IM DRITTEN debüt AB 14. NOVEMBER - Presseportal
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DEBÜT IM DRITTEN 2020 IM JAHR DER PANDEMIE In dem Jahr der Lockdowns, Sperrstunden und Reisewarnungen, in dem schwie- rigen Jahr, in dem die Redaktion Debüt im Dritten aufgrund der Pandemie nur einen von sechs geplanten Nachwuchsfilmen koproduzieren konnte, in dem Jahr, in dem sich der Blick der Menschen zwangsläufig eher nach innen als nach außen richtet, präsentieren wir eine Staffel von Beziehungsdramen. Allerdings solche, die nicht im Privaten steckenbleiben, sondern ihr jeweiliges gesellschaftliches Umfeld und seine Auswirkungen stark im Blick behalten. Eröffnet wird die Staffel am 14.11. um 20:15 Uhr mit dem historischen Bezie- hungsdrama »A Gschicht über d’Lieb« von Peter Evers. Ein wuchtiges, großartig ausgeführtes Panorama eines Dorfes, in dem eine Liebe wächst, die es nicht geben darf: die, zwischen Bruder und Schwester. Im Jahr 1953 positioniert, ist es nicht nur die Geschichte der Geschwisterliebe der Bauernkinder Gregor und Maria, die hier im Vordergrund steht, sondern auch die Frage, wie in einem schwäbischen Dorf der Nachkriegszeit damit umgegangen wird. Wie in der dörflichen Gemein- schaft angesichts des Modernisierungsschubs in der Außenwelt umso heftiger an den archaischen Haltungen festgehalten wird. Ausgesprochen plastisch, im Dia- lekt inszeniert und in atmosphärischen Bildern von Pascal Schmitt gefilmt. Im Anschluss folgt am gleichen Tag um 21:50 Uhr ein Drama der leiseren Töne: »Der Weg nach Padulim« von Annette Friedmann. Die Beziehungskrise zwischen Lisa und ihrem tschechischen Partner Jiri, nutzt Lisas Vater um den verhassten Schwiegersohn aus der Familie zu treiben. Im Kampf um das Sorgerecht für den Sohn Victor sieht Jiri sich schließlich gezwungen, mit dem Kind die Flucht nach Tschechien zu wagen. Annette Friedmann hat mit dem idyllischen Landhaus der Familie den idealen Schauplatz geschaffen, der die Verlustängste der Figuren sym- bolisiert. Denn Padulim liegt nicht, wie Jiri Victor einzureden versucht, an einem fernen, paradiesischen Ort hinter den Bergen, sondern ist der Sehnsuchtsort, den sich Lisa und Jiri gemeinsam zu schaffen versuchten. Am 18.11. um 23.00 Uhr erzählt der Film »Raus« von Philipp Hirsch in beeindru- ckend variantenreicher Bildsprache von der Suche von fünf jugendlichen Aus- steigern nach einem sozialen Neuanfang. Sie folgen dem Aufruf eines ominösen Friedrich im Internet, der ihnen ein besseres Leben verspricht, sie trennen sich von ihrer Vergangenheit, von ihren Handys. Doch während ihrer Wanderung, die einer Schnitzeljagd durch die Natur und ins Gebirge gleicht, wird der Weg zum Ziel, und die Frage, wie sie ihre Beziehungen untereinander gestalten wollen, wird wichti- ger als die Suche nach der neuen Führungsfigur. Auch in »Schwimmen« von Luzie Loose steht eine komplizierte Beziehung im Zen- trum des Films, eine machtbasierte Freundschaft zwischen zwei sehr unterschied- lichen Mädchen. Die 15-jährige Elisa wird in der Schule gemobbt und gerät dann in die emotionale Abhängigkeit von Anthea. Um sich nicht als Opfer zu fühlen, spielen die Mädchen mit Videos, die sie anonym online stellen, ihre Macht über ihre Klassenkamerad*innen aus – ein Spiel, das schließlich außer Kontrolle gerät. Der Film knüpft an das Phänomen des Internet-Mobbings unter Jugendlichen an, ist aber aus der Perspektive der Jugendlichen ohne jede Didaktik, feinfühlig und mit viel Sinn für Atmosphäre und visuelle Symbolik erzählt. 25.11., 22:00 Uhr. DEBÜT IM DRITTEN 2
DEBÜT IM DRITTEN 2020 IM JAHR DER PANDEMIE Das Kurzfilmprogramm versammelt in diesem Jahr drei Werke an der Grenze zum mittellangen Film: »Masel Tov Cocktail« von Regisseur und Autor Arkadij Khaet, Koautorin Merle Teresa Kirchhoff und Koregisseur Mickey Paatsch ist ein rasan- ter, komischer und kluger Trip durch junges, jüdisches Leben in Deutschland, aus der Perspektive von Dima, der cool entschlossen ist, sich nicht unterkriegen zu lassen. »Käfigtiger« von Sarah Neumann spielt im Berliner Wedding, wo auf Da- ves Weg zur, Fußball Karriere die dunkle Haut nur eines der Probleme ist. Und zum Abschluss erzählt »Fünf nach zwölf« von Tarek Roehlinger von den zwiespäl- tigen Gefühlen eines Sohns gegenüber seinem Vater, der ihn als Loser ablehnt. Kurzfilme, 25.11. ab 23.35 Uhr In Beziehungs- Abgründe führt uns am 02.12. um 23:00 Uhr die Tragödie »Kopf- platzen« von Savaş Ceviz. Markus, ein attraktiver junger Architekt, liebt weder Frauen noch Männer, sondern kleine Jungen. Er unterdrückt diese Neigung und verachtet sich selbst dafür. Als die alleinerziehende Jessica mit ihrem achtjähri- gen Sohn Arthur zu ihm ins Haus zieht, und eine Beziehung mit Markus beginnt, scheint sich sein Traum zu erfüllen, immer in der Nähe eines Jungen zu leben. Doch sein Verlangen wird immer stärker, während er dagegen ankämpft. Der pä- dophile Protagonist ist so sympathisch und durchschnittlich gezeichnet, dass er für die Zuschauer zur Identifikationsfigur werden kann. Es gelingt das gewagte Experiment, den Zuschauer einzuladen, Markus‘ Sichtweise einzunehmen und da- durch nachdenklich zu stimmen. Das Roadmovie »Messi und Maud«, eine Kino- Koproduktion des Saarländischen Rundfunks, spielt in Chile, wo die in Berlin lebende Niederländerin Marleen Jonkman mit kleinem Team die Geschichte einer befreienden Reise erzählt. Ihre Hauptfigur Maud muss akzeptieren, dass sie keine Kinder bekommen kann, und während ihr das im Urlaub mit ihrem Freund Frank nicht gelingt, ermöglichen ihr die intensive Begegnung mit der chilenischen Landschaft und die Freundschaft mit dem Jungen Messi, mit dem Schmerz über ihre Unfruchtbarkeit umzugehen. Messi und Maud, 09.12., 23:30 Uhr Zum ersten Mal wird in diesem Jahr eine Staffel von Debüt im Dritten von einem reinen Webprojekt begleitet. Ab dem 31.Oktober ist »Jessy.zip« in der ARD Media- thek zu sehen. In neun kurzen Serienfolgen erzählen Autor Jan Krebs und Ko-Autor und Regisseur Jonathan Behr nach einer Idee von Karl Heidelbach von dem Ge- schehen rund um die Youtuberin Jessy. Sie lassen ihre Geschichte komplett in der YouTube- Welt und der entsprechenden Ästhetik spielen: in Videoformaten wie Vlogs, Streams und Video- Chats. Gemäß dem Slogan »Broadcast Yourself« bietet YouTube jedem Menschen die Möglichkeit, sich einer breiten Öffentlichkeit zu prä- sentieren. Mit dieser Selbstdarstellung begeben sich YouTuber aber auch in Ge- fahr, ungewollt Kritiker ihrer Selbstdarstellung anzuziehen, die sich als anonyme Masse der Hater über die lustig machen, gegen sie hetzen oder sie bedrohen. Einer solchen Bedrohung sieht sich in unserer Webserie nicht nur Jessy ausgesetzt, son- dern auch jeder, der ihr helfen will und sich auf die Suche nach ihr macht. Stefanie Groß DEBÜT IM DRITTEN 3
INHALT 2 DEBÜT IM DRITTEN 2020 IM JAHR DER PANDEMIE 5 SENDETERMINE IM SWR FERNSEHEN 8 ONLINE ONLY IN DER ARD MEDIATHEK WEBPROJEKT: JESSY.ZIP LANGFILME 13 A GSCHICHT ÜBER D’LIEB 21 DER WEG NACH PADULIM 28 RAUS 35 SCHWIMMEN 41 KOPFPLATZEN 47 MESSIE UND MAUD 55 KURZFILME 55 MASEL TOV COCKTAIL 56 KÄFIGTIGER 57 FÜNF NACH ZWÖLF 58 IMPRESSUM DEBÜT IM DRITTEN 4
SENDETERMINE SWR FERNSEHEN LANGFILME AB SO 31.10. ONLY IN DER ARD MEDIATHEK JESSY.ZIP Idee / Konzeption: Karl Heidelbach und Jan Krebs SA 14.11., 20:15 UHR A GSCHICHT ÜBER D’LIEB Buch und Regie: Peter Evers SA 14.11., 21:50 UHR DER WEG NACH PADULIM Buch und Regie: Annette Friedmann DEBÜT IM DRITTEN 5
SENDETERMINE SWR FERNSEHEN LANGFILME MI 18.11., 23:00 UHR RAUS Regie: Philipp Hirsch / Buch: Thomas Böltken und Philipp Hirsch MI 25.11., 22:00 UHR SCHWIMMEN Buch und Regie Luzie Loose MI 02.12., 23:00 UHR KOPFPLATZEN Buch und Regie: Savaş Ceviz DEBÜT IM DRITTEN 6
SENDETERMINE SWR FERNSEHEN LANGFILME SA 09.12., 23:30 UHR MESSIE UND MAUD Regie: Marleen Jonkman / Buch: Daan Gielis SENDETERMINE SWR FERNSEHEN KURZFILME MI 25.11., 23:35 UHR MASEL TOV COCKTAIL 30 Minuten MI 25.11., 00:05 UHR KÄFIGTIGER 37 Minuten MI 25.11., 00:40 UHR FÜNF NACH ZWÖLF 26 Minuten DEBÜT IM DRITTEN 7
debüt IM DRITTEN Als Vorbote für die 2020-er Staffel von Debüt im Dritten startet schon am 31. Ok- AB 31.10. IN DER tober »Jessy.zip« in der ARD Mediathek. Das Diplomprojekt an der Filmakademie ARD MEDIATHEK Baden-Württemberg entstand fürs Netz und erzählt eine Geschichte aus dem Netz. Neun kurze Serienfolgen fügen sich zu einem mittellangen Film, in dem ein Hacker JESSY.ZIP im Darknet Spuren einer verschollenen Youtuberin findet und beginnt, nach ihr zu suchen. »Jessy.zip« spielt in der Youtubewelt und ist in der Ästhetik und mit den IDEE UND KONZEPTION Mitteln dieser Welt erzählt: In Video-Formaten wie Vlogs, Streams und Video-Chats KARL HEIDELBACH entfaltet sich eine spannend erzählte Geschichte über Cybermobbing, in der eine junge Frau ihre Privatheit aufgibt, um Gemeinschaft im virtuellen Raum zu finden. UND JAN KREBS Hacker Zarb0x stößt im Darknet auf einen Ordner mit der Bezeichnung »JESSY.zip«. Darin findet er mysteriöses Foto-, Audio- und Video-Material, auf dem eine verschol- lene YouTuberin zu sehen ist. Wer ist die junge Frau, deren Fotos, Dateien und Vlogs hier gesammelt wurden? Und warum finden sich zu ihr im frei zugänglichen Netz keine weiteren Informationen? Wurde ihre Identität aus dem Internet gelöscht? Um Jessys Geheimnis zu ergründen und Nutzer zu finden, die etwas über ihren Verbleib wissen könnten, wendet sich der Hacker an die Youtube-Community. Er postet die gefundenen Videos, in denen zu sehen ist, wie Jessy ohne ihr Wissen durch ihre Laptop-Kamera ausspioniert wurde, wie sich der Kontakt zu ihrem Pub- likum von einem freundlichen Dialog zu einer wütenden Anklage wendete und wie ihre YouTube-Karriere einen düsteren Verlauf nahm. Doch je beharrlicher Zarb0x versucht, das Rätsel um Jessys Verschwinden zu lösen, desto mehr gerät er selbst in Gefahr.. Jessy Linda Rohrer DEBÜT IM DRITTEN 9
Jessy Linda Rohrer Zarb0x Christopher Bertram Jessy Linda Rohrer DEBÜT IM DRITTEN 11
STAB UND BESETZUNG Jessy Linda Rohrer Jessy Linda Rohrer Zarb0x Christopher Bertram Frau Schultheiß Monika Goll Polizist Herr Müller Hassan Lazouane Regie Jonathan B. Behr Drehbuch und Co-Regie Jan Krebs Kamera Maximilian Föll Schnitt Sam Aron Handel und Andrea Grumbt Producer Karl Heidelbach und Mina Smajic Idee & Konzeption Karl Heidelbach und Jan Krebs Redaktion Jan Berning, Stefanie Groß Eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg DEBÜT IM DRITTEN 12
A GSCHICHT ÜBER D’LIEB DEBÜT IM DRITTEN 13
debüt IM DRITTEN Sankt Peter, ein kleines Dorf in Baden-Württemberg in den frühen 1950er Jahren. SA 14.11., 20:15 UHR Gregor und Maria sind Geschwister und die Kinder des Bacherbauern. Ihr Vater A GSCHICHT ÜBER D’LIEB geht davon aus, dass Gregor, sein einziger Sohn, einmal den Hof übernimmt. Doch Buch und Regie: Peter Evers der hat einen ganz anderen Traum: Er will an der künftig am Dorf vorbeiführenden Bundesstraße eine Tankstelle errichten. Dazu braucht er aber die finanzielle Hilfe des Vaters. Obwohl Maria zu vermitteln versucht, können die Männer ihren Streit lange nicht beilegen. Schließlich lenkt der Vater ein: Er ist bereit, seinen Sohn zu unterstützen, wenn Maria bald heiratet und so für eine ordentliche Fortführung des Familienhofs sorgt. Das Ultimatum stellt die Geschwister vor die wichtigste Entscheidung ihres Lebens. Denn die beiden verknüpft ein besonderes Band … Geradlinig und ohne Kitsch hat Autor und Regisseur Peter Evers sein großangelegtes Panorama eines württembergischen Dorfes im Jahr 1953 erzählt. Im Vordergrund steht nicht nur die Geschichte einer Geschwisterliebe, sondern auch die Frage, wie in der Nachkriegszeit damit umgegangen wurde. Bemerkenswert sind die atmosphä- rischen Bilder von Pascal Schmitt (Kamera) und das großartige naturalistische Spiel von Svenja Jung und Merlin Rose. Maria Bacher Svenja Jung Gregor Bacher Merlin Rose DEBÜT IM DRITTEN 14
Maria Bacher Svenja Jung Gregor Bacher Merlin Rose Maria Bacher Svenja Jung Badnerin Eleonore Weisgerber Badnerin Eleonore Weisgerber DEBÜT IM DRITTEN 15
PETER EVERS AUTOR UND REGISSEUR Peter Evers wuchs zunächst in und bei München auf, später in Stuttgart. Auf Abi- tur und Zivildienst folgten eine Ausbildung zum Fotografen und erste berufliche Erfahrungen im Stuttgarter Staatstheater und als Kameraassistent bei Filmpro- duktionen. Nach einem einjährigen Arbeitsaufenthalt als Fotograf in Ecuador be- gann Evers sein Regie- und Drehbuchstudium an der Wiener Filmhochschule. Par- allel zum Studium arbeitete er als 2nd Unit Director, Assistant Director, Caster und Aufnahmeleiter für nationale und internationale Film- und Fernsehproduktionen. Seinen Abschluss an der Filmhochschule machte er mit dem Film »Cziemny Czas«. Noch während des Studiums gründete er die Filmfest-Vienna Film Support, eine Filmsupportagentur mit den Schwerpunkten Serviceproduktion, Studiobetrieb und Casting. Um sich mehr den eigenen Projekten und dem Schreiben widmen zu können, verkaufte Evers sein Studio im Jahr 2013. Für das Drehbuch zu »A Gschicht über d’Lieb« erhielt er 2014 den Thomas Strittmatter Preis, den Drehbuchpreis der MFG. 2019 wurde der Film beim Filmfestival Max Ophüls Preis uraufgeführt. Evers’ Drehbuch »Ausgebremst« wurde von der Satel Film Wien verfilmt, »Lotto- sieger wider Willen« von der Monafilm Wien angekauft. 2019 inszenierte er eine Miniserie fürs SWR Fernsehen mit dem Arbeitstitel »How to make Swabia great again oder Spätzle arrabiata«. Maria Bacher Svenja Jung Vater Bacher Thomas Sarbacher Badnerin Eleonore Weisgerber DEBÜT IM DRITTEN 16
GESPRÄCH MIT PETER EVERS Wie entstand die Idee zum Film, was war Ihr Ausgangpunkt – und wie hat sich der Stoff bzw. die Geschichte bis zum Dreh verändert? Der Grundgedanke war, einen Liebesfilm zu machen. Basis und Grundrecht jeder menschlichen Existenz ist die Liebe. Aber leider setzten und setzen gesellschaft- liche, sexuelle und moralische Regeln diesem Grundrecht Schranken. Ich bin aber der Meinung, dass Liebe, solange sie von allen Beteiligten gleich empfunden und nicht in Anhängigkeiten oder gar Gewalt ausgeübt wird, doch in erster Linie Sache der Liebenden ist. Wie aber, wenn es sich um ein Tabuthema handelt? Ich suchte einen Grundkonflikt, der selbst in unserer eher aufgeklärten Gesellschaftsform noch immer ein Tabu ist. Idee war, den Zuschauer dazu zu bringen, sein Urteil selbst zu hinterfragen: Kann es nicht doch sein? Der Film soll kein Plädoyer für Inzest sein, sondern für das Recht, lieben zu dürfen, wen man will. Mit dieser Prä- misse ging ich die Geschichte an. Es gibt vielerlei Arten von Liebe in »A Gschicht über d’Lieb«. Nicht nur die wah- re Liebe zwischen Gregor und Maria, sondern auch die versteckte Liebe Werners, die verschmähte Liebe Annas, die ausgehandelte Liebe Thomas’, die ausnützende Liebe Hannes’, die naive Liebe des Dirndls. Jede davon verflicht die Dorfbewohner Peter Evers miteinander, ist Grundlage ihres Handelns. Die Geschichte in ein kleines Dorf zu verlegen, erschien mir als probates Mittel, unsere Gesellschaft auf ein begreifba- res Maß zu verkleinern. Aus anonymer Masse wurden Personen. Ein kleiner Kos- mos, der den gleichen Zwängen unterworfen ist, die die Gesellschaft an sich vor- gibt. Nur dass hier die Zwänge Gesichter haben. Die Fünfziger Jahre empfinde ich als eine sehr spannende Zeit, da dort große ge- sellschaftliche Umbrüche ihre Wurzeln haben. Jahrhundertelang sind die meisten Menschen nie aus ihrem direkten Umfeld herausgekommen, Rollenverteilungen waren klar festgelegt und wurden auch nie hinterfragt. Es gab zwei Strömungen, die einander entgegengesetzt liefen: Status quo und Tradition um jeden Preis auf der einen, der Wunsch nach Veränderung und Entwicklung auf der anderen Seite. Dies war in ländlichen Gebieten noch wesentlich ausgeprägter und zieht sich zum Teil bis in die Jetztzeit hinein. Als mein Drehbuch auf der Berlinale den von der MFG finanzierten Thomas Strittmatter Preis erhielt, war auch klar, dass ich den Film in Baden Württemberg spielen lassen konnte – jenem Bundesland, in dem ich seit meinem zwölften Lebensjahr beheimatet bin, und das mir deswegen auch persönlich sehr nah ist. Ihr Film hat viele Elemente eines klassischen Heimatfilms – die Landidylle, die eng verschworene Dorfgemeinschaft, die Kernfamilie als unzerstörbare Einheit, ein von Traditionen geprägtes Leben. Nach und nach zerbröckelt diese heile Welt aber. Woll- ten Sie einen ehrlicheren Heimatfilm machen? Ich sehe diesen Film nicht als Heimatfilm, sondern als Liebesfilm. Der Begriff Hei- matfilm ist zu sehr durch die filmischen Ausprägungen der Nachkriegszeit und sei- ner Sehnsucht nach Heile-Welt-Romantik festgelegt, die oftmals in Kitsch endete. Etwas, von dem ich mich klar abgrenzen möchte. Ich hatte nicht den Anspruch, ein Genre wiederzubeleben, das nur oberflächlich zu passen scheint. Zwar mag sich die- ses Genre aufdrängen, doch im ersten Moment, in dem die Zuschauer mit den Fi- guren den Hof betreten, merken sie, welch zwischenmenschliche Beziehungen und DEBÜT IM DRITTEN 17
GESPRÄCH MIT PETER EVERS Spannungen dort herrschen. Von Romantik oder gar Idylle ist nichts zu spüren, trotz der schönen Landschaft und der pittoresken Ansicht. Die Enge, die Unmöglichkeit eines Ausweges, die Verhaftung in angestammten Rollenbildern ist stets vorhan- den. Das gilt nicht nur für den Hof, das gilt für das ganze Dorf. Das Leben ist hart. Ein Bauer ist ein Bauer, eine Magd eine Magd, und der Hofhund auch kein Strei- chelviech! Klare einfache Regeln. Wer sich daran hält, kann gut leben. Dass Maria dem Hund Zärtlichkeiten zukommen lässt, macht sie schon zu etwas Besonderem. Es ist das sich Nicht-unterordnen-wollen, das Aufbegehren gegen starre Traditio- nen, das Maria und Gregor sich abheben lässt. Ein Bauer gehört auf den Hof, eine Frau schafft das nicht alleine. Es ist das Prinzip des Vaters, das seine Kinder sich nicht zu eigen machen wollen. Gregor schreit am Ende des Films: »Warum habt ihr uns nicht einfach in Ruhe gelassen?« Alles wäre gut gewesen. Doch man lässt sie nicht in Ruhe, jeder einzelne zerrt an ihnen und möchte sie in die Richtung bringen, die er für das Richtige hält. Wie schon gesagt, dienen das Dorf und seine Bewohner nur als verkleinertes Abbild der Gesellschaft der 50er Jahre und ihrer Strukturen, die sich teilweise bis in die Jetztzeit fortgeschrieben haben. Ihr Film wirkt in Bezug auf die Lebens- und Arbeitsrealität im Dorf sehr realistisch. Und es wird Dialekt gesprochen. Wie haben Sie die DarstellerInnen vorbereitet? Es gab hier zwei große Herausforderungen: zum einen die Sprache, zum ande- ren die bäuerlichen Handhabungen und Fertigkeiten. Die Figuren und die dörf- liche Gemeinschaft in klarem Hochdeutsch reden zu lassen, wäre albern gewesen. Einerseits war uns eine rurale sprachliche Glaubwürdigkeit wichtig, andererseits musste der Dialekt auch für ein breiteres Publikum verständlich sein. Familie und Dorfgemeinschaft sollten als glaubhafter abgeschlossener Kosmos erscheinen, in dem nicht jeder einen anderen Dialekt spricht. Das war eine echte Herausforde- rung, zumal nahezu unser gesamter Cast aus Berlinern bestand. In Zusammen- arbeit mit der Dialekt-Trainerin Anne Weinknecht analysierten wir die Dialekte im näheren und weiteren Umfeld und entwickelten daraus eine Art Kunstdia- lekt, der stark auf den realen Dialekten beruht und trotzdem auch für Nicht-Lo- kale verständlich war. Was die bäuerlichen Fähigkeiten angeht, zeigten sich die Schwäbisch Haller als äußerst hilfsbereit. Unser Cast wurde von den Bauern in der Umgebung mit offenen Armen empfangen und, soweit notwendig, vom Traktor- fahren bis zum Entmisten perfekt unterwiesen. Dass Merlin Rose dann gleich an seinem ersten Tag für eine Szene als Geburtshelfer bei einer Kälbergeburt zum Einsatz kam, war sicher einer seiner stärksten Eindrücke bei den Dreharbeiten. Auch visuell wirkt der Film sehr erdig und rustikal. Wie haben Sie das visuelle Kon- zept des Films entwickelt? DEBÜT IM DRITTEN 18
GESPRÄCH MIT PETER EVERS Da wir das Glück eines sehr spannenden Casts hatten, konzentrierte ich mich ganz auf die Möglichkeit, den Figuren in die Augen schauen zu können. Wir wollten klare und angemessene Bilder, die die Arbeit des Schauspielers in den Mittelpunkt stellen und ihn nicht zur Staffage eines optischen Effektes werden lassen. Kamera- fahrten verwendeten wir nur, wenn es den Zuschauer in die jeweilige Szene führt, und Landschaftsaufnahmen nur dann, wenn sie den Geschichtsablauf unterstütz- ten. Das Prinzip haben wir auch im auditiven Bereich angewendet. Wir wollten wenige bis keine akustischen Effekte zur Spannungssteigerung. Dies gilt auch für die Musik. Das Miterleben mit den Figuren ist um so vieles feiner, wenn man den Zuschauer dicht an die Figuren heranführt. Deswegen gibt es nur wenige Musik- einsätze. Um dennoch einen besonderen Akzent zu setzen, haben mein Kompo- nist Bob Gutdeutsch und ich als Leitinstrument ein altes und heute unbekanntes Instrument herangezogen: die Drehleier. Gregor Bacher Merlin Rose Vater Bacher Thomas Sarbacher DEBÜT IM DRITTEN 19
STAB UND BESETZUNG Maria Bacher Svenja Jung Gregor Merlin Rose Werner Lucas Englander Gregor Bacher Merlin Rose Anna Fanny Krausz Maria Svenja Jung Badnerin Eleonore Weisgerber Vater Bacher Thomas Sarbacher Werner Lucas Englander Anna Fanny Krausz Alter Zeiserer Walter Kreye Hannes Rafael Gareisen Thomas Ludwig Blochberger Buch und Regie Peter Evers Kamera Pascal Schmit Schnitt Silvia Schönhardt Musik Bob Gutdeutsch Szenenbild Désirée Salvador Kostüm Alexander Beck Produzenten Rüdiger Heinze, Stefan Sporbert Redaktion Stefanie Groß Eine Produktion der Zum Goldenen Lamm Filmproduktion in Koproduktion mit dem SWR. Gefördert von MFG Baden-Württemberg und DFFF. Deutschland 2019, 90 Minuten Bayerischer Filmpreis 2019 als beste Nachwuchsdarstellerin für Svenja Jung. DEBÜT IM DRITTEN 20
DER WEG NACH PADULIM DEBÜT IM DRITTEN 21
debüt IM DRITTEN Nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin Lisa muss der aus Tschechien SA 14.11., 21:50 UHR stammende Künstler Jiri darum kämpfen, seinen Sohn Victor nicht zu verlieren. DER WEG NACH PADULIM In seiner Verzweiflung weiß er sich nicht anders zu helfen als ihn zu entführen. Buch und Regie: Annette Friedmann Dem Kind gegenüber verkauft er die Flucht als eine Abenteuerreise nach einer ge- meinsam erfundenen Geschichte um zwei Tierchen auf dem Weg ins Zauberland Padulim. Der Kleine macht mit, wünscht sich aber, dass seine Mutter auch dorthin kommt. Am Ende kommt es zu einer Konfrontation, in der beide Eltern gefordert sind, für ihr Kind die beste Lösung zu finden. Sensibles Familiendrama mit leisen Tönen. Regiedebütantin Annette Friedmann setzt große Konflikte mit kleinen Mitteln um und erzeugt so erzählerische Feinheit. Die beiden Hauptfiguren sind stark (auch stark interpretiert von Annika Blendl und Roman Knižka) und bieten – trotz ihrer unterschiedlichen Agenden – beide großes Identifikationspotential. Jiri Roman Knižka Victor Maximilian Sterk DEBÜT IM DRITTEN 22
Lisa Annika Blendl Jiri Roman Knižka Victor Maximilian Sterk Jiri Roman Knižka Klaus Walter Kreye DEBÜT IM DRITTEN 23
ANNETTE FRIEDMANN AUTORIN UND REGISSEURIN Annette Friedmann studierte zunächst Kunst/Visuelle Kommunikation und Na- turwissenschaften an der Universität Bremen und danach bis 1998 AV-Medien- wissenschaften an der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« in Ba- belsberg. Sie arbeitete im Anschluss als Ausstellungskuratorin am Filmmuseum in Frankfurt am Main und war von 2004 und 2011 künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule »Konrad Wolf«. Seit 2012 ist sie freie Drehbuch- autorin und Lehrbeauftragte für Storytelling an der University of Applied Sciences Europe, seit 2013 Projektbetreuerin in der Kinderfilmförderung beim Kuratorium junger deutscher Film. Annette Friedmann schrieb mit Marc Rensing den Film »Die Frau, die sich traut« und schrieb und inszenierte 2015 den Kurzfilm »Fauler Zauber«. Lisa Annika Blendl Jiri Roman Knižka DEBÜT IM DRITTEN 24
GESPRÄCH MIT ANNETTE FRIEDMANN Mit»Der Weg nach Padulim« haben Sie zum ersten Mal eines Ihrer Drehbücher selbst inszeniert. War das Regieführen schon länger ein Wunsch oder war es gerade diese Geschichte, die Sie unbedingt selbst umsetzen wollten? Beim Drehbuchschreiben laufen ja immer Bilder im Kopf ab, man inszeniert den Film in seiner Vorstellung schon beim Schreiben. Je intensiver man sich mit der Geschichte auseinandersetzt, desto lebendiger werden die Figuren, desto mit- reißender ihre Erlebnisse. Man fühlt mit ihnen mit, hört, sieht und erlebt sie in ihren Höhen und Tiefen. In diesem emotionalen Strudel, in den ich beim Schreiben immer wieder gerate, kam zunehmend der Wunsch auf, stärker darüber entschei- den zu können, wer die Figuren spielt, die mir so nah geworden sind, und wie sie gespielt werden sollen – in welchen Stimmungen, in welchen Locations, welchen Schattierungen, welchen Farben. »Der Weg nach Padulim« ist eine Geschichte, die ich schon lange mit mir herumgetragen habe. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich vier Jahre alt war. Mein Bruder und ich wuchsen in einer Zeit und einer Umgebung auf, in der sich früher oder später fast alle Eltern in unserem Freun- deskreis trennten. Wir blieben mit unserem Vater in unserem Haus, während sich unsere Mutter eine Wohnung suchte. Ich empfinde es heute als großes Glück, dass meine Eltern keine festen Regelungen über Besuchs- oder Urlaubszeiten ausge- macht haben, sondern dass wir damals einfach zu meiner Mutter gehen und bei ihr bleiben konnten, wann immer wir wollten. Es geht mir immer sehr nahe, zu Annette Friedmann sehen, wie viel Druck und Stress auf Kinder ausgeübt wird, wenn Gerichte ein- geschaltet werden und Mediatoren dafür sorgen müssen, dass Vater und Mutter noch halbwegs miteinander kommunizieren, da sie vom Kind ja beide geliebt und gebraucht werden. »Der Weg nach Padulim« ist die Geschichte einer Trennung und des Streits ums Kind, das aber in einer speziellen Konstellation. Jiri ist Künstler und hingebungsvoller Va- ter, aber vielleicht auch auf der Flucht vor Lisas Erwartungen? Und sie umgekehrt in ihrem Beruf erfolgreich, aber auch ein wenig neidisch auf Jiris Freiheiten? Hilft diese Variante der Geschlechterrollen, das zu erzählen? Wir leben ja in einer Zeit, in der sich die klassische Rollenverteilung innerhalb der Familie geändert hat. Frauen sind heute wie Männer berufstätig, und nur in einer idealen Welt kümmern sich Väter und Mütter zu gleichen Teilen um Kinder und Haushalt. In manchen Familien holt man sich Hilfe von Dritten, in anderen kümmern sich die Frauen auch neben ihrem Job um Haushalt und Kinder. Und manchmal ergibt es sich auch, dass ein Mann seine beruflichen Aktivitäten zu- rückstellt und zum Vollzeit-Vater und Hausmann wird. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich dreimal miterlebt, welche Probleme dieses Vollzeit-Vater- Modell mit sich bringen kann. Zwei dieser Familien sind mittlerweile zerbrochen. Wenn eine Frau ihre beruflichen Ambitionen zugunsten der Kinder zurückstellt oder aufgeben muss, ist das möglicherweise für sie persönlich ein Problem. Wenn aber ein Mann seine beruflichen Ambitionen aufgibt oder gar keine hat, kommt früher oder später oft der Vorwurf ins Spiel, dass er sich auf Kosten seiner arbei- tenden Frau einen »faulen Lenz« macht. Was passiert, wenn es dann zur Trennung kommt? Darf ein Mann, der beruflich »versagt« hat, die Kinder trotzdem behalten und dabei auch noch verlangen, von der Mutter finanziell unterstützt zu werden? Diese Frage aufzuwerfen, war der Anstoß für den Film, auch wenn er dann zuneh- mend auslotet, wie es dazu kommen kann, dass Menschen in einer eskalierenden Trennung das Wohl ihres über alles geliebten Kindes und Enkelkindes zu verges- sen scheinen. Wie war es denn, mit einem doch noch ziemlich kleinen Kind zu drehen? DEBÜT IM DRITTEN 25
GESPRÄCH MIT ANNETTE FRIEDMANN Kinder sind beim Drehen wunderbar, weil sie vor der Kamera eine so unverstellte Natürlichkeit bewahren können. Kinder sind beim Drehen aber auch die Hölle, weil sie eigensinnig darüber entscheiden, ob sie in dem Moment, in dem die Kamera läuft, spielen wollen oder nicht. Das war beim Drehen schwieriger als gedacht und beim Filmschnitt dann wieder leichter, weil wir natürlich auch dank des Kuleschow- Effekts wunderbare Szenen hinbekommen haben. Max, der den kleinen Viktor ge- spielt hat, war toll, weil er unglaublich diszipliniert war und mit jedem der zwanzig Drehtage besser wurde. Auch hatten wir zwei sehr gute Kindercoaches und Betreue- rinnen, denen es natürlich auch zu verdanken ist, dass Max, der zum ersten Mal in einem Film mitgewirkt hat, den kleinen Viktor so überzeugend spielt. Zum Schluss: wie kamen Sie auf den Namen Padulim, versteckt sich dahinter etwas bestimmtes? Padulim symbolisiert den Ort vollkommenen Glücks. Tatsächlich stand ein Ort, mit dem ich ein solches Glücksgefühl verbinde, für die Namensgebung Pate – Palolem, ein Strand im Süden Goas in Indien. Dass dieser Ort dieses Glück für mich reprä- sentiert, hat persönliche Gründe: Ich war mit meinem Vater in einem Nachbarort und wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Dieser Ort war eigentlich schön, wurde aber wenige Tage vor unserer Ankunft mit einem Jahrhundert-Fisch- fang beglückt. Die große Menge an Fischen konnten die Fischer dann aber gar nicht verkaufen und ließen sie einfach am Strand liegen. Um uns herum stanken die verwesenden Fische, über uns kreisten und kreischten die Krähen. Mein Vater meinte, bleiben zu müssen, weil das Hotel ja schon bezahlt war. Dann machten wir einen Ausflug nach Palolem, wo das Meer glitzerte und die Menschen fröhlich waren. Wir blieben, und selten zuvor habe ich eine solche Schönheit empfunden, ein so großes Glück, das auch mit dem Gefühl verbunden war, meinen Vater zu- mindest für diese paar Tage wieder zurück ins Leben geholt zu haben. Padulim klingt ähnlich wie Palolem, aber kindlicher, denn in meinem Film denkt Viktor sich den Namen aus. Für Viktor bedeutet Glück, mit beiden Eltern zusammen zu sein. Solange er darauf vertraut, dass auch seine Mutter nach Padulim kommt, ist es für ihn der Ort, an dem er mit seinen Eltern wieder glücklich sein kann. Lisa Annika Blendl Jiri Roman Knižka DEBÜT IM DRITTEN 26
STAB UND BESETZUNG Jiri Roman Knižka Jiri Roman Knižka Lisa Annika Blendl Victor Maximilian Sterk Klaus Walter Kreye Uta Sabine Wegner Uwe Matthes Sebastian Mirow Buch und Regie Annette Friedmann Kamera Wedigo von Schultzendorff Schnitt Matthias Scharfi Musik Christine Aufderhaar Szenenbild Holger Köppen und Peter Weiss Kostüm Henrike Luz Produzenten Milena Maitz Redaktion Stefanie Groß Eine Produktion der studio.tv.film GmbH und Eikon Media GmbH in Koproduktion mit dem SWR. Gefördert von der MFG Baden-Württemberg Deutschland 2019, 88 Minuten DEBÜT IM DRITTEN 27
RAUS DEBÜT IM DRITTEN 28
debüt IM DRITTEN »Unsere Welt ist am Arsch, weil die Falschen am Drücker sind!« Das ist Glockes MI 18.11., 23:00 UHR Sicht auf die Dinge. Zumindest im Moment. Vielleicht auch ein wenig, weil er selbst RAUS ganz und gar nicht am Drücker ist. Er versucht sich als Aktivist – gegen Kapitalis- Regie: Philipp Hirsch mus, gegen Ungerechtigkeit in der Welt, für Naturschutz und gegen Tierversuche. Buch: Thomas Böltken und Philipp Hirsch Doch im Grunde geht es ihm vor allem darum, ein Mädchen zu beeindrucken. Zum Beispiel, als er einen protzigen Luxuswagen anzündet … Leider wird Glocke dabei erwischt und gefilmt. Er kann fliehen, aber die Bilder seiner missglückten Helden- tat gehen sofort durchs Netz. Spontan schließt er sich einer Gruppe Fremder an, die sich im Netz verabredet haben. Sie folgen dem Ruf eines gewissen Friedrich, der in den Bergen lebt und in der Rückbesinnung zur Natur den Weg in die Zu- kunft sieht. Sie alle wollen die Welt zu einem besseren Ort machen, möchten ihre Vergangenheit hinter sich lassen und aus dem System ausbrechen. Das ist ihr Ziel. Die jungen Rebellen Glocke, Judith, Steffi, Elias und Paule erleben die Härte eines Trips in die Berge, aber auch Tage der Freiheit und des Glücks. Immer auf der Su- che nach dem geheimnisvollen Friedrich und der neuen Gemeinschaft. Doch dann wendet sich das Blatt… In »Raus« wirft Autor und Regisseur Philipp Hirsch die Frage auf, ob ein Neuanfang auf der Basis einer Lüge möglich ist. Nach einem rasanten und provokant geschnit- tenen Einstieg entwickelt die Geschichte der Jugendlichen, die versuchen, der Hektik und Amoralität der modernen kapitalistischen Zivilisation zu entkommen, eine ru- hige Dynamik. Erzählt in schön fotografierten Naturaufnahmen und mit Dialogen, die die Sprechweise und das Zeitgefühl heutiger Jugendlicher einfangen. Am Ende steht die überraschende Erkenntnis, dass es der Autorität des ominösen »Friedrich« gar nicht bedarf, dass sie sich selbst organisiert haben. Glocke Matti Schmidt-Schaller Judith Milena Tscharntke DEBÜT IM DRITTEN 29
Glocke Matti Schmidt-Schaller Judith Milena Tscharntke Paule Enno Trebs Steffi Matilda Merkel Elias Tom Gronau Glocke Matti Schmidt-Schaller Elias Tom Gronau DEBÜT IM DRITTEN 30
PHILIPP HIRSCH REGISSEUR UND KOAUTOR Philipp Hirsch wurde 1973 in Crimmitschau (Sachsen) geboren. Von 1993 – 1998 studierte er Produktdesign an der Bauhaus-Universität Weimar. Darüber hinaus erhielt er von der Bauhaus-Universität von 1999 – 2003 ein Stipendium im Fach- bereich Animationsfilm. Seit 1997 ist Philipp Hirsch selbstständig tätig im Bereich Video/Animation. Er realisierte bereits zahlreiche international ausgezeichnete Kurz- und Experimentalfilme sowie Musikdokumentationen und -videos für inter- national agierende Bands. »Raus« ist Philipp Hirschs Spielfilmdebüt. Das Dreh- buch zum Film entstand in enger Zusammenarbeit mit Autor Thomas Böltken. Glocke Matti Schmidt-Schaller Steffi Matilda Merkel Paule Enno Trebs Judith Milena Tscharntke Elias Tom Gronau DEBÜT IM DRITTEN 31
GESPRÄCH MIT PHILIPP HIRSCH »Raus« ist Ihr erster Spielfilm – was hat Sie am Format des Spielfilms gereizt? Mein Ur-Reiz in Sachen Spielfilm kommt natürlich vom selber Filme schauen. Seit meiner Kindheit liebe ich Film. Er bescherte mir ungeahnte Momente des Stau- nens, Erkennens, des lustvollen Nicht-Verstehens, des Mitfieberns, des Mitleidens und Mitfreuens. Spielfilm ist vielleicht das ultimative Kunstformat der letzten 120 Jahre. Er vereint Literatur, Theater, Gestaltung, Musik, Spektakel, Fotografie, auch Wissenschaft & Philosophie und schafft daraus unglaubliche Geschichten. Und wir sitzen heu- lend, lachend, fassungslos im Kino. Mehr geht nicht (zumindest bislang - Serie, aber auch Computerspiel und Social Media formieren sich ja mehr denn je als mögliche Thronfolger). Ich hatte schon früh gelegentliches Interesse am Filmemachen gehabt. Ich erinne- re mich z. B. an einen nicht zu Ende gebrachten Trickfilmversuch mit Filzstiftzeich- nung und Kinderfotoapparat. Meine Frühversuche waren damals recht spontan und nicht nachhaltig. Sie konnten von mir als Kind - speziell zu DDR-Zeiten ohne Equipment – nicht zu einem ergiebigen Hobby ausgebaut werden. Selbst nach Ab- schluss meines Designstudiums (und mit ersten Kurzfilmen auf Festivals) hatte ich noch nicht daran gedacht, irgendwann einmal einen Spielfilm zu realisieren. Wirklich konkrete Ambitionen kamen erst deutlich später auf. Was war der Ausgangspunkt für den Film? Jugend, die in Richtung Natur verschwindet, stand als Grundidee bereits durch ein früheres Drehbuch/Projekt im Raum. Dieser ursprüngliche Ansatz hatte kaum Be- rührungspunkte zu naturalistischen oder ökologischen Themen. Ich hatte schlicht keine Lust auf die urbane Alltäglichkeit, die in unserer Filmlandschaft recht prä- sent ist. Egal ob mahnende Plattenbauten, Ikea-Realität oder hippe Designerlofts - diese Spielwelten, diese Kulissen wollte ich umgehen. Durch die Elemente Jugend und Natur ergab sich die Einbindung gesellschafts- politischer und -kritischer Aspekte dann fast von selbst. Auf dieser Basis wurde die »Raus«-Geschichte als eine Art abenteuerliche Reise weiter ausgearbeitet. »Raus« wurde größtenteils im Wald, in der Natur gedreht, wieso haben Sie sich den Wald als Schauplatz ausgesucht? Sind Sie selbst sehr naturverbunden? Wald (und Natur generell) schätze ich ganz pragmatisch als dankbare Kulisse für filmische Arbeiten. Natur ist da und kann ohne großes Zutun wirkungsvolle Bilder und Geräusche liefern. Bei »Raus« ist die Natur einiges mehr als allein der Schauplatz. Sie ist der konkrete Raum, den die Jugendlichen bewusst aufsuchen, entdecken und auch ein Stück weit verstehen wollen. Die Natur in »Raus« ist Kulisse, Metapher, Prüfung und Sehnsuchtsziel in einem. Ich selber bin kein großer Globetrotter, habe kaum Fernweh, bin durchaus ein Stu- benhocker. Aber ich habe meine Kindheit an einem waldähnlichen Stadtrand ver- lebt. Ich war mit meinem Bruder und Freunden zu Hause und in Urlauben bereits ab Kindergartenalter stundenlang unbeobachtet in Wald und Natur unterwegs gewesen. Eine innige Verbindung zur Natur habe ich also schon, auch zu dem meisten, was da kreucht und fleucht. DEBÜT IM DRITTEN 32
GESPRÄCH MIT PHILIPP HIRSCH Was war die größte Herausforderung beim Dreh? Der ganze Dreh in seiner Summe war die eigentliche Herausforderung. Achtzig Prozent der Drehzeit spielten alle fünf Hauptdarsteller zusammen als Gruppe. Das war keine einfache Situation, so permanent mit allen fünf Darstellern zu arbeiten. Dazu kamen die sicherlich üblichen Kuriositäten und Pannen, die einen Dreh nicht gerade erleichtern. Ein Drehort wurde zum Beispiel vor unseren Augen im Laufe des Drehtages ganz allmählich überschwemmt. Der Wasserspiegel stieg um be- stimmt zwei Meter, wir mussten durchgehend improvisieren. Im Rückblick waren das alles längst keine Katastrophen, aber im Moment des Drehs sorgte so manches davon für Hektik und Verunsicherung. Wie sind Sie zum Stil Ihrer Filmbilder gekommen, die zwischen düsterer Weltunter- gangsstimmung im Wald und hellen, romantischen Szenen schwanken? Kameramann Ralf Noack und ich hatten uns vor dem Dreh auf Hauptpunkte der Bildgestaltung und Kameraarbeit geeinigt. »Natürlichkeit« war eines der zentra- len Ziele, das wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln erreichen wollten. Ralf filmte ausschließlich mit Handkamera, oft mit Unterstützung eines Gim- bal zur Bildstabilisierung. Aufnahmen bei Tag entstanden oft ohne zusätzliches Kunstlicht. Für positive Momente setzten wir gelegentlich Slow Motion ein. Jeden Drehtag mussten wir uns mit dem jeweiligen Wetter arrangieren. Oft hatten wir Glück und es passte grundsätzlich zu den Szenen. Manchmal mussten wir durch die Wahl der Cadrage, z.B. durch ganz nahe Einstellungen, auf unpassendes Wet- ter/Licht oder auch auf problematische Drehorte reagieren. Die unterschiedlichen Stimmungen unserer Bilder sind nicht automatisch mit gänzlich unterschiedlichen Mitteln erzeugt worden. Die unterschiedlichen Bild- stimmungen resultieren natürlich auch aus den jeweiligen Szenenhandlungen, den Drehorten und der Inszenierung. Wie begründen Sie das Weglaufen der Jugendlichen als Rebellion? Steht Weglaufen nicht genau entgegengesetzt zur Rebellion? »Rebellion« habe ich nicht wirklich mit »Raus« in Verbindung gebracht. Mich inte- ressiert es auch nicht sonderlich, ob das gemeinsame Losziehen und der Weg der Jugendlichen als Rebellion zu bezeichnen ist oder nicht. Gleiches gilt für »Weglau- fen«, was Glocke anfangs natürlich eindeutig macht (im Verlauf des Filmes wird es mehr ein Hinlaufen – hin zu einem diffusen Gruppenziel). Besser umschreiben aus meiner Sicht »Suchen« und »Versuchen« die Situation der fünf Jugendlichen. Ihre Orientierungslosigkeit, ihr Zweifel lässt sie alle etwas Neues und Unbekann- tes versuchen. »Raus« versucht als Film ein Gedankenspiel: Jugendliche wagen unter guten Vor- sätzen einen riskanten Schritt. Sinn, Nachhaltigkeit und Ausgang ihrer Suche sind ungewiss. Gibt es etwas gegen das Sie gerne rebellieren würden? Ja. Die Liste ist lang und kompliziert. Mit wenig Aussicht auf Umsetzung und Erfolg. DEBÜT IM DRITTEN 33
STAB UND BESETZUNG Glocke Matti Schmidt-Schaller Glocke Matti Schmidt-Schaller Paule Enno Trebs Judith Milena Tscharntke Elias Tom Gronau Judith Milena Tscharntke Elias Tom Gronau Steffi Matilda Merkel Steffi Matilda Merkel Paule Enno Trebs Regie Philipp Hirsch Buch Thomas Böltken und Philipp Hirsch Kamera Ralf Noack Schnitt Jan Ruschke Musik Johannes Lehniger, ComixXx Szenenbild Stephan von Tresckow Kostüm Grit Hildenbrand Eine Produktion der ostlicht Filmpro- Producer Claritta Kratochwil duktion in Koproduktion mit Lightburst Produzenten Marcel Lenz, Guido Schwab Entertainment und dem SWR. Redaktion Stefanie Groß Gefördert von der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), der nordmedia – Film- und Mediengesell- schaft Niedersachsen/Bremen, dem Deutscher Filmförderfonds (DFFF) sowie der IDM Südtirol / Film Fund & Com- mission Deutschland 2018, 95 Minuten Publikumspreis bei den Biberacher Filmfestspielen 2018 DEBÜT IM DRITTEN 34
SCHWIMMEN DEBÜT IM DRITTEN 35
debüt IM DRITTEN »Schwimmen« erzählt die Geschichte von Elisa und Anthea, zwei 15-jährigen Mäd- MI 25.11., 22:00 UHR chen, deren ungleiche Freundschaft ihnen in einer schwierigen Phase ihres Lebens SCHWIMMEN Halt und Orientierung gibt. Um ihren Zusammenhalt aufrechtzuerhalten, entwi- Buch und Regie Luzie Loose ckeln sie ein unheilvolles Spiel, das eine zerstörerische Dynamik annimmt: Nach einem körperlichen Zusammenbruch Elisas, der von ihren Mitschüler*innen gna- denlos mit ihren Handys gefilmt wird, drehen die beiden Mädchen die Kameras aus Rache einfach um. Sie werden von Opfern zu Täterinnen... Die Symbolik des Titels wird von Autorin und Regisseurin Lucie Loose thematisch ausgespielt und visuell sehr stark von Kamerafrau Anne Bolick – auch mit den pri- vaten Videoaufnahmen als zweite Erzählebene – umgesetzt. Luzie Loose gelingt ein sensibles und glaubwürdiges Porträt zweier Mädchen an der Schwelle zum Erwach- sensein. Sie stellt mit dem immer aggressiver werdenden Machtspiel der Freundin- nen, mit dem sie versuchen, Kontrolle über andere auszuüben, letztlich aber nur Kontrolle über ihr eigenes Leben zurückerlangen wollen, auf berührende Weise die existenzielle Suche mach Liebe und Geborgenheit in den Mittelpunkt. Anthea Lisa Vicari Elisa Stephanie Amarell DEBÜT IM DRITTEN 36
Elisas Mutter Alexandra Finder Elisa Stephanie Amarell Anthea Lisa Vicari Elisa Stephanie Amarell und Anthea Lisa Vicari DEBÜT IM DRITTEN 37
LUZIE LOOSE AUTORIN UND REGISSEURIN Luzie Loose wurde 1989 an der Ostsee geboren und ist in Berlin aufgewachsen. Sie studierte an der Universität der Künste in Berlin und arbeitete als Regieassisten- tin am Theater sowie für deutsche Kino- und TV-Produktionen und verwirklicht eigene Filmprojekte. Über das Filmemachen entdeckte sie die Welt und arbeitete bereits in Paris, Istanbul, Tokio und Berlin. Bis Frühling 2018 studierte sie Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Ein Stipendium führte sie außerdem an die renommierte Fémis in Paris, wo ihr Kurzfilm »Nouveau Monde« entstand. Mit »Schwimmen« realisierte Luzie Loose ihren ersten abendfüllenden Spielfilm, mit dem sie auf dem Busan International Filmestival Weltpremiere feierte und auf den Hofer Filmtagen mit dem Goldpreis ausgezeichnet wurde. Elisa Stephanie Amarell DEBÜT IM DRITTEN 38
LUZIE LOOSE ZU IHREM FILM In »Schwimmen« erleben Elisa und Anthea die erste wirklich bedeutende Freund- schaft – ihre erste große Liebe. Für mich als Autorin und Regisseurin geht es um noch viel mehr als das. Ich setze mich intensiv und leidenschaftlich damit aus- einander, wie Kinder und Jugendliche heute aufwachsen. Ich beobachte, dass sie in unserer sich immer schneller drehenden Welt immer schneller erwachsen wer- den. Sie sind unabhängig, gebildet und weltgewandt – sie sind aber auch über- fordert und orientierungslos. Elisa und Anthea gehören zu der ersten Generation, die mit dem Internet, digi- talen Bildern und der Selbstdarstellung im Netz groß geworden ist. Aktiv an der Bilderflut teilzunehmen, die im Netz verbreitet wird, ist ein wichtiger Bestandteil im Leben der Mädchen, daher lassen wir ihre Handyvideos in das Material unseres Films einfließen. Wir kreieren so einen sehr subjektiven Stil, voller Auslassungen und Perspektivwechsel – nah dran und ungeschliffen. Elisa und Anthea leben wie viele Jugendliche in ihrem Alter in einer absoluten Parallelwelt, in der eigene Regeln, Werte und eine eigene Skala von Emotionen existieren. In ihrem Alter können die kleinsten Dinge eine riesengroße Bedeutung bekommen, und was in der Welt der Erwachsenen gilt, gilt hier noch lange nicht. Die Probleme in den Familien wie Leistungsdruck im Job, Entfremdung den Kin- dern gegenüber oder Trennungen rücken dadurch komplett in den Hintergrund. Luzie Loose In unserem Film gehen Elisa und Anthea so weit, ein eigenes System der Selbst- justiz zu erfinden. Sie tun ihren Mitschüler*innen schreckliche Dinge an, doch in ihrer Wahrnehmung ist das vollkommen gerechtfertigt. Sie erfinden ihre eigenen Werte, geben einander Halt und Orientierung. Diese eigenartige und einzigartige Wahrnehmung möchte ich für den Zuschauer erfahrbar machen (oder wieder in Erinnerung rufen), indem ich die Geschichte der beiden auf Augenhöhe und nah am echten Leben erzähle. Anthea Lisa Vicari DEBÜT IM DRITTEN 39
STAB UND BESETZUNG Elisa Stephanie Amarell Elisa Stephanie Amarell Anthea Lisa Vicari Anthea Lisa Vicari Pierre Jonathan Berlin Elisas Mutter Alexandra Finder Pierre Jonathan Berlin Consti Bjarne Meisel Antheas Mutter Deborah Kaufmann Antheas Vater Christian Heiner Wolf Buch und Regie Luzie Loose Kamera Anne Bolick Montage Marco Rottig Musik Andreas Pfeiffer Szenenbild Leonie Lieberherr Kostümbild Melanie Salfert Producer Philipp Maurice Raube und Lennart Lenzing Eine Produktion der kurhaus production Produzenten Daniel Reich und Christoph Holthof in Koproduktion mit dem SWR und der Redakteurin Stefanie Groß Filmakademie Baden-Württemberg und Unterstützung der MFG Film- förderung Baden-Württemberg Deutschland 2018, 95 Minuten. Hofer Goldpreis für die beste Regie bei den Internationalen Hofer Filmtagen an Luzie Loose, Preis für die beste Kamera an Anne Bolick beim 15. achtung berlin – new berlin film award DEBÜT IM DRITTEN 40
KOPFPLATZEN DEBÜT IM DRITTEN 41
debüt IM DRITTEN Markus ist 29, Single und als Architekt beruflich angekommen. Niemand in seiner MI 02.12., 23:00 UHR Familie und seinem Arbeitsumfeld weiß, dass er pädosexuell ist. Körper von klei- KOPFPLATZEN nen Jungs erregen ihn. Er hasst sich dafür und kämpft jeden Tag gegen sein Ver- Buch und Regie: Savaş Ceviz langen an. Als die alleinerziehende Mutter Jessica mit ihrem achtjährigen Sohn Arthur in die Nachbarswohnung einzieht, verliebt sie sich in den hilfsbereiten Markus. Der kleine Arthur mag es, wenn Markus auf ihn aufpasst, und sieht in ihm eine Vaterfigur. Doch Markus ahnt, dass er sein Verlangen auf Dauer nicht unter Kontrolle haben wird. Er kämpft darum, den lauter werdenden Rufen in seinem Kopf zu widerstehen. Savaş Cevics Ansatz, seinen Film aus der Perspektive seiner pädophilen Hauptfigur zu erzählen, im Konflikt zwischen seiner sexuellen Neigung und dem gesellschaft- lichen Tabu, ist ein Wagnis und eine Gratwanderung. Der langsam inszenierte und doch spannende und aufwühlende Film wird getragen von der mitreißenden Per- formance des Schauspielers Max Riemelt. Arthur Oskar Netzel Markus Max Riemelt DEBÜT IM DRITTEN 42
Markus Max Riemelt Jessica Isabell Gerschke Arthur Oskar Netzel Markus Max Riemelt Markus Max Riemelt DEBÜT IM DRITTEN 43
SAVAŞ CEVIZ AUTOR UND REGISSEUR Nach Studium der BWL an der Uni Köln mit Abschluss als Dipl.-Kfm. arbeitete Savaş Ceviz mehrere Jahre als Producer und Redakteur bei RTL, zwischendurch als Productmanager bei EMI Electrola. Anschließend war er als Director Development & Production bei Saban Entertainment in Köln verantwortlich für die TV-Movie- Koproduktionen. Anfang 1998 wechselte er zu Studio Babelsberg, wo er bis 2001 zuletzt als Leiter Int. Co-Production tätig war. Danach war er bis 2002 Vice Presi- dent Content für den Londoner Internet-TV-Sender IchooseTV in Berlin. Er absol- vierte die New York Film Academy in New York (1996), den Frank Daniels Producers Workshop (1998) sowie das Robert-Mc-Kee-Story-Seminar (1999) in Berlin. Savaş Ceviz ist als Regisseur, Autor und Producer tätig. Er schrieb und inszenierte u. a. die Kurzfilme »Laundry Day« und »Alemanya«, den Dokumentarfilm »Der mit den Fingern sieht« und eine Episode in »GG19«. Arthur Oskar Netzel Markus Max Riemelt DEBÜT IM DRITTEN 44
STAB UND BESETZUNG Markus Max Riemelt Arthur Oskar Netzel Arthur Oskar Netzel Jessica Isabell Gerschke Jessica Isabell Gerschke Stefanie Luise Heyer Tim Joel Basman Dr. Jawad Ercan Durmaz Svenja Odine Johne Mustafa Mehmet M. Yilmaz Buch & Regie Savaş Ceviz Kamera A nne Bolick Montage Frank Brummundt und Savaş Ceviz Musik Jens Südkamp und Savaş Ceviz Szenenbild Uli Friedrichs und Madeleine Schleich Kostümbild Teresa Grosser Produzenten Christoph Holthof und Daniel Reich Redaktion Stefanie Groß Eine Produktion der kurhaus produc- tion in Koproduktion mit dem SWR und gefördert von der MFG Filmförderung Deutschland, 2018, 91 Minuten Preis für den besten Debütfilm bei den Biberacher Filmfestspielen 2019 DEBÜT IM DRITTEN 45
MESSIE UND MAUD DEBÜT IM DRITTEN 46
debüt IM DRITTEN Maud und Frank wollen nach einer langen Krise ihrer Beziehung wegen eines un- SA 09.12., 23:30 UHR erfüllten Kinderwunsches einen Neuanfang auf einer Reise durch Chile wagen. MESSIE UND MAUD Doch nachdem ein Streit eskaliert, reist Maud alleine ziellos weiter. Sie trifft auf Regie: Marleen Jonkman Messi, einen kleinen chilenischen Jungen, mit dem sie zusammen durch das Land Buch: Daan Gielis reist. Durch die Begegnung mit Messi findet Maud immer mehr zu sich selbst, bis sie schließlich Frieden schließen kann und die Enttäuschungen der letzten Jahre hinter sich lässt. Messi Cristóbal Farias Maud Rifka Lodeizen DEBÜT IM DRITTEN 47
Messi Cristóbal Farias Maud Rifka Lodeizen Maria Bacher Svenja Jung Gregor Bacher Merlin Rose Maud Rifka Lodeizen DEBÜT IM DRITTEN 48
MARLEEN JONKMAN AUTORIN UND REGISSEURIN Marleen Jonkman, 1979 geboren, erzählt seit ihrer Kindheit Geschichten und il- lustrierte die Bücher, die ihre Schwester geschrieben hat. Sie studierte Film an der Universität Amsterdam und Regie an der Niederländischen Filmakademie, gefolgt vom Binger Filmlab. Sie machte ihren Abschluss an der Filmschule 2005 mit ihrem Film »Dochter«. Mehrere Kurzfilme folgten: »Dao« (2008), »Iedereen die iets betekent« (2009) und »Verre Vrienden« (2010). Marleen arbeitet als Gastdozentin in der Niederländischen Filmakademie und führte Regie bei Werbespots. »Messi and Maud« ist ihr Spielfilmdebüt. Sie lebt in Berlin. Messi Cristóbal Farias Maud Rifka Lodeizen DEBÜT IM DRITTEN 49
GESPRÄCH MIT MARLEEN JONKMAN Warum wollten Sie diesen Film machen? Der Wunsch nach einem Kind kann sehr tief verwurzelt sein. Und es ist schwer zu akzeptieren, dass es etwas ist, dass du nicht kontrollieren kann. Ich kann mir leicht vorstellen, dass es für manche Frauen zur Besessenheit wird. Das Drehbuch ließ Raum für Verlustgefühle, aber auch für Wiederermächtigung, also Trost und Resignation. Kinderlosigkeit ist nur ein Auslöser in der Geschichte. Das eigentliche Thema liegt in der Wiederentdeckung der eigenen Person, in der Reise. Man muss keine Mutter sein, um sich vollständig zu fühlen. Ein Roadmovie ist eine großarti- ge Metapher für das Leben. Beschreiben Sie Mauds Reise? Maud muss durch die Phasen der Trauer und des Verlustes gehen; durch Verleug- nung, Wut, Isolation, Verhandlungen, Depressionen und schließlich Akzeptanz. Wenn sie Messi trifft, kümmert sie sich zuerst nicht um das Kind, er ist ein Hinder- nis in ihrer Phase der Isolation. Aber langsam erfährt sie, wie sie ihm eine Mutter sein kann. In dieser Phase beschließt sie, weiter mit dem Jungen zu reisen, anstatt zurück zu Frank zu gehen. Wenn sie bemerkt, dass sie sich selber täuscht, setzt die Marleen Jonkman Depression ein. Sie merkt, dass sie sich verabschieden muss. als sie anfängt, den Jungen zu lieben. Endlich allein öffnet sie sich und akzeptiert, dass es das ist: Sie wird nie eine Mutter sein, aber sie kann sich wieder lebendig fühlen. Es ist eine lineare Geschichte, haben Sie auch in chronologischer Reihenfolge gedreht? Ja! Wir starteten im Süden Chiles, in Patagonien, und endeten 4500 km nördlich in der Wüste von Atacama. So konnten die Schauspieler wirklich in die Geschichte hineinwachsen und die sich ändernden Landschaften, das sich ändernde Klima in Chile spüren und atmen. Ich glaube an authentische Darbietungen, also je näher sie der Realität kommen, desto besser. Warum Chile? Chiles Landschaften sind nicht nur atemberaubend schön, sie enthalten auch eine heilende Kraft. Etwas, das ich während meiner ersten Recherchereise gründlich erfahren habe. Wenn sie die 4500 km von Süden nach Norden fahren, geht es von kalt, windig, eisig, nass und grauenvoll zu warm, offen und einladend. Schon in der Drehbuchphase waren die Landschaften wie eine Figur im Film. Am Anfang erlebt Maud die Natur vor allem als Gegner. Sie wehrt sich dagegen, so wie sie auch gegen sich selbst kämpft. Allmählich wirkt die Natur auf sie reini- gend und hilft ihr, eine Verbindung zu spüren, die sie sich durch die Mutterschaft erhoffte. Nicht nur die Landschaft, sondern auch die chilenische Kultur bietet eine andere Perspektive. Die chilenische Gesellschaft ist nicht individualistisch, wie es einige der westlichen (europäischen) Länder sind. Gemeinsam Zeit zu verbringen und der Austausch von Erfahrungen sind wichtiger als das »perfekte Leben«.. In der Nähe von Menschen zu sein, die so offen, sozial und entspannt sind, ist wirk- lich herzerwärmend. Und jede Begegnung im Film, die Maud hat, hilft ihr einen Schritt weiter. DEBÜT IM DRITTEN 50
Sie können auch lesen