die Entwicklung von Essstörungen je-             sportlern mit hohem Trainingsumfang gestörte LH-Pulsati-
doch erheblich. Diese Gefahr wird durch eine vom Umfeld                lität [11] sowie bei hohem Trainingsumfang erniedrigte
(Trainer, Eltern, Sportfunktionäre, Presse) bestärkte Unzu-            Testosteronspiegel [12], ohne dass in den genannten Studien
friedenheit mit dem Körpergewicht gravierend erhöht. Im                eine Aussage über die Energieverfügbarkeit gemacht wurde.
weiteren Verlauf wird dann häufig neben Hungern und Fasten
ein bulimisches Verhalten oder auch der Gebrauch von Appe-              Osteoporose
titzüglern und Laxantien beobachtet sowie eine Aktivitäts-
bzw. Trainingssteigerung mit dem Ziel eines zusätzlichen               Bei prämenopausalen Frauen, Kindern und Jugendlichen soll-
Kalorienverbrauchs [2, 4, 5].                                          te nach einer Empfehlung der International Society for Cli-
                                                                       nical Densitometry (ISCD), abweichend von den WHO-Kri-
Gehen die Sportler dauerhaft ein deutliches Energiedefizit ein         terien zur Diagnostizierung einer Osteoporose, die Knochen-
(Kalorienzufuhr minus Kalorienverbrauch bei Grundumsatz,               dichte bezogen auf die durchschnittliche Knochendichte von
Tagesaktivitäten und Training), kann es zu Störungen der hor-          Populationen gleichen Alters und Geschlechts (als Z-Scores)
monellen Regulation mit Ausbildung einer sekundären Ame-               ausgedrückt werden. Eine erniedrigte Knochendichte wird
norrhö und zur Entwicklung einer Osteopenie/Osteoporose                nach diesen Empfehlungen bei Z-Scores < –2,0 gesehen und
kommen [4].                                                            bei zusätzlichen Risikofaktoren für einen Verlust an Kno-
                                                                       chenmasse (z. B. chronische Unterernährung, Essstörungen,
 Hormonelle Regulationsstörung                                        Hypogonadismus, frühere Stressfrakturen etc.) eine Osteopo-
                                                                       rose diagnostiziert [13]. Da Sportler in nicht vom Körperge-
Infolge eines persistierenden Energiedefizits können komplexe          wicht entlasteten Sportarten (wie z. B. Radfahren oder
hormonelle Veränderungen auftreten mit erniedrigten Blutkon-           Schwimmen) üblicherweise eine 5–15 % höhere Knochen-
zentrationen der Stoffwechselhormone Trijodthyronin (T3), In-          dichte als Nichtsportler haben, empfiehlt das ACSM bei ei-
sulin, Leptin, Ghrelin, „Insulin-like Growth Factor-1“ (IGF-1)         nem Z-Score von –1 bis –2 die Diagnose einer verminderten
und erhöhten Konzentrationen von Kortisol und Wachstums-               Knochendichte, vor allem bei Vorliegen der genannten Ri-
hormon („growth hormone“ [GH]). Gleichzeitig ist die pulsa-            sikofaktoren, und ab einem Z-Score < –2 generell die Diagno-
tile Ausschüttung des Luteinisierungshormons (LH) gestört mit          se einer Osteoporose [2].
einer Abnahme der Fläche unter der Kurve der LH-Sekretions-
impulse über 24 Stunden und einer Abnahme der Konzentratio-            Es gibt einige Hinweise darauf, dass ein chronisches Energie-
nen des follikelstimulierenden Hormons (FSH), von Östradiol            defizit die Ursache für eine verminderte Knochendichte im
und Progesteron [6, 7] (Tab. 1).                                       Rahmen der Anorexia athletica ist. So wurden beispielsweise
                                                                       mit zunehmendem Energiedefizit fallende [14, 15] und bei
Mittlerweile kann als gesichert angesehen werden, dass das             Sportlerinnen mit sekundärer Amenorrhö erniedrigte Marker
Energiedefizit bzw. eine reduzierte Energieverfügbarkeit und           des Knochenaufbaus wie z. B. Osteocalcin, „Procollagen

    Tabelle 1: Typische Hormonveränderungen bei Energiedefizit im Rahmen einer Anorexia athletica bzw. „Female Athlete
    Triad“.
                              Metabolische Hormone                                                  Reproduktionshormone

    Insulin                                ↓                          LH-Pulsatilität                           ↓
    Kortisol                               ↑                          Mittlere LH-Konzentration                 ↓
    GH                                     ↑                          FSH                                       ↓
    IGF-1                                  ↓                          Östradiol                                 ↓
    Leptin                                 ↓                          Progesteron                               ↓
    Ghrelin                                ↑
    GH: Growth Hormone (Wachstumshormon); IGF-1: Insulin-like Growth Factor-1; LH: Luteinisierungshormon; FSH: follikelstimulierendes
    Hormon

8        J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2012; 5 (4)
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Anorexia athletica

Type-1 Carboxyl-terminal Propeptide“ (PICP) oder „Procol-        Verminderte Knochendichte/Osteoporose
lagen Type-1 Nitrogen-terminal Propeptide“ (PINP) beobach-       Eine bei amenorrhoischen Sportlerinnen im Vergleich zu
tet, während die Ergebnisse für Knochenresorptionsmarker         eumenorrhoischen Sportlerinnen verminderte Knochendichte
uneinheitlich und z. T. widersprüchlich sind [16].               ist ein seit > 25 Jahren in mehreren wissenschaftlichen Unter-
                                                                 suchungen gut belegter Befund [2]. In einem viel zitierten
Generell muss bedacht werden, dass im Training nicht belas-      Reviewartikel wurde bei amenorrhoischen Sportlerinnen die
tete Knochenabschnitte eine deutlich verminderte Knochen-        Prävalenz für eine verminderte Knochendichte (T-Score –1
dichte aufweisen können, während die Z-Scores der mecha-         bis –2,5) mit 22–50 % und für eine Osteoporose (T-Score
nisch belasteten Abschnitte (noch) im Normbereich liegen         ≤ 2,5) mit 0–13 % beziffert gegenüber 12 % bzw. 2,3 % in der
[16, 17]. Bei Männern wurde bei einigen wenigen Untersu-         Normalbevölkerung und 39–56 % bzw. 6–21 % bei Patientin-
chungen von Läufern und Radfahrern ein zum Teil mit stei-        nen mit Anorexia nervosa [28]. Offenbar gibt es bisher kaum
gendem Umfang des Ausdauertrainings zunehmender Kno-             Studien, in denen die vom ACSM empfohlenen Z-Score-Kri-
chenumsatz bzw. eine fallende Knochendichte beobachtet,          terien [2] zur Diagnose einer verminderten Knochendichte
ohne dass ein klarer Zusammenhang mit erniedrigten Testos-       bzw. Osteoporose angewendet wurden. In einer Untersuchung
teronspiegeln aufgezeigt werden konnte oder eine generelle       mit Tänzerinnen wiesen 23 % der Sportlerinnen in einer oder
Therapieempfehlung abgeleitet wurde [15, 18].                    mehreren Lokalisationen einen Z-Score von < –1 (verminder-
                                                                 te Knochendichte) auf, eine Osteoporose (Z-Score < –2) wur-
 Endotheliale Dysfunktion                                       de nicht diagnostiziert [20].

In einigen Untersuchungen wurde eine reduzierte fluss-           „Female Athlete Triad“
vermittelte Dilatation der Brachialarterie bei amenorrhoi-       In Studien mit Sportlerinnen aus verschiedenen Sportarten
schen Sportlerinnen als Hinweis auf eine endotheliale Dys-       wurde eine relativ geringe Prävalenz von lediglich 1–4 % für
funktion beschrieben, mit einer Verminderung der fluss-          das Vollbild der „Female Athlete Triad“ beschrieben [2, 25,
vermittelten Dilatation auf Werte um ca. 1 % gegenüber im        26]. In der bereits erwähnten Untersuchung der Tänzerinnen
Mittel 5,5–7,5 % bei eumenorrhoischen Sportlerinnen und          allerdings wiesen 3 von 22 Sportlerinnen (14 %) gleichzeitig
Kontrollpersonen [19–21]. Bisher ist die klinische Bedeutung     Essstörungen, eine sekundäre Amenorrhö und eine vermin-
dieser Ergebnisse noch unklar.                                   derte Knochendichte auf [20].

 Prävalenz                                                      Endotheliale Dysfunktion
                                                                 Über die Prävalenz der endothelialen Dysfunktion gibt es
Die Angaben zur Prävalenz der Anorexia athletica sind in der     bisher fast keine Daten. Bei 14 von 22 Tänzerinnen (64 %)
wissenschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich aufgrund       wurde eine flussvermittelte Dilatation der Brachialarterie von
stark variierender Kriterien für die Definition von Essstörun-   < 5 % festgestellt [20].
gen (bzw. Energiedefizit), Amenorrhö (bzw. Zyklusstörun-
gen) und verminderter Knochendichte (bzw. Osteoporose             Therapie
oder Stressfrakturen).
                                                                 Das vorrangige Ziel ist die Beendigung des Energiedefizits mit
Essstörungen                                                     Erhöhung der Energieverfügbarkeit (Energiezufuhr minus Ver-
In 3 kontrollierten Studien mit mehreren hundert Probanden       brauch) auf mindestens 30 kcal/kg Magergewicht pro Tag [2].
wurde übereinstimmend über eine höhere Prävalenz von Ess-        Einhergehend mit der Zunahme der Energieverfügbarkeit nor-
störungen in gefährdeten Sportarten berichtet mit bis zu 42 %    malisiert sich der Menstruationszyklus und die Knochendichte
in ästhetisch-kompositorischen Sportarten gegenüber 4,6–         kann um bis zu 20 % pro Jahr zunehmen, in manchen Fällen
17,5 % bei Kontrollpersonen [3, 22, 23]. In kleineren Studien    aber nicht mehr normalisiert werden [16]. Ein Energiegleich-
wurden sogar Werte bis zu 80 % bei Tänzerinnen gefunden [2,      gewicht kann meist nur unter Einsatz eines multidisziplinären
20]. Generell ist die Prävalenz der Essstörungen bei Sportler-   Betreuerteams mit adäquater medizinischer sowie psychologi-
innen höher als bei Sportlern [3, 23]. Im Skispringen, einer     scher bzw. psychosomatischer Behandlung und regelmäßiger
Sportart, in denen auch einige Fälle von Anorexia nervosa auf-   Ernährungsberatung verwirklicht werden [2, 29]. Da eine deut-
traten, wurde bei 23 % der Teilnehmer an den Olympischen         liche Gewichtszunahme mit der Fortführung der sportlichen
Winterspielen 2002 in Salt Lake City ein BMI ≤ 18,5 kg/m2        Karriere oft nicht vereinbar ist, sollte – in weniger schweren
(7 % < 18 kg/m2, 2 % < 17,5 kg/m2) festgestellt [24, 25].        Fällen – zumindest die Ernährung optimiert und auf ausrei-
                                                                 chende Zufuhr von Kalzium (1000–1500 mg/Tag), Vitamin D
Amenorrhö                                                        (400–800 IU/Tag) und Eiweiß (je nach Trainingsbelastung täg-
Die höhere Prävalenz der Amenorrhö bei Ausdauerathletin-         lich 1,2–1,6 g/kg Körpergewicht) geachtet werden. Dazu kann
nen und Sportlerinnen in ästhetisch-kompositorischen Sport-      die Gabe von Kalzium- und Vitamin-D-Präparaten erforderlich
arten mit Werten bis zu 70 % gegenüber 2–5 % in der Normal-      werden [2, 16]. Die in der Therapie der postmenopausalen
bevölkerung und ein höheres Menarchenalter in diesen Sport-      Osteoporose zur Anwendung kommenden Bisphosphonate
arten sind gut belegt [2, 26]. Die Zahl für andere Zyklusstö-    sind wegen möglicher Nebenwirkungen im Falle einer
rungen dürfte noch größer sein. So wurde in einer Studie mit     Schwangerschaft bei jungen Sportlerinnen keine Option [16].
eumenorrhoischen Läuferinnen über eine Inzidenz von 79 %         Da die verminderte Knochendichte im Rahmen einer Anorexia
für Anovulation oder Lutealphasendefekt im Verlauf von 3         athletica in erster Linie durch ein chronisches Energiedefizit
Menstruationszyklen berichtet [27].                              und nicht allein durch den Östrogenmangel infolge der sekun-

                                                                                          J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2012; 5 (4)   9
Homepage: www.kup.at/klinendokrinologie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche
Anorexia athletica

dären Amenorrhö verursacht ist, haben die häufig zur Therapie       Interessenkonflikt
der „Female Athlete Triad“ eingesetzten oralen Kontrazeptiva
nicht die lange Zeit vermuteten positiven Effekte auf den          Die Autorin verneint einen Interessenkonflikt.
Knochenstoffwechsel und eine Erhöhung der Knochendichte
blieb in mehreren Studien aus [16, 29, 30]. Dennoch wird der       Literatur:                                          17. Pollock N, Grogan C, Perry M, et al.
                                                                   1. Yeager KK, Agostini R, Nattiv A, et al. The      Bone-mineral density and other features of
Einsatz der oralen Kontrazeptiva weiterhin empfohlen [29],         female athlete triad: disordered eating, amen-      the female athlete triad in elite endurance
nicht zuletzt zur Behandlung der endothelialen Dysfunktion,        orrhea, osteoporosis. Med Sci Sports Exerc          runners: a longitudinal and cross-sectional
                                                                   1993; 25: 775–7.                                    observational study. Int J Sport Nutr Exerc
bei der auch hoch dosierte Folsäuregaben eine Rolle spielen                                                            Metab 2010; 20: 418–26.
                                                                   2. Nattiv A, Loucks AB, Manore MM, et al.
können [21].                                                       American College of Sports Medicine posi-           18. Hetland ML, Haarbo J, Christiansen C.
                                                                   tion stand. The female athlete triad. Med           Low bone mass and high bone turnover in
                                                                   Sci Sports Exerc 2007; 39: 1867–82.                 male long distance runners. J Clin Endocri-
                                                                                                                       nol Metab 1993; 77: 770–5.
 Prävention                                                       3. Rosendahl J, Bormann B, Aschenbrenner
                                                                   K, et al. Dieting and disordered eating in Ger-     19. Rickenlund A, Eriksson MJ, Schenck-
                                                                   man high school athletes and non-athletes.          Gustafsson K, et al. Amenorrhea in female
Die wichtigste Maßnahme zur Prävention der Anorexia ath-           Scand J Med Sci Sports 2009; 19: 731–9.             athletes is associated with endothelial dys-
                                                                                                                       function and unfavorable lipid profile. J Clin
letica ist die Reduktion des auf die Sportler ausgeübten Drucks,   4. Sundgot-Borgen J, Torstveit MK. Aspects
                                                                                                                       Endocrinol Metab 2005; 90: 1354–9.
                                                                   of disordered eating continuum in elite high-
ein möglichst geringes Körpergewicht zu erreichen bzw. zu          intensity sports. Scand J Med Sci Sports            20. Hoch AZ, Papanek P, Szabo A, et al. As-
halten. Hierfür ist eine Aufklärung aller beteiligten Akteure      2010; 20 (Suppl 2): 112–21.                         sociation between the female athlete triad
                                                                                                                       and endothelial dysfunction in dancers. Clin
(Trainer, Eltern, Sportfunktionäre, Sportmediziner) erforder-      5. Baum A. Eating disorders in the male ath-        J Sport Med 2011; 21: 119–25.
                                                                   lete. Sports Med 2006; 36: 1–6.
lich, zu der Veröffentlichungen wie die offizielle Stellungnah-                                                        21. Zach KN, Smith Machin AL, Hoch AZ.
                                                                   6. Ackerman KE, Slusarz K, Guereca G, et al.        Advances in management of the female ath-
me des ACSM (seit 1992 2× aktualisiert) [2]), der National         Higher ghrelin and lower leptin secretion are       lete triad and eating disorders. Clin Sports
                                                                   associated with lower LH secretion in young         Med 2011; 30: 551–73.
Athletic Trainers’ Association (NATA) [31] oder des Bundes-        amenorrheic athletes compared with eumen-
                                                                                                                       22. Byrne S, McLean N. Elite athletes: ef-
instituts für Sportwissenschaft (BISp) [32] beitragen. Im Leis-    orrheic athletes and controls. Am J Physiol
                                                                                                                       fects of the pressure to be thin. J Sci Med
                                                                   Endocrinol Metab 2012; 302: E800–E806.
tungssport sind aber auch Trainer, Betreuer und Mediziner häu-     7. Laughlin GA, Yen SS. Nutritional and endo-
                                                                                                                       Sport 2002; 5: 80–94.
                                                                                                                       23. Sundgot-Borgen J, Torstveit MK. Preva-
fig einem hohen Druck ausgesetzt, weshalb strukturelle Maß-        crine-metabolic aberrations in amenorrheic
                                                                                                                       lence of eating disorders in elite athletes is
                                                                   athletes. J Clin Endocrinol Metab 1996; 81:
nahmen der Fachverbände am ehesten Erfolg versprechen.             4301–9.
                                                                                                                       higher than in the general population. Clin J
                                                                                                                       Sport Med 2004; 14: 25–32.
                                                                   8. Loucks AB, Thuma JR. Luteinizing hormone         24. Müller W, Groschl W, Muller R, et al. Un-
Als das Problem der Anorexia athletica im Skispringen immer        pulsatility is disrupted at a threshold of energy   derweight in ski jumping: The solution of the
                                                                   availability in regularly menstruating women.       problem. Int J Sports Med 2006; 27: 926–34.
bedeutender wurde, beschloss der internationale Skiverband         J Clin Endocrinol Metab 2003; 88: 297–311.
                                                                                                                       25. Müller W. Determinants of ski-jump per-
(Fédération Internationale de Ski [FIS]) 2004 im Rahmen ei-        9. Loucks AB, Verdun M, Heath EM. Low en-           formance and implications for health, safety
                                                                   ergy availability, not stress of exercise, alters   and fairness. Sports Med 2009; 39: 85–106.
nes Kongresses, dass die Skilänge, die sich maßgeblich auf         LH pulsatility in exercising women. J Appl
                                                                                                                       26. Mendelsohn FA, Warren MP. Anorexia,
die erzielte Weite auswirkt und normalerweise maximal 146          Physiol 1998; 84: 37–46.
                                                                                                                       bulimia, and the female athlete triad: evalu-
                                                                   10. De Souza MJ. Menstrual disturbances in
% der Körpergröße eines Sportlers betragen darf, bei einem         athletes: a focus on luteal phase defects.
                                                                                                                       ation and management. Endocrinol Metab
                                                                                                                       Clin North Am 2010; 39: 155–67.
BMI < 20 kg/m2 pro 0,5 kg/m2 um jeweils 2 % reduziert wer-         Med Sci Sports Exerc 2003; 35: 1553–63.             27. De Souza MJ, Miller BE, Loucks AB, et al.
den muss. Da die Springer in Sprunganzug und mit Schuhen           11. MacConnie SE, Barkan A, Lampman RM,             High frequency of luteal phase deficiency and
                                                                   et al. Decreased hypothalamic gonadotropin-         anovulation in recreational women runners:
gewogen werden, liegt die Grenze bei einem tatsächlichen           releasing hormone secretion in male mara-           blunted elevation in follicle-stimulating hor-
BMI von 18,5 kg/m2 und die eingeführte Bestimmung wird             thon runners. N Engl J Med 1986; 315: 411–7.        mone observed during luteal-follicular transi-
                                                                   12. MacKelvie KJ, Taunton JE, McKay HA,             tion. J Clin Endocrinol Metab 1998; 83: 4220–32.
vielfach als nicht ausreichend und lediglich als ein Schritt in    et al. Bone mineral density and serum testo-        28. Khan KM, Liu-Ambrose T, Sran MM, et
die richtige Richtung angesehen [25]. Immerhin konnte durch        sterone in chronically trained, high mileage        al. New criteria for female athlete triad syn-
                                                                   40–55 year old male runners. Br J Sports            drome? As osteoporosis is rare, should
diese Maßnahme der Anteil der Weltklasseskispringer mit ei-        Med 2000; 34: 273–8.                                osteopenia be among the criteria for defin-
nem BMI von ≤ 18,5 kg/m2 von 22,8 % bei den Olympischen            13. Leslie WD, Adler RA, El Hajj FG, et al.         ing the female athlete triad syndrome? Br J
                                                                   Application of the 1994 WHO classification          Sports Med 2002; 36: 10–3.
Winterspielen in Salt Lake City 2002 auf 8,7 % im Winter           to populations other than postmenopausal            29. Joy E. Is the pill the answer for patients
2004/2005 reduziert werden [24].                                   Caucasian women: the 2005 ISCD Official             with the female athlete triad? Curr Sports
                                                                   Positions. J Clin Densitom 2006; 9: 22–30.          Med Rep 2012; 11: 54–5.
                                                                   14. Ihle R, Loucks AB. Dose-response rela-          30. Fenichel RM, Warren MP. Anorexia, bu-
      Relevanz für die Praxis                                     tionships between energy availability and
                                                                   bone turnover in young exercising women.
                                                                                                                       limia, and the athletic triad: evaluation and
                                                                                                                       management. Curr Osteoporos Rep 2007; 5:
 Die Anorexia athletica wird in Sportarten, in denen ein ge-       J Bone Miner Res 2004; 19: 1231–40.                 160–4.
                                                                   15. Zanker CL, Cooke CB. Energy balance,            31. Bonci CM, Bonci LJ, Granger LR, et al.
 ringes Körpergewicht leistungsfördernd ist, häufig sowohl         bone turnover, and skeletal health in physi-        National athletic trainers’ association posi-
 bei Leistungssportlern als auch bei ambitionierten Freizeit-      cally active individuals. Med Sci Sports            tion statement: preventing, detecting, and
                                                                   Exerc 2004; 36: 1372–81.                            managing disordered eating in athletes. J
 sportlern beobachtet. Hierbei können bedeutende Gesund-           16. Ducher G, Turner AI, Kukuljan S, et al.         Athl Train 2008; 43: 80–108.
 heitsbeeinträchtigungen auftreten, wie Essstörungen bis hin       Obstacles in the optimization of bone health        32. Clasing D, Damm F, Marx K, et al. Die
 zur Anorexia oder Bulimia nervosa, hormonelle Regula-             outcomes in the female athlete triad. Sports        eßgestörte Athletin. Sportverlag Strauß,
                                                                   Med 2011; 41: 587–607.                              Köln, 1996.
 tionsstörungen, die sich unter anderem in einer sekundären
 Amenorrhö äußern, und eine Abnahme der Knochendichte
 bis hin zur Osteoporose mit Auftreten von Stressfrakturen.          Prof. Dr. med. Birgit Friedmann-Bette
 Deshalb sollte bei sportmedizinischen Untersuchungen bzw.           1979–1986 Medizinstudium in Frankfurt und
 bei Tauglichkeitsuntersuchungen für Wettkampfteilnahmen,            Homburg. 1988 Promotion an der Universität
 Sportstudium etc. das Körpergewicht kritisch überprüft und          des Saarlandes. 2005 Habilitation an der
                                                                     Medizinischen Fakultät Heidelberg. 2012
 gezielt nach Gewichtsschwankungen, Diäten, dem Zyklus-              außerplanmäßige Professur an der Medizi-
 verhalten (auch vor Einnahme eines oralen Kontrazepti-              nischen Fakultät Heidelberg. Seit 1992 Ober-
 vums) und Stressfrakturen gefragt und gegebenenfalls prä-           ärztin in der Abteilung Innere Medizin VII:
 ventive, diagnostische und therapeutische Maßnahmen ein-            Sportmedizin der Medizinischen Universi-
 geleitet werden.                                                    tätsklinik Heidelberg.

10   J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2012; 5 (4)
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