Industrie aktuell 1 2019 - WKO

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Industrie aktuell 1 2019 - WKO
industrie aktuell                                               1
                                                             2019

Industrieforum
Familienunternehmen und Aktiengesellschaften in Österreich

Industriepolitik
Wirtschaftsfaktor Bergwerke und Stahl

Industriekonjunktur aktuell
Abschwächung der Wachstumsphase im Startquartal 2019
Industrie aktuell 1 2019 - WKO
Bundessparte Industrie (BSI)                        Industriewissenschaftliche Institut (IWI)             Industriellenvereinigung (IV)
Die Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer    Das Industriewissenschaftliche Institut (IWI) setzt   Die Industriellenvereinigung (IV) ist die freiwillige und
Österreich vertritt mit ihren Fachverbänden die     einen markanten industrieökonomischen For-            unabhängige Interessenvertretung der österreichi-
Interessen von rund 4.000 Mitgliedsunternehmen,     schungsschwerpunkt in Österreichs Institutsland-      schen Industrie und der mit ihr verbundenen Sek-
die schwerpunktmäßig der Industrie zuzuordnen       schaft. Seit 1986 steht das Institut für die qua-     toren. Seit 1946 nimmt die IV an allen Gesetzwer-
sind. In der österreichischen Industrie sind rund   litativ anspruchsvolle Verschränkung zwischen         dungsprozessen als anerkannter Partner der Politik
400.000 Personen beschäftigt.                       Theorie und Praxis.                                   teil. Eine Bundesorganisation, neun Landesgruppen
Die Bundessparte Industrie ist nicht nur für eine   Das intensive Zusammenspiel unterschiedlicher         und das Brüsseler IV-Büro vertreten die Anliegen
aktive Mitgestaltung der österreichischen Indus-    Forschungsbereiche dient dazu, Produktions-           ihrer aktuell mehr als 4.400 Mitglieder aus produ-
triepolitik zuständig, sondern auch für die Koor-   strukturen systemorientiert zu analysieren und        zierendem Bereich, Kredit- und Versicherungswirt-
dination und die inhaltliche Artikulierung aller    darauf aufbauend zukunftsweisende wirtschafts-        schaft, Infrastruktur und industrienaher Dienstleis-
industrierelevanten Interessen vor allem in der     politische Konzepte zu entwickeln. Besondere          tung – in Österreich und Europa. Die IV-Mitglieder
Kollektivvertragspolitik, im Umwelt- und Energie-   Schwerpunkte finden sich in der Analyse lang-         repräsentieren mehr als 80 Prozent der heimischen
bereich, in der Forschungs- und Technologiepoli-    fristiger makroökonomischer Entwicklungsten-          Produktionsunternehmen. Ihr Anspruch an der
tik sowie in der Infrastrukturentwicklung.          denzen sowie in der Untersuchung industrieller        Schnittstelle zwischen Unternehmen und Politik ist
                                                    Netzwerke (Clusteranalysen).                          es, mit innovativen Konzepten und Expertise Öster-
                                                                                                          reichs Gesellschaft zukunftsfit zu gestalten.

Bundessparte Industrie der                          Industriewissenschaftliches Institut                  Industriellenvereinigung
Wirtschaftskammer Österreich                        Mittersteig 10/4, 1050 Wien                           Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien, Österreich
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien                   Telefon: 513 44 11-0                                  Telefon: 43 1 71135 – 0
Telefon: 05 90 900-3460                             Telefax: 513 44 11-2099                               Internet: www.iv.at, www.facebook.com/
Telefax: 05 90 900-113417                           Internet: http://www.iwi.ac.at,                       industriellenvereinigung, www.twitter.com/iv_
Internet: http://wko.at/industrie,                  E-Mail: office@iwi.ac.at                              news
E-Mail: bsi@wko.at                                  Vorstand                                              E-Mail: office@iv.at
Präsidium                                           Vorsitzender Hon.Prof. Dr. Wilfried Stadler,          Präsidium
Obmann Mag. Sigi Menz, Ottakringer Getränke AG      Wirtschaftsuniversität Wien                           Präsident Mag. Georg Kapsch, Kapsch AG
Stellvertreter Hon.Konsul KommR Veit                Stellvertreter Gen.Sekr. Mag. Anna Maria              Vizepräsident Ing. Hubert Bertsch,
Schmid-Schmidsfelden, Rupert Fertinger GmbH         Hochhauser, Wirtschaftskammer Österreich              BERTSCH-Holding
Stellvertreter KommR DI Dr. Clemens Malina-         Gen.Sekr. Mag. Christoph Neumayer,                    Vizepräsident Dr. Axel Greiner, Greiner Gruppe
Altzinger, Reform-Werke Bauer & Co. Ges.m.b.H.      Vereinigung der Österreichischen Industrie            Vizepräsident KR Mag. Otmar Petschnig,
kooptiert: Günter Dörflinger, MBA Christof          Mag. Markus Beyrer, Business Europe                   Fleischmann & Petschnig Dachdeckungs GmbH
Industries GmbH                                     Dr. Wolfgang Damianisch                               Geschäftsführung
kooptiert: MEP Dr. Paul Rübig, Rübig GmbH & Co KG   Mag. Christian Domany, Unternehmensberater            Generalsekretär Mag. Christoph Neumayer
Geschäftsführer                                     Dr. Erhard Fürst                                      Vize-Generalsekretär Ing. Mag. Peter Koren
Mag. Andreas Mörk                                   DI Dr. Manfred Matzinger-Leopold,
                                                    Münze Österreich AG
                                                    FH-Hon.-Prof. Dr. Dr. Herwig W. Schneider,
                                                    Industriewissenschaftliches Institut
                                                    Kuratorium
                                                    Vorsitzender Hon.Konsul KommR Veit
                                                    Schmid-Schmidsfelden, Rupert Fertinger GmbH
                                                    Dir. Mag. Dr. Johannes Turner,
                                                    Oesterreichische Nationalbank
                                                    Geschäftsführer
                                                    FH-Hon.-Prof. Dr. Dr. Herwig W. Schneider
                                                    Wissenschaftlicher Leiter
                                                    Univ. Prof. DI Dr. Mikuláš Luptáčik

2    industrie aktuell | 2019 | 1
Industrie aktuell 1 2019 - WKO
inhalt

                                                   editorial                                        konjunktur
                                               Mag. Sigi Menz                                   Kommentar zur internationalen
                                               Fachkräftemangel spitzt sich zu            4    Konjunkturentwicklung
                                                                                                FH-Hon.-Prof. Dr. Dr. Herwig W. Schneider         30
                                                   forum
                                                                                                Auslandsnachfrage trägt noch
                                               Familienunternehmen und Aktiengesellschaften     das Konjunkturwachstum
                                               in Österreich – eine Bestandsaufnahme beider     Mag. Andreas Mörk                                 32
                                               Unternehmensformen                         6
                                                                                                konjunktur nach branchen
                                               Interview:
                                               Es braucht eine radikale Senkung der             Branchenübersicht                                 34
                                               Steuer- und Abgabenlast                          Gesamtindustrie                                   35
                                               Georg Kapsch,                                    Bergwerke und Stahl                               35
                                               Präsident der Industriellenvereinigung    12    Stein- und keramische Industrie                   36
                                                                                                Glasindustrie                                     36
                                                                                                Chemische Industrie                               37
                                                   politik
                                                                                                Papierindustrie                                   37
                                               Austrian Cooperation Research (ACR)              PROPAK – Industrielle Hersteller von
                                               Brückenbauer für Innovation               15    Produkten aus Papier und Karton                   38
                                                                                                Bauindustrie                                      38
                                               Standortfaktor Strompreis                        Holzindustrie                                     39
                                               Die Industrie braucht wettbewerbsfähigen         Lebensmittelindustrie                             39
                                               Rechtsrahmen                            16      Textil-, Bekleidungs-,
                                                                                                Schuh & Lederindustrie                            40
                                               KÖSt Senkung                                     NE-Metallindustrie                                40
                                               Eine dringend notwendige Maßnahme         18    Metalltechnische Industrie                        41
                                                                                                Fahrzeugindustrie                                 41
                                               Interview:                                       Elektro- und Elektronikindustrie                  42
                                               Man unterschätzt die Mechanismen                 Offenlegung, Impressum                            42

                                                                                         inhalt
                                               und den Druck globaler Abkommen
                                               Wolfgang Eder,
                                               CEO voestalpine AG                        20
Fotos: Industriellenvereinigung, beigestellt

                                               Neue Serie:
                                               Bergwerke und Stahl – Wichtiger
                                               Wirtschaftsfaktor für eine „grüne“ Zukunft 24
                                               
                                               Interview:
                                               Mineralische Rohstoffe fördern
                                               Wachstum und Beschäftigung
                                               Bergrat h. c. DI Franz Friesenbichler,
                                               Obmann Berkwerke und Stahl                28

                                                                                                                               industrie aktuell | 2019 | 1   3
Industrie aktuell 1 2019 - WKO
forum   kommentar

        Fachkräftemangel spitzt sich zu
        In Österreich sind rund 410.000 Menschen arbeitslos oder in
        Schulungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice. Gleichzeitig klagen
        drei Viertel der österreichischen Unternehmen über Probleme bei der
        Besetzung von offenen Stellen. Diese widersprüchlichen Zahlen
        machen den großen politischen Handlungsbedarf deutlich.
                                                                                      Autor: Mag. Sigi Menz

        U
              mfragen des Instituts für Bildungsforschung      Jobsuche breiter anlegen
              der Wirtschaft (ibw) und des Beratungs-
              unternehmens Ernst&Young (EY) haben im           In den neuen „Arbeitsmarktpolitischen Zielvorga-
        letzten Jahr den gleichlautenden Befund erbracht,      ben“ des Sozialministeriums wird mit Recht eine
        dass mehr als 50 Prozent der Unternehmen               Stärkung der „Kernkompetenz“ des AMS und eine
        aufgrund des Fachkräftemangels Umsatzein-              „rasche Zusammenführung von Arbeitskräf-
        bußen hinnehmen müssen. Viele Unternehmen              tenachfrage und -angebot“ gefordert. Aufgrund
        sehen den Fachkräftemangel mittlerweile als            der großen regionalen Unterschiede wird deutlich,
        größte Gefahr für ihre künftige Entwicklung. Die       dass innerhalb des AMS in Österreich der Erfolg
        Tatsache, dass gerade auch die überdurchschnitt-       bei der Vermittlungstätigkeit höchst ungleich ver-
        lich gut zahlende Industrie vom Fachkräfte-            teilt ist. Das zeigt, dass es Potenzial für Verbes-
        mangel betroffen ist, zeigt deutlich, dass die flap-   serungen gibt. Dabei sind folgende Ansätze sicher
        sigen Aufforderungen an die Wirtschaft, „doch          zielführend: Arbeitslosen helfen ihr Berufsbild
        einfach mehr zu zahlen“, offenbar am Thema vor-        weiter zu denken und damit die Jobsuche breiter
        bei gehen.                                             anzulegen; die regionale Fixierung zu überwinden,

                                                                              Mag. Sigi Menz, Obmann der Sparte
                                                                                   Industrie und Aufsichtsrat der
                                                                                         Ottakringer Getränke AG
Industrie aktuell 1 2019 - WKO
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                      auch durch entsprechende finanzielle Förderung;        umso problematischeren Engpässe im Lehrlings-
                      und schließlich (Um-)Schulungsmaßnahmen nicht          und dem darauf aufbauenden Facharbeiterbereich,
                      der statistischen Effekte wegen zu forcieren, son-     dürfen vor allem die technischen Ausbildungswe-
                      dern in enger Abstimmung mit Unternehmen und           ge, von der HTL über die Fachhochschulen bis zu
                      deren Bedarf anzubieten.                               den Universitäten, nicht vernachlässigt werden.

                      Effizienter Arbeitsmarkt notwendig                     Demografie verschärft das Problem
                      Diese Schritte werden zwar nicht von heute auf         Die sinkende Lehrlingszahl steht, wie erwähnt, in
                      morgen den Fachkräftemangel beseitigen, aber           engem Zusammenhang mit der demografischen
                      die Zusammenführung von Arbeitskräftenachfra-          Entwicklung: Im Jahr 1980 lag die Zahl der 15-Jäh-
                      ge und -angebot lässt sich damit sicher verbessern.    rigen in Österreich bei knapp 200.000, mittler-
                      Ein effizienter Arbeitsmarkt hilft Arbeitnehmern       weile ist sie auf unter 110.000 gefallen. Die ge-
                      und Arbeitgebern, vermeidet den Verlust an Qua-        burtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre, die
                      lifikation und kann auch einen weiteren Zuwachs        vor 40 Jahren für hohe Lehrlingszahlen gesorgt
                      von Langzeitarbeitslosigkeit verhindern, die öko-      haben, werden in den nächsten Jahren in Pension
                      nomisch, politisch und vor allem auch menschlich       gehen. Damit wird sich der Fachkräftemangel
                      eine Katastrophe darstellt.

                      Karriere mit Lehre
                      Ein weiterer und wichtiger Ansatz ist, auch die
                                                                                      Ein effizienter Arbeitsmarkt hilft
                      Ausbildung zu forcieren. War eine „Karriere durch              Arbeitnehmern und Arbeitgebern,
                      Lehre“ in den vergangenen Jahren eher die zwei-            vermeidet den Verlust an Qualifikation
                      te Wahl für junge Menschen, so zeigt sich heute,
                      dass Personen mit Lehrabschluss – insbesonde-                     und kann auch einen weiteren
                      re im Bereich einer sogenannten „Industrielehre“                  Zuwachs von Langzeitarbeits-
                      – zu den am stärksten nachgefragten Qualifika-
                      tionen am Arbeitsmarkt zählen. Laut der erwähn-
                                                                                                   losigkeit verhindern.
                      ten Erhebung des ibw haben 60 Prozent der Un-
                      ternehmen „häufig“ Probleme, Personen mit
                      Lehrabschluss zu finden: Bei einer insgesamt
                      sinkenden Zahl an Jugendlichen und einem eben-         deutlich verschärfen. Wenn man verhindern will,
                      falls sinkenden Anteil an Jugendlichen, die sich für   dass beschäftigungsintensive, industrielle Tätig-
                      eine Lehre entscheiden, ist eine weitere Verschär-     keiten in andere Länder abwandern – und damit
                      fung des Problems absehbar.                            auch die entsprechenden Quellen von Wertschöp-
                                                                             fung und Wohlstand abwandern – darf man die
                      Eine ausreichende Zahl an Lehranfängern ist aber       Diskussion über gezielte Zuwanderung nicht ver-
                      nur ein Element einer adäquaten Vorbereitung auf       weigern. Um fertig ausgebildete Fachkräfte aus
                      die Anforderungen der Zukunft. Über alle Schul-        Auswanderungsländern gibt es mittlerweile einen
                      und Ausbildungswege hinweg muss – zusätzlich           globalen Wettbewerb, den Österreich (und
                      zu allgemeinen Basisqualifikationen – jungen           Deutschland) schon aus sprachlichen Gründen
                      Menschen ein realistisches Bild der Wirtschaft         kaum gewinnen können. Die Chance besteht da-
Foto: Heidrun Henke

                      vermittelt und die Bildung in den sogenannten          rin, junge und bildungswillige Personen anzuspre-
                      MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Natur-           chen. Wenn diese als Asylwerber bereits im Land
                      wissenschaften und Technik) verstärkt werden.          sind, liegt deren Einbindung in den Arbeitsprozess
                      Angesichts der heute vorhandenen und in Zukunft        umso näher. 

                                                                                                           industrie aktuell | 2019 | 1   5
Industrie aktuell 1 2019 - WKO
forum             cover | unternehmensform

                  Familienunternehmen und
                  Aktiengesellschaften
                  Eigentümergeführte Betriebe haben in Österreich eine lange Tradition,
                  börsennotierte AGs stellen das moderne Gegenbild dar. Eine Bestands-
                  aufnahme bei bedeutenden Vertretern beider Unternehmensformen.

                 D
                        ie Wahl der Rechtsform eines Industrie-          Summe hält dieses Syndikat 88,41 Produzent. Mit
                        Unternehmens ist von grundlegender Be-           dem Familien-Syndikat und ÖZW verfügt das Un-
                        deutung. Mit ihr werden Weichen gestellt,        ternehmen über eine stabile Eigentümerstruktur
                  die weit über das Gründungsjahr hinauswirken           von 94,28 Prozent des Aktienkapitals. Manner-
                  und einen enormen Einfluss auf den zukünftigen         Vorstand Albin Hahn erklärt dazu: „Manner ist da
                  Firmenerfolg haben. Viele bedeutende heimische         sicherlich eine Besonderheit, da die Mehrheit der
                  Industrieunternehmen werden heute noch als             Aktien (88,41 Prozent) in einem Familien-Syndikat
                  reine Familienunternehmen geführt, manche ha-          zusammengefasst ist. Der Hauptunterschied zu
                  ben sich zu börsennotierten Aktiengesellschaften       rein kapitalmarktorientierten Unternehmen ist,
                  gewandelt, manche holen sich aus beiden Welten         dass Manner nachhaltige und längerfristige Ent-
                  das Beste zum Nutzen von Kunden, Mitarbeitern          scheidungen treffen kann, die sich an einer klaren
                  und Eigentümern. Wir haben uns bei heimischen
                  Leitbetrieben umgehört, was für sie die auschlag-
                  gebenden Argumente waren oder sind, sich für
                  eine bestimmte Rechtsform zu entscheiden.

 „Der Österreichi-
 sche Corporate
 Governance Kodex
 ist wesentlicher
 Bestandteil unserer
 Unternehmens-
 führung.“
 Albin Hahn,
 Vorstandsvorsitzender
 Manner AG

                                                                            Ein Familiensyndikat mit einem Aktienanteil von 88,41
                                                                            Prozent hat beim Lebensmittelhersteller das Sagen.
                  Manner AG
                                                                                                                                    Fotos: Manner AG, Ottakringer Getränke AG

                  Manner ist eine börsennotierte AG mit einer sehr
                  stabilen Aktionärsstruktur über die Jahre. Das         Wertestruktur orientieren. Der Vorteil ist, dass wir
                  Grundkapital der Gesellschaft beträgt 13.740.300       nicht jeden Tag einen abgefragten Börsenkurs ver-
                  Euro und ist in 1.890.000 nennbeitragslose Stück-      teidigen müssen und nicht von Quartalsergebnis-
                  aktien zerlegt. Die Privatstiftung Manner hält 42,45   sen getrieben sind. Unsere Kernaktionäre erwarten
                  Prozent direkte Beteiligung am Kapital, die Andres     die Wahrnehmung eines sozialen, nachhaltigen
                  Holding GmbH 24,00 Prozent, ÖZW 5,87 Prozent.          und profitablen Unternehmertums. Die Börsenno-
                  Die Privatstiftung Manner und die Andres Holding       tierung bringt eine Menge an Regulativen und Ad-
                  GmbH gehören dem „Manner“-Syndikat an. In              ministration mit sich, die tendenziell in den letzten

           6   industrie aktuell | 2019 | 1
Industrie aktuell 1 2019 - WKO
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                                                                                                                    „Familienunter-
                                                                                                              nehmen, die börsen-
                                                                                                               notiert und dennoch
                                                                                                             vorwiegend im Fami-
                                                                                                             lienbesitz sind, holen
                                                                                                                 sich das Beste aus
                                                                                                                      zwei Welten.“
                                                                                                                           Alfred Hudler,
                                                                                                                      Vorstandssprecher
                                                                                                                 Ottakringer Getränke AG

Bei nur 6 Prozent Streubesitzanteil erwirtschaftet die Ottakrin-
ger Getränke AG 2017 einen Umsatz von 218,6 Millionen Euro.        Familienunternehmen mit unseren Werten, die
                                                                   sich seit fast 130 Jahren etablieren konnten, ein
           Jahren angestiegen ist und für ein Unternehmen          wesentlicher Bestandteil.“
           in unserer Größe nicht immer einfach ressourcen-
           technisch zu bearbeiten ist. Mit einem immer straf-
                                                                   Ottakringer
           feren Regelwerk für alle börsennotierten Unter-
           nehmen, unabhängig ihrer Größe, ist der mit der         Die Ottakringer Getränke AG ist zu sechs Prozent
           Börsennotierung zu betreibende Aufwand immer            im Streubesitz und zu 88 Prozent im Besitz der
           zu hinterfragen. Besonders dann, wenn der Vorteil       Ottakringer Holding AG. Die restlichen sechs Pro-
           der Unternehmensfinanzierung über die Börse             zent der Anteile hält die Ottakringer Getränke AG
           nicht genutzt wird.“                                    selbst (eigene Aktien). Die Ottakringer Holding AG
                                                                   ist im Besitz der Familien Wenckheim, Menz, Traut-
           Die Vorteile der Börsennotierung sieht Hahn aber        tenberg und Pfusterschmid. Wir sprachen mit Al-
           durchaus auch: „Die Börsennotierung bewährt sich        fred Hudler, Vorstandsprecher der Ottakringer
           immer dort, wo es darum geht, sinnvolle und ad-         Getränke AG, zu der neben der namensgebenden
           äquate Regulative einzubauen – gegen vermeint-          Brauerei auch der Mineralwasserhersteller Vös-
           liche einzelne Eigentümerinteressen, die den Be-        lauer gehört. „Familienunternehmen, die börsen-
           stand des Unternehmens gefährden. Bei Manner            notiert sind und dennoch vorwiegend im Besitz
           sind die Wertestruktur, der Code of Conduct und         der Familien, holen sich das Beste aus zwei Welten:
           der Corporate Governance Kodex ein wesentlicher         Einerseits die stetige börsenbedingte Motivation,
           Bestandteil des Eigentümerverständnisses und            transparent, effizient und am Puls der Zeit zu sein,
           haben damit auch Gültigkeit unabhängig von einer        anderseits aufgrund ihrer aufrechten Verwurzelung
           Börsennotierung. Die österreichische Wirtschaft         als echtes Familienunternehmen eine glaubwür-
           ist stark von Familienunternehmen geprägt. 51           dige Authentizität, eine Direktheit zu den Men-
           Prozent aller Unternehmen in Österreich sind Fa-        schen, sowohl den Mitarbeitern als auch den Kun-
           milienunternehmen i. w. S. und sind Arbeitgeber         den sowie eine Bodenhaftung und Erdung, die
           von 65 Prozent aller Beschäftigten und erwirt-          einfach gut tut, insbesondere in schnelllebigen und
           schaften ca. 57 Prozent des nationalen Umsatzes.        bisweilen oberflächlichen Zeiten wie unseren. Im
           Dies wird sich auch in nächster Zukunft nicht än-       Grunde fühlten wir uns immer wohl mit der Eigen-
           dern. Bei Manner merken wir es, dass sich Konsu-        tümerstruktur. Insbesondere freilich seit unserem
           menten auch immer mehr damit auseinanderset-            legendären Unabhängigkeitstag, an dem es gelang,
           zen, wer hinter dem Produkt steht und mit welchen       die Anteile, die Heineken hielt, zurückzukaufen.
           Werten das Unternehmen punktet. Da sind wir als         Wir halten die Konstellation, in der die wichtigsten

                                                                                                  industrie aktuell | 2019 | 1   7
Industrie aktuell 1 2019 - WKO
forum             cover | unternehmensform

                  Eigentümer auch im Aufsichtsrat vertreten sind,        Andritz: „Daraus ergeben sich umfangreichere
                  für ideal. Unsere stabile Aktionärsstruktur, mit       Möglichkeiten und leichterer Zugang zu den Kapi-
                  einem klar beherrschenden Kernaktionär, erlaubt        talmärkten zur Finanzmittelbeschaffung im Falle
                  uns auch, langfristige Entscheidungen zu treffen,      von anstehenden größeren Investitionen oder Ak-
                  ohne ständig Auswirkungen auf den Aktienkurs           quisitionen. Durch die Veröffentlichungspflichten
                  berücksichtigen zu müssen. Familienunternehmen         als börsennotiertes Unternehmen sind Banken und
                  haben einen riesigen Vorteil: Sie sind den Menschen    Finanzinstitute und andere Stakeholder über die
                  nahe. Ihre Eigentümer leben unter den Menschen,        jeweilige Wirtschaftsentwicklung der Firma gut
                  die ihre Kunden sind. Sie leben in dem Land, das       und laufend informiert, daher sind auch im Be-
                  ihr Markt ist. Die Verbindung ist damit eine viel      darfsfall keine umfassenden wirtschaftlichen Prü-
                  engere, viel herzlichere als sie etwa bei einem mul-   fungen notwendig. Durch die Bekanntheit der
                  tinationalen Konzern sein kann, der seine Firmen-      wirtschaftlichen Situation des Unternehmens ist
                  zentrale irgendwo hat, seine Steuern irgendwo          auch ein schnellerer Zugang zu Kapitalmärkten

 „Andritz hat eine
 breit gestreute
 Investorenbasis, die
 von Nordamerika,
 über UK bis hin zu
 Europa reicht.“
 Michael Buchbauer,
 Head of Corporate
 Communications
 Andritz AG

                                                                         Andritz ist weltweit führender Anlagenbauer und
                  zahlt und die Menschen womöglich nur als Kon-          befindet sich zu über 60 Prozent im Streubesitz.
                  sumenten betrachtet. Zudem denken Familienun-
                  ternehmen naturgemäß nicht in Quartalszahlen,          möglich, weil keine umfassende Bonitätsanalyse
                  sondern immer schon nachhaltig und in Genera-          gemacht werden muss. Als börsennotierte Firma
                  tionen. Manchmal ist das womöglich weniger sexy        steht einem im Bedarfsfall nicht nur die Möglichkeit
                  für den Finanzmarkt. Aber gewiss ist es gesünder       einer Kapitalerhöhung zur Verfügung, sondern man
                  und fairer und sympathischer.“                         kann durch die Bekanntheit auch Anleihen oder
                                                                         Schuldscheindarlehen begeben. Ein bekanntes
                                                                         Unternehmen tut sich hier wesentlich leichter. Ein
                  Andritz
                                                                         weiterer Vorteil ist die Attraktivität für neue Mit-
                  Ebenfalls an der Börse nortiert ist der in Graz an-    arbeiter. Ein börsennotiertes Unternehmen wird
                  sässige Anlagenbauer Andritz mit Niederlassungen       meist als attraktiver Arbeitgeber gesehen. Die
                  in den USA, Indonesien, China, Singapur, Frankreich    Wiener Börse hat sich in den letzten Jahren inter-
                                                                                                                                Fotos: Andritz AG, EVVA, Leitl

                  und Deutschland. Und obwohl die Geschichte von         national gut etabliert, die gelisteten Unternehmen
                  Andritz 1852 als Familienunternehmen begann,           genießen hohes Ansehen bei Anlegern weltweit.
                  liegt heute der über die Börse gehandelte Streu-       Andirtz selbst hat eine regional sehr breit gestreu-
                  besitzanteil bei rund 65 Prozent. Zu den Vorteilen     te Investorenbasis, die von Nordamerika, über UK
                  dieser Grundkapitalverteilung meint Michael Buch-      bis hin zu Kontinentaleuropa reicht. Wir haben
                  bauer, Head of Corporate Communications bei            sogar einige japanische Investoren.“

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Industrie aktuell 1 2019 - WKO
cover | unternehmensform                                  forum

                                                                                                               „Eigentümer-
                                                                                                             geführte Unter-
                                                                                                         nehmen haben ge-
                                                                                                         wisse Vorteile, was
                                                                                                         die Entscheidungs-
                                                                                                           findung betrifft.“
                                                                                                            Stephan Ehrlich-Adám,
                                                                                                                  Geschäftsführer
                                                                                                                EVVA Sicherheits-
                                                                                                                 technolgie GmbH

EVVA ist Hersteller von Sicherheitsprodukten und seit der
Gründung 1919 in Wien ein Familienunternehmen.              werden längerfristig und generationenübergreifend
                                                            gesehen. Und – jedes Unternehmen ist dann er-
                                                            folgreich, wenn klare Werte kommuniziert sind und
       EVVA
                                                            gelebt werden, so wie bei EVVA. Ich sehe das als
       Ein reines Familienunternehmen seit der Gründung     einen zentralen Erfolgsfaktor: leidenschaftliche
       1919 ist EVVA (Erfindungs-Versuchs-Verwertungs-      Mitarbeiter, die gemeinsam und wertekonform
       Anstalt). Man ist mit Niederlassungen in zehn Län-   etwas bewegen wollen, gepaart mit einer tiefen
       dern und weltweiten Exporten einer der führenden     Verbundenheit zum Unternehmen. Bei EVVA gibt
       Hersteller von Sicherheitstechnik in Europa. Dass    es eine gemeinsame Vision, die verfolgt wird. Dazu
       EVVA sich zu 100 Prozent im Eigentum der Fami-       kommt die Bereitschaft das Unternehmen gegen
       lie befindet, sieht Mag. Stefan Ehrlich-Adám, CEO    den Mitbewerb zu behaupten, mit neuer Techno-
       der EVVA-Gruppe als enormen Vorteil. „Ich bin        logie, einer klaren Vision, sowie einer starken Ent-

                                                                                                             „Das Familiäre
                                                                                                            wollen wir auch
                                                                                                            im Umgang mit
                                                                                                           Kunden und Mit-
                                                                                                        arbeitern zeigen: Im
                                                                                                         Vordergrund steht
                                                                                                         das Gemeinsame!“
                                                                                                                         Stefan Leitl,
                                                                                                                    Geschäftsführer
                                                                                                                  Leitl-Werke GmbH

Seit über 1995 befindet sich Baustoffproduzent Leitl im
Familienbesitz, am Ruder ist die 5. Eigentümergeneration.   wicklungsmannschaft. Ein gelungenes Zusam-
                                                            menspiel von Forschung, Entwicklung und
       davon überzeugt, dass bei Familienunternehmen        Produktion, sowie Vertrieb ist somit ausschlagge-
       die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle spielt,   bend. Wir waren ursprünglich eine Personenge-
       eine engere Bindung bringt und nachhaltiges Han-     sellschaft, sind zu einem späteren Zeitpunkt in die
       deln von großer Bedeutung sind. Zeitperioden         Rechtsform der GmbH gewechselt. Pläne, an die

                                                                                           industrie aktuell | 2019 | 1   9
Industrie aktuell 1 2019 - WKO
forum               cover | unternehmensform

                    Börse zu gehen, gibt es nicht. Eigentümergeführ-        weiteres Zeichen für dieses Gemeinsame zu setzen.
                    te Unternehmen haben möglicherweise gewisse             Im Familienunternehmen gehst du nie ganz in Pen-
                    Vorteile, was die Kombination von Nachhaltigkeit        sion. Auch wenn operative Aufgaben an die nächs-
                    und Effizienz in der Entscheidungsfindung betrifft.     te Generation übergeben werden wie vor kurzem
                    Jedenfalls gehen wir unternehmerische Risiken           bei uns: die Begleitung der Familienmitglieder, die
                    mit Augenmaß ein. Die Unternehmensgeschichte            im Unternehmen waren, bleibt. Dieser Zusammen-
                    von EVVA ist eng mit der Familiengeschichte ver-        halt, die Erfahrung und unterschiedlichen Denk-
                    woben.Familienunternehmen spielen in der öster-         weisen sehe ich als gewaltige Stärke.“
                    reichischen Industrielandschaft eine wichtige Rol-
                    le, stehen aber genauso im nationalen und
                                                                            Spitz
                    internationalen Wettbewerb wie alle anderen
                    Unternehmen auch und müssen daher ihre Haus-            Der Leitbetrieb aus Attnang-Puchheim zählt nicht
                    aufgaben effizient und effektiv abarbeiten.“            nur zu den erfolgreichsten Lebensmittelherstellern,

 „Die Struktur als
 eigentümergeführ-
 tes Unternehmen
 hat sich in der Ver-
 gangenheit wieder-
 holt bewährt.“
 Walter Scherb jun.,
 Geschäftsführer,
 S. Spitz GmbH

                                                                            Das Unternehmen produziert seine bekannten Lebens-
                                                                            mittelprodukte der Marke Spitz in Attnang-Puchheim.
                    Leitl
                    Ebenfalls seit über 100 Jahren im Familienbesitz        sondern auch zu den renommiertesten Familien-
                    befindet sich das Baustoffunternehmen Leitl in          unternehmen Österreichs – und das seit mehr als
                    Oberösterreich. Erst kürzlich hat Stefan Leitl in der   160 Jahren. Geschäftsführer Walter Scherb jun. ist
                    fünften Generation die Geschäftsführung über-           sich der Verantwortung bewusst: „Wir blicken der
                    nommen: „Die Vorteile eines Familienunterneh-           Zukunft von Familienunternehmen in der österrei-
                    mens sind zunächst das langfristige Denken in           chischen Industrie sehr positiv entgegen. Dies hat
                    Generationen. Klar arbeiten wir auch mit kurzfris-      mehrere Gründe: Die heimischen KonsumentInnen
                    tigen Zielen, in erster Linie denken wir aber an den    wollen immer häufiger wissen, woher ihre Produk-
                    langfristigen Fortbestand unseres Unternehmens.         te tatsächlich kommen und sind neugierig, welche
                    Mein Ziel ist es, ein erfolgreiches Familienunter-      Personen hinter den Unternehmen stehen. Fami-
                    nehmen auch weiter an die nächste Generation zu         lienunternehmen mit Tradition haben hier einen
                    übergeben. Das Familiäre wollen wir auch im Um-         klaren Vorteil gegenüber anonymen Konzernen. In
                                                                                                                                  Fotos: Spitz, Aktienforum

                    gang mit unseren Mitarbeitern und Kunden zeigen:        der heimischen Lebensmittelindustrie spielen so-
                    das Gemeinsame, Partnerschaftliche steht im             wohl der Mensch als auch die Herkunft aus der
                    Vordergrund, der vertrauensvolle Umgang mitei-          Region eine immer bedeutendere Rolle“.
                    nander. Heuer werden wir für unsere Mitarbeiter
                    ein neues Beteiligungsmodell auflegen, um ein                                     Autor: Sebastian Wegener

            10   industrie aktuell | 2019 | 1
cover | unternehmensform                                  forum

Karl Fuchs – Geschäftsführer Aktienforum

Thema: Familienunternehmen und der Gang an die Börse

Das Aktienforum ist die Interessenvertretung heimi-    bringt neue Zielgruppen für das
scher börsennotierter Unternehmen und setzt sich       Unternehmen. Jedoch bedarf die
für einen starken österreichischen Kapitalmarkt ein.   Auseinandersetzung mit neuen
Auf die Mitglieder des Aktienforums entfallen drei     Eigentümern einer Umstellung in
Viertel der Marktkapitalisierung der Wiener Börse.     der Kommunikation. Größere
Wir baten Aktienforum-Geschäftsführer Karl Fuchs       Investoren haben meist tiefes
um seine Expertise zum Thema.                          Industrie-Know-how. Dies gilt es
                                                       partnerschaftlich weiter zu
Der Börsegang ist ein Finanzierungsinstrument für      entwickeln. Berichtswesen und
die Kapitalaufnahme im größeren Stil und bietet        Reportingpflichten, die eine
sich vor allem zur Finanzierung im Zuge von            Börsennotiz mit sich bringen,
Expansionen und in rasch wachsenden Branchen           sorgen für einen entsprechenden
an. Darüber hinaus sind weitere Finanzierungs-         Mehraufwand im Unternehmen.
möglichkeiten durch Kapitalerhöhungen möglich.
Ganz grundsätzlich verbessert sich durch eine
                                                       Tops und Flops am heimischen Kapitalmarkt
Börsennotierung auch die Bonität im Fremdkapital-
bereich. Abseits der Finanzierungsseite führt eine     Privatisierungen brachten in Österreich Weltmarkt-
Notierung zu einer enormen Sichtbarkeit. Dies wie-     führer hervor und bringen dem Staat bei seinen
derum erhöht die Attraktivität als Arbeitgeber, bei    Beteiligungen heute noch Hunderte Millionen an
Kunden und Lieferanten. Auch können Mitarbeiter        Dividenden ein. Die Erfolgsgeschichte der Wiener
an der Entwicklung von Unternehmen teilhaben.          Börse seit den 2000ern ist geprägt von der Einfüh-
                                                       rung des digitalen Handelssystems XETRA. So
                                                       wurde sehr viel internationale Liquidität angezo-
Profitabilität und Wachstum
                                                       gen. 85 Prozent der Umsätze heute werden via
Ein Börsegang kommt aus unterschiedlichen              internationale Handelsteilnehmer lukriert. Ein
Gründen in Betracht. Dies hat mit der Wachstums-       weiterer Milestone war 2017 mit der BAWAG das
strategie und etwaigen Nachfolgeregelungen bei         größte IPO in der Geschichte der Wiener Börse.
Familienunternehmen zu tun. Weitere Aspekte            Heuer legte Marinomed in Wien Europas erstes IPO
können z. B. auch mögliche Exits von Private Equity    hin. Flops findet man vor allem in der Steuerpolitik
Fonds sein. Schaut man sich branchenspezifische        der letzten Jahre. Die Einführung der Wertpapier-
Parameter an, so entscheidet bei Dividendentiteln      KESt, die Streichung der Spekulationsfrist und die
die Profitabilität. Bei Technologieunternehmen sind    Anhebung der KESt auf 27,5 Prozent waren sehr
es Innovation und schnelles Wachstum.                  negative Signale für den heimischen Kapitalmarkt.

Unternehmerisches Handeln                              Tipps für den Börsegang

Aktionäre können sehr kritische, aber auch sehr        Wichtig sind frühe Vorbereitungen, ein gezielter
wertvolle Sparring-Partner sein. So erfährt das        Wissensaufbau und die Partnersuche. Man
unternehmerische Handeln einen neuen Grad an           benötigt eine klare vorwärts gerichtete Strategie,
Professionalisierung und Disziplin. Die Ausgabe        die sogenannte Equity Story. Auch muss eine aktive
von Aktien und das Hereinholen von Investoren          Kommunikation mit Investoren geübt werden.

                                                                                  industrie aktuell | 2019 | 1   11
„Es braucht eine radikale Senkung
          der Steuer- und Abgabenlast“
        Österreichs Industrie ist die treibende Kraft, wenn es um Wachstum und
        Arbeitsplätze geht. Für Georg Kapsch, Präsident der IV, braucht es jetzt
        ein wettbewerbsfähiges Umfeld und eine standortstärkende Politik.

        Österreich kann auf einen Konjunktursommer zurück-     Welche konjunkturelle Rolle spielt die Industrie?
        blicken, für 2019 ist allerdings mit einer Abschwä-
        chung zu rechnen. Wie beurteilen Sie die konjunktu-    Sieht man sich die sektoralen Wertschöpfungsbei-
        relle Zukunft?                                         träge an, dann wird deutlich, dass der heimische
                                                               Aufschwung zu mehr als 70 Prozent vom produ-
        Georg Kapsch: Kein Konjunktursommer währt ewig.        zierenden Bereich einschließlich der ihm zurechen-
        Selbst eine ausgeprägte und den Widrigkeiten der       baren Dienstleistungen getragen wurde. Die Indus-
        Geopolitik bis dato trotzende Hochkonjunktur geht      trie ist demnach der Job- und Wachstumsmotor in
        einmal zu Ende. Aus heutiger Sicht steht Österreich    Österreich. Der industrielle Wertschöpfungsbeitrag
        kein Abgleiten in eine Rezession bevor. Es ist viel-   aus dem Vorjahr fällt mit plus 6,6 Prozent mehr als
                                                                                                                     Fotos: Industriellenvereinigung

        mehr eine Normalisierung des Expansionstempos          doppelt so hoch aus wie jener der Gesamtwirtschaft.
        auf dem Pfad des Potenzialwachstums zu verzeich-       Ohne die Industrie wäre ein Rückgang des gesamt-
        nen. Die österreichische Industrie stellt sich daher   wirtschaftlichen Wachstums um mindestens einen
        in diesem Jahr auf eine konjunkturelle Abschwä-        ganzen Prozentpunkt zu erwarten.
        chung mit einem deutlich geringeren Wachs-
        tumstempo ein.                                         Inwiefern beeinflusst der Wertschöpfungsbeitrag der

12   industrie aktuell | 2019 | 1
interview | kapsch                            forum

Industrie den Arbeitsmarkt?                            die Verbreitung der Bemessungsgrundlage durch
                                                       Abzugsverbote, etwa für Sozialpläne. Wenn wir
Knapp 25.000 der rund 75.000 neuen Arbeitsplät-        weiterhin eine stabile Beschäftigung und sinkende
ze im Jahr 2018 wurde durch die Industrie geschaf-     Arbeitslosenzahlen sehen wollen, muss man neben
fen. Damit sichert der produzierende Bereich jeden     entlastenden Maßnahmen auch an Investitionen
dritten Arbeitsplatz, der im vergangenen Jahr neu      denken. Sinnvoll wäre zumindest ein Drittel des
entstanden ist – das ist mehr als jeder andere Wirt-   von der Regierung angekündigten Volumens von
schaftszweig in Österreich. Diese Summe ist be-        sechs Milliarden Euro für investitionsfördernde
achtlich, jedoch befinden wir uns damit beim Wirt-     Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Bei diesem
schaftswachstum lediglich im besseren                  Drittel muss es rein um die Senkung der Körper-
europäischen Mittelfeld.                               schaftsteuer gehen. Entscheidend ist, dass die
                                                       steuerliche Entlastung der Unternehmen ein ent-
Welche konkreten nationalen und internationalen        sprechendes Volumen erreicht – damit eine tat-
Faktoren gefährden das Konjunkturklima 2019?           sächliche Entlastung und die positive Wirkung für
                                                       die Menschen und Unternehmen spürbar wird.
Österreich selbst kann wenig gegen das getrübte
Klima tun, denn die Ursachen liegen vor allem au-
ßerhalb des Landes. Beispiele sind etwa mangeln-
de Strukturreformen in bestimmten EU-Staaten,                    „Der heimische Aufschwung
die Unsicherheiten des Brexit, die zunehmenden
nationalistischen und protektionistischen Tenden-                 wird zu mehr als 70 Prozent
zen mancher Länder sowie daraus möglicherweise                   vom produzierenden Bereich
resultierende Handelskonflikte. Im Inland zählen
der Fachkräftemangel und die hohe Kapazitätsaus-                        einschließlich der ihm
lastung zu den stärksten Wachstumsbremsen.                             zurechenbaren Dienst-
Wie kann dem entgegengewirkt werden?
                                                                        leistungen getragen.“

Ein Kernthema für die Industrie ist eine radikale
Senkung der derzeit viel zu hohen Steuer- und Ab-
gabenlast. Wir haben die sechsthöchste Steuerbe-       Welche Vorteile bringt eine Senkung der KöSt?
lastung in der EU. Die Abgabenquote liegt hierzu-
lande bei 42 Prozent – das sind annähernd fünf         Österreich braucht Mut zu einer modernen Steu-
Prozentpunkte über dem EU-Schnitt von 37,23            erpolitik, die Investitionen ins Land zieht. Eine kräf-
Prozent. Was es daher braucht, ist eine nachhalti-     tige Entlastung der Unternehmen wäre eine Inves-
ge strukturelle Reform des österreichischen Steu-      tition in die Zukunft des Landes. Das würde nicht
ersystems und eine zügige Entlastung der Wirt-         nur eine wirtschaftliche Rendite für den Standort,
schaft. Somit ist ganz klar, dass eine KöSt-Senkung    sondern auch eine politische Rendite bringen: mehr
in Österreich notwendig ist.                           hochwertige Arbeitsplätze in Österreich als Folge
                                                       der Investitionen. Österreich braucht daher eine
Wie sollte das genau aussehen?                         wachstumsfreundliche Entlastung. Eine Senkung
                                                       der Unternehmensbesteuerung rechnet sich somit
Die Unternehmen wurden bei vergangenen Steu-           für ganz Österreich, denn bei einer Reduktion um
erreformen viel zu wenig bedacht bzw. sind leer        zehn Prozentpunkte steigt die Investitionsquote
ausgegangen. Die Belastungen sind seit 2005            um 2,2 Prozentpunkte. Ebenso würden ausländi-
durchwegs gestiegen. Beispiele hierfür sind die        sche Direktinvestitionen steigen, das zeigen Be-
Verschlechterung bei der Gruppenbesteuerung oder       rechnungen des Wirtschaftsforschers Christian

                                                                                        industrie aktuell | 2019 | 1   13
forum           interview | kapsch

                Keuschnigg („Unternehmensbesteuerung – Hand-         gabe, U-Bahnsteuer und Alkoholsteuer. Reduziert
                lungsbedarf und Lösungsansätze für den Standort      werden soll jedenfalls die Kapitalertragsteuer: von
                Österreich“, 2016).                                  27,5 auf einheitlich 25 Prozent. Das wäre eine
                                                                     Rückkehr zum Stand vor der Steuerreform
                Profitieren auch kleinere Unternehmen davon?         2015/16. Ebenfalls ist ein wichtiger Punkt für die
                                                                     Industrie die Wiedereinführung der Spekulations-
                Jedes Unternehmen, das als Kapitalgesellschaft       frist bei der KeSt als Impuls, um den Kapitalmarkt
                (also GmbH, AG oder SE) oder als Genossenschaft      zu stärken.
                organisiert ist, muss Körperschaftsteuer zahlen
                und profitiert daher von einer Senkung der Körper-   Was ist Ihre Meinung zur Digitalsteuer?
                schaftsteuer, unabhängig von dessen Größe. Per-
                sonengesellschaften und Einzelunternehmer un-        Im Rahmen einer Steuerstrukturreform kann man
                terliegen der Einkommensteuer; um diese              über viele Modelle nachdenken und entscheiden,
                Unternehmen ebenfalls zu entlasten, muss paral-      wie sich die Steuerbasis in Zukunft zusammen-
                lel zur Senkung der Körperschaftsteuer eine ent-     setzen soll. Digitale Geschäftsmodelle dürfen
                sprechende Regelung in der Einkommensteuer           steuerlich nicht anders behandelt werden als kon-
                getroffen werden. Wir fordern eine aufkommens-       ventionelle Geschäftsmodelle, also weder besser
                neutrale Senkung.                                    noch schlechter gestellt werden. Die Frage ist
                                                                     weniger, ob besteuert oder nicht, sondern wo die
                Was haben die Arbeitnehmer von einer Senkung?        Steuern anfallen sollen und wie sie eingehoben
                                                                     werden sollen. Der Umsatz ist als Bemessungs-
                Die Reduktion der KöSt führt nicht nur zu mehr       grundlage eher nicht geeignet. Die meisten der so
                Arbeitsplätzen, sondern auch zu einer Erhöhung       genannten Digitalen Unternehmen zahlen Steuern,
                der Lohnsumme. Reduziert man die KöSt um einen       nur nicht in Europa, sondern in den USA. Was man
                Euro, erhöht sich die Lohnsumme um 0,5 bis 0,75      betrachten könnte, wäre die Gaming Industrie.
                Euro. Die Arbeitnehmer profitieren somit zu min-
                destens 50 Prozent von der Steuersenkung – die-      Abschließend noch ein Ausblick für die Zukunft: Was
                se Entlastung wird allerdings durch die Lohnsteu-    können die Unternehmen für 2019 erwarten?
                er sowie die sonstigen lohnabhängigen Abgaben
                geschmälert. Die restlichen 50 Prozent der nicht     Wichtig für den Standort ist nun, dass Österreichs
                ausgeschütteten Gewinne fließen in Investitionen.    Unternehmen bei der Steuersenkung rasch Pla-
                Das wiederum sichert Arbeitsplätze.                  nungssicherheit haben – gerade, wenn ein Signal
                                                                     gegen die schwächer werdende Konjunktur gege-
                Soll die Steuerreform eine reine Senkung der KöSt    ben werden soll. Stabile Rahmenbedingungen sind
                sein?                                                eine elementare Voraussetzung für eine positive
                                                                     Entwicklung. Unser Wohlstand wird in Zukunft noch
                Zusätzlich zur spürbaren Reduktion der Körper-       stärker davon abhängen, wie gut es Österreich
                schaftsteuer sind der Industrie eine nachhaltige     gelingt, sich im internationalen Wettbewerb als
                Tarifreform der Einkommensteuer samt Abschaf-        moderner Standort zu positionieren. Eine möglichst
                fung der kalten Progression und das Ende für Ba-     zeitnahe Entscheidung über eine Steuersenkung
                gatellsteuern ein großes Anliegen. Letztere sorgen   sehen wir als Industrie daher als erfolgsentschei-
                meist nur für ein geringes Aufkommen, aber für       dend. Der Entlastung muss mittelfristig aber eine
                hohen Administrationsaufwand für die Unterneh-       echte Steuerstruktur-Reform folgen. Das österrei-
                men und für die Finanzverwaltung. Die Bandbreite     chische Steuersystem muss langfristig effizient,
                der Abschaffungskandidaten reicht von der Ab-        fair und einfach werden.
                                                                                                                           Foto: ACR

                schaffung der Rechtsgeschäftsgebühren über die
                Werbeabgabe bis zu Schaumweinsteuer, Flugab-                               Interview: Stephan Scoppetta

        14   industrie aktuell | 2019 | 1
austrian cooperative research                                 politik

Brückenbauer für Innovation
Die ACR – Austrian Cooperative Research hat es sich zur Aufgabe
gemacht, mit einem Netzwerk von Forschungsinstituten angewandte
Forschung und Entwicklung speziell für KMU zu betreiben.

F
     orschung und Innovation sind für den Stand-
     ort Österreich essenziell. Laut KMU Forschung
     Österreich sind 99,6 Prozent aller heimischen
Unternehmen Klein- und Mittelständische Betrie-
be. Diese sollen verstärkt an Innovationen heran-
geführt und in ihren Innovationsbestrebungen
unterstützt werden. Die ACR nimmt dabei eine
dreifache Brückenfunktion ein: von der Wissen-
schaft zur Wirtschaft, von der Industrie und Groß-
unternehmen zu KMU und vom internationalen
zum österreichischen Innovationssystem. Über
die Kooperationen mit den KMU wird so wichtiges
Know-how in die Wirtschaft hineingetragen. Und
dort auch nutzbar gemacht.
                                                                                                                 Sonja Sheikh, stv.
„Wir betrachten es als unsere wesentlichen Ziele,      Die ACR ist in sehr spezifischen Branchen tätig. So       Geschäftsführerin
die KMU dabei zu unterstützen, wettbewerbsfähi-        finden sich z. B. der Österreichische Kachelofenver-      der ACR, bietet
                                                                                                                 maßgeschneiderte
ger zu werden, und damit indirekt natürlich auch       band, die Lebensmittelversuchsanstalt oder die
                                                                                                                 Lösungen für
den Standort Österreich zu stärken. Wir nehmen         Schweißtechnische Zentralanstalt unter den Insti-         innovative KMU.
da die Funktion als Innovationsdienstleister zur       tuten. „Genau da liegt unsere Stärke“, weiß Sheikh,
KMU ein“, so Sonja Sheikh, stv. Geschäftsführerin      „Es sind eng definierte, zum Teil sehr spezifische
der ACR, über die Aufgabe der ACR. Da KMU oft          Branchen, die eher im Medium-Tech oder Low-Tech
keine eigenen F&E-Abteilungen haben und auch           Bereich angesiedelt sind. Aber um so wichtiger ist
meist der Zugang zu Fördermitteln oder relevanten      es, darauf hinzuweisen, dass gerade aus diesen
Kooperationspartnern fehlt, setzen hier die ACR-       Bereichen sehr viele Innovationen kommen und
Institute an und dienen als Enabler, „um die KMU       auch sehr viele Innovationen notwendig sind. Die
bei ihren Innovationen zu unterstützen bzw. ihnen      Institute betreiben in ihren sehr spezifischen Bran-
zu helfen, Barrieren und Hindernisse abzubauen“,       chen natürlich state-of-the-art Forschung, die sich
so Sheikh.                                             auch international sehen lassen kann.“

Die sechs Schwerpunkte, in denen die ACR tätig ist,    Der Anspruch, den die ACR-Institute an sich haben
sind: Nachhaltiges Bauen, Umwelttechnik und er-        ist der, dass sie die KMU und Start-ups genau dort
neuerbare Energie, Produkte–Prozesse–Werkstof-         abholen, wo sie Hilfe brauchen und dann maßge-
fe, Lebensmittelqualität & -sicherheit, Innovation     schneiderte Lösungen anbieten. Ein ganz starkes
& Wettbewerbsfähigkeit und Digitalisierung. Es sind    Ziel ist es jetzt, die Tätigkeit der ACR noch weiter
insgesamt 18 ACR-Institute, aus den unterschied-       publik zu machen. Sheikh: „Ich glaube, dass vielen
lichsten Branchen und Bereichen. Sheikh: „In diesen    Stakeholdern in der Community aber auch vielen
sechs Schwerpunkten weist die ACR wirklich sehr        KMU noch nicht so bewusst ist, was wir machen
viel Kompetenz auf, und zwar auch interdisziplinär.    und leisten. Darum steht ganz oben auf der Agenda,
Sie finden innerhalb dieser Schwerpunkte nicht nur     unsere Sichtbarkeit und die Bekanntheit noch mehr
ein ACR-Institut, das hier tätig ist, das Thema kann   zu erhöhen.“
aus unterschiedlichen Perspektiven, Blickwinkeln
und Disziplinen heraus beleuchtet werden.                                         Autorin: Herta Scheidinger

                                                                                      industrie aktuell | 2019 | 1   15
Standortfaktor Strompreis: Industrie braucht
wettbewerbsfähigen Rechtsrahmen
        Die Verfügbarkeit von Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen ist ein
        zentraler Standortfaktor der Industrie. Kompetitive Rahmenbedingungen,
        insbesondere zum wichtigsten Handelspartner Deutschland, sind daher
        ein absolutes Muss, um die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer
        Unternehmen zu sichern.

                                                              Strom-Regulierungsbehörden für eine Trennung
        Strompreis auf höchstem Stand seit
                                                              der deutsch-österreichischen Strompreiszone aus-
        2012
                                                              gesprochen und folgten damit einem Vorschlag der
        Der österreichische Strompreisindex stieg für April   Regulierungsagentur ACER. Ausschlaggebend wa-
        2019 auf den höchsten Stand seit Juli 2012 und        ren fehlende innerdeutsche Stromleitungen, die
        liegt 51 Prozent über dem Vergleichszeitraum 2018.    dazu geführt haben, dass Strom über Polen und
        Gründe für den Anstieg sind erhöhte Öl-, Gas- und     Tschechien nach Österreich bzw. Süddeutschland
        Kohlepreise, die massiv gestiegenen CO2-Kosten        geflossen ist. Basis für die seit 1. 10. 2018 getrenn-
        und die Trennung der deutsch-österreichischen         ten Preiszonen ist eine Einigung zwischen der
        Strompreiszone per 1. 10. 2018. Strom hat mit rund    Energie-Control Austria und der deutschen Bun-
        98 Petajoule einen Anteil von 33 Prozent am Ge-       desnetzagentur vom Mai 2017 über die Einführung
        samtenergieeinsatz der Industrie (rd. 300 PJ) und     eines Engpassmanagements an der deutsch-ös-
        ist damit nach Gas (35 Prozent) der zweitwichtigs-    terreichischen Grenze. Seit diesem Tag werden die
        te Energieträger. Stromkosten schlagen massiv auf     Übertragungskapazitäten auf 4.900 MW beschränkt
        die Energiekosten durch, die in energieintensiven     und die Kapazitäten in Form von separaten Aukti-
        Branchen 10 – 15 Prozent der Produktionskosten        onen vergeben. Die Kapazitätsvergabe wurde in die
        betragen, mit Spitzenwerten bis zu 25 Prozent.        Region Central-West integriert, die neben Deutsch-
        Energieintensive Prozesse findet man insbeson-        land auch die Niederlande, Belgien, Luxemburg und
        dere in der Stahlindustrie, der chemischen Indust-    Frankreich umfasst.
        rie, der Mineralölindustrie, der Nichteisen-Metall-
        industrie, der Papierindustrie, der Zement-,
                                                              Industrie durch Mehrkosten massiv
        Ziegel- und Kalkindustrie, der Glasindustrie, der
                                                              belastet
        Nahrungsmittelindustrie und der Holzindustrie.
                                                              Die Trennung hat wesentliche Auswirkungen auf
                                                              die Marktverhältnisse und die Preisbildung im
        Preiszonentrennung führt zu
                                                              Stromhandel. Die Verringerung der in Österreich
        geänderten Marktverhältnissen
                                                              verfügbaren Liquidität führt zu einem gestiege-
        Der rasante Ausbau der erneuerbaren Energieträ-       nen Vermarktungs- bzw. Beschaffungsrisiko
                                                                                                                       Foto: pixabay.com

        ger insbesondere in Deutschland stellt das euro-      sowie zu einem Anstieg der Spot- und Termin-
        päische Übertragungsnetz vor große Herausforde-       handelspreise, wobei die bei den Stromhändlern
        rungen. 2016 haben sich die europäischen              und der energieintensiven Industrie anfallenden

16   industrie aktuell | 2019 | 1
strompreis                      politik

Mehrkosten im Wesentlichen vom Anteil der            Handlungsempfehlungen und
langfristigen Terminkontrakte und dem Anteil der     Forderungen
im Dayahead-Markt gehandelten Strommengen
abhängen.                                            Die Bundessparte Industrie hat der Politik ein Maß-
                                                     nahmenpaket vorgelegt, das folgende Punkte um-
Die Hoffnungen, dass es nur zu geringen Preisun-     fasst:
terschieden zwischen Österreich und Deutschland
kommen wird, haben sich bisher nicht bewahrhei-      1. Transparenz und Zweckbindung
tet: bereits im Oktober 2018 waren auf dem Spot-     • Verantwortungsvolles Kostenmanagement und
markt erhebliche Differenzen zwischen Österreich       maßvolle Kostenüberwälzung an die Stromkun-
und Deutschland zu beobachten, wobei der Durch-        den, transparente Ausweisung entstandener
schnitt bei EUR 7/MWh lag. In weiterer Folge lagen     Mehrkosten, Zweckbindung der Mittel für Netz-
die Unterschiede zwischen EUR 5/MWh und EUR            ausbau, Evaluierung des Algorithmus Euphemia.
9/MWh. Im Jänner 2019 haben die Mehrkosten für
Österreich alleine an den Strombörsen den Wert       2. Entlastung bei Stromnebenkosten
von EUR 100 Millionen überschritten. Bereits Ende    • Zweckbindung der ETS-Auktionserlöse und Kom-
2018 waren erste Alarmsignale sichtbar: die von         pensation indirekter CO2-Kosten2
der Bundessparte Industrie und der Abteilung für     • Anstieg der Netzentgelte bremsen und Netzsta-
Energie- und Umweltpolitik der WKÖ im November          bilität verbessern durch verstärkte Einbindung
2018 beauftragte Umfrage in der österreichischen        von Anlagen und Kraftwerken der Industrie in den
Industrie zeigte, dass bereits nach den ersten          Regel- und Ausgleichsenergiemarkt und das Eng-
Stromkostensprüngen rund 20 Prozent der Unter-          passmanagement, sowie Schaffung individueller
nehmen die Verlegung von Produktionsaufträgen           Netztarife und Anreize für systemdienliches Ver-
in andere Staaten planen oder schon durchgeführt        halten bzw. atypische Netznutzung
haben. Welche Auswirkungen die Trennung der          • Prüfung einer Gesamtobergrenze für staatliche
Strompreiszone langfristig auf die Endkunden in         Strompreisbelastungen gemäß der aktuellen Dis-
Industrie, Gewerbe und Haushalten und auf die so        kussion in Deutschland.
wichtige Versorgungssicherheit hat, wird sich in
den kommenden Monaten zeigen.                        3. Netzausbau vorantreiben
                                                     • Konsequenter Ausbau der europäischen Übertra-
                                                        gungsnetze zur Erhöhung der grenzüberschrei-
Deutscher Kohleausstieg als
                                                        tenden Stromhandelskapazitäten.
zusätzlicher Preistreiber
Im Jänner 2019 hat die von der deutschen Bun-        4. Marktnähe und Wettbewerb für
desregierung eingerichtete Kommission für            Erneuerbaren-Ausbau
Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung           • Kostengünstiger Ausbau heimischer Stromerzeu-
ihren Abschlussbericht1 vorgelegt. Um die Klima-     gung durch marktnahe und wettbewerbliche Inst-
ziele zu erfüllen, empfiehlt die Kommission fol-     rumente.
genden Ausstiegspfad: die Kapazitäten der Koh-
leverstromung sollen von derzeit 43 GW bis 2022                                            Autor: DI Oliver Dworak
auf 30 GW und bis 2030 auf 17 GW gesenkt wer-
den. Ab Ende 2038 soll keine Kohle mehr zur          1
                                                         Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel
Stromerzeugung genutzt werden (mögliche Vor-         und Beschäftigung“, Beschluss vom 26. 1. 2019
ziehung auf 2035 durch Öffnungsklausel 2032).        2
                                                         Die Kompensation indirekter CO2-Kosten gem. Art 10 b ETS-RL
Damit fällt in Zukunft ein kostengünstiger Ener-     ist EU-intern nicht harmonisiert, wird aber bereits von mehr als 10
gieträger weg; Experten erwarten dadurch Strom-      Mitgliedsstaaten umgesetzt, darunter BE, DE, EL, ES, FI, FR, IT, LT,
preissteigerungen um bis zu 20 EUR/MWh.              NL, SK, UK.

                                                                                              industrie aktuell | 2019 | 1   17
Eine Senkung der Körperschaft-
                                    steuer kurbelt die Investitionslust
                                    an und sichert Arbeitsplätze.

KÖSt-Senkung – eine Stellschraube,
an der wir drehen müssen!
        Für Unternehmen, die im Hochlohn- und Hochsteuerland Österreich
        produzieren, wird es im internationalen Vergleich langsam eng. Eine
        KÖSt-Senkung ist daher eine dringend nötige Maßnahme.

       D
               ie einen fordern sie vehement, die anderen                 Wettbewerbsfähigkeit. Warum nicht einmal bei
               halten sie für überschätzt – ja sogar für ein              einer Stellschraube, die wir wirklich drehen können
               Geschenk an die Großkonzerne. Die Senkung                  – nämlich den KÖSt Satz – vorangehen?“ Für das
        der Körperschaftsteuer beschäftigt die Österrei-                  Steuerreformkonzept der Bundesregierung wur-
        cher. „Bundesministerin Schramböck hat kürzlich                   den im Vorfeld sehr viele Modelle diskutiert. Die
        in der Presse gesagt, der Effekt wäre überschätzt,                letzten Monate waren von intensiver Experten-
        für Investitionsentscheidungen wäre der KÖSt-                     arbeit begleitet. „Die steuerpolitische Standortat-
        Satz nur ein Faktor von vielen. Damit hat sie ja                  traktivität hängt an vielen Elementen, aber die
        eigentlich nicht unrecht, es ist nur ein Faktor von               KÖSt ist hier wesentlich. Es gibt natürlich noch
        vielen, aber doch ein wichtiges Puzzleteil bei In-                weitere Maßnahmen, die man treffen kann, um
                                                                          den Standort steuerpolitisch attraktiver zu ma-
                                                                          chen, wie z. B. ein Investitionsfreibetrag oder
                                                                          Themen wie Abschreibungsdauern und Lohnne-
           „Um die Industrie weiter in                                    benkosten, um nur einige zu nennen.“, so Joachim
                                                                          Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV OÖ.
           Österreich halten zu können,
           sind Investitionen dringend nötig
                                                                                                                                   Fotos:Pixelmaker.at, Erich Kruegl/IV OÖ, voestalpine AG

                                                                          Investitionslust ankurbeln
           – gerade auch im KMU-Bereich.“
           Christian Knill,                                               Steuern allgemein schmälern als Kostenfaktor die
           CEO Knill Energy Holding                                       Gewinne von Unternehmen. „Diese sind immer wohl
                                                                          zu überlegen. Höhere verfügbare Mittel aufgrund
                                                                          einer Körperschaftssteuersenkung können durch-
                                                                          aus einen Einflussfaktor für eine Investitionsent-
                                                                          scheidung darstellen“, erklärt Robert Ottel, CFO
        vestitionsentscheidungen“, so der Standpunkt von                  voestalpine AG. Die eine richtige Maßnahme, die
        Christian Knill, CEO Knill Energy Holding, und Knill              das Investitionsdilemma löst, gibt es natürlich nicht.
        weiter: „Die österreichischen Unternehmen kämp-                   „Aber die KÖSt-Senkung ist auf alle Fälle eine ge-
        fen auf vielen Fronten hart für den Erhalt der                    eignete Maßnahme, die Investitionen anzukurbeln.

18   industrie aktuell | 2019 | 1
köst-senkung                         politik

                                                                   „Höhere verfügbare Mittel
                                                                aufgrund einer KÖSt-Senkung
Von einer Halbierung der KÖSt-Rate auf nicht ent-            können durchaus einen Einfluss-
nommene Gewinne würden laut ECO-Austria die                    faktor für eine Investitionsent-
Wirtschaft und die Beschäftigten massiv profitieren.
Ein Plus von 0,9 Prozent beim BIP und ein Plus von
                                                                        scheidung darstellen.“
12.000 Arbeitsplätzen wären die Folge. Um die                                                Robert Ottel,
Industrie weiter in Österreich halten zu können,                                       CFO voestalpine AG
sind Investitionen dringend nötig – gerade im KMU-
Bereich, so Christian Knill. Spezielle Förderprogram-
me sind vorhanden und hilfreich, sie reichen aber        nen besteht ist, wie schon ausgeführt, steuerlich
nicht aus, um das Problem strukturell zu lösen – das     hoch belastet. „Ist es ein Geschenk, wenn wir ver-
hat die Vergangenheit gezeigt. Eine KÖSt-Senkung         suchen, auf ein normales Niveau zu kommen, und
gibt den Unternehmen Mittel für diesen Bereich           ist es ein Geschenk, wenn die Unternehmen trotzdem
frei, sowohl als direkte KÖSt-Senkung, als auch als      immer noch im internationalen Vergleich hohe Steu-
Senkung der KÖSt auf nicht entnommene Gewinne.           ern zahlen?“, fragt Christian Knill. „Eigentlich macht
                                                         sich der Bundesminister mit der Maßnahme der
                                                         KÖST-Senkung mittelfristig selbst ein Geschenk.“
Attraktivierung für den Standort
„Österreich ist eine kleine Volkswirtschaft und          Und Haindl-Grutsch wird deutlich: „All diese Konzer-
braucht Standortattraktivität, um im internationalen     ne, die in den Standort investieren, wie die voest-
(Steuer-)Wettbewerb zu bestehen. Daher wäre die          alpine, Infineon, Magna, ABB, BMW und wie sie alle
Senkung des – derzeit im Vergleich zu anderen Län-       heißen, sind in dieser Diskussion plötzlich die Feinde.
dern – hohen Ertragssteuerniveaus ein probates           Das ist völlig absurd, denn gerade diese Konzerne
Instrument, Unternehmen ein global konkurrenzfä-         sind die Motoren für Fortschritt, Forschung und
higeres Umfeld zu bieten“, ist Robert Ottel überzeugt.   höchst attraktive Arbeitsplätze. Das ist ein völlig
Der durchschnittliche KÖSt-Satz in der EU liegt mitt-    durchschaubares, billiges, populistisches Spiel, das
lerweile unter 22 Prozent. „Österreich hat heutzu-       hier getrieben wird. Das ist jenseits jeglicher Realität,
tage mit seinen 25 Prozent keinen wettbewerbsfä-         denn auch die Folgeeffekte sind enorm. Ein Job in
higen KÖSt -Satz mehr“, weiß Joachim Haindl-Grutsch.     einem Leitbetrieb hat direkt zwei weitere in einem
Bis auf Italien haben alle Nachbarländer mittlerwei-     Zulieferbetrieb oder bei der Dienstleistung zur Folge.
le niedrigere Steuersätze als Österreich. Tschechien
und Slowenien liegen bei der KÖSt unter 20 Prozent,
in Deutschland gilt seit 2008 nur ein Satz von 15
Prozent. Und in Ungarn wurde die KÖSt Anfang 2017                „Die steuerpolitische Stand-
auf neun Prozent gesenkt. Als die KÖSt hierzulande            ortattraktivität hängt natürlich
von 33 auf 25 Prozent gesenkt wurde, war das ein               an vielen Elementen, aber die
maßgeblicher Schritt. „Und die KÖSt-Senkung hat                     KÖSt ist hier wesentlich.“
damals nicht dazu geführt, dass die KÖSt-Einnahmen
                                                                                 Joachim Haindl-Grutsch,
gesunken sind, im Gegenteil, sie sind massiv gestie-
gen über die letzten Jahre. Eine KÖSt-Senkung fi-                                  Geschäftsführer IV OÖ
nanziert sich zum großen Teil selbst“, so Haindl-
Grutsch weiter.

„Steuergeschenk“ an Konzerne?
                                                         Das ist Klassenkampf aus längst vergangenen Zei-
Zunächst ist das Wort „Steuergeschenk“ an sich           ten, der hier ausgerufen wird.“
schon zu hinterfragen, denn der Sektor Industrie, der
zu 80 Prozent aus KMUs und nicht aus Großkonzer-                                      Autorin: Herta Scheidinger

                                                                                           industrie aktuell | 2019 | 1   19
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