INNOVATIONSANALYSE FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE LANDWIRTSCHAFT - SCHWERPUNKT WERTSCHÖPFUNG - erarbeitet durch das Netzwerk Zukunftsraum Land im Auftrag ...

Die Seite wird erstellt Svenja-Meike Schade
 
WEITER LESEN
INNOVATIONSANALYSE FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE LANDWIRTSCHAFT - SCHWERPUNKT WERTSCHÖPFUNG - erarbeitet durch das Netzwerk Zukunftsraum Land im Auftrag ...
INNOVATIONSANALYSE FÜR DIE
ÖSTERREICHISCHE LANDWIRTSCHAFT -
SCHWERPUNKT WERTSCHÖPFUNG

erarbeitet durch das Netzwerk Zukunftsraum Land
im Auftrag des Bundesministeriums für
Nachhaltigkeit und Tourismus
INNOVATIONSANALYSE FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE LANDWIRTSCHAFT - SCHWERPUNKT WERTSCHÖPFUNG - erarbeitet durch das Netzwerk Zukunftsraum Land im Auftrag ...
-2-

INHALTSVERZEICHNIS

Executive Summary ................................................................................................................................3
Zielsetzung & Aufbau .............................................................................................................................4
Vision 2025 .............................................................................................................................................6
Ausgangslage und Innovationstreiber ....................................................................................................7
       Innovationstreiber 1: Der neue Wert von Lebensmitteln ......................................................................................... 8
       Innovationstreiber 2: Digitale Vernetzung und Bewirtschaftung .............................................................................. 9
       Innovationstreiber 3: Der voranschreitende Klimawandel .................................................................................... 10
       Innovationstreiber 4: Globaler Handel mit Lebensmitteln ..................................................................................... 11
SWOT-Analyse der österreichischen Landwirtschaft ..............................................................................12
Innovationsfelder .................................................................................................................................13
      Innovationsfeld 1: Neue Formen der Zusammenarbeit ........................................................................................... 14
      Innovationsfeld 2: Neue Formen der Bewirtschaftung und Verarbeitung ................................................................ 17
      Innovationsfeld 3: Pflanzliche Produkte aus regionalem Anbau ............................................................................ 20
      Innovationsfeld 4: Tierische Produkte mit hohem Tierwohl ................................................................................... 22
Prozess & Mitwirkende ........................................................................................................................ 24
Quellenverzeichnis ............................................................................................................................... 25
Abbildungsnachweis .............................................................................................................................27
INNOVATIONSANALYSE FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE LANDWIRTSCHAFT - SCHWERPUNKT WERTSCHÖPFUNG - erarbeitet durch das Netzwerk Zukunftsraum Land im Auftrag ...
-3-

EXECUTIVE SUMMARY

Wie kann die Wertschöpfung in der agra-      ten Innovationsfeld „Neue Formen der       und Vertriebskonzepte sind gefragt, um
rischen Lebensmittelproduktion in Öster-     Zusammenarbeit“: Bäuerliche Betriebe       insgesamt die Verwertung von pflanzli-
reich erhöht werden? Diese Frage steht       können ihre Wertschöpfung durch in-        chen und tierischen Rohstoffen zu erhö-
im Mittelpunkt der Innovationsanalyse,       telligente Kooperationen erhöhen, um       hen (etwa durch den „Nose to Tail“-
welche vom Netzwerk Zukunftsraum             voneinander zu lernen (etwa bei der        Ansatz junger Köche, die bäuerlichen
Land 2017/2018 mittels Methoden der          Etablierung neuer Pflanzenkulturen in      Produzenten ganze Tiere abnehmen o-
qualitativen Sozialforschung                 der Region; Beispiel Pramoleum) oder       der Start-ups wie Unverschwendet.at,
(Tiefeninterviews mit Expertinnen und        Skaleneffekte in der Produktion und        welche überschüssiges Obst und Gemü-
Experten, Konsumentinnen und Konsu-          Vertrieb zu erreichen. Jedoch auch die     se verarbeiten).
menten; Analyse von Sekundärdaten)           punktgenaue Zusammenarbeit in Part-            Ein großes Potenzial für den Anbau
durchgeführt wurde.                          nerschaften außerhalb der Landwirt-        alternativer Kulturen besteht im dritten
    Dabei wurden vier wesentliche Inno-      schaft, mit Verarbeitungsbetrieben und     Innovationsfeld „Neue pflanzliche Pro-
vationstreiber identifiziert, welche einen   z.B. Köchinnen und Köche, Fleischerin-     dukte aus regionalem Anbau“: Eine große
spürbaren Wandel in der agrarischen          nen und Fleischer und Tourismusbetrie-     Nachfrage nach Rohstoffen als auch ver-
Lebensmittelproduktion bewirken. Dies        ben (siehe Beispiel KochCampus) und        arbeiteten Produkten österreichischer
sind (1) der neue Wert, der hochwertigen     die dadurch mögliche genaue Ausrich-       Herkunft, die derzeit von der Landwirt-
Lebensmitteln vor allem für jüngere städ-    tung der bäuerlichen Produktion am         schaft bei weitem nicht abgedeckt wird
tische Konsumentinnen und Konsumen-          tatsächlichen Bedarf gewinnt an Bedeu-     (hohe Importquoten), besteht bei der
ten, inklusive der steigenden Bedeutung      tung und wird durch den Einsatz digita-    wachsenden Gruppe der Flexitarier, Ve-
von vegetarischen und veganen Lebens-        ler Technologien massiv erleichtert.       getarier und Veganer, etwa hinsichtlich
stilen, (2) digitale Möglichkeiten der di-   Eine große Neuerung bringen digitale       Eiweißquellen wie Hülsenfrüchten und
rekten Vernetzung zwischen Akteurinnen       Kanäle in der direkten Kommunikation       Nüssen, also auch bei Gemüse generell
und Akteuren sowie digitale Bewirt-          mit Konsumentinnen und Konsumen-           und bei Fleischersatzprodukten (etwa
schaftungsformen, (3) der voranschrei-       ten, weil die hohe Qualität bäuerlicher    Pilze). Das eröffnet landwirtschaftlichen
tende Klimawandel, der Anpassungsstra-       Produkte unmittelbar transportiert und     Betrieben die Chance, höhere Wert-
tegien als auch klimaschonende Produkti-     dadurch höhere Preise erzielt werden       schöpfung durch das Füllen dieser Ange-
onsweisen erfordert und (4) der globale      können. Online-Marktplätze in vielfälti-   botslücken mit regionalen Produkten zu
Handel mit Lebensmitteln.                    ger Gestalt schaffen Wert auf beiden       erzielen.
                                             Seiten, im bäuerlichen Betrieb und bei
    Diese Druckpunkte erfordern neue                                                        Großes, vielfach ungenütztes Potenzi-
                                             den zunehmend auf regionale Qualität
Antworten, die jedoch nicht nur allein in                                               al besteht weiters bei „tierischen Produk-
                                             und gesicherte Herkunft setzende Kon-
klassischen Produkt- und Prozessinnovati-                                               ten mit hohem Tierwohl“, dem vierten
                                             sumentinnen und Konsumenten und
onen bestehen, wie es sie in der Land-                                                  Innovationsfeld: Auf dem Markt werden
                                             verbinden Stadt und Land.
wirtschaft seit langem gibt: Organisatori-                                              immer stärker Milch- und Fleischproduk-
sche Innovationen und neuartige Bewirt-          Die Glaubwürdigkeit bei den Konsu-     te nachgefragt, die ein hohes Tierwohl
schaftungsformen gewinnen massiv an          mentinnen und Konsumenten zu stär-         bei Haltung und Schlachtung garantie-
Stellenwert. Mehr Wertschöpfung kann         ken und gleichzeitig selbst als Betrieb    ren. Gelingt es, etwa durch den Einsatz
in zunehmendem Maße durch systemi-           einen Beitrag zu leisten: Darum geht es    digitaler Technologien (Precision und
sche Vernetzung generiert werden – in-       im Innovationsfeld „Neue Formen der        Smart Farming, ein Beispiel ist das Her-
nerhalb der Landwirtschaft, aber auch        Bewirtschaftung und Verarbeitung“. Das     denmanagement des Start-ups Smart-
über den Tellerrand hinaus. Wertschöp-       steigende Bewusstsein für Lebens-          bow), diese hohen Standards kosteneffi-
fung entsteht immer weniger linear, son-     mittelverschwendung, Klimawandel und       zient umzusetzen und die zusätzliche
dern in dynamischen Wertschöpfungs-          den Verlust der Biodiversität, um nur      Qualität für den Konsumentinnen und
netzwerken und neuartigen Konstellatio-      einige Ressourcen-relevante Dimensio-      Konsumenten transparent zu machen,
nen.                                         nen zu nennen, eröffnet neue Märkte        kann ein zunehmend an Bedeutung ge-
                                             (ein Beispiel sind „Reine Lungau“-         winnender Markt bedient werden.
  Eines der größten Potenziale liegt
                                             Milchprodukte). Innovative Marketing-
dementsprechend im ersten identifizier-
-4-

  Innovationsanalyse für die österreichische
  Landwirtschaft
  ZIELSETZUNG & AUFBAU

Die Landwirtschaft erfüllt eine Vielzahl      Antworten des Landwirtschaftssektors.       Das übergeordnete Ziel ist die Erhaltung
wichtiger Funktionen: Sie versorgt die        Die künftige Wettbewerbsfähigkeit der       und Unterstützung landwirtschaftlicher
Bevölkerung mit wertvollen Lebens-            österreichischen Landwirtschaft wird        (Familien-) Betriebe, die Sicherung der
mitteln, schafft Arbeitsplätze – auch in      maßgeblich davon bestimmt, wie diese        flächendeckenden und nachhaltigen
vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbe-        Herausforderungen in Zukunft adres-         Landbewirtschaftung sowie die Steige-
reichen – und trägt wesentlich zur Pflege     siert werden.                               rung des Selbstversorgungsgrades und
der Kulturlandschaft und zum Erhalt der                                                   die Versorgung der Bevölkerung mit qua-
                                                 Gleichzeitig eröffnen Veränderungen
Natur bei, um nur einige Beispiele zu                                                     litativ hochwertigen Lebensmitteln.
                                              am Markt und moderne Kommunikati-
nennen. Was Landwirtinnen und Land-
                                              ons- und Informationstechnologien               Die Innovationsanalyse soll den rele-
wirte in ihrer täglichen Arbeit tun, beein-
                                              neue Möglichkeiten der Zusammenar-          vanten Akteurinnen und Akteuren
flusst die gesamte Gesellschaft und Um-
                                              beit, der Arbeitsteilung und des Dialogs,   (Landwirtinnen und Landwirten, Berate-
welt. Daraus ergibt sich eine enorme
                                              insbesondere mit Konsumentinnen und         rinnen und Beratern, Kooperationspart-
gesamtgesellschaftliche Verantwortung
                                              Konsumenten. Diese Chancen müssen           nerinnen und -partnern entlang der
der Landwirtschaft.
                                              von der Landwirtschaft erkannt und          Wertschöpfungskette) eine Orientierung
   Umso wichtiger werden neue Formen          genutzt werden.                             für zukünftige Entscheidungen geben.
der Wertschöpfung. Technologischer                Zielsetzung dieser Innovationsanaly-    Mithilfe der Analyse soll innovatives Den-
Fortschritt, Klimawandel, demografische       se für die österreichische Landwirt-        ken und Handeln in der Landwirtschaft
Entwicklungen der Gesellschaft und da-        schaft ist es daher, Potenziale für mehr    unterstützt und im Rahmen des Pro-
mit einhergehende Veränderungen am            Wertschöpfungssteigerung in der öster-      gramms für Ländliche Entwicklung 14-20
Markt, erfordern dringend innovative          reichischen Landwirtschaft aufzuzeigen.     gezielt gefördert werden.

Auszug aus dem Regierungsprogramm 2017 – 2022:
Zusammen. Für Österreich.

„Das Schicksal unserer Heimat ist eng mit unserer Landwirtschaft verbunden. Öster-
reich kann nur frei sein, wenn seine Landwirtschaft imstande ist, die Bevölkerung
mit einem Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent mit gesunden Lebensmitteln zu
versorgen. Wir bekennen uns zu einer bäuerlichen und dezentral strukturierten
Landwirtschaft abseits von Agrarfabriken.“
-5-

Aufbau der Innovationsanalyse

                                Warum braucht es mehr Innovation in
                                der österreichischen Landwirtschaft?
                      1         → AUSGANGSLAGE &
                                  INNOVATIONSTREIBER                (S. 7- 12)

                                Wo ergeben sich Ansatzpunkte für mehr

                      2         Innovation in der Landwirtschaft?

                                → INNOVATIONSFELDER               (S. 13 - 23)
-6-

 Mehr Wertschöpfung in der österreichischen
 Landwirtschaft:
 VISION 2025

2025 ist Österreichs Landwirtschaft in-     das Bewusstsein für ihre vielfältigen       Landwirtinnen und Landwirte arbeiten
ternationales Vorbild für eine nachhalti-   Leistungen von der Urproduktion über        gemeinsam mit den Akteurinnen und
ge kleinstrukturierte Landwirtschaft und    Naturschutz bis hin zur Landschafts-        Akteuren entlang der Wertschöpfungs-
Lebensmittelproduktion, die hohe Wert-      pflege. Die Gesellschaft hat den Mehr-      kette in lebendigen, betriebs-, sparten-
schöpfung in den Regionen generiert         wert dieser Leistungen erkannt. Diese       und sektorenübergreifend Netzwerken
und somit eine gute Einkommensgrund-        haben einen Marktpreis und ein Teil         zusammen. Arbeitsteilige Aufgabenerle-
lage für die landwirtschaftlichen           der Konsumentinnen und Konsumen-            digung sowie eine gemeinsame Nutzung
(Familien-) Betriebe schafft. Durch eine    ten sind bereit, diesen zu bezahlen.        von Ressourcen bzw. Kapazitäten ermög-
wettbewerbsfähige österreichische                                                       lichen Entlastung bzw. Freiräume für an-
Landwirtschaft können bäuerliche Be-                                                    dere Aktivitäten. Gezielte Kooperationen
triebe im Voll- und Nebenerwerb tätig       Die hohe Nachfrage der Konsumentin-         erhöhen außerdem die Transparenz,
sein und die Ernährungssicherheit für       nen und Konsumenten nach regionalen         Offenheit und Flexibilität – und somit
Österreich ist langfristig gegeben.         und nachhaltigen Lebensmitteln hat          insgesamt die Handlungsfähigkeit der
                                            neue Produktions-, Verarbeitungs- und       landwirtschaftlichen Betriebe.
                                            Vermarktungswege, insbesondere in
2025 haben Landwirtinnen und Land-          Nischen- und Spezialsegmenten, eröff-       Durch enge Zusammenarbeit insbeson-
wirte den Brückenschlag zwischen Digi-      net. Die Landwirtschaft ist wesentlicher    dere in den Regionen, z.B. mit Gemein-
talisierung und Tradition gemeistert        Teil der Wertschöpfungskette geworden       den, Wirtschaftstreibenden und Endver-
und nutzen neue digitale Technologien       und nimmt diese Rolle auch aktiv wahr,      braucherinnen und -verbrauchern, wer-
systematisch und zielgerichtet zur Ar-      daraus ergibt sich auch eine gewisse        den neue Arbeitsplätze auf den Betrie-
                                            Resilienz gegen Preisschwankungen auf       ben, aber auch in vor- und nachgelager-
beitserleichterung, nachhaltigen, effi-
                                            den Weltmärkten.                            ten Bereichen geschaffen und der ge-
zienten Flächenbewirtschaftung, Ver-
                                                                                        samte ländliche Raum somit belebt.
netzung und Kommunikation für mehr
                                            Unternehmergeist und innovatives Den-
Wertschöpfung. Der Weg von Lebens-
                                            ken sind im Jahr 2025 in den bäuerlichen
mitteln vom Feld bis auf den Teller ist                                                 Politik und Verwaltung fördern und for-
                                            Betrieben in Österreich fest verankert.
für Konsumentinnen und Konsumen-                                                        dern durch optimale Rahmenbedingun-
                                            Die Landwirtschaft bietet vielfältige Be-
ten einfach und transparent nachvoll-       tätigungsfelder von der Lebensmittelpro-    gen Interaktion und gemeinsames Expe-
ziehbar. Produktion und Konsum sind         duktion und -verarbeitung über die Ent-     rimentieren in der Landwirtschaft, um
dadurch wieder näher zusammenge-            wicklung neuer Produkte bis hin zu Ver-     Herausforderungen anzugehen und neu-
rückt. Durch den laufenden Dialog mit       marktung und Kommunikation. Sie ist         artige, bessere Lösungen zu entwickeln,
Konsumentinnen und Konsumenten              daher ein attraktives Berufsfeld für        die sowohl positiv für die einzelnen Be-
produzieren Landwirtinnen und Land-         Übernehmerinnen und Übernehmer,             triebe, aber auch dem ländlichen Raum
wirte entsprechend den tatsächlichen        aber auch für zahlreiche Quereinsteige-     und der gesamten Gesellschaft sind.
Bedürfnissen und fördern gleichzeitig       rinnen und -einsteiger.
-7-

 Warum braucht es mehr Innovation in der
 österreichischen Landwirtschaft?
 AUSGANGSLAGE UND
 INNOVATIONSTREIBER

                                                                                       vationskultur unter den Akteurinnen und
Die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft haben sich in den letzten Jahr-
                                                                                       Akteuren. Eine Studie des WIFO aus
zehnten durch die Globalisierung und andere wirtschaftliche und gesellschaftliche
                                                                                       2017, bei der rund 500 österreichische
Entwicklungen grundlegend verändert. Das hat Implikationen für den landwirt-
                                                                                       Landwirtinnen und Landwirten befragt
schaftlichen Sektor in Bezug darauf, wie Wertschöpfung erfolgt.
                                                                                       wurden, hat ergeben, dass die Zahl der
                                                                                       Betriebe, die im Untersuchungszeitraum
                                                                                       neue Produkte, Dienstleistungen oder
Es gibt zumindest zwei Wege für die Er-     potenziale für landwirtschaftliche Be-     Prozesse eingeführt haben, derzeit noch
höhung der Wertschöpfung in der Land-       triebe, die dazu beitragen, die Wettbe-    relativ gering ist. Hauptgrund ist u.a. Risi-
wirtschaft: Die bekannte Strategie, durch   werbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des      koaversion von Seiten der Landwirtinnen
eine Betriebsvergrößerung (Skalen-          gesamten Sektors langfristig zu erhö-      und Landwirte. Die Angst vor Experimen-
effekte) und Prozessoptimierung             hen.                                       ten und Projekten mit unsicherem Aus-
(Effizienzsteigerung) die Produktionskos-       Im Rahmen der Analyse wurden vier      gang, insbesondere wenn diese mit
ten zu senken oder sogar Kostenführer-      wesentliche Innovationstreiber identifi-   (langfristigen) Investitionen verbunden
schaft anzustreben, eröffnet neue Mög-      ziert, die den Sektor beeinflussen und     sind, ist sehr hoch, denn die Absicherung
lichkeiten für viele landwirtschaftliche    künftig noch weiter an Bedeutung ge-       der eigenen Lage sowie der Erhalt des
Betriebe. Dieser Weg stößt jedoch auch      winnen werden:                             Betriebes für die Familie stehen im Vor-
an Grenzen, etwa in Fragen der Lebens-                                                 dergund. Je nach Betriebsgröße sind
qualität und Gesundheit von bäuerlichen           Der neue Wert von                    auch die Kapazitäten, Neuerungen um-
Familien, der Nachhaltigkeit, des Tier-           Lebensmitteln                        zusetzen, limitiert.
wohls oder der gesellschaftlichen Akzep-          Digitale Vernetzung und                 Umso wichtiger ist es daher für Land-
tanz, um nur einige Beispiele zu nennen.          Bewirtschaftung                      wirtinnen und Landwirte, neuartige Ko-
   Deshalb rückt der zweite Zugang,               Der voranschreitende                 operationen einzugehen und Synergien
Wertschöpfung durch Innovation zu                 Klimawandel                          aufzubauen, um neue Wertschöpfungs-
schaffen, immer stärker in den Mittel-                                                 potenziale zu realisieren. Vielfach ist die
                                                  Globaler Handel mit
punkt: Landwirtschaftliche Betriebe su-                                                Skepsis jedoch noch groß, da Wissen und
                                                  Lebensmitteln
chen vermehrt nach neuartigen Möglich-                                                 Kompetenzen zur Zusammenarbeit feh-
keiten, auch mit begrenzten Ressourcen      Entscheidend ist die Frage, wie es der     len. Generell braucht es einen Kultur-
(Grund und Boden, Klima, Arbeitskräfte)     Landwirtschaft gelingen kann, diese        wandel hin zu mehr Offenheit gegenüber
ihre Höfe nicht nur überlebensfähig zu      Veränderungen als Chancen für Innova-      Innovationsaktivitäten.
halten, sondern weiterzuentwickeln und      tion und Wertschöpfung zu nutzen.
Wert zu generieren—materiell wie ideell.    Eine Grundvoraussetzung dafür ist die
Die Innovationsanalyse fokussiert sich      Förderung und Etablierung einer Inno-
daher auf neuartige Innovations-
-8-

  Innovationstreiber 1:
  DER NEUE WERT VON
  LEBENSMITTELN

                                                                                        und Konsumenten. Bäuerliche Lebens-
Wir essen nicht mehr, um satt zu werden. Wir essen, weil Essen Teil unseres Life-
                                                                                        mittel werden wieder vermehrt auf
styles ist. Selten zuvor wurde so viel darüber gesprochen, was und wo gekauft,
                                                                                        Märkten oder direkt ab Hof gekauft. Be-
zubereitet, verzehrt und genossen wird. Für viele ist Essen in den letzten Jahren
                                                                                        reits etablierte Zustelldienste, z.B. in
zum regelrechten Statussymbol geworden.
                                                                                        Form eines Biokistls, verzeichnen weiter-
                                                                                        hin Zuwächse. Die Sensibilität für das
                                                                                        Thema ist sogar so hoch, dass Konsu-
Der Stellenwert von Essen und Ernäh-         Die Ausgaben für Lebensmittel steigen,     mentinnen und Konsumenten vermehrt
rung in der Gesellschaft ist aktuell hoch:   bemerkenswert ist auch, dass der Au-       eine aktive und gestaltende Rolle im Sys-
In den Gründer-Mekkas dieser Welt tum-       ßerhaus-Verzehr in Cafés und Restau-       tem einnehmen wollen wie z.B. im Rah-
meln sich Food-Start-ups, die das Thema      rants zunimmt.                             men einer Foodcoop (= ein Zusammen-
Essen bzw. Lebensmittel adressieren. Die         Ein Faktor, der die Kaufentscheidung   schluss von Privatpersonen zum gemein-
Bandbreite reicht von Apps rund um das       immer stärker beeinflusst, ist die Her-    samen Einkaufen von Lebensmitteln).
Thema Ernährung über Bestell- und Lie-       kunft der Lebensmittel. Obwohl im Su-          Produktion und Konsum rücken wie-
ferservices bis hin zu neuen Verarbei-       permarkt mittlerweile Produkte aus         der näher zusammen und das gesell-
tungstechnologien für Lebensmittel. Lau-     aller Welt gekauft werden können, liegt    schaftliche Interesse für die Landwirt-
fend entstehen neue Food-Trends,             Regionalität beim Essen im Trend. Kon-     schaft steigt. Verbraucherinnen und Ver-
Kochshows boomen und Kochbücher und          sumentinnen und Konsumenten greifen        braucher interessieren sich für Lebens-
Ernährungsratgeber gehören zu den            immer öfter und vor allem lieber zu        mittel und die Landwirtschaft. Bäuerliche
Beststellern im Buchhandel.                  heimischen bzw. regionalen Produkten.      Betriebe können davon profitieren,
    Die Konsumentinnen und Konsumen-             Laut der RollAMA Motivanalyse          wenn sie es schaffen, richtig auf die
ten sind besser informiert als jemals zu-    2016 ist Herkunft aus Österreich bei       Wünsche und Bedürfnisse der Konsu-
vor in der Geschichte der Menschheit.        rund 40% aller Personen das wichtigste     mentinnen und Konsumenten einzuge-
Sie wissen über individuelle Allergien und   Kriterium beim Einkauf von Lebens-         hen und Mehrwert für diese zu schaffen.
Unverträglichkeiten genau Bescheid.          mitteln. Gründe dafür sind, neben Fri-
Nicht nur Inhalts- und Nährstoffe von        sche und Qualität, die Stärkung der hei-
Lebensmitteln sind für sie wichtig, son-     mischen Landwirtschaft und kurze            Agrarkooperativen in Österreich
dern auch die Produktionsweise. Was,         Transportwege. Aber auch Vertrauen
wo und wie zubereitet und genossen           und Sicherheit spielen eine große Rolle
wird, ist wichtiger Teil des Lifestyles.                                                 - Ca. 60 Foodcoops
                                             bei der Entscheidung für regionale Pro-
Nicht zufällig schwirren Millionen Fotos     dukte.                                      - Ca. 25 landwirtschaftliche Betrie-
von Essen durch die Sozialen Netzwerke.      Durch dieses neue Bewusstsein für Re-         be, die nach Community Supported
Erhebungen der Statistik Austria bestäti-    gionalität ändern sich zum Teil auch die      Agriculture-Prinzipien (CSA) wirt-
gen den neuen Stellenwert von Essen:         Bezugsquellen der Konsumentinnen              schaften
-9-

 Innovationstreiber 2:
 DIGITALE VERNETZUNG
 UND BEWIRTSCHAFTUNG

                                                                                          Vermarktungsmöglichkeiten im Aus-
Die digitale Transformation ist nicht wegzudiskutieren. Intelligent eingesetzt            tausch mit Konsumentinnen und Konsu-
kann sie als Chance genutzt werden, von der die Landwirtinnen und Landwirte,              menten, Gastronomie, Hotellerie und
die verarbeitenden und vermarktenden Betriebe und nicht zuletzt die Konsu-                Gemeinschaftsverpflegung werden durch
mentinnen und Konsumenten profitieren.                                                    digitale Transformation ermöglicht und
                                                                                          von den Digital Natives schlichtweg er-
                                                                                          wartet. Auch dem Wunsch der Verbrau-
                                                                                          cherinnen und Verbraucher nach mehr
Die Anzahl derer, die mit Digitalisierung    wirtschaft 4.0 bekannt) geht noch einen      Transparenz kann auf intelligente Art
selbstverständlich umgehen und deren         Schritt weiter: Durch die Vernetzung         und Weise nachgekommen werden. Her-
Lebensrealität ohne die digitale Welt        der Daten werden nicht mehr nur Ma-          kunft und Herstellungsweise wird durch
nicht funktioniert, sogenannte Digital       schinen, sondern der gesamte Hof ein-        digitale Instrumente nachvollziehbar.
Natives, nimmt zu. 2025 werden durch-        bezogen. Unter anderem können ge-                Aktuell ist der Einsatz von intelligen-
schnittlich mehr als 50 % der Österrei-      samte Arbeitsabläufe (z.B. Fütterung)        ten und vernetzten Digitalisierungstools,
cherinnen und Österreicher Digital Nati-     automatisiert werden und auch Her-           gemessen am hohen Potenzial auf Öster-
ves sein. Damit steigt auch der Anteil an    denmanagement wird möglich. Daten            reichs landwirtschaftlichen Betrieben,
Landwirtinnen und Landwirten, für die        wie Fressverhalten und Bewegungspro-         stark ausbaufähig.
der Einsatz von digitalen Technologien       file werden gesammelt, welche eine
und Konzepten wie z.B. Precision und         zuverlässige Ableitung des Wohlbefin-
Smart Farming Normalität sein wird.          dens des Tieres zulassen. Auf Stress,
                                             Erkrankungen etc. kann dadurch früh-          Smart Farming in Österreich
   Schon heute findet Precision Farming
(Präzisionslandwirtschaft) und die daraus    zeitig und gezielt reagiert werden.
resultierende Nutzung relevanter Infor-         Sowohl Precision als auch Smart            - 6% der Landwirtinnen und Landwirte
mationen (z.B. Wetterdaten und Satelli-      Farming bergen großes Innovationspo-            nutzen Precision Farming-Systeme
ten- und Luftbilder), um die Bewirt-         tenzial, weil sie bei professionellem Ein-    - Auf 3 % der Betrieben 50 ha Acker-
Einzug in den landwirtschaftlichen Alltag.   censchonenderen Produktion von Le-              fläche werden Precision Farming-
Kein Feld oder Wiese ist einheitlich in      bensmittel beitragen und gleichzeitig           Systeme
Bezug auf Bodenbeschaffenheit, Nähr-         langfristig Kosten senken können.
                                                                                           - 13% aller Ackerflächen werden mit
stoffgehalt und Pflanzenbestand. Daten-          Darüber hinaus bilden sich durch die        GPS-gesteuerter Technologie bewirt-
gestützt können Landwirtinnen und            digitale Transformation neuartige Netz-         schaftet
Landwirte beispielsweise entscheiden,        werke, welche den Dialog und die Zu-
welche Felder wie gedüngt werden, so-                                                      - Haupteinsatzgebiete sind Saat-, Dün-
                                             sammenarbeit zwischen den unter-
gar eine punktgenaue Düngung ist so                                                          ge– oder Pflanzenschutzkarten (ca.
                                             schiedlichen Akteurinnen und Akteuren
möglich. Smart Farming (auch als Land-                                                       41%) und Parallelfahreinrichtungen
                                             erleichtern. Innovative Vertriebs- und
                                                                                             (23%)
- 10 -

  Innovationstreiber 3:
  DER VORANSCHREITENDE
  KLIMAWANDEL

                                                                                        auch zum Klimawandel bei, insbesondere
Die Landwirtschaft steht in Bezug auf Klimawandel gleich vor einer doppelten
                                                                                        durch die Emission von Methan und
Herausforderung: Einerseits ist sie selbst stark von den veränderten Klimabedin-
                                                                                        Lachgas, die v.a. bei der Tierzucht entste-
gungen (z.B. Ernteausfälle durch Frost) betroffen, andererseits trägt sie durch die
                                                                                        hen. Methan hat im Vergleich zu CO2
Emission klimaschädlicher Gase auch zum Klimawandel bei.
                                                                                        eine 21-fache Treibhauswirkung, Lachgas
                                                                                        sogar eine knapp 300-fache Wirkung.
                                                                                        Insgesamt sind 10% aller klimaschädli-
Die Auswirkungen des vom Menschen             an die sich verändernden Umweltbedin-     chen Treibhausgase (THG), die Öster-
verursachten Klimawandels auf die Land-       gungen ist daher dringend erforderlich.   reich 2016 emittiert hat, der Landwirt-
wirtschaft sind zahlreich und mitunter        Denn die Auswirkungen des Klimawan-       schaft zuzuordnen. Die Zielsetzung des
folgenschwer: Zunehmende Extrem-              dels sind nicht nur ökologisch, sondern   EU Klima- und Energiepakets sieht vor,
wetterereignisse und eine Verschiebung        durch Ernteausfälle und steigenden        dass Österreich bis 2030 seine gesamten
der Vegetationsperioden führen zu enor-       Ressourceneinsatz vor allem auch öko-     THG-Emissionen um mindestens 40% (im
men Frost-, Hagel- und Starkregenschä-        nomisch von hoher Relevanz für die        Vergleich zu 1990) senkt. Im Interesse
den. Allein im Jahr 2017 beliefen sich die    Landwirtinnen und Landwirte und die       der Gesamtgesellschaft und zum nach-
Frostschäden der österreichischen Land-       gesamte Volkswirtschaft. Umgekehrt        haltigen Erhalt der Arbeitsgrundlage des
wirtschaft auf ca. 70 Millionen Euro.         könnten einige Betriebe— je nach Regi-    Sektors wird es notwendig sein, langfris-
Auch die durch den Klimawandel entste-        on— das veränderte Klima für den An-      tig auf klimafreundlichere und ressour-
henden höheren Temperaturen und ver-          bau und Verarbeitung neuer Sorten und     censchonendere Bewirtschaftungsme-
änderte Niederschlagsmuster, also: weni-      Produkte nutzen.                          thoden umzustellen, um einen wesentli-
ger Regen, schmälern den Ernteertrag                                                    chen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels
                                                 Die Landwirtschaft selbst trägt aber
wesentlich und erhöhen die Wahrschein-                                                  zu leisten.
lichkeit kurzfristiger Ernteausfälle und
langfristiger Produktionsrückgänge. Zu-                                                                     Quelle: Umweltbundesamt
                                              Anteil THG-Emissionen 2016
nehmende Hitzeperioden führen außer-
dem zu Problemen wie z.B. Wasser-
knappheit, Hitzestress für Tiere, verstärk-
tes Unkrautwachstum und Schädlingsbe-
fall, insbesondere durch gebietsfremde
Arten (Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroor-
ganismen), sogenannten Neobiota. Ein
höherer Ressourceneinsatz ist die Folge.
   Fest steht: Die bäuerlichen Betriebe
werden sich auf zunehmend schwieriger
werdende klimatische Rahmenbedingun-
gen einstellen müssen. Eine Anpassung
- 11 -

 Innovationstreiber 4:
 GLOBALER HANDEL MIT
 LEBENSMITTELN

                                                                                          Relativ gering ist die Selbstversor-
Die Landwirtschaft ist durch die offenen Märkte längst ein globales Geschäft ge-
                                                                                       gungsquote in Österreich jedoch insbe-
worden. Dies eröffnet neue Wertschöpfungschancen, jedoch setzen große Kon-
                                                                                       sondere bei Obst, Gemüse, Kaffee, Tee
kurrenz und billige Preise am Weltmarkt die heimische Landwirtschaft zuneh-
                                                                                       und Fisch.
mend unter Druck.
                                                                                           Generell hat sich durch den globalen
                                                                                       Lebensmittelhandel das Sortiment im
Die fortschreitende Globalisierung macht   und Produzenten, die durch niedrige         Supermarkt grundlegend verändert. Gab
auch vor der Landwirtschaft nicht Halt.    Preise zunehmend unter Druck geraten.       es bestimmte Lebensmittel nur in der
Produkte müssen mittlerweile internatio-   Prominentes Negativbeispiel der Volati-     Saison, z.B. in den wärmeren Monaten
nal wettbewerbsfähig sein. Aktuell kann    lität offener Agrarmärkte ist die Ent-      des Jahres, sind frische Erdbeeren, Spar-
die österreichische Landwirtschaft auf     wicklung des Milchpreises. Aufgrund         gel und Tomaten mitten im Winter heute
den Weltmarkt nicht mehr verzichten:       der beständigen Überproduktion im           zu einer Selbstverständlichkeit für Kon-
Zum einen werden viele agrarische Pro-     europäischen Raum sinkt der Preis für       sumentinnen und Konsumenten gewor-
dukte und Lebensmittel exportiert, zum     einen Liter Milch stetig. Diese Entwick-    den. Das bedeutet aber auch, dass diese
anderen ist Österreich stark auf impor-    lung wirkt sich gerade auf kleinere und     Waren zwangsläufig aus dem Ausland
tierte Rohstoffe und Produkte angewie-     mittlere Betriebe existenzbedrohend         importiert werden müssen und ein gro-
sen. Die Importe überstiegen 2016 den      aus. Seit dem EU-Beitritt (1995) hat sich   ßer Teil der Wertschöpfung ins Ausland
Wert der Exporte um 1,01 Mrd. EUR.         Zahl der Milchviehbetriebe innerhalb        geht. Darüber hinaus haben Lebens-
                                           von 10 Jahren um mehr als die Hälfte        mittel oftmals lange Transportwege hin-
   Fest steht, der internationale Handel
                                           reduziert, von ca. 78.000 auf rd. 31.000    ter sich, bis sie in Österreich ankommen,
mit Lebensmitteln boomt – oftmals zum
                                           Betriebe (2015).                            was die Umwelt bzw. das Klima erheblich
Nachteil der heimischen Produzentinnen
                                                                                       belasten.

                                                                                                              Quelle: Statistik Austria
- 12 -

SWOT-ANALYSE
der österreichischen Landwirtschaft in Hinblick
auf Wertschöpfung durch Innovation

    Stärken                                                              Schwächen

 -     Besitz von Grund und Boden, welcher bewirt-                       -    Hohe Abhängigkeit von Weltmarktpreisen
       schaftet werden kann                                              -    Konzentrierter Lebensmitteleinzelhandel
 -     Agile landwirtschaftliche Betriebe                                -    Relativ geringe Wertschöpfungstiefe bei einem
 -     Landwirtschaftliche Lebensmittel weisen im                             Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe
       EU-Vergleich hohe Qualität auf                                    -    Fehlende nachhaltige Klimaanpassungsstrategien
 -     Konsumentinnen und Konsumenten vertrauen                               auf einzelbetrieblicher Ebene
       auf die Qualität der österreichischen Lebensmittel                -    Fehlende nachhaltige Entrepreneurship Education
 -     Verfügbare Beratung und Aus- und Weiterbildung                         bei den Landwirtinnen und Landwirten
       der Landwirtinnen und Landwirte, auch in Hinblick                 -    Fehlende Orientierung an heutigen bzw. künftigen
       auf Innovation                                                         Marktbedürfnissen
 -     Geringes Durchschnittsalter der österreichischen                  -    Wenig Verbindung zwischen Landwirtschaft und
       Landwirtinnen und Landwirte                                            Konsumentinnen und Konsumenten

Chancen                                                                  Herausforderungen

-     Vielfältige Möglichkeiten der Diversifizierung                 -       Klimawandel führt u.a. zu einer Zunahme von
      aufgrund der unterschiedlichen agrarischen                             Extremwetterereignissen, die sich negativ auf die
      Gegebenheiten                                                          Ernteerträge auswirken
-     Gut vermarktbare Position der österreichischen                 -       Verschärfung des globalen Wettbewerbs -
      Landwirtinnen und Landwirten, z.B. familiäre                           Österreich muss zunehmend gegenüber Lebens-
      kleine Betriebe und attraktive Landschaft                              mittelimporten behaupten
-     Systematische Entwicklung und Nutzung von                      -       Hohe Abhängigkeit vom Lebensmitteleinzelhandel,
      digitalen Instrumenten für effizienteren                               hohe Listungsgebühren und gleichzeitig fehlende
      Ressourceneinsatz bei gleichzeitig weniger Umwelt-                     Abnahmegarantien
      belastung und erhöhter Transparenz für die Konsu-              -       Gefangenheit der Landwirtinnen und Landwirte zwi-
      mentinnen und Konsumenten                                              schen Tradition und Digitalisierung
-     Digitale Transformation eröffnet neue Möglichkeiten            -       Oftmals zurückhaltende Kooperationsbereitschaft
      einer fairen und partnerschaftlichen                                   der Landwirtinnen und Landwirte
      Zusammenarbeit entlang des Wertschöpfungspro-
                                                                     -       Strukturelle und mentale Barrieren hemmen spar-
      zesses
                                                                             ten-, branchen- und sektorübergreifende Zusam-
-     Veränderte Ernährungsgewohnheiten der                                  menarbeit
      Konsumentinnen und Konsumenten, z.B. Wunsch
                                                                     -       Mangelndes Wissen und Fähigkeiten über die
      nach regionalen Lebensmitteln
                                                                             systematische und zielgerichtete Einbindung von
-     Gut ausgebildete, innovative Erwachsene, welche                        „unüblichen“ Akteurinnen und Akteuren in das
      aus bäuerlichen Familien stammen, möchten                              Wertschöpfungssystem
      wieder in der Landwirtschaft tätig sein
                                                                     -       Geringe Risikobereitschaft erschwert Innovation und
                                                                             Veränderung
- 13 -

 Wo ergeben sich Ansatzpunkte für mehr Innova-
 tion in der Landwirtschaft?
 INNOVATIONSFELDER
 Um auch 2025 und darüber hinaus noch wettbewerbsfähig zu sein, muss die
 österreichische Landwirtschaft die Veränderungen, die von den vier identifi-
 zierten Innovationstreiber ausgehen, als Chancen für wertschöpfende Innova-
 tionen nutzen.

Doch wie sehen wertschöpfende Innova-                        Neue Formen der                            Neue Formen der Bewirtschaftung
                                                   1.                                              2.
tionen aus? Unter Berücksichtigung der                       Zusammenarbeit                             und Verarbeitung
wesentlichen gesellschaftlichen Trends             1.1. Systematische Zusammenarbeit               2.1. Innovative ressourcenschonende
und Entwicklungen wurden vier wesentli-            mit anderen landwirtschaftlichen                Bewirtschaftungskonzepte und
che Hebel identifiziert, die sowohl für            Betrieben                                       -methoden
sich alleine als auch in Kombination Po-
                                                   1.2. Kooperative Lebensmittelver-               2.2. Verarbeitung des gesamten
tenzial für neue Wertschöpfung bergen:
                                                   marktung an Konsumentinnen und                  Urproduktes im Sinne der Kreis-
Organisatorische Innovationen und Be-
                                                   Konsumenten                                     laufwirtschaft
wirtschaftungs- und Produktinnovationen.
       Es wurden insgesamt vier Innova-            1.3. Neuartige Kooperationen mit
tionsfelder inklusive fünf Sub-                    Verarbeitungsbetrieben und                           Neue Pflanzliche Produkte aus
                                                   „unüblichen“ Abnehmerinnen und                  3.   regionalem Anbau
Innovationsfeldern abgeleitet, die Chan-
cen für neuartige Lösungen aufweisen.              Abnehmern
Die Innovationsfelder adressieren sowohl
                                                                                                        Neue Tierische Produkte mit ho-
das „Wie“ als auch das „Was“ der Wert-                                                             4.
                                                                                                        hem Tierwohl
schöpfung, das sich verändern muss:

Akteurinnen und Akteure im neuen Wertschöpfungssystem der Lebensmittelpro-
                                                                                                  Insbesondere neue Formen der Zusam-
duktion
                                                                                                  menarbeit durch Netzwerke wird in Zu-
                                                                                                  kunft noch mehr Bedeutung zukommen,
                                                                                                  denn starre Wertschöpfungsketten wie
                                                                                                  noch vor 20 Jahren gibt es nicht mehr.
                                                                                                  Vielmehr hat sich die Wertschöpfung
                                                                                                  von bäuerlichen Lebensmitteln zu einem
                                                                                                  komplexen Wertschöpfungssystem mit
                                                                                                  bekannten, aber auch völlig neuen Ak-
                                                                                                  teurinnen und Akteuren entwickelt
                                                                                                  (siehe Abbildung). Durch systematische
                                                                                                  Kooperation und zielgerichtete Partner-
                                                                                                  schaften, die insbesondere durch die
                                                                                                  Digitalisierung erleichtert werden, kön-
      Landwirt/in               Verarbeiter/in (z.B. Köch/          „Unübliche“ Akteur/in (z.B.   nen Synergien besser genutzt und Grö-
                                innen, Bäcker/innen)                Start-ups, Food Coops)        ßen- bzw. Mengeneffekte erreicht wer-
       Konsument/in             Handel                                                            den, bei gleichzeitiger Entlastung der
                                                                                                  bäuerlichen Betriebe.
- 14 -

 Innovationsfeld 1:
 NEUE FORMEN DER
 ZUSAMMENARBEIT
 Ohne Kooperation wird es kleinen wie großen bäuerlichen Betrieben künftig
 nur sehr schwer gelingen, in einem digitalen, globalisierten Zeitalter zu pros-
 perieren. Digitale Tools wie z.B. online Plattformen eröffnen für Landwirtinnen
 und Landwirte völlig neue Möglichkeiten für zielgerichteten Austausch und
 Zusammenarbeit mit anderen Akteurinnen und Akteuren.

Die Rahmenbedingungen für die land-
wirtschaftliche Produktion werden un-
ter anderem durch neue gesetzliche
Regulierungen, den Klimawandel und
schwankende Marktpreise schwieriger.
   Immer mehr bäuerliche Betriebe
können nicht mehr von ihren Einnah-
men leben. Sie wechseln deshalb ent-
weder in den Nebenerwerb (aktuell
werden 55% aller Betriebe in Öster-
reich im Nebenerwerb bewirtschaftet)                                                 doch völlig neue Tools und Kanälen als
                                           Umso wichtiger wird es für die land-
oder lassen den landwirtschaftlichen                                                 bisher für die Kommunikation und Ko-
                                           wirtschaftlichen Betriebe, sich laufend
Betrieb gänzlich auf. Zum Zeitpunkt des                                              operation zur Verfügung, sowohl zwi-
                                           innerhalb als auch über den eigenen
EU-Beitritts (1995) gab es noch um                                                   schen einzelnen Betrieben als auch z.B.
                                           Sektor hinaus systematisch zu vernet-
rund ein Drittel mehr bäuerliche Betrie-                                             mit Abnehmerinnen und Abnehmern.
                                           zen und gezielt Kooperationen einzu-
be als heute. Obwohl die verbleiben-                                                 Intelligent genutzt können neue Tech-
                                           gehen.
den Betriebe im Durchschnitt immer                                                   nologien der Motor von Organisation-
größer werden (1995: 31,5 ha; 2016             Überbetriebliche Zusammenarbeit       sinnovationen (z.B. im Bereich Ver-
45,7 ha), ist die österreichische Land-    ist in der Landwirtschaft kein Novum      marktung) sein und so neue Wert-
wirtschaft im internationalen Vergleich    per se (Stichwort: Genossenschaften       schöpfungspotenziale für bäuerliche
immer noch kleinstrukturiert.              und Maschinenringe). Durch die Digi-      Betriebe eröffnen.
                                           talisierung stehen den Betrieben je-

Veränderung durch neue Formen der Zusammenarbeit
                                                                                      Überblick über neue Formen der Zu-
                                                                                      sammenarbeit
                                                                 ZUKUNFT
                                                      Dynamisches Ökosystem ge-      1.1 Systematische Zusammenarbeit mit
                                                      prägt von Kooperation und          anderen landwirtschaftlichen Be-
                                                        neuen Partnerschaften            trieben
 STATUS QUO                                                                          1.2 Kooperative Lebensmittelvermark-
                                                                                         tung an Konsumentinnen und Kon-
  Starre Wertschöpfungskette,                                                            sumenten
  wenig systematische Zusam-                                                         1.3 Neuartige Kooperationen mit Verar-
          menarbeit                                                                      beitungsbetrieben und „unüblichen“
                                                                                         Abnehmerinnen und Abnehmern
- 15 -

 1.1 Systematische Zusammenarbeit mit anderen land-                                      Pramoleum
 wirtschaftlichen Betrieben
                                                                                         2010 haben sich fünf Landwirte aus
                                                                                         dem Innviertel zusammengeschlossen,
                                                                                         um den Ölkürbis als alternative Frucht
Auch vermeintlich konkurrierende Betrie-         Darüber hinaus wird der Wissens-        in der Region zu etablieren und hoch-
be können von systematischen Koopera-        austausch der Partnerinnen und Partner      wertiges Kürbiskernöl zu produzieren
tionen (z.B. in Form von Anbau- und Ver-     untereinander angeregt. Viele Landwir-      und zu vermarkten. Inzwischen stellen
sorgungsgenossenschaften, Produktions-       tinnen und Landwirte haben sich durch       auch Mohn, Quinoa, Amaranth und
gemeinschaften) in vielfacher Weise pro-     ihre Erfahrungen am Feld oder im Stall      Kümmel für die Vertragsbäurinnen und
                                                                                         –bauern eine gute Alternativen dar.
fitieren: Gemeinschaftlich können bei-       über viele Jahre hinweg umfangreiches
                                                                                         Durch diese erweiterte Produktpalette
spielsweise größere Produktionsmengen        (Spezial-) Wissen angeeignet, von dem       zählen mittlerweile auch Gastronomie-
erreicht und eine höhere Produktvielfalt     auch andere Landwirtinnen und Land-         betriebe und Hotels zu den Abneh-
angeboten werden, bei gleichzeitiger         wirte lernen können—Peer-Learning.          mern von Pramoleum. Darüber hinaus
Entlastung der einzelnen Betriebe. Ar-       Innovative Ideen und Ansätze können         betreibt die Genossenschaft einen On-
beitsschritte können entsprechend den        sich so innerhalb einer Kooperation         line-Shop für den Direktvertrieb an
individuellen Kompetenzen und Interes-       gegenseitig befruchten. Im Idealfall        Konsumentinnen und Konsumenten.
sen der Beteiligten aufgeteilt werden.       können gemeinsam neue Prozess- oder
Auch übergreifende Prozesse wie z.B.         Produktinnovationen entwickelt wer-          www.pramoleum.eu
Einkauf und Logistik können – unterstützt    den, die allen Beteiligten zugute kom-
durch digitale Programme und Plattfor-       men.
men – professionell gebündelt werden.

 KochCampus                                   1.2 Neuartige Kooperationen mit Verarbeitungsbetrieben und
                                              „unüblichen“ Abnehmerinnen und Abnehmern
 2017 zählte der gemeinnützige Verein
 45 Mitglieder. Die meisten sind Köche,
 Gastronomen und landwirtschaftliche         Direkte Kooperationen mit Verarbeiterin-    ren auch die Gäste. Digitale Tools, wie
 Betriebe.                                   nen und Verarbeitern wie z.B. Bäckereien    z.B. online Bestellsysteme, können bei
 Gemeinsam verfolgen sie das Ziel die        und Fleischereien können neue Innovati-     der Logistik helfen.
 österreichische Küche weiterzuentwi-
                                             ons- bzw. Wertschöpfungspotenziale              Darüber hinaus ist mit den Food-
 ckeln und die Zusammenarbeit entlang
 der Wertschöpfungskette (v.a. Land-         eröffnen. Durch mehr Nähe und Aus-          Start-ups (= junge Unternehmen mit
 wirtschaft, Gastronomie, Tourismus) zu      tausch wissen landwirtschaftliche Betrie-   einer innovativen Geschäftsidee im Be-
 intensivieren.                              be besser über die Wünsche und Anfor-       reich Lebensmittel), die es seit einigen
 Regionale Lebensmittel sowie Sorten-        derungen der Verarbeitungsbetriebe          Jahren vermehrt in Österreich gibt, eine
 vielfalt spielen für alle Mitglieder eine   Bescheid und können entsprechend dem        völlig neue Zielgruppe für die Landwirt-
 zentrale Rolle. Einsatzmöglichkeiten        tatsächlichen Bedarf produzieren.           schaft entstanden: für Urprodukte (z.B.
 von neuen und alten Nutzpflanzen und
 Nutztieren in der Gastronomie werden           Ähnliches gilt für die Zusammenarbeit    Gemüse und Fleisch für Koch-
 gemeinsam erprobt. Intensive Abstim-        mit Gastronomiebetrieben, Hotels und        Lieferboxen oder Obst für die Ciderpro-
 mung zwischen Produzentinnen, Pro-          Anbieterinnen und Anbietern von Ge-         duktion), aber auch für Produktions-
 duzenten, Gastronominnen und Gast-          meinschaftsverpflegung. Durch laufen-       überschüsse, die normalerweise nicht
 ronomen führen dazu, dass exakt ent-        den Austausch zwischen landwirtschaftli-    verkauft werden können. Einige Start-
 sprechend dem Bedarf produziert wird        cher Produktion und den Abnehmerin-         ups fokussieren nämlich gezielt auf die
 und Innovationen gemeinsam entste-          nen und Abnehmern wird es möglich, die      Reduktion von Lebensmittelabfällen.
 hen.                                        Menüplanung viel flexibler dem aktuellen    Durch gezielte Zusammenarbeit können
                                             Angebot anzupassen, was für mehr Fri-       hier Vorteile für beide Seiten entstehen
  www.kochcampus.at
                                             sche und Qualität sorgt – davon profitie-   und Abfall kann reduziert werden.
- 16 -

                                                                                         terreich.
 1.3 Kooperative Lebensmittelvermarktung an Konsumentin-                                 Zusammengefasst gibt es aufgrund der
 nen und Konsumenten                                                                     Nachfrage von Seiten der Gesellschaft
                                                                                         und den Möglichkeiten der Digitalisie-
                                                                                         rung für Betriebe viele innovative und
                                                                                         kreative Wege, mit Konsumentinnen und
Mehr und mehr Konsumentinnen und              schaftliche Ansätze wie beispielsweise     Konsumenten in Kontakt zu treten und
Konsumenten legen Wert darauf, dass           Solidarische Landwirtschaft (kurz: SoLa-   Erzeugnisse direkt zu vermarkten.
die Lebensmittel, die sie essen, aus Ös-      Wi) oder Gemeinsam Landwirtschaften
terreich – im Idealfall sogar aus der eige-   (GELA). Derartige Betriebe wirtschaften
nen Region – stammen und sind teilwei-        nach den Prinzipien von Community-          myAcker
se offen für Bezugsquellen abseits des        Supported-Agriculture, d.h. der Hof
Supermarkts. Gleichzeitig eröffnen digita-    versorgt eine Gruppe von Konsumentin-
le Technologien wie online Plattformen        nen und Konsumenten ein Jahr lang mit       myAcker ermöglicht es Konsumentin-
und Soziale Netzwerke für Landwirtinnen       seinen Erzeugnissen, im Gegenzug de-        nen und Konsumenten selbst zu Land-
und Landwirte neue Wege der Direktver-        cken diese die gesamten Kosten. Das         wirtinnen und Landwirten werden –
marktung abseits der „Klassiker“ Ab-Hof-      Risiko von Ernteausfälle wird von der       und zwar online. Auf
Verkauf und Bauernmarkt an Konsumen-          gesamten Gemeinschaft getragen. Oft-        www.myacker.com kann im Internet
tinnen und Konsumenten. Dazu zählen           mals arbeiten Konsumentinnen und            ein eigener Garten gemietet werden,
u.a. bäuerliche Zustellservices, die Le-      Konsumenten auch am Betrieb mit und         in dem Gemüse angebaut und bewirt-
                                                                                          schaftet werden kann. Über das Smart-
bensmittel direkt vor die Haustüre liefern    bestimmen sogar mit, welche Produkte
                                                                                          phone oder den Laptop kann der Zu-
– oft in Form eines Abos (z.B. wöchentli-     erzeugt werden.                             stand des Gemüses live verfolgt wer-
che Lieferung). Bestellt wird meist über         Im Fleischbereich können Konsu-          den. Der Clou an der ganzen Sache:
die Website des Betriebs. Soziale Netz-       mentinnen und Konsumentin sich bei-         Das Gemüse wird tatsächlich auf ei-
werke eröffnen darüber hinaus auch            spielsweise mittels Aktien an der Tier-     nem Acker in Oberkärnten angebaut.
neue Möglichkeiten, sich direkt mit Kon-      haltung beteiligen und erhalten ihre        Nach der Ernte erhalten die Konsu-
sumentinnen und Konsumenten auszu-                                                        mentinnen und Konsumenten ihre
                                              Rendite in Form von Fleisch oder Milch-
tauschen und die Bekanntheit des eige-                                                    „selbstangebauten“ Lebensmittel frisch
                                              produkten.                                  und regional vor die Haustüre geliefert.
nen Betriebes zu steigern. Anstelle eines
eigenen Webshops können Erzeugnisse               Eine weitere Möglichkeit der Direkt-
                                              vermarktung bieten Partnerschaften          www.myacker.com
z.B. auch über Vermarktungsplattformen
im Sinne eines „Online-Bauernmarkts“          mit Foodcoops, die ihre Lebensmittel
vermarktet und verkauft werden.               direkt beziehen möchten. Mittlerweile
                                              gibt es rund 60 Foodcoops in ganz Ös-
Noch einen Schritt weiter gehen partner-

 La Louve

 Der erste kooperative Supermarkt Eu-
 ropas hat in Paris die Türen geöffnet.
 Die Gründerinnen und Gründer waren
 unzufrieden mit dem existierenden
 Angebot in den französischen Super-
 märkten und haben daher einen Su-
 permarkt entsprechend den eigenen
 Vorstellungen und Bedürfnissen entwi-
 ckelt.
 Die Genossenschaft sieht vor, dass alle
 Mitglieder verbindlich min. 3 Stunden
 pro Monat im Supermarkt arbeiten.
 Dadurch können v.a. Personalkosten
 minimiert werden und Lebensmittel
 werden rund 20% günstiger abgegeben
 als üblich. Darüber hinaus sind die Le-
 bensmittel auch überwiegend aus bio-
 logischem Anbau und ohne Verpa-
 ckung.

 www.cooplalouve.fr
- 17 -

 Innovationsfeld 2:
 NEUE FORMEN DER BEWIRT-
 SCHAFTUNG UND
 VERARBEITUNG
 Angesichts der weltweit immer knapper werdenden biologischen Ressourcen
 (z.B. Wassermangel, Bodenverlust) wird es sowohl aus ökonomischer als auch
 ökologischer Sicht für bäuerliche Betriebe immer wichtiger, effiziente und
 nachhaltige Bewirtschaftungskonzepte und -methoden zu implementieren
 und Abfälle zu vermeiden.

Nachhaltige, ressourcenschonende Be-
wirtschaftung ist eigentlich kein neues
Konzept für die Landwirtschaft. Früher
wurden auf vielen Betrieben z.B. nur so
viele Tiere am Hof gehalten, wie auch
Futter am eigenen Hof zur Verfügung
war, Saatgut wurde nach der Ernte bei-
seitegelegt und wieder angebaut.
     Aus unterschiedlichen Gründen sind        Neuartige Bewirtschaftungs-, Verarbei-    „öko“. Im Gegenteil, Nachhaltigkeit ge-
diese Wirtschaftsweisen jedoch in den          tungskonzepte und technologische          winnt auch für die breite Masse der Kon-
Hintergrund gerückt, oftmals zu Lasten         Möglichkeiten eröffnen hier neue Chan-    sumentinnen und Konsumenten immer
der Umwelt und des Klimas und dadurch          cen, durch geringen Ressourceneinsatz     mehr an Bedeutung. Ein ökologisch
der Gesamtgesellschaft. Der voranschrei-       und eine Reduktion von Abfällen Wert-     nachhaltiger Umgang wird von Seiten
tende Klimawandel und der Verlust der          schöpfung in der Landwirtschaft zu ge-    der Gesellschaft immer stärker gefor-
Biodiversität sind nur zwei Beispiele da-      nerieren.                                 dert. Das hat auch der Lebensmittelein-
für, jedoch illustrieren sie, dass ein Wirt-                                             zelhandel bereits erkannt und reagiert
schaften wie in den vergangenen Jahr-             Themen wie Verschwendung von
                                                                                         mit Initiativen wie „Blühendes Öster-
zehnten langfristig nicht mehr möglich         Ressourcen, Bodenfruchtbarkeit, Bio-
                                                                                         reich“ und „Bio vom Berg“.
ist. Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen        diversität und Kreislaufwirtschaft sind
muss wieder in den Vordergrund rücken.         schon lange nicht mehr „nischig“ und

Veränderung durch neue Formen der Bewirtschaftung und Verarbeitung
                                                                                          Überblick über neue Formen der
                                                                                          Bewirtschaftung und Verarbeitung
                                                                      ZUKUNFT
                                                          Nachhaltiger Ressourcenein-
                                                                                         2.1 Innovative ressourcenschonende
                                                           satz und gesellschaftliche
                                                                                             Bewirtschaftungskonzepte und
                                                                Verantwortung                -methoden
 STATUS QUO                                                                              2.2 Verarbeitung des gesamten
                                                                                             Urproduktes im Sinne der Kreis-
   Produktions– und Effizienz-                                                               laufwirtschaft
   steigerung im Vordergrund
- 18 -

                                                                                          storben.
 2.1 Innovative ressourcenschonende Bewirtschaftungskon-                                      All diese Entwicklungen wirken sich
 zepte und -methoden                                                                      langfristig negativ auf die Ertragsfähig-
                                                                                          keit der Landwirtschaft aus, weshalb
                                                                                          dringend Bedarf nach innovativen, res-
                                                                                          sourcenschonenden Bewirtschaftungs-
Der Boden leistet der Landwirtschaft         stanzen in den Böden wirken sich nega-
                                                                                          konzepten und -methoden besteht. Ins-
zahlreiche Dienste wie z.B. die Filterung    tiv auf die Bodenqualität aus.
                                                                                          besondere Landwirtschaft 4.0 bzw. neu-
und Speicherung von Wasser und Bereit-
                                             Eine weitere essenzielle Ressource der       artige Technologien generell eröffnen
stellung von Nährstoffen. Für die land-
                                             Landwirtschaft ist Wasser. Aktuelle Stu-     hier beträchtliche Innovationspotenziale,
wirtschaftliche Lebensmittelproduktion
                                             dien besagen, dass die Landwirtschaft        z.B. im Bereich Düngung oder Bewässe-
ist ein fruchtbarer Boden Überlebens-
                                             von immer ausgeprägteren und länge-          rung. Auch die (Wieder-) Entdeckung
grundlage, dennoch sind Bodenqualität
                                             ren Trockenheit- und Dürreperioden           heimischer, alter und saisonaler Sorten
und –quantität zunehmend gefährdet.
                                             bedroht wird und die wertvolle Res-          bzw. Arten eröffnet sowohl im Pflanzen-
Laut dem Bodenatlas 2015 gehen in Ös-
                                             source Wasser in Österreich saisonal         bau als auch in der Tierhaltung Chancen,
terreich immer mehr Böden verloren:
                                             knapp werden wird.                           da sie nicht nur zum Erhalt der geneti-
Täglich werden 24 Fußballfelder verbaut
                                                                                          schen Ressourcen beitragen, sondern
bzw. versiegelt. Vor allem landwirtschaft-       Der Verlust der Biodiversität ist dra-
                                                                                          oftmals angepasster an die Wetterbedin-
liche Flächen werden zunehmend von           matisch: Aufgrund von Industrialisie-
                                                                                          gungen und somit widerstandsfähiger
z.B. privaten Wohnhäusern und Gewer-         rung und Globalisierung der Landwirt-
                                                                                          sind.
beflächen verdrängt. Darüber hinaus sind     schaft sind in den letzten Jahrzehnten
Österreichs Böden bedroht von Erosion,       immer mehr heimische, saisonale und              Ergebnisse der agrarwissenschaftli-
Verdichtung, Versalzung und Verunreini-      alte Getreide, Gemüse-, Obstsorten           chen Forschung, die z.B. im Rahmen der
gungen. Auch fehlende organische Sub-        verschwunden und Tierrassen ausge-           Europäische Innovationspartnerschaft
                                                                                          für landwirtschaftliche Produktivität und
                                                                                          Nachhaltigkeit (EIP-AGRI) generiert wer-
                                                                                          den, können z.B: Hilfestellungen für be-
                                                                                          triebliche Weiterentwicklung bieten.
                                                                                          Voraussetzung dafür ist aber ein verbes-
                                                                                          serter Austausch zwischen landwirt-
                                                                                          schaftlicher Forschung und Praxis.

                                                                                           EIP-AGRI zu Getreidepopulationen

                                                                                           In Hessen befasst sich eine Europäische
                                                                                           Innovationspartnerschaft (EIP-AGRI) mit
                                                                                           der Entwicklung und dem Anbau von
                                                                                           standortangepassten Getreidepopulatio-
                                                                                           nen. Die Auswirkungen des Klimawandels
                                                                                           sind die Kernherausforderung, welche die
                                                                                           Operationelle Gruppe, bestehend aus
                                                                                           Akteurinnen und Akteuren entlang der
                                                                                           Wertschöpfungskette (4 landwirtschaftli-
                                                                                           che Betriebe, 1 Mühle, 1 Forschungsein-
                                                                                           richtung und 1 Vermarkter) gemeinsam
                                                                                           adressieren möchten.
                                                                                           Dieser Herausforderung begegnet die
                                                                                           Gruppe mit dem Erhalt und der Förde-
                                                                                           rung von Biodiversität in der Landwirt-
                                                                                           schaft. Gemeinsam entwickelt die Gruppe
                                                                                           Getreidepopulationen, welche ökologi-
                                                                                           sche (z.B. höhere Resistenz gegenüber
                                                                                           Wetterereignissen) und ökonomische
                                                                                           Vorteile (z.B. Ertragsstabilität) für die
                                                                                           landwirtschaftlichen Betriebe aufweisen.
                                                                                           Ein Marketingkonzept wird entwickelt,
                                                                                           um die Akzeptanz bei den Konsumentin-
                                                                                           nen und Konsumenten für die neuen Pro-
                                                                                           dukte sicherzustellen.

                                                                                           www.ec.europa.eu/eip/agriculture/
- 19 -

                                                                                         che Nutzung gibt, ist Fleisch. Die Öster-
 2.2 Verarbeitung des gesamten Urproduktes im Sinne                                      reicherinnen und Österreicher greifen
 der Kreislaufwirtschaft                                                                 überwiegend zu den Edelteilen des Tiers
                                                                                         (z.B. Filet, Karree), während Innereien
                                                                                         und Ähnliches kaum mehr serviert bzw.
                                                                                         verkauft werden. Schweinsrüssel, -ohren
2017 wurde in einer Studie festgestellt,         Dies ist für landwirtschaftliche Be-    und -füße landen im Müll oder werden
dass in der österreichischen Lebens-         triebe insbesondere aus ökonomischer        im besten Fall – verbunden mit Aufwand
mittelproduktion jährlich 1.459.800 Ton-     Sicht von Relevanz. Beispielsweise sorgt    und Kosten – nach China oder in andere
nen an vermeidbaren Lebensmittelabfäl-       das Nicht-Erfüllen der strengen Ver-        asiatische Länder exportiert. Eine Alter-
len (8%) und organischen Nebenproduk-        marktungsnormen in Österreich dafür,        native dazu bietet der „Nose-to-Tail“-
ten (92%) anfallen. Bei Konsumentinnen       dass noch genießbare Lebensmittel aus       Ansatz: Aus Respekt vor den Tieren wird
und Konsumenten entsteht zunehmen-           der Landwirtschaft in großen Mengen         die restlose Verwertung aller Teile ange-
des Bewusstsein für die Verschwendung        im Müll landen und somit den Landwir-       strebt. Vereinzelt gibt es bereits Gastro-
von Lebensmitteln und anderen Ressour-       tinnen bzw. Landwirten direkte Wert-        nomiebetriebe, die (wieder) so kochen.
cen. In den letzten Jahren sind zahlreiche   schöpfung verloren geht. Mit den Men-       Diese positive Entwicklung gilt es durch
Initiativen entstanden, die sich mit der     gen an Abfall kann nicht kostendeckend      innovative Vermarktungs- und Verkaufs-
Vermeidung von (Lebensmittel-) Abfällen      gearbeitet werden. Urprodukte, die          konzepte zu stärken.
beschäftigen (z.B. Zero Waste, Foodsha-      nicht den optischen Normen entspre-
ring). Auch politisch hat das Thema an       chen, können sich jedoch noch hervor-
Bedeutung zugenommen. Unter ande-            ragend für die Weiterverarbeitung eig-       Unverschwendet
rem hat die EU-Kommission Ende 2015          nen, z.B. für die Herstellung von verar-
das sogenannte „Circular Economy Pack-       beiteten Lebensmitteln. Es gilt hier, in-    Das noch junge Unternehmen wurde
age“ beschlossen, das die Etablierung        novative Möglichkeiten auszuloten,           2016 gegründet und setzt sich intensiv
einer Kreislaufwirtschaft in der EU bzw.     durch die Verarbeitung von Nebenpro-         mit der Lösung der immensen Lebens-
in den Mitgliedsstaaten fördern soll. Ei-    dukten bzw. Abfällen (ggf. auch in Ko-       mittelverschwendung auseinander.
nes der Ziele ist die Reduktion von Le-      operation mit anderen) mehr in die           Unverschwendet verarbeitet über-
bensmittelabfällen in der EU.                Wertschöpfungstiefe zu investieren und       schüssiges Obst und Gemüse zu hoch-
                                             so neue Wertschöpfungspotenziale zu          wertigen Produkten wie z.B. Marmela-
   Auch in der Lebensmittelwertschöp-                                                     de und Chutneys. Obst und Gemüse
fungskette gibt es Potenzial sich von ei-    schaffen. Auch innovative Vermark-
                                                                                          bekommt das Start-up von landwirt-
ner „Wegwerfwirtschaft“ hin zu einer         tungswege können hier neue Möglich-          schaftlichen Betrieben und Privatper-
„Kreislaufwirtschaft“ zu entwickeln, in      keiten eröffnen (Stichwort: Gemüse-          sonen, welche es wegwerfen würden.
der Abfälle tatsächlich vermieden bzw.       Wunderlinge). Ein Bereich, in dem es
entsprechend wiederverwendet werden.         aktuell großes Potenzial für ganzheitli-     www.unverschwendet.at
Sie können auch lesen