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5 2007 ifo Schnelldienst 60. Jg., 10.–11. KW, 16. März 2007 Zur Diskussion gestellt Joachim Wuermeling, Wulf H. Bernotat, Ulrich Grillo, Werner Bohnenschäfer, Jochen Weise Q Energiemangel – Rohstoffknappheit: Welche mittel- fristigen Perspektiven hat die deutsche Wirtschaft? Forschungsergebnisse Ferdinand Dudenhöffer Q Emissionshandel für die Autoindustrie Klaus Abberger und Wolfgang Nierhaus Q Das ifo Geschäftsklima: Ein zuverlässiger Frühindikator Daten und Prognosen Erich Gluch und Lars Hornuf Q Europäischer Nichtwohnbau weiterhin auf Wachstumskurs Joachim Gürtler und Arno Städtler Q Leasingbranche: Kräftige Erholung des Geschäftsklimas Gernot Nerb und Anna Stangl Q ifo Weltwirtschaftsklima leicht aufgehellt Im Blickpunkt Nick Hoffmann Q Lehrergehälter im internationalen Vergleich Hans G. Russ Q ifo Konjunkturtest Februar 2007 Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München
ifo Schnelldienst ISSN 0018-974 X Herausgeber: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München, Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: ifo@ifo.de. Redaktion: Dr. Marga Jennewein. Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, Prof. Dr. Gebhard Flaig, Dr. Chang Woon Nam, Dr. Gernot Nerb, Dr. Wolfgang Ochel, Dr. Heidemarie C. Sherman, Dr. Martin Werding. Vertrieb: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Erscheinungsweise: zweimal monatlich. Bezugspreis jährlich: Institutionen EUR 225,– Einzelpersonen EUR 96,– Studenten EUR 48,– Preis des Einzelheftes: EUR 10,– jeweils zuzüglich Versandkosten. Layout: Pro Design. Satz: ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Druck: Fritz Kriechbaumer, Taufkirchen. Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars.
ifo Schnelldienst 5/2007 Zur Diskussion gestellt Energiemangel – Rohstoffknappheit: Welche mittelfristigen Perspektiven hat die deutsche Wirtschaft? 3 Steigende Energiekosten und Rohstoffpreise, Unsicherheit hinsichtlich der Verläss- lichkeit der Energielieferungen und Verknappung auf den Rohstoffmärkten – Joachim Wuermeling, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sieht die Notwendigkeit einer neue Rohstoffstrategie für Deutschland, die derzeit von der Bundesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft entwickelt wird. Wulf H. Bernotat, E.ON AG, unterstreicht, dass die europäischen Länder energiepolitisch nicht mehr allein agieren können, wenn sie zukunftsfähige und effiziente Energiestrukturen in Europa aufbauen wollen. Und Jochen Weise, E.ON AG Ruhrgas, sieht die Politik ge- fordert. Sie solle die Sicherung der Energieversorgung künftig als eines der zentra- len Themen der Außenpolitik verfolgen. Ulrich Grillo, BDI, kann sich eine kapitalstar- ke »nationale Beteiligungsgesellschaft«, die die Rohstoffinteressen bündelt, vorstel- len. Nach Meinung von Werner Bohnenschäfer, Institut für Energetik und Umwelt gemeinnützige GmbH, Leipzig, muss sich mittelfristig die Wirtschaft auf ein hohes Preisniveau für Rohstoffe aller Art einstellen. Längerfristig müssten neue Technolo- gien, die neue – rohstoffseitig »unbegrenzt« verfügbare – Verbundwerkstoffe einset- zen, entwickelt werden, um die Wettbewerbsposition absichern. Forschungsergebnisse Emissionshandel für die Autoindustrie 20 Ferdinand Dudenhöffer Der Klimawandel zählt zu den größten Herausforderungen der Automobilindustrie. Obgleich eine Fülle technologischer Ansätze vorhanden sind, erreicht die europäi- sche Automobilindustrie nicht ihre selbstgesteckten Ziele zur Verringerung der CO2-Emissionen. Ein wichtiger Grund hierfür ist die geringe Zahlungsbereitschaft der Autokäufer für treibstoffsparende Technologien. Ferdinand Dudenhöffer, B&D- Forecast und Center Automotive Research (CAR) FH-Gelsenkirchen, schlägt die Einführung eines Handelssystems für Kohlendixiod-Emissionen vor, um die von der EU-Kommission vorgegebenen Ziele von durchschnittlich 130 Gramm CO2 pro Kilometer zu erreichen. Das ifo Geschäftsklima: Ein zuverlässiger Frühindikator 25 Klaus Abberger und Wolfgang Nierhaus Das ifo Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft ist ein viel beachteter Indi- kator für die Konjunktur in Deutschland. Im ifo Schnelldienst Nr. 3/2007 wurde be- reits auf die speziellen Vorlaufeigenschaften des Geschäftsklimas an konjunkturel- len Wendepunkten eingegangen. Als Referenzreihe diente die zyklische Kompo- nente des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im folgenden Beitrag sollen weitere wichtige Eigenschaften des Geschäftsklimas in Bezug auf die gesamtwirtschaftli- che Produktion aufgezeigt werden. Neben einer Untersuchung im Zeitbereich er- folgt eine vertiefte Datenanalyse im Frequenzbereich. Daten und Prognosen Europäischer Nichtwohnhochbau weiterhin auf Wachstumskurs 31 Erich Gluch und Lars Hornuf Nach den aktuellen Prognosen der Experten für die in der Euroconstruct-Gruppe zusammengeschlossenen 19 europäischen Länder wird im Nichtwohnbau bis
2009 ein durchschnittliches Wachstum von rund 2% pro Jahr erwartet. Dabei wird, neben Belgien und Irland, in allen vier mittelosteuropäischen Ländern mit ei- nem deutlich überdurchschnittlichen Wachstum gerechnet. Eine rückläufige Ent- wicklung wird lediglich für Portugal prognostiziert. Kräftige Erholung des Geschäftsklimas in der Leasingbranche – Aufschwung der Ausrüstungsinvestitionen hält an 37 Joachim Gürtler und Arno Städtler Nach den neuesten Ergebnissen des ifo Konjunkturtests Leasing hat sich der Ge- schäftsklimaindex im vierten Quartal 2006 deutlich aufgehellt. Die befragten Un- ternehmen bewerteten ihre momentane Situation spürbar günstiger. In den Ge- schäftserwartungen kam dagegen kaum erhöhte Zuversicht zum Ausdruck. Der Investitionsindikator lässt für die ersten Monate des Jahres 2007 noch keine Wachstumsverlangsamung bei den Ausrüstungsinvestitionen erkennen. ifo Weltwirtschaftsklima leicht aufgehellt 42 Gernot Nerb und Anna Stangl Das ifo Weltwirtschaftsklima hat sich im ersten Quartal 2007 wieder verbessert, nachdem es sich in der zweiten Jahreshälfte 2006 moderat abgekühlt hatte. Die Besserung betraf sowohl die Einschätzung der derzeitigen wirtschaftlichen Lage als auch die Erwartungen für die nächsten sechs Monate. Der ifo Wirtschaftskli- maindex für die Welt ist in den drei großen Wirtschaftsregionen Westeuropa, Nordamerika und Asien gestiegen und signalisiert damit eine weiterhin robuste Weltkonjunktur im ersten Halbjahr 2007. Im Blickpunkt Lehrergehälter im internationalen Vergleich 50 Nick Hoffmann Das Anfangsgehalt von Absolventen eines Lehramtsstudienganges in Deutsch- land liegt im internationalen Vergleich an der Spitze. Allerdings landen sie im Lau- fe der Berufsjahre im Mittelfeld der Gehälter, die Lehrern gezahlt werden. Zu die- sem Ergebnis kommt eine OECD-Studie, die Lehrergehälter an öffentlichen Schu- len vergleicht. Die aufgeführten Zahlen und Tabellen sind auch in der Institutionen- datenbank DICE des ifo Instituts zu finden. ifo Konjunkturtest Februar 2007 in Kürze 53 Hans G. Russ Das Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands tendierte im Februar erneut nach unten. Dabei wurden sowohl die Geschäftsaussichten als auch die Geschäftslage weniger positiv als im vorangegangenen Monat eingestuft. Mitteilung des Instituts Die 58. Jahresversammlung des ifo Instituts findet am Montag, den 25. Juni 2007, in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München statt. Als Gast- redner wird Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen, erwartet. Im An- schluss daran werden sich Minister Steinbrück, Roland Berger, Stefan Baron und Hans-Werner Sinn in einem Expertengespräch zum »Innovations- und Produk- tionsstandort Deutschland« äußern. Die Tagesordnung wird rechtzeitig bekannt gegeben.
Energiemangel – Rohstoffknappheit: Welche mittelfristigen Perspektiven hat die deutsche Wirtschaft? 3 Steigende Energiekosten und Rohstoffpreise, Unsicherheit hinsichtlich der Verlässlichkeit der Ener- gielieferungen und Verknappung auf den Rohstoffmärkten: Welche mittelfristige Perspektive hat die deutsche Wirtschaft? Neue Rohstoffstrategie Rohstoffe, BGR, (2005) mehr als 20% erforderlich der weltweiten Vorräte aus. Deutschland besitzt damit den weltweit größten An- Eine ausreichende und kontinuierliche Ver- teil an diesem Energierohstoff. Auch ei- sorgung mit mineralischen und Energie- nige Industrieminerale wie etwa Kalisalz rohstoffen ist eine wesentliche Grundlage sind in Deutschland in so großem Um- für die industrielle Produktion. Sie ist Vor- fang vorhanden, dass der überwiegen- aussetzung für nachhaltiges Wachstum in de Teil der Förderung gegenwärtig ex- Industriestaaten sowie in Schwellen- und portiert wird. Entwicklungsländern. Energierohstoffe stellen volkswirtschaft- Jeder Rohstoff hat eine geologische Af- lich in Deutschland die bedeutendsten finität zu bestimmten Gesteinen. Da die Rohstoffe dar. Wegen der hohen Abhän- Erdkruste jedoch im Verlauf ihrer Ent- gigkeit der deutschen Energieversorgung Joachim Wuermeling* wicklungsgeschichte regional unter- (über 60% des Primärenergieverbrauchs) schiedlichen Prozessen ausgesetzt war, und der gestiegenen Energiepreise, die sind Lagerstätten für Rohstoffe auf der vor allem auf die in den letzten Jahren Welt ungleich verteilt. Ihre Güte wird rasch angestiegene Nachfrage der Ent- durch verschiedene Faktoren bestimmt, wicklungs- und Schwellenländer zurück- z.B. durch Menge, Qualität oder Lage zuführen sind, ist die Sorge um eine si- des Rohstoffes. chere und preisgünstige Versorgung mit Energierohstoffen, vor allem mit Erdöl und Erdgas, besonders in den Fokus der po- Rohstofftradition in Deutschland litischen Diskussion gerückt. In Deutschland hat der Bergbau eine Jahr- hundert alte Tradition. Blickt man auf die Relativer Preis von Rohstoffen letzten 300 Jahre Bergbaugeschichte, so gesunken stellt man fest, dass die Rohstoffgewin- nung untrennbar mit der wirtschaftlichen Aber auch bei vielen anderen minerali- und gesellschaftlichen Entwicklung ver- schen Rohstoffen ist seit mehr als drei bunden ist. Jahren ein signifikanter Preisanstieg zu verzeichnen. Durchschnittlich haben sich Inzwischen ist Deutschland jedoch von Rohstoffe seit 2001 insgesamt nominal der Einfuhr der meisten Rohstoffe abhän- um mehr als 70% verteuert. gig, insbesondere von Metallen wie Kup- fer- oder Eisenerz oder von Energie- Ist nun zu befürchten, dass die Preise wei- rohstoffen wie Erdöl und Erdgas (vgl. ter steigen? Für die nominalen Preise trifft Tab. 1). Diese Abhängigkeit existiert al- lerdings nicht bei sämtlichen Rohstoffen. Tab. 1 So ist Deutschland beispielsweise in der Deutschlands Ausgaben für Rohstoffimporte 2005 Braunkohlenförderung weltweit führend. Importe Anteile kumulierte Deutschlands Reserven an Weichbraun- (in Mrd. ) (in %) Anteile (in %) kohle machen nach Angaben der Bun- Energierohstoffe 55,8 72,5 72,5 desanstalt für Geowissenschaften und Metallische Rohstoffe 16,2 21,0 93,5 Edelmetalle und Edelsteine 3,7 4,8 98,3 Nichtmetalle 1,3 1,7 100,0 * Dr. Joachim Wuermeling ist Staatssekretär beim Insgesamt 77,0 100,0 Bundesministerium für Wirtschaft und Techno- Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2006). logie. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 5/2007
4 Zur Diskussion gestellt dies in vielen Fällen zu. Entscheidend sind jedoch nicht die der Weltbevölkerung entscheidend an der Rohstoffnach- nominalen Preise eines Produktionsfaktors wie Arbeit oder frage beteiligt; China allein hat in den letzten sechs Jahren Rohstoffe, sondern die relativen Preise, das heißt die Preis- seinen Anteil am Weltverbrauch von Nichteisenmetallen auf verhältnisse, die zwischen den Produktionsfaktoren herr- rund 20% fast verdoppelt. schen. Im Vergleich zum Faktor Arbeit sind die Preise vieler Rohstoffe in der Vergangenheit stark gefallen. Das Rheinisch- Gleichzeitig sind die meisten Produktionskapazitäten der- Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (2006) hat in zeit vollständig ausgelastet. Da die Errichtung neuer Ge- seiner kürzlich für das Bundeswirtschaftsministerium ange- winnungskapazitäten in aller Regel eine Bauzeit von ca. fertigten Studie gezeigt, dass die realen Preise der meisten fünf Jahren erfordert, sind kurzfristige Produktionssteigerun- Rohstoffe in den letzten 100 Jahren kontinuierlich gesunken gen kaum möglich. und nicht etwa gestiegen sind. Das zeigt Tabelle 2 beson- ders deutlich im Fall von Aluminium, bei dem der Preis im Preisschwankungen auf den Rohstoffmärkten sind aber auch Vergleich zu den Löhnen stark gefallen ist. Motor des technologischen Fortschritts. In der Vergangen- heit hat sich immer wieder gezeigt, dass Hochpreisphasen Rohstoffmärkte galten lange Zeit als Musterbeispiel eines bei einzelnen Rohstoffen innovationsfördernd wirken. Dies funktionierenden offenen Welthandels. Dies war vor allem gilt für die Entwicklung neuer Werkstoffe ebenso wie für neue Ergebnis der Rohstoffpolitik der Industrienationen, die sich Energieversorgungstechnologien. Das Profil des derzeitigen jahrzehntelang um die Liberalisierung des Welthandels be- Rohstoffverbrauchs wird sich deshalb durch Technologie- mühten. entwicklungen und Substitution ändern. High-Tech-Metalle wie Tantal, Germanium und Platin werden voraussichtlich an Seit einigen Jahren sind allerdings stark gegenläufige Ten- Bedeutung gewinnen. denzen erkennbar. Dies ist u.a. Folge der sich verändern- den Rohstoffversorgungssituation in der jüngeren Vergan- genheit: Konnten in den letzten 25 Jahren Rohstoffe zu Technologische Fortentwicklung jeder Zeit in ausreichender Menge und kostengünstig er- worben werden, traten in letzter Zeit zunehmende Verknap- Durch Forschung und Entwicklung müssen Potentiale zur pungen auf, die zu Preisanstiegen führten. Dies ist Aus- Verbesserung der Effizienz des Material- und Energieeinsat- druck der üblichen Zyklizität der Preise an den Weltroh- zes identifiziert werden. Dies kann dazu beitragen, Import- stoffmärkten. abhängigkeiten zu reduzieren. Diese eher langfristig ange- legte Strategie ist auch deshalb sinnvoll, weil damit gleich- Eine physische Verknappung ist aus geologischer Sicht we- zeitig unerwünschte Umweltauswirkungen der Produktion der festzustellen, noch kurz- bis mittelfristig zu befürchten: verringert werden können. Die Erdkruste enthält für fast alle Industrierohstoffe noch aus- reichend Vorräte für Jahrhunderte. Vielmehr haben wir es Rohstoffgewinnung bietet auch die Chance auf nachhalti- derzeit mit technischen Verknappungen durch Engpässe bei ges Wachstum. Dies betrifft nicht nur die Industrienatio- Gewinnungs-, Verarbeitungs- und Transportkapazitäten zu nen, sondern insbesondere auch die ressourcenreichen tun, die durch eine deutlich steigende Nachfrage ausgelöst Schwellen- und Entwicklungsländer. Gerade die derzeiti- wurden. Insbesondere in den großen Schwellenländern ist ge Rohstoffpreissituation und die anhaltende Knappheit die Rohstoffnachfrage stark gestiegen. Die frühere Regel, vieler Rohstoffe auf den Weltmärkten eröffnen vielen res- dass 20% der Menschheit in Europa, Nordamerika und Ja- sourcenreichen Staaten die Möglichkeit, Nutzen aus ihren pan mehr als 80% der weltweiten Bergbauproduktion kon- Rohstoffvorkommen zu ziehen. Allerdings bleibt häufig ein sumieren, gilt nicht mehr. Mit China, Indien und anderen Wachstumsschub, insbesondere in vielen Entwicklungs- bevölkerungsreichen Schwellenländern sind heute über 50% ländern, aus. Tab. 2 Relation der Preise von Basismetallrohstoffen und Löhnen 1940 1950 1960 1970 1980 1990 1998 Aluminium 100,00 43,37 40,61 30,25 36,88 24,17 17,13 Kupfer 100,00 85,76 81,88 99,19 79,77 65,13 33,33 Blei 100,00 117,26 66,84 59,50 74,19 53,93 42,60 Nickel 100,00 58,94 61,84 72,62 76,81 70,05 29,31 Zinn 100,00 87,91 59,47 68,88 154,24 47,27 36,65 Zink 100,00 101,12 60,29 47,87 53,89 72,18 39,90 Quelle: Brown und Wolk (2000). ifo Schnelldienst 5/2007 – 60. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 5 Die Praxis zeigt, dass Ressourcenreichtum für viele Staa- Ich sehe die sichere, wirtschaftliche und umweltverträgli- ten auch mit Risiken verbunden ist. So gilt die Gewinnung che Rohstoffversorgung als eine wichtige Herausforderung von Rohstoffen – oftmals bedingt durch Raubbau, illegalen für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung in Deutsch- Handel oder fehlende Investition – als Ursache von vielfälti- land, in Europa und in der Welt an. Die ist Bundesregierung gen negativen Wirkungen, von der Umweltzerstörung bis hin geht sie, proaktiv, europäisch und international an. zu bewaffneten Konflikten. Daneben führen ineffiziente staat- liche Strukturen und Korruption dazu, dass sich die Verwen- dung von Ressourceneinnahmen an privaten Interessen ein- Literatur zelner Gruppierungen und nicht an gesellschaftlichen Ent- Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR (2005), Reser- wicklungszielen orientiert. ven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 2005, Kurzstu- die, Hannover. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass rohstoff- Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR (2006), Roh- stoffwirtschaftliche Länderstudien, Heft XXXIV, Bundesrepublik Deutschland reiche Entwicklungsländer im Rahmen von internationa- Rohstoffsituation 2005, Hannover. len Kooperationen verstärkt dabei unterstützt werden, ih- Brown, S.P.A. und D. Wolk (2000), »Natural Resource Scarcity and Techno- logical Change«, Economic and Financial Review (First Quarter), Federal Re- ren geologischen Untergrund weiter zu erkunden und ih- serve Bank of Dallas. re Rohstoffpotientiale im Sinne des Leitgedankens der Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und Bundesanstalt für Geowissen- »nachhaltigen Entwicklung« und einer »Good Governan- schaften und Rohstoffe (2005), Trends der Angebots- und Nachfragesitua- ce« weiter auszubauen. Der Prozess dazu ist erfreulicher- tion bei mineralischen Rohstoffen, Bericht zum Forschungsprojekt Nr. 09/05 weise in Gang gekommen: Entwicklungszusammenarbeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Essen. wird in Zukunft stärker auch an rohstoffwirtschaftlichen In- teressen ausgerichtet. Und zwar in einer Weise, die bei- den Seiten nützt: Den rohstoffreichen Entwicklungslän- dern, die ihre wirtschaftliche Entwicklung voranbringen und die Lebensbedingungen ihrer Bürger verbessern kön- nen, und den Rohstoffimportländern, die ihre Bezugsquel- len diversifizieren und einseitige Abhängigkeiten vermin- dern können. Neue Rohstoffstrategie für Deutschland Die Bundesregierung entwickelt derzeit gemeinsam mit der Wirtschaft eine neue Rohstoffstrategie für Deutschland. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für die Rohstoffwirtschaft in Deutschland zu verbessern. Viele Ideen und Handlungs- optionen liegen bereits auf dem Tisch und werden disku- tiert. Dazu zählen die Bekämpfung von Handels- und Wett- bewerbsverzerrungen im internationalen Rohstoffhandel so- wie der Kampf gegen unfaire oder auch unethische Prakti- ken beim Zugang zu Rohstofflagerstätten. Beabsichtigt ist auch, die allgemeinen rohstoffpolitischen Rahmenbedingungen zu verbessern. Bereits heute unter- stützt die Bundesregierung die Wirtschaft mit Expertise und stellt infrastrukturelle Grundlagen für die Rohstoffindustrie bereit. Hierzu zählen insbesondere die Finanzierung rohstoff- bezogener Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Bun- desbehörden, in Großforschungseinrichtungen der Helm- holtz-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft. Überlegungen der rohstoffverarbeitenden Industrie, sich selbst besser zu positionieren und sich gegebenenfalls ver- stärkt durch Rückwärtsintegration eigenen Rohstoffgewin- nungsengagements im Ausland zuzuwenden, sind noch nicht abgeschlossen. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 5/2007
6 Zur Diskussion gestellt zuführen, dürfen deshalb nicht im politischen Tagesstreit versanden. In den achtziger und neunziger Jahren war mit relativ nied- rigen Energiepreisen und scheinbar entspannten Weltener- giemärkten der Glaube gewachsen, die Energiefrage sei ge- löst und immer freiere und immer offenere Weltenergiemärk- te würden die Versorgung schon sichern. Von dieser Selbst- täuschung müssen wir uns heute verabschieden. Wir ste- hen vor neuen, großen Anstrengungen, unsere Abhängig- keit von fossilen Energieressourcen, die Europa zu immer größeren Anteilen importieren muss, zu vermindern. Dies verlangt von uns nicht nur die zunehmende Knappheit die- Wulf H. Bernotat* ser Ressourcen, sondern auch der Klimawandel. In der Her- ausforderung, hier innovative und effiziente Wege zu fin- den, liegen nach meiner Überzeugung die größten Risiken, aber auch die größten Chancen für die mittel- und langfris- Die knappste Ressource ist Realismus tige volkswirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und Europas. Noch wird die Größe dieser Aufgabe in der deut- Die größte Gefahr für das langfristige Wachstum unserer schen und europäischen Energiepolitik nicht in vollem Um- Volkswirtschaft sehe ich in Störungen der Energieversor- fang wahrgenommen. Häufig mangelt es an realistischer gung. Eine ausreichende, verlässliche und bezahlbare Ver- Analyse der globalen Trends, an Verständnis für das wirt- sorgung mit Energie war immer elementar für die Wachs- schaftlich Notwendige und Machbare sowie an dem nöti- tumsspielräume und die Wettbewerbsfähigkeit von Indus- gen Mut, den Märkten klare Ziele zu setzen, dann aber auch triegesellschaften – und ist es heute und in absehbarer Zu- deren Lösungen zu akzeptieren. kunft mehr denn je. Vor allem die großen, europäisch auf- gestellten Energieunternehmen haben die Aufgabe, ihre Möglichkeiten zu nutzen, um in Europa moderne und si- Steigende globale Energienachfrage chere Energiestrukturen aufzubauen. Wir bei E.ON stehen zu dieser Verantwortung. Die globalen Energietrends versprechen keine Entlastung: Die globale Energienachfrage steigt im Referenzszenario des Die globalen Energiemärkte werden dramatisch enger, und aktuellen »World Energy Outlooks« der Internationalen Ener- die Versorgungsrisiken nehmen weiter zu. Der Ölpreis hat gieagentur um gut die Hälfte bis 2030. Mehr als 70% des einen Niveausprung gemacht und andere Energiepreise Zuwachses kommt aus den Entwicklungsländern, davon weltweit mitgezogen. Kostengünstig förderbare Öl- und aus China allein 30%. Fossile Energie bleibt die dominie- Gasreserven gehen in wenigen Jahrzehnten zur Neige und rende Quelle. Die weltweiten CO2-Emissionen steigen um finden sich außerdem zu einem großen Teil in politisch fra- 55% bis 2030. Die Entwicklungsländer überholen die OECD gilen Regionen. Um die noch vorhandenen Vorkommen ist nach 2010 als größten Emittenten. Pro Kopf bleiben die CO2- ein Wettlauf zwischen den großen weltpolitischen Akteu- Emissionen der Entwicklungsländer gleichwohl deutlich un- ren USA, Russland, China und Indien entbrannt, die ihre au- ter denen der OECD-Länder. Claude Mandil, geschäftsfüh- ßenpolitischen Einflussmöglichkeiten gezielt einsetzen, um render Direktor der IEA, lässt keinen Zweifel am Ernst der Länder mit größeren Energiereserven in bilateralen Abkom- Lage: »Wenn wir auf unserem energiepolitischen Kurs wei- men an sich zu binden. Zimperlich sind sie dabei nicht. In terfahren, werden wir in den kommenden Jahrzehnten von das weltweite und leider auch in das europäische Energie- Krise zu Krise schlittern. Im letzten Jahr haben wir gesagt, geschehen ist die Politik – mit teilweise offen national-pro- dieser Kurs ist nicht nachhaltig. Dieses Jahr sind wir einen tektionistischen Strategien – zurückgekehrt. Wenn überall Schritt weiter: Er ist zum Scheitern verurteilt.« Die Hauptur- energiepolitischer Merkantilismus vordringt, muss Europa sache dafür sei der Mangel an Investitionen in moderne, ef- und auch Deutschland seine Energieinteressen nüchtern fiziente Infrastruktur. Die IEA hat ihre Schätzungen der bis definieren und eine langfristig angelegte, realistische Ener- 2030 benötigten Investitionen von 17 auf über 20 Bill. Dol- giestrategie entwickeln. Die Initiativen der Europäischen lar heraufgesetzt. Die Regierungen müssten die Rahmen- Kommission – sowie auch, in nationaler Perspektive, der bedingungen so steuern, dass die Unternehmen in saube- Bundesregierung –, die immer weiter auseinanderdriften- re Kraftwerke investierten und Energiesparen in allen Sek- den Teilgebiete der Energiepolitik strategisch zusammen- toren belohnt werde. Sie müssten auch dafür sorgen, dass es sich lohne, trotz der hohen Anfangskosten neue Kern- * Dr. Wulf H. Bernotat ist Vorsitzender des Vorstands der E.ON AG. kraftwerke zu bauen, denn ohne diese sei eine klimafreund- ifo Schnelldienst 5/2007 – 60. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 7 lichere Stromversorgung nicht denkbar. Dies hat auch die hungen der Europäischen Kommission, die Integration der Europäische Kommission in ihren »Energy Package« mit be- europäischen Energiemärkte zu verbessern. Vor allem ha- grüßenswerter Klarheit betont. ben wir zunächst in Deutschland die Initiative für mehr Wett- bewerb bei Strom und Gas ergriffen. Wir erhöhen die Bör- Der Klimawandel hat inzwischen die Welt der Computermo- sentransparenz beim Strom und fördern den Aufbau einer delle verlassen und die Wirklichkeit erreicht. Der neue Kli- Gasbörse, verstärken den grenzüberschreitenden Handel mareport des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate von Strom und Gas und bieten jetzt über unsere Vertriebs- Change) und der »Stern-Report« zu den wirtschaftlichen tochter »E wie einfach« erstmals bundesweit Strom und Gas Auswirkungen des Klimawandels machen deutlich: Die wis- aus einer Hand an. senschaftliche Debatte ist im Grundsatz beendet, wir müs- sen weltweit umsteuern auf immer CO2-ärmere Energie- strukturen – und wir müssen heute damit anfangen. Noch Unternehmerische Wettbewerbsinitiativen wird allerdings außerhalb Europas kaum entsprechend ge- handelt. Europa allein wird das Klimaproblem nicht ausrei- Der europäische Binnenmarkt braucht solche unternehme- chend entschärfen. Die Europäische Union hat aber die ent- rischen Wettbewerbsinitiativen, um die noch bestehenden scheidende Aufgabe, der Welt überzeugend zu demonstrie- Verkrustungen auszubrechen. Denn noch bestimmen viel- ren, dass Klimaschutz ohne ökonomische Einbußen mög- fältige nationale Interessen und Egoismen das europäische lich ist. Dieser Verantwortung muss die Ausgestaltung des Energiegeschehen. Neue Dynamik wird der Binnenmarkt nur europäischen Emissionshandels gerecht werden. Er muss gewinnen, wenn die Binnengrenzen durchlässig werden. klare Signale für den Ausbau klimafreundlicher Energietech- Dies gilt für den Handel mit Strom und Gas ebenso wie für nologien geben, darf aber die europäischen Volkswirtschaf- Unternehmenstransaktionen. Welche starken Impulse von ten auch nicht überfordern. Nichts schadet einer wirksamen grenzüberschreitenden Unternehmenserwerben ausgehen Klimapolitik mehr, als Weltuntergangsszenarien und hekti- können, zeigt das Übernahmeangebot von E.ON für die spa- scher Aktionismus. nische Endesa, das Reaktionen anderer europäischer Ener- gieunternehmen ausgelöst und zugleich nationale politische Blockaden aufgedeckt hat. Dies sind notwenige Klärungs- Entfaltung des europäischen Binnenmarks für prozesse, ohne die sich der Binnenmarkt nicht weiterent- Energie erforderlich wickeln kann. Wenn die einzelnen Mitgliedsländer ihre na- tionalen Energiemärkte abschotten und ihre nationalen Ener- Je schwieriger die globalen Herausforderungen werden, um- gieunternehmen protegieren, bleibt Europa energiewirt- so mehr wird deutlich, dass die europäischen Länder ener- schaftlich zersplittert und kann so in der heutigen Energie- giepolitisch nicht mehr allein agieren können. Sie brauchen welt keine starke Rolle spielen. Eine Politik nationaler Cham- eine gemeinsame Energiestrategie und deren Herzstück ist pions ist anachronistisch geworden. Im europäischen Bin- die weitere Entfaltung des europäischen Binnenmarks für nenmarkt haben Energieunternehmen verschiedenster Grö- Energie. Ich bin davon überzeugt, dass dieser große Markt ße und Ausrichtung ihren Platz, darunter aber auch große, in der Lage ist, Innovationskraft, unternehmerische Risiko- integrierte und europäisch aufgestellte Unternehmen, die in bereitschaft und nicht zuletzt das nötige Kapital auf die Lö- der Lage sind, Milliardenbeträge langfristig zu investieren sung der Aufgabe zu lenken, in Europa zukunftsfähige und und der Marktmacht außereuropäischer Rohstofflieferan- effiziente Energiestrukturen aufzubauen. Voraussetzung da- ten aus einer starken Position zu begegnen. Nur europaweit für ist allerdings, die Marktkräfte wirken zu lassen und den aktive Unternehmen können die Größenvorteile des Binnen- Energieunternehmen ausreichend Raum zu geben, um im markts heben. Wettbewerb die besten Lösungen zu entwickeln. Allerdings wird der Binnenmarkt noch nicht überall gelebt. In vielen Was große Anbieter leisten für den Aufbau einer wettbe- europäischen Märkten gibt es noch immer kaum echte werbsfähigen, sicheren und klimaschonenden Energiever- Wechselmöglichkeiten für die Kunden, in einigen Ländern sorgung für Europa, zeigen die Investitionen von E.ON. Wir dominieren nach wie vor Staatsunternehmen, häufig gibt werden in den nächsten drei Jahren über 22 Mrd. € in die es Eingriffe in die Preisbildung, die Markttransparenz ist noch europäische Energieversorgung investieren: Mit 11 Mrd. € ungenügend und manche Netze sind erst in Ansätzen ge- werden wir europaweit bestehende Kraftwerke moderni- öffnet. Hinzu kommt eine wachsende Anzahl politisch ver- sieren und neue bauen. Stromnetze werden wir mit fast anlasster, marktwidriger Sonderregelungen, vor allem für er- 6 Mrd. € modernisieren und ausbauen, Gasnetze mit neuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung. Und die 4 Mrd. €. Langfristig zentrale Projekte sind die Ostsee-Pipe- EU-Kommission gehört zu denen, die diese Sonderregeln line und der LNG-Terminal Wilhelmshaven. Wir planen uns noch ausbauen wollen. Im europäischen Vergleich ist die mit knapp 25% am sibirischen Gasfeld Yushno Russkoje Liberalisierung in Deutschland allerdings gut vorangekom- zu beteiligen. Ferner ist es uns im scharfen globalen Wett- men. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir die Bemü- bewerb gelungen, mit Gazprom Lieferverträge abzuschlie- 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 5/2007
8 Zur Diskussion gestellt ßen, die bis 2036 reichen und etwa einem Drittel der jähr- lich von uns beschafften Gasmenge entsprechen. Erneuerbare Energien und Energiesparen haben langfristig große Potentiale, fossile Energieimporte zu ersetzen und zu- gleich zum Klimaschutz beizutragen. Deshalb engagiert sich E.ON hier. Schon heute stammen 11% unserer Stromerzeu- gung, die rund 6 500 Megawatt zu unserer gesamten Strom- erzeugung beitragen. Wir sind der größte Wasserkraftbetrei- ber Europas. Ferner beteiligen wir uns beim größten Off- shore-Windpark in Großbritannien oder beim deutschen Pilotprojekt für Anlagen in besonders tiefem Wasser. Um die Möglichkeiten erneuerbarer Energien stärker zu nutzen, müs- sen wir auch hier europäisch denken und die bislang sehr Ulrich Grillo* unterschiedlichen Förderinstrumente der Mitgliedsländer in einem europäischen Rahmen zusammenführen. Politische Flankierung der Unterneh- Jede Energieeinheit, die gar nicht erst gebraucht wird, schont mensaktivitäten unverzichtbar das Klima, die Importrechnung und die Geldbeutel der Kun- den. Wichtig ist, den Energieverbrauchern die Furcht vor Der weltweite Kampf um Rohstoffe hat begonnen. Belege Komfortverlusten zu nehmen. Es geht nicht um Energieas- hierfür gibt es reichlich: Explodierende Energiekosten und kese, sondern um höhere Energieproduktivität. Diesem Ziel Metallpreise, erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Ab- dient zum Beispiel der Gebäudeenergiepass, für den wir ge- hängigkeit und Verlässlichkeit zukünftiger Energielieferun- meinsam mit der Deutschen Energieagentur ein Vermark- gen sowie extreme Verknappungen und Handelsverzerrun- tungskonzept entwickeln. Insgesamt 8 Mrd. € investieren gen auf den Metallmärkten und in Folge dessen Versorgungs- wir bis 2012 in erneuerbare Energien und höhere Energie- engpässe für die gesamte Wertschöpfungskette. effizienz. Ferner haben wir eine langfristig angelegte For- schungsinitiative gestartet, um klimaschonende Energie- Dabei wird deutlich: Energiemangel und Rohstoffknappheit technologien zu entwickeln. sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Dies ist nicht mehr nur von wirtschaftspolitischer, sondern inzwischen längst Bei allen unseren Aktivitäten für eine sichere, effiziente und auch von existentieller geostrategischer Bedeutung für un- klimaschonende Energieversorgung sehen wir uns als Part- sere Zukunft. Die mangelnde Verfügbarkeit von Rohstoffen ner unserer Kunden in Deutschland und Europa, deren wirt- zu wettbewerbsfähigen Bedingungen lässt die Wertschöp- schaftlicher Erfolg auch unser Erfolg ist. Gerade in turbu- fungskette reißen, zerstört funktionierende Recyclingkreis- lenten Zeiten ist es gut, starke Partner zu haben. läufe und gefährdet so die Wettbewerbsfähigkeit der deut- schen und europäischen Wirtschaft mit den entsprechen- den Konsequenzen für Wachstum, Beschäftigung und nach- haltige Entwicklung. Um diesen Herausforderungen wirksam begegnen zu kön- nen, wurde im März 2005 beim Bundesverband der Deut- schen Industrie die BDI-Präsidialgruppe »Internationale Roh- stofffragen« gegründet. Ziel ist, im engen Dialog mit der Po- litik eine strategisch ausgerichtete Rohstoffpolitik Deutsch- lands und Europas zur Sicherung der Verfügbarkeit von Roh- stoffen zu entwickeln. Die Welt hat sich verändert In den letzten Jahren hat sich die Welt von einer bipolaren hin zu einer Welt mit multipolaren Machtzentren verän- * Ulrich Grillo ist Vorsitzender des Vorstands der Grillo-Werke AG sowie Präsident der WirtschaftsVereinigung Metalle e.V. und Vorsitzender der BDI- Präsidialgruppe »Internationale Rohstofffragen«. ifo Schnelldienst 5/2007 – 60. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 9 dert. Länder wie Russland oder China betreiben eine er- im Sinne einer »makroökonomischen Kontrolle« der ge- kennbar geostrategisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik samten Wertschöpfungskette. Dies bedeutet, dass der mit dem klaren Ziel, ihr Land und ihre Wirtschaft mit mas- Staat eine Fülle handelspolitischer Instrumente einsetzt, die siver politischer Unterstützung zu positionieren und dabei – jedes für sich betrachtet – möglicherweise durchaus nach- den strategischen Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Aber vollziehbar sind. Da es sich dabei aber um ein flexibles, ge- auch andere Schwellenländer gewinnen an Einfluss und nau aufeinander abgestimmtes System handelt, wirkt es nutzen diesen. im Ergebnis höchst wettbewerbsverzerrend. Zudem ver- setzt es diese Länder in die Lage, bei zu starkem »exter- Russland nutzt seine riesigen Rohstoffvorkommen konse- nen politischen Druck«, eine beanstandete Maßnahme pro- quent als Vehikel der Außenpolitik und des Wiederaufstiegs blemlos abzuschaffen, um dann umgehend durch Einfüh- zur Supermacht. Der russisch-ukrainische Gaskonflikt 2005 rung einer anderen Maßnahme das gleiche Ergebnis zu er- sowie der Streit mit Weißrussland um die Energielieferun- zielen. Wir sind mit einem »moving target« konfrontiert, gen 2006 hat deutlich gemacht, wie abhängig und ver- mit den entsprechenden Schwierigkeiten, die Verzerrun- wundbar wir hinsichtlich unserer Rohstoffversorgung sind. gen zeitnah feststellen, nachweisen und erfolgreich be- Dies ist nicht nur bei den energetischen Rohstoffen zu be- kämpfen zu können. obachten, sondern zeigt sich zunehmend auch im nicht- energetischen Bereich. So fusionierten 2006 unter aus- So erstattete China beispielsweise bis Anfang 2006 die Ein- drücklicher Billigung der russischen Kartellbehörde und der fuhrumsatzsteuer auf Schrotte. Dadurch wurden die in- russischen Politik die Aluminiumunternehmen Rusal und ländischen Importeure in die Lage versetzt, auf dem Welt- Sual mit Glencore zum weltgrößten Aluminiumkonzern. Was markt höhere Preise zu zahlen als ihre Konkurrenten – und liegt näher, wenn man den strategischen Zugang zu Roh- damit die Verfügbarkeit von Schrotten für andere Wettbe- stoffen hat, als sich entlang der Wertschöpfungskette in werber zu verhindern. Dies ist deshalb bedeutsam, weil Richtung energieintensive Vorleistungsgüterindustrie zu in- NE-Metalle – wie beispielsweise Kupfer, Zink oder Alumi- tegrieren. Die dadurch möglich werdende strategische nium – fast vollständig recyclebar sind. Um aus Schrotten Steuerung des Bezugs von Vorleistungsgütern für Bran- wieder Metall zu erzeugen, werden – etwa bei Aluminium chen wie die Automobil-, die Elektroindustrie, des Ma- – nur bis zu 5% (!) der ursprünglich erforderlichen Energie schinenbaus, der Telekommunikationsbranche etc. hat un- benötigt. Aus ökonomischen und ökologischen Gründen absehbare Konsequenzen für Wettbewerbsfähigkeit und ist die Verfügbarkeit von Schrotten für die deutsche In- Arbeitsplätze in Europa. Man darf nicht vergessen, dass dustrie unverzichtbar. der Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten bei ei- ner Aluminiumhütte 40% (!) beträgt. Folge der Marktverzerrungen sind Verwerfungen in den Lie- ferströmen für Erze, Konzentrate und für Schrotte. Betrof- Chinas Aufstieg ins Zentrum der Weltwirtschaft und der da- fen sind zuerst die rohstoffverarbeitenden Unternehmen. Be- mit einhergehende Rohstoffhunger ist historisch beispiel- troffen sind aber auch alle nachgelagerten Wertschöpfungs- los. Innerhalb weniger Jahre ist das Land zum weltgröß- stufen – von der Stahl- und Metallverarbeitung, die in ho- ten Konsumenten von Stahl, Kupfer und Kohle und zweit- größten Konsumenten von elektrischer Energie und Erdöl hem Maße mittelständisch strukturiert ist –, bis hin zur Her- aufgerückt. Gleichzeitig erreicht das Land jährlich zweistel- stellung der Endprodukte. lige Wachstumsraten und wird voraussichtlich bereits im kommenden Jahr Deutschland als Exportweltmeister ab- lösen. Dabei ist China aggressiv auf den Weltmärkten, u.a. Verfügbarkeit von Rohstoffen ist Voraussetzung in Afrika, aktiv. So wurden mit einer Reihe von Pariastaa- für Wettbewerbsfähigkeit ten Allianzen geschlossen und in diesen zum Teil erhebli- che Investitionen getätigt. Inzwischen warnt der südafri- Die Verfügbarkeit von metallischen Rohstoffen ist von ent- kanische Präsident Mbeki bereits davor, dass Chinas qua- scheidender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der si-koloniale Aktivitäten in Afrika den Kontinent zur Unter- gesamten industriellen Wertschöpfungskette und hat Aus- entwicklung verdammen. wirkung auf unser tägliches Leben. Allein für die Produk- tion eines Autos werden über 40 verschiedene Rohstoffe Auch der Handel mit Primär- und Sekundärrohstoffen wird benötigt, beispielsweise Aluminium für die Karosserie, Zink unter strategischen Gesichtspunkten betrieben. Dabei wer- für die Verzinkung des Stahls, Palladium für den Kataly- den bewusst auch handels- und wettbewerbsverzerren- sator, Kupfer für die Bordelektronik und Blei für die Auto- de Instrumente eingesetzt. So schützen Russland und Chi- batterie. na – aber auch andere Länder wie Indien, die Ukraine oder Pakistan – ihre Wirtschaft mit gezielten Maßnahmen. Russ- Auch auf seltenere Metalle kann in der industriellen Pro- land und China betreiben dies zunehmend systematisch duktion nicht verzichtet werden, denn ihre Haupteinsatzbe- 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 5/2007
10 Zur Diskussion gestellt reiche sind Legierungen, die vor allem im High-Tech-Bereich bewerbspolitik, der Mittelstandspolitik, der Entwicklungs- benötigt werden. zusammenarbeit sowie der Europapolitik. Die deutsche und europäische Industrie ist dabei auf Roh- stoffe aus dem Ausland angewiesen. Bei den metallischen Handlungsspielräume der Wirtschaft Rohstoffen sind wir fast zu 100% von Importen abhängig. Auch einen guten Teil unseres Bedarfs an Sekundärroh- Die Wirtschaft ihrerseits muss dabei sorgfältig prüfen, inwie- stoffen müssen wir durch Importe decken. So werden der- weit innerhalb bzw. zwischen den Unternehmen und Bran- zeit in Deutschland bereits über 50% des Kupfers aus chen noch unausgeschöpfte Effizienzpotentiale liegen so- Schrotten hergestellt – fast die Hälfte davon muss impor- wie Handlungsspielräume bestehen. Diese gilt es konse- tiert werden. Die Konsequenz dieser handelsverzerren- quent zu heben und zu nutzen. Dabei muss jedes Unterneh- den Maßnahmen ist, dass der in Europa bestehende Re- men seine individuelle Risikomanagementstrategie entwi- cyclingkreislauf unterbrochen wird, die Sekundärrohstoffe ckeln, um Verknappungen oder Verteuerungen von Rohstof- abfließen, in Ländern wie China unter zum Teil katastro- fen, Vormaterialien etc. für das Unternehmen zu verhindern phalen umwelt-, gesundheits- und arbeitsschutzrechlichen bzw. abzufedern. Bedingungen bearbeitet werden. Wir sind also mehrfach geschädigt: Die Unternehmen investieren mehrstellige Mil- Eine intensive Diskussion wird derzeit über das Thema lionenbeträge in eine umweltfreundliche, energie- und ma- »Rückwärtsintegration«, d.h. der Beteiligung an Minen terialeffiziente Produktion und müssen dann mit ansehen, durch Hütten oder Weiterverarbeiter, geführt. So bezeich- wie der zum Betrieb dringend benötigte Rohstoff abfließt. nete der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministeri- Dies ist sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer um, Dr. Wuermeling, das Auslandsengagement deutscher Perspektive absurd. Rohstoffunternehmen als die »Gretchenfrage« des laufen- den Rohstoffdialogs zwischen Wirtschaft und Politik. Ob dies tatsächlich zutrifft, ist – zumindest im Metallbereich – Was muss geschehen? höchst fraglich. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So ist bei- spielsweise bei einer Kupferhütte das Investment enorm 1. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen bedarf es ei- kapitalintensiv. Die Beteiligung an einer Mine, die z.B. ner von Politik und Wirtschaft gemeinsam getragenen 500 000 t. Konzentrat pro Jahr fördern könnte, würde rund Strategie zur Sicherung der Rohstoffverfügbarkeit in 2 Mrd. US-Dollar kosten. Der jährliche Bedarf einer gro- Deutschland und Europa. ßen deutschen Kupferhütte wäre aber bereits heute ein 2. Deutschland als importabhängiges, exportorientiertes Mehrfaches. Zudem wäre durch die Beteiligung an einer Land ist auf freien Handel und funktionierende Spielre- Mine eine Risikodiversifizierung weder hinsichtlich der geo- geln angewiesen. Die deutsche Wirtschaft stellt sich dem graphischen Lage noch hinsichtlich der Metalle bzw. Roh- Wettbewerb des Marktes und bekennt sich klar zu den stoffe möglich. ordnungspolitischen Grundsätzen der freien Marktwirt- schaft. Allerdings müssen die marktwirtschaftlichen Spiel- Anfang 2007 schlug das DIW eine Bündelung der Rohstoff- regeln auch für alle Beteiligten gleichermaßen gelten. interessen in einer kapitalstarken »nationalen Beteiligungs- Eine erfolgreiche Rohstoffstrategie erfordert daher ei- gesellschaft« vor. »Diese könnte unter Begleitung durch staat- nen Wandel im Selbstverständnis bzw. der Rollenvertei- liche Förderinstrumente im Interesse der deutschen Verbrau- lung von Staat und Wirtschaft mit entsprechend effi- cher auf den Weltmärkten tätig sein.« Dieser Vorschlag geht zienter politischen Flankierung für den Fall eines Regel- grundsätzlich in die richtige Richtung. Er trägt der Erkennt- verstoßes. nis Rechnung, dass ein substantielles Engagement, das tat- 3. Rohstoffversorgung ist kein Selbstzweck, sondern un- sächlich zu einer spürbaren Verbesserung der Rohstoffver- abdingbare Voraussetzung für die nachhaltige Sicherung sorgung führen soll, erhebliche Finanzmittel im Milliardenbe- der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas. reich erfordert, die von einzelnen Unternehmen aus den Ohne eine Sicherung unserer Rohstoffversorgung ist ei- genannten Gründen nicht aufzubringen sind. Dadurch wä- ne Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft nicht re auch eine Risikodiversifizierung hinsichtlich der Regio- zu gewährleisten. nen und Rohstoffe möglich. 4. Eine erfolgreiche Rohstoffstrategie erfordert einen ganz- heitlich integrierten Ansatz mit entsprechend flankieren- Ob es sich im Ergebnis tatsächlich um eine »nationale Be- den Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen. Die teiligungsgesellschaft« oder ein wie auch immer geartetes Versorgung mit Rohstoffen ist nicht lediglich eine Aufga- Gebilde – etwa ein durch die Kreditanstalt für Wiederauf- be der Wirtschaftspolitik, sondern gleichermaßen der Au- bau (KfW) oder die Europäische Investitionsbank (EIB) – auf- ßen- und Sicherheitspolitik, der Energie- und Umweltpo- gelegter »geschlossener Rohstofffonds« handelt, der dann litik, der Technologie- und Innovationspolitik, der Wett- entsprechend staatlicherseits flankiert würde, wird sorgfäl- ifo Schnelldienst 5/2007 – 60. Jahrgang
Zur Diskussion gestellt 11 tig zu diskutieren sein. In diesem Zusammenhang stellt sich Im Bereich der Umweltpolitik geht es um die Sicherung ei- zumindest die Frage, ob eine derartige staatliche Beteiligung ner funktionierenden Kreislaufwirtschaft sowie um die Siche- nicht mindestens ebenso sinnvoll sein könnte wie die der- rung der Versorgung mit Sekundärrohstoffen. Eine Möglich- zeitigen Beteiligungen an Telekom, Deutscher Post oder keit, diese Situation zu verbessern, besteht in der Anwen- Deutscher Bahn. dung der Ende 2005 novellierten EU-Abfallverbringungsver- ordnung. Diese bietet Möglichkeiten, Abfallexporte aus der EU in Länder mit geringeren Umweltstandards zu verhin- Die Rolle der Politik dern, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass diese Stof- fe in den Zielländern nicht umweltverträglich nach EU-Stan- Angesichts der protektionistischen Rohstoffpolitik einzelner dards behandelt werden. Länder ist eine politische Flankierung der Unternehmensak- tivitäten unverzichtbar. Die Politik muss dafür Sorge tragen, Auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit muss dass der internationale Ordnungsrahmen funktioniert und die Berücksichtigung der Rohstoffversorgung eine zuneh- ein schlagkräftiges Instrumentarium geschaffen wird, mit mend wichtigere Rolle spielen. Am Beispiel des Engage- dem Verstöße zeitnah und konsequent geahndet werden ments Chinas in Afrika ist deutlich zu sehen, zu welch ne- können. Dabei geht es in der Handelspolitik auf multilatera- gativen Konsequenzen für eine nachhaltige ökonomische ler Ebene vor allem um die Reform des WTO-Instrumenta- und ökologische Entwicklung dies führen kann. Es geht da- riums, das nun angesichts der geänderten Herausforde- bei nicht darum, die gleichen Instrumente anzuwenden wie rungen auf Instrumente zur Sicherung einer effizienten Roh- China. Es geht aber sehr wohl um eine Diskussion darüber, stoffversorgung ausgeweitet werden muss. wie eine nachhaltige Entwicklung dieser Länder gefördert werden können. Der Beitritt zur WTO sollte davon abhängig gemacht wer- den, inwieweit auch die Bedingungen für einen fairen und freien Handel mit Rohstoffen sichergestellt sind. Ein negati- Rohstoffversorgung ist zentrales Element ves Beispiel hierfür waren die Verhandlungen um den WTO- unserer Wettbewerbsfähigkeit Beitritt der Ukraine. Ursprünglich bestand dort ein Export- verbot auf Metallschrotte. Da ein derartiges Exportverbot mit Die Versorgung mit Rohstoffen ist Voraussetzung für die den WTO-Regeln nicht vereinbar ist, wurde zunächst die nachhaltige Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit und Umwandlung in einen Exportzoll von 50% erreicht, der in Daueraufgabe von Politik und Wirtschaft. Nur mit einem den Folgejahren langfristig bis auf 15% gesenkt werden soll. gemeinsamen, umfassenden und strategischen Ansatz wer- Dieses Ergebnis bedeutet jedoch für die davon betroffenen den wir diese Herausforderung bewältigen. Das Bewusst- europäischen Unternehmen keinerlei Verbesserung. sein dafür wächst, dennoch stehen wir erst am Anfang des Kampfes um Rohstoffe. Grund hierfür ist, dass beispielsweise die Metallschrott ein- setzenden Hütten ihren Ertrag aus dem so genannten »Schmelzlohn« erzielen. Dieser beträgt nur einen Bruchteil des Metallpreises. Ein Zollsatz in Höhe von 15% wirkt so- mit im Ergebnis wie ein Exportverbot, denn er liegt weit über dem in der Regel erzielbaren Schmelzlohn. Im Rahmen bilateraler Freihandelsabkommen muss sicher- gestellt sein, dass die Versorgung mit Rohstoffen und die Wettbewerbsfähigkeit der in Europa produzierenden Vorleis- tungsgüterindustrie nicht gefährdet wird. Darüber hinaus müssen die bestehenden Handels- und Wettbewerbsver- zerrungen nachdrücklich bekämpft und durch die Politik flan- kiert werden. Hierzu gehört auch, dass im Rahmen der der- zeit stattfindenden Diskussion über eine Reform des hand- lungspolitischen Schutzinstrumentariums (Antidumping etc.) darauf geachtet wird, die Wettbewerbsfähigkeit der Unter- nehmen zu stärken und nicht etwa zu schwächen. Der von der EU-Kommission dabei verfolgte Ansatz, die derzeitigen Möglichkeiten künftig einzuschränken, geht in die völlig fal- sche Richtung. Bestrebungen, das europäische Antidum- ping-Recht einseitig aufzuweichen, sind abzulehnen. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 5/2007
12 Zur Diskussion gestellt dustrie- zur Dienstleistungsgesellschaft wandeln. Dies wurde als durchaus positive Entwicklung vermittelt. Kri- tische Stimmen – wie die von ifo Präsident Prof. Sinn – mahnen allerdings in jüngerer Vergangenheit unter dem Stichwort »Wandel zur Basarwirtschaft« vor der Verkür- zung der nationalen Wertschöpfungskette. Soll Deutsch- land – auch über einen mittelfristigen Zeithorizont hinaus – seine wirtschaftliche Perspektive nicht nur im interna- tionalen Handel oder der Technologieentwicklung haben, sondern sollen auch weiterhin Produkte »Made in Germa- ny« zur Wertschöpfung beitragen, werden wir auf eine industrielle Basisindustrie nicht verzichten können. Und hierzu gehört neben der Energiesicherheit auch die Roh- Werner Bohnenschäfer* stoffverfügbarkeit. Die Erde ist ein rohstoffreicher Planet und Katastrophen und Chancen liegen nahe Deutschland nur am falschen Platz beieinander Rückblickend wird immer von den »Energiekrisen« in den Von einer Katastrophe in die nächste 1970er und 1980er Jahren gesprochen. Eine neue Ener- giekrise wird vor dem Hintergrund des wachsenden Ener- Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft führt es gegenwärtig giehungers vor allem in Asien vorhergesagt bzw. sei schon auch den letzten Zweiflern vor Augen: Energie und Klima da. Trotz Fahrverboten – als symbolischer Fingerzeig der Po- werden die beherrschenden Themen der Gegenwart und litik – gab es in der Vergangenheit aber keinen Energieman- Zukunft sein. Unter apokalyptischem Blickwinkel steuern wir gel, so dass wir bisher allenfalls von »Energie-Preis-Krisen« in beiden Feldern auf eine Katastrophe zu, auch wenn es sprechen können, aber nicht von unzureichender Bereitstel- sich bei nüchterner Betrachtung wohl eher um einen Jahr- lung benötigter Energiemengen. zehnte dauernden Wandel handelt.1 Was wiederum nicht dahingehend interpretiert werden soll, dass wir uns beruhigt Ungeachtet dieser »beruhigenden« Historie muss sich die zurücklehnen können. Energieversorgung nicht mehr einzelnen Herausforderun- gen stellen, sondern es gibt eine Kumulierung komplexer Und nun auch noch die Rohstoffknappheit. Dazu noch aus- Problemlagen, die uns gegenwärtig und künftig beschäfti- gerufen nicht von den bekannten Bedenkenträgern der Na- gen werden. Ohne im Rahmen dieses Artikels einen An- tion, sondern vom Bundesverband der deutschen Indus- spruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, sei nachfol- trie (BDI). Nachdem im März 2005 der erste Rohstoffkon- gend auf einige relevante internationale und nationale Her- gress unter Teilnahme des Bundeskanzlers stattgefunden ausforderungen hingewiesen. hat, wird nunmehr im März 2007 vom BDI der zweite Roh- stoffkongress veranstaltet, um auf die problematische Roh- Der Weltenergiemarkt ist nach etwa eineinhalb Jahrzehn- stoffversorgung der deutschen Industrie hinzuweisen. Was ten wieder durch steigende Energiepreise gekennzeichnet. ist los – stehen wir neben Energie und Klima jetzt auch bei Insbesondere bei der Ölversorgung sind gegenwärtig die der Rohstoffversorgung am Abgrund? Grenzen der Förderkapazitäten weitgehend erreicht. Mit ei- nem Blick bis 2030 lässt sich die Situation wie folgt charak- terisieren2: Basisindustrie als unverzichtbarer Teil der nationalen Wertschöpfungskette – Die Weltenergienachfrage wird weiterhin durch ein steti- ges Wachstum (1,7%/a) gekennzeichnet sein. Der Autor hat bereits in der Schule – und das ist schon – Die bekannten Reserven und Ressourcen reichen für ei- einige Jahrzehnte her – gelernt, dass wir uns von der In- ne Versorgung bis 2030 und darüber hinaus aus. – Der zusätzliche Energiebedarf bis 2030 wird in China al- lein genauso groß sein wie der zusätzliche Bedarf der ge- * Werner Bohnenschäfer leitet den Bereich Energiewirtschaft im Institut für samten OECD. Energetik und Umwelt gemeinnützige GmbH, Leipzig. 1 Im Hinblick auf den Klimawandel sei hier auf das Interview mit dem Klima- forscher Dr. Hans von Storch vom Institut für Küstenforschung am GKSS- Forschungszentrum in Geesthacht im SPIEGEL vom 12. März 2007 ver- 2 Institut für Energetik und Umwelt gGmbH, Risiken bei Energierohstoffen, wiesen. Leipzig, 2005. ifo Schnelldienst 5/2007 – 60. Jahrgang
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