Innovativität - Führung - Reflexivität - Frank Schirmer Kongress der Offensive Mittelstand

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Innovativität - Führung - Reflexivität - Frank Schirmer Kongress der Offensive Mittelstand
Innovativität – Führung –
      Reflexivität
         Frank Schirmer
  Kongress der Offensive Mittelstand
              24.6.2014
Innovativität - Führung - Reflexivität - Frank Schirmer Kongress der Offensive Mittelstand
Überblick

1. Was ist und wozu braucht man Reflexivität?

1. Demografischer Wandel in KMU – Ein „blinder
   Fleck“ ? Die Wirkungen der (fehlenden)
   Reflexivität

1. Wie können KMU zum Gewinner im
   demografischen Wandel werden?

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Innovativität - Führung - Reflexivität - Frank Schirmer Kongress der Offensive Mittelstand
1. Was ist und wozu braucht man Reflexivität?
          Wissenschaftliche Grundlagen
Vom BMBF geförderte empirische Studien ...
• zur Innovationsfähigkeit durch Reflexivität (IRLicht -
   Manger/Moldaschl 2010; Schirmer et al. 2012, 2013;
   Schirmer/Geithner 2014)
• zum demografischen Wandel in KMU (InnoRix -
   Geithner/Gühne/Schirmer 2013; 2014)
Literaturreviews und empirische Studien zu
Innovationsfähigkeit und Change Management
(Schirmer 2003; Schirmer/Ziesche 2010; Schirmer
2013)
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Innovativität - Führung - Reflexivität - Frank Schirmer Kongress der Offensive Mittelstand
1. Was ist und wozu braucht man
                  Reflexivität?
         Sich einen Spiegel
         vorhalten und
         Selbsttäuschungen
         vermeiden ...

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1. Was ist und wozu braucht man
                  Reflexivität?
     Dumme Finanzmanager?
     „Machen Sie sich ständig Gedanken darüber, was Ihnen
     entgeht.
     Und selbst wenn Ihnen bewusst ist, dass Sie keine Ahnung
     haben und Sie Ihr gesamtes Handeln auf Ihre Dummheit
     abgestimmt haben – selbst dann muss Ihnen klar sein, dass
     Ihnen doch noch irgendetwas entgehen könnte.
     Das ist besser und sicherer.“

     (Ray Dalio, Gründer von Bridgewater Associates, eines der größten Hedgefonds
     der Welt; zitiert in SZ Nr. 114/2014, S.9)

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1. Was ist und wozu braucht man
                  Reflexivität?
Innovationspraxis – weniger reflexiv als ein Hedgefonds ...
• Versanden ist normal: Mehr als die Hälfte aller organisationalen
    Innovationen („Change“) scheitern bzw. versanden „unauffällig“ (Schirmer
    2000; Capgemini 2008; Manger/Moldaschl 2010). (Wie) wird das evaluiert?
• Ineffiziente Praktiken und unzutreffende Ansichten werden entgegen
    empirischer Evidenz beibehalten/nicht aufgegeben („geschickte
    Unfähigkeit“; „Do as before, but more“). Wie können diese Blockaden
    aufgebrochen werden?
• „Blinde Flecken“, Nebenfolgen (unbeabsichtigte, auch positive!) und
    Rückwirkungen von Innovationsaktivitäten sind weit verbreitet (Schirmer et
    al. 2012). Werden sie zum Gegenstand des Lernens, der Evaluation, der
    Maßnahmenrevision?

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1. Was ist und wozu braucht man
                  Reflexivität?
• Institutionalisierte Reflexivität:
  Alle in Organisationen „eingebaute“ Praktiken, Regeln und Tools,
  mit denen Entscheidungen und Handlungen beobachtet, evaluiert,
  kritisiert und professionalisiert werden
• Unabhängig von Goodwill, Zufall oder der Eingebung Einzelner
• Reflexivität fördert die Revision von eingelebten Denkhaltungen,
  Blockaden, (routinisierten) Praktiken und deren Innovation
• Reflexivität steigert Aufmerksamkeit, sensibilisiert für Unerwartetes
  (auch unerwarteten Erfolg!)
• Institutionalisierte Reflexivität ist regelgeleitet, nicht zufällig oder
  spontan => In KMU spielt dafür die Organisationskultur eine große
  Rolle

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1. Was ist und wozu braucht man
                  Reflexivität?
Reflexivität sensibilisiert für blinde Flecken und
unerwartete Folgen von Innovationsfähigkeit,
beispielsweise:
   • „Misserfolg“, der zu Erfolg führen kann
              3M „post it“ => Wachsamkeit für unerkannte Möglichkeiten
      • Erfolg, der verspätet einsetzen kann
              Hygienevorschriften in Krankenhäusern (Semmelweis); =>
               Distanzierung von Ignoranz, Unkenntnis
      • Langjähriger Erfolg, der zu Misserfolg führen kann
              Kodak, Leica, HP => Wachsamkeit für „Overconfidence“,
               „Lock-In“

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1. Reflexivitätstools sind auch in KMU
 ohne großen Aufwand einzusetzen
                     Kriterium                                     Exemplarische Verfahren
     1   Institutionalisierung von               BWA
         Selbstbeobachtung und Selbstkritik      BSC
                                                 Benchmarking
                                                 KVP, Frageheurismen (z.B. 5Why)
                                                 360°-Feedback

     2   Systematischer Rückgriff auf          EINSATZ EXTERNER BERATER
         Fremdbeobachtung                      Auswertung von Kundenreklamationen
                                               Kooperation mit Kritikern, roundtables

     3   Kommunikativer Bezug auf              Reputationsstudien
         Fremdreferenz
     4   Offene Evaluierung von                Maßnahmen-Evaluierung
         Handlungsfolgen                       Kunden-, Mitarbeiter-, Führungskräftebefragung
     5   Entwurf alternativer Gegenwarten      Aufgaben-, Abteilungs-, Betriebswechsel
         und Zukünfte                          Anwendung von Kreativitätstechniken

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2. Demografischer Wandel in KMU –
          ein „Blinder Fleck“?
• Herausforderung für Unternehmen: „Fachkräftemangel“,
  „Lehrlingsmangel“, „überalternde Belegschaften“:
  das Problem ist präsent, auch bei den von uns befragten KMU!
• Vielfältige Hilfsansätze wie Leitfäden, Tools, best practices sind für
  Unternehmen oftmals auch unentgeltlich zugänglich
• Aber: KMU nutzen nur zögerlich die Tools, um dem demografischen
  Wandel zu begegnen ...  Frage: Doch ein Blinder Fleck?
• Welche Barrieren stehen der Etablierung eines adäquaten
  Demografiemanagements in Unternehmen entgegen – wie sind sie
  entstanden, wie reproduzieren sie sich und wie lassen sie sich auflösen?

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2. Demografischer Wandel in KMU –
          ein „Blinder Fleck“?
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                                                     durch
                                                     Langjähriges
                                                     Wohlergehen:
                                                     Der
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2. Demografischer Wandel in KMU –
          ein „Blinder Fleck“?
Intensivlängsschnittfallstudien
             • einführende Interviews in neun Unternehmen in Sachsen und Baden-
               Württemberg
             • daran anschließend Intensivlängsschnittfallstudien in ausgewählten
               Unternehmen
                    Interviews mit Mitarbeitern aus möglichst allen Abteilungen und Ebenen
                     (insgesamt wurden bislang über 4o Interviews geführt)
                    teilnehmende Beobachtung der Arbeitsprozesse und Interaktionen (u.a. im
                     Rahmen verschiedener Masterarbeiten)
                    Durchführung, Aufzeichnung und Evaluation von OE-Workshops (bislang 4
                     Workshops)
             • Konzentration auf:
                  Institutionen und Akteure
                  Rekonstruktion der Entstehung und Reproduktion der Institutionen, der dabei
                   verwendeten „Praktiken“, sowie des Grades der „Bewusstheit“

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2. Demografischer Wandel in KMU –
          ein „Blinder Fleck“?
    • Aus der Literatur sind (intuitiv plausible) Barrieren adäquaten
      Demografiemanagements bekannt – v.a. Vorurteile gegenüber Älteren,
      fehlendes Problembewusstsein mit Blick auf die Konsequenzen im
      Unternehmen.
      Zitate aus unseren Fällen

                „(…) das ist schon so, dass ein guter Bewerber rund 55 Jahre alt ist, sieht
                 man den mit anderen Augen als wenn der 35 Jahre alt ist (...) dass da
                 natürlich vor dem inneren Auge bei uns und auch bei den Abteilungsleitern,
                 die dann über die Stelle entscheiden, die dann überlegen 'Ah ja gut, der
                 macht es vielleicht noch fünf Jahre (…)'“ (Leiter Personal)
                „Nein, im Moment, würde ich sagen, färbt das noch gar nicht ab, dass man
                 sagt, man muss irgendwelche Weichen stellen (…) das haben wir jetzt aber
                 zum Beispiel nie diskutiert.“ (Leiter Personal)

    • Diese Barrieren existieren, haben unseren Ergebnissen folgend aber
      eine nachgelagerte Bedeutung

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2. Demografischer Wandel in KMU –
          ein „Blinder Fleck“?
Fehlendes Problembewusstsein für demografische Folgen und
Handlungsbedarfe in KMU hat mehrere, tiefere Ursachen, die in
spezifische KMU-Kulturen eingebettet sind:

      • Operativ sehr flexibel
        => Unternehmerisches Kurzfristdenken
      • Informalität wichtiger Entscheidungen
        => Dezisionismus der Eigentümer                            Reflexivitäts-
                                                                   defizite
      • Kosten-(Nutzen)-Rechnung sehr schlicht
        => Demografische Untätigkeit „kostet“ nichts
      • Keine Personalstrategie
      • „Opferrolle“ des Unternehmens

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2. Demografischer Wandel in KMU –
          ein „Blinder Fleck“?
      • „Die anderen Hauptfelder, ja, oh Gott, das fragen wir uns auch
        immer 'Was machen wir eigentlich den ganzen Tag?'.“
        (Leiter Personal)

      • „[Gibt es so etwas wie eine festgehaltene Personalstrategie?
        Haben Sie so etwas?] Nein.“ (Leiter Konstruktion)

      • „Das ist das, wo man dann ran muss. (…) da müssen wir da
        reingucken, wo man es rausholen kann.“ (Leiter Controlling)

      • „(…) dann hörst du, dass 9 1/2 von 10 alles andere als
        irgendwas mit Metall und Elektro zu tun haben wollen. (…) Die
        haben das einfach nicht auf dem Schirm.“ (Leiter Personal)

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3. Wie können KMU zum Gewinner im
   demografischen Wandel werden?
Potential der KMU-Kulturen (Cernavin/Mangold 2013):
Chancen, das Problembewusstsein für demografische Folgen und
Handlungsbedarfe durch spezifische KMU-Kulturen zu stärken:

      • Eigentümer / GL nahe am betrieblichen
        Problemdruck
      • Familiäres, wenig anonymes Betriebsklima
      • Informalität wichtiger Entscheidungen                      Reflexivitäts-
                                                                   chancen
      • Flache Hierarchien, schnelle Kommunikation
      • Schnelle Entscheidungen möglich

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3. Wie können KMU zum Gewinner im
   demografischen Wandel werden?
1. Before using any tools: Start thinking!
2. Definiere strategische Prioritäten!
   Management demografischen Wandels in KMU ist nicht in erster
   Linie ein Problem der fehlenden „Toolkompetenz“, sondern der
   fehlenden strategischen Perspektive auf Human Resources
   (Strategie- und Reflexivitätsdefizit).
3. Institutionalisiere!
   Schaffe Aufgaben, Rollen und Verantwortlichkeiten für
   Personalfunktionen (Institutionalisiere Wachsamkeit für HR) –
   typisches Defizit in KMU.
4. Institutionalisiere Feedback!
   Nutze regelmäßig das umfangreiche Erfahrungswissen der
   MitarbeiterInnnen für den demografischen Wandel (bei
   Arbeitsgestaltung, Qualifizierung, Wissensmanagement).

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3. Wie können KMU zum Gewinner im
   demografischen Wandel werden?
5. Nutze den Problemdruck und das Lernpotential am Arbeitsplatz!
   KMU sind stark operativ getrieben – Problemlösungen im
   operativen Bereich treiben demografischen Wandel
   (Qualitätssicherung, Produktentwicklung, Projektmanagement,
   Kundenmanagement etc.)
6. Sei informell!
   KMU sind durch informelle, teils auch patriarchalische Kulturen
   geprägt – Bewusstsein für demografische Herausforderungen zu
   entwickeln ist auch ein informeller Lernprozess zwischen
   Beratern, Eigentümern und Führungskräften
7. Wandel von oben: Ohne Eigentümer geht nichts! (Mit ihnen
   manchmal auch nicht).
8. Das „personalwirtschaftliche Paradies“ muss aus den Köpfen der
   Eigentümer und Führungskräfte vertrieben werden.

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Strafe für Fähigkeitenmonitoring: 25.000 €
                                    Lahm: … Aber international brauchst du
                                    eben mindestens acht Spieler, die auf ihrer
                                    Position ausgebildet sind, Sicherheit haben
                                    und damit konkurrenzfähig sind. Ich sehe
                                    diese acht Spieler bei uns nicht, und das
                                    liegt nicht an den Spielern, sondern an der
                                    fehlenden Philosophie über die
                                    letzten Jahre.
                                    ... Mir liegt der FC Bayern am Herzen -
                                    deshalb spreche ich unsere Situation so
                                    offen an. Und ich denke, ich bin jetzt in
                                    einer Position, dass ich das so ansprechen
                                    kann. … Wenn ich merke, es tut sich nichts,
                                    es verliert sich irgendwie, dann will ich
                                    eingreifen und unangenehme Wahrheiten
                                    ansprechen.
                                    SZ-online vom 7.11.2009
              Prof. Dr. Frank Schirmer TU Dresden
Vielen Dank
             für Ihre Aufmerksamkeit!

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KMU Definition

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Innovationsbegriff
    Innovation

    1. Innovation ist die zielgerichtete Entwicklung und Umsetzung von neuen
       wertschaffenden Problemlösungen für Produkte, Dienstleistungen und Prozesse /
       Verfahren. Diese Innovationen entstehen jeweils in einem spezifischen sozialen und
       kulturellen Umfeld (System).
    2. Diese Problemlösungen schaffen einen merklichen Unterschied zum vorherigen
       Zustand.
    3. Neu ist die Problemlösung aus der Perspektive des jeweiligen Unternehmens
       und/oder seiner Kunden.
    4. Die bloße Hervorbringung einer Idee ist noch keine Innovation. Eine Idee wird erst
       dann zu einer Innovation, wenn sie dem jeweiligen Unternehmen und/oder seinen
       Kunden einen Nutzen bringt.

                                                                  Cernavin/Mangold 2013, S. 7

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