Wirkungsbericht 2019 - Brücke Le pont
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Freiburg, Mai 2020 Franziska Theiler Geschäftsleiterin Andrea Gysel Stv. Geschäftsleiterin, Programmverantwortliche Bolivien und Brasilien Bruno Essig Programmverantwortlicher El Salvador/Honduras Alexia Knezovic Programmverantwortliche Togo/Benin Fabienne Jacomet Verantwortliche Kommunikation und Entwicklungspolitik
Inhaltsverzeichnis 1. Institutionelle Entwicklungen ........................................................................................ 4 2. Programme ...................................................................................................................... 6 2.1. Regionalprogramm Zentralamerika ....................................................................... 6 2.1.1. Kontext ............................................................................................................... 6 2.1.2. Entwicklungen im Programm.............................................................................. 8 2.1.3. Resultate und Wirkung 2019 .............................................................................. 9 2.1.3.1. Berufliche Kompetenzen ............................................................................. 9 2.1.3.2. Einkommensförderung .............................................................................. 11 2.1.3.3. Arbeitsrechte ............................................................................................. 14 2.1.3.4. Transversalthemen: Gender, Cultura de Paz und institutionelle Stärkung 16 2.2. Landesprogramm Brasilien .................................................................................. 19 2.2.1. Kontext ............................................................................................................. 19 2.2.2. Entwicklungen im Programm............................................................................ 20 2.2.3. Resultate und Wirkung 2019 ............................................................................ 21 2.2.3.1. Berufliche Kompetenzen ........................................................................... 21 2.2.3.2. Einkommensförderung .............................................................................. 22 2.2.3.3. Arbeitsrechte ............................................................................................. 25 2.2.3.4. Transversalthemen: Gender und institutionelle Stärkung ......................... 27 2.3. Landesprogramm Bolivien ................................................................................... 29 2.3.1. Kontext ............................................................................................................. 29 2.3.2. Entwicklungen im Programm............................................................................ 30 2.3.3. Resultate und Wirkung 2019 ............................................................................ 30 2.3.3.1. Berufliche Kompetenzen ........................................................................... 30 2.3.3.2. Einkommensförderung .............................................................................. 32 2.3.3.3. Arbeitsrechte ............................................................................................. 33 2.3.3.4. Transversalthemen: Gender und institutionelle Stärkung ......................... 34 2.4. Regionalprogramm Afrika .................................................................................... 36 2.4.1. Kontext ............................................................................................................. 36 2.4.2. Entwicklungen im Programm............................................................................ 37 2.4.3. Resultate und Wirkung 2019 ............................................................................ 39 2.4.3.1. Création de revenus (Einkommensförderung) .......................................... 40 2.4.3.2. Compétences professionnelles (Berufliche Kompetenzen) ...................... 45 2.4.3.3. Droits du travail, droits des femmes et des enfants .................................. 50 2.4.3.4. Transversalthemen: Gender und institutionelle Stärkung ......................... 50 3. Kommunikation und entwicklungspolitische Sensibilisierung................................ 53 4. Partnerorganisationen und Abkürzungen .................................................................. 57 Wirkungsbericht Brücke · Le pont 2019 3
1. Institutionelle Entwicklungen Entwicklungsprogramm 2021–2024 & Allianz Auf institutioneller Ebene standen die Erarbeitung des Entwicklungsprogramms 2021–2024 und Allianzgespräche im Zentrum. Aufgrund der Neuausrichtung der DEZA mussten kleine und mittlere Hilfswerke eine Allianz eingehen, um weiterhin einen DEZA-Programmbeitrag zu beantragen. Brücke · Le pont prüfte verschiedene Optionen und ist mit Solidar Suisse eine starke Partnerschaft eingegangen. Beide Organisationen engagieren sich für würdige Arbeit und machen schon lange gute Erfahrungen zusammen, u.a. mit einem gemeinsamen Projekt in Bolivien. Für 2021–2024 haben sie nun als Decent Work Alliance ein gemeinsames Pro- gramm erarbeitet und bei der DEZA eingegeben. Beide Organisationen bleiben eigenstän- dig, sind aber überzeugt, dass sie vom Austausch in ihrer Allianz profitieren, um Menschen im globalen Süden effektiv dabei zu unterstützen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. 100-Jahr-Jubiläum der ILO Anstelle eines geplanten Workshops zum Thema «Stärkung der Arbeitsrechte – wie können (potentielle) ArbeitgeberInnen noch sinnvoller eingebunden werden» im Rahmen des 100- Jahr-Jubiläums der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) lud Brücke · Le pont Anna Biondi, stellvertretende Direktorin des ILO-Büros für ArbeitnehmerInnen-Tätigkeiten (ACTRAV) als Rednerin an die Delegiertenversammlung im Mai 2019 ein. Sie sprach über die acht ILO Kernarbeitsnormen, welche unter anderem das Verbot von Zwangs- und Kin- derarbeit, die Versammlungsfreiheit und die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz betreffen. Sie schätzt die Wertehaltung von Brücke · Le pont und ihren Trägerorganisationen, die sich mit den Grundsätzen der ILO deckt. Das Programm «Arbeit in Würde» und das Engagement von Brücke · Le pont für die Konzernverantwortungsinitiative und die Clean Clothes Cam- paign passen bestens zum Programm der ILO. Austauschtreffen der lateinamerikanischen Koordinatorinnen in der Schweiz Im Juni 2019 reisten die lateiname- rikanischen Koordinatorinnen von Brücke · Le pont aus Honduras, El Salvador, Bolivien und Brasilien für ein einwöchiges Austauschtreffen in die Schweiz, um die inhaltliche und methodische Zusammenarbeit zwischen den Regional- und Län- derprogrammen weiter zu stärken. Dabei wurden unter anderem die Themen Monitoring, Wissensma- nagement und Visibilität behandelt. Die Koordinatorinnen tauschten sich über Erfahrungen aus und ent- wickelten bestehende Formate weiter. Die Koordinatorinnen sensibilisierten zudem an einem Podiumsgespräch zum Thema «Ein- geschränkte Handlungsspielräume in Lateinamerika: Zivilgesellschaft unter Druck», das Brü- cke · Le pont in Zusammenarbeit mit dem KOFF organisierte, ein interessiertes Publikum für die politische Situation in ihren Heimatländern (s. auch Kapitel 3). 4
Vernehmlassung der IZA-Botschaft 2021–2024 Im Sommer 2019 beteiligte sich Brücke · Le pont mit einer Stellungnahme an der Vernehm- lassung zur Internationalen Zusammenarbeit 2021–2024 der Schweiz. Brücke · Le pont konnte ausserdem die Trägerorganisationen dazu motivieren eigene Stellungnahmen zu verfassen, v.a. Travail.Suisse trug mit ihrer Stellungnahme substantiell zur Vernehmlassung bei. Finanzen Im Jahr 2019 stiegen die Einnahmen im Ver- gleich zum Vorjahr leicht. Dank sorgfältigem Wirtschaften (tiefere Ausgaben) fiel das Jah- resergebnis positiver aus als erwartet. Brücke · Le pont verwendete einen maximalen Anteil der Mittel für die Programmarbeit: 2019 flossen 86% aller Ausgaben in das Programm. Eine zweckmässige Infrastruktur und geeignete Steuerungs- und Kontrollinstrumente in der Geschäftsstelle sorgen für eine gezielte und effiziente Aufgabenerfüllung. Der Aufwand für Administration und Allianzkoordination betrug 5% der Gesamtausgaben und für Fundraising und Marketing 9%. Der direkte Programmaufwand betrug 2019 CHF 2'940’182 und der DEZA-Beitrag an das Programm von Brücke · Le pont 46.5%. Die Delegiertenversammlung von Brücke · Le pont genehmigte die revidierte Jahresrech- nung 2019 am 12.5.2020. Die revidierte Jahresrechnung 2019 steht online unter www.bruecke-lepont.ch/finanzbericht zur Verfügung. Geschäftsstelle & Freiwilligenengagement Die Geschäftsstelle beschäftigte 2019 zehn Mitarbeitende mit insgesamt 700 Stellenprozen- ten. Auch 2019 engagierten sich viele Freiwillige für Brücke · Le pont, insbesondere mit dem Verkauf von Fair Trade Produkten als Mittel zur Sensibilisierung der Bevölkerung für die So- lidarität mit dem Süden. Insgesamt wurden 12’500 Freiwilligenstunden geleistet. Wirkungsbericht Brücke · Le pont 2019 5
2. Programme 2.1. Regionalprogramm Zentralamerika 2.1.1. Kontext El Salvador und Honduras waren auch 2019 geprägt von Gewalt, Armut sowie Ungleichheit und in beiden Ländern haben die Fragilität und Instabilität in den vergangenen 2-3 Jahren zugenommen. Der Fragile States Index gab 2019 eine «Warnung» für El Salvador und eine «erhöhte Warnung» für Honduras heraus1. Im Februar 2019 wurde Nayib Bukele zum neuen Präsidenten El Salvadors gewählt. Kurz nach seiner Amtseinführung startete Präsident Bu- kele unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung eine massive Entlassungswelle und nahm Einsparungen bei vielen staatlichen Behörden vor oder löste diese gleich komplett auf, darunter die Stellen für staatliche Transparenz, Bürgerbeteiligung und soziale Integration. Honduras wurde unterdessen in jüngster Zeit von mehreren Korruptionsskandalen erschüt- tert, die zu Massenprotesten führten. Im Oktober 2019 wurde der Bruder des hondurani- schen Präsidenten Juan Orlando Hernández von einem US-Gericht des Drogenhandels für schuldig befunden und der Präsident wurde mehrmals als Mitverschwörer erwähnt. Unmittel- bar nach dem Gerichtsurteil brachen Proteste aus und sowohl zivilgesellschaftliche Organi- sationen als auch Oppositionsparteien forderten den Rücktritt des Präsidenten. Zentralamerika ist nach wie vor von grosser Gewalt geprägt. Die Mordraten in El Salvador und Honduras gehörten auch 2019 zu den höchsten in der Region und weltweit2. In El Sal- vador sank die Mordrate von 51 Morden pro 100'000 EinwohnerInnen in 2018 auf 36 in 2019. In Honduras hingegen stieg die Mordrate 2019 zum ersten Mal seit 2012 wieder an und ist mit 41,2 Tötungsdelikten pro 100'000 EinwohnerInnen nun die höchste in Zentralamerika. Die meisten Opfer sind junge Männer aus marginalisierten urbanen Quartieren, in welchen auch die Projekte von Brücke · Le pont durchgeführt werden. Besonders besorgniserregend ist die hohe und zunehmende Rate geschlechtsspezifischer Gewalt. Gemäss hondurani- schen Frauenorganisationen ist die Zahl der Frauenmorde (feminicidios) von 130 im Jahr 2002 auf über 350 im Jahr 2018 gestiegen3. Das bedeutet, dass in Honduras alle 23 Stunden eine Frau ermordet wird. Die Straffreiheit bei Frauenmorden ist in Honduras mit mehr als 96% besonders hoch4. In beiden Ländern lässt sich beobachten, dass ein Verbrechen umso seltener aufgeklärt und verurteilt wird, je schwerer es ist. Die meisten Gewalttaten lassen sich auf das organisierte Verbrechen, Drogenkartelle und den Machtkampf zwischen den beiden rivalisierenden Banden Mara Salvatrucha (MS-13) und Mara 18 zurückführen. Viele MenschenrechtsverteidigerInnen, UmweltschützerInnen, GewerkschaftsvertreterInnen, Jour- nalistInnen und RechtsanwältInnen werden bedroht, schikaniert oder ermordet. Der Hand- lungsspielraum für zivilgesellschaftliche Organisationen schrumpft weiter und auch Nichtregierungsorganisationen, die sich für Menschenrechte einsetzen, werden bedroht. 2019 wurden alleine in Honduras 31 MenschenrechtsverteidigerInnen ermordet5. El Salvador und Honduras sind durch eine grosse Ungleichheit bei der Verteilung von Ein- kommen und Macht gekennzeichnet. Dementsprechend gehören beide Länder zu den 20 Ländern der Welt mit dem höchsten Einkommensunterschied zwischen reichen und armen Menschen: Der Gini-Index für El Salvador liegt bei 0.34 und für Honduras bei 0.53. Letzteres bedeutet, dass Honduras auf der Liste der ungleichsten Länder der Welt an dritter Stelle 1 https://fragilestatesindex.org/wp-content/uploads/2019/03/9511904-fragilestatesindex.pdf 2 https://www.insightcrime.org/news/analysis/insight-crime-2019-homicide-round-up/ 3 http://conadeh.hn/conadeh-persiste-impunidad-en-la-muerte-de-mujeres/ 4 http://www.radioamerica.hn/96-feminicidios-honduras-estan-impunes-segun-cem-h/ 5 https://www.frontlinedefenders.org/sites/default/files/global_analysis_2019_web.pdf 6
rangiert, nach Südafrika und Haiti6. Auch die Ungleichheit der Geschlechter (GII – Gender Inequality Index) ist hoch: El Salvador belegt Platz 121 und Honduras Platz 133 von 189 be- werteten Ländern7. Besorgniserregend ist auch der hohe Anteil armer Haushalte: 32,7% aller salvadorianischen Haushalte8 und 42,7% der Haushalte in Honduras9 lagen 2019 unter der Armutsgrenze. Davon sind in Honduras 38,7% von extremer Armut betroffen. In El Salvador liegt die Arbeitslosigkeit im formellen Arbeitsmarkt bei 6,3%, doch für Ju- gendliche zwischen 16 und 24 Jahren ist sie mit 13,6% deutlich höher10. Die Situation in Honduras ist ähnlich. Die Arbeitslosigkeit auf dem formellen Arbeitsmarkt liegt bei 5,7% und für Jugendliche beträgt sie 11,3%11. Die Jugendarbeitslosigkeit ist aber nur ein Teil des Problems. Auch die weit verbreitete Unterbeschäftigung muss berücksichtigt werden. Wäh- rend in El Salvador mehr als ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung als unterbeschäftigt gilt12, sind in Honduras fast zwei von drei Erwerbstätigen unterbeschäftigt13. Ausserdem ist die Informalität eine Herausforderung. Der Anteil der informellen Beschäftigung ausserhalb der Landwirtschaft liegt in Honduras bei 75% und in El Salvador bei 68%14. Rund 25% der Jugendlichen – Tendenz steigend – sind weder in der Schule oder einer Ausbildung, noch haben sie eine Anstellung (sogenannte NINIs, von «ni estudian, ni trabajan»)15. In Honduras sind dabei vier von fünf NINIs Mädchen und junge Frauen16. Geldüberweisungen emigrierter HonduranerInnen und SalvadorianerInnen an ihre zurückge- bliebenen Familienmitglieder (remesas) machten 2018 in El Salvador 18% und in Honduras 19,5% des BIP aus und gehören zu den höchsten Werten in Lateinamerika. Für 2020 wird ein deutlicher Rückgang bei den remesas erwartet, weil wegen der Corona-Krise viele emigrierte HonduranerInnen und SalvadorianerInnen in den USA ihre Arbeitsstelle verlieren könnten. Vor allem Frauen, die keine Anstellung finden und/oder ihre Grundbedürfnisse nicht aus Rücküberweisungen decken können, suchen oft eine Arbeit im informellen Sektor, bei- spielsweise als Hausangestellte. Die rechtliche Situation und die Arbeitsbedingungen von Hausangestellten sind prekär: Sie haben oft keine Arbeitsverträge, erhalten keine Sozial- leistungen und arbeiten im Durchschnitt fünfzehn Stunden pro Tag. Das ILO- Übereinkommen 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte ist in beiden Län- dern immer noch nicht ratifiziert worden17. Eine 2018 in Honduras durchgeführte Studie 6 https://tiempo.hn/honduras-pais-mas-desiguales/ 7 http://hdr.undp.org/en/composite/GII 8 https://www.rnpn.gob.sv/2018/05/digestyc-presenta-resultados-de-encuesta-de-hogares-de- propositos-multiples-2017/ 9 https://www.elheraldo.hn/pais/1353308-466/honduras-pobreza-familias-ine-estudio 10 https://www.eleconomista.net/actualidad/Un-13.6-de-los-jovenes-en-El-Salvador-esta-desempleado- segun-OIT-20200129-0002.html 11 http://dinero.hn/desempleo-de-jovenes-en-honduras-sube-al-113-oit/ 12 https://www.laprensagrafica.com/lpgdatos/Subempleo-llega-a-su-punto-mas-alto-en-El-Salvador- 20180530-0186.html 13 https://hondudiario.com/2019/01/28/honduras-registra-un-aumento-del-62-8-de-subempleo-en-el- 2018/ 14 https://www.odi.org/publications/11025-informal-new-normal-improving-lives-workers-risk-being-left- behind 15 25,3% in Honduras (http://dinero.hn/desempleo-de-jovenes-en-honduras-sube-al-113-oit/) und 23,8% in El Salvador (https://www.eleconomista.net/actualidad/Un-13.6-de-los-jovenes-en-El- Salvador-esta-desempleado-segun-OIT-20200129-0002.html). 16 https://presencia.unah.edu.hn/noticias/mas-del-74-de-jovenes-que-ni-estudian-ni-trabajan-ninis-se- encuentran-en-situacion-de-pobreza/ 17 https://www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=1000:11300:0::NO:11300:P11300_INSTRUMENT_ID:2551460 Wirkungsbericht Brücke · Le pont 2019 7
ergab, dass 36% der Hausangestellten an ihrem Arbeitsplatz von irgendeiner Form von Ge- walt und Missbrauch betroffen sind18. Aufgrund dieser miteinander verknüpften Faktoren, in erster Linie chronische Gewalt und mangelnde wirtschaftliche Möglichkeiten, stellen Migration und Rückschaffungen in Zent- ralamerika nach wie vor eine grosse Herausforderung dar. Gemäss dem Integral System of Attention to Returning Migrants wurden 2019 insgesamt 85'231 HonduranerInnen aus den USA nach Honduras zurückgeschafft, was einem Anstieg von 140% gegenüber 2018 ent- spricht19. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen hoch bleiben oder sogar steigen wer- den, da beide Länder Abkommen mit der US-Regierung unterzeichnet haben, die es den USA erlauben, Asylsuchende nach Honduras und El Salvador zurückzuschicken. Migrantin- nen und Migranten, die aus den USA zurückgeschafft werden, sind oft mit Stigmatisierung konfrontiert und aufgrund fehlender Arbeitsmöglichkeiten in Gefahr, kriminell tätig zu werden, was den Gewaltkreislauf weiter antreibt. Neu kommt die Gefahr hinzu, dass die zurückge- schafften Personen die Krankheit Covid-19 in El Salvador und Honduras weiter verbreiten könnten. 2.1.2. Entwicklungen im Programm Für die Programmphase 2017-2020 be- hält und konsolidiert Brücke · Le pont die drei Arbeitsschwerpunkte Einkommens- förderung, berufliche Kompetenzen und Arbeitsrechte. Das Regionalprogramm Zentralamerika konzentrierte sich auch 2019 auf die Grossräume San Salvador in El Salvador sowie Tegucigalpa, San Pedro Sula und El Progreso in Honduras. 2019 unterstützte das Regionalpro- gramm elf Projekte, zwei Netzwerke in den Bereichen Einkommensförderung und berufliche Kompetenzen sowie ein Netzwerk im Bereich Arbeitsrechte. In El Salvador führten die drei Partnerorganisationen (PO) FYA-S, FUSALMO und SSPAS ihre gemeinsame Zusammenarbeit im Netzwerk REDI (Red de Empleo Juvenil Digno) weiter. Zusammen betreiben diese drei PO auch die Stellen- börse PIL (Plataforma de Intermediación Laboral). In Honduras haben sich die drei PO CFSJB, FYA-H und SAN ebenfalls zu einem Netzwerk zusammengeschlossen und betreiben auch eine Stellenbörse, welche auf der Basis derjenigen in El Salvador aufgebaut wurde. Beide Netzwerke bündelten zudem Kräfte für gemeinsame Sensibilisierungskampagnen zu Arbeit in Würde. Im Bereich Arbeitsrechte startete 2019 die zweijährige Pilotphase mit der salvadorianischen Gewerkschaft SITRABORDO, in welcher Textilheimarbeiterinnen vereinigt sind. Neu kooperiert Brücke · Le pont direkt mit der 2016 gegründeten Gewerkschaft, mit der bisher eine indirekte Zusammenarbeit über die PO MT bestanden hatte und deren Gründung und Stärkung Brücke · Le pont von Anfang an mitgetragen hatte. In der Schweiz hat Brücke · Le pont weiterhin aktiv an der Zentralamerika-Plattform20 und am Foro Suizo21 teilgenom- men. 18 http://www.conexihon.hn/index.php/dh/35-mujeres/948-honduras-ley-de-trabajo-domestico-un-paso- para-frenar-la-violencia-invisible 19 http://ceniss.gob.hn/migrantes/DatosMigrantes.aspx 20 Zentralamerika-Plattform: offene Allianz aller CH-Hilfswerke mit Programmen in Zentralamerika. 21 Schweizer Forum für Menschenrechte und Frieden in Guatemala und Honduras (Foro Suizo): Alli- anz aller in Guatemala und Honduras tätigen CH-Organisationen. 8
Im August 2019 wechselte die Programmverantwortung für Zentralamerika bei Brücke · Le pont. Eine kurze gemeinsame Übergangsphase stellte den Wissenstransfer von der bisheri- gen Verantwortlichen zum neuen Verantwortlichen sicher. Der regelmässige Austausch mit den zwei lokalen Koordinatorinnen sicherte den Informationsfluss und die erste Programm- reise im Oktober/November 2019 ermöglichte dem neuen Programmverantwortlichen einen Einblick in die Projekte vor Ort sowie die PO besser kennenzulernen. Im dritten Quartal 2019 lag der Fokus auf dem Erarbeiten des Programmantrages 2021-2024 zuhanden der DEZA. Die neuen Schwerpunkte der Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 (ins- besondere angekündigter Ausstieg der DEZA aus der bilateralen Zusammenarbeit in Latein- amerika) und die neuen finanziellen Eckwerte wurden dabei berücksichtigt. Das für 2019 geplante Überarbeiten der Dokumente zum Thema Sicherheits- und Risikoanalysen in Zent- ralamerika wurde auf 2020 verschoben. 2.1.3. Resultate und Wirkung 2019 2.1.3.1. Berufliche Kompetenzen Die sechs lokalen Partnerorganisationen CFSJB, FYA-H und SAN in Honduras sowie FYA-S, FUSAL- MO und SSPAS in El Salvador führten 2019 insge- samt 60 Berufsbildungskurse in 29 verschiedenen Berufen durch. Das Angebot sowie die Inhalte und Methoden der Kurse wurden auf die Nachfrage im lokalen Arbeitsmarkt, die Anforderungen der Unter- nehmen und die Interessen der Jugendlichen abge- stimmt. So hatten 1'668 Jugendliche (914 Frauen, 754 Männer) Zugang zu einer Berufsbildung mit hoher Qualität. Die Jugendlichen kommen alle aus benachteiligten Verhältnissen oder gehören margina- lisierten Gruppen an. Sie wohnen in von bewaffneten Gruppierungen (maras) kontrollierten Quartieren, rund um die grossen Städte San Salvador, Teguci- galpa und El Progreso. Viele Teilnehmerinnen sind alleinerziehende Mütter. Im Projekt mit SAN, welches sich ausschliesslich auf Mädchen und junge Frauen fokussiert, ist jede vierte Teilnehmerin bereits Mutter eines oder mehrerer Kinder. Die Berufsbildungskurse dauerten 80 bis 740 Stunden und waren den Le- bensumständen der Jugendlichen angepasst. Einige PO unterrichten nur samstags, damit die Jugendlichen an den anderen Tagen einer Beschäftigung nachgehen und sich ihren Le- bensunterhalt verdienen können. Während der Kurse und am Schluss fanden Tests statt, um die Lernfortschritte zu überprüfen. 1'531 Jugendliche (833 Frauen, 698 Männer) schlossen ihren Berufsbildungskurs erfolgreich ab und erhielten ein Diplom22. Die durchschnittliche Quote der erfolgreichen Abschlüsse liegt somit bei 92% und variiert je nach Projekt zwischen 80% und 96%. Die häufigsten Gründe für einen Abbruch sind das Wegziehen innerhalb des Landes oder Emigrieren ins Ausland, das Aufnehmen einer bezahlten Tätigkeit aus finanziel- ler Not sowie familiäre Verpflichtungen, wie das Betreuen des eigenen Kindes. Die PO CFSJB eröffnete deshalb eine Kinderbetreuungsstätte für alleinerziehende Mütter, andere 22 Davon sind 238 Mädchen und junge Frauen, die von SAN geschult wurden. 103 von ihnen schlos- sen 2019 ihre Ausbildung ab. Die anderen 135 Jugendlichen haben das Schuljahr bzw. Ausbildungs- jahr erfolgreich abgeschlossen, nicht jedoch die zwei- bis dreijährige Aus- bzw. Berufsbildung. Wirkungsbericht Brücke · Le pont 2019 9
PO prüfen diese Massnahme ebenfalls. Die PO FYA-H und SSPAS konnten für 582 Ju- gendliche (329 Frauen, 253 Männer) ein Praktikum bei einem Unternehmen vermitteln, was 81% ihrer AbsolventInnen entspricht. So konnten die Jugendlichen ihre erworbenen Fä- higkeiten in der Arbeitswelt verfeinern und ihre Chance steigern, anschliessend eine Anstel- lung zu erhalten. Alle Berufsbildungskurse für Jugendliche vermittelten nebst dem fachlichen Wissen und den handwerklichen Fertigkeiten auch komplementäre Fähigkeiten und Kompetenzen. Dazu gehörten Sozialkompetenzen, Konfliktbewältigung und Friedenskultur (cultura de paz), Gen- der sowie Berufsorientierung. Aufgrund des stark von Gewalt geprägten Kontextes in Zent- ralamerika sind Methoden und Instrumente der Gewaltprävention und Konfliktlösung elemen- tar (siehe auch Kapitel 2.1.3.4 Transversalthemen). In diesen zusätzlichen Modulen wurden Themen wie Selbstbewusstsein, Persönlichkeitslehre, Geschlechtergerechtigkeit sowie se- xuelle und reproduktive Gesundheit behandelt. Zur Kompetenzförderung im Arbeitsbereich wurden Module zu Leadership, Teamfähigkeit, Arbeitsrechte und -pflichten und Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch mit den Jugendlichen durchgeführt. 2019 absolvierten insge- samt 1'503 Jugendliche (697 Frauen und 806 Männer) die komplementären Ausbildungen erfolgreich. Diese komplementären Module standen auch Jugendlichen offen, die keinen Berufsbildungskurs absolvierten, dafür aber Unterstützung bei der Stellensuche in Anspruch nahmen. Im Rahmen der Projekte mit dem Hausangestelltennetzwerk von CEM-H und mit der Ge- werkschaft SIMUTHRES konnten 33 Hausangestellte einen anerkannten Berufsbildungs- kurs abschliessen. Die Hausangestellten konnten so für sie relevante Kenntnisse und Fähig- keiten ausbauen, was wiederum ihre Position gegenüber Arbeitgebern stärkt und ihnen er- möglicht, bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. CEM-H: Aufbau eines staatlich anerkannten Ausbildungslehrgangs für Hausange- stellte Seit 2017 ist das Angebot von Vertiefungskursen für Hausangestellte Teil des Projektes der Partnerorganisa- tion CEM-H. 2018 konnten 14 Hausangestellte einen Kurs in einem Bereich ihrer Arbeit (Kinderfrühförderung, Pflege sowie Erste Hilfe) absolvieren. Diese Berufskurse wurden durch Fachpersonen angeboten und auf die Bedürfnisse der Hausangestellten abgestimmt, waren aber bisher nicht zertifiziert. Deswegen erarbeitete die PO 2019 gemeinsam mit CONEANFO (nationale Kom- mission für non-formale Bildung) einen anerkannten Diplomlehrgang. Dieser dauert insgesamt 150 Stun- den, wovon 53 Stunden theoretische und 97 Stunden praktische Ausbildung sind, und besteht aus vier Modu- len mit jeweils drei Ausbildungsblöcken von je einem Tag. Zu den behandelten Themen gehören Kochen und Essenszubereitung, Hausreinigung, Betreuung von Kin- dern, Senioren und Personen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten, Arbeitshygiene und -sicher- heit. 2019 absolvierten 14 Mitglieder des Hausange- stelltennetzwerkes in einem Probedurchgang die neu entwickelten Module und halfen mit konstruktiven Rückmeldungen bei deren Fertigstellung. Der Diplomlehrgang verleiht den Hausangestellten ein klareres Berufsprofil und erhöht ihre Chance auf eine Arbeit unter würdigen Bedingungen. Im Jahr 2020 wird dieser Diplomlehrgang erstmals für 20 Perso- 10
nen angeboten, bis 2022 werden 60 Hausangestellte (20 pro Jahr) den ersten Lehrgang die- ser Art in Honduras abschliessen. 2.1.3.2. Einkommensförderung Die Partnerorganisationen FYA-S, FUSALMO und SSPAS in El Sal- vador sowie CFSJB, FYA-H und SAN in Honduras betreiben ge- meinsam je eine Stellenbörse PIL (Plataforma de Inserción Laboral). Mittels der PIL können die PO die AbsolventInnen der Berufsbil- dungskurse und weitere Jugendli- che mit Unternehmen vernetzen, die Arbeitsplätze anbieten. Die PO bieten dazu umfassende Dienst- leistungen an. 1'579 Jugendliche (888 Frauen, 691 Männer) besuch- ten Berufsorientierungskurse, in welchen sie sich einerseits auf den Bewerbungsprozess vorbereiteten und andererseits Wissen zu Arbeitsrechten, Vertrag und Sozialleistungen er- hielten. Weitere 3'524 Jugendliche (2'074 Frauen und 1'450 Männer) benutzten die Web- plattform der PO FYA-S, auf welcher sie verschiedene Online-Module zu ähnlichen The- men absolvierten. Im Jahr 2019 verwirklichten insgesamt 692 Jugendliche (339 Frauen, 353 Männer) die In- tegration in den Arbeitsmarkt, wovon 517 vorgängig bei den sechs Partnerorganisationen einen Berufsbildungskurs erfolgreich abgeschlossen hatten. Das bedeutet, dass 55% der Jugendlichen, welche die Berufsorientierungskurse besuchten, respektive 39% der Absol- ventInnen von Berufsbildungskursen, eine Arbeitsstelle fanden. Die Integrationsquote der AbsolventInnen der Berufsbildungskurse in den formellen Arbeitsmarkt liegt bei durchschnitt- lich 33,8%23. Dies mag tief erscheinen, muss jedoch im Kontext der hohen Quoten an infor- meller Beschäftigung betrachtet werden, welche ausserhalb der Landwirtschaft in Honduras bei 75% und in El Salvador bei 68% liegen24. Die Resultate zur Arbeitsmarktintegration lie- gen noch nicht vollständig vor, da mehrere Berufsbildungskurse erst im Dezember endeten. Für weitere 235 AbgängerInnen der Berufsbildungskurse konnten die PO den Besuch einer weiterführenden Ausbildung vermitteln als Alternative zur Aufnahme einer Arbeit. Folglich fanden die PO für 57% der Jugendlichen, welche einen Berufsbildungskurs abschlossen, eine direkte Anschlusslösung. 82% aller Jugendlichen, die eine Arbeitsstelle fanden, erhielten einen Lohn, welcher dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht oder darüber liegt sowie die gesetzlichen Sozialleis- tungen25. Ein Sonderfall ist das Projekt von SAN, dessen Abgängerinnen sehr oft im infor- mellen Sektor, beispielsweise als Hausangestellte, eine Arbeitsstelle finden. 2019 verdienten nur 27% der in den Arbeitsmarkt integrierten jungen Frauen den gesetzlichen Mindestlohn. Bei den anderen PO erhielten 90% und mehr den Minimallohn. Die Tatsache, dass einige 23 Arbeitsmarktintegrationsquote pro PO: 26% FYA-H, 35% SAN, 36% SSPAS, 40% CFSJB, 75% FUSALMO. 24 https://www.odi.org/publications/11025-informal-new-normal-improving-lives-workers-risk-being-left- behind 25 Die gesetzlichen Mindestlöhne in El Salvador und Honduras sind abhängig von Branche und Unter- nehmensgrösse definiert. Der Mindestlohn in El Salvador in den Branchen Han- del/Dienstleistung/Industrie betrug 2019 USD 304.17. Der entsprechende Mindestlohn in Honduras war rund USD 330.- (8'243.74 Lempiras). Wirkungsbericht Brücke · Le pont 2019 11
Jugendliche zwar im formellen Sektor angestellt sind, aber in einem Teilzeitpensum oder auf Abruf arbeiten (z.B. Angestellte im Bereich Gastronomie werden für einzelne Events aufge- boten), ist ein häufiger Grund dafür, dass sie nicht den Mindestlohn verdienen. Die beiden Stellenbörsen wurden auch 2019 weiterentwickelt und Synergien zwischen den Ländern genutzt. So haben die PO beispielsweise neue Auswertungsberichte program- miert, die sie direkt für das Monitoring der Projekte einsetzen können. Die Partnerorganisati- onen, welche zu Berufsbildung und Arbeitsmarktintegration arbeiten, pflegten einen regel- mässigen Austausch in den beiden nationalen Partnerplattformen. Der Erfahrungsaustausch unter den PO hat zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Strategien zur Arbeitsmarktin- tegration in den einzelnen Projekten geführt. In El Salvador erarbeiteten die PO der Partner- plattform REDI ein gemeinsames didaktisches Handbuch für die Ausbildungsmodule im Bereich Konfliktbewältigung und Friedenskultur (cultura de paz). Im Rahmen von REDI wur- den auch zwei Schulungstage zum Thema «nachhaltige und inklusive Arbeitsplätze» durchgeführt, an welchen 62 Personen von 31 Unternehmen teilnahmen. REDI führte ebenfalls Online-Kampagnen zu Arbeitsrechten (28'232 Personen erreicht) und Friedens- kultur (8'708 Personen erreicht) durch. Die Partnerorganisationen setzten verschiedene Strategien ein, um das Vertrauen zwischen privatem Sektor, öffentlichem Sektor und den Jugendli- chen zu fördern und dadurch die Ar- beitsmarktintegration der Jugendlichen zu verbessern. Alle PO beschäftigen mindestens eine Person, die aus- schliesslich für die Arbeitsmarktin- tegration und die Beziehung zu Un- ternehmen zuständig ist. Diese Per- sonen planten einerseits die Berufsori- entierungskurse und führten sie durch. Andererseits bauten sie neue Kontakte zu Unternehmen auf und pflegten bereits bestehende Kontakte. Die PO sensibilisierten die Unternehmen unter anderem für die Wichtigkeit von Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche. Daraus resultierten mindestens 20 neue Absichtserklärungen von Unternehmen, in welchen sie sich bereit erklärten Jugendli- che aus der Stellenbörse anzustellen. In den zwei Stellenbörsen konnten insgesamt 334 neue Unternehmen registriert werden. Diese Unternehmen veröffentlichten daraufhin min- destens 237 Stellenangebote für Jugendliche. 181 in den Stellenbörsen registrierte Unter- nehmen stellten im Verlaufe des Jahres Jugendliche an. Für Brücke · Le pont ist es von stra- tegischer Bedeutung, langfristige Allianzen mit Unternehmen einzugehen, um das gegensei- tige Vertrauen zwischen ArbeitgeberInnen und Jugendlichen gezielt zu fördern und die Sen- sibilisierungs- und Lobbyarbeit zugunsten der Arbeitsplatzvermittlung für Jugendliche konse- quent weiterzuführen. Die in den Stellenbörsen mitwirkenden Partnerorganisationen werden so zu Garantinnen für die fachlichen und sozialen Kompetenzen der arbeitssuchenden Ju- gendlichen. Gleichzeitig prüfen die PO auch das Angebot der Firmen, um diejenigen heraus- zufiltern, die sich nicht an die Gesetzgebungen halten. SSPAS: erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Privatsektor In El Salvador ist im formellen Arbeitsmarkt die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren mit 13,6% sehr hoch. Für Jugendliche, die in von bewaffneten Gruppie- rungen (maras) beherrschten Quartieren leben oder aus benachteiligten Verhältnissen stammen, kommt erschwerend hinzu, dass sie im Arbeitsmarkt stigmatisiert werden. Die Un- ternehmen haben kein Vertrauen in diese Jugendlichen, fürchten dass sie Bandenmitglieder 12
sind, haben Angst vor Schutzgelderpressungen durch maras oder weigern sich, einen Transport in diese Quartiere zu organisieren. Es ist deshalb vorteilhaft, die Unternehmen von Anfang an in den Ausbildungsprozess zu integrieren. In El Salvador hat die PO SSPAS ein hervorragendes Konzept erarbeitet, wonach die Unternehmen Mitspracherecht bei der Ge- staltung der Lehrpläne erhalten. So wird einerseits sichergestellt, dass die erworbenen Fä- higkeiten auch der Nachfrage der Unternehmen entsprechen und diese fachlich sowie sozial qualifizierte Arbeitskräfte erhalten. Andererseits kann ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden während der Durchführung der Berufsbildungskurse. SSPAS führte 2019 sechs Berufsbildungskurse in enger Zusammenarbeit mit zwei Un- ternehmen durch. 108 Jugendliche (69 Frauen, 39 Männer) schlossen eine Ausbildung in den Bereichen telefonischer Kundendienst/Inkasso sowie Bäckerei/Konditorei ab. Einen Grossteil der 200-stündigen Ausbildung absolvierten die Jugendlichen direkt in den Unter- nehmen. 69 Jugendliche (47 Frauen, 22 Männer) fanden anschliessend eine Arbeitsstelle bei diesen Unternehmen, was einer Arbeitsmarktintegrationsquote von 64% entspricht. Die entsprechende Quote für die Jugendlichen aus den anderen Berufsbildungskursen dieser PO lag 2019 bei 23%26. Zusätzlich führten die Angestellten von SSPAS vier Schulungen bei den Unternehmen durch, an welchen total 84 Angestellte der Unternehmen teilnahmen. Die Schulungen beinhalteten Themen wie Friedenskultur (cultura de paz), Gewaltprävention und Konfliktlösung sowie Gender und leisteten einen Beitrag zur Verbesserung der Unterneh- menskultur. Das Kursmaterial für diese Schulungen wurde von SSPAS in Anlehnung an die bereits existierenden Kursunterlagen für die Jugendlichen entwickelt. Dieses Modell bildet das Kernelement der Projektphase 2018-2020 mit der PO SSPAS und erzielte 2018 und 2019 bereits grosse Erfolge. Es ist jedoch momentan noch eine Heraus- forderung, die Unternehmen von diesem Ausbildungsmodell zu überzeugen. SSPAS erwar- tet auch, dass sich die Unternehmen an den Ausbildungskosten beteiligen, was in El Salva- dor jedoch überhaupt nicht selbstverständlich ist. Die aus dieser Projektphase gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen sollen zukünftig in alle Berufsbildungsprojekte des Regional- programms einfliessen. Da der formelle Arbeitsmarkt nur eine Minderheit der erwerbstätigen Personen absorbieren kann und die Integration entsprechend schwierig ist, bieten einige PO zusätzlich spezielle Ausbildungen im Bereich Unternehmertum/selbständige Erwerbstätigkeit an. Diese Ausbildungen werden in Zusammenarbeit mit spezialisierten Organisationen angeboten, weil die PO nur teilweise über das notwendige Know-how und die benötigten Ressourcen für die Begleitung verfügen. 122 Jugendliche (58 Frauen, 64 Männer) absolvierten erfolgreich eine entsprechende Ausbildung und nahmen eine selbständige Erwerbstätigkeit auf. Davon erhielten 12 Jugendliche Unterstützung in Form von Materialen/Werkzeugen und/oder eines kleinen Startkapitals. Diese Unterstützungen wurden von anderen NGOs oder von öffentli- chen Stellen wie Handelskammern finanziert. Die Jugendlichen haben so die Möglichkeit, ein Einkommen aus selbständiger Arbeit zu erwirtschaften. Auch in den Projekten mit der Gewerkschaft der Hausangestellten SIMUTHRES und dem Hausangestelltennetzwerk von CEM-H ist die Einkommensförderung ein wichtiges Ziel, ob- wohl es nicht der Schwerpunkt ist. SIMUTHRES betreibt seit 2017 eine Stellenbörse, in der sich Hausangestellte und ArbeitgeberInnen registrieren können. 2019 wurden 15 Arbeitge- berInnen, die würdige Arbeitsbedingungen anbieten, registriert. 20 Hausangestellte fanden über die Stellenbörse eine Anstellung und konnten ihr Einkommen verbessern. Eine ähnli- che Stellenbörse wird mittelfristig im Rahmen des Projektes mit dem Hausangestelltennetz- werk von CEM-H aufgebaut. 26 Auch 2018 lag die Quote für die Kurse in Allianz mit Unternehmen mit 70% deutlich höher als die der anderen Kurse mit 24%. Wirkungsbericht Brücke · Le pont 2019 13
2.1.3.3. Arbeitsrechte Im Rahmen der Projekte mit den PO CEM-H, CODEMUH, CEDM, ORMUSA-PGR, SI- MUTHRES und SITRABORDO wurden in Zentralamerika im Jahr 2019 insgesamt 765 Per- sonen (687 Frauen, 78 Männer) geschult zu den Themen Menschen-, Frauen- und Arbeits- rechte sowie Gewalt am Arbeitsplatz. Die Projekte fokussierten dabei auf Frauen, die in der Textilbranche (Fabrik- und Heimarbeiterinnen) und als Hausangestellte arbeiten. Bei den Schulungen kamen die Vernetzungen der verschiedenen PO positiv zum Tragen. Die PO ORMUSA führte zusammen mit der salvadorianischen Generalstaatsanwaltschaft PGR zwei Schulungstage durch, einer davon für die PO SIMUTHRES. 25 Mitglieder von SIMUTHRES lernten nicht nur ihre Arbeitsrechte kennen, sondern auch mögliche Vorgehensweisen bei Arbeitsrechtsverletzungen und die Dienstleistungen der PGR. Von den total 687 geschulten Frauen engagierten sich 71 Frauen als Wissensmultiplikatorinnen und vermittelten die erworbenen Kenntnisse an insgesamt 623 Frauen in ihren Gemeinden weiter. Dieser Multi- plikationseffekt festigt die Nachhaltigkeit der Projekte und vor allem der Netzwerke und Ge- werkschaften, denn diese Frauen sind auch nach dem Projekt aktiv, beraten und bilden wei- tere Arbeiterinnen aus. Das zeigte sich auch in den wachsenden Mitgliederzahlen der Ge- werkschaften und Netzwerke. Die salvadorianischen Gewerkschaften der Heimarbeiterin- nen SITRABORDO und jene der Hausangestellten SIMUTHRES sowie das Hausangestell- tennetzwerk in Honduras konnten 78 Neumitglieder gewinnen und zählen nun insgesamt 181 Mitglieder. Ebenfalls wichtig ist die Vernetzung mit anderen Organisationen der Zivilge- sellschaft. Zu diesem Zweck führten die PO diverse nationale und regionale Austauschtref- fen mit 117 Teilnehmerinnen durch. Die Partnerorganisationen reali- sierten über 100 Massnahmen zur Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit wie Protestkundge- bungen, Radiosendungen und - spots, Pressekonferenzen sowie Kampagnen in den sozialen Netz- werken zu Themen wie Mindest- lohn, Arbeitsrechte und Arbeitsbe- dingungen. Dabei spielten Radio- sendungen eine wichtige Rolle, weil über dieses Medium viele Per- sonen relativ kostengünstig er- reicht werden. Mit allen Sensibili- sierungsmassnahmen haben die PO schätzungsweise 1'513'290 Personen erreicht und für die Arbeitsbedingungen und -rechte von Hausangestellten und Textilarbeiterinnen sensi- bilisiert. Erwähnenswert ist die eigene Radiosendung des Hausangestelltennetzwerkes, die seit Juli 2018 über das unabhängige Radio «Radio Progreso» ausgestrahlt wird. Jeden Don- nerstag verfolgen schätzungsweise 5'000 Personen in 13 Departementen Honduras die Sendung, welche auch international via Internet ausgestrahlt wird. Die Hausangestellten be- richten über Themen rund um die Hausarbeit und denunzieren die schlechten Arbeitsbedin- gungen. Ein weiteres wichtiges Instrument, um Verbesserungen im Bereich Arbeitsrechte zu realisie- ren, sind Sensibilisierung und Lobbying gegenüber Regierungen, Behörden und Ent- scheidungsträgerInnen wie etwa ParlamentarierInnen. Ziel ist dabei, die Gesetzgebungspro- zesse zu beeinflussen und beispielsweise Verbesserungen bei Arbeitsunfähigkeitsentschä- digungen, Kündigungsschutz oder Kinderbetreuung zu erreichen. Die Partnerorganisationen stützen sich dabei auf die Konventionen 177 und 189 der Internationalen Arbeitsorgani- 14
sation ILO und engagieren sich für deren Ratifizierung durch die Regierung. 2019 veranstal- teten die PO 54 Treffen mit EntscheidungsträgerInnen auf verschiedenen Ebenen. Auf- grund des Regierungswechsels in El Salvador und dem damit verbundenen Wechsel in zahl- reichen öffentlichen Ämtern verzögerten sich gewisse Lobbying-Aktivitäten von CEDM. Zu den neuen BeamtInnen und ParlamentarierInnen muss zuerst wieder ein Vertrauensverhält- nis aufgebaut werden. CEDM: Textilfabriken halten sich an neue Vereinbarungen Das politische Lobbying des Netzwerks CEDM (Concertación por un Empleo Digno para las Mujeres), in dem die Partnerorganisationen SITRABORDO, SIMUTHRES, ORMUSA und der Dachverband der Gewerkschaften FEASIES (Federación de Asociaciones o Sindicatos In- dependientes de El Salvador) zusammenwirken, erzielte in den vergangenen Jahren mehre- re wichtige Verbesserungen der Arbeitsrechtssituation. 2018 hatte CEDM im Rahmen eines Verhandlungstisches mit dem Textil-Sektor eine neue Vereinbarung erreicht. Gemäss salvadorianischem Gesetz entschädigt die Sozialversiche- rungsanstalt ArbeitnehmerInnen erst ab dem vierten Tag ihrer Arbeitsunfähigkeit. Im Zuge der Verhandlungen hatten sich die Textilfabriken dazu verpflichtet, die Lücke der ersten drei Tage zu schliessen. Bis Ende 2018 hatten über 40 Textilfabriken eine entsprechende Ent- schädigung bezahlt, was direkt 70'000 ArbeitnehmerInnen begünstigte. 2019 zahlten 70 Tex- tilfabriken eine Entschädigung an mindestens 50'000 ArbeiternehmerInnen aus. Die Partnerorganisationen leisteten auch juristische Beratung und Begleitung für Arbeit- nehmerInnen, die auf gerichtlichem Weg ihre Rechte auf Entschädigungen/Abfindungen ein- fordern. 2019 konnten die arbeitsrechtlichen Fälle von 993 ArbeitnehmerInnen erfolgreich abgeschlossen werden. Die PO CODEMUH, die sich für die Arbeitsrechte der Textilfabrik- ArbeiterInnen einsetzt, erreichte, dass 22 Entschädigungsklagen bei der Sozialversiche- rungsanstalt respektive vor Gericht gutgeheissen wurden. Die PO CEM-H begleitete die Fäl- le von 8 Hausangestellten. Die PO CEDM begann zudem die Interessensvertretung von 3'100 Angestellten (2'500 Frauen, 600 Männer) von zwei Textilfabriken, welche ihre Produk- tionsstätten schlossen und ungerechtfertigte Kündigungen aussprachen. ORMUSA-PGR: Rückzahlungen von USD 1,7 Mio. zugunsten der ArbeitnehmerInnen Das Arbeitsrechtsprojekt, das Brücke · Le pont zusammen mit der salvadorianischen Gene- ralstaatsanwaltschaft (Procuradoría General de la República, PGR) und der PO ORMUSA durchführt, war auch letztes Jahr erfolgreich. Zu den fünf bisherigen GerichtsvollstreckerIn- nen kam im Juli 2019 eine sechste Person dazu. Diese sechs eingesetzten Gerichtsvollstre- ckerInnen betreuten im letzten Jahr Fälle von insgesamt 963 ArbeitnehmerInnen (423 Frauen, 540 Männer) und erreichten Rückzahlungen von ausstehenden Löhnen und Sozial- leistungen im Wert von USD 1'723'226. Zum Vergleich: 2018 erhielten 722 Personen USD 1'093'573 und 2017 erhielten 560 Personen USD 1'178'655. Bei der von der PO ORMUSA durchgeführten Qualitätskontrolle gaben 78% der befragten ArbeitnehmerInnen an, dass sie die Dienstleistungen der Generalstaatsanwaltschaft als gut oder sehr gut wahrnahmen. Bei der gleichen Befragung 2017 hatten 71% der Arbeitnehme- rInnen die Dienstleistungen der PGR als gut oder sehr gut wahrgenommen. Ein weiteres Indiz für eine verbesserte Arbeit der GerichtsvollstreckerInnen ist der Anteil an Fällen, die in erster Instanz am Arbeitsgericht gelöst wurden. Dieser stieg von 65% in 2017 auf 71% in 2019. Das Verhältnis zwischen ursprünglich eingefordertem Betrag und schlussendlich aus- bezahlter Summe blieb auf hohem Niveau stabil. In 82% der Fälle betrug die ausbezahlte Summe 50% oder mehr des ursprünglich eingeforderten Betrages (zum Vergleich: 84% in 2018 und 76% in 2017). Wirkungsbericht Brücke · Le pont 2019 15
Schliesslich wurden 2019 auch 1'503 Jugendliche (697 Frauen, 806 Männer) im Rahmen ihrer Berufsausbildung über ihre Arbeitsrechte informiert. So können die Jugendlichen Fälle von Arbeitsrechtsverletzungen erkennen und sich dagegen wehren. Die Partnerplattform REDI führte zudem Online-Kampagnen zu Arbeitsrechten durch und erreichte damit 28'232 Personen. Unter anderem wurde für folgende Themen sensibilisiert: das Recht auf einen Arbeitsvertrag, gesetzliche Arbeitszeiten, Kündigungs- und Entschädigungsrecht, das Recht auf bezahlte Ferien und 13. Monatslohn, Rechte der schwangeren Arbeitnehmerinnen sowie das Recht auf Vereinigungsfreiheit. 2.1.3.4. Transversalthemen: Gender, Cultura de Paz und institutionelle Stärkung Cultura de paz Die Mordraten und insbesondere die Raten an Frauenmorden (femi- nicidios) in den Ländern Zentral- amerikas gehören regional und weltweit zu den höchsten27. Des- halb ist es wichtig, gerade junge Menschen in Gewaltprävention und Konfliktlösung zu schulen und die Stellung der Frauen zu stärken. Aus diesem Grund sind Kurse zu cultura de paz sowie Geschlech- tergerechtigkeit integraler Be- standteil aller Projekte in El Sal- vador und Honduras. Da die bei- den Themen eng miteinander verbunden sind, werden sie entsprechend zusammen vermit- telt. Im Rahmen des Projektes der PO FYA-H organisierten sich 52 Jugendliche (30 Frauen, 22 Männer) in Jugendnetzwerken. Diese entwickelten selbständig Sensibilisierungskam- pagnen in ihren Gemeinden und Quartieren. Dazu gehörten beispielsweise Kundgebungen, um auf die Gewalt und mögliche Massnahmen dagegen aufmerksam zu machen. Die Partnerorganisationen in El Salvador, welche zu beruflichen Kompetenzen und Arbeits- marktintegration arbeiten, schlossen 2019 die Standardisierung des Lehrplans für die Ausbildung zu cultura de paz ab. Die PO trafen sich unter der Leitung und Koordination der Partnerplattform REDI zu mehreren Tagungen und Sitzungen, die im Rahmen der periodi- schen Treffen der REDI durchgeführt wurden. Die PO implementieren den standardisierten Lehrplan nun in ihren Projekten. In einem nächsten Schritt soll der neue Lehrplan mit den PO in Honduras, die zu beruflichen Kompetenzen und Arbeitsmarktintegration arbeiten, geteilt werden. Die Partnerplattform REDI konzipierte und führte 2019 wiederum eine Online-Kampagne in den sozialen Netzwerken zum Thema cultura de paz durch. Die Kampagne erreichte 28'232 Personen (56,8% Frauen, 43,2% Männer). Die Seite von REDI in den sozialen Netzwerken konnte die Anzahl Fans von 12'003 in 2018 auf 17'817 per Ende 2019 steigern. Ein weiterer zentraler Aspekt in Bezug auf cultura de paz ist die Schulung des Projektper- sonals. In den Jahren 2017 bis 2019 wurde das Personal der Berufsbildungsprojekte in El 27 Die Rate an Frauenmorden in El Salvador ist 6.8 pro 100'000 Frauen, in Honduras ist sie 5.1 pro 100'000 Frauen und weltweit ist die Rate 2.3 pro 100'000 Frauen. Quellen: https://oig.cepal.org/en/indicators/femicide-or-feminicide und https://www.unodc.org/documents/data- and-analysis/gsh/Booklet_5.pdf. 16
Salvador (FYA-S, FUSALMO und SSPAS) und Honduras (CFSJB, FYA-H und SAN) zu cul- tura de paz geschult. Das Ziel, das Projektpersonal aller Partnerorganisationen aus dem Be- reich berufliche Kompetenzen und Arbeitsmarktintegration in Zentralamerika bis Ende 2020 zu schulen, wurde damit erreicht. Aber auch in den Projekten im Bereich Arbeitsrechte sind Weiterbildungen zu cultura de paz wichtig. So wurden letztes Jahr 17 Mitglieder der Gewerk- schaft SITRABORDO zum Thema geschult. Weiter vorangetrieben wurde 2019 zudem die Sensibilisierungsarbeit zu cultura de paz mit Unternehmen. Die PO SSPAS führte Schulungen für 84 Angestellte (38 Frauen, 46 Män- ner) von 4 Unternehmen zu den Themen cultura de paz, Gender und Menschenrechte durch. Gender Das Thema Gender ist einerseits auf Projektebene ein wichtiges Element. Wie bereits be- schrieben, sind Module zu Geschlechtergerechtigkeit und cultura de paz integraler Be- standteil aller Projekte im Bereich Berufsbildung und Arbeitsmarktintegration. Um die Pro- jekte besser steuern zu können und die Chancengleichheit zu verbessern, werden in allen Projekten geschlechtsspezifische Indikatoren erhoben. Daraus lässt sich beispielsweise er- kennen, dass junge Frauen auf grössere Hindernisse bei der Stellensuche treffen als jun- ge Männer. 2019 waren 56% aller AbsolventInnen der Berufsbildungskurse junge Frauen. Doch bei den vermittelten Arbeitsstellen betrug der Anteil junger Frauen nur 49%. Die PO begegnen dieser Tatsache mit zusätzlicher Sensibilisierungsarbeit bei Unternehmen. Ein Fortschritt liess sich beim Anteil an jungen Frauen in den Berufsbildungskursen beobachten. 2018 lag der Anteil junger Frauen bei 52% aller ausgebildeten Jugendlichen, 2019 konnte dieser Anteil auf 56% gesteigert werden. Spezifisch auf junge Frauen ausgerichtete Werbe- kampagnen, ein attraktives Angebot an Berufskursen sowie Kinderbetreuungsangebote für alleinerziehende junge Mütter gehörten zu den Erfolgsfaktoren. Zudem ist das Thema Gender auch auf institutioneller Ebene der PO von zentraler Bedeu- tung. Es wurde auch letztes Jahr in die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeitenden der PO integriert. Der Fokus auf das Thema Gender ist auch in den Projekten im Bereich Arbeitsrechte wichtig, weil viele Arbeitsrechtsverletzungen eine Genderkomponente bein- halten. So suchen viele Arbeitnehmerinnen die PO auf, weil sie eine fristlose Kündigung auf- grund einer Schwangerschaft erhielten oder von Lohndiskriminierung aufgrund des Ge- schlechts betroffen sind. Im Rahmen des Projektes mit der salvadorianischen General- staatsanwaltschaft wurden zudem an vier Tagungen insgesamt 121 Angestellte zu den Themen Gewalt am Arbeitsplatz mit Genderfokus und Geschlechterdiskriminierung geschult, darunter waren auch MitarbeiterInnen aus dem Ministerium für Arbeit und Sozialversiche- rung. Institutionelle Stärkung In El Salvador und Honduras wurde die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch zwi- schen den PO aus den Bereichen Berufsbildung und Arbeitsmarktintegration auch 2019 wei- tergeführt. In beiden Ländern bilden diese PO nun Netzwerke (REDI in El Salvador, RED in Honduras), über welche je eine gemeinsame Stellenbörse namens PIL (Plataforma de In- termediación Laboral) betrieben wird. Die beiden Netzwerke wurden auch genutzt, um ge- meinsame Werbekampagnen durchzuführen. Wirkungsbericht Brücke · Le pont 2019 17
Ein langfristiges Ziel der institutio- nellen Stärkung ist, dass die PO in der Lage sind, ihre Projekte auch ohne die Unterstützung von Brü- cke · Le pont weiterzuführen. Das bedeutet in erster Linie, dass die PO ihre Einnahmen diversifizieren, unter anderem durch das Generie- ren von Eigenmitteln. Zu diesem Zweck erarbeiteten die beiden lo- kalen Koordinatorinnen und der Programmverantwortliche 2019 ein Instrument zur Diagnose der fi- nanziellen und betrieblichen Nachhaltigkeit der PO. Dabei konnten sie auf ein Instrument zurückgreifen, das die PO in Bolivien und Brasilien bereits angewendet hatten. Die Diagnose wird 2020 mit Hilfe einer externen Begleitung durchgeführt. Anschliessend erarbeiten die PO Strategien und Pläne zur Stärkung ihrer Nachhaltigkeit. 2019 fand zudem ein Austauschtreffen mit allen vier Koordinatorinnen aus Zentralamerika und Südamerika sowie den Programmverantwortlichen in der Schweiz statt (siehe Kapitel 1). 18
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