ICH EIN LGBTIQ+ MAGAZIN ZUM - LAG Kunst und Medien

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ICH EIN LGBTIQ+ MAGAZIN ZUM - LAG Kunst und Medien
EIN LGBTIQ+ MAGAZIN ZUM

         ICH
SCHÖNSTEN THEMA DER WELT

INSIDE OUT
ICH EIN LGBTIQ+ MAGAZIN ZUM - LAG Kunst und Medien
Corona. Damit fängt 2020 alles an. Und
das Jahr endet auch damit. Kein gutes
Jahr für Kultur und Soziales. Diese Pan-
demie bedeutet Ungewissheit, Anspan-
nung, emotionalen Stress und viel Ent-
behrung.
Alles was das normale Leben taktet wie
Arbeit, Sport, Kultur ist weggebrochen
und nun sitzen in NRW verstreut Ju-
gendliche, die sich nicht kennen und ge-
ben sich ihrer Gedankenwelt hin - bilden
eine Redaktion und machen dieses Ma-
gazin. INSIDE OUT beschäftigt sich da-
mit was Jugendliche beschäftigt während
und wegen des Lockdowns. In welcher
Lebensphase stecken die Redaktionsmit-
glieder? Diese und andere kleine Späh-
ren gilt es nun vorzustellen.

Jörg Meier, Visual Artist und Teil der Sel-
fiegrafen, bildet den Teil dieser Redak-
tion und bringt zusammen was (nicht)
zusammen gehört.
LAG Kunst & Medien NRW e.V. ha-
ben Lust auf ein Experiment, das mit
LGBTIQ+ online zu realisieren war.

Wir danken: All the Same, Minden //
GAP, Bonn / Sunrise, Dortmund //
Mosaik, Bielefeld // Track, Münster

Wir sind: Alina, Thies, Reggie, Caro,
Alex U und Alex G. Dazu kommen Tex-
te von Tom und Toni.

Ein Projekt der LKJ NRW e.V. & LAG
Kunst und Medien NRW e.V. unter der
Leitung von Jörg Meier von der Selfiegra-
fen und gefördert vom Ministerium für
Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integ-
ration des Landes Nordrhein-Westfalen.
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der heutigen Gesellschaft oft als „Schwu-
Liebe Lesende !                            lenflagge“ verstanden und abgetan. Dem
Ich bin der Alex und weiß gar nicht so     stellen wir uns entschieden entgegen!
genau wo ich anfangen soll und ob mein     Gerade nach den Geschehnissen diesen
Anfang wirklich ein Anfang ist. Wobei      Jahres haben wir unser Augenmerk be-
das ja gut zum Jahr 2020 passt, ich mei-   sonders auf Transidente, Schwarze und
ne wann hat das angefangen? Hatte die-     andere POCs gelegt.
ses Jahr überhaupt ein Anfang. Ich weiß
ihr seit dieses Thema mittlerweile leid,   Wir haben uns dafür entschieden im
aber was wäre ein Magazine, welches zu     Magazin die erweiterte Regebogenflag-
Corona Zeiten entstand ohne das Wort       ge, auch progress flag (engl. Progress =
Corona. Ich bin enttäuscht und traurig     Fortschritt) genannt, zu verwenden. Die
von diesem Jahr. Zwei Lockdowns - ein-     Progress Flag wurde 2017 von dem*r
gesperrt zu Hause.                         nicht binären Grafikdesigner*in Daniel
                                           Quasar entworfen.
Schaut nach vorn und nicht zurück.         Der Keil auf der linken Seite enthält
Lasst die Vergangenheit vergangen sein.    die Farben der Trans*-Flagge (hellblau/
Es werden bessere Zeiten kommen und        rosa) und die der marginalisierten Com-
wir alle werden auch den zweiten Lock-     munities (braun/schwarz). Außerdem
down durchstehen.                          repräsentiert der schwarze Streifen dieje-
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.     nigen, die mit AIDS und dem dazugehö-
Bleibt Gesund                              rigen Stigma leben oder daran gestorben
Alex G.                                    sind. Transidente, Schwarze, POCs ha-
                                           ben sich, unter anderem bei den Stone-
                                           wall Riots, für die Rechte aller queeren
                                           Personen eingesetzt, ihre Stimmen erho-
                                           ben und sind auf die Straße gegangen.

                                           Der Keil zeigt mit der Spitze in die Re-
                                           genbogenflagge und symbolisiert damit,
                                           dass noch einige Hürden vor uns liegen.
                                           Denn noch lange können nicht alle quee-
                                           ren Personen in vielen Ländern dieser
                                           Welt ein freies, selbstbestimmtes Leben
                                           führen.
*
Ihr fragt euch bestimmt wieso hier auf     So werden wir alle, im Netz oder (nach
dem Umschlag nicht die herkömmliche        der Zeit der Pandemie) auf der Straße,
Regenbogenflagge abgebildet ist. Die       für unsere Rechte als queere Personen
uns heute bekannten Regebogenflagge        kämpfen und unter einer Flagge stehen!
wurde von Gilbert Baker im Jahre 1978
entworfen. Die Regebogenflagge wird in     Reggie

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Who is Caro?

Mein Name ist Caro, aber viele Freunde,
Leute die sich meinen Namen nicht mer-
ken können, und Personen die unglück-
lich genug sind sich auf Twitter rumzu-
treiben, nennen mich auch Dingensen.
Ich wohne in Münster und befinde mich
in den (hoffentlich) letzten 2 Semestern
meines Bachelors in Geoinformatik.
Ich habe gezeichnet seitdem ich 2 Jah-
re alt war und in der Kirche das Kon-
zept der Langeweile für mich entdeckt
habe. Aber mit ernster Disziplin bin
ich wohl eher seit 2015 an der Sache.
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Das Fotoalbum - Eine Geschichte von            hatte erwartet, dass meine Eltern nach-
Alex U.                                        dem sie mehr als 25 Jahre ein Paar waren
                                               und ein volljähriges Kind hatten, auch
Mit dem Klacken des Schlosses öff-             noch heiraten würden.
net sich meine Haustür. Ich schiebe die        Meine Socken sind fürchterlich nass vom
Tür auf und trete in den unbeleuchte-          kurzen Schauer und kleben mir unan-
ten Flur. Meine regennassen Schuhe             genehm kalt an den Füßen, so dass ich
quietschen leise auf dem Laminat als           sie ausziehe. Meine nassen Fußsohlen
ich zwei Schritte nach vorne mache und         schmatzen auf dem Boden, als ich ins
nach dem Lichtschalter taste. Mit einem        Badezimmer gehe, um sie dort zum
Klick springt der Schalter um und erhellt      Trocknen über die Heizung zu hängen.
die cremefarbenen Wände, zeigt Bilder,         Ich drehe mich kurz zum Waschbecken,
Zeichnungen und Gemälde von mir und            um mir die Hände zu waschen und sehe
meinen Freunden. Meine dunkelblaue             dabei in den Spiegel. Meine schulterlan-
Regenjacke hänge ich an einen Messing-         gen Haare hatte ich wegen des Regens
haken unter eine Fotografie von mir und        zu einem Zopf zusammengefasst, so dass
meiner besten Freundin Mai, welches            mein Undercut am Hinterkopf zu sehen
auf einem gemeinsamen Ausflug ent-             war. Die rote Farbe, ist schon wieder et-
standen ist. Ich hatte meinen Arm um           was verblasst. Diese Farbe bildet einen
ihre Schulter gelegt und grinste sie an,       Kontrast zu meinen grünen Augen, die
während sie in die Kamera lachte.              meist hinter meinen dicken Brillenglä-
Meine Stiefel stelle ich in das schmale        sern verborgen sind.
Schuhregal gegenüber, wobei mein Blick         In der Küche befülle ich den Wasser-
auf ein Foto meiner Eltern fällt. Sie stehen   kocher und schalte ihn ein. Aus einem
Hand in Hand auf einer von Scheinwer-          Hängeschrank nehme ich eine Glaskan-
fern beleuchteten Bühne, meine Mutter          ne und eine Tasse, so wie ein Teesieb und
mit einem Mikrophon. Sie spricht und           eine Dose mit losem, grünen Tee.
mein Vater schaut sie liebevoll an. Mama       Während ich den Tee zubereite, schaue
hat ihr rotes, langes Lieblingskleid an        ich auf mehrere Fotografien meiner
und trägt ihre Silberlocken offen. Papa        Freunde die über meiner Küchenbank
ist in seinem dunklen Sakko unscheinbar        an einem schmalen Magnetband hän-
bis auf den schwarzen, hohen Zylinder          gen. Nicht nur Mai schaut mich an, auch
auf seinem immer haarloser werdenden           meine Cousine Zelda, meine beiden bes-
Haupt. Das Bild wurde am Hochzeitstag          ten männlichen Freunde – Karl und Jo-
meiner Eltern gemacht. Nur ich hatte           nathan – dazu Revel, Riccarda, Charlie,
davon gewusst - und sie hatten es gerade       Toni, Abel. Das Wasser kocht und ich
Familie, Freunden und Bekannten ver-           giesse den Tee auf. Vorsichtig balancie-
kündet. Man sieht im Bild nur Hinter-          re ich Kanne und Tasse rüber in mein
köpfe, die den Beiden zugewandt sind,          Schlaf- und Arbeitszimmer. Dieser Raum
die verschiedenen Ausdrücke des Publi-         ist, jetzt nachdem es wieder aufgeklart ist,
kums - Freude, Unglaube und Erstaunen          von Licht durchflutet, bescheint die Näh-
- sind leider nicht eingefangen. Niemand       maschine auf dem Tisch am Fenster, die
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übervollen Bücherschränke, das große          Ich überfliege die ersten Monate - ich
Bett auf dem Plateau mit dem Schreib-         sitze, krabble und dann stehe ich. Ein
tisch darunter. Ich stelle den Tee am Ar-     Foto muss auf dem 35. Geburtstag mei-
beitsplatz ab und giesse meine Tasse voll.    ner Mutter entstanden sein, es sind viele
Dann durchquere ich den Raum, um das          Menschen zu sehen, alle völlig vernarrt
große Fenster vor Kopf zu öffnen, schal-      in das kleine Wesen, dass ich einst war.
te meine Musikanlage ein und lege ein         Ich war immer ein geselliges Kind ge-
wenig Queen auf. „Are you gonna take          wesen, unterhielt die Menschen, erst
me home tonight? Ah, down beside that         mit meiner Anwesenheit, später mit Ge-
red firelight“, singt Freddie Mercury. Die    schichten. Ich fühle mich in Anwesenheit
Klänge durchziehen das Zimmer und             von Gruppen wohl, mag es aber auch,
vermischen sich mit dem Rascheln und          ganz für mich zu sein.
Rauschen der sich im seichten Wind be-        Wenn immer Langweile aufkam in mei-
wegenden Baumkronen, draußen in der           ner Kindheit, konnte ich meine sechs
spätsommerlichen Nachmittagssonne.            Monate jüngere Cousine Zelda besu-
Ich lasse meinen Blick schweifen. Fotos       chen. Wir waren unzertrennlich, wie Ge-
überall, einige Zeichnungen und viele         schwister. Als Einzelkind vermisste ich so
Bücher. Ich stehe auf und ziehe vier di-      nie etwas. Mit großen Augen und Stups-
cke Alben aus dem Schrank neben der           nasen sehen wir absolut goldig aus, egal
Tür hervor, lege sie auf den Tisch. Ich       ob wir am Küchentisch essen, im Gar-
ziehe meine Tasse zu mir und schlage          ten spielen oder am Klavier und Noten-
den ersten Band auf.                          ständer unsere Mütter imitieren. In dem
Ich sehe das schwarz-weiß Bild eines          Gefühl eine sorgenlose und zufriedene
Neugeborenen. Das kleine Wesen gähnt          Kindheit geführt zu haben, schlage ich
herzhaft, die Augen zugekniffen. Dane-        den grünen Einband zu.
ben steht: „Jetzt singe ich!“ Grinsend zol-   Ich nehme einen Schluck aus meiner
le ich meinen Eltern für diesen Spruch        Tasse und ziehe den zweiten Band zu
Respekt, in weiser Voraussicht, dass ich      mir, einen Hellgelben, mit einer Ente da-
einmal ein lautes Organ haben würde.          rauf.
Ich war ein absolutes Wunschkind und          Beim Blättern auf den ersten Seiten
das spüre ich bis zum heutigen Tag.           macht sich ein wohliges Gefühl in mir
Die nächsten Seiten zeigen mich mit den       breit. Das Gebäude kenne ich gut, denn
frisch gebackenen Eltern, Aufnahmen           ich habe hier drei Jahre verbracht. Mein
die noch im Krankenhaus entstanden            Kindergarten. Jeden Morgen raus aus
waren. Meine Mutter war eine junge,           der Großstadt ins Grüne. Wald, Wiesen,
kräftig gebaute Frau mit langen lockigen,     Wasser und viel Platz zum Spielen. Ich
blonden Haaren, mein Vater hatte tief-        durfte so viel Kind sein, wie ich wollte
schwarzes Haar und einen Vollbart. Bei-       und so saß somit gerne mal im Matsch.
de grinsen breit in die Linse. Diese Bil-     Hier fand ich meine beste Freundin Mai.
der haben eine warme Atmosphäre – ein         Vom ersten Tag an mochten wir uns.
krasser Gegensatz zu dem kalten Winter,       Mai und ich besuchten uns oft, waren
in dem ich geboren war.                       unzertrennlich, schliefen im selben Bett

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und teilten jedes sonst noch so gehütete     was genau da passierte und so nahmen es
Geheimnis. Wir waren, als es dem Ende        alle als etwas Schlimmes wahr. Wir wa-
der Kindergartenzeit zuging, zuerst trau-    ren nie dicke Freunde, aber wir fuhren
rig, dass wir auf verschiedene Schulen       einmal gemeinsam zu einem Ponyhof –
mussten, blieben dann aber beste Freun-      lebten unsere Pferdeleidenschaft aus. Die
dinnen. Unzertrennlich und unaussteh-        Bilder zeigen den Jungen hier befreit und
lich. Auch das gelbe Album lege ich zur      glücklich.
Seite und ziehe das Dritte zu mir.           Zu der Zeit begann es auch, dass ich
Ich schlage den grünen Band auf und          immer mehr von Gleichaltrigen, ohne
schaue auf den Rohbau meines Kinder-         mir bekannten Grund, ausgeschlossen
zimmers. Mein Zimmer hat nach Jahren         wurde. Vielleicht lag es an meiner Vor-
der Benutzung irgendwann dringend            liebe für klassische Musik oder daran,
Renovierung benötigt. So wurden meine        dass ich überall Bücher mitschleppte
Wände in einem Sonnengelb gestrichen,        oder auf menschlicher Ebene gut mit
mein niedriges Hochbett umgebaut, so         Lehrern auskam? Nur Karl hielt zu mir,
dass jetzt ein höhenverstellbarer Schreib-   auch wenn es für ihn schwierig war, weil
tisch, darunter Platz hatte.                 er sich mit einem Mädchen gut verstand.
Ich hatte mich auf die Schule gefreut,       So trafen wir uns oft außerhalb der
aber ich hatte damals wie heute einen        Schule und bauten mit Lego und spielten
Dickkopf und einen starken Sinn für          Piraten oder Ritter. Er und ich sahen bei
Gerechtigkeit, was mich nicht selten in      Verkleidungsaktionen zum Fürchten aus,
Schwierigkeiten brachte.                     stelle ich jetzt amüsiert fest.
Ich war mit einem Jungen befreundet,         Schulfotografen-Bilder der fünften und
der immer aus der Gruppe herausstach,        sechsten Klasse, sind auf den folgenden
wegen seines Intellekts und seines Aus-      Seite eingeklebt. Die sind für mich im-
sehens. Auf einem Foto sieht man den         mer wieder erstaunlich. Ich fühlte mich
niedlichen Karl - braune Locken, ein         nie wie ein Teenager, sah aber körperlich
unwiderstehliches Lächeln und schlaksig.     aus wie einer. Es störte mich nie, für älter
Ich wünschte mir damals eine romanti-        gehalten zu werden, ich entwickelte früh
sche Zukunft mit ihm. Dieser Wunsch          ein Gespür für mich und meinen Körper.
hatte sich über die Jahre aufgelöst, das     Ich sah mich als unbeweglich und stark
vertraute Verhältnis blieb.                  übergewichtig und fing an meine ‚Weib-
Mein Gerechtigkeitssinn brachte mich         lichkeit‘ zu verteufeln. Ich verdanke den
auch dazu Mico, einem Mitschüler, bei-       unendlichen Weiten des Internets, dass
zustehen. Er musste Hänseleien über sich     das Ganze nicht besser wurde. Überall
ergehen lassen, wurde als Freak gesehen.     gab es unzufriedene junge Menschen, so
Er stand auf Pferde, die Farbe Rosa und      war ich wenigstens nicht alleine.
andere Dinge, die eher Mädchen interes-      Ich bin eigentlich immer fotogen ge-
sierten. Sein Vater machte eine Entwick-     wesen, jetzt versteckte ich mich immer
lung vom Mann zur Frau durch. Es war         mehr. Ich kleidete mich so, dass man
eine prekäre Situation, denn niemand         meine wachsende Oberweite nicht sah,
der Lehrer war in der Lage zu erklären,      lief gebeugt, und ließ mir die Haare kurz
schneiden. Es macht mich traurig mich        Heute schaue ich auf diese Zeit zurück
so zu sehen, weshalb ich das grüne Buch      und denke „Ich bin eine queere Frau, die
schließe. Erst mal noch eine Tasse Tee!      ihrer maskulinen und femininen Seiten
                                             Platz einräumt. Manchmal der einen,
Ich öffne das letzte, graue Buch mit et-     manchmal der Anderen mehr.“ Es be-
was Zurückhaltung. Auf der ersten Seite      drückt mich dennoch in mein einstiges
sehe ich mich mit meinem veränderten         unglückliches Gesicht zu schauen. Noch
Selbst konfrontiert. Der Ausdruck die-       einige Seiten sind voll mit ähnlichen Bil-
sem Gesicht sagt „Ich lächle doch, siehst    dern, die Haare mal bunt, mal nicht,
du es nicht? Ich bin doch fröhlich...“       dann ein glücklicher Moment und dann
Mir ist klar, dass jeder dies Phase durch-   leide ich offensichtlich wieder.
macht, - Selbstakzeptanz, Persönlich-
keitsentwicklung, etc., aber das machte      Etwa zu der Zeit verliebte ich mich in
es ja nicht leichter diese Zeit durchzu-     Mai, die zu einem sehr attraktiven Mäd-
stehen. Ich wusste schon früh, dass ich      chen geworden war. Sie hatte lange blon-
nicht heterosexuell war, aber was mich       de Haare und große blaue Augen. Ich
wie ein Schlag traf, war, dass ich nicht     beichtete es ihr, nach langem Überlegen
einmal wusste, ob ich eine Frau sein         und mehrmaligen Ausheulen bei meiner
wollte oder war.                             Mutter. Meine Gefühle stießen nicht auf
                                             Erwiderung, aber unsere Freundschaft
Ich schaue auf ein Foto, was zu der Zeit     überlebte es. Nach Mai verguckte ich
entstand, als ich mir sicher war ‚im fal-    mich in Riccarda – kein Interesse – dann
schen Körper‘ geboren worden zu sein.        in Charlie – ich hatte es ihr nie erzählt.
Einige Zeit später bezeichnete ich mich      Auf den nächsten Seiten kleben Bilder
als ‚etwas‘ zwischen Mann und Frau,          von Freunden, die ich auf einem queeren
wollte mir aber immer noch meine Brüs-       Jugendportal im Internet kennengelernt
te entfernen lassen. Wenn ich mich in        hatte. Ein verrückter Haufen diverser
der Zeit fotografieren ließ, sieht man,      Menschen. Unter anderem ein junger
dass ich einem jungen Mann eher ent-         Mann, den ich schnell zu meinem ‚Brü-
spreche, als einer Frau. Ich liebte Navy-    derchen‘ ernannte. Revel war eine Seele
Hosen, hatte tolle Hoodies und trug          von Mensch, er litt stark unter Akne und
auch Anzug. Männer lehnte ich als mög-       war immer totunglücklich bei der Wahl
liche Partner generell ab, verhielt mich     seiner Partner. Wir standen uns immer
nahezu androphob. Ich strahlte eine          mit Rat und Tat zur Seite. Später hatte
Arroganz aus, die sagt „Ihr seid meiner      ich etwas aus derselben Jugendgruppe
nicht würdig. Euch vertraue ich nicht!“      mit einem Mädchen. Im beiderseitigen
Zum Glück hielt sich dieses Gefühl nicht     Einverständnis basierte unsere Verbin-
lange und ich konnte wieder rational         dung allerdings nur auf sexueller Ebene.
auf die Situation schauen. Männer sind       Zur selben Zeit hatte meine erster
‚anders gestrickt‘ aber das muss einem ja    Freund eine psychische Störung durch
keine Angst machen, man kann es auch         harten Drogenmissbrauch. Ich musste
spannend finden.                             für mich die Reißleine ziehen, um mich

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zu schützen. Es tat mir weh, aber der ein-   abgewiesen und fand heraus, dass Toni
zige Weg war, es den Kontakt vollständig     sich in Jonathan verguckt hatte, der aber,
abzubrechen. Ein einziges Foto blieb mir     nichts für Toni übrig hatte. An unserer
von ihm. Er ist abgemagert, vernarbt         Freundschaft änderte es nichts. Wir drei
und blass.                                   feindeten uns wegen dieser gescheiterte
Gegen Schulende kam noch Jonathan            Story regelmäßig spaßhaft an – es war
hinzu, ein beliebter Junge mit starkem       das Einzige was davon zurück blieb.
Selbstbewusstsein, den Mittelpunkt ge-       Ich verließ die Schule. Fotografien eines
nießend, dabei aber sehr klug und be-        pompösen Abschlussballs, junge Frauen
lesen. Er war für mich das ‚Hörrohr‘         in extravaganten Kleidern und die Her-
zu anderen Mitschülern und so wusste,        ren in feinem Anzug und dann sie da-
ich was es für Gerüchte über mich gab.       zwischen, eine junge Frau, in Anzughose
„Armee-Mädchen“ wurde ich genannt,           und passenden Schuhen, einer edlen rot-
wegen meiner Navy-Hosen. Ich wurde           schwarzen Weste mit passender Fliege
als „transgender“ und „Kampflesbe“           und weißem Hemd. Ich versteckte mich
bezeichnet oder es entstand das Ge-          nicht mehr – im Gegenteil, ich fühlte
rücht, dass Jonathan und ich ein Paar        mich wohl in meiner Haut.
seien, sogar befeuert von einem Lehrer.      Nach der Schule schmissen Toni und ich
Jonathan war immer charmant und im           uns gleich in die Ausbildung zum Ret-
vollem Flirt-Modus. Seine Art und sein       tungssanitäter – wir wollten ja beide Me-
Aussehen, nicht zuletzt seine fluffigen,     dizin studieren, aber jetzt schon mal et-
wilden Haaren, machten ihn zu jeman-         was brauchbares in der Hand zu haben,
den, auf den die Frauen flogen. Er tat       mit dem sich Geld verdienen ließ. Aus
mir unglaublich gut, fing mich auf nach      diesen Monaten gibt es nur wenig Bilder,
Beendigung der Beziehung mit meinem          denn ich habe viel Zeit im Unterricht, in
psychisch kranken Freund.                    Kliniken und auf Rettungswachen ver-
Auch spät zur Schulzeit lernte ich die       bracht. Toni hat zu Jura gewechselt und
introvertierte, etwas unscheinbare, bü-      ich habe nach der Ausbildung noch das
chervernarrte Toni als konträres Kaliber     dreimonatige      Pflicht-Pflegepraktikum
kennen. Wir redeten stundenlang über         für das Studium drangehangen. Wäh-
Romane, Filme, Serien, und Katzen.           rend ich mich also abschuftete, vergrub
Sie war davon überzeugt als alte, ein-       sie ihren Kopf in Paragraphen. Ein Ge-
samen Katzenlady zu sterben. Ich hatte       burtstagsfoto von mir in meinem Klinik-
mich in dieses Mädchen mit einer sehr        praktikum mit anderen Praktikanten und
ansteckenden Lache, verliebt. Sie hat        FSJ-lern.
strahlende hellblaue Augen, drückt sich      Dann gibt es noch ein neues Kapitel: er
toll aus und kann unglaublich kalligra-      hat blaue Augen, blonde Haare und ein
phieren. In dem Moment, wo ich auf           Bart um die Mundpartie, ein schiefge-
ihr Bild sehe, wird mir ganz warm ums        zahntes Lächeln auf den Lippen. Dies ist
Herz. Damals war es blöd gelaufen. Jo-       mein Freund, ein Pfleger von der Station,
nathan hatte mir Mut zugesprochen,           auf der ich mein Pflegepraktikum absol-
mich zu offenbaren. Ich tat es, wurde        viert habe. Wir haben uns nicht gesucht,
aber gefunden. Bilder von ihm mit einer
Katze auf dem Arm, wie er in seinem
schicken Auto sitzt, entspannt im Gras
liegt. Er hatte mich darin bestätigt, dass
ich meine feminine Seite mögen durfte
und es völlig in Ordnung war, dass ich
ihn liebte – Dinge deren Akzeptanz mir
vorher schwer gefallen waren. Er ist ein
gutes Stück älter als ich. Ich wachse noch   Who is Alex U?
in das Erwachsenen-Leben hinein, wäh-
rend er sich schon lange darin zurecht       Ich bin Alex, komme aus Dortmund
findet.                                      und mir sind Pronomen egal, werde
Als ich kurz nach Beendigung meines          aber inzwischen meistens mit sie ange-
Praktikums in den Job gehe, fühlt sich al-   sprochen. Ich bin queer und ordne mich
les richtig an. In meiner signal-rot-oran-   nicht eindeutig einer Sexualität zu. Ich
genen Wäsche und schweren Stiefeln           fühle mich am besten durch die Regen-
fühle ich mich pudelwohl.                    bogenflagge repräsentiert.
                                             Ich bin Rettungssanitäter und liebe mei-
Jetzt, wenige Semester später, sitze ich     nen Beruf, hoffe aber trotzdem irgend-
da, im Studium, dass ich mir gewünscht       wann als Arzt arbeiten zu dürfen.
hatte. Ich bin mit mir und meiner Situ-      Wie ihr sicher schon gesehen habt,
ation zufrieden. Auf dem letzten einge-      schreibe ich sehr gerne. Aber auch ande-
klebten Foto blicke mir ein breit grinsen-   re Richtungen der Kunst sagen mir zu,
der Student entgegen, ein beschriftetes      ich zeichne, mache Musik und genieße
T-Shirt und immer noch die gleichen          es Theater, beziehungsweise Opern zu
verbeulten Navy-Hose am Leib, aber ich       sehen oder in einer Produktion mitzu-
verstecke mich nicht mehr vor mir selbst.    wirken.
Ich habe Freunde um mich, eine liebe-
volle Familie und es gibt jemanden der
mich so liebte wie ich bin. Der Druck
sich in Schubladen zu quetschen, in die
man nicht gehört, ist nicht mehr gegen-
wärtig. Ich kann selbst bestimmen wer
ich bin und sein will. Das Leben ist nicht
linear und sich zu verändern ein wichti-
ger Teil davon.

Das Schellen der Türklingel erschreckt
mich. Ich schlage das Album zu und ste-
he auf. Jetzt darf ich meinen Freund in
die Arme schließen.

                                                                                        13
Ich weiß nicht wer ich bin.
Eine Personenbeschreibung von Alex G.

Ich weiß nicht, ob ich wirklich der sein
will, der ich bin oder für den ich mich
ausgebe. Ich frage mich jeden Morgen ob
ich der bin, den ich im Spiegel sehe. Ich
weiß mein Geburtstag, meinen Wohn-
ort und mein Lieblingsessen und vieles
weitere, aber ich weiß nicht wie und wer
ich wirklich bin. Seelisch oder körperlich
weiß ich einfach nicht wer ich bin. Ich
befinde mich in einem Gefühlsloch.

Ich habe verschiedene Seiten und das ist
ja eigentlich normal, aber ich habe mich
so lange unter Masken versteckt, dass
ich nicht sagen kann, welche davon jetzt
Maske ist und welche nicht. Ich bin auf
der Suche nach meiner einen, meiner
echten Persönlichkeit. Ich bin der, der
auf bessere Zeiten wartet, der den Prob-     lemen aus dem Weg geht, nur um Stress
                                             zu vermeiden. Halt mich fest, um den
                                             Halt nicht zu verlieren. Versuche diese
                                             Probleme aus der Welt zu schaffen. Bin
                                             ein guter Mann im Herzen, doch gibt
                                             es Zeiten in denen ich mich selbst hasse,
                                             wenn ich mich selbst verlier in diesen kalt
                                             nassen Wintertagen.
Regenbogen Acrylpouring von Reggie

                                     15
HOW 2 OUT?                                  weniger begeistert und hinterfragte das
Von Alex G.                                 ganze tage- und wochenlang. Selbst heu-
                                            te stellt sie mir noch die Frage, ob es nur
Wenn du an dein erstes Coming-Out           eine Phase ist, die ich auslebe. Mein Va-
von dir denkst, worüber hast du dir Ge-     ter meinte nur „Ich wollte eh zwei Jungs
danken gemacht ?                            als Kinder.“

Erst einmal habe ich mir die Frage ge-      Was hat dir gut getan in der Zeit ?
stellt, ob das eine Phase ist oder ob ich
mich wirklich anders identifiziere. Ich     Ich habe mir eine Beratungsstelle in mei-
habe meine Orientierung am Anfang           ner Nähe gesucht und habe dort ziem-
nicht ausgelebt und mich oft gefragt, ob    lich gute Unterstützung und Ratschläge
ich mich überhaupt bei meiner Familie       bekommen. In der Beratungsstelle waren
und Freunden outen muss oder ob ich         viele queere aber auch nicht queere Mit-
es weiter für mich behalten kann. Ein       arbeiter. Ich hatte mit einem Schwulen
weiterer stark ausgeprägter Gedanke am      und einer transexuellen Frau gespro-
Anfang meiner Identifizierung war die       chen. Sie gaben mir Tipps zum Outing
Frage, wie meine Zukunft dann aussehen      und waren während meines Outings für
wird, bezüglich Arbeit, Kinder kriegen      mich da und begleiteten mich durch die
und heiraten. Ich habe mich selbst für      Zeit. In der Schule hat mir meine Sozial-
„nicht normal“ gehalten und versucht        arbeiterin sehr geholfen. Sie hat mich
meine Gefühle zu verdrängen. Das Ver-       unterstützt und ist mit mir die Möglich-
drängen hat mich psychisch ziemlich ka-     keiten eines Outings durchgegangen. Ich
putt gemacht und ich war sehr unglück-      habe mir einen Jugendtreff in meiner
lich mit meinem Leben.                      Nähe gesucht, damit ich Freunde finde,
Ich hatte mich dann für das Coming-Out      die vom Lebensstil genauso oder ähnlich
entschieden und überlegt, bei wem ich       sind wie ich. Ich wollte damit nicht allei-
mich zuerst oute und wann der richtige      ne sein und Freunde finden, die genauso
Zeitpunkt für ein Outing ist. Die Frage     denken und fühlen. In den Jugendtreff
wie ich mich oute war für mich nicht so     zu gehen war für mich eine lange und
präsent, aber trotzdem habe ich mir dar-    schwere Überlegung, da ich nicht so der
über Gedanken gemacht.                      Mensch bin, welcher schnell neue Kon-
                                            takte knüpft. Es machte aber schnell bei
Ich hatte starke Angst, dass Familie oder   mir Klick, dass es eine gute Idee sei. Ich
Freunde mich ablehnen oder sogar den        hoffte auf gute Freundschaft mit gleichen
Kontakt zu mir abbrechen.                   Gefühlen und Austauschmöglichkeiten.

Der Druck den ich mir selber machte         Was willst du anderen sagen, die das
war viel schlimmer, als der Druck von       Thema Coming-Out beschäftigt ?
außen. Meine beste Freundin reagierte
mit „Oh cool, so einen Freund wollte ich    Es ist sicherlich nicht ganz einfach eine
schon immer haben.“ Meine Mutter war        Orientierung auszuleben, geschweige
denn sie jemanden mitzuteilen. Das Er-        hen. Generell empfehle ich dir dich erst
lebnis, als dir plötzlich klar wurde auf      bei einem sehr guten Freund zu outen
was du stehst oder was du bist, war für       und dann bei allen anderen. Die Reak-
dich sicherlich auch nicht einfach. Ge-       tion der Eltern und Freunde kann ganz
nerell ist dies nicht einfach, glaube ich.    unterschiedlich ausfallen. Einige sind äu-
Und das perfekte Umfeld dafür wird es         ßerst verständnisvoll, andere können es
wohl nicht geben. Man weiß nie, was           nicht fassen, sind schockiert oder werden
andere darüber denken oder sich dabei         sogar aggressiv. Wenn Eltern oder Freun-
fühlen. Vielleicht hast du Angst durch        de negativ reagieren sollten, dann gib
die Erziehung deiner Eltern, der Mei-         Ihnen erst einmal Zeit zum Nachden-
nung deines Umfeldes oder der bisher          ken. Gerade, wenn Freunde oder Eltern
erlebten Reaktionen deinen Umfeldes           es vorher nicht gemerkt haben, dass du
dich zu Outen. Vielleicht hast du Angst,      eine andere Orientierung hast ist es für
dass deine Eltern oder deine Freunde          sie nicht einfach.
ablehnend reagieren, wenn du ihnen er-
zählst auf was du stehst oder was du bist.    Diese Gedanken und Gefühle hat jeder
Vielleicht verdrängst und verleugnest du      am Anfang. Deine Unsicherheit und dei-
deine Neigung vor dir selber und denkst:      ne Angst ist verständlich und vollkom-
‚Nein, das kann nicht sein. Ich bin nicht     men okay.
so. Ich will nicht so sein!. Mit der Zeit     Wichtig für dein Outing ist, dass du voll
wirst du dir eingestehen müssen, dass du      und ganz hinter dir stehst, da negative
deine Gefühle und Vorlieben hast, egal        Reaktion nicht vorhersehbar, geschweige
ob du sie willst oder nicht. Sie sind ein-    denn, vermeidbar sind.
fach da. Überleg dir, wie du dich outest.
Für mich war es einfacher mich Schritt        Kurz und knapp kann ich dir empfehlen:
für Schritt zu outen. Du kannst dich          Hör auf deine Gefühle und warte den
aber auch vom einen auf den anderen           für dich passenden Moment ab dich zu
Tag outen. Du solltest einen passenden        outen. Mach es in deinem Tempo und
Zeitpunkt abwarten. Aber den richtigen        lass dich nicht unter Druck setzten. Steh
Zeitpunkt wird es nie geben - es gibt pas-    zu dir und lass den Kopf nicht hängen.
sende und weniger passende Zeitpunkte.
Zum Beispiel ist es nicht ratsam, Eltern
zu informieren, wenn ein Streit im Gang
ist oder wenn sie besonders gestresst sind.
Hingegen könnte ein Moment der Ruhe
und Entspannung eine gute Zeit sein,
um sich zu outen. Wenn du dich schon
einem Freund/einer Freundin anver-
traut hast, kannst du vielleicht mit ihm/
ihr vorrangig besprechen, wie du vor-
gehen könntest. Und sollte es zu einem
Streit kommen, kann er/sie dir beiste-

                                                                                           17
DINGSDA
Verschiedene Gedanken und Ansichten
zu Gender und Geschlecht

Alex G. sieht es so:

Biologisches Geschlecht:                   Sexuelle Orientierung, darunter ver-
das Geschlecht mit der, der Mensch ge-     steht man, zu welchen Geschlecht sich
boren ist.                                 jemand mit seinem Fühlen und Begeh-
                                           ren sexuell hingezogen fühlt. Zu den
Als Cis-Mann/Cis-Frau werden diejeni-      sexuellen Grundorientierungen zählen
gen bezeichnet, deren Geschlechtsidenti-   die Heterosexualität, Homosexualität
tät dem Geschlecht entsprechen, welches    und Bisexualität sowie für viele Sexual-
ihnen bei Geburt aufgrund von opti-        wissenschaftler auch die Pansexualität
schen Merkmalen zugewiesen wurde.          und Asexualität.

Genderfluid zu sein bedeutet, dieser       Heterosexualität : Heterosexualität be-
Mensch hat nicht immer das selbe Ge-       deutet, dass sich jemand von Personen
schlecht, sondern immer wieder ein an-     des anderen Geschlechts angezogen
deres. Das Geschlecht kann sich manch-     fühlt. Hetero bedeutet wörtlich „der
mal ändern oder sehr oft.                  andere“. Da diese Ausrichtung so häufig
                                           ist wird diese als die „normale“ Orien-
Genderqueer ist ein Begriff für Men-       tierung angesehen.
schen, die sich sowohl als Mann als auch
als Frau sehen oder weder als Frau noch    Homosexualität : Homosexualität be-
als Mann sehen. Es gibt keine absolute     deutet, dass sich jemand von Personen
Abgrenzung zum Begriff.                    des gleichen Geschlechts angezogen füh-
                                           len. Homo bedeutet wörtlich „gleich“.
Transgender ist eine Bezeichnung für       Im allgemeinen sagt man bei einer
Personen die sich nicht oder nicht voll-   männlichen Homosexualität „schwul“
ständig dem biologischen Geschlecht an-    und bei einer weiblichen „lesbisch“.
gehörig fühlen.
                                           Bisexualität : Nur etwa 1-2% der Men-
                                           schen bezeichnen sich als bisexuell. Bise-
                                           xuell steht für das Interesse an Personen
                                           beiderlei Geschlechts.
Reggie sieht das so:

Pansexualität : Pansexuell bedeutet,      Was ist Polysexualität für mich?
dass sich jemand emotional zu Men-        Für mich bedeutet Polysexualität, dass
schen jeden Geschlechts hingezogen        ich mich zu mehr als zwei Geschlechts-
fühlen kann und sich verlieben kann.      identitäten hingezogen fühle und
Im Gegensatz zu bisexuellen Menschen      liebesromantische Beziehungen vor-
können das bei Pansexuellen neben         stellen kann, aber nicht zu allen. Mir
Männern und Frauen auch Transgen-         ist es nicht wichtig, welches Geschlecht
der, Intersexuelle sein.                  jemand hat oder wie sich jemand identi-
                                          fiziert. Mir kommt es auf den Charakter
Asexualität : Bei einer Asexualität be-   und der dazugehörigen Sympathie an.
steht kein Verlangen nach sexuellen
Interaktionen. Die Asexualität gilt als
4. Form der sexuellen Orientierung.
Asexuelle haben kein Interesse an Sex,
können aber wie alle anderen Menschen
sexuelle Erregung oder das Verlangen
nach Masturbation haben. Eine Part-
nerschaft und Romantik sind deswegen
nicht ausgeschlossen.

                                                                                     19
Die Abtreibungsdebatte – beide Seiten        zengraben zwischen zwei Fronten auf,
im Blick                                     die keine Einigung sichten. Gegner und
                                             Befürworter der Abtreibung differenzie-
Von Alina Meier-Böke                         ren sich in ihren Positionen so stark, da
                                             der Kern ihrer Argumentation jeweils ei-
2019 kam der Senat des US-Bundes-            ner anderen Frucht zugehört. Es kollidie-
staates Alabama zu dem Beschluss, ein        ren Werte, Normen und Überzeugungen
Verbot der Abtreibung einzuführen und        miteinander, die gegensätzlich argumen-
somit das härteste Abtreibungsgesetz in      tieren. Dogmatismus ist auf beiden Sei-
den USA zu verabschieden. Die einzige        ten ein wiederaufkehrendes Phänomen.
Ausnahme: Nur wenn eine Schwanger-           Besonders das ethische Beurteilen mora-
schaft zu einer akuten Gefährdung der        lischer oder biologischer Ungewissheiten
Gesundheit führen könne, so wirkt das        und Streitpunkte lässt die Diskrepanzen
Gesetz nicht mehr. Vergewaltigungen          beider Standpunkte erbeben. Wann
und Inzest gehören nicht zu Ausnah-          kann ein Menschenleben als solches an-
men, die das Gesetz außer Kraft treten       gesehen werden? Wann fühlt ein Embryo
lassen. Verstoßen tut es aber gegen das      Schmerz? Wer trägt das Entscheidungs-
im Jahr 1973 verabschiedete Grund-           recht über das Kind? Deshalb ist es auch
satzurteil des Obersten Gerichtshofes,       so schwierig zu einem Konsens in dieser
welches Schwangerschaftsabbrüche für         Debatte zu kommen.
Frauen legalisierte. Alabama, großteilig     Gegner der Abtreibung sind oft konser-
hochreligiös und konservativ eingestellt,    vativer eingestellt gegenüber ihren Be-
ließ die Abtreibungsdebatte damit nicht      fürwortern und verfolgen eher religiöse
nur in der USA, sondern global wieder        Absichten. Abtreibung solle kriminali-
publik werden. Die Diskussion bezüglich      siert werden, da es Mord sei, ethisch be-
der Abtreibung ist eine mit Kontroversi-     trachtet könne Abtreibung in keinem
tät befüllte. Befürworter und Gegner be-     Kontext gerechtfertigt werden. Mit ihr
finden sich jeweils auf einer Fluss Seite,   würde die eigentliche Bedeutsamkeit
gespalten durch liberale/konservative        des Lebens verletzt und sein hoher Wert
Haltungen, religiösen Ansichten, Moral       missachtet werden. Für Gegner der Ab-
und voralldingen Geschlecht. Ohne eine       treibung beginnt ein menschliches Leben
Stellung einzunehmen, ist es jedoch re-      ab dem Zeitpunkt, wo die Eizelle be-
levant sich die notwendigen Fakten und       fruchtet wird, und genau ab diesem wird
Argumente der Debatte anzusehen, zu          es als wertvoll und unantastbar angese-
analysieren und in Verbindung zu set-        hen, man spricht bereits von einem Indi-
zen, um Polemik und Einseitigkeit aus-       viduum, dem Schutz zusteht. Meist wird
zuschließen.                                 auch von einem religiösen Standpunkt
Zuerst: Welche Positionen werden ver-        aus argumentiert, dass jede Schwanger-
treten und welche Hauptargumente nen-        schaft „gottgegeben“ sei bzw. „auf Got-
nen sie?                                     tes Wunsch“ ein Leben hervorbringen
Wer sich in den Grauzonen der Debatte        solle. Ein Schwangerschaftsabbruch sei
aufhält, der hält sich trotzdem im Schüt-    hiermit vollkommen ausgeschlossen,
egal welche Bedingungen vorliegen.           schaftsabbruch tolerierbar wäre, wenn
Befürworter der Abtreibung widmen            zu einer schmerzlosen Methode gegrif-
sich liberaleren Ansichten. Abtreibung       fen wird. Umstritten ist auch, ob, wenn
solle weiterhin als legale Option be-        es sich um eine ungewollte Schwanger-
stehen, wenn Frauen einen Schwanger-         schaft handelt, die fatale Folgen für die
schaftsabbruch in Erwägung ziehen.           Schwangere auf physische und auch
Bis zu welchem Monat Abtreibungen            psychische Hinsicht hätte (beispielsweise
legalisiert werden sollten, ist jedoch um-   nach einer Vergewaltigung), Abtreibung
stritten, Meinungen spalten sich in ra-      trotz der Monatsbegrenzung durchführ-
dikalliberalen und gemäßigt liberalen        bar sein sollte.
Positionen. Nach dem radikalliberalen        Man erkennt, mögliche Szenarien und
Standpunkt wird dem Embryo kein mo-          Argumente anzusehen und zu beurteilen
ralischer Status oder Wert zugesprochen,     ist schwierig, ethisch und medizinisch be-
Mütter tragen das absolute Entschei-         trachtet bestehen noch viele Lücken, die
dungsrecht, Abtreibungen sind uneinge-       vieles offen lassen und Fragen dem sub-
schränkt durchführbar ohne die Berück-       jektiven Urteil ausliefern. Doch objektiv
sichtigung der ethischen Frage. Mit der      betrachtet, was können wir als faktisch
ethischen Problematik (z.B. Definition       richtig deklarieren?
des Lebens, Schmerzempfinden bei Em-         Welche Fakten können helfen und sind
bryos) wird sich nicht weiter auseinan-      für diese Debatte interessant?
dergesetzt, sie spielt hier keine zentrale   2019 wurden in Deutschland laut dem
Rolle. Die gemäßigt liberale Position        statistischen Bundesamt 100.893 Ab-
hingegen greift die ethische Frage noch-     treibungen vollzogen. Wirkt erstmal
mal auf und geht auf sie intensiver ein.     hoch, ist aber tatsächlich im Vergleich
Auch hier soll Abtreibung als eine lega-     zu den letzten zwanzig Jahren eine Ab-
le Option für Schwangere bereitgestellt      nahme von rund 30.000, 2017 trieben
werden, aber unter bestimmten Bedin-         im Durchschnitt etwa 4,5 Frauen von
gungen und mit leichten Restrik-tionen.      je 1000 ab. 2019 wurden Abtreibungen
Im Laufe der Schwangerschaft wird dem        jedoch hauptsächlich infolge einer Be-
Embryo durch seine wachsende Ent-            ratungsregelung unterzogen, der Anteil
wicklung ein immer höher werdender           liegt bei 96,2 %, während nur 3,8 %
Wert zugesprochen, so kann nach der          infolge einer medizinischen Indikation
gemäßigt liberalen Position ein früher       abtrieben. Größtenteils wird in Deutsch-
Schwangerschaftsabbruch toleriert und        land also aus privaten und nicht aus
gerechtfertigt werden, da hier das Selbst-   medizinischen Gründen abgetrieben,
bestimmungsrecht der Frau Vorrang hat.       aber die allgemeinen Werte können in
(Schmerz-)empfinden bei einem Emb-           anderen Teilen Europas oft noch höher
ryo kann beispielsweise erst im zweiten      ausfallen. Am konträren Ende haben wir
Schwangerschaftsdrittel festgestellt wer-    Georgien, das europäische Land mit den
den. Trotz dessen stellt sich die ethi-      meisten jährlichen Schwangerschafts-
sche Frage, ob selbst nach dem zweiten       abbrüchen trotz der streng eingestell-
Schwangerschaftsdrittel ein Schwanger-       ten katholisch-orthodoxen Mentalität.

                                                                                          21
Für 2017 kamen auf 1000 Frauen 23,           Tabuthema ist und minimal angeschnit-
welche eine Abtreibung vollzogen. Die        ten wird, werden auch Kontrazeptiva
Quoten für die osteuropäischen Länder        für Frauen erschwert bereitgestellt, hohe
liegen zwei bis drei Mal so hoch wie in      Kosten machen einen Zugang zu ihnen
Deutschland und schließen sich Geor-         fast unmöglich. In Deutschland wird bei-
giens Werten oft knapp an. So steigen in     spielsweise die Anti-Baby-Pille bis zum
Polen beispielsweise die Zahlen pro Jahr,    22. Lebensjahr bei gesetzlich versicher-
obwohl die Gesetze dort als ziemlich res-    ten Frauen erstattet, sie kostet etwa 5-22
triktiv gelten. Was führt zu diesen hohen    € pro Monat je nach Präparat. In Russ-
Werten?                                      land sind aufgrund von zu hohen Kosten
Relevant mag nicht ganz sein, inwiefern      der Zugang zu hormonellen Kontrazep-
Strenge bei den Regelungen für Abtrei-       tiva fast verwehrt, die häufigste Art der
bung herrscht, sondern eher, inwiefern       Verhütung: Abtreibung. 2016 wurden
mit Thematiken wie Geschlechtsverkehr        in Russland 700.000 Abtreibungen voll-
und Kontrazeptiva umgegangen wird            zogen gegenüber zwei Millionen Ge-
und dieser Umgang durch Sexualerzie-         burten und davon meist alle legal. Denn
hung und Verhütungsberatung priori-          die Restriktionen bei Abtreibung sind
siert wird. Diese Priorisierung präventi-    in Russland ziemlich gering, tatsächlich
ver Methoden variiert von Land zu Land       wird für Abtreibung als kostenlose Me-
und wirkt sich massiv auf die dortigen       thode der Geburtenkontrolle geworben.
Abtreibungsraten aus, voralldingen in        Russland war eines der ersten Länder
Osteuropa. Besonders die Verwendung          (damals Sowjetunion), die Abtreibungen
mo-derner Kontrazeptiva fällt dort im        legalisierte. Grund dafür war die hohe
Vergleich zum Westen mühsam aus, in          Müttersterblichkeitsrate aufgrund mehr-
Polen liegt sie bei 19 % und somit gerin-    zähliger Versuche illegaler Abtreibungen
ger als in Ländern wie Kambodscha oder       und da Aufklärung über jegliche Art von
Madagaskar. Der Unterschied zwischen         Kontrazeptiva und der Zugang zu diesen
Ost- und Westeuropa ist immens, eine         nur reduziert auftrat, war Abtreibung ab
angemessene Aufklärung über die sexuel-      den 50er Jahren die präferierte Methode.
le und reproduktive Gesundheit und die       Besonders ein niedriger Lebensstandard
Verfügbarkeit moderner Kontrazeptiva         trägt dazu bei, dass in Russland immer
werden in Osteuropa oft vernachlässigt       noch jährlich hohe Abtreibungsraten
und nur mangelhaft behandelt. Nationa-       gelten, da die Erziehung eines Kindes,
le Ansichten und Einstellungen gegen-        voralldingen als alleinerziehendes El-
über der Relevanz dieser Dinge spielt        ternteil, oft nicht zu finanzieren ist.
eine besonders signifikante Rolle, die den   Entwicklungs- und teils Schwellenlän-
allgemeinen gesellschaftlichen Umgang        der trifft dies am Meisten. Dort, wo die
beeinflussen und deren Akzeptanz deter-      Werte am höchsten stehen, ist, wo die
minieren. Ex-Sowjetische Länder sind         restriktivsten Abtreibungsgesetze herr-
dabei konservativer und traditioneller       schen und Kriminalisierung und strik-
geprägt. Während Sexualaufklärung in         te Gefängnisstrafen anstatt Aufklärung
einem Großteil Osteuropas ein absolutes      und Unterstützung als Maßnahme ge-
troffen wird. 32 von je 1000 Frauen            Hälfte des 20. Jahrhunderts unser gesell-
trieben in Südamerika durchschnittlich         schaftliches Bild und medizinisches sowie
in den Jahren 2015-19 ab, meist illegal.       ethisches Verständnis immens prägt.
Nationale Armut, Bildungsmangel und
Geschlechterungleichheiten schließen           Quellen:
an diesen Ergebnissen als Fundament di-        Statistiken der Abtreibungsraten in Deutschland und Osteuropa
                                               (Georgien):
rekt an. Die Chancen einer werdenden           2019 Schwangerschaftsabbrüche und Ursachen
Mutter stehen in Südamerika schlecht,          www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/
finanzielle Stabilität sowie soziale Sicher-   Schwangerschaftsabbrueche/_inhalt.html

heit kann hier oft nicht gewährt werden.       2017 Werte in Deutschland und Georgien je 1000 Schwanger-

Aufgeklärt werden Frauen sowie Männer          schaftsabbrüchen
                                               www.faz.net/aktuell/gesellschaft/in-vielen-staaten-osteuropas-
über Kontrazeptiva und sicheren Ge-
                                               liegt-die-abtreibungsquote-fast-dreimal-hoeher-als-in-deutsch-
schlechtsverkehr kaum, stattdessen wird        land-16171146.html
mit radikaler Rücksichtslosigkeit gegen-       Prozentsatz der Verwendung von Kontrazeptiva in Polen, Ost/
über illegal vollzogenen Abtreibungen          Westeuropa Differenz:

gehandelt. Gesundheitliche Vernach-            http://abtreibung.at/wp-content/uploads/2009/04/Pages-from-ab-

lässigung besteht während Schwanger-           bruch_in_eu-1.pdf
                                               Abtreibungsraten in Russland sowie gesetzliche Regelungen:
schaft sowie Geburt und lässt es dazu          www.deutschlandfunk.de/abtreibungsdebatte-in-russland-das-ist-
kommen, dass sich die Werte der Müt-           wie-euthanasie.886.de.html?dram:article_id=390780
tersterblichkeit in Entwicklungsländern        Abtreibungsraten in Südamerika je 1000 Schwangerschaftsab-

in den höheren Bereich verwurzeln.             brüchen:

Kriminalisierung wirkt nicht präventiv,        2010-14 Höchstwert
                                               www.dw.com/de/so-unterschiedlich-sind-abtreibungen-weltweit-ge-
Legalisierung jedoch auch nicht immer.
                                               regelt/a-46725203 (Erstquelle)
Es spielen mehr Faktoren in die Debat-         2015-19 Durchschnittswert (im Artikel überarbeitet)
te ein, als man zuerst denken mag und          www.thelancet.com/journals/langlo/article/PIIS2214-
eine fehlende Berücksichtigung dieser          109X(20)30315-6/fulltext (Ursprungsquelle)

wirkt sich dementsprechend auch auf
die Abtreibungsraten aus. Ethisch be-
trachtet streiten sich noch die Köpfe und
stellen Hypothesen über Hypothesen
auf, nichtdestotrotz können Fakten, Sta-
tistiken und die Regularien andere Län-
der exemplarisch dazu beitragen, sich
ein umfassendes Bild über die Umstän-
de, welche um die Abtreibungsthematik
zirkulieren, zu machen. Ob Abtreibung
oder nicht, ob Selbstbestimmung oder
nicht, die Gesellschaft muss diskutieren
und Bedingungen definieren, um mit
Rationalität ein Ergebnis für eine be-
sonders geschlechterspezifische Proble-
matik zu erlangen, welche seit der letzten

                                                                                                                 23
Who is Alina?

      Ich bin Alina, komme aus Minden und
      wie man vielleicht bemerkt, liebe ich das
      Schreiben. Von poetisch zu sachlich und
      informativ, so ziemlich alles ist in mei-
      nem Repertoire vorhanden. In diesem
      INSIDE OUT widme ich mich aber
      dem Artikel- und Kommentarschreiben
      über sehr aktuelle, teils kontroverse The-
      matiken, die mich bewegen und in die
      ich mehr Einsicht gewähren möchte. Mir
      ist es wichtig über soziale, künstlerische
      und gesellschaftliche Aspekte aufzuklä-
      ren und bin dankbar, hier im Magazin
      Platz gefunden zu haben. Derzeit bin
      ich „nur“ eine Q2erin, 17 Jahre alt, aber
      träume schon groß, in vielen Sprachen
      und Perspektiven.

Ich
gie beginnt und sich von nichts und nie-
                                             manden unterkriegen lässt. Ich bin oft
                                             auf Demonstrationen zu sehen, da ich
                                             gerne für die Themen einstehe, die mir
                                             wichtig sind. Egal ob Black Lives Matter,
                                             Tier-/Klimaschutz, Geflüchtetenpolitik
                                             oder Gedenkveranstaltungen. Deswe-
                                             gen mache ich hier im Magazin mit. Um
                                             ein Teil dieser Community zu sein und
                                             so leben zu können, wie ich es jetzt tue,
                                             habe ich schwere Zeiten durchgemacht
                                             und mich von meiner Familie distanziert.
                                             Nun möchte ich meine Erfahrungen nut-
                                             zen, um denen zu helfen, die Tipps für
                                             verschiedene Situationen brauchen
                                             Ich möchte ein aktiver Teil der Com-
                                             munity sein und denen helfen, die noch
                                             nicht wissen, wo sie sich unterm Regen-
                                             bogen einordnen sollen.

Who is Reggie?

Ich bin Regina (aka Reggie), 23 Jah-
re alt, komme aus der Nähe von Bonn
und arbeite als Heilerziehungspflegerin.
In meiner Freizeit treibe ich viel Sport,
spiele Fußball (typisch Busenfreundin),
fahre Skateboard/BMX, male abstrak-
te Bilder, schreibe Gedichte und bin viel
unterwegs. Zu erklären wer ich bin, fällt
mir leicht. Ich bin eine junge mutig Frau,
die jeden Tag mit positiver Ener-

                                                                                         25
27
Rubrik Musik mit Alex U.                    Musik und der in ihr verarbeitete Text,
                                            macht Mut.
‚If music be the food of love‘ -
Henry Heveningham                           Musik ist gesund.
                                            Singen durchblutet verstärkt die Schleim-
If music be the food of love,               häute. Demenzerkranke klaren beim
Sing on till I am fill’d with joy;          Hören bekannter Musik auf. Ein Instru-
For then my list’ning soul you move         ment zu spielen regt die Hirnaktivität an
To pleasures that can never cloy.           - Bewegen, hören, planen.
Your eyes, your mine, your tongue declare   Und ich wünschte es wäre so einfach, wie
That you are music ev’rywhere.              Marika Rökk einst sang:
Pleasures invade both eye and ear,          Ich brauche keine Millionen, ich brauch
So fierce the transports are, they wound,   kein Pfennig zum Glück, ich brauche
And all my senses feasted are,              weiter nichts als nur Musik, Musik, Mu-
Tho’ yet the treat is only sound,           sik.
Sure I must perish by your charms,
Unless you save me in your arms.

Musik, Musik, Musik! Was wäre ein Le-
ben ohne Musik? Frohsinn, Trauer, Dis-
kussion, Revolution. Singen und Musi-
zieren ist für mich genau so wichtig wie
zu essen oder zu trinken. Wenn ich eine
Symphonie höre oder in der Oper bin,        Rubrik Musik mit Alex G.
ist das wie ein exzellentes Steak oder
Schokolade zu essen. Jedoch ist sie mehr    Was ist Musik für mich ?
als ein Rauschmittel, sondern eher ein
überlebenswichtiger Teil meines Alltags.    Tja, Musik ist vieles für mich : Entspan-
Nichts bringt mich so schnell zur Ruhe      nung, Ablenkung, Zeitvertreib, Antrieb,
oder lässt mich einen schlechten Tag ver-   Stimmungsmacher. Musik kann Emo-
gessen, wie Lieder die ich mag.             tionen verstärken oder ähnlich wie ein
                                            Betäubungsmittel wirken. Beides ist für
Musik bewegt.                               mich sehr wichtig.
Ich tanze nicht gerne in der Disco, aber
auch ich kann einem treibenden Rhyth-       Abgesehen davon gibt es auch Musik die
mus nicht widerstehen. Man kann sich        im Einklang mit der Seele spielt. Das ver-
nicht dagegen wehren, aber möchte man       ursacht ein Gefühl der Vertrautheit. Mir
das überhaupt?                              erscheint das Leben in solchen Momen-
Sie hat Menschen dabei geholfen sich        ten nicht so sinnlos. Ich fühle mich ver-
aus Unterdrückung zu befreien und           standen. Musik kann vieles bewegen und
sich zu trauen ihre Meinung zu äußern.      ausdrücken.

                                                                                         29
Ich höre eigentlich bei jeder Gelegenheit
Musik. Kopfhörer sind immer in der
Tasche. Wenn jemand am Schlagzeug
sitzt oder Gitarre spielt. Wenn wirklich
Arbeit und Talent dahinter steckt, dann
ist das für mich Musik. Musik ist für
mich sehr wichtig und die beste Droge,
die es gibt. Ich höre keine bestimmten
Künstler und bin offen für jedes Genre.
Musik muss für mich eine Bedeutung
haben. Meine Musiksammlung umfasst
eine große Menge an Genres. Musik ist
aber auch wunderbar universell. Musik
ist eine non-verbale Sprache die jeder
verstehen kann. Auch wenn du einen          Rubrik Musik mit Reggie
fremdsprachigen Text nicht verstehst
kann dich Musik emotional berühren.         Musik ist ein wichtiger Teil meines Le-
                                            bens. Musik hat mich schon immer be-
                                            gleitet. In schönen und auch sehr trauri-
                                            gen Phasen meines Lebens. Bei mir passt
                                            zwischen Taylor Swift, Rammstein und
                                            Gorillaz auch System of a Down und
                                            CardiB rein. Im Endeffekt geht es mir
                                            um die ausgelösten Emotionen, Erinne-
                                            rungen an lange Sommernächte am La-
                                            gerfeuer mit Freunden, um Wünsche für
                                            die Zukunft oder um Themen, die mich
                                            betreffen und bewegen.

                                            Musik ist mein Ruhepol.

                                            Mein Lieblingslied ist momentan
                                            „Traum-Remix“ von KazOnDaBeat.
                                            Das Lied weckt eine Seite in mir, die sich
                                            mit sich selbst und dem näheren Umfeld
                                            auseinandersetzt. Durch die Pandemie
                                            habe ich meine Erwartungen an mich
                                            und andere, Wünsche und Ziele an-
                                            gepasst. Dieses Lied holt mich, mit den
                                            einschlägigen cloudrap-ähnlichen Beats,
                                            immer wieder auf meine entspannte
                                            Spur zurück.
haben Firmen und Unternehmer mitt-
                                          lerweile gemerkt und hübsch während
                                          der Pride-Saison angewandt. Die Ver-
                                          marktung von Pride-Produkten ist po-
                                          pulärer als nie zuvor und grundsätzlich
                                          kann man dem nicht entgegen sprechen.
                                          Die Weihnachts- und Osterzeit eignet
                                          sich den Werbeagenturen ja auch exem-
                                          plarisch als ideale Vorlage für saisonal
                                          angelehnte Vermarktung. Bei LGBTQ+
                                          kann es aber drastisch ein Problem wer-
                                          den, denn der Kontext ist hier ein ande-
                                          rer. Wo setzt man die Grenze bei kom-
                                          merziell verfolgten Zielen, die eine für
                                          viele Jahrhunderte unterdrückte Min-
Homophobie, profitorientiert oder über-   derheit betrifft?
reagiert? – Unternehmen & Pride
                                          Gestern noch Christopher Street Day,
Von Alina Meier-Böke                      heute Chucks, Beutel, Make-Up und
                                          noch viel mehr mit Pride-Verzierungen,
Pride Month, 2020. Obwohl Veranstal-      die online schnell zu finden sind. 2018
tungen der LGBTQ+ Community auf-          brachte H & M seine erste Pride Kollek-
grund von Covid-19 abgesagt wurden,       tion „Love For All“ raus. Mit „Equality“
ist der Regenbogen überall in der Öf-     und „Pride“ Aufdrucken, viel Buntem
fentlichkeit auffindbar. Wo? Auf Säu-     und Glit-zer warb die Marke für ihre
lentapezierungen, Plakatierungen und      neue Aktion. 10 % der Einnahmen sol-
Online-Ads. Mit Toleranz und Regen-       len an einen guten Zweck gehen und der
bogenfarben lässt sich gut werben, das    LGBTQ+ unterstützenden Organisati-
                                          on UN Free & Equal gespendet werden.
                                          Die Kollektion zog negative sowie positi-
                                          ve Aufmerksamkeit auf sich, mit Unter-
                                          stützern, die den Zweck als eine hilfrei-
                                          che und sinnvoll hinterlassene Botschaft
                                          betrachteten und Gegnern, welche dem
                                          Profit dahinter auflauerten. H & M wur-
                                          de als Unternehmen beschuldigt, ledig-
                                          lich sein Image nach einer Reihe von be-
                                          denklichen Vorfällen zu verbessern, um
                                          sich nun als tolerant und weltoffen zu
                                          präsentieren.

                                          Ein weiteres Beispiel: Die Deutsche

                                                                                      31
Bahn. Aufgrund der Absagen der Pri-
de-Zelebrierungen 2020, die durch Co-
vid-19 nicht stattfinden konnten, starte-
te die Deutsche Bahn die „Pride Ride“
Kampagne, die Sympathie und Unter-
stützung für die LGBTQ+ Bewegung
ausdrücken sollte. Die Aktion war sehr
groß, bundesweit vertreten und ein Vi-
deo gab’s dazu. Sie hat viel Lob abbe-
kommen, wurde gepriesen für seine vor-
bildliche Funktion eines Unternehmen,
das ein Konzept richtig umzusetzen
weiß. Doch dann war da das Video. „Ge-

                                            Damit zieht die Deutsche Bahn einen
                                            starken Kontrast zu Unternehmen, die
                                            nur zur bunten Hochsaison aktiv wer-
                                            den, wenn es Kohle gibt, und nach dem
                                            Sommer in den Winterschlaf überge-
                                            hen. Meistens scheint die Kommerzia-
                                            lisierung der Pride-Saison ein spontane,
                                            aber ef-fektive und ausgefallene Strategie
                                            zu sein, um den eigenen Ruf zu bessern.
                                            Das läuft dann auch schnell schief, so-
                                            bald widersprüchliches entdeckt wird
                                            und dazu führt, dass sich stetiges Miss-
                                            trauen gegenüber Unternehmen entwi-

prägt durch Stereotypen“ war der Vor-
wurf auf der Plattform Twitter, es wurde
der Community nicht gerecht und plötz-
lich stand die Bahn, zuvor gelobt, im
Bühnenlicht der Kritik. Dabei hat sich
die Deutsche Bahn bereits durch meh-
rere verwirklichte Projekte und ergriffe-
nen Initiativen einen Namen gemacht
als LGBTQ+ unterstützendes Unter-
nehmen. So gehörte die Bahn zu einem
der Unterzeichner des Aufrufes im April,
das Blutspendeverbot in Deutschland für
bi-/homosexuelle Männer aufzuheben.
ckelt, im LGBTQ+ Kontext sowie einem          und den historischen Kontext zu schaf-
anderen, weil sie in ihren permanenten        fen. Die Glaubwürdigkeit vieler neu auf-
„Aktionen“ und „Kampagnen“ verdäch-           kommenden Projekten wird öfters und
tige Lücken aufweisen. Wenn ein Unter-        kritischer hinterfragt und sehr genau
nehmen eine Pride Kollektion entwirft         unter die Lupe genommen. Die einen
und stolz verkauft, die aber größtenteils     lieben es, die anderen hassen es. Ob das
in Entwicklungsländern hergestellt wird,      Verhältnis zwischen Unternehmen und
in denen LGBTQ+ Menschen gesell-              Pride überhaupt etwas zustande bringt,
schaftlich nicht akzeptiert werden und        ist fraglich. Hilfe und Unterstützung
ihre Sexualität strafbar ist, macht das ei-   kommt in vielen Farben und Stimmen
nen stutzig. Wenn sich ein Unternehmen        zum Ausdruck, aber ob Regenbogen auf
in der Öffentlichkeit positiv zu der          Chucks während der Sommerzeit das
LGBTQ+ Bewegung ausspricht, bei               Richtige sind, ist Ansichtssache.
dem aber später aufgedeckt wird, dass es
an homophobe Politiker spendet, macht
einen das nicht nur stutzig, sondern auch
wütend.
Die Erfahrungen, die bereits gemacht
wurden, führen zu einem vorsichtigen
Herantasten der Community sowie ei-
nem schwierigen, sensiblen Vertrauens-
verhältnis zwischen Unternehmen und
LGBTQ+. Schließlich wird hier ver-
sucht, sich mit einer schwerwiegenden
gesellschaftlichen Thematik in Form von
Konsumprodukten auseinanderzuset-
zen, was wohl nicht die ideale Methode
ist, um Aufmerksamkeit auf das Problem

                                              Fakt ist, dass die Reaktionen nicht un-
                                              bedingt positiv ausfallen, wenn bemerkt
                                              wird, dass Sexualität ein Mittel für den
                                              erfolgreichen Kommerz wird. Repräsen-
                                              tation ist eine Sache, Vermarktung eine
                                              andere. Und das war wohl nicht das ver-
                                              folgte Anliegen bei den Stonewall Riots.

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