ICH EIN LGBTIQ+ MAGAZIN ZUM - LAG Kunst und Medien
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Corona. Damit fängt 2020 alles an. Und das Jahr endet auch damit. Kein gutes Jahr für Kultur und Soziales. Diese Pan- demie bedeutet Ungewissheit, Anspan- nung, emotionalen Stress und viel Ent- behrung. Alles was das normale Leben taktet wie Arbeit, Sport, Kultur ist weggebrochen und nun sitzen in NRW verstreut Ju- gendliche, die sich nicht kennen und ge- ben sich ihrer Gedankenwelt hin - bilden eine Redaktion und machen dieses Ma- gazin. INSIDE OUT beschäftigt sich da- mit was Jugendliche beschäftigt während und wegen des Lockdowns. In welcher Lebensphase stecken die Redaktionsmit- glieder? Diese und andere kleine Späh- ren gilt es nun vorzustellen. Jörg Meier, Visual Artist und Teil der Sel- fiegrafen, bildet den Teil dieser Redak- tion und bringt zusammen was (nicht) zusammen gehört. LAG Kunst & Medien NRW e.V. ha- ben Lust auf ein Experiment, das mit LGBTIQ+ online zu realisieren war. Wir danken: All the Same, Minden // GAP, Bonn / Sunrise, Dortmund // Mosaik, Bielefeld // Track, Münster Wir sind: Alina, Thies, Reggie, Caro, Alex U und Alex G. Dazu kommen Tex- te von Tom und Toni. Ein Projekt der LKJ NRW e.V. & LAG Kunst und Medien NRW e.V. unter der Leitung von Jörg Meier von der Selfiegra- fen und gefördert vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integ- ration des Landes Nordrhein-Westfalen.
der heutigen Gesellschaft oft als „Schwu- Liebe Lesende ! lenflagge“ verstanden und abgetan. Dem Ich bin der Alex und weiß gar nicht so stellen wir uns entschieden entgegen! genau wo ich anfangen soll und ob mein Gerade nach den Geschehnissen diesen Anfang wirklich ein Anfang ist. Wobei Jahres haben wir unser Augenmerk be- das ja gut zum Jahr 2020 passt, ich mei- sonders auf Transidente, Schwarze und ne wann hat das angefangen? Hatte die- andere POCs gelegt. ses Jahr überhaupt ein Anfang. Ich weiß ihr seit dieses Thema mittlerweile leid, Wir haben uns dafür entschieden im aber was wäre ein Magazine, welches zu Magazin die erweiterte Regebogenflag- Corona Zeiten entstand ohne das Wort ge, auch progress flag (engl. Progress = Corona. Ich bin enttäuscht und traurig Fortschritt) genannt, zu verwenden. Die von diesem Jahr. Zwei Lockdowns - ein- Progress Flag wurde 2017 von dem*r gesperrt zu Hause. nicht binären Grafikdesigner*in Daniel Quasar entworfen. Schaut nach vorn und nicht zurück. Der Keil auf der linken Seite enthält Lasst die Vergangenheit vergangen sein. die Farben der Trans*-Flagge (hellblau/ Es werden bessere Zeiten kommen und rosa) und die der marginalisierten Com- wir alle werden auch den zweiten Lock- munities (braun/schwarz). Außerdem down durchstehen. repräsentiert der schwarze Streifen dieje- Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. nigen, die mit AIDS und dem dazugehö- Bleibt Gesund rigen Stigma leben oder daran gestorben Alex G. sind. Transidente, Schwarze, POCs ha- ben sich, unter anderem bei den Stone- wall Riots, für die Rechte aller queeren Personen eingesetzt, ihre Stimmen erho- ben und sind auf die Straße gegangen. Der Keil zeigt mit der Spitze in die Re- genbogenflagge und symbolisiert damit, dass noch einige Hürden vor uns liegen. Denn noch lange können nicht alle quee- ren Personen in vielen Ländern dieser Welt ein freies, selbstbestimmtes Leben führen. * Ihr fragt euch bestimmt wieso hier auf So werden wir alle, im Netz oder (nach dem Umschlag nicht die herkömmliche der Zeit der Pandemie) auf der Straße, Regenbogenflagge abgebildet ist. Die für unsere Rechte als queere Personen uns heute bekannten Regebogenflagge kämpfen und unter einer Flagge stehen! wurde von Gilbert Baker im Jahre 1978 entworfen. Die Regebogenflagge wird in Reggie 3
Who is Caro? Mein Name ist Caro, aber viele Freunde, Leute die sich meinen Namen nicht mer- ken können, und Personen die unglück- lich genug sind sich auf Twitter rumzu- treiben, nennen mich auch Dingensen. Ich wohne in Münster und befinde mich in den (hoffentlich) letzten 2 Semestern meines Bachelors in Geoinformatik. Ich habe gezeichnet seitdem ich 2 Jah- re alt war und in der Kirche das Kon- zept der Langeweile für mich entdeckt habe. Aber mit ernster Disziplin bin ich wohl eher seit 2015 an der Sache. 7
Das Fotoalbum - Eine Geschichte von hatte erwartet, dass meine Eltern nach- Alex U. dem sie mehr als 25 Jahre ein Paar waren und ein volljähriges Kind hatten, auch Mit dem Klacken des Schlosses öff- noch heiraten würden. net sich meine Haustür. Ich schiebe die Meine Socken sind fürchterlich nass vom Tür auf und trete in den unbeleuchte- kurzen Schauer und kleben mir unan- ten Flur. Meine regennassen Schuhe genehm kalt an den Füßen, so dass ich quietschen leise auf dem Laminat als sie ausziehe. Meine nassen Fußsohlen ich zwei Schritte nach vorne mache und schmatzen auf dem Boden, als ich ins nach dem Lichtschalter taste. Mit einem Badezimmer gehe, um sie dort zum Klick springt der Schalter um und erhellt Trocknen über die Heizung zu hängen. die cremefarbenen Wände, zeigt Bilder, Ich drehe mich kurz zum Waschbecken, Zeichnungen und Gemälde von mir und um mir die Hände zu waschen und sehe meinen Freunden. Meine dunkelblaue dabei in den Spiegel. Meine schulterlan- Regenjacke hänge ich an einen Messing- gen Haare hatte ich wegen des Regens haken unter eine Fotografie von mir und zu einem Zopf zusammengefasst, so dass meiner besten Freundin Mai, welches mein Undercut am Hinterkopf zu sehen auf einem gemeinsamen Ausflug ent- war. Die rote Farbe, ist schon wieder et- standen ist. Ich hatte meinen Arm um was verblasst. Diese Farbe bildet einen ihre Schulter gelegt und grinste sie an, Kontrast zu meinen grünen Augen, die während sie in die Kamera lachte. meist hinter meinen dicken Brillenglä- Meine Stiefel stelle ich in das schmale sern verborgen sind. Schuhregal gegenüber, wobei mein Blick In der Küche befülle ich den Wasser- auf ein Foto meiner Eltern fällt. Sie stehen kocher und schalte ihn ein. Aus einem Hand in Hand auf einer von Scheinwer- Hängeschrank nehme ich eine Glaskan- fern beleuchteten Bühne, meine Mutter ne und eine Tasse, so wie ein Teesieb und mit einem Mikrophon. Sie spricht und eine Dose mit losem, grünen Tee. mein Vater schaut sie liebevoll an. Mama Während ich den Tee zubereite, schaue hat ihr rotes, langes Lieblingskleid an ich auf mehrere Fotografien meiner und trägt ihre Silberlocken offen. Papa Freunde die über meiner Küchenbank ist in seinem dunklen Sakko unscheinbar an einem schmalen Magnetband hän- bis auf den schwarzen, hohen Zylinder gen. Nicht nur Mai schaut mich an, auch auf seinem immer haarloser werdenden meine Cousine Zelda, meine beiden bes- Haupt. Das Bild wurde am Hochzeitstag ten männlichen Freunde – Karl und Jo- meiner Eltern gemacht. Nur ich hatte nathan – dazu Revel, Riccarda, Charlie, davon gewusst - und sie hatten es gerade Toni, Abel. Das Wasser kocht und ich Familie, Freunden und Bekannten ver- giesse den Tee auf. Vorsichtig balancie- kündet. Man sieht im Bild nur Hinter- re ich Kanne und Tasse rüber in mein köpfe, die den Beiden zugewandt sind, Schlaf- und Arbeitszimmer. Dieser Raum die verschiedenen Ausdrücke des Publi- ist, jetzt nachdem es wieder aufgeklart ist, kums - Freude, Unglaube und Erstaunen von Licht durchflutet, bescheint die Näh- - sind leider nicht eingefangen. Niemand maschine auf dem Tisch am Fenster, die
übervollen Bücherschränke, das große Ich überfliege die ersten Monate - ich Bett auf dem Plateau mit dem Schreib- sitze, krabble und dann stehe ich. Ein tisch darunter. Ich stelle den Tee am Ar- Foto muss auf dem 35. Geburtstag mei- beitsplatz ab und giesse meine Tasse voll. ner Mutter entstanden sein, es sind viele Dann durchquere ich den Raum, um das Menschen zu sehen, alle völlig vernarrt große Fenster vor Kopf zu öffnen, schal- in das kleine Wesen, dass ich einst war. te meine Musikanlage ein und lege ein Ich war immer ein geselliges Kind ge- wenig Queen auf. „Are you gonna take wesen, unterhielt die Menschen, erst me home tonight? Ah, down beside that mit meiner Anwesenheit, später mit Ge- red firelight“, singt Freddie Mercury. Die schichten. Ich fühle mich in Anwesenheit Klänge durchziehen das Zimmer und von Gruppen wohl, mag es aber auch, vermischen sich mit dem Rascheln und ganz für mich zu sein. Rauschen der sich im seichten Wind be- Wenn immer Langweile aufkam in mei- wegenden Baumkronen, draußen in der ner Kindheit, konnte ich meine sechs spätsommerlichen Nachmittagssonne. Monate jüngere Cousine Zelda besu- Ich lasse meinen Blick schweifen. Fotos chen. Wir waren unzertrennlich, wie Ge- überall, einige Zeichnungen und viele schwister. Als Einzelkind vermisste ich so Bücher. Ich stehe auf und ziehe vier di- nie etwas. Mit großen Augen und Stups- cke Alben aus dem Schrank neben der nasen sehen wir absolut goldig aus, egal Tür hervor, lege sie auf den Tisch. Ich ob wir am Küchentisch essen, im Gar- ziehe meine Tasse zu mir und schlage ten spielen oder am Klavier und Noten- den ersten Band auf. ständer unsere Mütter imitieren. In dem Ich sehe das schwarz-weiß Bild eines Gefühl eine sorgenlose und zufriedene Neugeborenen. Das kleine Wesen gähnt Kindheit geführt zu haben, schlage ich herzhaft, die Augen zugekniffen. Dane- den grünen Einband zu. ben steht: „Jetzt singe ich!“ Grinsend zol- Ich nehme einen Schluck aus meiner le ich meinen Eltern für diesen Spruch Tasse und ziehe den zweiten Band zu Respekt, in weiser Voraussicht, dass ich mir, einen Hellgelben, mit einer Ente da- einmal ein lautes Organ haben würde. rauf. Ich war ein absolutes Wunschkind und Beim Blättern auf den ersten Seiten das spüre ich bis zum heutigen Tag. macht sich ein wohliges Gefühl in mir Die nächsten Seiten zeigen mich mit den breit. Das Gebäude kenne ich gut, denn frisch gebackenen Eltern, Aufnahmen ich habe hier drei Jahre verbracht. Mein die noch im Krankenhaus entstanden Kindergarten. Jeden Morgen raus aus waren. Meine Mutter war eine junge, der Großstadt ins Grüne. Wald, Wiesen, kräftig gebaute Frau mit langen lockigen, Wasser und viel Platz zum Spielen. Ich blonden Haaren, mein Vater hatte tief- durfte so viel Kind sein, wie ich wollte schwarzes Haar und einen Vollbart. Bei- und so saß somit gerne mal im Matsch. de grinsen breit in die Linse. Diese Bil- Hier fand ich meine beste Freundin Mai. der haben eine warme Atmosphäre – ein Vom ersten Tag an mochten wir uns. krasser Gegensatz zu dem kalten Winter, Mai und ich besuchten uns oft, waren in dem ich geboren war. unzertrennlich, schliefen im selben Bett 9
und teilten jedes sonst noch so gehütete was genau da passierte und so nahmen es Geheimnis. Wir waren, als es dem Ende alle als etwas Schlimmes wahr. Wir wa- der Kindergartenzeit zuging, zuerst trau- ren nie dicke Freunde, aber wir fuhren rig, dass wir auf verschiedene Schulen einmal gemeinsam zu einem Ponyhof – mussten, blieben dann aber beste Freun- lebten unsere Pferdeleidenschaft aus. Die dinnen. Unzertrennlich und unaussteh- Bilder zeigen den Jungen hier befreit und lich. Auch das gelbe Album lege ich zur glücklich. Seite und ziehe das Dritte zu mir. Zu der Zeit begann es auch, dass ich Ich schlage den grünen Band auf und immer mehr von Gleichaltrigen, ohne schaue auf den Rohbau meines Kinder- mir bekannten Grund, ausgeschlossen zimmers. Mein Zimmer hat nach Jahren wurde. Vielleicht lag es an meiner Vor- der Benutzung irgendwann dringend liebe für klassische Musik oder daran, Renovierung benötigt. So wurden meine dass ich überall Bücher mitschleppte Wände in einem Sonnengelb gestrichen, oder auf menschlicher Ebene gut mit mein niedriges Hochbett umgebaut, so Lehrern auskam? Nur Karl hielt zu mir, dass jetzt ein höhenverstellbarer Schreib- auch wenn es für ihn schwierig war, weil tisch, darunter Platz hatte. er sich mit einem Mädchen gut verstand. Ich hatte mich auf die Schule gefreut, So trafen wir uns oft außerhalb der aber ich hatte damals wie heute einen Schule und bauten mit Lego und spielten Dickkopf und einen starken Sinn für Piraten oder Ritter. Er und ich sahen bei Gerechtigkeit, was mich nicht selten in Verkleidungsaktionen zum Fürchten aus, Schwierigkeiten brachte. stelle ich jetzt amüsiert fest. Ich war mit einem Jungen befreundet, Schulfotografen-Bilder der fünften und der immer aus der Gruppe herausstach, sechsten Klasse, sind auf den folgenden wegen seines Intellekts und seines Aus- Seite eingeklebt. Die sind für mich im- sehens. Auf einem Foto sieht man den mer wieder erstaunlich. Ich fühlte mich niedlichen Karl - braune Locken, ein nie wie ein Teenager, sah aber körperlich unwiderstehliches Lächeln und schlaksig. aus wie einer. Es störte mich nie, für älter Ich wünschte mir damals eine romanti- gehalten zu werden, ich entwickelte früh sche Zukunft mit ihm. Dieser Wunsch ein Gespür für mich und meinen Körper. hatte sich über die Jahre aufgelöst, das Ich sah mich als unbeweglich und stark vertraute Verhältnis blieb. übergewichtig und fing an meine ‚Weib- Mein Gerechtigkeitssinn brachte mich lichkeit‘ zu verteufeln. Ich verdanke den auch dazu Mico, einem Mitschüler, bei- unendlichen Weiten des Internets, dass zustehen. Er musste Hänseleien über sich das Ganze nicht besser wurde. Überall ergehen lassen, wurde als Freak gesehen. gab es unzufriedene junge Menschen, so Er stand auf Pferde, die Farbe Rosa und war ich wenigstens nicht alleine. andere Dinge, die eher Mädchen interes- Ich bin eigentlich immer fotogen ge- sierten. Sein Vater machte eine Entwick- wesen, jetzt versteckte ich mich immer lung vom Mann zur Frau durch. Es war mehr. Ich kleidete mich so, dass man eine prekäre Situation, denn niemand meine wachsende Oberweite nicht sah, der Lehrer war in der Lage zu erklären, lief gebeugt, und ließ mir die Haare kurz
schneiden. Es macht mich traurig mich Heute schaue ich auf diese Zeit zurück so zu sehen, weshalb ich das grüne Buch und denke „Ich bin eine queere Frau, die schließe. Erst mal noch eine Tasse Tee! ihrer maskulinen und femininen Seiten Platz einräumt. Manchmal der einen, Ich öffne das letzte, graue Buch mit et- manchmal der Anderen mehr.“ Es be- was Zurückhaltung. Auf der ersten Seite drückt mich dennoch in mein einstiges sehe ich mich mit meinem veränderten unglückliches Gesicht zu schauen. Noch Selbst konfrontiert. Der Ausdruck die- einige Seiten sind voll mit ähnlichen Bil- sem Gesicht sagt „Ich lächle doch, siehst dern, die Haare mal bunt, mal nicht, du es nicht? Ich bin doch fröhlich...“ dann ein glücklicher Moment und dann Mir ist klar, dass jeder dies Phase durch- leide ich offensichtlich wieder. macht, - Selbstakzeptanz, Persönlich- keitsentwicklung, etc., aber das machte Etwa zu der Zeit verliebte ich mich in es ja nicht leichter diese Zeit durchzu- Mai, die zu einem sehr attraktiven Mäd- stehen. Ich wusste schon früh, dass ich chen geworden war. Sie hatte lange blon- nicht heterosexuell war, aber was mich de Haare und große blaue Augen. Ich wie ein Schlag traf, war, dass ich nicht beichtete es ihr, nach langem Überlegen einmal wusste, ob ich eine Frau sein und mehrmaligen Ausheulen bei meiner wollte oder war. Mutter. Meine Gefühle stießen nicht auf Erwiderung, aber unsere Freundschaft Ich schaue auf ein Foto, was zu der Zeit überlebte es. Nach Mai verguckte ich entstand, als ich mir sicher war ‚im fal- mich in Riccarda – kein Interesse – dann schen Körper‘ geboren worden zu sein. in Charlie – ich hatte es ihr nie erzählt. Einige Zeit später bezeichnete ich mich Auf den nächsten Seiten kleben Bilder als ‚etwas‘ zwischen Mann und Frau, von Freunden, die ich auf einem queeren wollte mir aber immer noch meine Brüs- Jugendportal im Internet kennengelernt te entfernen lassen. Wenn ich mich in hatte. Ein verrückter Haufen diverser der Zeit fotografieren ließ, sieht man, Menschen. Unter anderem ein junger dass ich einem jungen Mann eher ent- Mann, den ich schnell zu meinem ‚Brü- spreche, als einer Frau. Ich liebte Navy- derchen‘ ernannte. Revel war eine Seele Hosen, hatte tolle Hoodies und trug von Mensch, er litt stark unter Akne und auch Anzug. Männer lehnte ich als mög- war immer totunglücklich bei der Wahl liche Partner generell ab, verhielt mich seiner Partner. Wir standen uns immer nahezu androphob. Ich strahlte eine mit Rat und Tat zur Seite. Später hatte Arroganz aus, die sagt „Ihr seid meiner ich etwas aus derselben Jugendgruppe nicht würdig. Euch vertraue ich nicht!“ mit einem Mädchen. Im beiderseitigen Zum Glück hielt sich dieses Gefühl nicht Einverständnis basierte unsere Verbin- lange und ich konnte wieder rational dung allerdings nur auf sexueller Ebene. auf die Situation schauen. Männer sind Zur selben Zeit hatte meine erster ‚anders gestrickt‘ aber das muss einem ja Freund eine psychische Störung durch keine Angst machen, man kann es auch harten Drogenmissbrauch. Ich musste spannend finden. für mich die Reißleine ziehen, um mich 11
zu schützen. Es tat mir weh, aber der ein- abgewiesen und fand heraus, dass Toni zige Weg war, es den Kontakt vollständig sich in Jonathan verguckt hatte, der aber, abzubrechen. Ein einziges Foto blieb mir nichts für Toni übrig hatte. An unserer von ihm. Er ist abgemagert, vernarbt Freundschaft änderte es nichts. Wir drei und blass. feindeten uns wegen dieser gescheiterte Gegen Schulende kam noch Jonathan Story regelmäßig spaßhaft an – es war hinzu, ein beliebter Junge mit starkem das Einzige was davon zurück blieb. Selbstbewusstsein, den Mittelpunkt ge- Ich verließ die Schule. Fotografien eines nießend, dabei aber sehr klug und be- pompösen Abschlussballs, junge Frauen lesen. Er war für mich das ‚Hörrohr‘ in extravaganten Kleidern und die Her- zu anderen Mitschülern und so wusste, ren in feinem Anzug und dann sie da- ich was es für Gerüchte über mich gab. zwischen, eine junge Frau, in Anzughose „Armee-Mädchen“ wurde ich genannt, und passenden Schuhen, einer edlen rot- wegen meiner Navy-Hosen. Ich wurde schwarzen Weste mit passender Fliege als „transgender“ und „Kampflesbe“ und weißem Hemd. Ich versteckte mich bezeichnet oder es entstand das Ge- nicht mehr – im Gegenteil, ich fühlte rücht, dass Jonathan und ich ein Paar mich wohl in meiner Haut. seien, sogar befeuert von einem Lehrer. Nach der Schule schmissen Toni und ich Jonathan war immer charmant und im uns gleich in die Ausbildung zum Ret- vollem Flirt-Modus. Seine Art und sein tungssanitäter – wir wollten ja beide Me- Aussehen, nicht zuletzt seine fluffigen, dizin studieren, aber jetzt schon mal et- wilden Haaren, machten ihn zu jeman- was brauchbares in der Hand zu haben, den, auf den die Frauen flogen. Er tat mit dem sich Geld verdienen ließ. Aus mir unglaublich gut, fing mich auf nach diesen Monaten gibt es nur wenig Bilder, Beendigung der Beziehung mit meinem denn ich habe viel Zeit im Unterricht, in psychisch kranken Freund. Kliniken und auf Rettungswachen ver- Auch spät zur Schulzeit lernte ich die bracht. Toni hat zu Jura gewechselt und introvertierte, etwas unscheinbare, bü- ich habe nach der Ausbildung noch das chervernarrte Toni als konträres Kaliber dreimonatige Pflicht-Pflegepraktikum kennen. Wir redeten stundenlang über für das Studium drangehangen. Wäh- Romane, Filme, Serien, und Katzen. rend ich mich also abschuftete, vergrub Sie war davon überzeugt als alte, ein- sie ihren Kopf in Paragraphen. Ein Ge- samen Katzenlady zu sterben. Ich hatte burtstagsfoto von mir in meinem Klinik- mich in dieses Mädchen mit einer sehr praktikum mit anderen Praktikanten und ansteckenden Lache, verliebt. Sie hat FSJ-lern. strahlende hellblaue Augen, drückt sich Dann gibt es noch ein neues Kapitel: er toll aus und kann unglaublich kalligra- hat blaue Augen, blonde Haare und ein phieren. In dem Moment, wo ich auf Bart um die Mundpartie, ein schiefge- ihr Bild sehe, wird mir ganz warm ums zahntes Lächeln auf den Lippen. Dies ist Herz. Damals war es blöd gelaufen. Jo- mein Freund, ein Pfleger von der Station, nathan hatte mir Mut zugesprochen, auf der ich mein Pflegepraktikum absol- mich zu offenbaren. Ich tat es, wurde viert habe. Wir haben uns nicht gesucht,
aber gefunden. Bilder von ihm mit einer Katze auf dem Arm, wie er in seinem schicken Auto sitzt, entspannt im Gras liegt. Er hatte mich darin bestätigt, dass ich meine feminine Seite mögen durfte und es völlig in Ordnung war, dass ich ihn liebte – Dinge deren Akzeptanz mir vorher schwer gefallen waren. Er ist ein gutes Stück älter als ich. Ich wachse noch Who is Alex U? in das Erwachsenen-Leben hinein, wäh- rend er sich schon lange darin zurecht Ich bin Alex, komme aus Dortmund findet. und mir sind Pronomen egal, werde Als ich kurz nach Beendigung meines aber inzwischen meistens mit sie ange- Praktikums in den Job gehe, fühlt sich al- sprochen. Ich bin queer und ordne mich les richtig an. In meiner signal-rot-oran- nicht eindeutig einer Sexualität zu. Ich genen Wäsche und schweren Stiefeln fühle mich am besten durch die Regen- fühle ich mich pudelwohl. bogenflagge repräsentiert. Ich bin Rettungssanitäter und liebe mei- Jetzt, wenige Semester später, sitze ich nen Beruf, hoffe aber trotzdem irgend- da, im Studium, dass ich mir gewünscht wann als Arzt arbeiten zu dürfen. hatte. Ich bin mit mir und meiner Situ- Wie ihr sicher schon gesehen habt, ation zufrieden. Auf dem letzten einge- schreibe ich sehr gerne. Aber auch ande- klebten Foto blicke mir ein breit grinsen- re Richtungen der Kunst sagen mir zu, der Student entgegen, ein beschriftetes ich zeichne, mache Musik und genieße T-Shirt und immer noch die gleichen es Theater, beziehungsweise Opern zu verbeulten Navy-Hose am Leib, aber ich sehen oder in einer Produktion mitzu- verstecke mich nicht mehr vor mir selbst. wirken. Ich habe Freunde um mich, eine liebe- volle Familie und es gibt jemanden der mich so liebte wie ich bin. Der Druck sich in Schubladen zu quetschen, in die man nicht gehört, ist nicht mehr gegen- wärtig. Ich kann selbst bestimmen wer ich bin und sein will. Das Leben ist nicht linear und sich zu verändern ein wichti- ger Teil davon. Das Schellen der Türklingel erschreckt mich. Ich schlage das Album zu und ste- he auf. Jetzt darf ich meinen Freund in die Arme schließen. 13
Ich weiß nicht wer ich bin. Eine Personenbeschreibung von Alex G. Ich weiß nicht, ob ich wirklich der sein will, der ich bin oder für den ich mich ausgebe. Ich frage mich jeden Morgen ob ich der bin, den ich im Spiegel sehe. Ich weiß mein Geburtstag, meinen Wohn- ort und mein Lieblingsessen und vieles weitere, aber ich weiß nicht wie und wer ich wirklich bin. Seelisch oder körperlich weiß ich einfach nicht wer ich bin. Ich befinde mich in einem Gefühlsloch. Ich habe verschiedene Seiten und das ist ja eigentlich normal, aber ich habe mich so lange unter Masken versteckt, dass ich nicht sagen kann, welche davon jetzt Maske ist und welche nicht. Ich bin auf der Suche nach meiner einen, meiner echten Persönlichkeit. Ich bin der, der auf bessere Zeiten wartet, der den Prob- lemen aus dem Weg geht, nur um Stress zu vermeiden. Halt mich fest, um den Halt nicht zu verlieren. Versuche diese Probleme aus der Welt zu schaffen. Bin ein guter Mann im Herzen, doch gibt es Zeiten in denen ich mich selbst hasse, wenn ich mich selbst verlier in diesen kalt nassen Wintertagen.
Regenbogen Acrylpouring von Reggie 15
HOW 2 OUT? weniger begeistert und hinterfragte das Von Alex G. ganze tage- und wochenlang. Selbst heu- te stellt sie mir noch die Frage, ob es nur Wenn du an dein erstes Coming-Out eine Phase ist, die ich auslebe. Mein Va- von dir denkst, worüber hast du dir Ge- ter meinte nur „Ich wollte eh zwei Jungs danken gemacht ? als Kinder.“ Erst einmal habe ich mir die Frage ge- Was hat dir gut getan in der Zeit ? stellt, ob das eine Phase ist oder ob ich mich wirklich anders identifiziere. Ich Ich habe mir eine Beratungsstelle in mei- habe meine Orientierung am Anfang ner Nähe gesucht und habe dort ziem- nicht ausgelebt und mich oft gefragt, ob lich gute Unterstützung und Ratschläge ich mich überhaupt bei meiner Familie bekommen. In der Beratungsstelle waren und Freunden outen muss oder ob ich viele queere aber auch nicht queere Mit- es weiter für mich behalten kann. Ein arbeiter. Ich hatte mit einem Schwulen weiterer stark ausgeprägter Gedanke am und einer transexuellen Frau gespro- Anfang meiner Identifizierung war die chen. Sie gaben mir Tipps zum Outing Frage, wie meine Zukunft dann aussehen und waren während meines Outings für wird, bezüglich Arbeit, Kinder kriegen mich da und begleiteten mich durch die und heiraten. Ich habe mich selbst für Zeit. In der Schule hat mir meine Sozial- „nicht normal“ gehalten und versucht arbeiterin sehr geholfen. Sie hat mich meine Gefühle zu verdrängen. Das Ver- unterstützt und ist mit mir die Möglich- drängen hat mich psychisch ziemlich ka- keiten eines Outings durchgegangen. Ich putt gemacht und ich war sehr unglück- habe mir einen Jugendtreff in meiner lich mit meinem Leben. Nähe gesucht, damit ich Freunde finde, Ich hatte mich dann für das Coming-Out die vom Lebensstil genauso oder ähnlich entschieden und überlegt, bei wem ich sind wie ich. Ich wollte damit nicht allei- mich zuerst oute und wann der richtige ne sein und Freunde finden, die genauso Zeitpunkt für ein Outing ist. Die Frage denken und fühlen. In den Jugendtreff wie ich mich oute war für mich nicht so zu gehen war für mich eine lange und präsent, aber trotzdem habe ich mir dar- schwere Überlegung, da ich nicht so der über Gedanken gemacht. Mensch bin, welcher schnell neue Kon- takte knüpft. Es machte aber schnell bei Ich hatte starke Angst, dass Familie oder mir Klick, dass es eine gute Idee sei. Ich Freunde mich ablehnen oder sogar den hoffte auf gute Freundschaft mit gleichen Kontakt zu mir abbrechen. Gefühlen und Austauschmöglichkeiten. Der Druck den ich mir selber machte Was willst du anderen sagen, die das war viel schlimmer, als der Druck von Thema Coming-Out beschäftigt ? außen. Meine beste Freundin reagierte mit „Oh cool, so einen Freund wollte ich Es ist sicherlich nicht ganz einfach eine schon immer haben.“ Meine Mutter war Orientierung auszuleben, geschweige
denn sie jemanden mitzuteilen. Das Er- hen. Generell empfehle ich dir dich erst lebnis, als dir plötzlich klar wurde auf bei einem sehr guten Freund zu outen was du stehst oder was du bist, war für und dann bei allen anderen. Die Reak- dich sicherlich auch nicht einfach. Ge- tion der Eltern und Freunde kann ganz nerell ist dies nicht einfach, glaube ich. unterschiedlich ausfallen. Einige sind äu- Und das perfekte Umfeld dafür wird es ßerst verständnisvoll, andere können es wohl nicht geben. Man weiß nie, was nicht fassen, sind schockiert oder werden andere darüber denken oder sich dabei sogar aggressiv. Wenn Eltern oder Freun- fühlen. Vielleicht hast du Angst durch de negativ reagieren sollten, dann gib die Erziehung deiner Eltern, der Mei- Ihnen erst einmal Zeit zum Nachden- nung deines Umfeldes oder der bisher ken. Gerade, wenn Freunde oder Eltern erlebten Reaktionen deinen Umfeldes es vorher nicht gemerkt haben, dass du dich zu Outen. Vielleicht hast du Angst, eine andere Orientierung hast ist es für dass deine Eltern oder deine Freunde sie nicht einfach. ablehnend reagieren, wenn du ihnen er- zählst auf was du stehst oder was du bist. Diese Gedanken und Gefühle hat jeder Vielleicht verdrängst und verleugnest du am Anfang. Deine Unsicherheit und dei- deine Neigung vor dir selber und denkst: ne Angst ist verständlich und vollkom- ‚Nein, das kann nicht sein. Ich bin nicht men okay. so. Ich will nicht so sein!. Mit der Zeit Wichtig für dein Outing ist, dass du voll wirst du dir eingestehen müssen, dass du und ganz hinter dir stehst, da negative deine Gefühle und Vorlieben hast, egal Reaktion nicht vorhersehbar, geschweige ob du sie willst oder nicht. Sie sind ein- denn, vermeidbar sind. fach da. Überleg dir, wie du dich outest. Für mich war es einfacher mich Schritt Kurz und knapp kann ich dir empfehlen: für Schritt zu outen. Du kannst dich Hör auf deine Gefühle und warte den aber auch vom einen auf den anderen für dich passenden Moment ab dich zu Tag outen. Du solltest einen passenden outen. Mach es in deinem Tempo und Zeitpunkt abwarten. Aber den richtigen lass dich nicht unter Druck setzten. Steh Zeitpunkt wird es nie geben - es gibt pas- zu dir und lass den Kopf nicht hängen. sende und weniger passende Zeitpunkte. Zum Beispiel ist es nicht ratsam, Eltern zu informieren, wenn ein Streit im Gang ist oder wenn sie besonders gestresst sind. Hingegen könnte ein Moment der Ruhe und Entspannung eine gute Zeit sein, um sich zu outen. Wenn du dich schon einem Freund/einer Freundin anver- traut hast, kannst du vielleicht mit ihm/ ihr vorrangig besprechen, wie du vor- gehen könntest. Und sollte es zu einem Streit kommen, kann er/sie dir beiste- 17
DINGSDA Verschiedene Gedanken und Ansichten zu Gender und Geschlecht Alex G. sieht es so: Biologisches Geschlecht: Sexuelle Orientierung, darunter ver- das Geschlecht mit der, der Mensch ge- steht man, zu welchen Geschlecht sich boren ist. jemand mit seinem Fühlen und Begeh- ren sexuell hingezogen fühlt. Zu den Als Cis-Mann/Cis-Frau werden diejeni- sexuellen Grundorientierungen zählen gen bezeichnet, deren Geschlechtsidenti- die Heterosexualität, Homosexualität tät dem Geschlecht entsprechen, welches und Bisexualität sowie für viele Sexual- ihnen bei Geburt aufgrund von opti- wissenschaftler auch die Pansexualität schen Merkmalen zugewiesen wurde. und Asexualität. Genderfluid zu sein bedeutet, dieser Heterosexualität : Heterosexualität be- Mensch hat nicht immer das selbe Ge- deutet, dass sich jemand von Personen schlecht, sondern immer wieder ein an- des anderen Geschlechts angezogen deres. Das Geschlecht kann sich manch- fühlt. Hetero bedeutet wörtlich „der mal ändern oder sehr oft. andere“. Da diese Ausrichtung so häufig ist wird diese als die „normale“ Orien- Genderqueer ist ein Begriff für Men- tierung angesehen. schen, die sich sowohl als Mann als auch als Frau sehen oder weder als Frau noch Homosexualität : Homosexualität be- als Mann sehen. Es gibt keine absolute deutet, dass sich jemand von Personen Abgrenzung zum Begriff. des gleichen Geschlechts angezogen füh- len. Homo bedeutet wörtlich „gleich“. Transgender ist eine Bezeichnung für Im allgemeinen sagt man bei einer Personen die sich nicht oder nicht voll- männlichen Homosexualität „schwul“ ständig dem biologischen Geschlecht an- und bei einer weiblichen „lesbisch“. gehörig fühlen. Bisexualität : Nur etwa 1-2% der Men- schen bezeichnen sich als bisexuell. Bise- xuell steht für das Interesse an Personen beiderlei Geschlechts.
Reggie sieht das so: Pansexualität : Pansexuell bedeutet, Was ist Polysexualität für mich? dass sich jemand emotional zu Men- Für mich bedeutet Polysexualität, dass schen jeden Geschlechts hingezogen ich mich zu mehr als zwei Geschlechts- fühlen kann und sich verlieben kann. identitäten hingezogen fühle und Im Gegensatz zu bisexuellen Menschen liebesromantische Beziehungen vor- können das bei Pansexuellen neben stellen kann, aber nicht zu allen. Mir Männern und Frauen auch Transgen- ist es nicht wichtig, welches Geschlecht der, Intersexuelle sein. jemand hat oder wie sich jemand identi- fiziert. Mir kommt es auf den Charakter Asexualität : Bei einer Asexualität be- und der dazugehörigen Sympathie an. steht kein Verlangen nach sexuellen Interaktionen. Die Asexualität gilt als 4. Form der sexuellen Orientierung. Asexuelle haben kein Interesse an Sex, können aber wie alle anderen Menschen sexuelle Erregung oder das Verlangen nach Masturbation haben. Eine Part- nerschaft und Romantik sind deswegen nicht ausgeschlossen. 19
Die Abtreibungsdebatte – beide Seiten zengraben zwischen zwei Fronten auf, im Blick die keine Einigung sichten. Gegner und Befürworter der Abtreibung differenzie- Von Alina Meier-Böke ren sich in ihren Positionen so stark, da der Kern ihrer Argumentation jeweils ei- 2019 kam der Senat des US-Bundes- ner anderen Frucht zugehört. Es kollidie- staates Alabama zu dem Beschluss, ein ren Werte, Normen und Überzeugungen Verbot der Abtreibung einzuführen und miteinander, die gegensätzlich argumen- somit das härteste Abtreibungsgesetz in tieren. Dogmatismus ist auf beiden Sei- den USA zu verabschieden. Die einzige ten ein wiederaufkehrendes Phänomen. Ausnahme: Nur wenn eine Schwanger- Besonders das ethische Beurteilen mora- schaft zu einer akuten Gefährdung der lischer oder biologischer Ungewissheiten Gesundheit führen könne, so wirkt das und Streitpunkte lässt die Diskrepanzen Gesetz nicht mehr. Vergewaltigungen beider Standpunkte erbeben. Wann und Inzest gehören nicht zu Ausnah- kann ein Menschenleben als solches an- men, die das Gesetz außer Kraft treten gesehen werden? Wann fühlt ein Embryo lassen. Verstoßen tut es aber gegen das Schmerz? Wer trägt das Entscheidungs- im Jahr 1973 verabschiedete Grund- recht über das Kind? Deshalb ist es auch satzurteil des Obersten Gerichtshofes, so schwierig zu einem Konsens in dieser welches Schwangerschaftsabbrüche für Debatte zu kommen. Frauen legalisierte. Alabama, großteilig Gegner der Abtreibung sind oft konser- hochreligiös und konservativ eingestellt, vativer eingestellt gegenüber ihren Be- ließ die Abtreibungsdebatte damit nicht fürwortern und verfolgen eher religiöse nur in der USA, sondern global wieder Absichten. Abtreibung solle kriminali- publik werden. Die Diskussion bezüglich siert werden, da es Mord sei, ethisch be- der Abtreibung ist eine mit Kontroversi- trachtet könne Abtreibung in keinem tät befüllte. Befürworter und Gegner be- Kontext gerechtfertigt werden. Mit ihr finden sich jeweils auf einer Fluss Seite, würde die eigentliche Bedeutsamkeit gespalten durch liberale/konservative des Lebens verletzt und sein hoher Wert Haltungen, religiösen Ansichten, Moral missachtet werden. Für Gegner der Ab- und voralldingen Geschlecht. Ohne eine treibung beginnt ein menschliches Leben Stellung einzunehmen, ist es jedoch re- ab dem Zeitpunkt, wo die Eizelle be- levant sich die notwendigen Fakten und fruchtet wird, und genau ab diesem wird Argumente der Debatte anzusehen, zu es als wertvoll und unantastbar angese- analysieren und in Verbindung zu set- hen, man spricht bereits von einem Indi- zen, um Polemik und Einseitigkeit aus- viduum, dem Schutz zusteht. Meist wird zuschließen. auch von einem religiösen Standpunkt Zuerst: Welche Positionen werden ver- aus argumentiert, dass jede Schwanger- treten und welche Hauptargumente nen- schaft „gottgegeben“ sei bzw. „auf Got- nen sie? tes Wunsch“ ein Leben hervorbringen Wer sich in den Grauzonen der Debatte solle. Ein Schwangerschaftsabbruch sei aufhält, der hält sich trotzdem im Schüt- hiermit vollkommen ausgeschlossen,
egal welche Bedingungen vorliegen. schaftsabbruch tolerierbar wäre, wenn Befürworter der Abtreibung widmen zu einer schmerzlosen Methode gegrif- sich liberaleren Ansichten. Abtreibung fen wird. Umstritten ist auch, ob, wenn solle weiterhin als legale Option be- es sich um eine ungewollte Schwanger- stehen, wenn Frauen einen Schwanger- schaft handelt, die fatale Folgen für die schaftsabbruch in Erwägung ziehen. Schwangere auf physische und auch Bis zu welchem Monat Abtreibungen psychische Hinsicht hätte (beispielsweise legalisiert werden sollten, ist jedoch um- nach einer Vergewaltigung), Abtreibung stritten, Meinungen spalten sich in ra- trotz der Monatsbegrenzung durchführ- dikalliberalen und gemäßigt liberalen bar sein sollte. Positionen. Nach dem radikalliberalen Man erkennt, mögliche Szenarien und Standpunkt wird dem Embryo kein mo- Argumente anzusehen und zu beurteilen ralischer Status oder Wert zugesprochen, ist schwierig, ethisch und medizinisch be- Mütter tragen das absolute Entschei- trachtet bestehen noch viele Lücken, die dungsrecht, Abtreibungen sind uneinge- vieles offen lassen und Fragen dem sub- schränkt durchführbar ohne die Berück- jektiven Urteil ausliefern. Doch objektiv sichtigung der ethischen Frage. Mit der betrachtet, was können wir als faktisch ethischen Problematik (z.B. Definition richtig deklarieren? des Lebens, Schmerzempfinden bei Em- Welche Fakten können helfen und sind bryos) wird sich nicht weiter auseinan- für diese Debatte interessant? dergesetzt, sie spielt hier keine zentrale 2019 wurden in Deutschland laut dem Rolle. Die gemäßigt liberale Position statistischen Bundesamt 100.893 Ab- hingegen greift die ethische Frage noch- treibungen vollzogen. Wirkt erstmal mal auf und geht auf sie intensiver ein. hoch, ist aber tatsächlich im Vergleich Auch hier soll Abtreibung als eine lega- zu den letzten zwanzig Jahren eine Ab- le Option für Schwangere bereitgestellt nahme von rund 30.000, 2017 trieben werden, aber unter bestimmten Bedin- im Durchschnitt etwa 4,5 Frauen von gungen und mit leichten Restrik-tionen. je 1000 ab. 2019 wurden Abtreibungen Im Laufe der Schwangerschaft wird dem jedoch hauptsächlich infolge einer Be- Embryo durch seine wachsende Ent- ratungsregelung unterzogen, der Anteil wicklung ein immer höher werdender liegt bei 96,2 %, während nur 3,8 % Wert zugesprochen, so kann nach der infolge einer medizinischen Indikation gemäßigt liberalen Position ein früher abtrieben. Größtenteils wird in Deutsch- Schwangerschaftsabbruch toleriert und land also aus privaten und nicht aus gerechtfertigt werden, da hier das Selbst- medizinischen Gründen abgetrieben, bestimmungsrecht der Frau Vorrang hat. aber die allgemeinen Werte können in (Schmerz-)empfinden bei einem Emb- anderen Teilen Europas oft noch höher ryo kann beispielsweise erst im zweiten ausfallen. Am konträren Ende haben wir Schwangerschaftsdrittel festgestellt wer- Georgien, das europäische Land mit den den. Trotz dessen stellt sich die ethi- meisten jährlichen Schwangerschafts- sche Frage, ob selbst nach dem zweiten abbrüchen trotz der streng eingestell- Schwangerschaftsdrittel ein Schwanger- ten katholisch-orthodoxen Mentalität. 21
Für 2017 kamen auf 1000 Frauen 23, Tabuthema ist und minimal angeschnit- welche eine Abtreibung vollzogen. Die ten wird, werden auch Kontrazeptiva Quoten für die osteuropäischen Länder für Frauen erschwert bereitgestellt, hohe liegen zwei bis drei Mal so hoch wie in Kosten machen einen Zugang zu ihnen Deutschland und schließen sich Geor- fast unmöglich. In Deutschland wird bei- giens Werten oft knapp an. So steigen in spielsweise die Anti-Baby-Pille bis zum Polen beispielsweise die Zahlen pro Jahr, 22. Lebensjahr bei gesetzlich versicher- obwohl die Gesetze dort als ziemlich res- ten Frauen erstattet, sie kostet etwa 5-22 triktiv gelten. Was führt zu diesen hohen € pro Monat je nach Präparat. In Russ- Werten? land sind aufgrund von zu hohen Kosten Relevant mag nicht ganz sein, inwiefern der Zugang zu hormonellen Kontrazep- Strenge bei den Regelungen für Abtrei- tiva fast verwehrt, die häufigste Art der bung herrscht, sondern eher, inwiefern Verhütung: Abtreibung. 2016 wurden mit Thematiken wie Geschlechtsverkehr in Russland 700.000 Abtreibungen voll- und Kontrazeptiva umgegangen wird zogen gegenüber zwei Millionen Ge- und dieser Umgang durch Sexualerzie- burten und davon meist alle legal. Denn hung und Verhütungsberatung priori- die Restriktionen bei Abtreibung sind siert wird. Diese Priorisierung präventi- in Russland ziemlich gering, tatsächlich ver Methoden variiert von Land zu Land wird für Abtreibung als kostenlose Me- und wirkt sich massiv auf die dortigen thode der Geburtenkontrolle geworben. Abtreibungsraten aus, voralldingen in Russland war eines der ersten Länder Osteuropa. Besonders die Verwendung (damals Sowjetunion), die Abtreibungen mo-derner Kontrazeptiva fällt dort im legalisierte. Grund dafür war die hohe Vergleich zum Westen mühsam aus, in Müttersterblichkeitsrate aufgrund mehr- Polen liegt sie bei 19 % und somit gerin- zähliger Versuche illegaler Abtreibungen ger als in Ländern wie Kambodscha oder und da Aufklärung über jegliche Art von Madagaskar. Der Unterschied zwischen Kontrazeptiva und der Zugang zu diesen Ost- und Westeuropa ist immens, eine nur reduziert auftrat, war Abtreibung ab angemessene Aufklärung über die sexuel- den 50er Jahren die präferierte Methode. le und reproduktive Gesundheit und die Besonders ein niedriger Lebensstandard Verfügbarkeit moderner Kontrazeptiva trägt dazu bei, dass in Russland immer werden in Osteuropa oft vernachlässigt noch jährlich hohe Abtreibungsraten und nur mangelhaft behandelt. Nationa- gelten, da die Erziehung eines Kindes, le Ansichten und Einstellungen gegen- voralldingen als alleinerziehendes El- über der Relevanz dieser Dinge spielt ternteil, oft nicht zu finanzieren ist. eine besonders signifikante Rolle, die den Entwicklungs- und teils Schwellenlän- allgemeinen gesellschaftlichen Umgang der trifft dies am Meisten. Dort, wo die beeinflussen und deren Akzeptanz deter- Werte am höchsten stehen, ist, wo die minieren. Ex-Sowjetische Länder sind restriktivsten Abtreibungsgesetze herr- dabei konservativer und traditioneller schen und Kriminalisierung und strik- geprägt. Während Sexualaufklärung in te Gefängnisstrafen anstatt Aufklärung einem Großteil Osteuropas ein absolutes und Unterstützung als Maßnahme ge-
troffen wird. 32 von je 1000 Frauen Hälfte des 20. Jahrhunderts unser gesell- trieben in Südamerika durchschnittlich schaftliches Bild und medizinisches sowie in den Jahren 2015-19 ab, meist illegal. ethisches Verständnis immens prägt. Nationale Armut, Bildungsmangel und Geschlechterungleichheiten schließen Quellen: an diesen Ergebnissen als Fundament di- Statistiken der Abtreibungsraten in Deutschland und Osteuropa (Georgien): rekt an. Die Chancen einer werdenden 2019 Schwangerschaftsabbrüche und Ursachen Mutter stehen in Südamerika schlecht, www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/ finanzielle Stabilität sowie soziale Sicher- Schwangerschaftsabbrueche/_inhalt.html heit kann hier oft nicht gewährt werden. 2017 Werte in Deutschland und Georgien je 1000 Schwanger- Aufgeklärt werden Frauen sowie Männer schaftsabbrüchen www.faz.net/aktuell/gesellschaft/in-vielen-staaten-osteuropas- über Kontrazeptiva und sicheren Ge- liegt-die-abtreibungsquote-fast-dreimal-hoeher-als-in-deutsch- schlechtsverkehr kaum, stattdessen wird land-16171146.html mit radikaler Rücksichtslosigkeit gegen- Prozentsatz der Verwendung von Kontrazeptiva in Polen, Ost/ über illegal vollzogenen Abtreibungen Westeuropa Differenz: gehandelt. Gesundheitliche Vernach- http://abtreibung.at/wp-content/uploads/2009/04/Pages-from-ab- lässigung besteht während Schwanger- bruch_in_eu-1.pdf Abtreibungsraten in Russland sowie gesetzliche Regelungen: schaft sowie Geburt und lässt es dazu www.deutschlandfunk.de/abtreibungsdebatte-in-russland-das-ist- kommen, dass sich die Werte der Müt- wie-euthanasie.886.de.html?dram:article_id=390780 tersterblichkeit in Entwicklungsländern Abtreibungsraten in Südamerika je 1000 Schwangerschaftsab- in den höheren Bereich verwurzeln. brüchen: Kriminalisierung wirkt nicht präventiv, 2010-14 Höchstwert www.dw.com/de/so-unterschiedlich-sind-abtreibungen-weltweit-ge- Legalisierung jedoch auch nicht immer. regelt/a-46725203 (Erstquelle) Es spielen mehr Faktoren in die Debat- 2015-19 Durchschnittswert (im Artikel überarbeitet) te ein, als man zuerst denken mag und www.thelancet.com/journals/langlo/article/PIIS2214- eine fehlende Berücksichtigung dieser 109X(20)30315-6/fulltext (Ursprungsquelle) wirkt sich dementsprechend auch auf die Abtreibungsraten aus. Ethisch be- trachtet streiten sich noch die Köpfe und stellen Hypothesen über Hypothesen auf, nichtdestotrotz können Fakten, Sta- tistiken und die Regularien andere Län- der exemplarisch dazu beitragen, sich ein umfassendes Bild über die Umstän- de, welche um die Abtreibungsthematik zirkulieren, zu machen. Ob Abtreibung oder nicht, ob Selbstbestimmung oder nicht, die Gesellschaft muss diskutieren und Bedingungen definieren, um mit Rationalität ein Ergebnis für eine be- sonders geschlechterspezifische Proble- matik zu erlangen, welche seit der letzten 23
Who is Alina? Ich bin Alina, komme aus Minden und wie man vielleicht bemerkt, liebe ich das Schreiben. Von poetisch zu sachlich und informativ, so ziemlich alles ist in mei- nem Repertoire vorhanden. In diesem INSIDE OUT widme ich mich aber dem Artikel- und Kommentarschreiben über sehr aktuelle, teils kontroverse The- matiken, die mich bewegen und in die ich mehr Einsicht gewähren möchte. Mir ist es wichtig über soziale, künstlerische und gesellschaftliche Aspekte aufzuklä- ren und bin dankbar, hier im Magazin Platz gefunden zu haben. Derzeit bin ich „nur“ eine Q2erin, 17 Jahre alt, aber träume schon groß, in vielen Sprachen und Perspektiven. Ich
gie beginnt und sich von nichts und nie- manden unterkriegen lässt. Ich bin oft auf Demonstrationen zu sehen, da ich gerne für die Themen einstehe, die mir wichtig sind. Egal ob Black Lives Matter, Tier-/Klimaschutz, Geflüchtetenpolitik oder Gedenkveranstaltungen. Deswe- gen mache ich hier im Magazin mit. Um ein Teil dieser Community zu sein und so leben zu können, wie ich es jetzt tue, habe ich schwere Zeiten durchgemacht und mich von meiner Familie distanziert. Nun möchte ich meine Erfahrungen nut- zen, um denen zu helfen, die Tipps für verschiedene Situationen brauchen Ich möchte ein aktiver Teil der Com- munity sein und denen helfen, die noch nicht wissen, wo sie sich unterm Regen- bogen einordnen sollen. Who is Reggie? Ich bin Regina (aka Reggie), 23 Jah- re alt, komme aus der Nähe von Bonn und arbeite als Heilerziehungspflegerin. In meiner Freizeit treibe ich viel Sport, spiele Fußball (typisch Busenfreundin), fahre Skateboard/BMX, male abstrak- te Bilder, schreibe Gedichte und bin viel unterwegs. Zu erklären wer ich bin, fällt mir leicht. Ich bin eine junge mutig Frau, die jeden Tag mit positiver Ener- 25
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Rubrik Musik mit Alex U. Musik und der in ihr verarbeitete Text, macht Mut. ‚If music be the food of love‘ - Henry Heveningham Musik ist gesund. Singen durchblutet verstärkt die Schleim- If music be the food of love, häute. Demenzerkranke klaren beim Sing on till I am fill’d with joy; Hören bekannter Musik auf. Ein Instru- For then my list’ning soul you move ment zu spielen regt die Hirnaktivität an To pleasures that can never cloy. - Bewegen, hören, planen. Your eyes, your mine, your tongue declare Und ich wünschte es wäre so einfach, wie That you are music ev’rywhere. Marika Rökk einst sang: Pleasures invade both eye and ear, Ich brauche keine Millionen, ich brauch So fierce the transports are, they wound, kein Pfennig zum Glück, ich brauche And all my senses feasted are, weiter nichts als nur Musik, Musik, Mu- Tho’ yet the treat is only sound, sik. Sure I must perish by your charms, Unless you save me in your arms. Musik, Musik, Musik! Was wäre ein Le- ben ohne Musik? Frohsinn, Trauer, Dis- kussion, Revolution. Singen und Musi- zieren ist für mich genau so wichtig wie zu essen oder zu trinken. Wenn ich eine Symphonie höre oder in der Oper bin, Rubrik Musik mit Alex G. ist das wie ein exzellentes Steak oder Schokolade zu essen. Jedoch ist sie mehr Was ist Musik für mich ? als ein Rauschmittel, sondern eher ein überlebenswichtiger Teil meines Alltags. Tja, Musik ist vieles für mich : Entspan- Nichts bringt mich so schnell zur Ruhe nung, Ablenkung, Zeitvertreib, Antrieb, oder lässt mich einen schlechten Tag ver- Stimmungsmacher. Musik kann Emo- gessen, wie Lieder die ich mag. tionen verstärken oder ähnlich wie ein Betäubungsmittel wirken. Beides ist für Musik bewegt. mich sehr wichtig. Ich tanze nicht gerne in der Disco, aber auch ich kann einem treibenden Rhyth- Abgesehen davon gibt es auch Musik die mus nicht widerstehen. Man kann sich im Einklang mit der Seele spielt. Das ver- nicht dagegen wehren, aber möchte man ursacht ein Gefühl der Vertrautheit. Mir das überhaupt? erscheint das Leben in solchen Momen- Sie hat Menschen dabei geholfen sich ten nicht so sinnlos. Ich fühle mich ver- aus Unterdrückung zu befreien und standen. Musik kann vieles bewegen und sich zu trauen ihre Meinung zu äußern. ausdrücken. 29
Ich höre eigentlich bei jeder Gelegenheit Musik. Kopfhörer sind immer in der Tasche. Wenn jemand am Schlagzeug sitzt oder Gitarre spielt. Wenn wirklich Arbeit und Talent dahinter steckt, dann ist das für mich Musik. Musik ist für mich sehr wichtig und die beste Droge, die es gibt. Ich höre keine bestimmten Künstler und bin offen für jedes Genre. Musik muss für mich eine Bedeutung haben. Meine Musiksammlung umfasst eine große Menge an Genres. Musik ist aber auch wunderbar universell. Musik ist eine non-verbale Sprache die jeder verstehen kann. Auch wenn du einen Rubrik Musik mit Reggie fremdsprachigen Text nicht verstehst kann dich Musik emotional berühren. Musik ist ein wichtiger Teil meines Le- bens. Musik hat mich schon immer be- gleitet. In schönen und auch sehr trauri- gen Phasen meines Lebens. Bei mir passt zwischen Taylor Swift, Rammstein und Gorillaz auch System of a Down und CardiB rein. Im Endeffekt geht es mir um die ausgelösten Emotionen, Erinne- rungen an lange Sommernächte am La- gerfeuer mit Freunden, um Wünsche für die Zukunft oder um Themen, die mich betreffen und bewegen. Musik ist mein Ruhepol. Mein Lieblingslied ist momentan „Traum-Remix“ von KazOnDaBeat. Das Lied weckt eine Seite in mir, die sich mit sich selbst und dem näheren Umfeld auseinandersetzt. Durch die Pandemie habe ich meine Erwartungen an mich und andere, Wünsche und Ziele an- gepasst. Dieses Lied holt mich, mit den einschlägigen cloudrap-ähnlichen Beats, immer wieder auf meine entspannte Spur zurück.
haben Firmen und Unternehmer mitt- lerweile gemerkt und hübsch während der Pride-Saison angewandt. Die Ver- marktung von Pride-Produkten ist po- pulärer als nie zuvor und grundsätzlich kann man dem nicht entgegen sprechen. Die Weihnachts- und Osterzeit eignet sich den Werbeagenturen ja auch exem- plarisch als ideale Vorlage für saisonal angelehnte Vermarktung. Bei LGBTQ+ kann es aber drastisch ein Problem wer- den, denn der Kontext ist hier ein ande- rer. Wo setzt man die Grenze bei kom- merziell verfolgten Zielen, die eine für viele Jahrhunderte unterdrückte Min- Homophobie, profitorientiert oder über- derheit betrifft? reagiert? – Unternehmen & Pride Gestern noch Christopher Street Day, Von Alina Meier-Böke heute Chucks, Beutel, Make-Up und noch viel mehr mit Pride-Verzierungen, Pride Month, 2020. Obwohl Veranstal- die online schnell zu finden sind. 2018 tungen der LGBTQ+ Community auf- brachte H & M seine erste Pride Kollek- grund von Covid-19 abgesagt wurden, tion „Love For All“ raus. Mit „Equality“ ist der Regenbogen überall in der Öf- und „Pride“ Aufdrucken, viel Buntem fentlichkeit auffindbar. Wo? Auf Säu- und Glit-zer warb die Marke für ihre lentapezierungen, Plakatierungen und neue Aktion. 10 % der Einnahmen sol- Online-Ads. Mit Toleranz und Regen- len an einen guten Zweck gehen und der bogenfarben lässt sich gut werben, das LGBTQ+ unterstützenden Organisati- on UN Free & Equal gespendet werden. Die Kollektion zog negative sowie positi- ve Aufmerksamkeit auf sich, mit Unter- stützern, die den Zweck als eine hilfrei- che und sinnvoll hinterlassene Botschaft betrachteten und Gegnern, welche dem Profit dahinter auflauerten. H & M wur- de als Unternehmen beschuldigt, ledig- lich sein Image nach einer Reihe von be- denklichen Vorfällen zu verbessern, um sich nun als tolerant und weltoffen zu präsentieren. Ein weiteres Beispiel: Die Deutsche 31
Bahn. Aufgrund der Absagen der Pri- de-Zelebrierungen 2020, die durch Co- vid-19 nicht stattfinden konnten, starte- te die Deutsche Bahn die „Pride Ride“ Kampagne, die Sympathie und Unter- stützung für die LGBTQ+ Bewegung ausdrücken sollte. Die Aktion war sehr groß, bundesweit vertreten und ein Vi- deo gab’s dazu. Sie hat viel Lob abbe- kommen, wurde gepriesen für seine vor- bildliche Funktion eines Unternehmen, das ein Konzept richtig umzusetzen weiß. Doch dann war da das Video. „Ge- Damit zieht die Deutsche Bahn einen starken Kontrast zu Unternehmen, die nur zur bunten Hochsaison aktiv wer- den, wenn es Kohle gibt, und nach dem Sommer in den Winterschlaf überge- hen. Meistens scheint die Kommerzia- lisierung der Pride-Saison ein spontane, aber ef-fektive und ausgefallene Strategie zu sein, um den eigenen Ruf zu bessern. Das läuft dann auch schnell schief, so- bald widersprüchliches entdeckt wird und dazu führt, dass sich stetiges Miss- trauen gegenüber Unternehmen entwi- prägt durch Stereotypen“ war der Vor- wurf auf der Plattform Twitter, es wurde der Community nicht gerecht und plötz- lich stand die Bahn, zuvor gelobt, im Bühnenlicht der Kritik. Dabei hat sich die Deutsche Bahn bereits durch meh- rere verwirklichte Projekte und ergriffe- nen Initiativen einen Namen gemacht als LGBTQ+ unterstützendes Unter- nehmen. So gehörte die Bahn zu einem der Unterzeichner des Aufrufes im April, das Blutspendeverbot in Deutschland für bi-/homosexuelle Männer aufzuheben.
ckelt, im LGBTQ+ Kontext sowie einem und den historischen Kontext zu schaf- anderen, weil sie in ihren permanenten fen. Die Glaubwürdigkeit vieler neu auf- „Aktionen“ und „Kampagnen“ verdäch- kommenden Projekten wird öfters und tige Lücken aufweisen. Wenn ein Unter- kritischer hinterfragt und sehr genau nehmen eine Pride Kollektion entwirft unter die Lupe genommen. Die einen und stolz verkauft, die aber größtenteils lieben es, die anderen hassen es. Ob das in Entwicklungsländern hergestellt wird, Verhältnis zwischen Unternehmen und in denen LGBTQ+ Menschen gesell- Pride überhaupt etwas zustande bringt, schaftlich nicht akzeptiert werden und ist fraglich. Hilfe und Unterstützung ihre Sexualität strafbar ist, macht das ei- kommt in vielen Farben und Stimmen nen stutzig. Wenn sich ein Unternehmen zum Ausdruck, aber ob Regenbogen auf in der Öffentlichkeit positiv zu der Chucks während der Sommerzeit das LGBTQ+ Bewegung ausspricht, bei Richtige sind, ist Ansichtssache. dem aber später aufgedeckt wird, dass es an homophobe Politiker spendet, macht einen das nicht nur stutzig, sondern auch wütend. Die Erfahrungen, die bereits gemacht wurden, führen zu einem vorsichtigen Herantasten der Community sowie ei- nem schwierigen, sensiblen Vertrauens- verhältnis zwischen Unternehmen und LGBTQ+. Schließlich wird hier ver- sucht, sich mit einer schwerwiegenden gesellschaftlichen Thematik in Form von Konsumprodukten auseinanderzuset- zen, was wohl nicht die ideale Methode ist, um Aufmerksamkeit auf das Problem Fakt ist, dass die Reaktionen nicht un- bedingt positiv ausfallen, wenn bemerkt wird, dass Sexualität ein Mittel für den erfolgreichen Kommerz wird. Repräsen- tation ist eine Sache, Vermarktung eine andere. Und das war wohl nicht das ver- folgte Anliegen bei den Stonewall Riots. 33
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