"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter

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"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
„Potenziale gemeinschaftlicher
Wohnformen – eine Bilanz“
"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
Grußwort

                      Liebe Leserinnen,       Wohnumfeld, ein nachbarschaftliches
                      liebe Leser,            Miteinander und die gesellschaftliche Teil-
                                              habe zu stärken. Dabei werden die Bedürf-
                       wie wichtig das
                                              nisse der Bewohnerinnen und Bewohner und
                       eigene Zuhause für
                                              die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt.
                       unser Wohlbefinden
                       ist, spüren wir        Gemeinschaftliches Wohnen ist eine Chance
                       während der Corona­    für unsere alternde Gesellschaft. Wir alle
                       virus-Pandemie         müssen uns früher oder später mit der
deutlich. Zuhause fühlen wir uns wohl und     Frage befassen, wie und wo wir alt werden
sicher. Zuhause ist deshalb auch der Ort,     möchten. Kommunen und die Wohnungs-
an dem wir alt werden möchten. Mehr als       wirtschaft können sich schon heute darauf
90 Prozent der Menschen wünschen sich,        einstellen, dass der Bedarf nach neuen
möglichst lange im gewohnten Umfeld           Wohnformen weiter ansteigen wird.
leben zu können, auch wenn irgendwann
                                              Danken möchte ich allen, die durch ihr
Krankheit, Hilfe- oder Pflegebedürftigkeit
                                              großes Engagement und ihre Kreativität
eintreten.
                                              zum Gelingen des Modellprogramms beige-
Damit das gelingen kann, brauchen wir         tragen haben und dabei manches Hindernis
nicht nur barrierefreie und altersgerechte    überwinden mussten. Sie zeigen mit ihren
Wohnungen. Auch eine Gemeinschaft gehört      Projekten, wie neue, gemeinschaftliche
dazu, in der man aufeinander Acht gibt und    Wohnformen das selbstbestimmte Wohnen
in der man sich einbringen kann. Daher        in jedem Alter und in verschiedenen
wächst die Nachfrage nach Wohnangeboten,      Lebenssituationen möglich machen. Men-
die bei Bedarf Unterstützung und Begleitung   schen, die gemeinschaftlich wohnen, sind
im Alltag bieten – besonders, wenn Familie    Kümmerer. Sie kümmern sich umeinander
und Freunde weiter weg wohnen.                und um gemeinschaftliche Angelegenheiten.
                                              Wenn das so ist, können wir gut leben – und
Diese Entwicklungen wurden im Modell-
                                              gut alt werden.
programm „Gemeinschaftlich wohnen,
selbstbestimmt leben“ aufgegriffen. Die vom   Mit freundlichen Grüßen
Bundesseniorenministerium in Zusammen-
arbeit mit dem FORUM Gemeinschaftliches
Wohnen e.V. geförderten Projekte zeigen,
wie gemeinschaftliches Wohnen für unter-
                                              Dr. Franziska Giffey,
schiedliche Zielgruppen gelingen kann.
Jedes Projekt hat seinen eigenen Charakter,   Bundesministerin für Familie, Senioren,
um Unterstützung und Versorgung im            Frauen und Jugend

                                                                                            3
"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
Inhalt

    1 Das Modellprogramm                                                                   6
       1.1 Ausgangslage, Ziele und Rahmenbedingungen                                       6
       1.2 Geschäftsstelle des Modellprogramms                                            11
       1.3 Die Modellprojekte                                                             13
          1.3.1 Rechts-/Organisationsformen                                               17
          1.3.2 Kooperationen                                                             18
          1.3.3 Finanzierung                                                              20
          1.3.4 Konzepte                                                                  21
       1.4 Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer:
           Fachveranstaltungen, Publikationen, Ländergespräche                            24
    2 Aus der Projektpraxis für die Projektpraxis                                         27
       2.1 Was sind die größten Herausforderungen – und wie sind sie zu meistern?         27
          2.1.1 Herausforderungen selbstorganisierter Projekte Gemeinschaftlichen Wohnens 29
          2.1.2 Herausforderungen trägerinitiierter Projekte Gemeinschaftlichen Wohnens   33
          2.1.3 Die Finanzierung – Dreh- und Angelpunkt für Projektinitiativen            35
       2.2 Kooperation und Vernetzung                                                     39
          2.2.1 Die Rolle der Kommune                                                     40
          2.2.2 Vernetzung vor Ort – und darüber hinaus                                   41
    3 Bilanz des Modellprogramms                                                          42
       3.1 rgebnisse und Erkenntnisse                                                     42
       3.2 Ansätze zur Förderung Gemeinschaftlicher Wohnformen                            44
          3.2.1 Handlungsempfehlungen auf Bundesebene                                     46
          3.2.2 Handlungsempfehlungen auf Länderebene                                     51
          3.2.3 Handlungsempfehlungen auf kommunaler Ebene                                57
          3.2.4 Handlungsempfehlungen an die Wohnungswirtschaft                           59
          3.2.5 Handlungsempfehlungen an Sozialverbände und die Pflegewirtschaft          62
       3.3 Fazit                                                                          63
    4 Projektbeschreibungen                                                               66
    Anhang – Übersicht der Projekte mit plus-Bausteinen84
    Impressum/Bildnachweise86

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"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
Vorwort

                       Dass Wohnen eine         Dafür wurde der Begriff „Gemeinschaftliches
                       zentrale Bedeutung       Wohnen plus“ geprägt. Herausgekommen
                       im und für das Leben     ist ein Kaleidoskop an realisierten Projekten,
                       hat, muss man nicht      das beispielhaft andeutet, wie Wohnen zu
                       besonders betonen.       sozialem Zusammenhalt in der Gesellschaft
                       Ganz deutlich wird       beitragen kann.
                       der Zusammenhang
                                                Die vorliegende Broschüre vermittelt in sehr
                       in der englischen
                                                differenzierter Weise, wie durch ein bun-
                       Sprache, in der
                                                desweites Modellförderprogramm neue und
für wohnen und leben das gleiche Wort
                                                „ungewohnte“ Wohninitiativen verschiedens-
genutzt wird: to live.
                                                ter Art entstehen können: indem Akteure in
Diese Broschüre reflektiert Ergebnisse und      ihrer Kreativität, Beharrlichkeit und in ihrem
Erkenntnisse aus dem im letzten Jahr zu         Durchsetzungsvermögen bestärkt werden,
Ende gegangenen Modellprogramm des              mehr soziale Teilhabe und Selbstbestimmt-
Bundesministeriums für Familie, Senioren,       heit im Wohnen zu wagen. Sie wertet diese
Frauen und Jugend „Gemeinschaftlich             Erfahrungen aus und formuliert detailliert,
wohnen, selbstbestimmt leben“. Gesucht          wie durch konkrete Maßnahmen von Seiten
waren engagierte Akteure, die kreative          der Gebietskörperschaften – also von Bun-
Projektideen zum Wohnen jenseits des            des-, Landes- und kommunalen Instanzen –,
konventionellen Wohnungsbaus realisieren        aber auch der Wohn- und Pflegewirtschaft
wollen: Erfinderinnen und Erfinder sowie        derartige Wohninnovationen verbreitet
Umsetzerinnen und Umsetzer von gemein-          werden können.
wohlorientierten Wohnformen.
                                                Wenn man es genauer betrachtet, geht
Bei den vielen Initiativen, die sich beworben   es im Kern bei den Projekten des Modell-
hatten und für die Förderung ausgewählt         programms mehr um Leben als um Bauen
wurden, sollte es um mehr als um ein            und Wohnen.
„wohnliches“ Dach über dem Kopf gehen.
Maximal erzielbare Rendite stand nicht im
Fokus der Projekte. Vielmehr waren Orte
fürs Leben mit vielen unterschiedlichen
Facetten gefragt, die auch besondere
                                                Dr. Josef Bura,
soziale, wohnkulturelle, inklusive, emanzipa-
torische und kommunikative Impulse für ihre     Erster Vorsitzender
Bewohnerinnen und Bewohner sowie für            FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.,
die umliegenden Quartiere bieten sollten.       Bundesvereinigung

                                                                                                 5
"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
1 Das Modellprogramm

    1.1 Ausgangslage, Ziele und Rahmenbedingungen
    Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Es bildet      lichen Wohnens entwickelt. Sie zeigen, wie
    die Basis der individuellen Lebensgestal-     ein Wohn­­umfeld entstehen und gestaltet
    tung und Entfaltung und ist eine Voraus-      werden kann, in dem Menschen in unter-
    setzung für die soziale Einbindung in die     schiedlichen Lebensphasen und Lebens-
    Gesellschaft. Die meisten Menschen wün-       lagen einander unterstützen und somit
    schen sich eine Wohnumgebung, die ihnen       ein soziales Netz etablieren, das über den
    Selbstständigkeit und Selbstbestimmung,       familiären Rahmen hinausgeht. Eine Ent-
    soziale Kontakte, Teilnahme und Teilhabe      wicklung, für die sich nicht nur immer mehr
    am gemeinschaftlichen Leben ermöglicht        Bürgerinnen und Bürger interessieren und
    und die notwendige Versorgung sichert         engagieren, sondern die angesichts des
    – auch im hohen Alter, bei Hilfe- und         demografischen Wandels und der damit
    Unterstützungsbedarf, Pflegebedürftigkeit     verbundenen sozialen und wirtschaftlichen
    oder Behinderung.                             Herausforderungen auch für Kommunen,
                                                  Wohnungswirtschaft und Wohlfahrtsver-
    In den letzten Jahren haben sich innovative
                                                  bände an Bedeutung gewinnt.
    Ansätze im Bereich des Gemeinschaft­

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"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
1 Das Modellprogramm

Rahmenbedingungen                               ◆   Fördern der Verbreitung vielfältiger
                                                    Ideen für das gemeinschaftliche
Das Bundesministerium für Familie, Seni-
                                                    Zusammen­leben von Jung und Alt.
oren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unter-
stützt diese Entwicklung beim Wohnen            ◆   Steigern der Bekanntheit von alternativen
unter anderem mit dem Modellprogramm                Wohn- und Wohn-Pflege-Formen, die ein
„Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt            selbstbestimmtes Wohnen im Alter und
leben“. Das Programm startete mit der               bei Pflege- und Unterstützungsbedarf
Ausschreibung durch das BMFSFJ im März              ermöglichen.
2015 und endete am 31. Dezember 2019.
                                                ◆   Erfassen und Darstellen der Bedeutung
Gefördert wurden insgesamt 34 innovative
                                                    gemeinschaftlicher Wohnprojekte für die
Vorhaben mit Vorbildwirkung im Bereich
                                                    Entwicklung von Quartieren oder Dörfern
des Gemeinschaftlichen Wohnens aus allen
                                                    und als Baustein einer generationenge-
16 Bundesländern. Diese waren auch am
                                                    rechten und inklusiven Kommune.
Auswahlprozess beteiligt. Das Gesamtbud-
get der Förderung durch das BMFSFJ für die      ◆   Präsentieren von Planungsgrundlagen
Projekte lag bei rund 5,2 Mio. Euro. Ent-           zur Entwicklung sozial gemischter und
sprechend ihrem Antragsziel konnten die             partizipativer Wohnformen.
Initiativen bis zu 200.000 Euro Fördermittel
                                                ◆   Identifizieren und Aufbereiten der
für bauliche oder bis zu 50.000 Euro für
                                                    hemmenden und fördernden Faktoren
nicht-bauliche Zwecke erhalten. Insgesamt
                                                    während der verschiedenen Projekt-
hatten sich rund 230 Projekte fristgerecht
                                                    phasen in einer für andere Initiativen
(bis 31.05.2015) um eine Förderung
                                                    verwertbaren Form.
beworben. Dass die Zahl der Vorschläge
von überwiegend hoher Qualität die              ◆   Identifizieren und Dokumentieren von
verfügbaren Mittel um ein Vielfaches                Faktoren, die die Nachhaltigkeit von Pro-
überstieg, zeigt bereits, wie groß der Bedarf       jekten des gemeinschaftlichen Bauens und
an Unterstützung von Projektinitiativen im          Wohnens sichern, insbesondere im Hinblick
Bereich der Neuen Wohnformen ist.                   auf die soziale und kulturelle Dimension.

Ziele und Auswahlkriterien                      ◆   durch einen Dialog- und Werkstatt­
                                                    charakter bei Veranstaltungen im Rahmen
Kernziel des Modellprogramms war die För­
                                                    des Programms eine Plattform zum
derung innovativer und richtungsweisender
                                                    fachlichen Austausch und zur Vernetzung
neuer Wohnformen mit Vorbildcharakter
                                                    der Projekte untereinander bieten.
für die jeweilige Region. Darüber hinaus
wurden folgende inhaltliche Anforderungen       ◆   Erfassen kommunaler Unterstützungs-
an die Prozessqualität formuliert:                  und Beteiligungsformen für mögliche
                                                    Nachahmerprojekte.

                                                                                                7
"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
1 Das Modellprogramm

    Drei Förderschwerpunkte bildeten den         Förderschwerpunkt C:
    programmatischen Rahmen, in dem sich         Generationen­gerechte Wohn­
    die antragstellenden Initiativen verorten    umgebung, Vielfalt und Inklusion
    sollten:
                                                 Projekte in diesem Förderschwerpunkt
    Förderschwerpunkt A:                         leisten einen besonderen Beitrag zur
    Selbstständige Lebensführung                 Entwicklung inklusiver gemeinschaftlicher
    älterer und hochaltriger Menschen            Wohn- und Lebensformen, indem sie
    im Quartier                                  gemeinschaftlichen Wohnraum für Perso-
                                                 nen mit körperlichen und/oder psychischen
    Zielgruppe waren Projekte des Gemein-
                                                 Beeinträchtigungen beziehungsweise
    schaftlichen Wohnens, die innovative
                                                 Behinderungen geschaffen haben. Einbe-
    Lösungen für eine selbstständige und
                                                 zogen werden zudem auch geflüchtete
    unabhängige Lebensführung insbesondere
                                                 Menschen oder Menschen mit einer Migra-
    älterer und hochbetagter Menschen im
                                                 tionsbiografie. Die Projekte haben sozial-
    Projekt, Quartier oder Dorf aufzeigen.
                                                 räumliche Strukturen aufgebaut, die eine
    Projektbestandteile sind beispielsweise
                                                 Teilhabe am Gemeinwesen ermöglichen
    Pflege- und Betreuungsangebote im unmit-
                                                 und die betreffenden Personengruppen in
    telbaren Wohn­­umfeld sowie niedrigschwel-
                                                 ein „gemischtes“ Quartier integrieren.
    lige Hilfen und/oder Hilfe-Mix-Strukturen,
    die einen längeren Verbleib im eigenen       Die Projektauswahl erfolgte durch das
    Zuhause ermöglichen.                         BMFSFJ. Relevant waren neben den Förder-
                                                 schwerpunkten auch strukturelle Kriterien.
    Förderschwerpunkt B:
                                                 Der Fokus lag dabei unter anderem auf
    Bezahlbares Wohnen, besonders
    für Menschen mit niedrigem                   ◆   der Schaffung langfristig bezahlbaren und
    Einkommen                                        gesicherten Wohnraums,

    Der Förderschwerpunkt vereint Ansätze, die   ◆   der Stärkung des Engagements und
    den Zugang von Menschen mit niedrigem            der Partizipation von Bürgerinnen und
    Einkommen zum Gemeinschaftlichen                 Bürgern in Nachbarschaft und Quartier,
    Wohnen verbessern und neben langfristig
                                                 ◆   innovativen Formen der
    bezahlbarem Wohnen zugleich mehr
                                                     Projektfinanzierung,
    Möglichkeiten zur Mitbestimmung und
    Mitgestaltung bieten. Dabei überzeugten      ◆   der Nachhaltigkeit von Projektorganisa-
    insbesondere Projekte, die auch eine             tion und Kooperationen,
    altersmäßige/generationenübergreifende
                                                 ◆   der Berücksichtigung geschlechterge-
    Durchmischung anstrebten.
                                                     rechter Ziele und gleichgeschlechtlicher
                                                     Lebensformen,

8
"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
◆   der generationenübergreifenden und         Zielgruppe
    sozialen Mischung (z. B. ältere Menschen
                                               Das Programm richtete sich an alle Initia-
    und Familien),
                                               tiven, Gruppen, Organisationen und Kom-
◆   dem Aufzeigen von Lösungen für             munen, die ein den genannten Zielen und
    Gemeinschaftliches Wohnen mit              Anforderungen entsprechendes, innovatives
    Versorgungssicherheit,                     und modellhaftes gemeinschaftliches
                                               Wohnprojekt – ggf. auch in Kooperation –
◆   der Schaffung und nachhaltigen
                                               planten und umsetzen wollten.
    Sicherung von Pflege und Betreuung
    im Quartier bzw. Dorf.                     Definition Gemeinschaftliches
                                               Wohnen
Die teilnehmenden Projekte hatten sich
bereit erklärt, beispielsweise im Rahmen       Im Gemeinschaftlichen Wohnen leben
von Workshops und Fachtagungen, aktiv          Menschen miteinander in einem Haus
und offen an Prozessen der (Selbst-)           oder in mehreren Häusern in direkter
Reflektion und Aufbereitung mitzuwirken.       Nachbarschaft. Sie verfügen über private
Eine weitere wichtige Voraussetzung für        Wohnbereiche sowie über gemeinschaftlich
eine Bewerbung war die Akzeptanz in            genutzte Flächen wie z. B. Gemein-
der Kommune, bzw. deren ausdrückliche          schaftsräume, Gärten, Werkstätten oder
Befürwortung oder gar fachliche, sachliche     Gemeinschaftsküchen. Zusammen bilden
oder finanzielle Unterstützung des Projekts    sie eine (Wohn-)Gruppe, die sich regelmä-
als einem Baustein der kommunalen              ßig zur Besprechung individueller Anliegen
Daseinsvorsorge.                               sowie zur Planung und Koordination von

                                                                                            9
"Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen - eine Bilanz" - Zuhause im Alter
1 Das Modellprogramm

     gemeinschaftlichen Aufgaben und Aktivi-          Mögliche Rechtsformen im Gemeinschaft-
     täten trifft. Nachbarschaftliche Kontakte        lichen Wohnen sind genossenschaftlich
     und wechselseitige Unterstützung sind            organisierte Projekte, Wohnungseigentü-
     verlässliche Elemente in ihrem Wohnalltag.       mergemeinschaften (WEG), Projekte, die
     Viele Projekte gemeinschaftlichen Wohnens        das Genossenschaftsmodell in anderen
     tragen auf unterschiedliche Weise positiv        Rechtsformen adaptieren, wie das Miets-
     zur Entwicklung der Orte (Quartier oder          häuser-Syndikat (GmbH, Hausverein) und
     Dorf) bei, in denen sie sich angesiedelt         das GmbH & Co. KG-Modell. Andere Grup-
     haben. Sie werden daher von Kommunen             pen organisieren sich als Kooperations-/
     zunehmend auch als Instrumente der               Trägerprojekte (z. B. Wohnprojekt-GbR oder
     Stadt-/Dorfentwicklung wahrgenommen.             -Verein und (kommunales) Wohnungsunter-
                                                      nehmen) oder gemischte Miet-/Eigentums­
     Gemeinschaftliches Wohnen wird in
                                                      projekte (z. B. Genossenschaft und WEG).
     unterschiedlichen Trägermodellen und
                                                      Diese Organisationsvielfalt führt dazu, dass
     Rechtsformen umgesetzt. Mit jedem
                                                      nahezu alle Interessierten Zugangsmög-
     Trägermodell sind spezifische Rechte und
                                                      lichkeiten zum Gemeinschaftlichen Wohnen
     Pflichten der Mitglieder im Innen- und
                                                      finden können.
     Außenverhältnis verbunden. Gemeinschaft-
     liche Wohnformen mit hohem Selbstbe-             Initiiert und realisiert werden gemein-
     stimmungsgrad zeichnen sich dadurch aus,         schaftliche Wohnformen von Akteuren
     dass die Wohngruppe alleinverantwortlich         aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich
     für die Organisation der objektbezogenen         sowie von Akteuren aus professionellen
     Aufgaben wie z. B. der Vermietung, der           Kontexten, wie der Wohnungswirtschaft,
     Instandhaltung und dem Rechnungswesen            den Sozialverbänden oder den Kommunen.
     ist. Dies trifft z. B. auf Wohngruppen zu, die   Ganz am Anfang eines jeden Vorhabens
     eine eigene Genossenschaft als Trägerin          steht die Einigung der Projektbeteiligten
     gründen. Deutlich geringere Anforderungen        auf ein gemeinsames Konzept. Auf
     an Projektmitglieder bestehen demgegen-          diese Weise entstehen Projekte mit
     über bei Gemeinschaftlichem Wohnen in            unterschiedlicher Akzentsetzung, wie z. B.
     professioneller Trägerschaft. Dort liegt die     Wohnprojekte älterer Menschen, Mehrgene-
     Hauptlast der Objektverwaltung bei der           rationenwohnprojekte oder auch inklusive
     Kooperationspartnerin bzw. dem Koope-            Projekte gemeinschaftlichen Wohnens, die
     rationspartner (häufig dem (kommunalen)          Zugänge für Personengruppen schaffen,
     Wohnungsunternehmen oder der klassi-             die am Wohnungsmarkt systematisch
     schen Wohnungsgenossenschaft).                   benachteiligt sind.

10
1.2 Geschäftsstelle des Modellprogramms
Als Geschäftsstelle des Modellprogramms               ◆   Fördertechnische Abwicklung, bspw.
eingesetzt und mit der Programmleitung                    Abstimmung als Erstempfänger mit dem
und -durchführung beauftragt wurde das                    Bundesverwaltungsamt, Beratung bei
FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.,                     der Antragstellung, Abstimmung und
Bundesvereinigung, mit Sitz in Hannover.                  Abschluss von Weiterleitungsverträgen
Die Arbeit erfolgte in enger inhaltlicher                 mit den Projekt­trägern, Weiterleitung
Abstimmung mit dem BMFSFJ.                                von Fördermitteln sowie Prüfung der
                                                          Zwischen- und Verwendungsnachweise.
Aufgaben der Geschäftsstelle waren im
Wesentlichen:                                         2. Die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit
                                                      rund um das Modellprogramm:
1. Die fachliche Begleitung der Projekte
                                                      Dazu gehörten das Aufbereiten und
mit folgenden Aufgabenbereichen:
                                                      Zusammenstellen von Informationen
◆ Begleitung und Beratung der Projekt­
                                                      über das Programm und die Modellpro-
  träger und ihres Umfelds zu Planungs-
                                                      jekte im Rahmen einer Info-Broschüre,
  und Umsetzungsfragen. Dazu gehörten
                                                      durch aktuelle Meldungen aus den
  auch Besuche der Projekte bspw. anläss-
                                                      Projekten auf der Programm-Website
  lich erreichter „Meilensteine“ wie dem
                                                      http://wohnprogramm.fgw-ev.de sowie
  Richtfest oder der Einweihung.
                                                      in Newslettern des FORUM, auf internen
◆    Organisation und Moderation des                  und externen Veranstaltungen und in
     Erfahrungsaustauschs der ausgewählten            den Medien.
     Projekte sowie deren Vernetzung mit
                                                      3. Die Dokumentation und der Wissens­
     Expertinnen und Experten im Rahmen
                                                      transfer von zentralen Erkenntnissen und
     von Fachveranstaltungen, der Auftakt-
                                                      Ergebnissen aus dem Modellprogramm
     und der Abschlussveranstaltung.
                                                      Formate waren Publikationen, Handlungs-
◆    Analyse und Auswertung von Schritten             empfehlungen1 und Fachveranstaltungen:
     zur erfolgreichen Umsetzung der
                                                      ◆   Fachbroschüre „Inklusion und Vielfalt im
     Modellprojekte.
                                                          Gemeinschaftlichen Wohnen“ (2019)
◆    Aufbereitung von Fachinformationen
                                                      ◆   Fachbroschüre „Gemeinschaftliches
     für die Projekte: auf der Website,
                                                          Wohnen plus“ (2018)
     durch Publikationen, Meldungen,
     Veranstaltungshinweise.

 Zu finden auf der Website des Modellprogramms: http://wohnprogramm.fgw-ev.de
1

                                                                                                     11
1 Das Modellprogramm

     ◆   Workshop-Dokumentation (online):         Zieldimensionen der fachlichen
         Gemeinschaftliches Wohnen mit            Programmbegleitung
         Versorgungssettings – organisieren
                                                  1. Vielfalt an Ideen und Lösungsansätzen
         und finanzieren (2017)
                                                  der Modellprojekte im Bereich alternativer
     ◆   Artikel in Fachpublikationen und         Wohn- und Wohn-Pflege-Formen für alters-
         Teilnahme an Veranstaltungen Dritter,    oder krankheitsbedingt assistenz­bedürftige
         beispielsweise dem 12. Deutschen         Menschen, generationenübergreifende und
         Senioren­tag 2018 in Dortmund            sozial gemischte, partizipative Wohnformen
                                                  präsentieren.
     ◆   Abschlussveranstaltung „Potenziale
         gemeinschaftlicher Wohnformen – eine     2. Bedeutung gemeinschaftlicher Wohn­
         Bilanz“ 2019 in Berlin                   projekte für die Entwicklung von Quar­
                                                  tieren und Dörfern darstellen und dabei
     ◆   Fachtagung „Inklusion und Vielfalt im
                                                  Wege zur gendergerechten, inklusiven
         Wohnen“ 2018 in Weimar
                                                  und generationen­gerechten Kommune
     ◆   Expertinnen- und Expertenworkshop        aufzeigen.
         „Gemeinschaftliches Wohnen mit
                                                  3. Transferwissen sichern und weitergeben,
         Versorgungssettings – organisieren und
                                                  indem Entwicklungsprozesse gemein-
         finanzieren“ 2017 in Bremen
                                                  schaftlicher Wohnprojekte – von der Idee
     ◆   Auftaktveranstaltung des Bundesmodell-   über die Realisierung bis zur Bewährung
         programms „Gemeinschaftlich wohnen,      im Alltag – analysiert und Best-Practice-
         selbstbestimmt leben“ 2016 in Berlin     Ansätze hinsichtlich Planung, Finanzierung,
                                                  Kooperationen, Kommunikation, Prozess-
     Als Geschäftsstelle des Modellprogramms
                                                  steuerung und Prozessqualität vorgestellt
     hatte das FORUM zudem die Gelegenheit,
                                                  werden.
     Erfahrungen aus der fachlichen Begleitung
     der Modellprojekte in die Beratungen         4. Nachhaltigkeit von Projekten fördern,
     der Kommission Gleichwertige Lebens­         indem sozioökonomische und ökologische
     verhältnisse einzubringen.                   Innovationen mit Effekten für das Projekt,
                                                  das Quartier/die Dorfgemeinschaft, die
                                                  Umwelt etc. herausgestellt werden, wie
                                                  bspw. Sharing-Ansätze (Auto, Fahrräder,
                                                  Werkzeuge), integrierte ökologische
                                                  Komponenten (ökologische Bauweisen,
                                                  erneuerbare Energien, landwirtschaftliche
                                                  Flächennutzung), aber auch Modelle zur
                                                  Konfliktlösung sowie zur erfolgreichen
                                                  Steuerung von Gruppenprozessen.

12
1.3 Die Modellprojekte
Je nach ihrer inhaltlichen Schwerpunkt-                Dem Förderschwerpunkt A „Selbstständige
setzung waren die Modellprojekte einem                 Lebensführung älterer und hochaltriger
der drei Förderschwerpunkte zugeordnet,                Menschen“ gehörten insgesamt 13 Projekte
wobei viele Projekte Schnittmengen mit                 an. Zwölf Projekte dieses Schwerpunktes
anderen Schwerpunkten aufwiesen.                       schafften den Übergang in die Umset-
                                                       zungsphase und erhielten eine bauliche
                                                       oder investive Förderung. Über die Hälfte
                                                       dieser Projekte ist inzwischen realisiert.

 Ort                        Projekttitel                              Projektträger/-in

 Aidhausen, Bayern          Ambulante Hausgemeinschaft                ACW Wohnprojekte GbR
                            Friesenhausen

 Berlin-Lichterfelde Süd,   Soziales Beratungszentrum und Kiez-Café   Trägerwerk Soziale Dienste in
 Berlin                     „ANDERS Celsius“                          Berlin und Brandenburg gGmbH

 Berlin                     Seniorinnen und Senioren leben in Würde   MoRo Seniorenwohnanlagen e.V.
                            und mit viel Freude in Berlin

 Bremen-Osterholz,          Mehrgenerationenhaus Schweizer Viertel    Bremer Heimstiftung
 Bremen                     – Stiftungsdorf Graubündener Straße

 Burgrieden,                Allengerechtes Wohnen Burgrieden          Bürgerstiftung Burgrieden
 Baden-Württemberg

 Celle, Niedersachsen       Das Quartier Hattendorffstraße –          Celler Bau- und Spar­verein eG
                            Sanierung und Ausstattung
                            für mehr Lebensqualität

 Frankfurt am Main,         Pfad-Finder in Frankfurt: Wege zur        Menschen voller Energie e.V.
 Hessen                     Umsetzung von neuen Wohn- und
                            Pflegeformen

 Frankfurt am Main,         BeTrift Niederrad                         Wohngeno eG
 Hessen

 Hofgeismar, Hessen         Petrihaus in Hofgeismar – Selbstbe-       Wohnungsbaugenossenschaft
                            stimmt Wohnen im Altstadtquartier         Hofgeismar eG

 Speyer, Rheinland-Pfalz    Quartiersoffensive Gemeinschaftliches     GEWO Wohnen GmbH
                            Wohnen Speyer-West

 Trier, Rheinland-Pfalz     Wohnen im Quartier                        Wohnungsbaugenossenschaft
                                                                      am Beutelweg eG

 Ursensollen, Bayern        Seniorenwohnen DAHOAM                     Gemeinde Ursensollen

 Winnenden,                 Nahdran, Mittendrin – gemeinschaftlich    Wohngemeinschaften in
 Baden-Württemberg          wohnen für Generationen                   Nahdran, Mittendrin e.V.

                                                                                                       13
1 Das Modellprogramm

     Im Förderschwerpunkt B „Bezahlbares                    initiativen wurden weiterverfolgt und konnten
     Wohnen, besonders für Menschen mit                     ihr (Bau-)Vorhaben im Rahmen des Modell-
     niedrigem Einkommen“ wurden insgesamt                  programms realisieren, die Hälfte davon ist
     dreizehn Initiativen ausgewählt. Elf Projekt­          erfolgreich abgeschlossen.

      Ort                       Projekttitel                                Projektträger/-in

      Bad Dürkheim,             Froh2Wo – ein generationenübergreifen-      Wohnungsgenossenschaft
      Rheinland-Pfalz           des Wohnprojekt                             Froh2Wo eG

      Berlin-Mitte, Berlin      Umbau von Bestandsgebäuden zu einem         STATTBAU Stadtentwicklungs-
                                barrierearmen generationenübergreifen-      gesellschaft mbH
                                den Wohnprojekt

      Berlin-Neukölln, Berlin   Gemeinschaftlich Wohnen zur Miete           Wohntraum e.V.
                                im Rollbergkiez – Nutzbarmachung
                                von Gemeinschafts­flächen im Neubau
                                Briesestraße

      Bielefeld,                So bunt wie möglich                         Die Hausgemeinschaft
      Nordrhein-Westfalen                                                   im Pauluscarrée e.V.

      Germering, Bayern         Inklusives Wohnen – Barrierefrei für Alt    GBW Portfolio 1 GmbH & Co. KG
                                und Jung

      Greifswald,               Gesellschaftshaus Greifswald (STRAZE):      Stralsunder Straße 10 GmbH,
      Mecklenburg-Vorpommern    Wohnprojekt im Zentrum bürgerschaftli-      Kultur- und Initiativen­haus
                                chen Engagements                            Greifswald e.V.

      Hameln, Niedersachsen     Zwei Flügel: Wohnen und Kultur unter        Walkemühle GmbH
                                einem Dach

      Husum,                    Neues Leben in alten Klassen­zimmern –      staTThus eG
      Schleswig-Holstein        Wohnprojekt staTThus

      Ludwigsfelde,             Nachbarschaftliches Mehrgenerationen-       Grundstücksgesellschaft
      Brandenburg               wohnen mit Pflege-Wohngemeinschaft           Wietstocker Dorfstr. 24
                                im Grünen                                   GmbH & Co. KG

      Lüneburg, Niedersachsen   Gründung eines Wohnprojekts in Selbst-      gemeinschaft.sinn
                                verwaltung – dauerhaft gemeinschaftlich     wohnprojekt GmbH
                                und bezahlbar! (FLUSE)

      Magdeburg,                gemeinsam leben – gemeinsam                 Vitopia eG
      Sachsen-Anhalt            wachsen – gemeinsam altern

      Michendorf, Brandenburg   WohnMichel: Generationenübergreifendes      WohnMichel
                                und ökologisches Gemeinschaftswohn-         Gemeinschaft GmbH
                                projekt in Michendorf

      Saarbrücken, Saarland     Galia III – Solidarisch leben im Quartier   Galia e.V. „Gemeinsam aktiv
                                                                            leben ist attraktiv“

14
Für den Förderschwerpunkt C „Generatio­                die Realisierungsphase und erhielten
nengerechte Wohnumgebung, Vielfalt und                 eine Modellförderung, davon sind sieben
Inklusion“ wurden 13 Projektinitiativen                Projekte bereits abgeschlossen und vier
ausgewählt. Elf Initiativen starteten in               Projekte noch in der Umsetzung.

 Ort                       Projekttitel                              Projektträger/-in

 Bad Kreuznach,            Mehrgenerationenwohnen mit                Franziskanerbrüder vom
 Rheinland-Pfalz           Versorgungssicherheit. Wohnprojekt        Heiligen Kreuz e.V.
                           Inklusiv

 Berlin – Bezirk Schöne-   Lebensort Vielfalt am Südkreuz – zusam-   Schwulenberatung
 berg, Berlin              men leben, zusammen älter werden          Berlin gGmbH

 Berlin-Mitte, Bezirk      RuT – Frauen Kultur & Wohnen              RuT – Rad und Tat
 Tempelhof-Schöneberg,     in Berlin-Mitte                           Berlin gGmbH
 Berlin

 Dillingen, Saarland       Domus Johannes – Modernisierung eines     Verein für Sozial­psychiatrie
                           veralteten Krankenhauses                  gem. e.V.

 Fürth, Bayern             Spiegelfabrik Fürth –                     Spiegelfabrik Fürth GbR
                           Wohnen für Generationen

 Hamburg – HafenCity,      FESTLAND – das Leuchtfeuer-               Hamburg Leuchtfeuer
 Hamburg                   Wohnprojekt für chronisch                 Festland gGmbH
                           kranke Menschen

 Hildesheim,               LebensRaum Hildesheim – Selbstbe-         LebensRaum Hildesheim e.V.
 Niedersachsen             stimmte Lebens- und Arbeitsgemein-
                           schaft für Menschen mit Behinderung

 Hofheim am Taunus,        WIR am Klingenborn. Gemein-               HWB – Hofheimer Wohnungs-
 Hessen                    schaftliches Wohnen im Dr.                bau GmbH
                           Max-Schulze-Kahleyss-Haus

 Hückeswagen,              Inklusives ambulant betreutes Wohnen      Lebendige Inklusion e.V.
 Nordrhein-Westfalen       auf einem Bauernhof

 Köln-Nippes,              Von der Wohngemeinschaft zum              Wunschnachbarn WEG
 Nordrhein-Westfalen       Little-Cohousing für Ältere in einem
                           altersgemischten Wohnprojekt

 Leipzig, Sachsen          Generationenwohnen Grünau-Nord            Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.,
                                                                     Regionalverband Leipzig/
                                                                     Nordsachsen

 Tübingen,                 Tante Huber: Vielfalt leben – beteiligt   Wohnprojekt Tante Huber GmbH
 Baden-Württemberg         statt betroffen

 Weimar, Thüringen         Wohnprojekt Ro70 – Neues Wohnen und       Wohnprojekt Ro70 eG
                           Arbeiten im alten Klinikum Weimar

                                                                                                     15
1 Das Modellprogramm

     Insgesamt stellten nur fünf Projektiniti-    Mitgliedern. Der „Strauß an Möglichkeiten“,
     ativen ihr Vorhaben ein. Ursachen waren      den die Modellprojekte zur Nachahmung
     der Rückzug von Schlüsselpersonen aus        bieten, ist entsprechend bunt und zeichnet
     gesundheitlichen Gründen, das Scheitern      sich durch vielfältige Konzepte, Organi-
     von Kooperationen sowie Schwierigkeiten      sations- und Kooperationsformen sowie
     beim Grundstückserwerb und/oder der          Finanzierungmodelle aus. Abgesehen
     Finanzierung des Vorhabens. Nachgerückt      davon, diente eines der ausgewählten
     sind aus der Liste der Bewerbungen für       Projekte (Pfad-Finder in Frankfurt) der
     das Modellprogramm die Projekte fol-         Erstellung einer Expertise zum Thema
     gender Trägerinnen und Träger: Galia e.V.,   Neuere Wohn- und Lebensformen im Alter,
     Schwulen­beratung Berlin gGmbH,              auch bei Unterstützungs- und Pflegebedarf,
     Wohnungsgenossenschaft Froh2Wo eG,           für Interessierte, Initiativen, Netzwerkende
     Spiegelfabrik Fürth GbR, Wohngeno eG,        und Engagierte in Frankfurt a.M.
     RuT – Rad und Tat Berlin gGmbH, Wohn­
                                                  In Kapitel 4 dieser Broschüre werden
     Michel Gemeinschaft GmbH, Celler
                                                  alle realisierten Modellprojekte mit Kurz­
     Bau- und Sparverein eG sowie STATTBAU
                                                  beschreibung vorgestellt.
     Stadtentwicklungsgesellschaft mbH.
                                                  Für die fachliche Auswertung des
     Im Programm gefördert wurden Projekte
                                                  Modellprogramms und Aufbereitung des
     im ländlichen Raum, Projekte in Klein-
                                                  Transferwissens der übrigen 32 baulichen
     und Mittelstädten sowie Vorhaben in
                                                  Vorhaben erfolgte eine Projektanalyse nach
     großstädtischen Ballungsgebieten. Dem-
                                                  den Dimensionen Rechts-/Organisations-
     entsprechend waren sehr unterschiedliche
                                                  formen (1), Kooperationen (2), Finanzie-
     Herausforderungen zu bewältigen, bspw.
                                                  rung (3) sowie Konzepte (4). Die folgenden
     hinsichtlich der Projektfinanzierung, der
                                                  Abschnitte konkretisieren, welche innova-
     Suche nach geeigneten Grundstücken
                                                  tiven Lösungen die Modellprojekte in den
     sowie dem Gewinnen von Kooperierenden,
                                                  einzelnen Dimensionen aufweisen.
     Investierenden, Multiplikatoren und/oder

16
1.3.1 Rechts-/Organisationsformen
Insgesamt 30 der geförderten Modellpro-        Förderziel des Schwerpunkts B „Bezahl­
jekte realisier(t)en Wohnungsbauvorhaben,      bares Wohnen, besonders für Menschen
zwei Projekte realisierten Angebote, die das   mit niedrigem Einkommen“. Vor allem hier,
Mietwohnen ergänzen bzw. bereichern sol-       aber auch in anderen Schwerpunkten, sind
len (z. B. Beratungsentrum mit Kiez-Café).     eine Reihe von Initiativen versammelt, die
Wie Abb. 1 verdeutlicht, handelt es sich bei   auf die Sicherung langfristig bezahlbaren
den 30 Wohnungsbauprojekten mehrheit-          Wohnraums abzielen. Zivilgesellschaftliche
lich um Mietwohnungsbau (22). Lediglich        Initiativen wählten, um Wohnraum lang-
ein Förderprojekt bildete ausschließlich       fristig zu sichern und der Spekulation zu
Wohneigentum. Sechs Initiativen kombi-         entziehen, die Rechtsform der Genossen-
nieren Eigentum mit Wohnangeboten zur          schaft oder das Modell des Mietshäuser-
Miete wie einer Gästewohnung und/oder          syndikats (MHS), welches eine Kombination
einer Pflege-WG.                               von GmbH und Projektverein vorsieht (z. B.
                                               Wohnprojekt Tante Huber, Gesellschafts-
Abb. 1 Wohnangebote Modellprojekte
                                               haus Greifswald (STRAZE)). Zudem wurden
                                               Projekte im Trägermodell realisiert, bei
                                               dem ein Miet-Wohnprojekt als Verein oder
                                               GbR unter dem Dach einer Genossenschaft,
                                               eines Wohnungsunternehmens oder eines
                                               privaten Investors entsteht. Im Programm-
                                               portfolio befinden sich außerdem Projekte
                                               traditioneller Genossenschaften und kom-
                                               munaler Wohnungsunternehmen, die darauf
                                               ausgerichtet sind, das soziale Miteinander
Die verhältnismäßig große Anzahl an            in der Nachbarschaft und im Quartier zu
Projekten mit ausschließlich Mietwohnan-       fördern und darüber hinaus Versorgungs-
geboten resultiert insbesondere aus dem        bausteine integrieren.

                                                                                            17
1 Das Modellprogramm

     1.3.2 Kooperationen
     Viele der ausgewählten Modellvorhaben gin-     lungsprozess beteiligt waren, finden sich
     gen neue Partnerschaften ein, um Projekte      Kooperationen mit lokalen Wohnungsunter-
     realisieren zu können. Folgende Kooperati-     nehmen und sozialen Vereinen (wie z. B. in
     onsformen lassen sich differenzieren:          den Projekten Seniorenwohnen DAHOAM in
                                                    Ursensollen und Petrihaus in Hofgeismar).
     a) Kooperation zwischen Bürgerstiftung
                                                    Dieses Modell eignet sich für die Schaffung
     und Kommune
                                                    von Mietwohnraum mit ambulanten Wohn-
     Beim Projekt „Allengerechtes Wohnen            und Versorgungsangeboten.
     Burgrieden“, einem Mehrgenerationen-
                                                    c) Kooperation von Stiftungen
     wohnprojekt im Eigentum, mit einer Pflege-
     wohngruppe, einer Beratungsstelle sowie        Im Projekt Mehrgenerationenhaus Schwei-
     einem Café und Gemeinschaftsräumen,            zer Viertel – Stiftungsdorf Graubündener
     kooperierten die Bürgerstiftung Burgrieden     Straße in Bremen kooperieren drei Stiftun-
     und die Gemeinde Burgrieden. Gemeinsam         gen, um ein umfassendes quartiersbezoge-
     gründeten sie die Burgrieden baut GmbH,        nes Konzept mit verschiedenen Nutzungen,
     wobei die Bürgerstiftung 85 Prozent und        Dienstleistungen und Quartiersangeboten
     die Gemeinde 15 Prozent der Gesellschaf-       zu realisieren. Das Modell ist z. B. für
     teranteile übernahmen. Das Stimmrecht          Wohnstifte interessant, die sich mit der
     übten die Gesellschafter je zur Hälfte aus.    Weiterentwicklung ihres Bestandes für
     Die Geschäftsführung der GmbH übernah-         zukünftige Herausforderungen des Woh-
     men der Bürgermeister und der Vorsitzende      nens, auch angesichts einer älter werden-
     der Bürgerstiftung ehrenamtlich. Zudem         den Mieterschaft, wappnen möchten.
     wurde das Grundstück zum marktüblichen
                                                    d) Kooperation von Wohnungsunternehmen
     Preis von der Gemeinde an die GmbH ver-
                                                    oder Wohnprojektgruppen mit Vereinen
     äußert, der Erlös aber anschließend an die
                                                    und/oder Sozialverbänden
     Bürgerstiftung gespendet. Das Projekt zeigt
     ein attraktives Modell zur Entwicklung dörf-   In vielen Projekten, insbesondere der
     licher Kontexte, in denen klassischerweise     Förderschwerpunkte A und C, kooperieren
     keine kommunalen Wohnungs­unternehmen          Wohnungsunternehmen oder Wohnprojekt-
     oder Genossenschaften als Kooperations-        gruppen (organisiert als GmbH, Verein oder
     partner zur Verfügung stehen.                  GbR) mit Vereinen und/oder Sozialverbän-
                                                    den, wie bspw. der Lebenshilfe, dem DRK
     b) Kooperation von Kommune, Wohnungs­
                                                    oder auch gemeinnützigen Nachbarschafts-
     unternehmen und sozialen Vereinen
                                                    vereinen, um ambulant betreute Wohn- und
     In Modellprojekten, in denen Kommunen          Versorgungsformen, Pflege- und Beratungs-
     maßgeblich am Gründungs- und Entwick-          angebote sowie niedrigschwellige Hilfen

18
für die Bewohnerschaft und das Quartier         oder Genossenschaften, teilweise aber
zu schaffen (z. B. die Ro70 in Weimar,          auch private Investoren (z. B. beim Projekt
BeTrift Niederrad in Frankfurt, Tante Huber     „Galia III – Solidarisch leben im Quar-
in Tübingen). Diese Kooperationsform ist        tier“). Wohnprojektgruppen erhalten oft
besonders für Projektinitiativen interessant,   Mitsprache­rechte beim Zuschnitt der Woh-
die über das gemeinschaftliche Wohnen           nungsgrundrisse sowie bei der Ausstattung
hinaus Angebote integrieren möchten, die        der Wohnprojekt-Wohnungen. Darüber
einen Verbleib im Projekt, auch im Alter        hinaus liegt die Zuständigkeit für die Aus-
und bei Pflege- und Betreuungsbedarf,           wahl neuer Mieterinnen und Mieter meist
ermöglichen.                                    bei den Wohnprojektgruppen. Die genauen
                                                Rechte und Pflichten zwischen Eigentü-
e) Kooperation von Wohnungsunternehmen
                                                merin oder Eigentümer und Wohnprojekt
und Wohnprojektgruppen
                                                regelt die jeweilige Kooperationsvereinba-
Mit dem Ziel bezahlbaren Wohnraum zu            rung. Diese Form der Zusammenarbeit von
schaffen, wählten einige Projektinitiativen     Wohnprojektinitiativen und Wohnraum­
auch das sogenannte Trägermodell. Dabei         anbietern findet im Bundesgebiet vielfach
kooperieren Wohnprojektgruppen, die in          Anwendung, insbesondere in Kommunen,
der Regel als Verein oder GbR organisiert       die Grundstücke im Konzeptverfahren
sind, mit einem Wohnraum­anbieter – häu-        vergeben, mit besonderen Anforderungen
fig kommunale Wohnungsunternehmen               an Wohnvielfalt und Quartiersbezug.

                                                                                              19
1 Das Modellprogramm

     1.3.3 Finanzierung
     Etliche Modellprojekte nutzten Mittel des
     öffentlich geförderten Wohnungsbaus und/
     oder kalkulierten in engen Preisgrenzen,
     um bezahlbaren Wohnraum auch für untere
     und mittlere Einkommensgruppen bereit-
     zustellen. Einige Modellprojekte konnten
     auch Gruppenwohnungen mit Mitteln des
     öffentlich geförderten Wohnungsbaus
     finanzieren. Eine solche Förderung erhiel-      Modellprojekten, die genossenschaftliches
     ten bspw. die Projekte der Träger Vitopia eG    Eigentum mit Wohneigentum kombinierten,
     in Magdeburg, HWB – Hofheimer                   wie die Projekte der staTThus eG, der
     Wohnungs­bau GmbH sowie LebensRaum              Gemeinde Ursensollen und des Vereins
     Hildesheim e.V.                                 Wohngemeinschaften in Nahdran, Mittendrin
                                                     e.V., diente die Schaffung von Wohneigentum
     Weiterhin nutzten viele der Modellprojekte
                                                     u. a. als Finanzierungsinstrument, um den
     die Programme der Kredit­anstalt für
                                                     erforderlichen Eigenkapitalanteil zur Auf-
     Wieder­aufbau (KfW) „Energie­effizient
                                                     nahme von Krediten aufzubringen. Weiterhin
     bauen“ (153 und 431, Zuschuss Baubeglei-
                                                     nutzten Modellvorhaben Mittel aus der
     tung), „Energieeffizient sanieren“ (151, 152)
                                                     Städtebauförderung (z. B. das Projekt der Bre-
     und „Erneuerbare Energien Premium“
                                                     mer Heimstiftung Mittel aus dem Programm
     (271/281, 272/282) mit zinsgünstigen
                                                     „Soziale Stadt“) und dem Denkmalschutz
     Darlehen und Tilgungszuschüssen.
                                                     (z. B. Gesellschaftshaus Greifswald). Zur
     Auch Mittel aus anderen Landesprogram-          Finanzierung des Quartiers­managements
     men wurden abgerufen, wie z. B. von der         wurden von mehreren Modellprojekten
     Spiegelfabrik Fürth GbR aus dem Programm        Stiftungsmittel (z. B. Hermann-Reemtsma-
     „Zukunftsinitiative Sozialgenossenschaften“     Stiftung, Stiftung Deutsche Klassenlotterie
     oder von der Wohnungsbaugenossenschaft          Berlin, Skala-Stiftung, Stiftung Deutsches
     Hofgeismar eG aus dem Programm „Aktive          Hilfswerk) eingeworben. Finanzierungsinst-
     Kernbereiche in Hessen“. Das Projekt der        rumente waren außerdem Stiftungsdarlehen,
     Wohnungsgenossenschaft Froh2Wo eG               z. B. der Stiftung trias, sowie Direktkredite.
     erhielt eine Anschubförderung vom Minis-        Zu einem erheblichen Teil über Spenden
     terium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und     finanziert wurde das Projekt „FESTLAND –
     Demografie Rheinland-Pfalz sowie eine           das Leuchtfeuer-Wohn­projekt für chronisch
     Moderationsförderung vom Ministerium der        kranke Menschen“, dessen Initiatorin
     Finanzen Rheinland-Pfalz.                       Hamburg Leuchtfeuer über langjährige
                                                     Erfahrungen im Fundraising verfügt.

20
1.3.4 Konzepte
Jedes Modellprojekt ist einzigartig und         STRAZE“ in Greifswald zwei Projekte,
konzeptionell auf den lokalen Kontext           bei denen der Aufbau eines Kultur- und
abgestimmt, in dem es entwickelt wurde.         Begegnungs­zentrums im Fokus steht und
So waren Projekte in ländlichen Räumen          das gemeinschaftliche Wohnen einen
häufig auf eine Stärkung der Ortskerne und      ergänzenden Baustein bildet.
mithin der lokalen Infrastruktur, z. B. durch
                                                Dimension 2:
die Kombination neuer Wohn-Pflege-For-
                                                Wohnen in sorgenden Gemeinschaften
men mit Nachbarschaftstreffs/-cafés und
niedrigschwelligen Hilfsangeboten, ausge-       Gemeinschaftliches Wohnen stiftet soziale
richtet. In Kommunen mit angespanntem           Kontakte und damit einhergehend Fürsor-
Wohnungsmarkt zielten viele Initiativen         gestrukturen jenseits der Familie. Damit
darauf ab Wohnangebote für Zielgruppen          werden individuelle Unterstützungsbedarfe
zu integrieren, die systematisch am Woh-        aufgefangen, für die keine oder nur bedingt
nungsmarkt benachteiligt werden und für         professionelle Dienstleistungen zur Verfü-
die insgesamt zu wenig bedarfsgerechter         gung stehen. Niedrigschwellige Hilfen im
Wohnraum zur Verfügung steht (z. B. junge       Alltag wie z. B. Unterstützung bei Einkäufen
Familien oder Menschen mit Pflege- und/          oder Arztbesuchen sind, neben anderen
oder Unterstützungsbedarf).                     Faktoren, eine wichtige Voraussetzung
                                                für eine selbstständige Lebensführung im
Die Projekte im Modellprogramm weisen
                                                Alter und bei Unterstützungsbedarf. Die
die folgenden vier Qualitäts- und Nachhal-
                                                selbstverständliche Unterstützung unter
tigkeitsdimensionen auf, wobei viele Initia-
                                                Nachbarinnen und Nachbarn im Gemein-
tiven mehrdimensional aufgestellt sind.
                                                schaftlichen Wohnen stärkt die selbst-
Dimension 1:                                    ständige Lebensführung von Menschen im
Begegnungsräume für Quartiere                   Alter und mit Unterstützungsbedarf, erhöht
                                                die Lebensqualität in häuslichen Pflege-
Modellprojekte schaffen öffentliche Räume
                                                arrangements und trägt zur Entlastung
für politisches und soziales Engagement,
                                                sorgender Angehöriger bei.
für Kultur und Kunst. Dabei erhalten sie
auch historische Gebäudesubstanz. Im            Dimension 3:
Modellprogramm befanden sich insgesamt          Gemeinschaftliches Wohnen plus
sechs Modellprojekte, die denkmalge-
                                                Neue Wohnformen, die das Gemein-
schützte Gebäude sanierten, darunter
                                                schaftliche Wohnen mit plus-Bausteinen
mit den Projekten „Zwei Flügel: Wohnen
                                                der Versorgung, Pflege, Teilhabe und
und Kultur unter einem Dach“ in Hameln
                                                Beratung verbinden, schaffen Angebote,
und dem „Kultur- und Gesellschaftshaus
                                                die über das bloße Wohnen hinaus­

                                                                                               21
1 Das Modellprogramm

     Abb. 2 Gemeinschaftliches Wohnen plus

                                Gästewohnung

                  Gemeinschaftsküche
                                                             Pflegewohnung auf Zeit
              Gemeinschaftsräume
                                                                  Wohngruppen
            Sharing­economy
                                                                       Beratungsstellen
             Werkstatt
                           · mit und ohne                                  Nachbarschaftstreff/­café
            Bibliothek       Behinderung
                           · bei Hilfs-, Pflege- und                        Quartiersbüro
                             Betreuungsbedarf
                           · aktiv, selbstbestimmt,                        ambulant betreute WG
                             nachbarschaftlich
                                                                           Tagespflege

                                                                   Nachbarschaftshilfe

     gehen und die Quartiere, in denen sie                 blaue Haus verkörpert dabei das klassische
     entstehen, auch infrastrukturell aufwerten.           Gemeinschaftliche Wohnen, in dem Gemein-
     Indem (plus-)Angebote, wie bspw. eine                 schaftsbereiche und Gemeinschaftsgüter
     Tagespflege, eine ambulant betreute                   eine Basis für gemeinschaftliche Aktivitäten
     Wohn-Pflege-Gemeinschaft oder Ser-                    und die gemeinschaftliche Organisation
     vice-Wohnen, in das Gemeinschaftliche                 bilden. Das rote Haus steht für ergänzende
     Wohnen integriert werden, unterstützen                plus-Bausteine, die je nach Projektträger
     Projekte dieses Typus die kommunale                   und Planungsbudget variieren. Kommunale
     Daseinsvorsorge. Auf diese Weise können               Wohnungsunternehmen und große Genos-
     Menschen auch in vulnerablen Phasen des               senschaften planen mit stärkerem Quar-
     Lebens im gemeinschaftlichen Wohnen bzw.              tiersbezug. Ihre Konzepte verbinden häufig
     im angestammten Wohn­umfeld verbleiben.               verschiedene ineinandergreifende Kompo-
     Im Ergebnis entsteht ein gemeinwohlori-               nenten. Kleine Wohnprojektgruppen planen
     entierter Wohnungsbau, von dem die Quar-              – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – eher
     tiere als Ganzes profitieren.2 Abbildung 2            projektbezogen, wie z. B. die Wunschnach-
     zeigt, welche Formen der Kombination von              barn WEG in Köln, die mit einer Co-Housing-
     Gemeinschaftlichem Wohnen mit erweiter-               Etage ein Wohnangebot geschaffen haben,
     ten Angebotsbausteinen im Rahmen des                  das speziell auf die Bedarfe älterer Projekt-
     Modellprogramms umgesetzt wurden. Das                 mitglieder abgestimmt ist.

      Vgl. weiterführend: FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V., Bundesvereinigung 2018:
     2

      Gemeinschaftliches Wohnen plus. Teilhabe, Fürsorge, Pflege, Beratung.

22
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick     stärken und zusätzlich zum Wohnen Versor-
über die Häufigkeit der einzelnen Angebote    gungsangebote schaffen. Darüber hinaus
in den Modellprojekten. Eine Übersicht        ermöglicht die Schaffung barrierefreien und
der Modellprojekte mit plus-Bausteinen        rollstuhlgerechten Wohnraums im Projekt,
befindet sich im Anhang auf Seite 84.         dass Menschen mit Behinderung gemein-
                                              schaftlich in einem sozialen Verbund mit
Tabelle 1: Häufigkeit der plus-Bausteine
                                              Menschen ohne Behinderungen wohnen
 Gemeinschaftliches Wohnen plus               können.
 (insg. in 18 von 34 Modellprojekten)
                                              Beispiele aus dem Modellprogramm sind
 Tagespflege                   6              Projekte, die

 Pflege-WG                     9              ◆   barrierefreie, rollstuhlgerechte und/
 Service-Wohnen                3                  oder ambulant betreute Wohnangebote
                                                  integrieren (z. B. Wohnprojekt Ro 70 eG,
 ehrenamtliche Hilfen          6                  gemeinschaft.sinn wohnprojekt GmbH),
 Beratungsstelle               8              ◆   gender- und kultursensible Wohn- und
 Wohngruppe                    3                  Wohn-Pflege-Angebote schaffen
                                                  (RuT – Rad und Tat Berlin gGmbH,
 Pflege-Wohnen auf Zeit        1
                                                  Schwulenberatung Berlin gGmbH),
 Quartierscafé/                10
 Nachbarschaftstreff
                                              ◆   auch Wohnangebote für Menschen mit
                                                  Fluchterfahrung und/oder Migrations-
Dimension 4:                                      hintergrund schaffen (z. B. Spiegelfabrik
Inklusion und Vielfalt beim Wohnen                Fürth GbR).

Vielfalt beim Wohnen entsteht durch           Dimension 5:
Wohn­­umfelder und Wohnangebote, die          Ökologische Nachhaltigkeit
Vielfalt ermöglichen. Damit Menschen mit
                                              Viele Modellprojekte bauen flächen- und
und ohne Behinderung bzw. Unterstüt-
                                              ressourcenschonend und nutzen neue
zungsbedarf, Alte und Junge, Familien und
                                              Formen der Energiegewinnung. Darüber
Singles sowie Menschen mit unterschied-
                                              hinaus integrieren sie Sharing-Angebote,
licher sozialer und kultureller Herkunft in
                                              z. B. für Werkzeuge, Autos und Fahrräder,
einem Quartier zusammenleben können,
                                              oder bewirtschaften gemeinschaftlich
müssen eine Reihe von räumlichen, techni-
                                              große Gartenflächen. Beispiele sind das
schen und sozialen Voraussetzungen erfüllt
                                              generationenübergreifende Gemeinschafts-
sein. Projekte des Gemeinschaftlichen
                                              wohnprojekt der WohnMichel Gemeinschaft
Wohnens können Vielfalt fördern, indem
                                              GmbH in Michendorf, das die eigene
sie die lokalen Strukturen und Netzwerke
                                              Energieerzeugung und -versorgung durch

                                                                                              23
1 Das Modellprogramm

     ein Blockheizkraftwerk, Solarthermie,                    ökologisch saniert und in Wohnraum umge-
     Photovoltaik, Wärmerückgewinnung und                     wandelt wird sowie, das im Passivhausstan-
     Erdwärmespeicher sichert; das Magde-                     dard und mit Co-Housing-Etage errichtete
     burger Projekt der Vitopia eG, bei dem ein               Kölner Projekt der Wunschnachbarn WEG.
     denkmalgeschütztes Gebäudeensemble

     1.4 Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer:
     Fachveranstaltungen, Publikationen, Ländergespräche
     Den Modellprojekten wurden im Förderzeit-                gramms zum Thema „Gemeinschaftliches
     raum im Rahmen von jährlichen Fachveran-                 Wohnen mit Versorgungssettings“ statt.
     staltungen Möglichkeiten zur Vernetzung, zur             In verschiedenen Formaten tauschten
     Information und zum fachlichen Austausch                 sich Vertreterinnen und Vertreter aus
     mit Expertinnen und Experten geboten.                    den Modellprojekten mit Fachleuten
                                                              aus Politik, Wohnungswirtschaft, von
     Ziel der Auftaktveranstaltung im Juni 2016
                                                              Wohlfahrtsverbänden, Stiftungen,
     in Berlin war es, einen Überblick über die
                                                              Pflegedienstleistern und anderen
     Bandbreite an Fördermöglichkeiten für
                                                              professionellen Akteurinnen und Akteu-
     soziale und zukunftsfähige Wohnformen zu
                                                              ren aus dem Bereich der Altenpflege und
     geben. Zudem diskutierten die Modellpro-
                                                              des Wohnens für ältere Menschen über
     jekte als selbstorganisierte Träger, soziale
                                                              die finanziellen und organisatorischen
     Träger, Wohnungsunternehmen und Kom-
                                                              Herausforderungen der Realisierung
     munen über die Rolle und Erfahrungen mit
                                                              von Projekten des Gemeinschaftlichen
     Kommunen als Kooperationspartner. Tenor
                                                              Wohnens plus aus.3 Im Ergebnis kamen
     der Veranstaltung war, dass Kommunen
                                                              die Teilnehmenden überein, dass es an der
     viel bewegen können, wenn sie sich für den
                                                              Zeit sei, die Förderung gemeinschaftlichen
     Bereich der Neuen Wohnformen öffnen und
                                                              Wohnens breiter aufzustellen. Zudem
     sinnbildlich die ausgestreckten Hände der
                                                              wurde eine gute Beratungs- und Begleit-
     Projektinitiativen ergreifen.
                                                              struktur als zentrale Voraussetzung für die
     Am 07.03.2017 fand in Bremen der erste                   Entstehung und die Nachhaltigkeit Neuer
     Fachworkshop im Rahmen des Modellpro-                    Wohnformen gesehen.

      Dokumentation und Präsentationen zum Fachworkshop stehen auf der Website des Modellprogramms
     3

      zum Download bereit unter URL: http://wohnprogramm.fgw-ev.de/fachinformationen/, (Stand 09.03.2020).
      Weitere Informationen bietet das Serviceportal „Zuhause im Alter“ unter URL: https://www.serviceportal-zu
      hause-im-alter.de/service/aktuellmeldungen/meldungen-aus-dem-jahr-2017/070317-wohnen-mit-
      pflegerischen-hilfen-verbinden.html, (Zugriff 20.03.2020).

24
Die zweite Fachveranstaltung im Rahmen               Zur Abschlusstagung des Modellprogramms
des Modellprogramms fand am 13.11.2018               am 05.11.2019 in Berlin erhielten die
in Weimar zum Thema „Inklusion und                   Modellprojekte noch einmal die Gelegen-
Vielfalt im Wohnen“ statt. Förderprojekte            heit, sich über Projekterfahrungen und
des Modellprogramms „Gemeinschaftlich                -ergebnisse auszutauschen. Vertreterinnen
wohnen, selbstbestimmt leben“ stellten               und Vertreter aus der Sozial-, Pflege- und
ihre Konzepte zur Sicherung der Inklusion            Wohnungswirtschaft sowie aus Politik und
beim Wohnen vor und diskutierten mit                 Wissenschaft konnten sich von dem Inno-
Fachleuten über Herausforderungen der                vationspotential Gemeinschaftlicher Wohn-
Entwicklung und Realisierung inklusiver              formen überzeugen. Die konzeptionelle
Wohnformen. Insgesamt wünschten sich                 Vielfalt der Modellprojekte ließ erahnen,
die Teilnehmenden verbesserte rechtliche             wie vielversprechend für die kommunale
und finanzielle Rahmenbedingungen für die            Entwicklung – insbesondere in Zeiten des
Schaffung ambulant unterstützter Wohn­               demografischen Wandels – eine Förderung
angebote und neuer Wohn-Pflege-Formen.4              Gemeinschaftlicher Wohnformen in der

 Dokumentation und Präsentationen zur Fachtagung stehen auf der Homepage des Modellprogramms zum
4

 Download bereit unter URL: http://wohnprogramm.fgw-ev.de/fachinformationen/, (Stand 09.03.2020).

                                                                                                    25
1 Das Modellprogramm

     Fläche sein kann. Deutlich wurde aber                   Im Rahmen des Modellprogramms
     auch: Projektinitiativen brauchen vielerorts            erschienen neben diversen Beiträgen
     bessere Rahmenbedingungen, um Projekte                  in Zeitungen und Fachzeitschriften
     des Gemeinschaftlichen Wohnens (plus)                   (u. a. wohnbund-Informationen 1/2019,
     zu realisieren.5                                        CAREkonkret 02.11.18, FREIHAUS 09/2018)
                                                             die folgenden Fachpublikationen:
     Neben der Durchführung der Fachveran-
     staltungen knüpfte die Geschäftsstelle des              FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.,
     Modellprogramms Kontakte zu externen                    Bundesvereinigung (Hrsg.) 2019: Inklusion
     Multiplikatoren und Institutionen, um das               und Vielfalt im Gemeinschaftlichen
     Programm und die Projekte bekannter zu                  Wohnen.6
     machen und den Diskussionskreis rund
                                                             FORUM Gemeinschaftliches Wohnen
     um die Förderung und den Ausbau Neuer
                                                             e.V., Bundesvereinigung (Hrsg.) 2018:
     Wohnformen zu erweitern. Dazu gehörte
                                                             Gemeinschaftliches Wohnen plus. Teilhabe,
     unter anderem die Teilnahme an einer
                                                             Fürsorge, Pflege, Beratung.7
     Anhörung der Kommission Gleichwertige
     Lebensverhältnisse zum Thema „Mitgestal-
     tung des Wohn- und Lebensumfeldes“, auf
     Einladung der Facharbeitsgruppe 6 „Teil-
     habe und Zusammenhalt der Gesellschaft“.

     Zudem wurden umfangreiche Fach­
     gespräche mit den Ländern Hamburg,
     Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen,
     Rheinland-Pfalz und Bayern zur jeweiligen
     regionalen Förderkulisse für Neue Wohn-
     formen geführt. Die Ergebnisse dieser
     Fachgespräche sind in die Handlungs-
     empfehlungen dieses Abschlussberichtes
     (Kapitel 3) eingeflossen.

      Vgl. hierzu Kapitel 2 dieser Publikation sowie die Handlungsempfehlungen in Kapitel 3.	 
     5

      Download unter URL:
     6

      http://wohnprogramm.fgw-ev.de/wp-content/uploads/Inklusion-und-Vielfalt_barrierefrei.pdf,
      (Zugriff 20.03.2020).	 
      Download unter URL:
     7

      http://wohnprogramm.fgw-ev.de/wp-content/uploads/FORUM_GW-plus_A4_barrierfereies-Web-PDF_neu.pdf,
      (Zugriff 20.03.2020).	 

26
2 Aus der Projektpraxis für die Projektpraxis

2.1 Was sind die größten Herausforderungen –
und wie sind sie zu meistern?
Ein Ziel der fachlichen Begleitung des        ten Projektgruppen (1), gut strukturierte
Modellprogramms war es, anhand der            Kommunikations- und Beteiligungspro-
Modellprojekte typische Herausforderun-       zesse, insbesondere bei trägerinitiierten
gen im Projektverlauf und erfolgreiche        Projekten im Quartier (2), eine belastbare
Lösungsstrategien aufzuzeigen. Die fol-       Finanz- und Kostenplanung (3).
gende Darstellung fasst die Ergebnisse aus
                                              1. Für selbstorganisierte Projektgruppen
Workshops, Erfahrungsaustauschen, Pro-
                                              ist der soziale Zusammenhalt eine
jektbesuchen und -befragungen im Rahmen
                                              prozessbegleitende Herausforderung,
der Programmdurchführung zusammen.
                                              deren Bewältigung maßgeblich für den
Ungeachtet der individuellen Projektver-      Erfolg oder das Scheitern des Projekts ist.
läufe lassen sich drei zentrale Themenkom-    Ohne den Gruppenzusammenhalt und die
plexe hervorheben, die Vertreterinnen und     gemeinsam getragene Vision des zukünf-
Vertreter aller Modellprojekte                tigen Miteinander-Wohnens lassen sich
als relevant einstufen: der soziale Zusam-    die viele Arbeit sowie die in jedem Projekt
menhalt, insbesondere bei selbstorganisier-   auftauchenden Probleme, Rückschläge und

                                                                                            27
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