Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband

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Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
Gewässer schützen –
Wasserkraft nützen
                                            Flüsse im Spannungsfeld
                                            der Interessen

MIT UNTERSTÜTZUNG VON BUND, LÄNDERN UND EUROPÄISCHER UNION
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
Diese Broschüre entstand im Rahmen des LE-Projekts
»Gemeingut Wasser im Spannungsfeld der Interessen:
Umsetzung des NGP: Wir informieren SIE – SIE bilden sich Ihre Meinung«.
Ziel dieses Bildungsvorhabens ist es, mittels Information und Wissens-
vermittlung sowie durch das Ermöglichen der Vernetzung und
des Erfahrungsaustausches lokaler und internationaler AkteurInnen
ein besseres Verständnis der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der
davon betroffenen Politikfelder zu schaffen und so einen Beitrag zur
Erreichung der Ziele nach Wasserrahmenrichtlinie bzw. zur Umsetzung
des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans zu leisten.
Nähere Informationen zum Projekt auf
www.umweltdachverband.at/themen/wasser/
gewaesser-im-spannungsfeld
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
ÖsTeRReicHs KRafTWeRKsLandscHafT   1
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
GEWÄSSER SCHÜTZEN – WASSERKRAFT NÜTZEN

              Im Wasserschloss Europas
              1 TERAWATTSTUNDE (1 TWh) =               Bedingt durch die naturräumlichen Gegebenheiten
                                                       ­unseres Landes – die Alpen werden zurecht als
              1 Milliarde oder 10 9 Kilowattstunden     ­»Wasserschloss Europas« bezeichnet –, ist die Nutzung
              (kWh) und entspricht                       der Energie aus Wasserkraft zentraler Bestandteil
              — der jährlichen Erzeugung des             der österreichischen Energie- und Klimastrategie.
                Donau-­Kraftwerks Freudenau oder         ­Neben anderen Formen der erneuerbaren Energie wie
              — der Stromversorgung von über              etwa aus Wind, Sonne, Erdwärme und Biomasse sowie
                280.000 Haushalten.                       Maßnahmen zur Einsparung und effizienten Nutzung
                                                          von Energie soll die Energiegewinnung aus Wasser-
                                                          kraft e   ­ inen entscheidenden Beitrag zur Reduktion des
                                                          ­Treibhausgasaustoßes durch die Verbrennung fossiler
                                                           ­Energieträger liefern. Etwa 5.000 Wasserkraftan­lagen
                                                            decken derzeit mehr als die Hälfte des heimischen
                                                            Strombedarfs, wobei rund 70 % des technisch-­wirt­
                                                            schaftlichen Wasserkraft-­Potenzials an Österreichs
                                                            Fließgewässern bereits ­ausgebaut sind. Daraus folgt,
                                                            dass rein technisch noch Spielraum besteht, unsere
                                                            Flüsse zu weiterer Energiegewinnung zu nutzen.
                                                                   Der in der ­Energiestrategie Österreich angestrebte
                                                            Ausbau von ca. 3,5 Terawattstunden bis 2015 steht je-
                                                            doch – ­unter a  ­ nderem – in einem ­Spannungsverhältnis
                                                            mit den von der Europäischen Union fest­gelegten
                                                      ­Zielen des Gewässerschutzes ­(Wasserrahmenrichtlinie)
                                                       sowie des Naturschutzes (Fauna-Flora-Habitat- und
                                                             ­Vogelschutz-Richtlinie). Denn: Als bau­liche Eingriffe
                                                            in F­ lussökosysteme können Wasserkraftwerke den
                                                            Wasser­haushalt nachhaltig beeinflussen, Lebensräume
                                                            verändern und den Fort­bestand bestimmter Tier- und
                                                            Pflanzenarten beeinträchtigen. Nicht zuletzt prägen
                                                            sie auch entscheidend das Landschaftsbild einer Re­
                                                            gion. Nach der EU-Wasser­rahmenrichtlinie darf jedoch
                                                            der ökologische Zustand eines Gewässers grundsätz-
                                                            lich nicht verschlechtert werden. Im Gegenteil: Es gilt,
                                                            bis spätestens 2027 für alle natürlichen Gewässer, den
                                                            ­»guten ökologischen Z   ­ ustand« bzw. für alle erheblich
                                                             veränderten und künstlichen Gewässer ein ­»gutes öko-
                                                             logisches Poten­zial« zu erreichen, um die ­Artenvielfalt
                                                       zu erhalten, die Funktionsfähigkeit wertvoller Lebens-
                                                             räume w   ­ iederherzustellen und die Wasserqualität –
                                                             auch zum Wohl des Menschen – zu sichern.
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
VORWORT

Inmitten dieses Spannungsfeldes zwischen Wasser-                GEWÄSSERSCHUTZ UND NATUR-                   Naturschutz hat auf europäischer Ebene
kraft und Energieversorgung einerseits sowie                    SCHUTZ — EU-WEIT UND NATIONAL               den Schutz von Tier- und Pflanzenarten
­nachhaltigem Gewässerschutz und Naturschutz                                                                sowie von natürlichen Lebensräumen
 ­andererseits trägt Österreich in Zusammenhang mit                Gewässerschutz bezeichnet die Gesamt-    zum Ziel und leistet ­damit einen Beitrag
  dem Kampf gegen den Klimawandel eine große                    heit der Bestrebungen, die natürliche       zum Erhalt der bio­logischen Vielfalt
  Verant­wortung gegenüber der Umwelt und der Bevöl-            ­Beschaffenheit unserer Gewässer            (Biodiversität). Dabei bilden die Fauna-
  kerung. Doch damit nicht genug: Hinzu kommt die                zu ­erhalten. Die Bestimmungen des         Flora-­Habitat-(FFH-) ­sowie die Vogel-
  immer dringlicher werdende Aufgabe, unsere Gewäs-              ­Ge­wässerschutzes werden dabei inner-     schutz-Richtlinie den rechtlichen Rahmen
  ser fit für die im Zuge des Klimawandels vermehrt               halb ­Europas maßgeblich durch die        seitens der EU. ­National obliegen
                                                                  EU-­Wasserrahmenrichtlinie vorgegeben;    Naturschutzaufgaben in Österreich den
  und in verstärktem Ausmaß auftretenden Hoch­
                                                                  ­innerhalb Österreichs sind sie insbe­    ­einzelnen Bundes­ländern, d. h. jedes
  wasser-­Ereignisse zu machen. Der Schlüssel zur Fin-
                                                                   sondere durch das Wasserrechtsgesetz      Bundesland verfügt über sein eigenes
  dung einer Lösung, die alle Interessen an Österreichs
                                                                   (WRG 1959) geregelt.                      Natur­schutzgesetz.
  Gewässern zufriedenstellt, ist ein möglichst hoher
                                                                   Die Gesetzgebung des WRG obliegt dem
  Wissensstand aller Beteiligten – von Kraftwerksbetrei-
                                                                   Bund (Bundesministerium für Land-        Das österreichische Wasserrechtsgesetz
  benden über jeden und jede ­EnergieverbraucherIn bis             und ­Forst­wirtschaft, Umwelt und        sowie die Naturschutzgesetze der
  hin zum/zur LandwirtIn, ­FischerIn oder Bürgermeis-              Wasser­wirtschaft). Mehr zur Umsetzung   ­Bundesländer sind im Rechtsinforma­
  terIn – über die Vor- und Nachteile der Wasserkraft              des ­Gewässerschutzes in Österreich ­     tionssystem des Bundeskanzleramts
  ­sowie ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.                  ab Seite 15.                              ­abrufbar: www.ris.bka.gv.at
          Diesem Bildungsauftrag hat sich auch das Projekt
   »Gemeingut Wasser im Spannungsfeld der Interessen«
   des Umweltdachverbandes in Kooperation mit dem
   Österreichischen Fischereiverband verschrieben. Als
   Teil dieses Projekts bringt die vorliegende Broschüre
   das umfangreiche Thema Wasserkraft mittels
   anschau­lich und objektiv aufbereiteter Fakten und
   ­Daten einem breiten Leserkreis näher. Denn: Nur
    eine ausgewogene und breite Diskussionsbasis kann
    zukünftige Entscheidungsprozesse erleichtern, die
    ­Kommunikation auf Augenhöhe und die konstruktive
     Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessen-
     gruppen fördern und somit eine nachhaltige Ener­gie­
     versorgung bei gleichzeitigem Erhalt der ­letzten
     un­be­rührten sowie der besonders wertvollen Fließ­­ge­-
     wässer­strecken gewährleisten.
          Gestalten auch Sie die Zukunft unserer Gewässer
mit! Alle Möglichkeiten, sich aktiv an der aktuellen
     ­Diskussion zu beteiligen, finden Sie im hinteren
     Teil dieser Broschüre!
          Wir wünschen eine spannende ­Lektüre!
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
Inhalt
     ÖSTERREICHS KRAFTWERKSLANDSCHAFT
 7   Wie alles begann
 7   Wasserkraftwerk ist nicht gleich Wasserkraftwerk
 8   Wie funktioniert ein Wasserkraftwerk?
 9   Der Beitrag der Wasserkraft zur Strom- und Energieerzeugung
     in Österreich
 9   Wasserkraft: Vor- und Nachteile
12   Wasserkraftausbauziele in Österreich

     HERAUSFORDERUNGEN IM GEWÄSSERSCHUTZ
15   »Guter Zustand« für alle Gewässer – die Wasserrahmenrichtlinie
16   Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Österreich
18   Wie geht es Österreichs Gewässern?
19   Was ist bereits geschehen und was ist noch zu tun?

     GEWÄSSER SCHÜTZEN – WASSERKRAFT NÜTZEN:
     SIND KONFLIKTE VORPROGRAMMIERT?
21   Ein Kraftwerk zu bauen ist gar nicht so einfach …
22   Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot
23   Mehrere Richtlinien – unterschiedliche Ziele

     WEGE ZU GEMEINSAMEN LÖSUNGEN
27   Präventive Konfliktvermeidung durch Einbeziehung der Öffentlichkeit
29   Außerstreitinstrumente: Umweltmediation und Flussdialoge
30   Vorausschauende Planung: Kriterienkataloge, Regionalprogramme & Co.

35   REDEN SIE ÜBER DIE ZUKUNFT UNSERER GEWÄSSER MIT!
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
ÖSTERREICHS KRAFTWERKSLANDSCHAFT                                        7

Österreichs ­Kraftwerkslandschaft
Wie alles begann                                             Wasserkraftwerk ist nicht
Ende des 18. Jahrhunderts, in der Blütezeit der damals       gleich Wasserkraftwerk
noch leistungsschwachen Wasserkraftanlagen –                 Die Einteilung von Wasserkraftwerken kann
die durchschnittliche Leistung betrug fünf bis sieben        nach u­ nterschiedlichen Aspekten erfolgen:
Pferdestärken, also drei bis fünf Kilowatt –, prägten        nach der ­Maximalleistung der Wasserkraftanlage –
Hunderttausende Wassermühlen die Gewässerläufe               auch Engpass­leistung genannt –, der Bauweise,
Europas. Um 1830 wurden zum Beispiel ­alleine                dem Speichervermögen, der Lage des Krafthauses,
im ­Einzugsgebiet der Möll in Kärnten insgesamt              der Fallhöhe oder der ­B­etriebsweise.
750 Wassermühlen betrieben. Wasserräder mit einem                 In Abhängigkeit der Engpassleistung wird zwi-
   Durch­messer von bis zu mehreren Metern trieben           schen Kleinwasserkraftwerken (bis zu 10 MW) und
   Mahl-, Säge-, Schleif-, Walk- und Hammer­mühlen           Großwasserkraftwerken (über 10 MW) u    ­ nterschieden.
an und nutzten die Kraft des fließenden W     ­ assers, um   Die Aufteilung in Lauf-, Speicher- und Pumpspeicher-
­mechanische Arbeit zu verrichten. Im 19. Jahrhundert        kraftwerke gibt Auskunft über die B ­ auweise und
 lösten zahlreiche technische Entwicklungen – wie die        das Speichervermögen der Anlage. Bei Laufkraft­
 mit Kohle betriebenen Dampfmaschinen, aber auch             werken unterscheidet man Flusskraftwerke und
 die Möglichkeit des Stromtransports – die Energie­          ­Ausleitungskraftwerke (siehe Abbildung auf Seite 8).
 erzeugung durch Wasserkraft für den E     ­ igenbedarf
 größtenteils ab und erleichterten die ­lokale Strom­
 versorgung.
       Die erste moderne Wasserkraftanlage, die die
 Lage- und Bewegungsenergie des Wassers in elektri-
 sche Energie umwandelte, wurde Ende des 19. Jahr-
 hunderts in Nordengland in Betrieb genommen.
 Mit der Elektrifizierung zu Beginn des 20. Jahrhun-
 derts und der wachsenden Nachfrage nach Strom
 ­erlebte die Wasserkraft einen Aufschwung. Die Ent-         LEISTUNG & ENERGIE                           Engpassleistung
  wicklung effizienterer und größerer Turbinen erhöhte
  schließlich die Leistung der Anlagen beträchtlich          Die Einheit der Leistung ist das Watt (W).   Unter Engpassleistung versteht man die
  (auf mehrere hundert Megawatt) und führte zum              Die Leistung wird bei Kleinstwasserkraft-    maximale Dauerleistung, die ein Wasser-
  ­weiteren Ausbau der Wasserkraft.                          anlagen üblicherweise in Kilowatt (kW),      kraftwerk unter Normalbedingungen
       In Österreich bestehen derzeit etwa 2.900 Wasser-     bei größeren Anlagen in Megawatt (MW)        ­abgeben kann. Bei Speicher- und
   kraftwerke, die ins öffentliche Netz einspeisen.          ­angegeben.                                   ­Pumpspeicherkraftwerken z. B. ist sie
   Dazu kommen noch ca. 2.000 Kleinstanlagen, die für         1 kW = 1.000 W                                die höchste erreichbare Leistung bei
   den Eigenbedarf produzieren.                               1 MW = 1 Million W                            ­maximaler Fallhöhe. Alle rund 160 Groß-
                                                              Eine gebräuchliche Maßeinheit                  kraftwerke (> 10 MW Engpassleistung)
                                                              für ­Energie ist die Wattstunde (Wh).          ­Österreichs besitzen gemeinsam eine
                                                              1 Wh entspricht 3,6 kJ (Kilojoule).             Engpass­leistung von ca. 12.000 MW.
                                                              1 kWh (Kilowattstunde) = 1.000 Wh
                                                              1 GWh (Gigawattstunde) = 1 Milliarde Wh
Gewässer schützen - Wasserkraft nützen - Flüsse im Spannungsfeld der Interessen - Umweltdachverband
8                        GEWÄSSER SCHÜTZEN – WASSERKRAFT NÜTZEN

Wie funktioniert ein                                    bzw. klimatisch bedingt — schwankt.      und wieder abgestellt werden und
Wasserkraftwerk?                                     Ein besonderer Typ des Laufkraftwerks       ­werden daher vielfach zur Deck­ung des
                                                     ist das Ausleitungskraftwerk. Dabei          schwankenden Spitzenstrom­bedarfs
Wasserkraftwerke nutzen die Energie                  wird das Wasser aus dem Fließgewässer        ­eingesetzt. Speicherkraftwerke ­nutzen
des Wassers, um elektrische Energie                  in einen künstlich angelegten ­Kanal oder     den Höhenunterschied zwischen einem
zu erzeugen. Dabei strömt Wasser                     einen Stollen abgeleitet und nach Durch-      höher gelegenen Speichersee mit natür­
durch eine Kraftwerksturbine, die einen              fluss durch die Turbinen wieder in das        lichem Zulauf und dem tiefer liegenden
­Generator antreibt, welcher wiederum                Gewässer eingeleitet. Dabei verbleibt im      Krafthaus. Hierzu müssen ­Talsperren,
 die mechanische in elektrische Energie              ­ursprünglichen Flussbett eine nicht          Staumauern oder Stau­dämme errichtet
 ­umwandelt. Die Leistung, die dem                    ­genutzte Restwassermenge, die an die        werden. Die bei dieser Betriebsweise
     ­Wasser dabei ­entnommen werden                   ­jeweiligen Anforderungen ­hinsichtlich     ­unterhalb des Krafthauses ­verursachten
      kann, hängt im Wesentlichen von                   der Ökologie des Flusses ­abgestimmt        künstlich erzeugten Schwankungen
      zwei ­Parametern ab: der Abflussmenge             sein muss.                                  der Wasserführung bezeichnet man als
      und der Fallhöhe des ­Wassers. Fast            Im Gegensatz zu Ausleitungskraftwerken         Schwall und Sunk.
      alle ­Wasserkraftwerke nutzen ­natürliche      wird beim Laufkraftwerkstyp Fluss­             Beim Pumpspeicherkraftwerk wird das
      Höhenunterschiede zur Energie­                kraftwerk kein Wasser ausgeleitet;              ­genutzte Wasser aus einem ­tiefer gelege-
      erzeugung.                                    die Turbinen l­iegen direkt im genutzten         nen ­(Zwischen-)Speicher ­unter Aufwen-
      Ein Laufkraftwerk ist ein Wasserkraft-        Fließgewässer.                                   dung von Energie wieder zurück in ein
  werk, das den Zufluss zeitgleich ab­              Bei einem Speicherkraftwerk kann der             höher ­gelegenes Speicherbecken ge-
  arbeitet, ohne eine längere zeitliche             nutzbare Zufluss über einen längeren             pumpt und neuerlich zur Stromprodukti-
  ­Verlagerung des genutzten Wassers zu             Zeitraum in ein Speicherbecken verlagert         on verwendet. Diese Ausführung eines
   ­ermöglichen. Laufkraftwerke erzeugen            werden. Die Energie steht somit dann zur         Speicherkraftwerks ­verursacht aufgrund
    kontinuierlich Strom, auch wenn                 Verfügung, wenn sie im ­System dringend          des Hin- und Herpumpens zwischen
    die p ­ roduzierte Strommenge mit dem           gebraucht wird. Speicherkraftwerke               den Speicherbecken keine Schwall- und
    ­Wasserdurchfluss des Flusses — saisonal        ­können schnell in Betrieb genommen              Sunk-­Ereignisse im Fließgewässer.

Ausleitungskraftwerk                                     Flusskraftwerk                  Speicherkraftwerk                         Pumpspeicherkraftwerk

                                                                                                        Beileitungen                             Oberbecken

          Wehr                                                                                              Speicherbecken

                                  Oberwasser-                                                                  Staumauer
                                                                        Staubereich                                                              Druckrohrleitung
                                  kanal
                                                                                                      Druckrohrleitung
Restwasser-
strecke
                                        Krafthaus                        Krafthaus                                                                 Krafthaus
                                                                                                            Krafthaus
                              Unterwasser-
                              kanal                                                                   Unterwasserkanal
                                                                                                                                                    Unterbecken
ÖSTERREICHS KRAFTWERKSLANDSCHAFT               9

 Der Beitrag der Wasserkraft                                     Wasserkraft: Vor- und Nachteile
zur STROM- UND ENERGIEERZEUGUNG                                  Dass die Nutzung der Wasserkraft eine weitgehend
in Österreich                                                    CO2 -freie Energieerzeugung möglich macht, ist einer
In Österreich spielt die Wasserkraft – bedingt durch die         ihrer Vorteile. Dass Wasserkraftwerke Gewässerlebens-
naturräumlichen Gegebenheiten des Landes (Stich-                 räume zum Teil negativ beeinflussen, zählt zu ihren
wort »Wasserschloss Europas«) – seit jeher eine tragen-          Schattenseiten.
de Rolle und ist nach wie vor die wichtigste Säule der
Stromerzeugung. Mit über 45.000 GWh machte 2013 die              Energiewirtschaftliche Vorteile und Bedeutung
jährliche Brutto-Stromproduktion 2/3 der natio­nalen             der Wasserkraft
Stromaufbringung aus. Im Vergleich dazu liegt der                — Wasserkraft ist ein wichtiger erneuerbarer
­Anteil der Wasserkraft an der Stromproduktion welt-                   ­Energieträger, der wesentlich zur Erreichung der
 weit bei nur ca. 16 % und EU-weit bei 18,4 % . Für den                 von der EU vorgegebenen Ziele für erneuerbare
 Großteil der Stromproduktion sind Großkraftwerke                       Energien beiträgt.
 (> 10 MW) verantwortlich.                                       — Strom aus Wasserkraft liefert einen ­Beitrag zum
      Betrachtet man den gesamten Brutto-Energie­                       Klimaschutz, da die Stromerzeugung ohne direkte
 verbrauch Österreichs, stand Wasserkraft 2013 mit                      CO2 -Emission erfolgt.
 ­einem Anteil von 10,6 % hinter Öl, Gas und biogenen            — Die heimische Wasserkraft stärkt die Unabhängig-
  Brenn- und Treibstoffen an vierter Stelle aller hier­              keit der österreichischen Stromversorgung,
  zulande g
          ­ enutzten Energieträger.                                  da die Energiequelle nachhaltig verfügbar und
                                                                     kostengünstig ist. Laufkraftwerke erzeugen
                                                                     rund um die Uhr Strom und decken dadurch
                                                                     die Grundversorgung mit elektrischer Energie.
                                                                 — Alpine Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke
                                                                     liefern flexibel und leicht regelbar Strom, sobald
                                                                     er gebraucht wird. Dies ist gerade in Zeiten
                                                                     ­steigender ­Stromerzeugung aus Photovoltaik
                                                                      und Windkraft von großer Bedeutung, da diese
                                                                      Formen der ­erneuerbaren Energieerzeugung
                                                                      ­wetterbedingt starken Schwankungen unter­
                                                                       liegen.
                                                                 — Wasserkraft stabilisiert das europäische Energie-
                                                                       netz durch Bereitstellung von Regelenergie.

Kraftwerkstyp                             Anteil an Gesamtzahl   Anteil an der
(nach Leistung)                           an Kraftwerken         Stromproduktion
Großkraftwerke ( > 10 MW)                 6%                     88 %
Kleinkraftwerke (1 —  10 MW)              10 %                   8%
Kleinstkraftwerke (
10                        GEWÄSSER SCHÜTZEN – WASSERKRAFT NÜTZEN

Wasserkraftwerke in Österreich                                                                                     Tschechien
Engpassleistung (MW)

                                                             Deutschland                                                           Slowakei

                                                                                                                                Ungarn
Schweiz                                          Italien

                                                                                                       Slowenien

Ca. 5.000 Wasserkraftwerke sind derzeit in Österreich
für rund 2/3 der Stromproduktion verantwortlich.
Quelle: Nach Habersack et al. 2012
N = 5.227 Kraftwerke

      Laufkraftwerke                 Speicherkraftwerke        Pumpspeicherkraftwerke             Fließgewässer
                  k. A.                              k. A.                         k. A.          und Grenzen
           0 — 1 MW                           0 — 1 MW                      0 — 1 MW
            1 — 5 MW                           1 — 5 MW                      1 — 5 MW
          5 — 10 MW                          5 — 10 MW                     5 — 10 MW
       10 — 100 MW                        10 — 100 MW                   10 — 100 MW
     100 — 300 MW                       100 — 300 MW                  100 — 300 MW         0   20 40        80     120 Kilometer         N
         > 300 MW                           > 300 MW                      > 300 MW
ÖSTERREICHS KRAFTWERKSLANDSCHAFT                  11

Nachteile und ökologische Auswirkungen                   –       Wehranlagen funktionieren als Geschiebe­
der Wasserkraft                                                  fallen, wodurch unterhalb eines Querbau-
— Die Verfügbarkeit des Energieträgers Wasser                werks ein Geschiebedefizit entsteht und
     ­unterliegt niederschlagsbedingten Schwankun-           sich der Fluss kontinuierlich tiefer gräbt. Im
    gen. Tendenziell erzeugen Laufkraftwerke                 Stau­bereich lagern sich auch Feinsedimente
    ­aufgrund geringerer Ab­flüsse im Winter weniger         (Schlamm) ab, die bei unkontrollierten Spei-
     Strom als im Sommer.                                    cher- bzw. Stauraumspülungen zu kurzfristig
— Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen können              stark erhöhten Schwebstoffbelastungen
     mit erheblichen Auswirkungen für die betroffe-          ­führen und u. a. den S   ­ auerstoffgehalt beein-
     nen sowie angrenzenden Fluss­abschnitte und              trächtigen und vor a   ­ llem die Fauna eines
     die damit zusammenhängenden Feuchtgebiete                ­Gewässers schädigen können.
     verbunden sein:                                     –     Starke Wasserführungsschwankungen infolge
     – Unterbrechungen des Fließgewässerkonti­                 der bedarfsorientierten Stromer­zeugung
            nuums durch Staumauern oder Wehranlagen            durch ­Speicherkraftwerke haben eine Reihe
            beeinträchtigen die Durchgängigkeit von            negativer ökologischer Auswirkungen: So
            ­Gewässern. Querbauwerke stellen v. a.             ­werden z. B. beim raschen Anstieg des Wasser-
          ein Wanderhindernis für Fische und andere             spiegels (Schwall) die Wasserorganismen
          ­Gewässerorganismen dar. Dies hat Aus­                ­abgeschwemmt; der plötzliche Rückgang
           wirkungen auf den Fischbestand und                    des ­Wasserspiegels (Sunk) bringt vor allem
           in Folge auch auf den Gewässerzustand.                für Jungfischstadien ein Problem, die oft
    – Der Aufstau von Fließ­gewässern verändert                  nicht mehr rechtzeitig abwandern können
           den Gewässertyp in Richtung stehendes                 und in den Uferbereichen stranden.
           ­Gewässer. Mit der Ver­ringerung der Fließ­   –       Wasserentnahmen – v. a. für Ausleitungskraft-
            geschwindigkeit können u. a. auch Wasser­            werke oder Beileitungen in Speicherseen –
            temperatur und Sauerstoffverhältnisse                verändern die gewässertypischen Bedingun-
            des Gewässers beeinflusst werden.                    gen hinsichtlich Abflussmenge und -dynamik
                                                                 des Fließgewässers.
12                   GEWÄSSER SCHÜTZEN – WASSERKRAFT NÜTZEN

                        Durch gesetzliche Anforderungen an Projektunter­       Wasserkraftausbauziele in Österreich
                        lagen und durch die Vorschreibung von Auflagen         Vom insgesamt in Österreich theoretisch verfügbaren
                     ist bei der Bewilligung von Wasserkraftwerken u. a.       (technisch-­wirtschaftlich realisierbaren) Wasser-
                     ­darauf zu achten, dass es zu keiner wesentlichen         kraft-Potenzial von 56 Terawattstunden (TWh) sind
                      ­Beeinträchtigung des ökologischen Zustands kommt.       zirka 70 % bereits ausgebaut. Bedingt durch die
                       Zum ­Beispiel muss bei Wasserausleitungen der öko­      ­Liberalisierung des Strommarktes und die Notwendig-
                       logische Mindestabfluss garantiert werden. Zudem         keit zur Integration neuer Formen erneuerbarer
                       ist der Einbau von Fischaufstiegshilfen zur Sicher­      ­Energie (Wind, Photovoltaik) wurde in den ver­
                       stellung der Durchgängigkeit Stand der Technik bei        gangenen J­ ahren vor ­allem die Errichtung ­neuer
                       Kraftwerks­anlagen.                                       (Pump-)Speicherkraft­werke immer attraktiver:
                             Ist ein Vorhaben ­dennoch mit Auswirkungen          Von 2010 auf 2011 wuchs die Engpass­leistung
                       auf den ökologischen ­Zustand verbunden, wonach           der Speicher­kraftwerke um 241 MW, jene
                       z. B. mit einer Ver­schlechterung des bestehenden         der Laufkraftwerke nur um 40 MW.
                       ­ökologischen Zustands zu rechnen ist, ist im                        Für den weiteren Ausbau der Wasserkraft in
                        Zuge ­eines Verfahrens nach § 104a WRG zu prüfen,        ­Österreich bestehen folgende Zielvorgaben: In der
                        ob das Projekt trotzdem bewilligt werden kann             ­Österreichischen Energiestrategie (2010) wurde ein
                        (siehe Seite 15 und Seite 21).                             Ausbau der Wasserkraft um insgesamt 3,5 TWh/a
                             Bei bereits bestehenden Wasserkraftanlagen ist        ­Regelarbeitsvermögen (RAV) bis 2015 angeführt.
                        ökologischer Sanierungsbedarf (Gewährleistung von           Im Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien
                        ausreichendem Restwasser, Errichtung einer Fisch­           (NREAP-AT), der 2010 zur Erreichung der Ziele der
                        aufstiegshilfe etc.) gegeben, wenn sich das Gewässer        ­Erneuerbare Energien-Richtlinie der EU erstellt
                        in keinem guten ökologischen Zustand bzw. guten              ­wurde, ist ein Ausbau der Wasserkraftproduktion
                        ökologischen Potenzial befindet. Konkrete zeitliche,          um 3,5 TWh bis 2020 vorgesehen.
                        räumliche und technische ­Vorgaben zur Ziel­                        Mit Hilfe der Förderung durch das Ökostrom­
                        erreichung sind im Nationalen Gewässerbewirt­                 gesetz soll im Zeitraum 2010-2020 unter der Einschrän-
                        schaftungsplan festgelegt (mehr dazu ab Seite 15).            kung, dass eine Verfügbarkeit der Standorte gegeben
                                                                                      ist, ein Ausbau der Wasserkraft um 1.000 MW statt­
                                                                                      finden, was einer durchschnittlichen jährlichen
                                                                                      ­Stromerzeugung von zusätzlich ca. 4 TWh entspricht.
                                                                                       Als Zwischenziel bis 2015 sieht das Ökostromgesetz
                                                                                       zur Anhebung der Stromerzeugung aus erneuerbaren
                                                                                       Energieträgern die mengenmäßig wirksame Errich-
                                                                                       tung von zusätzlich 700 MW Wasserkraft vor
Regelarbeitsvermögen                                                                   (mit ­einer auf das Regeljahr bezogenen zusätzlichen
                                                                                       Strom­erzeugung in der Höhe von insgesamt
Das Regelarbeitsvermögen (RAV) ist ein                                                 3.500 GWh inklusive den Effekten von Revitalisie-
Maß für die Stromerzeugung. Es gibt an,                                                rungsmaßnahmen und Erweiterungen bestehender
wie viel elektrische Energie in einem                                                  Anlagen). Davon sollen 350 MW auf die Klein- und
­bestimmten Zeitraum (meist einem Jahr)                                                mittlere Wasserkraft (mit einer auf das Regeljahr
 von einem Kraftwerk geliefert werden                                                  ­bezogenen zusätzlichen Stromerzeugung in der Höhe
 kann.                                                                                  von 1.750 GWh) entfallen.
ÖSTERREICHS KRAFTWERKSLANDSCHAFT                                               13

Darüber, was an Ausbau der Wasserkraft noch tat­                                    Quellenangaben & Weblinks
sächlich realisierbar bzw. sinnvoll erscheint, bestehen                             – Austrian Energy Agency: www.energyagency.at
                                                                                    – BMLFUW 2014. Erneuerbare Energie in Zahlen. Die Entwicklung
­unterschiedliche Angaben der einzelnen Interessen-                                   ­erneuerbarer Energie in Österreich im Jahr 2013. Verfügbar auf
 gruppen: Laut Masterplan Wasserkraft der E-Wirt-                                      www.bmlfuw.gv.at/umwelt/energiewende/erneuerbare_energie/
 schaft (Pöyry 2008) ist im Lauf des nächsten                                          zahlen.html
                                                                                    – BMWFJ 2010. Nationaler Aktionsplan 2010 für erneuerbare
 Jahrzehnts durch den Ausbau der Wasserkraft ein
                                                                                       Energien für Österreich (NREAP-AT). Verfügbar auf www.wifo.ac.at/
 jährliches Regelarbeitsvermögen von 7 TWh – von ins-                                  publikationen
 gesamt möglichen 13 TWh/a (technisch-wirtschaftli-                                 – E-Control: www.e-control.at
 ches Potenzial unter Abzug der Nationalparks und                                   – Egger G., Michor, K., Muhar, S. und B. Bednar 2009. Flüsse in Öster-
                                                                                       reich: Lebensadern für Mensch, Natur und Wirtschaft. Studienverlag.
 der Weltkulturerbe) – zu erzielen. Diese Schätzungen                               – Habersack H., Wagner, B., Hauer, C. und E. Jäger. 2012. Wasserkraft
 ­beruhen auf dem Marktumfeld von 2008; die Markt­                                     in Österreich – aktueller Bestand und Decision Support System (DSS
  situation hat sich seither deutlich verschlechtert.                                  WASSERKRAFT). In: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft,
                                                                                       Band 64, Ausgabe 5 – 6, Springer-Verlag, S. 336 – 343.
       Da die Zielvorgaben der Wasserrahmenrichtlinie
                                                                                    – Ökostromgesetz (ÖSG 2012): www.ris.bka.gv.at
  und des N ­ aturschutzes (u. a. FFH- und Vogelschutz-­                            – Österreichische Energiestrategie: www.energiestrategie.at
  Richtlinie) die Standortauswahl für die Errichtung                                – Österreichische Kleinwasserkraft: www.kleinwasserkraft.at
  neuer, öko­logisch verträg­licher Wasserkraftwerks­                               – Österreichs Energie: http://oesterreichsenergie.at
                                                                                    – Pöyry Energy GmbH 2008. Wasserkraftpotentialstudie Österreich.
  anlagen stark einschränken, hält der Umweltdachver-
                                                                                       ­Endbericht. Im Auftrag des VEÖ. Verfügbar auf www.energiestrategie.at/
  band bis 2020 bestenfalls eine Erweiterung um 1 bis                                   daten-fakten
  2 TWh/a RAV für die Großwasserkraft (> 15 MW) und                                 – Quaschning, V. 2008. Erneuerbare Energien und Klimaschutz.
                                                                                       Carl Hanser Verlag.
  0,5 bis 1 TWh/a RAV für die Kleinwasserkraft (< 15 MW)
                                                                                    – Statistik Austria 2014. Energiebilanzen Österreich 1970 bis 2013.
  für realistisch. Der Umweltdachverband beobachtet                                    Verfügbar auf www.statistik.at/web_de/statistiken/energie_und_­
  die Entwicklung der österreichischen Kraftwerksland-                                 umwelt/energie/energiebilanzen
  schaft und veröffentlicht dazu jährlich eine Liste der                            – Verbund: www.verbund.com
                                                                                    – Wasserkraftwerksliste des Umweltdachverbandes: www.umweltdach-
  aktuellen Kraftwerksplanungen.
                                                                                       verband.at/wasser/wasserkraft/uwd-wasserkraftwerksliste

              2%
           12,8 %                                              36,2 %

                                                                                       Öl
           10,6 %                                                                      Gas
                                                                                       Kohle
            1,8 %
                                                                                       Holz und brennbare Abfälle
            6,2 %                                                                      Elektrischer Energie-Importüberschuss
                                                                                       Wasserkraft
            9,7 %                                              20,6 %                  Biogene Brenn- und Treibstoffe
                                                                                       Andere Erneuerbare

                    Wasserkraft macht den Großteil der inländischen Strom­          Basierend auf: BMLFUW 2014
                    produktion aus, deckt jedoch nur rund ein Zehntel des           Datenquelle: Statistik Austria 2014

                    ­gesamten ­österreichischen Brutto-Energieverbrauchs von rund
                     400.000 GWh ab (Stand 2013), da der Großteil der Energie
                     für Mobilität (Verkehr) und Wärmeerzeugung verbraucht wird.
Herausforderungen im Gewässerschutz                                        15

Herausforderungen im Gewässerschutz
»Guter Zustand« für alle Gewässer –                        Die Wasserrahmenrichtlinie gibt den ­Mitgliedstaaten
die Wasserrahmenrichtlinie                                 auch vor, darauf zu achten, »eine ­Verschlechterung
Gewässerschutz in Österreich wird maßgeblich               des Zustands aller Oberflächen­wasserkörper zu
durch unionsrechtliche Bestimmungen vorgegeben:            ­verhindern« (Artikel 4 Absatz 1 lit. a sublit. i WRRL).
Als eines der zentralen Instrumente dabei gilt die          Dieses sogenannte V    ­ erschlechterungsverbot umfasst
2000 in Kraft getretene EU-Wasserrahmenrichtlinie           jedenfalls n ­ achteilige Veränderungen, die zu einer
(Richtlinie 2000/60/EG; WRRL). Sie gibt den Mitglied-       ­Einstufung in eine niedrigere ­Zustandsklasse führen
staaten vor, alle natürlichen Oberflächengewässer            (z. B. Verschlechterung von »sehr gut« auf »gut«).
(in Österreich sind das 88 % aller Gewässer) bis spätes-
tens 2027 in einen »guten ökologischen Zustand« 1
zu bringen.

                                                           Guter ökologischer Zustand &                Für jene Gewässer, welche als künstlich
                                                           gutes ökologisches Potenzial                einzustufen sind, weil sie von Menschen-
                                                                                                       hand geschaffen wurden, sowie für jene
                                                           Ein guter ökologischer Zustand ist laut     natürlichen Gewässer, die durch massive
                                                           Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) die           Eingriffe des Menschen in ihrem Wesen
                                                           ­zumindest zu erreichende Qualitäts­        nachhaltig verändert wurden (erheblich
                                                            vorgabe für die natürlichen Oberflächen-   veränderte Gewässer oder sogenannte
                                                            gewässer der Mitgliedstaaten innerhalb     »Heavily Modified Water Bodies«),
                                                            eines ­fünfstufigen Klassifizierungs­      gilt als Qualitätsziel nach WRRL das
                                                            schemas (sehr gut, gut, mäßig, unbe­       »gute ökologische Potenzial«. Bei diesen
                                                            friedigend und schlecht). Die Bewertung    Gewässern sind solche Maßnahmen zu
                                                            basiert auf dem Vergleich des Status quo   setzen, die eine Verbesserung der öko­
                                                            mit dem gewässertypspezifischen            logischen Funktionsfähigkeit gewähr­
                                                            ­Referenzzustand (= sehr guter ökologi-    leisten, ohne eine signifikante Einschrän-
                                                             scher Zustand), der dem weitgehend        kung der Nutzung des betroffenen
                                                             ­natürlichen Gewässerzustand mit          Gewässers nach sich zu ziehen. In Öster-
1 Neben dem guten ökologischen muss nach
                                                              ­höchstens sehr ­geringfügigen Beein­    reich wurden ca. 10 % der Fließgewässer
   WRRL auch der gute chemische Zustand für
   alle Ober­flächengewässer erreicht werden.
                                                               trächtigungen entspricht.               als erheblich verändert und ca. 2 % als
   ­Zudem ist auch beim Grundwasser das Ziel                                                           künstlich eingestuft.
    ­vorgegeben, einen ­flächendeckenden guten
     chemischen und m ­ engenmäßigen Zustand
     zu erreichen. Da der chemische Zustand
     der Oberflächengewässer sowie der Z­ ustand
     des Grundwassers nicht vordergründig rele-
     vant für das Thema ­Wasserkraft sind, wird
     hier nicht näher darauf einge­gangen. ­Nähere
     Informationen dazu auf der Website des
  ­BMLFUW: www.bmlfuw.gv.at/wasser/­
     wasser-eu-international/eu_­wasserrecht/­
     Wasserrahmen-RL.html
16   GEWÄSSER SCHÜTZEN – WASSERKRAFT NÜTZEN

        Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie                      Aber auch sonstige neue Belastungsthemen wie
        in Österreich                                             z. B. Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des
        Die Wasserrahmenrichtlinie wurde in Österreich 2003       ­Gewässers durch invasive fremde Arten oder durch
        in nationales Recht umgesetzt (siehe insbesondere          Folgen des Klimawandels (Temperaturerhöhung,
        Wasserrechts­gesetz 1959 und seine Änderung im             ­veränderte ­Niederschlagsmengen etc.) werden behan-
     BGBl. I Nr. 82/2003). Alle sechs Jahre sind vom Bundes-        delt. Darauf aufbauend wird die für die Entwicklung
     ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt              der Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse der jeweili-
     und ­Wasserwirtschaft (BMLFUW) nationale Gewässer-             gen Fluss­gebietseinheit anzustrebende »wasserwirt-
     bewirtschaftungspläne zu erstellen bzw. zu aktualisie-         schaftliche Ordnung« – in Abstimmung der verschie-
     ren. Diese Pläne zeigen, basierend auf ­einer Zustands-        denen Interessen an den Gewässern – dargestellt.
     bewertung der Gewässer (»Ist-Bestandsanalyse«), den                    Kernstück der Planung des NGP ist das Maßnah-
     Handlungsbedarf auf und enthalten ein Maßnahmen­               menprogramm zur Erhaltung bzw. (stufenweisen)
     programm zur Erreichung der Ziele nach WRRL.                   ­Ver­besserung des Zustands der Gewässer und zum
     2009 wurde in Österreich der erste »Nationale                   Schutz vor künftigen Beeinträchtigungen, also der
     Gewässer­bewirtschaftungsplan (NGP)« veröffentlicht.            Vermeidung einer Zustandsverschlechterung. Für den
     Die im NGP festgelegten Planungen haben sich                    in B­ ezug auf Österreichs Gewässer vorherrschenden
     nicht nur auf einzelne Gewässerabschnitte zu bezie-             Hauptbelastungsfaktor »hydromorphologische
     hen, ­sondern betreffen gesamte Flusseinzugsgebiete.            ­Belastungen« (siehe Seite 18) sind laut Entwurf zum
     ­Österreich hat Anteile an drei ­internationalen                 2. NGP zum Beispiel folgende Sanierungsmaßnahmen
      Flusseinzugsgebieten: Donau (96 %), Rhein (3 %) und             erforderlich:
      Elbe (< 1 %). Die Aktualisierung des 1. NGP aus dem             — Vernetzung von Lebensräumen durch die Wieder-
      Jahr 2009 hat 2015 zu erfolgen. Am 21. Jänner 2015                    herstellung der Durchgängigkeit (insbesondere
      ­wurde der Entwurf zum 2. NGP vom BMLFUW                              durch den Bau von Fischaufstiegshilfen) sowie die
       zum Auftakt einer sechsmonatigen Öffentlichkeits­                    Anbindung von Zuflüssen und Nebengewässern;
       beteiligungsphase präsentiert; der ­fertige 2. NGP         — Strukturierung von Stauwurzeln;
       erscheint am 22. Dezember 2015 und gilt für die            — Erhöhung der Habitatvielfalt durch
       ­Planungsperiode 2015 – 2021.                                       ­Restruktu­rierung der Gewässer
             Im NGP werden die Merkmale der Flussgebiets­                   (z. B. durch lokale Auf­weitungen);
        einheiten sowie die vorherrschenden ­signifikanten
        ­Belastungen und anthropogenen Einwirkungen auf
         die Gewässer beschrieben. Dazu zählen neben stoff­
         lichen Belastungen (Emissionen aus ­kommunalen
        und industriellen Abwasserreinigungsanlagen,
        Nährstoff­einträge, Pestizide aus der Landwirtschaft
        etc.) auch hydromorphologische Veränderungen.                                 Hydromorphologie
        Diese ­betreffen z. B. die Durchgängigkeit der Gewässer
        für Fische und andere Lebewesen, Veränderungen                                Hydromorphologie beschreibt die Struk-
        der ­Gewässerstrukturen und der ­Wasserführung.                               tur des Gewässers (Laufent­wicklung,
                                                                                      ­Tiefen- und Breitenverhältnisse, Beschaf-
                                                                                       fung der Ufer, Substrat des Flussbetts),
                                                                                       die Durchgängigkeit sowie den Wasser-
                                                                                       haushalt (Strömungsgeschwindigkeit,
                                                                                       ­Abflussmenge und -dynamik).
Herausforderungen im Gewässerschutz                                                              17

— schrittweise Herstellung eines ökologischen                                         maximal 2027 möglich. Die Mitgliedstaaten müssen
   ­Mindestabflusses in Restwasserstrecken;                                           dafür im NGP im Einzelnen darlegen und erläutern,
— Machbarkeitsstudien zu Maßnahmen der                                                dass die WRRL-Ziele entweder aus Gründen der
  ­Schwalldämpfung.                                                                   technischen Durchführbarkeit, wegen unverhältnis-
                                                                                      mäßig hoher Kosten oder der natürlichen Gegeben­
Die Erreichung der Umweltziele der WRRL war zu-                                       heiten nicht realisierbar waren. Alle EU-Mitglied­
nächst bis 2015, also 15 Jahre nach Inkrafttreten der                                 staaten, so auch Österreich, haben von dieser
WRRL, vorgesehen. Für den Fall, dass sich das Ziel                                    Möglichkeit der Fristverlängerung Gebrauch
­eines »guten ökologischen Zustands« innerhalb dieses                                 gemacht und verfolgen somit die Erreichung der
 Zeitraums nicht erreichen lässt, ist in der WRRL                                     Zielvorgaben der WRRL in drei Planungs­perioden:
 unter bestimmten Voraussetzungen eine stufenweise                                    — 1. NGP: 2009 – 2015
 Umsetzung mit einer Verlängerung der Zielerrei-                                      — 2. NGP: 2015 – 2021
 chungsfrist um zwei weitere Planungsperioden bis                                     — 3. NGP: 2021 – 2027

Österreichischer Fahrplan zur Umsetzung
der Wasserrahmenrichtlinie

                                                                             1. Planungsperiode                          2. Planungsperiode                          3. Planungsperiode
2000

       2001

              2002

                     2003

                            2004

                                   2005

                                          2006

                                                 2007

                                                        2008

                                                               2009

                                                                      2010

                                                                               2011

                                                                                      2012

                                                                                             2013

                                                                                                    2014

                                                                                                           2015

                                                                                                                  2016

                                                                                                                           2017

                                                                                                                                  2018

                                                                                                                                         2019

                                                                                                                                                2020

                                                                                                                                                       2021

                                                                                                                                                              2022

                                                                                                                                                                       2023

                                                                                                                                                                                2024

                                                                                                                                                                                       2025

                                                                                                                                                                                              2026

                                                                                                                                                                                                     2027
 22. Dezember:               Ist-Bestandsanalyse                1. NGP *                                                 Aktualisierung                 3. NGP — Veröffentlichung:
 Richtlinie                                                                                                              Ist-Bestandsanalyse            22. Dezember
 tritt in Kraft
                      Richtlinie wird                      Aktualisierung                                   Entwurf des 2. NGP —                                              Deadline für die
                      in nationales                        Bestandsanalyse mit                              Veröffentlichung: Jänner;                                         Zielerreichung
                      Wasserrechtsgesetz                   ­Öffentlichkeitsbeteiligung                      Öffentlichkeitsbeteiligung:
                      überführt                                                                             bis 21. Juli
                                                                                                            2. NGP (inkl. Maßnahmen­
                                                                                                            programm) — Veröffentlichung:
                                                                                                            22. Dezember

                                                                                                                                                * Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan
18          GEWÄSSER SCHÜTZEN – WASSERKRAFT NÜTZEN

             Wie geht es Österreichs Gewässern?                            Obwohl bereits seit 2009 viele ökologische Sanierungs-
             Laut Entwurf des 2. NGP befinden sich derzeit 37 %          maßnahmen gesetzt wurden, zeichnet sich d      ­ aher für
             der Fließge­wässer mit einem Einzugsgebiet > 10 km2         die kommenden Jahre noch großer Handlungsbedarf
             in einem ­guten oder sehr guten Zustand, 2 % erreichen      ab. So findet sich z. B. derzeit im Schnitt noch auf je-
             als ­erheblich veränderte oder künstliche Gewässer          dem einzelnen Flusskilometer ein Fischwanderhinder-
             das gute ökologische Potenzial. Mehr als die Hälfte         nis (ca. 32.000). Ca. 10 % dieser ­Unterbrechungen des
             der ­natürlichen ­Gewässer weist aufgrund hydromor­         Fließgewässerkontinuums sind der Wasserkraftnut-
             phologischer ­Belastungen wie Hochwasserschutz­             zung zuzuschreiben, der Rest ist durch technische
             bauten, Regulierung, Wasserentnahmen, Stau,                 Hochwasserschutzmaßnahmen ­bedingt. Zudem stel-
             Wander­hindernisse oder Schwall ein sicheres oder           len Eingriffe, welche die Gewässerstruktur maßgeblich
             mögliches Risiko auf, das Umweltziel bis zum Ende           verändern (z. B. Flussbegradigungen oder harte Ufer-
             der Planungsperiode 2015 – 2021 zu verfehlen, sollten       verbauungen) bei 30 % des G   ­ ewässernetzes eine Belas-
             keine Maßnahmen zur Verbesserung des Zustands               tung für die Funktion der Gewässerökosysteme dar.
            ­gesetzt werden.                                             3 % der Gewässerstrecken sind zudem von Schwall
                                                                         ­betroffen, ca. 4 % von Stau. Außerdem gibt es aktuell
                                                                          über 3.000 Restwasser­strecken (hauptsächlich bedingt
                                                                          durch Ausleitungskraftwerke); nur ca. 1/3 davon weist
                                                                          den erforderlichen ökologischen Mindestwasserab-
                                                                          fluss auf. Darüber hinaus besteht bei nahezu allen
                                                                          ­erheblich veränderten Gewässern noch Handlungsbe-
                                                                           darf, um das gute ökologische Potenzial zu erreichen.

      2%                                               15 %
     10 %
      2%
      4%                                                                    Sehr gut
     13 %                                                                   Gut
                                                       22 %                 Mäßig
                                                                            Unbefriedigend
                                                                            Schlecht
                                                                            Potenzial gut oder besser
                                                                            Potenzial mäßig oder schlechter
                                                       32 %                 Keine Bewertung

            37 % der Fließgewässer > 10 km2 Einzugsgebiet befinden       Quelle: Entwurf 2. Nationaler
            sich in einem guten oder sehr guten ­ökologischen Zustand,   Gewässer­bewirtschaftungsplan 2015

            2 % erreichen als erheblich veränderte oder künstliche
            ­Gewässer das gute ökologische Potenzial.
Herausforderungen im Gewässerschutz                                            19

 Was ist bereits geschehen und                              der (wieder-)her­gestellten Durchgängigkeit in angren-
 was ist noch zu tun?                                       zende Gewässer­abschnitte ausstrahlen können. Die
 In der 1. Planungsperiode des Nationalen Gewässer­         Vernetzung von Lebensräumen soll die Wirksamkeit
 bewirtschaftungsplans (2009–2015) lagen die Sanie-         lokaler morpho­logischer Maßnahmen erhöhen.
 rungsprioritäten im Bereich der Hydromorphologie           In ­Zukunft gilt es zudem auch vermehrt, bei Maßnah-
 vor allem in der Herstellung der aufwärts gerichteten      menplanungen im Bereich der Gewässersanierung
 Fischdurchgängigkeit (ca. 1.000 Querbauwerken              die wachsenden Anforderungen an einen effektiven
 ­wurden fischpassierbar gemacht) sowie in der              Hochwasserschutz mitzudenken und – sofern Flächen
  ­schrittweisen Restwassersanierung (bei ca. 200 Rest-     zur Ver­fügung s­ tehen – einen »ökologischen« Hoch-
   wasserstrecken konnte der für die Durchgängigkeit        wasserschutz zu gewährleisten (siehe Seite 25).
   erforder­liche Basisabfluss hergestellt werden). Neben
   ökologischen Maßnahmen im Zuge von Hochwasser-
   schutzprojekten wurden auch rund 250 freiwillige
   ­lokale Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässer-         Prioritärer Sanierungsraum                    In der 2. Planungsperiode 2015 —2021
    struktur durchgeführt und mit Mitteln des Umwelt-                                                       wird der Sanierungsraum in erster
    förderungsgesetzes (UFG) finanziell unterstützt.        Aufgrund der großen Anzahl an struktu-          Linie um Gewässerabschnitte mit einem
    ­Prioritärer Sanierungsraum des 1. NGP waren jene       rellen Belastungen der heimischen               Einzugsgebiet > 100 km2, die an den
größeren Fließgewässer und Mündungsbereiche,                ­Gewässer ist es nötig, Prioritäten für die   ­Sanierungsraum des 1. NGP anschließen,
­welche w     ­ esentliche Lebensräume für die Mittel­       Inangriffnahme der Sanierung zu setzen.       erweitert. Vereinzelt w ­ urden auch
 strecken­wanderfische Nase, Barbe und Huchen sind.          Das BMLFUW hat die Umsetzung der              ­kleinere Gewässer ­aufgenommen, die
           Die aktuellen Zustandsbewertungen machen          Maßnahmen v. a. nach ökologischen              v. a. für gefährdete Fisch­arten wie z. B.
 deutlich, dass in der zweiten Planungsperiode               ­Kriterien gereiht.                            Seeforelle oder ­Perlfisch von ­Bedeutung
     2015–2021 die im 1. NGP festgelegten Maßnahmen zur
                                                              In der 1. Planungsperiode 2009 —2015          sind.
                                                              wurden Sanierungen an den Unterläufen
     Verbesserung des Gewässerzustands weitergeführt
                                                              der Fließgewässer begonnen, nämlich
     und intensiviert werden müssen. Ähnlich wie in der
                                                              dort, wo Verbesserungen besonders hohe
     1. Planungsperiode sollen bis 2021 vor allem gezielt
                                                              ökologische Wirkungen — vor allem auf
     ­hydromorphologische Belastungen reduziert werden,
                                                              gefährdete Fischarten wie Nase, Barbe
      insbesondere durch die Herstellung der Fisch­
                                                              und Huchen — erwarten ließen. Diese
      passierbarkeit bei Querbauwerken, die Erhöhung          Gewässer wurden als »prioritärer Sanie-
      von Restwassermengen (zumindest auf einen Basis­        rungsraum« ausgewiesen.
      abfluss) und durch Maßnahmen zur Verbesserung
      der Ge­wässerstruktur. Mit der Maßnahmenkombi­
      nation aus Lebensraumverbesserung (Restrukturie-
      rung) und Vernetzung von Lebens­räumen durch
      ­Herstellung der Durchgängigkeit sollen lokal gut
       strukturierte ­Gewässerabschnitte geschaffen ­                              Quellenangaben & Weblinks
       werden, die als ­»Trittsteine« wirken und aufgrund                          – 2. Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan:
                                                                                     http://wisa.bmlfuw.gv.at/fachinformation/ngp/ngp-2015.html
                                                                                   – EU-Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG; WRRL):
                                                                                     http://eur-lex.europa.eu
                                                                                   – Ist-Bestandsanalyse 2013: www.bmlfuw.gv.at/wasser/
                                                                                     wasser-oesterreich/plan_gewaesser_ngp/nationaler_
                                                                                     gewaesserbewirtschaftungsplan-ngp/IBA2013.html
                                                                                   – Umweltförderungsgesetz (UFG) und Wasserrechtsgesetz (WRG):
                                                                                     www.ris.bka.gv.at
SIND KONFLIKTE VORPROGRAMMIERT?                21

Gewässer schützen – Wasserkraft nützen:
Sind Konflikte vorprogrammiert?
Entlang eines Flusses treffen viele Interessen –             hörde einzuholen. Diese hat im Zuge des Bewilligungs-
­Energieproduktion, Hochwasserschutz, Naturschutz,           verfahrens abzuwägen, ob dem Bau der Anlage keine
 Fischerei, Trinkwasserversorgung, Schifffahrt, Wasser-      »öffentlichen Interessen« (vgl. § 105 WRG) entgegen
 sport, Tourismus und Erholung – aufeinander. Jede           ­stehen, etwa weil eine wesentliche Beeinträchtigung
 hinter diesen Ansprüchen stehende Interessen­gruppe          des ökologischen Zustands der Gewässer zu besorgen
 stellt andere Anforderungen an die Nutzung bzw. an           wäre. Für den Fall, dass ein Bewilligungsantrag auf­
 den Schutz der Fließgewässer und ihre längerfristige         grund entgegenstehender öffentlicher Interessen als
 Entwicklung.                                                 unzulässig an­zusehen wäre, hat die Behörde zu prüfen,
       Große Spannungen entstehen oftmals zwischen            ob der ­Antrag dennoch unter entsprechenden Auf­la­
 ­Gewässerschutz und Wasserkraftnutzung, da durch          gen und Nebenbestimmungen bewilligt werden kann.
  letztere z­ umeist mit wesentlichen Auswirkungen                    Für die Bewilligung von Wasserkraftanlagen bis
  auf die G­ ewässerökologie zu rechnen ist.               500 kW Höchstleistung ist der Bezirkshauptmann
       Im Rahmen eines modernen Gewässermanage-            ­zuständig, über 500 kW der Landeshauptmann in
  ments gilt es, eine für alle Interessengruppen ver­       ­mittelbarer Bundesverwaltung. Der Bundesminister
  trägliche und nachhaltige Nutzung unserer Gewässer         für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser-
  sicherzustellen. Dabei sind jedoch verschiedenste           wirtschaft ist zuständig für Anlagen an der Donau,
  rechtliche Vorgaben zu beachten, aufgrund derer sich        ­bestimmte Großkraftwerke und Speicher mit einer
  die Abwägung der einzelnen Interessen – z. B. bei der        Sperrenhöhe von über 30 m bzw. 5 Mio. m3 Inhalt.
  Planung und Bewilligung eines neuen Kraftwerks –                    Liegt die Engpassleistung des geplanten Kraft-
  nicht immer ganz einfach und für alle Beteiligten            werks über einem bestimmten Schwellenwert (jeden-
  ­zufriedenstellend gestalten lässt. Um Konflikte von         falls Wasserkraftanlagen mit einer Engpassleistung
   vornherein weitestgehend zu vermeiden, sind                 von mindestens 15 MW, in bestimmten Fällen auch
   um­fassende Bewirtschaftungskonzepte, überregionale         ­darunter, vgl. Anhang 1 Z 30 UVP-G), ist eine Umwelt­
   Planungen und eine effektive Einbindung der Öffent-          verträglichkeitsprüfung (UVP) von der jeweiligen
   lichkeit sinnvoll.                                           ­Landesregierung durchzuführen. Eine umfassende
                                                                 Öffentlichkeitsbeteiligung durch NachbarInnen,
Ein Kraftwerk zu bauen ist gar nicht                      ­Bürgerinitiativen, Landes­umweltanwältInnen und
so einfach …                                                     Umweltorganisationen ist nur im Umweltverträglich-
Jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Nut-                  keitsprüfungsverfahren s­ ichergestellt. Handelt es
zung an öffentlichen Gewässern sowie die Errichtung              sich um ein Kleinwasserkraftwerk, beschränkt sich
oder Änderung von der Benutzung der Gewässer                     die ­Einbeziehung der ­Öffentlichkeit im Bauverfahren
­dienenden Anlagen bedarf einer Bewilligung durch                auf die NachbarInnen, im wasserbehördlichen Bewilli-
 die zuständige Wasserrechtsbehörde (vgl. § 9 Absatz 1           gungsverfahren auf die betroffenen Wasser- und
 WRG). Will also z. B. ein Energieversorgungsunter­       ­Fischereiberechtigten ­sowie GrundeigentümerInnen,
 nehmen an einem öffentlichen Gewässer ein Wasser-               im forstbehördlichen Bewilligungsverfahren auf
 kraftwerk errichten, hat es dafür – neben sonstigen             die betroffenen LiegenschaftseigentümerInnen und
 ­Bewilligungspflichten aufgrund anderer gesetzlicher            im naturschutzbehörd­lichen Verfahren auf die
  Vor­gaben – auch die Bewilligung der Wasserrechtsbe-    ­LandesumweltanwältInnen.
22                      GEWÄSSER SCHÜTZEN – WASSERKRAFT NÜTZEN

Übergeordnetes öffentliches                     Um den Abwägungsprozess, welches                 Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot
Interesse                                       ­öffentliche Interesse im konkreten Fall         Für bestehende Anlagen gilt nach WRRL die Verpflich-
                                                 überwiegt, möglichst transparent zu             tung, den guten Zustand oder das gute Potenzial zu
    Ist durch die Verwirklichung eines Kraft-    ­gestalten, hat das BMLFUW per Erlass           erreichen (= Verbesserungsgebot). Für Neuanlagen gilt
werkbaus eine wesentliche Beeinträchti-           vom 30. 01. 2012 den »Österreichischen         grundsätzlich, wie im vorangegangenen Kapitel aus­
gung des öffentlichen Interesses an der           Wasserkatalog« herausgegeben, welcher          geführt, ein Verschlechterungsverbot für bestehende
Bewahrung des ökologischen Zustands               verpflichtend in Verfahren zur Ausnahme        Gewässerzustände bzw. darf durch eine Anlage die
eines Gewässers zu erwarten, so muss              vom Verschlechterungsverbot anzu­              Zielerreichung eines guten Zustands oder guten ökolo-
dies dennoch nicht notwendigerweise               wenden ist. Der Wasserkatalog legt drei        gischen Potenzials nicht verhindert werden.
­einer Bewilligung des Kraftwerkbaus ent-         ­Prüffelder, nämlich »energiewirtschaftli-          In bestimmten, klar geregelten Fällen kann
 gegenstehen, wenn ein übergeordnetes              che und wasserkraftbezogene Kriterien«,
                                                                                                 jedoch eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot
 öffentliches Interesse nachgewiesen               »ökologische Kriterien« und »sonstige
                                                                                                 gemacht werden. Ob die Voraussetzungen für eine
 ­werden kann. Wie der WRRL (Artikel 4             wasserwirtschaftliche Kriterien« fest
                                                                                                 Ausnahmegenehmigung erfüllt sind, ist immer dann
  Absatz 7 lit. c) entnommen werden kann,          und gibt zugehörige Indikatoren zur
                                                                                                 zu prüfen, wenn die Auswirkungen des geplanten
  sind öffentliche Interessen als »über­           ­Beurteilung an. Der Wasserkatalog soll
                                                                                                 Kraftwerks so erheblich sind, dass eine Verschlechte-
  geordnet« einzustufen, wenn der Nutzen            als Hilfestellung bei der Auswahl und
  der neuen Änderung (also des Vor­                 Konkretisierung der Inhalte der Kriterien    rung der Zustandsklasse oder bei ­einer bestehenden
  habens) für die menschliche Gesundheit,           für die Interessenabwägung dienen            Vorbelastung die Verhinderung der Zielerreichung
  die Erhaltung der Sicherheit der Men-             (mehr dazu ab Seite 27).                     ­(guter Zustand oder gutes ökologisches Potenzial)
  schen oder die nachhaltige Entwicklung                                                        ­absehbar ist.
  den Nutzen übertrifft, den die Einhaltung
  der Umweltziele der WRRL für die                                                              Ausnahmen von diesem Verschlechterungsverbot –
  ­Umwelt und die Gesellschaft bringt.                                                          die auch für die Errichtung von Wasserkraftwerken
   Handelt es sich um ein Verfahren zur                                                         relevant sind – sind gemäß § 104a WRG dann zulässig,
   ­Bewilligung eines Kraftwerks, ist also                                                      wenn
    im Regelfall das öffentliche Interesse                                                      — alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden,
    an der Erhaltung und Verbesserung des                                                             um die negativen Auswirkungen auf den Zustand
    ökologischen ­Zustands eines Gewässers                                                            des Wasserkörpers zu mindern;
    gegen das ö­ ffentliche Interesse an der                                                    — ein übergeordnetes öffentliches Interesse besteht
    Sicher­stellung der Energieversorgung                                                             und
    und der Hebung des Anteils erneuerbarer                                                     — die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderun-
    Energieträger abzuwägen.                                                                         gen des Wasserkörpers dienen sollen, aus ­
                                                                                                     Gründen der technischen Durchführbarkeit
                                                                                                     oder aufgrund unverhältnismäßiger Kosten nicht
                                                                                                     durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere
                                                                                                     Umweltoption darstellen, erreicht werden
                                                                                                     ­können. Die Gründe für die Änderungen sind
                                                                                                      im NGP darzulegen.
SIND KONFLIKTE VORPROGRAMMIERT?               23

Nicht jedes neue Wasserkraftwerk führt automatisch              Mit der EERL der EU ­wurde Österreich verpflichtet,
zu einer Verschlechterung der Gewässerzustands­                 den Anteil von Ener­gien aus erneuerbaren Quellen am
klasse. Die ökologischen Auswirkungen hängen v. a.              Brutto-Endenergieverbrauch von 23,3 % im Jahr 2005
von der Sensitivität des betroffenen Gewässerab-                auf 34 % im Jahr 2020 zu erhöhen, den Energiever-
schnitts und dem Kraftwerkstyp ab. Aber auch nicht                 brauch zu senken und die Effizienz der Energie­
jedes Kraftwerksprojekt, das eine Verschlechterung                 nutzung zu steigern. Damit soll eine Reduktion des
des Gewässerzustands bedeuten würde, kann auto­                    Anteils fossiler Energieträger mit schädlichem
matisch mit einem übergeordneten öffentlichen Inter-               CO2 -Ausstoß erreicht werden. Die EERL betrifft damit
esse (der Energieerzeugung u. a.) argumentiert werden           nicht nur die Energieaufwendungen für die Strom­
und eine Ausnahmebewilligung nach § 104a WRG er-                erzeugung sondern v. a. auch die B   ­ ereiche Wärme­
halten, da dies die einheitliche Anwendung der WRRL             erzeugung (Raumheizung) und ­Mobilität (Verkehr).
aushöhlen würde. Vielmehr ist jedes Projekt auf Ein-            Nationale Aktionspläne enthalten konkrete Planun-
zelfallbasis zu prüfen und muss öffentlichen Interes-              gen, legen Ausbauziele für die ein­zelnen er­neuerbaren
sen dienen, die schwerer wiegen als die Ziele der               Energiequellen fest und schlagen geeignete Maß­
WRRL, worunter auch das Verschlechterungsverbot                 nahmenprogramme vor, die dafür ­sorgen sollen, dass
zu zählen ist. D. h. konkret, dass die Wasserrechts­            die Ziele erreicht werden. Im Jahr 2013 betrug der
behörde ab­wägen muss, ob der Nutzen aus der Strom­             ­Anteil erneuerbarer Energieträger bereits 32,5 %.
erzeugung durch das betreffende Kraftwerk öffent­                ­Jedem EU-Mitgliedsland ist der Pfad zur Erreichung
lichen I­ nteressen dient, welche höher zu bewerten               des in der EERL festgelegten Anteils freigestellt;
sind als der Nutzen aus der Zustandserhaltung.                    ­Österreich legt bei der Wahl von Vorgehen und
                                                                   Maßnahmen e    ­ inen starken Fokus auf den Ausbau
Mehrere Richtlinien –                                              der ­Wasserkraft (siehe Nationaler Aktionsplan 2010
unterschiedliche Ziele                                             für erneuerbare Energie für Österreich).
Die Entscheidung für oder gegen ein Kraftwerk                           Zielkonflikte zwischen dem in der EERL vor­
­seitens der zuständigen Behörde ist also nicht ein­fach,          gezeichneten erhöhten Anteil erneuerbarer Energien
 da sie dabei mehrere rechtliche Vorgaben bzw. öffent­             und dem durch die WRRL angestrebten Gewässer-
 liche Interessen zu berücksichtigen hat und ver­                  schutz scheinen unvermeidlich, da Wasserkraft­
 schiedene Ziele in Einklang gebracht werden müssen:               neubauten mitunter zu einer Nicht­erreichung bzw.
 ­Neben der Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie                  Verschlechterung der Zielzustände nach WRRL
  gilt es auch, die Erneuerbare Energien-Richtlinie            ­führen.
  (Richtlinie 2009/28/EG; EERL) als öffentliches I­ nteresse
  zu berücksichtigen, welche im Sinne des Klima­
  schutzes das Ziel verfolgt, eine Verringerung der
  CO2 -Emissionen zu bewirken, die Versorgungssicher-
  heit mit Energie zu steigern sowie bestehende
  ­Import­abhängigkeiten zu reduzieren. Die EERL
   ­verfolgt somit das Ziel, die Energieversorgung Europas
    nachhaltiger zu gestalten und nach dem Kriterium
    der Zukunftsfähigkeit umzubauen.
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