INNOVATIONSANALYSE FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE LANDWIRTSCHAFT - SCHWERPUNKT WERTSCHÖPFUNG - erarbeitet durch das Netzwerk Zukunftsraum Land im Auftrag ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
INNOVATIONSANALYSE FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE LANDWIRTSCHAFT - SCHWERPUNKT WERTSCHÖPFUNG erarbeitet durch das Netzwerk Zukunftsraum Land im Auftrag des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus
-2- INHALTSVERZEICHNIS Executive Summary ................................................................................................................................3 Zielsetzung & Aufbau .............................................................................................................................4 Vision 2025 .............................................................................................................................................6 Ausgangslage und Innovationstreiber ....................................................................................................7 Innovationstreiber 1: Der neue Wert von Lebensmitteln ......................................................................................... 8 Innovationstreiber 2: Digitale Vernetzung und Bewirtschaftung .............................................................................. 9 Innovationstreiber 3: Der voranschreitende Klimawandel .................................................................................... 10 Innovationstreiber 4: Globaler Handel mit Lebensmitteln ..................................................................................... 11 SWOT-Analyse der österreichischen Landwirtschaft ..............................................................................12 Innovationsfelder .................................................................................................................................13 Innovationsfeld 1: Neue Formen der Zusammenarbeit ........................................................................................... 14 Innovationsfeld 2: Neue Formen der Bewirtschaftung und Verarbeitung ................................................................ 17 Innovationsfeld 3: Pflanzliche Produkte aus regionalem Anbau ............................................................................ 20 Innovationsfeld 4: Tierische Produkte mit hohem Tierwohl ................................................................................... 22 Prozess & Mitwirkende ........................................................................................................................ 24 Quellenverzeichnis ............................................................................................................................... 25 Abbildungsnachweis .............................................................................................................................27
-3- EXECUTIVE SUMMARY Wie kann die Wertschöpfung in der agra- ten Innovationsfeld „Neue Formen der und Vertriebskonzepte sind gefragt, um rischen Lebensmittelproduktion in Öster- Zusammenarbeit“: Bäuerliche Betriebe insgesamt die Verwertung von pflanzli- reich erhöht werden? Diese Frage steht können ihre Wertschöpfung durch in- chen und tierischen Rohstoffen zu erhö- im Mittelpunkt der Innovationsanalyse, telligente Kooperationen erhöhen, um hen (etwa durch den „Nose to Tail“- welche vom Netzwerk Zukunftsraum voneinander zu lernen (etwa bei der Ansatz junger Köche, die bäuerlichen Land 2017/2018 mittels Methoden der Etablierung neuer Pflanzenkulturen in Produzenten ganze Tiere abnehmen o- qualitativen Sozialforschung der Region; Beispiel Pramoleum) oder der Start-ups wie Unverschwendet.at, (Tiefeninterviews mit Expertinnen und Skaleneffekte in der Produktion und welche überschüssiges Obst und Gemü- Experten, Konsumentinnen und Konsu- Vertrieb zu erreichen. Jedoch auch die se verarbeiten). menten; Analyse von Sekundärdaten) punktgenaue Zusammenarbeit in Part- Ein großes Potenzial für den Anbau durchgeführt wurde. nerschaften außerhalb der Landwirt- alternativer Kulturen besteht im dritten Dabei wurden vier wesentliche Inno- schaft, mit Verarbeitungsbetrieben und Innovationsfeld „Neue pflanzliche Pro- vationstreiber identifiziert, welche einen z.B. Köchinnen und Köche, Fleischerin- dukte aus regionalem Anbau“: Eine große spürbaren Wandel in der agrarischen nen und Fleischer und Tourismusbetrie- Nachfrage nach Rohstoffen als auch ver- Lebensmittelproduktion bewirken. Dies ben (siehe Beispiel KochCampus) und arbeiteten Produkten österreichischer sind (1) der neue Wert, der hochwertigen die dadurch mögliche genaue Ausrich- Herkunft, die derzeit von der Landwirt- Lebensmitteln vor allem für jüngere städ- tung der bäuerlichen Produktion am schaft bei weitem nicht abgedeckt wird tische Konsumentinnen und Konsumen- tatsächlichen Bedarf gewinnt an Bedeu- (hohe Importquoten), besteht bei der ten, inklusive der steigenden Bedeutung tung und wird durch den Einsatz digita- wachsenden Gruppe der Flexitarier, Ve- von vegetarischen und veganen Lebens- ler Technologien massiv erleichtert. getarier und Veganer, etwa hinsichtlich stilen, (2) digitale Möglichkeiten der di- Eine große Neuerung bringen digitale Eiweißquellen wie Hülsenfrüchten und rekten Vernetzung zwischen Akteurinnen Kanäle in der direkten Kommunikation Nüssen, also auch bei Gemüse generell und Akteuren sowie digitale Bewirt- mit Konsumentinnen und Konsumen- und bei Fleischersatzprodukten (etwa schaftungsformen, (3) der voranschrei- ten, weil die hohe Qualität bäuerlicher Pilze). Das eröffnet landwirtschaftlichen tende Klimawandel, der Anpassungsstra- Produkte unmittelbar transportiert und Betrieben die Chance, höhere Wert- tegien als auch klimaschonende Produkti- dadurch höhere Preise erzielt werden schöpfung durch das Füllen dieser Ange- onsweisen erfordert und (4) der globale können. Online-Marktplätze in vielfälti- botslücken mit regionalen Produkten zu Handel mit Lebensmitteln. ger Gestalt schaffen Wert auf beiden erzielen. Seiten, im bäuerlichen Betrieb und bei Diese Druckpunkte erfordern neue Großes, vielfach ungenütztes Potenzi- den zunehmend auf regionale Qualität Antworten, die jedoch nicht nur allein in al besteht weiters bei „tierischen Produk- und gesicherte Herkunft setzende Kon- klassischen Produkt- und Prozessinnovati- ten mit hohem Tierwohl“, dem vierten sumentinnen und Konsumenten und onen bestehen, wie es sie in der Land- Innovationsfeld: Auf dem Markt werden verbinden Stadt und Land. wirtschaft seit langem gibt: Organisatori- immer stärker Milch- und Fleischproduk- sche Innovationen und neuartige Bewirt- Die Glaubwürdigkeit bei den Konsu- te nachgefragt, die ein hohes Tierwohl schaftungsformen gewinnen massiv an mentinnen und Konsumenten zu stär- bei Haltung und Schlachtung garantie- Stellenwert. Mehr Wertschöpfung kann ken und gleichzeitig selbst als Betrieb ren. Gelingt es, etwa durch den Einsatz in zunehmendem Maße durch systemi- einen Beitrag zu leisten: Darum geht es digitaler Technologien (Precision und sche Vernetzung generiert werden – in- im Innovationsfeld „Neue Formen der Smart Farming, ein Beispiel ist das Her- nerhalb der Landwirtschaft, aber auch Bewirtschaftung und Verarbeitung“. Das denmanagement des Start-ups Smart- über den Tellerrand hinaus. Wertschöp- steigende Bewusstsein für Lebens- bow), diese hohen Standards kosteneffi- fung entsteht immer weniger linear, son- mittelverschwendung, Klimawandel und zient umzusetzen und die zusätzliche dern in dynamischen Wertschöpfungs- den Verlust der Biodiversität, um nur Qualität für den Konsumentinnen und netzwerken und neuartigen Konstellatio- einige Ressourcen-relevante Dimensio- Konsumenten transparent zu machen, nen. nen zu nennen, eröffnet neue Märkte kann ein zunehmend an Bedeutung ge- (ein Beispiel sind „Reine Lungau“- winnender Markt bedient werden. Eines der größten Potenziale liegt Milchprodukte). Innovative Marketing- dementsprechend im ersten identifizier-
-4- Innovationsanalyse für die österreichische Landwirtschaft ZIELSETZUNG & AUFBAU Die Landwirtschaft erfüllt eine Vielzahl Antworten des Landwirtschaftssektors. Das übergeordnete Ziel ist die Erhaltung wichtiger Funktionen: Sie versorgt die Die künftige Wettbewerbsfähigkeit der und Unterstützung landwirtschaftlicher Bevölkerung mit wertvollen Lebens- österreichischen Landwirtschaft wird (Familien-) Betriebe, die Sicherung der mitteln, schafft Arbeitsplätze – auch in maßgeblich davon bestimmt, wie diese flächendeckenden und nachhaltigen vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbe- Herausforderungen in Zukunft adres- Landbewirtschaftung sowie die Steige- reichen – und trägt wesentlich zur Pflege siert werden. rung des Selbstversorgungsgrades und der Kulturlandschaft und zum Erhalt der die Versorgung der Bevölkerung mit qua- Gleichzeitig eröffnen Veränderungen Natur bei, um nur einige Beispiele zu litativ hochwertigen Lebensmitteln. am Markt und moderne Kommunikati- nennen. Was Landwirtinnen und Land- ons- und Informationstechnologien Die Innovationsanalyse soll den rele- wirte in ihrer täglichen Arbeit tun, beein- neue Möglichkeiten der Zusammenar- vanten Akteurinnen und Akteuren flusst die gesamte Gesellschaft und Um- beit, der Arbeitsteilung und des Dialogs, (Landwirtinnen und Landwirten, Berate- welt. Daraus ergibt sich eine enorme insbesondere mit Konsumentinnen und rinnen und Beratern, Kooperationspart- gesamtgesellschaftliche Verantwortung Konsumenten. Diese Chancen müssen nerinnen und -partnern entlang der der Landwirtschaft. von der Landwirtschaft erkannt und Wertschöpfungskette) eine Orientierung Umso wichtiger werden neue Formen genutzt werden. für zukünftige Entscheidungen geben. der Wertschöpfung. Technologischer Zielsetzung dieser Innovationsanaly- Mithilfe der Analyse soll innovatives Den- Fortschritt, Klimawandel, demografische se für die österreichische Landwirt- ken und Handeln in der Landwirtschaft Entwicklungen der Gesellschaft und da- schaft ist es daher, Potenziale für mehr unterstützt und im Rahmen des Pro- mit einhergehende Veränderungen am Wertschöpfungssteigerung in der öster- gramms für Ländliche Entwicklung 14-20 Markt, erfordern dringend innovative reichischen Landwirtschaft aufzuzeigen. gezielt gefördert werden. Auszug aus dem Regierungsprogramm 2017 – 2022: Zusammen. Für Österreich. „Das Schicksal unserer Heimat ist eng mit unserer Landwirtschaft verbunden. Öster- reich kann nur frei sein, wenn seine Landwirtschaft imstande ist, die Bevölkerung mit einem Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Wir bekennen uns zu einer bäuerlichen und dezentral strukturierten Landwirtschaft abseits von Agrarfabriken.“
-5- Aufbau der Innovationsanalyse Warum braucht es mehr Innovation in der österreichischen Landwirtschaft? 1 → AUSGANGSLAGE & INNOVATIONSTREIBER (S. 7- 12) Wo ergeben sich Ansatzpunkte für mehr 2 Innovation in der Landwirtschaft? → INNOVATIONSFELDER (S. 13 - 23)
-6- Mehr Wertschöpfung in der österreichischen Landwirtschaft: VISION 2025 2025 ist Österreichs Landwirtschaft in- das Bewusstsein für ihre vielfältigen Landwirtinnen und Landwirte arbeiten ternationales Vorbild für eine nachhalti- Leistungen von der Urproduktion über gemeinsam mit den Akteurinnen und ge kleinstrukturierte Landwirtschaft und Naturschutz bis hin zur Landschafts- Akteuren entlang der Wertschöpfungs- Lebensmittelproduktion, die hohe Wert- pflege. Die Gesellschaft hat den Mehr- kette in lebendigen, betriebs-, sparten- schöpfung in den Regionen generiert wert dieser Leistungen erkannt. Diese und sektorenübergreifend Netzwerken und somit eine gute Einkommensgrund- haben einen Marktpreis und ein Teil zusammen. Arbeitsteilige Aufgabenerle- lage für die landwirtschaftlichen der Konsumentinnen und Konsumen- digung sowie eine gemeinsame Nutzung (Familien-) Betriebe schafft. Durch eine ten sind bereit, diesen zu bezahlen. von Ressourcen bzw. Kapazitäten ermög- wettbewerbsfähige österreichische lichen Entlastung bzw. Freiräume für an- Landwirtschaft können bäuerliche Be- dere Aktivitäten. Gezielte Kooperationen triebe im Voll- und Nebenerwerb tätig Die hohe Nachfrage der Konsumentin- erhöhen außerdem die Transparenz, sein und die Ernährungssicherheit für nen und Konsumenten nach regionalen Offenheit und Flexibilität – und somit Österreich ist langfristig gegeben. und nachhaltigen Lebensmitteln hat insgesamt die Handlungsfähigkeit der neue Produktions-, Verarbeitungs- und landwirtschaftlichen Betriebe. Vermarktungswege, insbesondere in 2025 haben Landwirtinnen und Land- Nischen- und Spezialsegmenten, eröff- Durch enge Zusammenarbeit insbeson- wirte den Brückenschlag zwischen Digi- net. Die Landwirtschaft ist wesentlicher dere in den Regionen, z.B. mit Gemein- talisierung und Tradition gemeistert Teil der Wertschöpfungskette geworden den, Wirtschaftstreibenden und Endver- und nutzen neue digitale Technologien und nimmt diese Rolle auch aktiv wahr, braucherinnen und -verbrauchern, wer- systematisch und zielgerichtet zur Ar- daraus ergibt sich auch eine gewisse den neue Arbeitsplätze auf den Betrie- Resilienz gegen Preisschwankungen auf ben, aber auch in vor- und nachgelager- beitserleichterung, nachhaltigen, effi- den Weltmärkten. ten Bereichen geschaffen und der ge- zienten Flächenbewirtschaftung, Ver- samte ländliche Raum somit belebt. netzung und Kommunikation für mehr Unternehmergeist und innovatives Den- Wertschöpfung. Der Weg von Lebens- ken sind im Jahr 2025 in den bäuerlichen mitteln vom Feld bis auf den Teller ist Politik und Verwaltung fördern und for- Betrieben in Österreich fest verankert. für Konsumentinnen und Konsumen- dern durch optimale Rahmenbedingun- Die Landwirtschaft bietet vielfältige Be- ten einfach und transparent nachvoll- tätigungsfelder von der Lebensmittelpro- gen Interaktion und gemeinsames Expe- ziehbar. Produktion und Konsum sind duktion und -verarbeitung über die Ent- rimentieren in der Landwirtschaft, um dadurch wieder näher zusammenge- wicklung neuer Produkte bis hin zu Ver- Herausforderungen anzugehen und neu- rückt. Durch den laufenden Dialog mit marktung und Kommunikation. Sie ist artige, bessere Lösungen zu entwickeln, Konsumentinnen und Konsumenten daher ein attraktives Berufsfeld für die sowohl positiv für die einzelnen Be- produzieren Landwirtinnen und Land- Übernehmerinnen und Übernehmer, triebe, aber auch dem ländlichen Raum wirte entsprechend den tatsächlichen aber auch für zahlreiche Quereinsteige- und der gesamten Gesellschaft sind. Bedürfnissen und fördern gleichzeitig rinnen und -einsteiger.
-7- Warum braucht es mehr Innovation in der österreichischen Landwirtschaft? AUSGANGSLAGE UND INNOVATIONSTREIBER vationskultur unter den Akteurinnen und Die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft haben sich in den letzten Jahr- Akteuren. Eine Studie des WIFO aus zehnten durch die Globalisierung und andere wirtschaftliche und gesellschaftliche 2017, bei der rund 500 österreichische Entwicklungen grundlegend verändert. Das hat Implikationen für den landwirt- Landwirtinnen und Landwirten befragt schaftlichen Sektor in Bezug darauf, wie Wertschöpfung erfolgt. wurden, hat ergeben, dass die Zahl der Betriebe, die im Untersuchungszeitraum neue Produkte, Dienstleistungen oder Es gibt zumindest zwei Wege für die Er- potenziale für landwirtschaftliche Be- Prozesse eingeführt haben, derzeit noch höhung der Wertschöpfung in der Land- triebe, die dazu beitragen, die Wettbe- relativ gering ist. Hauptgrund ist u.a. Risi- wirtschaft: Die bekannte Strategie, durch werbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des koaversion von Seiten der Landwirtinnen eine Betriebsvergrößerung (Skalen- gesamten Sektors langfristig zu erhö- und Landwirte. Die Angst vor Experimen- effekte) und Prozessoptimierung hen. ten und Projekten mit unsicherem Aus- (Effizienzsteigerung) die Produktionskos- Im Rahmen der Analyse wurden vier gang, insbesondere wenn diese mit ten zu senken oder sogar Kostenführer- wesentliche Innovationstreiber identifi- (langfristigen) Investitionen verbunden schaft anzustreben, eröffnet neue Mög- ziert, die den Sektor beeinflussen und sind, ist sehr hoch, denn die Absicherung lichkeiten für viele landwirtschaftliche künftig noch weiter an Bedeutung ge- der eigenen Lage sowie der Erhalt des Betriebe. Dieser Weg stößt jedoch auch winnen werden: Betriebes für die Familie stehen im Vor- an Grenzen, etwa in Fragen der Lebens- dergund. Je nach Betriebsgröße sind qualität und Gesundheit von bäuerlichen Der neue Wert von auch die Kapazitäten, Neuerungen um- Familien, der Nachhaltigkeit, des Tier- Lebensmitteln zusetzen, limitiert. wohls oder der gesellschaftlichen Akzep- Digitale Vernetzung und Umso wichtiger ist es daher für Land- tanz, um nur einige Beispiele zu nennen. Bewirtschaftung wirtinnen und Landwirte, neuartige Ko- Deshalb rückt der zweite Zugang, Der voranschreitende operationen einzugehen und Synergien Wertschöpfung durch Innovation zu Klimawandel aufzubauen, um neue Wertschöpfungs- schaffen, immer stärker in den Mittel- potenziale zu realisieren. Vielfach ist die Globaler Handel mit punkt: Landwirtschaftliche Betriebe su- Skepsis jedoch noch groß, da Wissen und Lebensmitteln chen vermehrt nach neuartigen Möglich- Kompetenzen zur Zusammenarbeit feh- keiten, auch mit begrenzten Ressourcen Entscheidend ist die Frage, wie es der len. Generell braucht es einen Kultur- (Grund und Boden, Klima, Arbeitskräfte) Landwirtschaft gelingen kann, diese wandel hin zu mehr Offenheit gegenüber ihre Höfe nicht nur überlebensfähig zu Veränderungen als Chancen für Innova- Innovationsaktivitäten. halten, sondern weiterzuentwickeln und tion und Wertschöpfung zu nutzen. Wert zu generieren—materiell wie ideell. Eine Grundvoraussetzung dafür ist die Die Innovationsanalyse fokussiert sich Förderung und Etablierung einer Inno- daher auf neuartige Innovations-
-8- Innovationstreiber 1: DER NEUE WERT VON LEBENSMITTELN und Konsumenten. Bäuerliche Lebens- Wir essen nicht mehr, um satt zu werden. Wir essen, weil Essen Teil unseres Life- mittel werden wieder vermehrt auf styles ist. Selten zuvor wurde so viel darüber gesprochen, was und wo gekauft, Märkten oder direkt ab Hof gekauft. Be- zubereitet, verzehrt und genossen wird. Für viele ist Essen in den letzten Jahren reits etablierte Zustelldienste, z.B. in zum regelrechten Statussymbol geworden. Form eines Biokistls, verzeichnen weiter- hin Zuwächse. Die Sensibilität für das Thema ist sogar so hoch, dass Konsu- Der Stellenwert von Essen und Ernäh- Die Ausgaben für Lebensmittel steigen, mentinnen und Konsumenten vermehrt rung in der Gesellschaft ist aktuell hoch: bemerkenswert ist auch, dass der Au- eine aktive und gestaltende Rolle im Sys- In den Gründer-Mekkas dieser Welt tum- ßerhaus-Verzehr in Cafés und Restau- tem einnehmen wollen wie z.B. im Rah- meln sich Food-Start-ups, die das Thema rants zunimmt. men einer Foodcoop (= ein Zusammen- Essen bzw. Lebensmittel adressieren. Die Ein Faktor, der die Kaufentscheidung schluss von Privatpersonen zum gemein- Bandbreite reicht von Apps rund um das immer stärker beeinflusst, ist die Her- samen Einkaufen von Lebensmitteln). Thema Ernährung über Bestell- und Lie- kunft der Lebensmittel. Obwohl im Su- Produktion und Konsum rücken wie- ferservices bis hin zu neuen Verarbei- permarkt mittlerweile Produkte aus der näher zusammen und das gesell- tungstechnologien für Lebensmittel. Lau- aller Welt gekauft werden können, liegt schaftliche Interesse für die Landwirt- fend entstehen neue Food-Trends, Regionalität beim Essen im Trend. Kon- schaft steigt. Verbraucherinnen und Ver- Kochshows boomen und Kochbücher und sumentinnen und Konsumenten greifen braucher interessieren sich für Lebens- Ernährungsratgeber gehören zu den immer öfter und vor allem lieber zu mittel und die Landwirtschaft. Bäuerliche Beststellern im Buchhandel. heimischen bzw. regionalen Produkten. Betriebe können davon profitieren, Die Konsumentinnen und Konsumen- Laut der RollAMA Motivanalyse wenn sie es schaffen, richtig auf die ten sind besser informiert als jemals zu- 2016 ist Herkunft aus Österreich bei Wünsche und Bedürfnisse der Konsu- vor in der Geschichte der Menschheit. rund 40% aller Personen das wichtigste mentinnen und Konsumenten einzuge- Sie wissen über individuelle Allergien und Kriterium beim Einkauf von Lebens- hen und Mehrwert für diese zu schaffen. Unverträglichkeiten genau Bescheid. mitteln. Gründe dafür sind, neben Fri- Nicht nur Inhalts- und Nährstoffe von sche und Qualität, die Stärkung der hei- Lebensmitteln sind für sie wichtig, son- mischen Landwirtschaft und kurze Agrarkooperativen in Österreich dern auch die Produktionsweise. Was, Transportwege. Aber auch Vertrauen wo und wie zubereitet und genossen und Sicherheit spielen eine große Rolle wird, ist wichtiger Teil des Lifestyles. - Ca. 60 Foodcoops bei der Entscheidung für regionale Pro- Nicht zufällig schwirren Millionen Fotos dukte. - Ca. 25 landwirtschaftliche Betrie- von Essen durch die Sozialen Netzwerke. Durch dieses neue Bewusstsein für Re- be, die nach Community Supported Erhebungen der Statistik Austria bestäti- gionalität ändern sich zum Teil auch die Agriculture-Prinzipien (CSA) wirt- gen den neuen Stellenwert von Essen: Bezugsquellen der Konsumentinnen schaften
-9- Innovationstreiber 2: DIGITALE VERNETZUNG UND BEWIRTSCHAFTUNG Vermarktungsmöglichkeiten im Aus- Die digitale Transformation ist nicht wegzudiskutieren. Intelligent eingesetzt tausch mit Konsumentinnen und Konsu- kann sie als Chance genutzt werden, von der die Landwirtinnen und Landwirte, menten, Gastronomie, Hotellerie und die verarbeitenden und vermarktenden Betriebe und nicht zuletzt die Konsu- Gemeinschaftsverpflegung werden durch mentinnen und Konsumenten profitieren. digitale Transformation ermöglicht und von den Digital Natives schlichtweg er- wartet. Auch dem Wunsch der Verbrau- cherinnen und Verbraucher nach mehr Die Anzahl derer, die mit Digitalisierung wirtschaft 4.0 bekannt) geht noch einen Transparenz kann auf intelligente Art selbstverständlich umgehen und deren Schritt weiter: Durch die Vernetzung und Weise nachgekommen werden. Her- Lebensrealität ohne die digitale Welt der Daten werden nicht mehr nur Ma- kunft und Herstellungsweise wird durch nicht funktioniert, sogenannte Digital schinen, sondern der gesamte Hof ein- digitale Instrumente nachvollziehbar. Natives, nimmt zu. 2025 werden durch- bezogen. Unter anderem können ge- Aktuell ist der Einsatz von intelligen- schnittlich mehr als 50 % der Österrei- samte Arbeitsabläufe (z.B. Fütterung) ten und vernetzten Digitalisierungstools, cherinnen und Österreicher Digital Nati- automatisiert werden und auch Her- gemessen am hohen Potenzial auf Öster- ves sein. Damit steigt auch der Anteil an denmanagement wird möglich. Daten reichs landwirtschaftlichen Betrieben, Landwirtinnen und Landwirten, für die wie Fressverhalten und Bewegungspro- stark ausbaufähig. der Einsatz von digitalen Technologien file werden gesammelt, welche eine und Konzepten wie z.B. Precision und zuverlässige Ableitung des Wohlbefin- Smart Farming Normalität sein wird. dens des Tieres zulassen. Auf Stress, Erkrankungen etc. kann dadurch früh- Smart Farming in Österreich Schon heute findet Precision Farming (Präzisionslandwirtschaft) und die daraus zeitig und gezielt reagiert werden. resultierende Nutzung relevanter Infor- Sowohl Precision als auch Smart - 6% der Landwirtinnen und Landwirte mationen (z.B. Wetterdaten und Satelli- Farming bergen großes Innovationspo- nutzen Precision Farming-Systeme ten- und Luftbilder), um die Bewirt- tenzial, weil sie bei professionellem Ein- - Auf 3 % der Betrieben 50 ha Acker- Einzug in den landwirtschaftlichen Alltag. censchonenderen Produktion von Le- fläche werden Precision Farming- Kein Feld oder Wiese ist einheitlich in bensmittel beitragen und gleichzeitig Systeme Bezug auf Bodenbeschaffenheit, Nähr- langfristig Kosten senken können. - 13% aller Ackerflächen werden mit stoffgehalt und Pflanzenbestand. Daten- Darüber hinaus bilden sich durch die GPS-gesteuerter Technologie bewirt- gestützt können Landwirtinnen und digitale Transformation neuartige Netz- schaftet Landwirte beispielsweise entscheiden, werke, welche den Dialog und die Zu- welche Felder wie gedüngt werden, so- - Haupteinsatzgebiete sind Saat-, Dün- sammenarbeit zwischen den unter- gar eine punktgenaue Düngung ist so ge– oder Pflanzenschutzkarten (ca. schiedlichen Akteurinnen und Akteuren möglich. Smart Farming (auch als Land- 41%) und Parallelfahreinrichtungen erleichtern. Innovative Vertriebs- und (23%)
- 10 - Innovationstreiber 3: DER VORANSCHREITENDE KLIMAWANDEL auch zum Klimawandel bei, insbesondere Die Landwirtschaft steht in Bezug auf Klimawandel gleich vor einer doppelten durch die Emission von Methan und Herausforderung: Einerseits ist sie selbst stark von den veränderten Klimabedin- Lachgas, die v.a. bei der Tierzucht entste- gungen (z.B. Ernteausfälle durch Frost) betroffen, andererseits trägt sie durch die hen. Methan hat im Vergleich zu CO2 Emission klimaschädlicher Gase auch zum Klimawandel bei. eine 21-fache Treibhauswirkung, Lachgas sogar eine knapp 300-fache Wirkung. Insgesamt sind 10% aller klimaschädli- Die Auswirkungen des vom Menschen an die sich verändernden Umweltbedin- chen Treibhausgase (THG), die Öster- verursachten Klimawandels auf die Land- gungen ist daher dringend erforderlich. reich 2016 emittiert hat, der Landwirt- wirtschaft sind zahlreich und mitunter Denn die Auswirkungen des Klimawan- schaft zuzuordnen. Die Zielsetzung des folgenschwer: Zunehmende Extrem- dels sind nicht nur ökologisch, sondern EU Klima- und Energiepakets sieht vor, wetterereignisse und eine Verschiebung durch Ernteausfälle und steigenden dass Österreich bis 2030 seine gesamten der Vegetationsperioden führen zu enor- Ressourceneinsatz vor allem auch öko- THG-Emissionen um mindestens 40% (im men Frost-, Hagel- und Starkregenschä- nomisch von hoher Relevanz für die Vergleich zu 1990) senkt. Im Interesse den. Allein im Jahr 2017 beliefen sich die Landwirtinnen und Landwirte und die der Gesamtgesellschaft und zum nach- Frostschäden der österreichischen Land- gesamte Volkswirtschaft. Umgekehrt haltigen Erhalt der Arbeitsgrundlage des wirtschaft auf ca. 70 Millionen Euro. könnten einige Betriebe— je nach Regi- Sektors wird es notwendig sein, langfris- Auch die durch den Klimawandel entste- on— das veränderte Klima für den An- tig auf klimafreundlichere und ressour- henden höheren Temperaturen und ver- bau und Verarbeitung neuer Sorten und censchonendere Bewirtschaftungsme- änderte Niederschlagsmuster, also: weni- Produkte nutzen. thoden umzustellen, um einen wesentli- ger Regen, schmälern den Ernteertrag chen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels Die Landwirtschaft selbst trägt aber wesentlich und erhöhen die Wahrschein- zu leisten. lichkeit kurzfristiger Ernteausfälle und langfristiger Produktionsrückgänge. Zu- Quelle: Umweltbundesamt Anteil THG-Emissionen 2016 nehmende Hitzeperioden führen außer- dem zu Problemen wie z.B. Wasser- knappheit, Hitzestress für Tiere, verstärk- tes Unkrautwachstum und Schädlingsbe- fall, insbesondere durch gebietsfremde Arten (Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroor- ganismen), sogenannten Neobiota. Ein höherer Ressourceneinsatz ist die Folge. Fest steht: Die bäuerlichen Betriebe werden sich auf zunehmend schwieriger werdende klimatische Rahmenbedingun- gen einstellen müssen. Eine Anpassung
- 11 - Innovationstreiber 4: GLOBALER HANDEL MIT LEBENSMITTELN Relativ gering ist die Selbstversor- Die Landwirtschaft ist durch die offenen Märkte längst ein globales Geschäft ge- gungsquote in Österreich jedoch insbe- worden. Dies eröffnet neue Wertschöpfungschancen, jedoch setzen große Kon- sondere bei Obst, Gemüse, Kaffee, Tee kurrenz und billige Preise am Weltmarkt die heimische Landwirtschaft zuneh- und Fisch. mend unter Druck. Generell hat sich durch den globalen Lebensmittelhandel das Sortiment im Die fortschreitende Globalisierung macht und Produzenten, die durch niedrige Supermarkt grundlegend verändert. Gab auch vor der Landwirtschaft nicht Halt. Preise zunehmend unter Druck geraten. es bestimmte Lebensmittel nur in der Produkte müssen mittlerweile internatio- Prominentes Negativbeispiel der Volati- Saison, z.B. in den wärmeren Monaten nal wettbewerbsfähig sein. Aktuell kann lität offener Agrarmärkte ist die Ent- des Jahres, sind frische Erdbeeren, Spar- die österreichische Landwirtschaft auf wicklung des Milchpreises. Aufgrund gel und Tomaten mitten im Winter heute den Weltmarkt nicht mehr verzichten: der beständigen Überproduktion im zu einer Selbstverständlichkeit für Kon- Zum einen werden viele agrarische Pro- europäischen Raum sinkt der Preis für sumentinnen und Konsumenten gewor- dukte und Lebensmittel exportiert, zum einen Liter Milch stetig. Diese Entwick- den. Das bedeutet aber auch, dass diese anderen ist Österreich stark auf impor- lung wirkt sich gerade auf kleinere und Waren zwangsläufig aus dem Ausland tierte Rohstoffe und Produkte angewie- mittlere Betriebe existenzbedrohend importiert werden müssen und ein gro- sen. Die Importe überstiegen 2016 den aus. Seit dem EU-Beitritt (1995) hat sich ßer Teil der Wertschöpfung ins Ausland Wert der Exporte um 1,01 Mrd. EUR. Zahl der Milchviehbetriebe innerhalb geht. Darüber hinaus haben Lebens- von 10 Jahren um mehr als die Hälfte mittel oftmals lange Transportwege hin- Fest steht, der internationale Handel reduziert, von ca. 78.000 auf rd. 31.000 ter sich, bis sie in Österreich ankommen, mit Lebensmitteln boomt – oftmals zum Betriebe (2015). was die Umwelt bzw. das Klima erheblich Nachteil der heimischen Produzentinnen belasten. Quelle: Statistik Austria
- 12 - SWOT-ANALYSE der österreichischen Landwirtschaft in Hinblick auf Wertschöpfung durch Innovation Stärken Schwächen - Besitz von Grund und Boden, welcher bewirt- - Hohe Abhängigkeit von Weltmarktpreisen schaftet werden kann - Konzentrierter Lebensmitteleinzelhandel - Agile landwirtschaftliche Betriebe - Relativ geringe Wertschöpfungstiefe bei einem - Landwirtschaftliche Lebensmittel weisen im Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe EU-Vergleich hohe Qualität auf - Fehlende nachhaltige Klimaanpassungsstrategien - Konsumentinnen und Konsumenten vertrauen auf einzelbetrieblicher Ebene auf die Qualität der österreichischen Lebensmittel - Fehlende nachhaltige Entrepreneurship Education - Verfügbare Beratung und Aus- und Weiterbildung bei den Landwirtinnen und Landwirten der Landwirtinnen und Landwirte, auch in Hinblick - Fehlende Orientierung an heutigen bzw. künftigen auf Innovation Marktbedürfnissen - Geringes Durchschnittsalter der österreichischen - Wenig Verbindung zwischen Landwirtschaft und Landwirtinnen und Landwirte Konsumentinnen und Konsumenten Chancen Herausforderungen - Vielfältige Möglichkeiten der Diversifizierung - Klimawandel führt u.a. zu einer Zunahme von aufgrund der unterschiedlichen agrarischen Extremwetterereignissen, die sich negativ auf die Gegebenheiten Ernteerträge auswirken - Gut vermarktbare Position der österreichischen - Verschärfung des globalen Wettbewerbs - Landwirtinnen und Landwirten, z.B. familiäre Österreich muss zunehmend gegenüber Lebens- kleine Betriebe und attraktive Landschaft mittelimporten behaupten - Systematische Entwicklung und Nutzung von - Hohe Abhängigkeit vom Lebensmitteleinzelhandel, digitalen Instrumenten für effizienteren hohe Listungsgebühren und gleichzeitig fehlende Ressourceneinsatz bei gleichzeitig weniger Umwelt- Abnahmegarantien belastung und erhöhter Transparenz für die Konsu- - Gefangenheit der Landwirtinnen und Landwirte zwi- mentinnen und Konsumenten schen Tradition und Digitalisierung - Digitale Transformation eröffnet neue Möglichkeiten - Oftmals zurückhaltende Kooperationsbereitschaft einer fairen und partnerschaftlichen der Landwirtinnen und Landwirte Zusammenarbeit entlang des Wertschöpfungspro- - Strukturelle und mentale Barrieren hemmen spar- zesses ten-, branchen- und sektorübergreifende Zusam- - Veränderte Ernährungsgewohnheiten der menarbeit Konsumentinnen und Konsumenten, z.B. Wunsch - Mangelndes Wissen und Fähigkeiten über die nach regionalen Lebensmitteln systematische und zielgerichtete Einbindung von - Gut ausgebildete, innovative Erwachsene, welche „unüblichen“ Akteurinnen und Akteuren in das aus bäuerlichen Familien stammen, möchten Wertschöpfungssystem wieder in der Landwirtschaft tätig sein - Geringe Risikobereitschaft erschwert Innovation und Veränderung
- 13 - Wo ergeben sich Ansatzpunkte für mehr Innova- tion in der Landwirtschaft? INNOVATIONSFELDER Um auch 2025 und darüber hinaus noch wettbewerbsfähig zu sein, muss die österreichische Landwirtschaft die Veränderungen, die von den vier identifi- zierten Innovationstreiber ausgehen, als Chancen für wertschöpfende Innova- tionen nutzen. Doch wie sehen wertschöpfende Innova- Neue Formen der Neue Formen der Bewirtschaftung 1. 2. tionen aus? Unter Berücksichtigung der Zusammenarbeit und Verarbeitung wesentlichen gesellschaftlichen Trends 1.1. Systematische Zusammenarbeit 2.1. Innovative ressourcenschonende und Entwicklungen wurden vier wesentli- mit anderen landwirtschaftlichen Bewirtschaftungskonzepte und che Hebel identifiziert, die sowohl für Betrieben -methoden sich alleine als auch in Kombination Po- 1.2. Kooperative Lebensmittelver- 2.2. Verarbeitung des gesamten tenzial für neue Wertschöpfung bergen: marktung an Konsumentinnen und Urproduktes im Sinne der Kreis- Organisatorische Innovationen und Be- Konsumenten laufwirtschaft wirtschaftungs- und Produktinnovationen. Es wurden insgesamt vier Innova- 1.3. Neuartige Kooperationen mit tionsfelder inklusive fünf Sub- Verarbeitungsbetrieben und Neue Pflanzliche Produkte aus „unüblichen“ Abnehmerinnen und 3. regionalem Anbau Innovationsfeldern abgeleitet, die Chan- cen für neuartige Lösungen aufweisen. Abnehmern Die Innovationsfelder adressieren sowohl Neue Tierische Produkte mit ho- das „Wie“ als auch das „Was“ der Wert- 4. hem Tierwohl schöpfung, das sich verändern muss: Akteurinnen und Akteure im neuen Wertschöpfungssystem der Lebensmittelpro- Insbesondere neue Formen der Zusam- duktion menarbeit durch Netzwerke wird in Zu- kunft noch mehr Bedeutung zukommen, denn starre Wertschöpfungsketten wie noch vor 20 Jahren gibt es nicht mehr. Vielmehr hat sich die Wertschöpfung von bäuerlichen Lebensmitteln zu einem komplexen Wertschöpfungssystem mit bekannten, aber auch völlig neuen Ak- teurinnen und Akteuren entwickelt (siehe Abbildung). Durch systematische Kooperation und zielgerichtete Partner- schaften, die insbesondere durch die Digitalisierung erleichtert werden, kön- Landwirt/in Verarbeiter/in (z.B. Köch/ „Unübliche“ Akteur/in (z.B. nen Synergien besser genutzt und Grö- innen, Bäcker/innen) Start-ups, Food Coops) ßen- bzw. Mengeneffekte erreicht wer- Konsument/in Handel den, bei gleichzeitiger Entlastung der bäuerlichen Betriebe.
- 14 - Innovationsfeld 1: NEUE FORMEN DER ZUSAMMENARBEIT Ohne Kooperation wird es kleinen wie großen bäuerlichen Betrieben künftig nur sehr schwer gelingen, in einem digitalen, globalisierten Zeitalter zu pros- perieren. Digitale Tools wie z.B. online Plattformen eröffnen für Landwirtinnen und Landwirte völlig neue Möglichkeiten für zielgerichteten Austausch und Zusammenarbeit mit anderen Akteurinnen und Akteuren. Die Rahmenbedingungen für die land- wirtschaftliche Produktion werden un- ter anderem durch neue gesetzliche Regulierungen, den Klimawandel und schwankende Marktpreise schwieriger. Immer mehr bäuerliche Betriebe können nicht mehr von ihren Einnah- men leben. Sie wechseln deshalb ent- weder in den Nebenerwerb (aktuell werden 55% aller Betriebe in Öster- reich im Nebenerwerb bewirtschaftet) doch völlig neue Tools und Kanälen als Umso wichtiger wird es für die land- oder lassen den landwirtschaftlichen bisher für die Kommunikation und Ko- wirtschaftlichen Betriebe, sich laufend Betrieb gänzlich auf. Zum Zeitpunkt des operation zur Verfügung, sowohl zwi- innerhalb als auch über den eigenen EU-Beitritts (1995) gab es noch um schen einzelnen Betrieben als auch z.B. Sektor hinaus systematisch zu vernet- rund ein Drittel mehr bäuerliche Betrie- mit Abnehmerinnen und Abnehmern. zen und gezielt Kooperationen einzu- be als heute. Obwohl die verbleiben- Intelligent genutzt können neue Tech- gehen. den Betriebe im Durchschnitt immer nologien der Motor von Organisation- größer werden (1995: 31,5 ha; 2016 Überbetriebliche Zusammenarbeit sinnovationen (z.B. im Bereich Ver- 45,7 ha), ist die österreichische Land- ist in der Landwirtschaft kein Novum marktung) sein und so neue Wert- wirtschaft im internationalen Vergleich per se (Stichwort: Genossenschaften schöpfungspotenziale für bäuerliche immer noch kleinstrukturiert. und Maschinenringe). Durch die Digi- Betriebe eröffnen. talisierung stehen den Betrieben je- Veränderung durch neue Formen der Zusammenarbeit Überblick über neue Formen der Zu- sammenarbeit ZUKUNFT Dynamisches Ökosystem ge- 1.1 Systematische Zusammenarbeit mit prägt von Kooperation und anderen landwirtschaftlichen Be- neuen Partnerschaften trieben STATUS QUO 1.2 Kooperative Lebensmittelvermark- tung an Konsumentinnen und Kon- Starre Wertschöpfungskette, sumenten wenig systematische Zusam- 1.3 Neuartige Kooperationen mit Verar- menarbeit beitungsbetrieben und „unüblichen“ Abnehmerinnen und Abnehmern
- 15 - 1.1 Systematische Zusammenarbeit mit anderen land- Pramoleum wirtschaftlichen Betrieben 2010 haben sich fünf Landwirte aus dem Innviertel zusammengeschlossen, um den Ölkürbis als alternative Frucht Auch vermeintlich konkurrierende Betrie- Darüber hinaus wird der Wissens- in der Region zu etablieren und hoch- be können von systematischen Koopera- austausch der Partnerinnen und Partner wertiges Kürbiskernöl zu produzieren tionen (z.B. in Form von Anbau- und Ver- untereinander angeregt. Viele Landwir- und zu vermarkten. Inzwischen stellen sorgungsgenossenschaften, Produktions- tinnen und Landwirte haben sich durch auch Mohn, Quinoa, Amaranth und gemeinschaften) in vielfacher Weise pro- ihre Erfahrungen am Feld oder im Stall Kümmel für die Vertragsbäurinnen und –bauern eine gute Alternativen dar. fitieren: Gemeinschaftlich können bei- über viele Jahre hinweg umfangreiches Durch diese erweiterte Produktpalette spielsweise größere Produktionsmengen (Spezial-) Wissen angeeignet, von dem zählen mittlerweile auch Gastronomie- erreicht und eine höhere Produktvielfalt auch andere Landwirtinnen und Land- betriebe und Hotels zu den Abneh- angeboten werden, bei gleichzeitiger wirte lernen können—Peer-Learning. mern von Pramoleum. Darüber hinaus Entlastung der einzelnen Betriebe. Ar- Innovative Ideen und Ansätze können betreibt die Genossenschaft einen On- beitsschritte können entsprechend den sich so innerhalb einer Kooperation line-Shop für den Direktvertrieb an individuellen Kompetenzen und Interes- gegenseitig befruchten. Im Idealfall Konsumentinnen und Konsumenten. sen der Beteiligten aufgeteilt werden. können gemeinsam neue Prozess- oder Auch übergreifende Prozesse wie z.B. Produktinnovationen entwickelt wer- www.pramoleum.eu Einkauf und Logistik können – unterstützt den, die allen Beteiligten zugute kom- durch digitale Programme und Plattfor- men. men – professionell gebündelt werden. KochCampus 1.2 Neuartige Kooperationen mit Verarbeitungsbetrieben und „unüblichen“ Abnehmerinnen und Abnehmern 2017 zählte der gemeinnützige Verein 45 Mitglieder. Die meisten sind Köche, Gastronomen und landwirtschaftliche Direkte Kooperationen mit Verarbeiterin- ren auch die Gäste. Digitale Tools, wie Betriebe. nen und Verarbeitern wie z.B. Bäckereien z.B. online Bestellsysteme, können bei Gemeinsam verfolgen sie das Ziel die und Fleischereien können neue Innovati- der Logistik helfen. österreichische Küche weiterzuentwi- ons- bzw. Wertschöpfungspotenziale Darüber hinaus ist mit den Food- ckeln und die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette (v.a. Land- eröffnen. Durch mehr Nähe und Aus- Start-ups (= junge Unternehmen mit wirtschaft, Gastronomie, Tourismus) zu tausch wissen landwirtschaftliche Betrie- einer innovativen Geschäftsidee im Be- intensivieren. be besser über die Wünsche und Anfor- reich Lebensmittel), die es seit einigen Regionale Lebensmittel sowie Sorten- derungen der Verarbeitungsbetriebe Jahren vermehrt in Österreich gibt, eine vielfalt spielen für alle Mitglieder eine Bescheid und können entsprechend dem völlig neue Zielgruppe für die Landwirt- zentrale Rolle. Einsatzmöglichkeiten tatsächlichen Bedarf produzieren. schaft entstanden: für Urprodukte (z.B. von neuen und alten Nutzpflanzen und Nutztieren in der Gastronomie werden Ähnliches gilt für die Zusammenarbeit Gemüse und Fleisch für Koch- gemeinsam erprobt. Intensive Abstim- mit Gastronomiebetrieben, Hotels und Lieferboxen oder Obst für die Ciderpro- mung zwischen Produzentinnen, Pro- Anbieterinnen und Anbietern von Ge- duktion), aber auch für Produktions- duzenten, Gastronominnen und Gast- meinschaftsverpflegung. Durch laufen- überschüsse, die normalerweise nicht ronomen führen dazu, dass exakt ent- den Austausch zwischen landwirtschaftli- verkauft werden können. Einige Start- sprechend dem Bedarf produziert wird cher Produktion und den Abnehmerin- ups fokussieren nämlich gezielt auf die und Innovationen gemeinsam entste- nen und Abnehmern wird es möglich, die Reduktion von Lebensmittelabfällen. hen. Menüplanung viel flexibler dem aktuellen Durch gezielte Zusammenarbeit können Angebot anzupassen, was für mehr Fri- hier Vorteile für beide Seiten entstehen www.kochcampus.at sche und Qualität sorgt – davon profitie- und Abfall kann reduziert werden.
- 16 - terreich. 1.3 Kooperative Lebensmittelvermarktung an Konsumentin- Zusammengefasst gibt es aufgrund der nen und Konsumenten Nachfrage von Seiten der Gesellschaft und den Möglichkeiten der Digitalisie- rung für Betriebe viele innovative und kreative Wege, mit Konsumentinnen und Mehr und mehr Konsumentinnen und schaftliche Ansätze wie beispielsweise Konsumenten in Kontakt zu treten und Konsumenten legen Wert darauf, dass Solidarische Landwirtschaft (kurz: SoLa- Erzeugnisse direkt zu vermarkten. die Lebensmittel, die sie essen, aus Ös- Wi) oder Gemeinsam Landwirtschaften terreich – im Idealfall sogar aus der eige- (GELA). Derartige Betriebe wirtschaften nen Region – stammen und sind teilwei- nach den Prinzipien von Community- myAcker se offen für Bezugsquellen abseits des Supported-Agriculture, d.h. der Hof Supermarkts. Gleichzeitig eröffnen digita- versorgt eine Gruppe von Konsumentin- le Technologien wie online Plattformen nen und Konsumenten ein Jahr lang mit myAcker ermöglicht es Konsumentin- und Soziale Netzwerke für Landwirtinnen seinen Erzeugnissen, im Gegenzug de- nen und Konsumenten selbst zu Land- und Landwirte neue Wege der Direktver- cken diese die gesamten Kosten. Das wirtinnen und Landwirten werden – marktung abseits der „Klassiker“ Ab-Hof- Risiko von Ernteausfälle wird von der und zwar online. Auf Verkauf und Bauernmarkt an Konsumen- gesamten Gemeinschaft getragen. Oft- www.myacker.com kann im Internet tinnen und Konsumenten. Dazu zählen mals arbeiten Konsumentinnen und ein eigener Garten gemietet werden, u.a. bäuerliche Zustellservices, die Le- Konsumenten auch am Betrieb mit und in dem Gemüse angebaut und bewirt- schaftet werden kann. Über das Smart- bensmittel direkt vor die Haustüre liefern bestimmen sogar mit, welche Produkte phone oder den Laptop kann der Zu- – oft in Form eines Abos (z.B. wöchentli- erzeugt werden. stand des Gemüses live verfolgt wer- che Lieferung). Bestellt wird meist über Im Fleischbereich können Konsu- den. Der Clou an der ganzen Sache: die Website des Betriebs. Soziale Netz- mentinnen und Konsumentin sich bei- Das Gemüse wird tatsächlich auf ei- werke eröffnen darüber hinaus auch spielsweise mittels Aktien an der Tier- nem Acker in Oberkärnten angebaut. neue Möglichkeiten, sich direkt mit Kon- haltung beteiligen und erhalten ihre Nach der Ernte erhalten die Konsu- sumentinnen und Konsumenten auszu- mentinnen und Konsumenten ihre Rendite in Form von Fleisch oder Milch- tauschen und die Bekanntheit des eige- „selbstangebauten“ Lebensmittel frisch produkten. und regional vor die Haustüre geliefert. nen Betriebes zu steigern. Anstelle eines eigenen Webshops können Erzeugnisse Eine weitere Möglichkeit der Direkt- vermarktung bieten Partnerschaften www.myacker.com z.B. auch über Vermarktungsplattformen im Sinne eines „Online-Bauernmarkts“ mit Foodcoops, die ihre Lebensmittel vermarktet und verkauft werden. direkt beziehen möchten. Mittlerweile gibt es rund 60 Foodcoops in ganz Ös- Noch einen Schritt weiter gehen partner- La Louve Der erste kooperative Supermarkt Eu- ropas hat in Paris die Türen geöffnet. Die Gründerinnen und Gründer waren unzufrieden mit dem existierenden Angebot in den französischen Super- märkten und haben daher einen Su- permarkt entsprechend den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen entwi- ckelt. Die Genossenschaft sieht vor, dass alle Mitglieder verbindlich min. 3 Stunden pro Monat im Supermarkt arbeiten. Dadurch können v.a. Personalkosten minimiert werden und Lebensmittel werden rund 20% günstiger abgegeben als üblich. Darüber hinaus sind die Le- bensmittel auch überwiegend aus bio- logischem Anbau und ohne Verpa- ckung. www.cooplalouve.fr
- 17 - Innovationsfeld 2: NEUE FORMEN DER BEWIRT- SCHAFTUNG UND VERARBEITUNG Angesichts der weltweit immer knapper werdenden biologischen Ressourcen (z.B. Wassermangel, Bodenverlust) wird es sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht für bäuerliche Betriebe immer wichtiger, effiziente und nachhaltige Bewirtschaftungskonzepte und -methoden zu implementieren und Abfälle zu vermeiden. Nachhaltige, ressourcenschonende Be- wirtschaftung ist eigentlich kein neues Konzept für die Landwirtschaft. Früher wurden auf vielen Betrieben z.B. nur so viele Tiere am Hof gehalten, wie auch Futter am eigenen Hof zur Verfügung war, Saatgut wurde nach der Ernte bei- seitegelegt und wieder angebaut. Aus unterschiedlichen Gründen sind Neuartige Bewirtschaftungs-, Verarbei- „öko“. Im Gegenteil, Nachhaltigkeit ge- diese Wirtschaftsweisen jedoch in den tungskonzepte und technologische winnt auch für die breite Masse der Kon- Hintergrund gerückt, oftmals zu Lasten Möglichkeiten eröffnen hier neue Chan- sumentinnen und Konsumenten immer der Umwelt und des Klimas und dadurch cen, durch geringen Ressourceneinsatz mehr an Bedeutung. Ein ökologisch der Gesamtgesellschaft. Der voranschrei- und eine Reduktion von Abfällen Wert- nachhaltiger Umgang wird von Seiten tende Klimawandel und der Verlust der schöpfung in der Landwirtschaft zu ge- der Gesellschaft immer stärker gefor- Biodiversität sind nur zwei Beispiele da- nerieren. dert. Das hat auch der Lebensmittelein- für, jedoch illustrieren sie, dass ein Wirt- zelhandel bereits erkannt und reagiert schaften wie in den vergangenen Jahr- Themen wie Verschwendung von mit Initiativen wie „Blühendes Öster- zehnten langfristig nicht mehr möglich Ressourcen, Bodenfruchtbarkeit, Bio- reich“ und „Bio vom Berg“. ist. Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen diversität und Kreislaufwirtschaft sind muss wieder in den Vordergrund rücken. schon lange nicht mehr „nischig“ und Veränderung durch neue Formen der Bewirtschaftung und Verarbeitung Überblick über neue Formen der Bewirtschaftung und Verarbeitung ZUKUNFT Nachhaltiger Ressourcenein- 2.1 Innovative ressourcenschonende satz und gesellschaftliche Bewirtschaftungskonzepte und Verantwortung -methoden STATUS QUO 2.2 Verarbeitung des gesamten Urproduktes im Sinne der Kreis- Produktions– und Effizienz- laufwirtschaft steigerung im Vordergrund
- 18 - storben. 2.1 Innovative ressourcenschonende Bewirtschaftungskon- All diese Entwicklungen wirken sich zepte und -methoden langfristig negativ auf die Ertragsfähig- keit der Landwirtschaft aus, weshalb dringend Bedarf nach innovativen, res- sourcenschonenden Bewirtschaftungs- Der Boden leistet der Landwirtschaft stanzen in den Böden wirken sich nega- konzepten und -methoden besteht. Ins- zahlreiche Dienste wie z.B. die Filterung tiv auf die Bodenqualität aus. besondere Landwirtschaft 4.0 bzw. neu- und Speicherung von Wasser und Bereit- Eine weitere essenzielle Ressource der artige Technologien generell eröffnen stellung von Nährstoffen. Für die land- Landwirtschaft ist Wasser. Aktuelle Stu- hier beträchtliche Innovationspotenziale, wirtschaftliche Lebensmittelproduktion dien besagen, dass die Landwirtschaft z.B. im Bereich Düngung oder Bewässe- ist ein fruchtbarer Boden Überlebens- von immer ausgeprägteren und länge- rung. Auch die (Wieder-) Entdeckung grundlage, dennoch sind Bodenqualität ren Trockenheit- und Dürreperioden heimischer, alter und saisonaler Sorten und –quantität zunehmend gefährdet. bedroht wird und die wertvolle Res- bzw. Arten eröffnet sowohl im Pflanzen- Laut dem Bodenatlas 2015 gehen in Ös- source Wasser in Österreich saisonal bau als auch in der Tierhaltung Chancen, terreich immer mehr Böden verloren: knapp werden wird. da sie nicht nur zum Erhalt der geneti- Täglich werden 24 Fußballfelder verbaut schen Ressourcen beitragen, sondern bzw. versiegelt. Vor allem landwirtschaft- Der Verlust der Biodiversität ist dra- oftmals angepasster an die Wetterbedin- liche Flächen werden zunehmend von matisch: Aufgrund von Industrialisie- gungen und somit widerstandsfähiger z.B. privaten Wohnhäusern und Gewer- rung und Globalisierung der Landwirt- sind. beflächen verdrängt. Darüber hinaus sind schaft sind in den letzten Jahrzehnten Österreichs Böden bedroht von Erosion, immer mehr heimische, saisonale und Ergebnisse der agrarwissenschaftli- Verdichtung, Versalzung und Verunreini- alte Getreide, Gemüse-, Obstsorten chen Forschung, die z.B. im Rahmen der gungen. Auch fehlende organische Sub- verschwunden und Tierrassen ausge- Europäische Innovationspartnerschaft für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP-AGRI) generiert wer- den, können z.B: Hilfestellungen für be- triebliche Weiterentwicklung bieten. Voraussetzung dafür ist aber ein verbes- serter Austausch zwischen landwirt- schaftlicher Forschung und Praxis. EIP-AGRI zu Getreidepopulationen In Hessen befasst sich eine Europäische Innovationspartnerschaft (EIP-AGRI) mit der Entwicklung und dem Anbau von standortangepassten Getreidepopulatio- nen. Die Auswirkungen des Klimawandels sind die Kernherausforderung, welche die Operationelle Gruppe, bestehend aus Akteurinnen und Akteuren entlang der Wertschöpfungskette (4 landwirtschaftli- che Betriebe, 1 Mühle, 1 Forschungsein- richtung und 1 Vermarkter) gemeinsam adressieren möchten. Dieser Herausforderung begegnet die Gruppe mit dem Erhalt und der Förde- rung von Biodiversität in der Landwirt- schaft. Gemeinsam entwickelt die Gruppe Getreidepopulationen, welche ökologi- sche (z.B. höhere Resistenz gegenüber Wetterereignissen) und ökonomische Vorteile (z.B. Ertragsstabilität) für die landwirtschaftlichen Betriebe aufweisen. Ein Marketingkonzept wird entwickelt, um die Akzeptanz bei den Konsumentin- nen und Konsumenten für die neuen Pro- dukte sicherzustellen. www.ec.europa.eu/eip/agriculture/
- 19 - che Nutzung gibt, ist Fleisch. Die Öster- 2.2 Verarbeitung des gesamten Urproduktes im Sinne reicherinnen und Österreicher greifen der Kreislaufwirtschaft überwiegend zu den Edelteilen des Tiers (z.B. Filet, Karree), während Innereien und Ähnliches kaum mehr serviert bzw. verkauft werden. Schweinsrüssel, -ohren 2017 wurde in einer Studie festgestellt, Dies ist für landwirtschaftliche Be- und -füße landen im Müll oder werden dass in der österreichischen Lebens- triebe insbesondere aus ökonomischer im besten Fall – verbunden mit Aufwand mittelproduktion jährlich 1.459.800 Ton- Sicht von Relevanz. Beispielsweise sorgt und Kosten – nach China oder in andere nen an vermeidbaren Lebensmittelabfäl- das Nicht-Erfüllen der strengen Ver- asiatische Länder exportiert. Eine Alter- len (8%) und organischen Nebenproduk- marktungsnormen in Österreich dafür, native dazu bietet der „Nose-to-Tail“- ten (92%) anfallen. Bei Konsumentinnen dass noch genießbare Lebensmittel aus Ansatz: Aus Respekt vor den Tieren wird und Konsumenten entsteht zunehmen- der Landwirtschaft in großen Mengen die restlose Verwertung aller Teile ange- des Bewusstsein für die Verschwendung im Müll landen und somit den Landwir- strebt. Vereinzelt gibt es bereits Gastro- von Lebensmitteln und anderen Ressour- tinnen bzw. Landwirten direkte Wert- nomiebetriebe, die (wieder) so kochen. cen. In den letzten Jahren sind zahlreiche schöpfung verloren geht. Mit den Men- Diese positive Entwicklung gilt es durch Initiativen entstanden, die sich mit der gen an Abfall kann nicht kostendeckend innovative Vermarktungs- und Verkaufs- Vermeidung von (Lebensmittel-) Abfällen gearbeitet werden. Urprodukte, die konzepte zu stärken. beschäftigen (z.B. Zero Waste, Foodsha- nicht den optischen Normen entspre- ring). Auch politisch hat das Thema an chen, können sich jedoch noch hervor- Bedeutung zugenommen. Unter ande- ragend für die Weiterverarbeitung eig- Unverschwendet rem hat die EU-Kommission Ende 2015 nen, z.B. für die Herstellung von verar- das sogenannte „Circular Economy Pack- beiteten Lebensmitteln. Es gilt hier, in- Das noch junge Unternehmen wurde age“ beschlossen, das die Etablierung novative Möglichkeiten auszuloten, 2016 gegründet und setzt sich intensiv einer Kreislaufwirtschaft in der EU bzw. durch die Verarbeitung von Nebenpro- mit der Lösung der immensen Lebens- in den Mitgliedsstaaten fördern soll. Ei- dukten bzw. Abfällen (ggf. auch in Ko- mittelverschwendung auseinander. nes der Ziele ist die Reduktion von Le- operation mit anderen) mehr in die Unverschwendet verarbeitet über- bensmittelabfällen in der EU. Wertschöpfungstiefe zu investieren und schüssiges Obst und Gemüse zu hoch- so neue Wertschöpfungspotenziale zu wertigen Produkten wie z.B. Marmela- Auch in der Lebensmittelwertschöp- de und Chutneys. Obst und Gemüse fungskette gibt es Potenzial sich von ei- schaffen. Auch innovative Vermark- bekommt das Start-up von landwirt- ner „Wegwerfwirtschaft“ hin zu einer tungswege können hier neue Möglich- schaftlichen Betrieben und Privatper- „Kreislaufwirtschaft“ zu entwickeln, in keiten eröffnen (Stichwort: Gemüse- sonen, welche es wegwerfen würden. der Abfälle tatsächlich vermieden bzw. Wunderlinge). Ein Bereich, in dem es entsprechend wiederverwendet werden. aktuell großes Potenzial für ganzheitli- www.unverschwendet.at
Sie können auch lesen