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bgkk.at 26. Jahrgang, Nr. 1 / Jänner 2016 30. Jahrgang, Nr. www.bgkk.at 2 / April 2018 Im Blickpunkt Information für Vertragspartner Cannabis als Wundermittel? Multiple Sklerose: Epidemiologie und Therapie Solidaritätsprinzip in der Praxis
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R Inhalt Vorwort Seite 3 Cannabis als Wundermittel? Evidenzbasierter Einsatz von Cannabinoiden Seite 4 Informationsplattform Arzneimittelsicherheit Seite 9 Gesundheitseffekte von Übergewicht und Fettleibigkeit in 195 Ländern über 25 Jahre Seite 11 Neu: Evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für die Betreuung von Erwachsenen/ Kindern mit Übergewicht oder Adipositas Seite 11 Multiple Sklerose: Epidemiologie und Therapie Seite 13 Solidaritätsprinzip in der Praxis Seite 15 Cannabinoide in der Schmerz- und Palliativmedizin Seite 17 Über die (Nicht-)Wirksamkeit teurer Krebsmedikamente Seite 17 State of Health in the EU – Österreich. Länderprofil Gesundheit 2017 Seite 18 Impressum und Offenlegung gemäß §§ 24, 25 Mediengesetz Medieninhaberin und Herausgeberin: Burgenländische Gebietskrankenkasse, gesetzliche Krankenversicherung, Siegfried Marcus-Straße 5, 7000 Eisenstadt, UID Nummer: ATU 16253300 Kontaktadresse: Dipl.-Ing. Berthold Reichardt, Behandlungsökonomie, Telefon +43 2682608-1405, E-Mail: berthold.reichardt@bgkk.at Vertretungsbefugte Organe der Burgenländischen Gebietskrankenkasse: Obmann Hartwig Roth, 1.Obmann-Stellvertreter Johann Wagner, 2.Obmann-Stellvertreterin Beate Horvath Direktor Mag. Christian Moder Aufsichtsbehörde: Die österreichische Sozialversicherung unterliegt der Aufsicht des Bundes. Oberste Aufsichtsbehörde ist die Bundesministerin für Gesundheit Erscheinungsweise: unregelmäßig ca. 4x jährlich Die Publikation und alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin/des Autors und nicht der Redaktion wieder. Sämtliche zur Verfügung gestellten Informationen und Erklärungen sind unverbindlich, die Burgenländische Gebietskrankenkasse übernimmt keine Gewähr oder Haftung für deren Richtigkeit oder Vollständigkeit und können daraus keinerlei Rechtsansprüche begründet werden. Grundlegende Richtung des peridischen Mediums: Fach- und Informationsblatt für die Vertragspartner/innen der Burgenländischen Gebietskrankenkasse und Entscheidungsträger/innen im Burgenländischen Gesundheitssystem Druck: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien Satz- und Druckfehler vorbehalten Bildquelle: Bilderbox, WGKK, BGKK, Nachdruck und Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher Genehmigung der BGKK gestattet 2
bgkk.at Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, der medizinische Einsatz von Cannabis- Die Multiple Sklerose wird aus unterschiedlichen produkten wird nicht nur häufig in Perspektiven behandelt: Epidemiologie aus Publikumsmedien thematisiert, einschlägige österreichischen Abrechnungsdaten, neue Zubereitungen wurden im letzten Jahr auch Therapieempfehlungen und die intravasalen häufiger rezeptiert. Der erste Beitrag bewertet Immunglobuline als Nichtempfehlung. dies aus medizinisch wissenschaftlicher, fachärztlicher Perspektive. Österreichische Zahlen zum Solidaritätsprinzip Die Gesundheit Österreich GmbH berichtet über und Zusammenfassungen aktueller das Österreichische Gesundheitsportal als ein Publikationen runden die Themenvielfalt ab. Informationsservice zur Unterstützung einer sicheren und effizienten Verschreibung von Arzneimitteln und die aktuelle Erweiterung zu Kinderarzneimittel. Freundliche Grüße Berthold Reichardt Übergewicht und Fettleibigkeit ist nicht nur in Österreich ein gesundheitliches Problem, die Prävalenz steigt weltweit. In einer Kooperation zwischen dem Hauptverband der öster- reichischen Sozialversicherungsträger und der Medizinischen Universität Graz wurde ein (Be-)Handlungspfad für Übergewicht & Adipositas erstellt. 3
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R Cannabis als Wundermittel? Evidenzbasierter Einsatz von Cannabinoiden Einleitung: Biologische Grundlagen: In letzter Zeit wird vor allem medial viel über Die beiden bekannten Cannabinoid- einen möglichen medizinischen Einsatz von Rezeptoren-Typen CB1 und CB2 sind unter- Cannabis oder cannabis-haltigen Produkten schiedlich verteilt:1 CB1 findet man im Gehirn gesprochen. Leider wird speziell in der und beeinflusst Gedächtnis, Emotions- Boulevardpresse Cannabis als Wundermittel verarbeitung, Kognition, Motivation und gegen Schmerzen, Depression, Schlafstörung Bewegungskoordination. Dieser Rezeptor ist und andere Krankheitsbilder angepriesen. In der somit auch für die psychoaktive Wirkung von Bevölkerung entsteht der Eindruck der Cannabis verantwortlich. CB2 ist im Körper weit Harmlosigkeit verbunden mit einem steigenden verbreitet und hat abgesehen von der Druck auf Mediziner, cannabis-haltige Modulation des Immunsystems auch Wirkungen Medikamente off-label zu verschreiben. auf unterschiedliche Organe wie Gastro- intestinaltrakt, Leber, Herz, Muskel, Haut und Die Cannabis-Pflanze enthält weit über hundert Reproduktionsorgane. unterschiedliche Cannabinoide, von denen nur eine Minderheit psychoaktiv wirken, allen voran Im Gegensatz zum fein abgestimmten Einfluss Tetrahydrocannabinol (THC) und der Endocannabinoide wie Anandamide kann Cannabidiol (CBD), die teils Gegenspieler sind. von außen zugeführtes THC eine übersteigerte Nur die weibliche Hanfpflanze der Gattungen Dopamin-Ausschüttung im ventralen Striatum „Cannabis sativa“ und „Cannabis indica“ bewirken, was letztlich verantwortlich ist für die enthalten in den Blüten und blütennahen Blättern berauschende Wirkung aber auch mögliche ausreichend THC, um eine Rauschwirkung zu psychotische Nebenwirkungen. Speziell beim erzeugen. Konsumiert wird Cannabis in Form Rauchen von Cannabis-Produkten kommt es von Marihuana oder Haschisch. Unter innerhalb weniger Sekunden zu einem Wirkein- Marihuana verstehen wir die getrockneten tritt, wobei die rasche Anflutung von THC das Blüten, Haschisch wiederum ist das Belohnungssystem besonders anregt und damit gewonnene Harz aus den Drüsen der Blüte. für das Suchtpotential verantwortlich ist. Auch Abgesehen vom Inhalieren des Rauches oder wenn die subjektiv meist angenehm empfundene Dampfes in Form von Joints oder Wasserpfeifen, Wahrnehmungsveränderung nur wenige kann THC durch die hohe Fettlöslichkeit in Öl Stunden anhält, kann die Verminderung der oder Butter gelöst und zum Kochen oder kognitiven und motorischen Funktionen noch Backen verwendet werden. Tage nachwirken und unter anderem die Fahrtüchtigkeit beeinflussen.2 Immer mehr Länder erlauben den Einsatz von Marihuana auf Rezept. Zuletzt ist nun seit März Abgesehen von den Wirkstoffen aus der Hanf- 2017 für besondere Fälle die Verschreibung in pflanze wurden seit Anfang der 1980er Jahre Deutschland legalisiert worden. Einen sinnvollen aus wissenschaftlichen Zwecken mehrere medizinischen Grund für den Einsatz dieser Hundert synthetische Cannabinoide entwickelt, getrockneten Blüten, die meist als Joints die seit Anfang dieses Jahrtausends unter geraucht werden, gibt es nicht. Denn verschreib- Namen wie „Spice“ oder „K2“ eine zunehmende bare Arzneimittel auf Basis von Cannabis gibt es Rolle als illegale Drogen spielen, da sie meist bereits. stärker wirken als THC und leider noch günsti- 4
bgkk.at ger erhältlich sind. Der größte Teil hiervon wird rung zwischen 15 und 64 Jahren an, zumindest in China mehr oder weniger legal produziert und einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert über das Internet gehandelt. zu haben. Die Zahl derer, die Cannabis in den letzten 30 Tagen konsumiert hat, liegt bei den Aber auch natürliches Cannabis wird zuneh- letzten Erhebungen um 5 Prozent, allerdings mit mend gefährlicher, denn die Konzentration von einer deutlich steigenden Tendenz in den THC ist in den letzten drei Jahrzehnten um das letzten 15 Jahren. Genaue Angaben zur 10- bis 15-fache gestiegen durch entsprechend Prävalenz von Cannabis-Abhängigkeit liegen in professionelle Züchtungen. Da die Hanfpflanze Österreich nicht vor. In Deutschland leiden laut THC und CBD aus der gleichen Vorläufersubs- Deutscher Hauptstelle für Suchtfragen tanz synthetisiert, geht die erhöhte THC-Pro- 0,5 Prozent an Cannabis-Abhängigkeit und duktion auf Kosten Zusammenfassung: der CBD-Synthese. Dadurch weitere 0,5 Prozent an Cannabis-Abusus nach ist das heutige Marihuana nicht nur weit ge- DSM IV Kriterien. Cannabis-haltige fährlicher als früherArzneimittel wegen dem können für manche Indikationen nach Ausschöpfung anderer extrem hohen Alternativen THC-Gehalt von einebis legitime Möglichkeit zu 30 Prozent, darstellen. Wie sondern bei anderen Langfristige Medikamenten Folgen des auch müssen hier Wirksamkeit und potentielle auch wegen der niedrigen CBD-Konzentration. Nebenwirkungen sorgfältig Cannabis-Konsums: abgewogen werden. CBD wirkt Medial wirdbei entsprechender Cannabis Dosis antipsycho- in den letzten Jahren als Freizeitdroge Im Gegensatz weitgehend zum Mythos, verharmlost und als Cannabis wäre eine tisch und könnte Medikament zumsoWundermittel die Psychosehochgepriesen. als Nebenwir- Dadurch wird die Kluft zwischen der harmlose Droge, gibt es zunehmende Evidenz kung des THC von Mystifizierung verhindern. Cannabis Nochundvorden 20 Jahren tatsächlichenfürwissenschaftlichen Fakten die Gefährlichkeit eines immer größer. regelmäßigen Kon- lag im Die Marihuana ein Legalisierung vonVerhältnis Cannabis zwischen THC als Genussmittel ist keine medizinische sondern eine sums. An dieser Stelle können nur beispielhaft und CBD von ca. 10 zu 1Frage. gesellschaftspolitische vor. Heute ist eseiner Vorteile fast solchen Legalisierung einige wären wenige Studien Entkriminalisierung zitiert werden. Im Rahmen der Konsumenten, Entlastung der Exekutive und Justiz, 100 zu 1 für THC. 3 Somit ist das Argument jener, einer 25 Steuereinnahmen usw. Der Nachteil Jahre dauernden Langzeit-Studie in läge in der in die meinen erhöhten Verfügbarkeit, den 1960er, 70er oder 80erwelcheJahresicherlich zu mehr Konsum und damit mehr Neuseeland wurden bei 1000 Personen Verän- assoziierten Erkrankungen Marihuana geraucht zu habenführen würde.einen ohne davon Aufgabederungen der Medizindes ist es, einerseits (IQ) zwischen Intelligenz-Quotient entsprechende Schaden genommen Aufklärungsarbeit zu haben nichtzu leisten und andererseits unbedingt die gleichen dem 18. und 38. Lebensjahr Qualitätsstandards gemessen und wie auch bei umlegbar anderen auf das heutigeArzneimittel Marihuana.anzuwenden. mit dem individuellen Cannabis-Konsum korre- liert.4 Bei den Personen, die als Minderjährige Prävalenz von Konsum und Sucht: mit regelmäßigem Konsum begannen, fiel der Abbildung 1: Veränderung des IQ Laut Drogenbericht der Gesundheit Österreichvom 18. bis zumIQ38. bisLebensjahr durch Cannabis. zum 38. Lebensjahr hoch signifikant um Signifikante Reduktion des IQ bei GmbH geben 20 bis 25 Prozent der Bevölke- Beginn des regelmäßigen ca. 10 Prozent (p=0,0002) (siehe in Cannabis-Konsums der Abbildung 1). Jugend. Abbildung 1: Veränderung des IQ vom 18. bis zum 38. Lebensjahr durch Cannabis. Signifikante Reduktion des IQ bei Beginn des regelmäßigen Cannabis-Konsums in der Jugend. Literatur 1. Hu SS et al: Distribution of endocannabinoid system in the central nervous system. In: Pertwee RG: Handbook of experimental pharmacology. Springer 2015 5 2. Volkow ND: Adverse health effects of marijuana use. NEJM 2014; 370(23): 2219-27 3. ElSohly MA et al: Changes in Cannabis Potency Over the Last 2 Decades (1995-2014):
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R Andere Faktoren wie Schulbildung, Alkohol- oder allerdings nicht legal, weshalb der Umweg über Drogenkonsum und psychische Erkrankungen CBD beschritten wird. Nabilone ist ein voll wurden statistisch kontrolliert und erklären somit synthetisches THC-Analogon. Während Drona- nicht dieses Ergebnis. Auch wenn diese Studie binol und Nabilone ausschließlich THC bzw. ein kontrovers diskutiert wurde, stellt sich die Frage, THC-Derivat enthalten, besteht Sativex aus etwa ob die betroffenen Personen bei weiterem gleich viel THC und CBD, und ist somit häufigen Cannabis-Konsum im Laufe der medizinisch gesehen sinnvoller, weil Cannabidiol kommenden Jahrzehnte einer vorzeitigen Nebenwirkungen des THC wie Psychose entge- dementiellen Entwicklung entgegensteuern genwirkt. Sativex ist allerdings in Österreich nicht werden. im Erstattungscodex und die Kosten werden nur im ausreichend begründeten Einzelfall übernom- Dass es einen Zusammenhang zwischen men. CBD selbst gilt als Nahrungsergänzungs- THC-Konsum und gehäuftem Auftreten von mittel und wird somit ohne strenge Auflagen Schizophrenie gibt, ist oft beschrieben worden. von verschiedensten Firmen angeboten. Diese Mittels PET-CT konnte gezeigt werden, dass Regelung ist nicht nachvollziehbar, auch wenn auch bei Verwandte ersten Grades von Schizo- CBD keine berauschende Wirkung und kein phrenen nach einmaligem Cannabis-Konsum die Suchtpotential birgt. Dopamin-Ausschüttung stark ansteigt im Striatum, bei Gesunden ohne genetische Vor- Die klassischen Indikationen der THC-haltigen belastungen hinsichtlich Psychose aber kaum.5 Arzneimittel ist Übelkeit unter Chemotherapie Genetische Faktoren sind also relevant für die und Kachexie bei lebensbedrohlichen Erkran- Entwicklung einer chronischen Psychose durch kungen. Ansonsten hilft THC manchmal bei Cannabis. Spastik z.B. im Rahmen von multipler Sklerose oder bei neuropathischen Schmerzen. In letzter Zeit beschreiben immer mehr wissen- Bei all diesen Erkrankungen können die am schaftliche Veröffentlichungen die Zusammen- Markt befindlichen THC-Medikamente zwar hänge zwischen dem Rauchen von Canna- helfen, allerdings sind die Nebenwirkungen bis-Produkten und Pneumonie, chronische häufig stärker als bei anderen Medikamenten Bronchitis, COPD und Lungenkrebs.6 für die gleichen Indikationen, so dass von einem Mittel 1. Wahl nicht gesprochen werden kann. Dauerhafter Cannabis-Konsum bewirkt deutliche Und der Einsatz von Marihuana selbst wird Leistungseinbußen bei Gedächtnis, Motivation entsprechend der vorliegenden Daten für diese und kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit. Indikationen explizit nicht empfohlen.8 Für andere Bei Beginn des regelmäßigen Konsums in der Erkrankungen wie Morbus Crohn, rheumatische Jugend können diese Symptome auch nach oder gar psychiatrische Erkrankungen wird vom Beendigung des Cannabis-Abusus persistie- Einsatz von jeglichem Cannabis abgeraten.9 ren.7 Da die Prozesse der Hirnreifung ungefähr bis zum 25. Lebensjahr andauern, sollte also Interessant könnte in Zukunft die Anwendung aus medizinischer Sicht vom Cannabis-Konsum von CBD in der Medizin werden. Es wirkt zwar nicht nur während der Jugend, sondern auch nicht berauschend, hat aber unter anderem während des jungen Erwachsenenalters dringlich antiepileptische, anxiolytische und antipsychoti- abgeraten werden. sche Eigenschaften.10 In einer Studie wurden Amisulprid und CBD Cannabis als Medizin: doppelblind in ihrer antipsychotischen Wirkung Dronabinol ist ein Medikament, das in einem bei akuter Schizophrenie verglichen bei gleicher etwas umständlichen Prozess aus der natür- Dosierung von 600 bis 800 mg. Beide lichen Hanfpflanze gewonnen wird, in dem das Substanzen schnitten fast gleich gut ab.11 CBD extrahiert wird, um daraus in einem che- Tatsächlich hat die Pharmaindustrie bereits mischen Verfahren THC herzustellen. Natürlich begonnen, Hanfpflanzen zu züchten, bei denen wäre es per se viel einfacher, von vornherein aus das Verhältnis zwischen CBD und THC der Pflanze THC zu extrahieren. Dies ist umgekehrt also zu Gunsten von CBD ist. 6
bgkk.at Für die Anwendung als Freizeitdroge spielen Vorteile einer solchen Legalisierung wären solche Züchtungen mangels berauschender Entkriminalisierung der Konsumenten, Entlas- Wirkung natürlich keine Rolle. tung der Exekutive und Justiz, Steuereinnahmen Die üblichen Qualitätsstandards in der Medizin usw. Der Nachteil läge in der erhöhten Verfüg- erfordern bei der Verschreibung eines Arznei- barkeit, welche sicherlich zu mehr Konsum und mittels die genaue Angabe der Substanz, damit mehr assoziierten Erkrankungen führen Dosierung, Einnahmefrequenz und -dauer. würde. All dies ist bei der Anwendung von Marihuana nicht möglich. Weder kann man die Substanz Aufgabe der Medizin ist es, einerseits entspre- eingrenzen, da die Blüte der Hanfpflanze viele chende Aufklärungsarbeit zu leisten und ande- verschiedene Cannabinoide enthält, von denen rerseits die gleichen Qualitätsstandards wie auch die meisten noch nicht einmal in ihren Wirkungen bei anderen Arzneimittel anzuwenden. und Nebenwirkungen ausreichend untersucht sind. Literatur 1. Hu SS et al: Distribution of Ebenso wenig ist eine genaue Dosis- endocannabinoid system in the central angabe möglich, zumal je nach Gattung und nervous system. In: Pertwee RG: Handbook Züchtung die Konzentration von THC und das of experimental pharmacology. Springer 2015 Verhältnis von THC zu CBD unterschiedlich sind. Dementsprechend machen Angaben zu 2. Volkow ND: Adverse health effects of Einnahmefrequenz und Dauer auch wenig Sinn. marijuana use. NEJM 2014; 370(23): Und je nach Applikationsform, also Rauchen 2219-27 des Joints, Inhalieren des Dampfes mittels 3. ElSohly MA et al: Changes in Cannabis Wasserpfeife oder Zubereitung in Lebensmittel, Potency Over the Last 2 Decades unterscheidet sich auch die aufgenommene (1995-2014): Analysis of Current Data in Menge, Absorptionsgeschwindigkeit, maximaler the United States. Biol Psychiatry 2016; Blutspiegel und Wirkdauer. Somit widerspricht 79(7):613-9 die Verschreibung von Marihuana als Medika- 4. Meier MH et al: Persistent cannabis users ment jeglichem Standard der modernen show neuropsychological decline from evidenzbasierten Medizin. Dies wiederrum wirft childhood to midlife. Proc Natl Acad Sci die Frage auf, ob das Rezeptieren von 2012; 109(40):e2657-64 Marihuana ethisch vertretbar wäre, sofern 5. Kuepper R et al: Delta-9-tetrahydro- gesetzlich zugelassen wie in weiten Teilen der cannabinol-induced dopamine release as USA und seit Kurzem in Deutschland. a function of psychosis risk: 18F-fallypride positron emission tomography study. PLoS Zusammenfassung: One 2013; 8(7):e70378 Cannabis-haltige Arzneimittel können für 6. Macleod J et al: Cannabis, tobacco smoking, manche Indikationen nach Ausschöpfung and lung function: a cross-sectional anderer Alternativen eine legitime Möglichkeit observational study in a general practice darstellen. Wie bei anderen Medikamenten auch population. Br J Gen Pract 2015; müssen hier Wirksamkeit und potentielle Neben- 65(631):e89-95 wirkungen sorgfältig abgewogen werden. 7. Hall W et al: The health and social effects of Medial wird Cannabis in den letzten Jahren als nonmedical cannabis use. WHO 2016 Freizeitdroge weitgehend verharmlost und als Medikament zum Wundermittel hochgepriesen. 8. Petzke F et al: Efficacy, tolerability and safty Dadurch wird die Kluft zwischen der Mystifizie- of cannabinoids for chronic neuropathic pain: rung von Cannabis und den tatsächlichen A systematic review of randomized controlled wissenschaftlichen Fakten immer größer. Die trials. Schmerz 2016;30(1):62-88 Legalisierung von Cannabis als Genussmittel ist 9. Fitzcharles MA et al: Efficacy, tolerability and keine medizinische sondern eine gesellschafts- safty of cannabinoids in chronic pain politische Frage. associated with rheumatic deseases 7
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R Buchtipp: Autor: Dr. Kurosch Yazd verharmlost wird und wer daran ve (fibromyalgia syndrome, back pain, osteoarthritis, rheumatoid arthritis): A systematic review of randomized controlled trials. Schmerz. 2016;30(1):47-61 10. Devinsky O et al: Cannabidiol: pharmacology and potential therapeutic role in epilepsy and other neuropsychiatric disorders. Epilepsia. 2014; 55(6):791-802 11. Leweke FM et al: Cannabidiol enhances anandamide signaling and alleviates psychotic symptoms of schizophrenia. Transl Psychiatry 2012; 20;2:e94 Buchtipp: Autor: Dr. Kurosch Yazdi, Titel: Die Cannabis- Lüge. Warum Marihuana verharmlost wird und wer daran verdient. Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2017, Berlin Verfasser: Dr. Kurosch Yazdi, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Leiter der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin, Kepler Universitätsklinikum kurosch.yazdi@kepleruniklinikum.at 8
bgkk.at Informationsplattform Arzneimittelsicherheit Plattform unterstützt bei sicherer Arzneimittelverschreibung und Vermeidung von Medikationsfehlern Ärztinnen und Ärzte sind bei der Verschrei- zum Arzneimittelsystem und dient dem raschen bung von Arzneimitteln mit zahlreichen Nachlesen wie der individuellen Fortbildung. Informationen und Anforderungen konfrontiert. Zu finden ist sie im Bereich Professional unter Besondere Herausforderungen stellen sich bei „gesundheit.gv.at“. Es gelten die strengen Quali- Zielgruppen wie Älteren oder Kindern, bei- tätskriterien des österreichischen Gesundheits- Informationsplattform Arzneimittelsicherheit spielwiese durch Polypharmazie oder erhöhten portals, wie Transparenz und Unabhängigkeit. Off-Label-Use. Leitlinien und Informationen dazu Plattform unterstützt bei sicherer Arzneimittelverschreibung und Vermeidung von sind oft nicht „auf einen Griff“ zu finden. Themenschwerpunkt Die Gesundheit Österreich GmbH hat daher Medikationsfehlern „Polypharmazie & ältere Menschen“: Anfang 2017 im Österreichischen Gesundheits- Gerade im höheren Lebensalter steigt das Risiko Mag. Heidi Stürzlinger portal ein Informationsservice zur Unterstützung von Arzneimittelwechselwirkungen durch die Gesundheit Österreich GmbH einer sicheren und effizienten Verschreibung von gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente. Stubenring 6, 1010 Wien Arzneimitteln eingerichtet. Viele Substanzen oder Substanzkombinationen Ärztinnen und Ärzte sind bei der Verschreibung sindvon außerdem nicht fürmit Arzneimitteln ältere Menschen unter- zahlreichen Ziel der Plattform ist es, „Health Professionals“ sucht. Auch Leitlinien gehen meist bestenfalls Informationen zu ausgewähltenund Anforderungen Themen konfrontiert. Besondere Herausforderungen stellen sich mit evidenzbasierten kursorisch auf diese Patientengruppe ein. Inter- Informationen und praxisrelevanten Instrumen-beispielwiese bei Zielgruppen wie Älteren oder Kindern, durch Polypharmazie oder erhöhten aktionen, Wechselwirkungen (auch zwischen Off-Label-Use. ten in gebündelter Leitlinien Form zu und Informationen versorgen. Sie bietetdazu verschriebenen sind oft nicht „auf einen Griff“ zu rezeptpflichtigen finden. Die Medikamenten Zugriff sowohl auf themenbezogene Tools Gesundheit Österreich GmbH hat daher Anfang 2017und im Österreichischen und OTC-Präparaten Gesundheitsportal oder Nahrungsergän- Leitfäden, als auch auf allgemeine Grundlagen ein Informationsservice zur Unterstützung einer sicheren zungsmitteln) „Therapiemüdigkeit“ und effizienten und für von Verschreibung diese Arzneimitteln eingerichtet. Ziel der Plattform ist es, „Health Professionals“ zu ausgewählten Themen mit evidenzbasierten Informationen und praxisrelevanten Instrumenten in gebündelter Form zu 9 versorgen. Sie bietet Zugriff sowohl auf themenbezogene Tools und Leitfäden, als auch auf allgemeine Grundlagen zum Arzneimittelsystem und dient dem raschen Nachlesen wie der
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R Zielgruppe potenziell inadäquate Medikation ge- unterschiedlichen Ebenen aufgegriffen: Einerseits hören zu den Herausforderungen und bewirken soll durch mehr Kinder einschließende Arzneimit- in Summe möglicherweise, dass Therapieziele telstudien das Wissen zum Thema Arzneimittel nicht erreicht werden. Verschiedenste Strategien für Kinder und die Zahl der Zulassungen von wurden in den letzten Jahrzenten international Arzneimitteln für Kinder erhöht werden. Ande- und national entwickelt, um dem zu begegnen rerseits gilt es, den verschreibenden Ärztinnen und negative Folgewirkungen zu reduzieren; und Ärzten konkrete Hilfestellungen in die Hand dabei geht es sowohl um das Weglassen unge- zu geben – so wurden in verschiedenen euro- eigneter als auch die Aufnahme geeigneter Me- päischen Ländern Projekte zur Entwicklung von dikamente ins Therapieregime. Instrumente zur Online-Datenbanken für pädiatrische Dosierun- Medikationsbewertung unterstützen beispiels- gen verwirklicht. weise dabei – periodisch oder anlassgebunden – individuelle Medikamentenlisten von Patientin- Die Plattform bietet Detailinformationen zu nen/Patienten zu durchforsten und systematisch folgenden Themenbereichen: zu überprüfen. • Kurzzusammenfassungen relevanter Informa- tionen zur Anwendung von Arzneimitteln Die Plattform bietet Detailinformationen zu an Kindern, folgenden Themenbereichen: • eine Übersicht zu Datenbanken zur Anwen- • Leitfragen zur Medikationsbewertung: dung von Arzneimitteln an Kindern (jeweils Ein Gerüst an Leitfragen wie beispielsweise gegliedert nach Quelle/Zugriffsmöglichkeit, beim „Medication Appropriateness Index“ Land, Sprache, Pro und Kontra, inhaltlicher (MAI) hilft, strukturiert und pro Medikament Fokus, Anwenderzielgruppe) alle wichtigen Punkte, von der Indikation über • Kurzzusammenfassungen relevanter Informa- Wechselwirkungen bis hin zur Therapiedauer tionen zur Forschung von Arzneimitteln an und Wirtschaftlichkeit durchzugehen und be- Kindern. rücksichtigt eine mögliche Unterversorgung. • Listen „potenziell ungeeigneter“ bzw. Erarbeitet werden die Inhalte für die Seite „potenziell geeigneter“ Medikamente über eine Internet- und Literaturrecherche, er- wie z.B. die Österreichische PIM-Liste gänzt durch den Austausch mit einschlägigen • Leitlinien, Leitfäden, Broschüren Expertinnen/Experten. Nach Sichtung und Be- • Weitere Informationen wertung der Informationsquellen nach vorher z.B. über Literatur zum Weiterlesen und festgelegten Kriterien wird die Konzeptfassung Österreichische Studien in einem Workshop ärztlichen und pharmazeuti- schen Expertinnen/Experten aus verschiedenen Themenschwerpunkt Bereichen des Gesundheitswesens präsentiert „Kinderarzneimittel“: und zur Diskussion gestellt. Die Verschreibung von Arzneimitteln für Kinder WEITERE INFORMATIONEN: und Jugendliche stellt Ärztinnen und Ärzte vor https://www.gesundheit.gv.at/gesundheitssys- eine besondere Herausforderung, da für viele tem/professional/arzneimittelsicherheit/inhalt Arzneimittel - aufgrund fehlender Studiendaten - eine pädiatrische Indikation fehlt oder nur die An- wendung an bestimmten Altersgruppen empfoh- len wird. Das zieht die verstärkte Notwendigkeit eines Off-Label-Einsatzes nach sich. Zahlreiche Projekte in Österreich, anderen europäischen Ländern, und auf EU-Ebene verdeutlichen die Aktualität der Thematik. Entsprechende Leitlinien werden von Fachgesellschaften entwickelt, in vielen Bereichen fehlen jedoch fundierte Daten. Die Problematik des Off-Label-Use wird auf 10
bgkk.at Gesundheitseffekte von Übergewicht und Fettleibigkeit in 195 Ländern über 25 Jahre (1) Die „Global Burden of Disease 2015 Obesity rechtzeitige Identifikation von Übergewicht und Collaborators“ haben Daten von 68,5 Millionen Adipositas gepaart mit der Implementierung und Personen im Zeitraum 1980 bis 2015 analysiert, Evaluation von evidenzbasierten Interventionen um Trends in der Prävalenz von Kindern und notwendig sind, um die Krankheitslast und die Erwachsenen mit Übergewicht oder Adipositas Sterblichkeit zu reduzieren. Sehen Sie dazu den aufzuzeigen. Zusätzlich wurde die Krankheitslast, Artikel: Neu: Evidenzbasierte Handlungsempfehl- die durch einen hohen Body Mass Index (BMI) ungen für die Betreuung von Erwachsenen/ je nach Alter und Geschlecht entsteht, in 195 Kindern mit Übergewicht und Adipositas, die Ländern zwischen 1990 und 2015 dargestellt. Ärzte und andere Gesundheitsberufe unter- Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Prävalenz stützen, Patientinnen und Patienten mit von Adipositas seit 1980 in mehr als 70 Ländern Adipositaserfolgreich zu betreuen. verdoppelt hat und auch in den meisten anderen analysierten Ländern ansteigt. Ein hoher BMI ist für 4 Millionen Sterbefälle weltweit verantwortlich, (1) GBD 2015 Obesity Collaborators: Health 2/3 davon sind auf kardiovaskuläre Erkrankungen Effects of Overweight and Obesity in 195 zurückzuführen. Die Analysenergebnisse dieser Countries over 25 Years. N Engl J Med. 2017 Jul großen Datenmenge machen deutlich, dass eine 6;377(1):13-27 Neu: Evidenzbasierte Handlungsempfehl- ungen für die Betreuung von Erwachsenen/ Kindern mit Übergewicht und Adipositas, die Ärzte und andere Gesundheitsberufe unter- zur Therapie von Übergewicht/ Adipositas, die stützen, Patientinnen und Patienten mit seit kurzem vorliegen2. Aus 23 aktuellen evidenz- Adipositas erfolgreich zu betreuen. Sie haben basierten Leitlinien (Publikationsdatum ab 2011) oft unzutreffende Meinungen über Patienten mit wurden Handlungsempfehlungen mit hohem Adipositas, kaum Ausbildung in Verhaltens- Empfehlungsgrad extrahiert für die Bereiche änderung und wenig Erfahrung dabei, in einem Anamnese, Diagnostik, Risikoeinschätzung, interdisziplinären Team zu arbeiten1. Ernährung oder Diät, Bewegung, Verhaltensthe- rapie, pharmakologische Therapie sowie die Be- Das Institut für Allgemeinmedizin und evidenz- treuung vor und nach bariatrischen Operationen. basierte Versorgungsforschung (IAMEV) der Die Behandlungspfade (getrennt für Erwachsene Medizinischen Universität Graz entwickelte nun und für Kinder/ Jugendliche) wurden als Algorith- strukturierte, evidenzbasierte Behandlungspfade mus mit Infoboxen abgebildet. 1 Dietz et al. Management of obesity: improvement of health-care training and systems for prevention and care. Lancet 2015; 385(9986): 2521-2533 2 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Medizinische Universität Graz. (Be)Handlungspfad Übergewicht & Adipositas auf Primärversorgungsebene, 2016 11
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R Der 2. Teil des Berichtes befasst sich mit der Ø adipöse Kinder/Jugendliche im Alter von 6-18 Aufgabenverteilung im multiprofessionellen Team. Jahren sollen Lebensstilinterventionen mit dem Abgeleitet aus den Leitlinien wäre die Begleitung Ziel der Gewichtsreduktion erhalten der Menschen mit Übergewicht/Adipositas auf Ø insgesamt mindestens eine Stunde/Tag Primärversorgungsebene zumindest durch aktives Spiel, andere Aktivitäten des täglichen folgende Berufsgruppen anzustreben: Arzt für Lebens (z.B. Gehen, Radfahren, Treppen Allgemeinmedizin, Qualifizierte Ernährungsfach- steigen) oder strukturierte Bewegung (z.B. kraft, Qualifizierte Fachkraft für Bewegungs-/ Fußball, Schwimmen, Tanzen) mit moderater Sporttherapie, Gesundheitsberufe mit einer bis intensiver Belastung in einer bis mehreren PSY-Kompetenz Einheiten von mindestens 10 Minuten Dauer Ø zur Erreichung eines gesunden Gewichts- Exemplarische Empfehlungen für Erwachsene: managements sollen strukturierte Verhaltens- Ø Therapieziel ist ein Gewichtsverlust von rund maßnahmen angeboten werden 0,25 bis 1 kg pro Woche bzw. von 5 – 10 % Ø Medikamente zur Gewichtsreduktion sollen für des Ausgangsgewichts in 6 Monaten Kinder und Jugendliche generell nicht einge- Ø durch die kalorienreduzierte Diät soll ein setzt werden tägliches Energiedefizit von 500 bis 700 kcal bezogen auf den Gesamtumsatz erreicht Die Behandlungspfade wurden mit Blick auf die werden Primärversorgungsebene entwickelt (vor allem Ø aufgrund des erhöhten Komplikationsrisi- PHC-Einrichtungen mit verschiedenen Gesund- kos sollen sehr niedrig kalorische Diäten nur heitsberufen), können aber auch in allen ande- durchgeführt werden, wenn eine ausreichende ren Versorgungsebenen herangezogen werden Erfahrung in der medizinischen Betreuung und (Facharztordination, Einrichtungen der Kranken- ein intensives medizinisches Monitoring ge- kassen, Ambulatorien, Spital sowie Einrichtungen währleistet sind für Kuraufenthalt/ Rehabilitation). Ø die körperliche Aktivität soll mit insgesamt Maßnahmen können im niedergelassenen moderater Intensität für zumindest Bereich nur insoweit bezahlt werden, als sie in die 150 Minuten pro Woche (5 Einheit zu je Leistungspflicht der Krankenversicherung fallen. 30 Minuten) erfolgen Ø Krafttraining alleine ist für eine Gewichts- Das Hauptdokument, die Behandlungspfade und reduktion wenig effektiv Infoboxen sind auf der Homepage des Hauptver- Ø die Betreuung kann individuell oder in bandes der österr. Sozialversicherungsträger als Gruppen erfolgen, wobei eine Gruppen- Download verfügbar: betreuung bevorzugt werden soll http://www.hauptverband.at/portal27/hvbportal/ Ø ein „off-label“-Einsatz von Arzneimitteln zur content?contentid=10007.775475 Gewichtsreduktion (z.B. Amphetamine, Diuretika, humanes Choriongonadotropin, Mag. Bettina Maringer Testosteron, Thyroxin und Wachstums- Abteilung Vertragspartner Spitäler (VPS) hormone ) soll nicht erfolgen Hauptverband der österr. Sozialversicherungs- träger, Wien Empfehlungen für Kinder/ Jugendliche (Auswahl): Tel. 01/71132/3412 bettina.maringer@sozialversicherung.at Ø Eltern oder Erziehungsberechtigte sollen die Verantwortung für die Lebensstiländerung des Kindes/Jugendlichen übernehmen, vor allem bei jüngeren Kindern bis zum 12. Lebensjahr Ø übergewichtige Kinder/Jugendliche (2-18 Jahre) sowie adipöse Kinder im Alter von 2-5 Jahren sollen Lebensstilinterventionen mit dem Ziel der Gewichtsstabilisierung bzw. der Ver- langsamung der Gewichtszunahme erhalten 12
bgkk.at Multiple Sklerose: Epidemiologie und Therapie Epidemiologie (1) - die Therapie soll von einschlägigen Zentren initiiert und überwacht werden Auf Basis von Routinedaten der österreichischen Sozialversicherungsträger wurden die Erkran- - Interferon oder Glatiramer sind die Therapien kungshäufigkeit und die Neuerkrankungsrate der der Wahl beim klinisch isolierten Syndrom Multiplen Sklerose (MS) erhoben. 13.205 Perso- - die Therapie bei schubförmiger MS soll nen hatten im Analysenzeitraum 2010 bis 2013 frühzeitig beginnen entweder einen Krankenhausaufenthalt mit der - Interferon beta-1b, Interferon beta-1a und Diagnose MS oder eine MS spezifische Medika- Glatiramer sind die Basismedikamente bei tion. Mittels eines validen statistischen Modells schubförmiger MS; die fakultativ notwendige konnte auch abgeschätzt werden, wie viele Folgetherapie mit Teriflunomid, MS-Patienten trotz bestehender Erkrankung in Dimethylfumarat, Cladribin, Fingolimod, den SV-Daten nicht abgebildet sind. Mit der Daclizumab (bereits wieder vom Markt capture-recapture Methode können unter Ein- genommen, Anm. der Redaktion), schluss von zwei Datenquellen auch jene Patien- Natalizumab oder Alemtuzumab ist von der ten abgeschätzt werden, die im Untersuchungs- Patientencharakteristik und den Begleit- zeitraum weder einen Krankenhausaufenthalt erkrankungen abhängig, der Schwere der mit MS-Diagnose noch eine MS-Medikation im Erkrankung, dem Medikamentenneben- niedergelassenen Bereich hatten. Die Jahresprä- wirkungsprofil und der Verfügbarkeit der valenz lag 2013 bei 13.340 Personen (95 %iges Substanzen in den jeweiligen Gesundheits- Konfidenzintervall: 11.811 bis 14.870) und die systemen Neuerkrankungen bei 1.638 Personen (1.209 bis - bei sekundär progredienter MS steht 2.070). Interferon im Vordergrund, bei notwendiger Das statistische Modell zur Erhebung von Folgetherapie Mitoxantron MS Patienten, die keine medikamentöse Thera- pie erhalten konnten/wollten, weist ca. 1.600 - bei primär progredienter MS hat nur Patienten aus. Allerdings hat sich die Anzahl der Ocrelizumab eine Zulassung (zum Zeitpunkt verfügbaren Wirkstoffe für die Therapie der der Veröffentlichung der Leitlinie bezog sich MS in den letzten Jahren deutlich gesteigert die Empfehlung auf die Zulassungsstudie, die und weitere werden erwartet (Masitinib, EMA-Zulassung erfolgte erst am 8.1.2018) Ofatumumab, Ozanimod , Ponesimod, Siponimod, ,…). Die Anzahl an MS Patienten, Zur Therapiekontrolle wird empfohlen: denen kein für sie passendes Therapiekonzept - MRT 6 Monate und 12 Monate nach angeboten werden kann, wird sich daher Therapiestart deutlich reduzieren. - standardisierte MRT Protokolle sollen von MS Erfahrenen beurteilt werden; dies inkludiert Therapie (2) auch das Monitoring einer möglichen Zwei europäische Fachgesellschaften (European multifokalen Leukoenzephalopathie Academy of Neurology und European Committee of Treatment of Research in Zusätzlich wird empfohlen, die Vorgaben der Multiple Sclerosis). haben die aktuellen Fachinformationen betreffend der Dosierungs- Leitlinien zur Therapie der MS publiziert und empfehlung, den Warn- und Vorsichtshinweisen geben folgende Empfehlungen ab: und den Kontraindikationen zu beachten. 13
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R Intravasale Immunglobuline Literatur Keine Zulassung für die MS haben die 1 Salhofer-Polanyi S, Cetin H, Leutmezer F, intravasalen Immunglobuline (IVIg). Sie werden Baumgartner A, Blechinger S, Dal-Bianco A, in der aktuellen europäischen Leitlinie (2) nicht Altmann P, Bajer-Kornek B, Rommer P, Guger einmal angeführt. M, Leitner-Bohn D, Reichardt B, Alasti F, Temsch W, Stamm T: Epidemiology of Auch die Österreichische Multiple Sklerose Multiple Sclerosis in Austria. Gesellschaft bewertet die IVig sehr kritisch (3): Neuroepidemiology. 2017;49(1-2):40-44 „Das Wesentliche in Kürze: 2 Montalban X, Gold R, Thompson AJ, • Eine immunmodulierende Basis-Therapie der Otero-Romero S, Amato MP, Chandraratna MS mit IVIg gilt aufgrund neuer Erkenntnisse D, Clanet M, Comi G, Derfuss T, Fazekas F, als obsolet und ist daher zur Behandlung der Hartung HP, Havrdova E, Hemmer B, Kappos MS nicht zugelassen („Off-Label-Use“). L, Liblau R, Lubetzki C, Marcus E, Miller DH, • IVIg können in speziellen begründeten Ein- Olsson T, Pilling S, Selmaj K, Siva A, zel-Fällen für eine begrenzte Zeit nach der Sorensen PS, Sormani MP, Thalheim C, Geburt als Schubprophylaxe in einer Dosie- Wiendl H, Zipp F: ECTRIMS/EAN guideline on rung von monatlich 0,2g/kg/KG herange- the pharmacological treatment of people with multiple sclerosis. zogen werden („Reservemedikament“), eine Mult Scler. 2018 Jan 1:1352458517751049 postpartale Behandlung mit IVIg wird aber http://journals.sagepub.com/doi/ nicht generell empfohlen. pdf/10.1177/1352458517751049 Zugriff am • Ausschließliches Stillen hat einen moderaten 15.2.2018 schubmindernden Effekt. Eur J Neurol. 2018 Feb;25(2):215-237 • In den vergangenen Jahren sind neue krank- http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ heitsmodifizierende Medikamente zur The- ene.13536/epdf Zugriff am 15.2.2018 rapie der schubförmigen MS zugelassen 3 Stellungnahme des Ärztebeirats der ÖGMS worden, die ihre Wirksamkeit durch randomi- http://www.oemsg.at/artikel/da- sierte kontrollierte Studien („Goldstandard der tum/2015/02/18/therapie-der-multiplen- klinischen Forschung“) belegen konnten. Es sklerose-im-wandel-gibt-es-noch-eine- steht dadurch heute ein größeres Therapie- berechtigung-fuer-den-einsatz-intraven/ spektrum zur Verfügung (Abb.). Zugriff am 15.2.2018 Die früher berechtigte Möglichkeit, IVIg als 4 Baumhackl U (Hg) (2014) Multiple Sklerose. „Zweite-Linie-Therapie“ bei Unverträglichkeit Prävalenz und Therapie im 12-Jahres- oder fehlender Wirksamkeit einer Basisthera- Vergleich in Österreich. Facultas Verlag pie mit Interferon-beta oder Glatirameracetat einzusetzen, ist daher nicht mehr zutreffend. • 2011 wurden im Rahmen des Projektes „Prävalenz der MS“ Daten über die Behand- lung in Österreich erhoben (4). Der hohe Prozentsatz von 12% an MS-Betroffenen, welche zum gegebenen Zeitpunkt eine IVIg-Therapie erhielten, zeigt auf, dass eine Aufklärung über die aktuelle Studienlage dringend erforderlich ist.“ Auch bestehende Therapien mit intravasalen Immunglobulinen bei MS-Patienten sollten einer kritischen Überprüfung zugeführt werden. 14
bgkk.at Solidaritätsprinzip in der Praxis anhand von Daten der österreichischen Krankenversicherungsträger Solidaritätsprinzip in der Praxis „Die Solidarität der Besserverdienenden und Gesunden sichert die Finanzierung der medizinischen 1 Leistungen und gewährleistet die Gleichbehandlung finanziell schlechter gestellter Menschen.“ anhand von Daten der österreichischen Krankenversicherungsträger Dieses Prinzip soll anhand der Medikamentenkosten der Anspruchsberechtigten der österreichischen Krankenversicherungsträger veranschaulicht werden. Datenbasis sind die Abrechnungsdaten der SV- Träger, die Medikation während stationärer oder ambulanter Krankenhausaufenthalte wird daher nicht berücksichtigt. Die insgesamt 8,6 Mio. Anspruchsberechtigten können in drei Gruppen eingeteilt werden. Die erste und gleichzeitig größte Gruppe mit gesamt 5.897.244 Personen ist jene, die „Die Solidarität innerhalb der Besserverdienenden eines Jahres pro Person nichtund mehr als € Jahres 100,-- pro Person nicht mehr für Medikamente als € 100,– für mit Kostenübernahme durch die österreichischen Krankenversicherungsträger erhält. Sie benötigen in Summe durch Gesunden sichert die Finanzierung der Medikamente mit Kostenübernahme € 110 die Mio. medizinischen Leistungen und gewährleistet die österreichischen Krankenversicherungsträger des Solidarbudgets. 42 % aller Personen in dieser Gruppe benötigen gar keine von den Gleichbehandlung finanziell schlechter gestellter erhält. Sie benötigen in Summe € 110 Mio. des österreichischen Krankenversicherungsträgern finanzierte Medikation. Die zweite Gruppe hat einen Menschen.“ 1 Dieses Prinzip soll anhand der Solidarbudgets. 42 % aller Personen in dieser Medikamentenbedarf von € 100,-- bis maximal € 1.000,-- pro Kopf und Jahr. Obwohl diese Gruppe mit Medikamentenkosten der Anspruchsberechtig- Gruppe benötigen gar keine von den österreichi- 2.108.993 Personen um fast ten der österreichischen 2/3 kleiner ist als die größte Krankenversicherungs- schenGruppe, benötigen sie mit gesamt Krankenversicherungsträgern € 769 finanzierte Mio. zirka sieben Mal so viel Mittel für Medikamente träger veranschaulicht werden. Datenbasis sind aus dem Budget Medikation. der Krankenversicherungsträger wie diedie erste Gruppe. Dieder Abrechnungsdaten dritte Gruppedie SV-Träger, ist mit 609.218 Personen die kleinste Gruppe und umfasst nur 7 Medikation % aller Anspruchsberechtigten. während stationärer oder Sie umfasst ambulanterjene Personen, Die zweite dieGruppe am meisten vomMedikamentenbe- hat einen Solidaritätsprinzip profitieren. Ohne den finanziellen Krankenhausaufenthalte wird daher Ausgleich nicht der ersten darfbeiden Gruppen von € 100,– wäre es €nicht bis maximal möglich, 1.000,– die pro Kopf berücksichtigt. hohen Medikamentenkosten von über € 1.000,-- pro und Jahr.und Jahr vom Gesundheitssystem zu Kopf tragen. Diese Personen benötigen fast drei Mal so viel Obwohl diese Gruppe mitwie Medikamentenbudget 2.108.993 Personen die zweite und 19 Die insgesamt Mal so viel wie 8,6 die Mio.erste Anspruchsberechtigten Gruppe pro Jahr. In um fast 2/3leistet Summe kleinerdas ist alssolidarisch die größte Gruppe, organisierte können in drei Gruppen Gesundheitssystem eingeteilt für diese werden. Die Anspruchsberechtigten €benötigen 2 Mrd. pro sieJahr mit gesamt € 769 nur für ihre Mio. zirka Die Medikamente. erste und gleichzeitig größte gehaltsabhängigen Gruppe mit gesamt Krankenversicherungsbeiträge siebenmitMal so viel Mittel einer für Medikamente solidarisch aus getragenen 5.897.244 Personen ist jene, die innerhalb eines dem Budget der Krankenversicherungsträger Ausgabenfinanzierung stellt die Medikamentenversorgung für alle Anspruchsberechtigten sicher. Abbildung 1). Medikamentenkosten aller Anspruchsberechtigten der österreichischen Krankenversicherungsträger; Daten aus BIG, HVB Abbildung 1). Medikamentenkosten aller Anspruchsberechtigten der österreichischen Krankenversicherungsträger; Daten aus BIG, HVB 1 Quelle: https://www.gesundheit.gv.at/lexikon/s/solidaritaetsprinzip-hk 15
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R wie die erste Gruppe. Die dritte Gruppe ist mit Die gehaltsabhängigen Krankenversicherungs- 609.218 Personen die kleinste Gruppe und beiträge mit einer solidarisch getragenen Aus- umfasst nur 7 % aller Anspruchsberechtigten. gabenfinanzierung stellt die Medikamenten- Sie umfasst jene Personen, die am meisten vom versorgung für alle Anspruchsberechtigten Solidaritätsprinzip profitieren. Ohne den finanziel- sicher. len Ausgleich der ersten beiden Gruppen wäre es nicht möglich, die hohen Medikamentenkos- ten von über € 1.000,– pro Kopf und Jahr vom Gesundheitssystem zu tragen. Diese Personen benötigen fast drei Mal so viel Medikamenten- budget wie die zweite und 19 Mal so viel wie die erste Gruppe pro Jahr. In Summe leistet das solidarisch organisierte Gesundheitssystem für diese Anspruchs- berechtigten € 2 Mrd. pro Jahr nur für ihre Medikamente. 16
bgkk.at Für sie gelesen… Cannabinoide in der Schmerz- und bei der Zulassung der Verschreibungsfähigkeit Palliativmedizin von Medizinhanf in Deutschland nicht berück- sichtigt. Eine Chance für zukünftige evidenzba- Am 10. März 2017 trat in Deutschland das sierte Aussagen zur Wirksamkeit, Verträglichkeit Gesetz zur „Änderung betäubungsmittelrecht- und Sicherheit von Medizinhanf bei spezifischen licher und anderer Vorschriften“ in Kraft. Aussagen bietet die im erlassenen Gesetz vor- Ärzte dürfen Patienten mit schwerwiegenden geschriebene Begleitforschung. Erkrankungen bei fehlender Therapiealternativen Cannabinoide auf Kassenkosten verordnen. Häuser W, Fitzcharles MA, Radbruch L, Da die Evidenz für die Wirksamkeit, Verträglich- Petzke F: Cannabinoids in pain management keit und Sicherheit von Cannabinoiden in der and palliative medicine—an overview of Schmerz- und Palliativmedizin widersprüchlich systematic reviews and prospective beurteilt wird, wurde von Häuser et al. eine observational studies. Deutsches Ärzteblatt Int systematische Übersicht über systematische 2017; 114: 627–34. DOI: 10.3238/ Übersichtsarbeiten von randomisiert kontrollier- arztebl.2017.0627 ten Studien und prospektiven, längerfristigen https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/ Beobachtungsstudien durchgeführt. PMC5645627/pdf/Dtsch_Arztebl_Int-114-0627. pdf Zugriff am 29.3.2018 Während die öffentliche Wahrnehmung Canna- bisprodukte in der Schmerz- und Palliativmedizin als wirkungsvoll bewerten, haben diese laut Über die (Nicht-)Wirksamkeit teurer systematischen Übersichtsarbeiten und pro- Krebsmedikamente spektiven Beobachtungsstudien nur einge- Die meisten Krebsmedikamente die zwischen schränkte Evidenz. Lediglich bei chronischen 2009 und 2013 auf den Markt gekommen sind, neuropathischen Schmerzen liegt ein ausrei- hatten keine eindeutige Evidenz im Hinblick auf chender (wenn auch aufgrund der niedrigen Erhöhung der Lebensqualität oder Verlängerung Stichprobengröße und der kurzen Studiendauer der Lebenszeit. Auch nach Markteintritt konnte mit einer niedrigen Validität zu bewertender) für die meisten dieser Medikamente in Nutzen vor. Keine ausreichende Evidenz liegt randomisiert kontrollierten Langzeitstudien kein vor bei Appetitverlust bei Krebserkrankungen Nutzen in der Gesamtüberlebensrate oder in der und HIV/AIDS, Fibromyalgiesyndrom, Morbus Lebensqualität dokumentiert werden. Chron, muskuloskelettalen Schmerzen, rheu- Selbst wenn die Überlebensdauer im Vergleich matoider Arthritis, chronischer Pankreatitis und zu Standardtherapie verlängert werden konnte, Tumorschmerz. Der Einsatz von Cannabinoiden war dies meist ohne klinische Relevanz. Auch ist daher nur als individueller Heilversuch anzu- nach Markteinführung werden nur wenige neue sehen. Außerdem sollten die relevanten zentral- Informationen für Patienten und deren nervösen und psychiatrischen Nebenwirkungen behandelnde Ärzte generiert und keine Empfeh- wie Benommenheit, Verwirrtheit und Psychosen lungen, unter welchen Differentialkriterien solch mitberücksichtigt werden. Die Europäische teure Medikamente finanziert werden sollen. Arzneimittel-Agentur fordert grundsätzlich bei der Zulassung eines Medikaments zur Schmerz- Die Bewilligung und Finanzierung von hoch- therapie zwei Studien mit einer Dauer von min- preisigen Medikamenten ohne klinisch relevan- destens 12 Wochen an. Diese Forderung wurde ten Nutzen bringen nicht nur Nachteile für den 17
I N F O R MATION FÜR VERTRAG S PART NE R Patienten sondern auch für die Solidargemein- welche wiederum mit verhaltensbedingten schaft mit sich. Die begrenzten Mittel, die dem Risikofaktoren korrelieren. Diese Risikofaktoren Gesundheitssystem zur Verfügung stehen, kommen bei Personen mit niedrigem Bildungs- müssen sinnvoll und nachhaltig investiert wer- stand und geringem Einkommen häufiger vor. den, um auch in Zukunft die Gesundheitsversor- Sowohl die Fettleibigkeitsquoten als auch der gung der Bevölkerung sicherstellen zu können. Raucheranteil ist in dieser Bevölkerungsgruppe besonders hoch. Davis C, Naci H, Gurpinar E, Poplavska E, Pinto A, Aggarwal A: Availability of evidence of Am österreichischen Gesundheitssystem benefits on overall survival and qualityof life of kritisiert werden vor allem die Komplexität und cancer drugs approved by European Medicines die Fragmentierung aufgrund der überwiegend Agency: retrospective cohort study of drug dezentralen Planung und Verantwortungsüber- approvals 2009-13. BMJ 2017;359:j4530. tragung, genauso wie ein im Vergleich mit ande- http://dx.doi.org/10.1136/bmj.j4530 Zugriff am ren EU-Ländern teures System mit starkem 29.3.2018 Fokus auf die stationäre Krankenhausversor- gung. Die Primärversorgung steckt dagegen noch in den Kinderschuhen, was auch zu einer „State of Health in the EU – Österreich. hohen Zahl an vermeidbaren Krankenhausein- Länderprofil Gesundheit 2017.“ weisungen führt. Zukünftig sollen die Reformen Um den Gesundheitszustand in der EU zu daher auf die Stärkung der Primärversorgung erheben, wurden von der OECD und dem abzielen, um das österreichische Gesundheits- European Observatory on Health Systems and system auch in Zukunft effizient gestalten zu Policies Länderprofile erstellt, die den Gesund- können. heitszustand im Land, die Einflussfaktoren auf die Gesundheit, die Organisation des Gesund- OECD/European Observatory on Health heitssystems und deren Wirksamkeit, Zugang Systems and Policies (2017), Österreich: und Anpassungsfähigkeit evaluieren. Im Novem- Länderprofil Gesundheit 2017, State of Health ber 2017 wurde die erste Reihe der zukünftig in the EU, OECD Publishing, Paris/European im 2-jährigen Zyklus erhobenen Länderprofile Observatory on Health Systems and Policies, publiziert. Brussels. http://dx.doi.org/10.1787/9789264285040-de Österreich schnitt dabei vor allem im Bereich Zugriff am 29.3.2018 der Gesundheitsversorgung gut ab. Eine geringe vermeidbare Sterblichkeit deutet auf eine hohe Wirksamkeit der österreichischen Gesundheits- versorgung hin. Auch der Zugang zur Gesund- heitsversorgung wird als gut bewertet. Bei der Lebenserwartung bei der Geburt liegt Österreich zwar über dem EU-Durchschnitt, die Öster- reicher verbringen dafür aber weniger Jahre in einem guten Gesundheitszustand. Herz-Kreis- lauf-Erkrankungen und Krebs sind in Summe für mehr als zwei Drittel der Sterbefälle in Österreich verantwortlich. Auch Diabetes und Demenz- erkrankungen zählen zu den häufigsten Todes- ursachen in Österreich. Zur Krankheitsbelastung tragen vor allem Probleme mit dem Bewegungs- apparat und eine schlechte psychische Gesundheit bei. Der Gesundheitszustand der Österreicher ist außerdem abhängig vom Bildungsstand und dem Einkommensniveau, 18
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