"Isti sunt libri, quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo " - Amplonius Novus

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"Isti sunt libri, quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo " - Amplonius Novus
„Isti sunt libri, quos ego
    Amplonius Ratinck de Berka habeo …“
Details aus der Bibliotheca Amploniana
präsentiert von der Studienstiftung Amplonius NOVUS.

Inhalt:

I. Stichworte zum Leben des Amplonius de Berka
II. Die Kalenderblätter des Amplonius-Kalenders 2021
III. Literatur zu Amplonius

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"Isti sunt libri, quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo " - Amplonius Novus
I.         Stichworte zum Leben des Amplonius de Berka1

                                Eigenhändige Unterschriften des Amplonius de Berka

    um 1365            Amplonius Ratingk wird Rheinberg/Niederrhein (Berka) geboren. Die Stadt ist zu jener
                       Zeit Teil des erzbischöflich-kölnischen Territoriums. Die Familie lebt im „Haus zu den
                       drei Fischen“ in der Marktstraße (jetzt Underbergstraße).

                                                           Historisches Rheinberger Stadtsiegel: Petrus umgeben von
                                                           einer Stadtmauer

    um 1380            Der ungefähr 15-jährige Amplonius verläßt Rheinberg und geht ins über 130 km ent-
                       fernte Soest, wo er eine profunde (Aus-) Bildung erhält, die für seine spätere Laufbahn
                       grundlegend sein soll. Besuch der Stiftschule des Patroklus-Stifts in Soest unter Hein-
                       rich von Orsoy und weiterführenden Studien in Osnabrück wo er sicher einige Zeit vor
                       1398 in ein Kanonikat des Stiftes St. Johannis einrückt.
    1383               Student in Osnabrück und gleichzeitig dort Sublektor an St. Johannis.
                       Erste sichere Belege für eigenständige Bucherwerbungen: sein Schüler Theodericus
                       Werden schenkt ihm einen von Petrus Helie (geb. um 1100; gest. um 1166) verfaßten
                       Kommentar „Summa super Priscianum“ zu den „Institutiones Grammaticae“ des spät-
                       antiken römischen Grammatikers Priscian (CA 4° 73).

                                                                               Bücher der Amploniana

1   Vgl. hierzu besonders Pfeil, Annäherung an ein Leben
                                                                                                       Seite 2 von 28
"Isti sunt libri, quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo " - Amplonius Novus
1384           Ankauf einer teuren, großformatigen Avicenna-Handschrift (CA. 2° 257), die Amplo-
               nius für den erheblichen Preis von 6 rheinischen Gulden vom Leibarzt des Kölner Erz-
               bischofs, Tilmann von Siegburg (geb. um 1330, gest. 1392) erwirbt.
1385           Amplonius beschäftigt sich schon vor Beginn seines Medizinstudiums intensiver mit
               dem Fach, wie eine Sammlung grundlegender medizinischer Schultexte (CA. 8° 62b)
               belegt, die ihm ein gewisser Nicolaus ab Austria noch im Jahr 1385 schenkt.
1385, Dezember Amplonius schreibt sich an der Karls-Universität Prag ein.
1386, Januar   Amplonius legt die Prüfung zum Bakkalareat in den sieben freien Künsten ab.
1387, 20. Mai  Amplonius wird zum Magister Artium promoviert.
1388           Amplonius schreibt in Soest Kommentare zur Rhetorik des Aristoteles ab (CA 4° 72:
               „… per Amplonium incepta et finita, licet quampluribus continuata vigilia exaltacionis
               sancte crucis 1388“).
1391, Ostern   Immatrikulation an der Universität Köln; wahrscheinlich schon bald Bakkalariatsprü-
               fung in Medizin.
1392                                    Die Universität Erfurt wird als fünfte Universität im Heiligen
                                        Römischen Reich Deutscher Nation eröffnet.
                                        Ostern 1392: Amplonius läßt sich als Magister der Artes und
                                        Bakkalar der Medizin in die erste Matrikel der Erfurter Univer-
                                        sität einschreiben („dominius Amplonius de Berka magister in
                                        artibus et baccallaureus in medicina“).

                                           Rektoratssiegel der Hierana

1393              Amplonius wird der erste Doktor der Medizin an der neuen Erfurter Universität.
1394 – 1395       Vom 5. Mai 1394 bis zum 31. Januar 1395 bekleidet er als zweiter das Amt des Rek-
                  tors in Erfurt. Gleichzeitig praktiziert er in Erfurt als Arzt. Zahlreiche Bücherkäufe und
                  Abschriften von Texten.
1395              Amplonius erlangt ein Kanonikat im Stift St. Aposteln zu Köln.

                                                      St. Aposteln in Köln
                                                      im Februar 2019

1395 – 1399       Für diesen Zeitraum ist Amplonius‘ genauer Aufenthalt nicht belegt. Mehrere Möglich-
                  keiten:
                  - Amplonius wird als Medizinprofessor an die – damals gleichfalls erst wenige Jahre
                  alte – Universität Wien berufen. Gleichzeitig studiert er Theologie bei Heinrich von
                  Langenstein und Heinrich Totting von Oyta (vgl. CA 4° 230: „scripsi et legi in licencia
                  mea in Wena a. 95 ante festum ascensionis Domini“).
                  - Vor 1398 (wahrscheinlich seit den 1380er Jahren) bis mindestens 1405 Kanoniker
                  von St. Johannis zu Osnabrück, wahrscheinlich auch Kanoniker in St. Patroclus Soest
1399, Februar     Amplonius lehrt an der medizinischen Fakultät der Universität Köln.
1399              Amplonius bekleidet die zweisemestrige Würde des Rektors der Universität Köln.
1401, Mai         Leibarzt des Kölner Erzbischofs Friedrich III. von Saarwerden (bis zu dessen Tod
                  1414).
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1401 – 1402        „Romfahrt“ zur Krönung König Ruprechts (Umkehr bei Mailand).
                       Im Dezember 1401 hält sich Amplonius in Meran auf, wo er Abschriften anfertigt, wie
                       der Eintrag in CA 12° 17 belegt: „Expl. astr. nav. sec. Arist. 1401 ultra Alpes per Am-
                       plonium de Berka in Merano 3a die Decembris finita, de quo Deo laus et honor”.
    1402, im Winter    Amplonius geht eine feste und bis zu seinem Tode dauernde Verbindung mit Kuni-
                       gunde von Hagen (gest. nach 1440) ein, die aus einem angesehenen Bürgerge-
                       schlecht der Stadt Herford stammt.
    1403, August       Geburt des ältesten Sohnes: Amplonius jun. (Er trägt später den Beinamen de Fago –
                       von der Buche). Weitere Kinder: Sohn Dionysius und Töchter Agnes (lebt 1435 im
                       Klarissenkloster St. Klara in Mainz) und Helene.
    1405               Amplonius fungiert bei König Ruprecht als Unterhändler für den neugewählten Os-
                       nabrücker Bischof, wegen der nach einer Bischofswahl fälligen Zahlung des Königs-
                       zehnts.
    1408               Amplonius kauft für 800 Rheinische Gulden Höfe und Ländereien mit allem Zubehör
                       im Raum Koblenz (Rengsdorf, Bendorf und Vallendar).
    um 1410            Amplonius legt eigenhändig einen Katalog seiner für damalige Zeiten ungeheuer gro-
                       ßen Büchersammlung an (3748 Traktate in 633 Codices).
    1410/11            Auflösung der Verbindung mit Kunigunde von Hagen.
    1411 – 1414        Aufstieg zum Priesterkanoniker des Kölner Domes (damit Notwendigkeit priesterlicher
                       Weihen), Verlust des Amtes 1415/16.

    1412, 1. Mai

                                         Ausschnitt aus der Stiftungsurkunde vom 1. Mai 1412

                       Amplonius gründet das Collegium Porta Coeli (auch genannt Collegium Amplonianum)
                       in Erfurt zur Versorgung und Förderung von Studenten.
                       Amplonius stiftet seine Bibliothek dem Collegium Porta Coeli; hinzu kommt ein Grund-
                       kapital von 2.400 Goldgulden.
                       Bis ca. 1470 hat die Erfurter Universität mehr Studenten als die Universität Köln. Durch
                       die Stiftung des Amplonius erfährt die Erfurter Universität einen deutlichen Zuwachs
                       an Qualität des Studiums und der Lehre.
    1416               Verlegung des Wohnsitzes nach Mainz.
    1416 – 1422/23     Amplonius ist Dekan (d.h. wirtschaftlicher Leiter) der Stiftskirche St. Victor in Mainz.
                       Leibarzt des Mainzer Erzbischofs Johann II. von Nassau bis zu dessen Tod 1419.
    1421-23            Streit mit der Stadt Erfurt über seine Kollegien- und Bücherstiftung, beigelegt durch
                       einen erneuten, in deutscher Sprache verfaßten „Stiftungsbrief“ vom 22. September
                       1423, in dem Amplonius schreibt: „… zcu dem obgnanten myme Collegio ich alle myne
                       buchere, die iczund han adir hiernoch zcugen unde erwerben werde, ane alle argelist
                       mit friem willen gegeben han und gebe unwedirruflich. …“2
    1423               Rückkehr nach Köln und Leibarzt des dortigen Erzbischofs Dietrich II. von Moers (bis
                       mindestens 1430).

2   siehe Weißenborn, Die Urkunden zur Geschichte des M. Amplonius de Fago aus Rheinbergen. (Schluss.), S. 130
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1428                Amplonius jüngerer Sohn Dionysius strebt um 1428 an der Erfurter Universität das
                        Magisterium in den Artes an
    1432                Die „Bibliotheca Amploniana“ in Erfurt wird durch Sifridus von Bremen bestohlen; er
                        verkauft eine Reihe von Büchern in Köln.
    1433, 20. April     Sonderstiftung Lateinschule Rheinberg: Der „magister Amplonius de Bercka in artibus
                        magister et in medicina doctor phisicus“ schenkt der Stadt Rheinberg 300 Goldgulden
                        mit folgender Maßgabe: die Lateinschule soll davon unterhalten und ein Rektor besol-
                        det werden, der den möglichen Kandidaten der Stiftung das erforderliche Rüstzeug für
                        das Studium in Erfurt vermittelt.
                        Am 20. April 1433 geloben Bürgermeister und Stadtrat dem „Ersame Her Amplonius
                        Ratinck van Berke in den vryen kunsten Meister ind der kunsten van arztedyen Doctoir
                        onse medeburger“, sich „allewege tot ewigen tyden eynen schoel-meyster halden
                        onse kinder to leeren in kunsten ind seden, willich schoelmeister sal syn eyn meister
                        in den vryen kunsten, ein waill geleert meister und erber van leven van der hogen
                        scholen van Erfforde ind van den Collegio vorschreven.“

                                                   Lateinschule Rheinberg (ca. 1919)

    1433, 22. De- „Testament“: urkundliche Bestimmungen über rechtliche Gestalt und wirtschaftliche
    zember        Absicherung des „Collegiums Porta Coeli“ sowie über den Status seiner Bücherschen-
                  kung
                  Amplonius setzt die Zahl der Kollegiaten der Himmelspforte auf 15 fest. Das Beset-
                  zungsrecht über diese 15 Stellen eignet er verschiedenen Institutionen zu; den Lö-
                  wenanteil erhält der Rat der Stadt Rheinberg (Präsentationsrecht für 9 Stellen).
    1434          Offizielle und feierliche Eröffnung des Collegium Amplonianum am Michaelistag 1434
                  (29. September). Amplonius ist dabei nicht in Erfurt anwesend.
                  Die Kollegiaten werden erstmals in einer schriftlichen Liste (Matrikel) erfaßt.
                  Die ersten Kollegiaten aus Rheinberg sind „Henricus Brunonis, Gottfridus Clüppel,
                  Bruno Kamerhuys, Gerhardus Michelink, Gotfridus Walack, Johannes Pillegrim (
                  1439), Joh. Pilgrim, Johannes Helmici.“3

    1435, Mitte April   Amplonius stirbt in Köln;
                        Beisetzung im Kreuzgang des Stiftes St. Aposteln.

     Siegel des Amplonius als Dekan von St. Victor zu Mainz 1416 - 14234

3   Vgl. Wittrup, aaO, S. 16
4   Paasch, aaO, S. 31
                                                                                                Seite 5 von 28
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II.    Die Kalenderblätter des Amplonius-Kalenders 2021
Der vorliegende Kalender der Stiftung Amplonius NOVUS präsentiert anhand privater Aufnahmen unter-
schiedliche Details aus Büchern der Bibliotheca Amploniana, die Amplonius am 1. Mai 1412 dem von ihm
gegründeten Collegium Amplonianum „für ewige Zeiten“ („perpetuis temporibus“) vermachte.
Nachfolgend finden Sie eine kurze Einordnung der einzelnen Blätter des Kalenders in den Kontext der
Bibliotheca Amploniana.

                                            Titelblatt     Einband des von Amplonius zwischen 1410 und 1412
                                            selbstgeschriebenen catalogus librorum. Die Beschriftung auf
                                            dem Einband entstammt laut Schum, aaO, S. 785, „dem späteren
                                            18. Jh.“. Sie lautet: „Amplonii Ratynck de Berka (al. de Fago) artium
                                            et medicinae doctoris catalogus librorum manuscriptorum in propria
                                            bibliotheca asservatorum“.
                                            Es kann vermutet werden, daß Amplonius seinen Bücherkatalog im
                                            Hinblick auf die baldige Stiftung der Sammlung anfertigt. Der ca-
                                            talogus librorum stellt also eine Art Übergabeprotokoll dar in der
                                            Absicht, den inhaltlichen Wert der Bibliothek durch eine möglichst
                                            exakte Auflistung der einzelnen Codices, oft auch verbunden mit
                                            einer kurzen Bewertung/Kommentierung, zu dokumentieren.
                                            Die Systematik des Bücherkatalogs des Amplonius entspricht der
                                            zeitgenössischen Aufteilung der Wissenschaftsdisziplinen. Zuerst
                                            die Disziplinen der Artes: das Trivium, also die drei sprachlichen
                                            Fächer bestehend aus gramatica, loyca, rethorica – und bei Amplo-
                                            nius daraus herausgelöst – eine vierte Abteilung, de poetria, da-
                                            nach die vier mathematisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten
                                            Artes reales im Quadrivium: Arithmetik, Geometrie, Musik und
                                            Astronomie – bei unserem Rheinberger Gelehrten zusammenge-
faßt unter dem Oberbegriff Mathematik („quia volumina mathematicalia permixtim in se continent species
mathematice, tam arismetricam, geometriam, musicam, astronomiam, astrologiam, geomanciam, magi-
cas artes et nigromanticas …“ = Einleitung zum Kapitel de mathematica). Weiter folgen die Kategorien der
aristotelischen Philosophie, nämlich die Naturphilosophie (de philosophia naturali), die Metaphysik (de
methaphisica) und die Ethik/Moralphilosophie (de philosophia morali). Es folgt die Medizin, der sich Amplo-
nius auf Grund seiner gesamten Ausbildung besonders verpflichtet fühlt, danach Bücher zum Recht (de
iurispericia), aufgeteilt in Zivilrecht (iure civili) und kanonisches Recht (iure canonico). Und schließlich –
als Krönung der Wissenschaft – die Theologie!
Größte Abteilung der Bibliotheca Amploniana ist die Theologie mit 212 Codices, gefolgt von der Medizin
mit 101 Codices und der Mathematik (73).
Jedes Kapitel seines Katalogs beginnt Amplonius – voller Besitzerstolz – mit den Worten „Isti sunt libri,
quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo …“.

Januar          „Catalogus librorum“, Beginn des Kapitels zu den medizinischen Büchern: „De medicina“.
Amplonius besitzt in der Medizin 101 Codices mit insgesamt über 800 Einzelwerken. Es sind dies Schriften
unterschiedlichster Herkunft, alle wichtig und notwendig für ein Medizinstudium zu jener Zeit. Wir finden
in seiner Sammlung Werke antiker, jüdischer, arabischer und abendländischer Herkunft.
Die medizinischen Schriften der Bibliotheca Amploniana sind ein MUSS für alle Erfurter Medizinstudenten.
In den Statuten des Collegium Amplonianum aus dem Jahr 1433 weist Amplonius seine Kollegiaten an,
welche Schriften sie studieren sollten:
            XXIV. Item statuo quod magister talis ut premittitur studebit artem commentattam Hippocratis
      et Galeni amphorismos et notabilia commentorum diligenter incorporando, si ad medicinam iste talis
      se contulerit; preterea primum canones Auicenne Almansorium Rasis colliget Aueronis viaticum
      Constantini cum commento Giraldi et Ysaac de vrinis, et per mensem tempore verno frequenter sit
      in apothecis discendo conficere clisteria suppositoria nastalia pessaria syropos et similia sibi neces-
      saria et confectiones, antequam fiat baccalarius in dicta facultate medicine.5

5 Weißenborn, aaO, S. 153. Frei übersetzt lautet die Passage aus den Statuten ungefähr so: „Auch ordne ich an,
daß sich der Magister, wenn er sich für Medizin entscheidet, zunächst mit der Kunst des Kommentierens des Hippo-
krates, den Aphorismen des Galen und deren bemerkenswerten Kommentaren beschäftige, danach mit dem Canon
des Avicenna, dem Almasor des Rhases, den gesammelten Werken des Averroes, dem Viaticum Constantins mit
                                                                                                    Seite 6 von 28
"Isti sunt libri, quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo " - Amplonius Novus
Zurück zum catalogus librorum und zur Fachabteilung Medizin. Die nachfolgende Abbildung zeigt den
aufgeschlagenen Bücherkatalog mit dem Ende der Abteilung „De philosophia morali“ (links) und dem An-
fang des Fachbereiches Medizin (rechts).

                                                                                   Der Beginn der Abteilung
                                                                                   Medizin lautet:

                                                                                   “De medicina
                                                                                   Isti sunt libri quos ego Amplo-
                                                                                   nius habeo in arte medicine:
                                                                                   1.: Primo ars commentata
                                                                                   continens libros infrascriptos
                                                                                   in se:
                                                                                   Ysagogas Iohannicii, de
                                                                                   urinis Theophili […]
                                                                                   2. Item quinque libri canonum
                                                                                   Avicenne cum Interpretaci-
                                                                                   one vocabulorum Arabi-
                                                                                   corum dupliciter.“

                                                                                   Wie im gesamten catalogus
                                                                                   librorum üblich, folgt der
                                                                                   Überschrift mir der Fachbe-
                                                                                   nennung und dem Besitzver-
                                                                                   merk der erste Band, begin-
                                                                                   nend mit der Zahlenangabe
                                                                                   „primo“. Alle folgenden Codi-
                                                                                   ces beginnen mit „item“ –
                                                                                   „ebenfalls“.
                                                                                   Die in einem Codex zusam-
                                                                                   mengefaßten Schriften sind
                                                                                   mit einer Klammer links vom
                                                                                   Text verbunden, wobei die in
                                                                                   der Mitte der Klammer ste-
                                                                                   hende Zahl (durch das hoch-
                                                                                   gestellte „m“ als Ordnungs-
                                                                                   zahl ausgewiesen) die fort-
                                                                                   laufende Numerierung des
                                                                                   Bandes in der Abteilung dar-
                                                                                   stellt.

Manche Codices sind mehrfach vorhanden. So ist der persische Arzt und Naturwissenschaftler Ibn Sina,
latinisiert Avicenna, gleich mit 17 Kopien seines Kanons der Medizin in der amplonianischen Bibliothek
vertreten. Bereits 1384 kauft Amplonius für den damals enormen Preis von 6 rheinischen Gulden von
Tilmann von Siegburg, Leibarzt des Kölner Erzbischofs, eine großformatige Avicenna-Handschrift.

Und er liest bzw. studiert die gesammelten Schriften auch! Darüber gibt eine von Amplonius selbst ge-
schriebene Notiz Auskunft, in der er festhält, daß er den gesamten „Canon“ des Avicenna (CA. 2° 252)

dem Kommentar des Giraldi [i.e. Girardus Bituricensis] und des Ysaac über Urin. Und für einen Monat zur Zeit des
Frühlings soll er Apotheken besichtigen, um die Anfertigung von Klistieren, Suppositorien, die Herstellung von Pes-
saren, Sirupen und ähnlichen Notwendigkeiten und Verarbeitungen zu erlernen, bevor er Bakkalaureus der besagten
medizinischen Fakultät wird.“
                                                                                                      Seite 7 von 28
"Isti sunt libri, quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo " - Amplonius Novus
einen ganzen Sommer hindurch vom 31. Mai bis zum Martinstag 1422 gründlich studiert hat: „Ego Amplo-
nius hunc librum perlegi studiose a principio ad finem a. 1422 in estate a festo pasche usque ad Martini
festum.“

                                             Vollständige Sammlung der Canones des Avicenna (CA. 2° 252)

Weiterhin enthält die Bibliotheca Amploniana medizinische Werke u.a. von Rhazes, Averroes, die Apho-
rismen des Hippokrates, ein Kommentar Galens zu Hippokrates und Schriften des Constantinus Africanus.

Februar         CA 4° 194 Bl. 65 ff: Das Pestgutachten der medizinischen Fakultät der Universität Paris:
„Tractatus de epidimia (a. 1349 a facultate medica Parisiensi editus“). Der Text beginnt wie folgt: „Visis
effectibus quorum causa latet etiam ingeniosissimos intellectus mens humana in admirationem deducitur,
et cum ei insit apprehensionis boni verique innata cupido, nam omnia bonum appetunt et scire desiderant,
ut patet per philosophum euidenter. …“ – Vgl. Paasch, aaO, S. 175.

Von 1347 bis 1351, also einige Jahre vor Amplonius‘ Geburt, wütet in Europa eine hochgradig anstek-
kende Infektionskrankheit: der „Schwarze Tod“. Die Seuche fordert viele Menschenleben und wird für eine
Strafe Gottes gehalten, gegen die verschiedenartige Bußpraktiken empfohlen werden, um den Allerhöch-
sten gnädig zu stimmen. Als Helfer in der Not werden die Pestheiligen St. Rochus und St. Sebastian
angerufen … allerdings ohne Erfolg.
Auch die zeitgenössischen Ärzte beschäftigen sich mit der Pestilenz und verfassen zahlreiche Empfeh-
lungen, wie der Krankheit beizukommen sei. Es entstehen unterschiedliche „medizinische“ Pestschriften,
die den verängstigten und besorgten Zeitgenossen Mittel zur Vermeidung der Ansteckung mit der todbrin-
genden Krankheit ans Herz legen, … auch dies ohne (erwähnenswerte) Erfolge.
Auch unser Magister Amplonius de Berka setzt sich mit der verheerenden Pest-Epidemie auseinander,
studiert Pesttraktate, die er in seiner Bibliothek sammelt, und schreibt höchstselbst ein „Regimen contra
pestilenciam“.
Der Mediziner, Büchersammler und Stifter ist höchst besorgt, — um seine Patienten und Mitmenschen
und natürlich um seine Kollegiaten in Erfurt. Denn die epydimia ist auch eine Gefahr für das Collegium
Amplonianum, für die dort studierenden jungen Akademiker und letztendlich auch für die überaus wertvolle
Bibliothek. Folglich weist der Stifter seine Stipendiaten im Dezember 1433 in den Statuten des Kollegs an,
bei einem Ausbruch der Pest die „Himmelspforte“ zu verlassen, und zwar „cito, longe et tarde“.
Er befiehlt, daß die Bibliothek geschlossen werden muß (die Schlüssel sind beim Erfurter Rat abzugeben)
und alle Personen an Orte zu gehen haben, an denen keine Pest herrscht. Amplonius fordert: „fuge cito

                                                                                              Seite 8 von 28
"Isti sunt libri, quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo " - Amplonius Novus
de loco pestilenciali ad locum non pestilencialem longe et tarde redibis”.6

In der Bibliotheca Amploniana hat der Meister, wenn wundert es, Pesttraktate zusammengetragen. So
zum Beispiel das bereits oben erwähnte Pestgutachten der medizinischen Fakultät der Universität Paris
(Kalenderblatt Februar 2021).
                                                    In der Handschriften-Sammlung des Codex 4°
                                                    194 der Amploniana sind weitere Pestschriften
                                                    und –gutachten zusammengetragen, nämlich:
                                                          die Schrift „Causa epydimie et preservacio
                                                           eiusdem“;
                                                          die Schrift des bekannten Arztes und spä-
                                                           teren Bischofs von Freising, Johannes
                                                           Griese von Westerholz: „Ad preservandum
                                                           ab epydimia“;
                                                          die Schrift des Magisters Bartholomeum
                                                           de Brugis: „Si epydimia veniat in partibus
                                                           vestris, …“
                                                          und schließlich die Pestschrift von lohan-
                                                           nis de Tornamira (i.e. Johann von Torna-
                                                           mira7): „Preservacio et cum apantum
                                                           antrosorum pestilencialium secundum in-
                                                           tencionem mag.Ioh. de Torn.“

                                                           Auch an weiteren Stellen der Amploniana gibt es
                                                           Schriften zur Pest, z.B. im Codex Amplonianus
                                                           Quarto (CA 4°) 217, Bl. 1-9: „Item tractatus de epi-
                                                           dimia“ und Bl. 9’—10': „Quaestio de epidemia“ –
                                                           alles Texte, die kurz nach dem ersten Pestaus-
                                                           bruch verfaßt wurden.

                                                           Nicht in der Amploniana vorhanden ist ein „Regi-
                                                           men contra pestilenciam“, geschrieben von dem
                                                           „hoch gelerte[n] Doctor der arzneij appolonij
                                                           Maijntz“. Jakob Sudhoff (1853-1938) zitiert es im
                                                           Archiv für Geschichte der Medizin, vol. 8, no. 4,
                                                           1915, pp. 253-254.8

Frau Dr. Pfeil hat anläßlich der Tagung der DGGP9 im Underberg-Stammhaus in Rheinberg am
11.08.2015 in ihrem Vortrag mit dem Titel „Die Rezeptsammlungen des Amplonius Rating de Berka“ dar-
gelegt, daß es sich bei diesem „meyster Apollonius de Moguntia“ höchstwahrscheinlich – wie auch bei
dem andernorts erwähnten „Apollonius de Colonia“ – um unseren Amplonius de Berka handelt, der nach-
weislich von etwa 1416 bis 1423 dauerhaft in Mainz lebt (und davor wie auch danach in Köln).

Was rät der Mediziner Amplonius nun, um nicht an der Pest zu erkranken und zu sterben?

        Man soll Abstand halten von „zw vill lewtten“ (von zu vielen Leuten), möglichst keine fremden
         Wohnstuben und Häuser besuchen, da hier ein großes Potential für gegenseitige Ansteckung
         besteht und keine Badehäuser („patstuben“) frequentieren.
        Man soll regelmäßig gewisse Hygienemaßnahmen durchführen, z.B. morgens und abends seine
         Kammer mit einem Gemisch aus Wacholder, Lorbeer und Wermut („kranwitper, lorber und wer-
         mut“) ausräuchern und selbst diesen Rauch intensiv inhalieren („zeuch den ruckh in dich mit

6 Vgl. „Die Statuten und Ordnungen des Amplonianischen Collegs vom 22. December 1433“ bei Weißenborn,
aaO, S. 147 ff
7 Johann von Tornamira (ca. 1329—1395), Professor an der Universitat Montpellier und päpstlicher Leibarzt.
8 Der Text ist online verfügbar unter: https://www.jstor.org/stable/20773085.
9 DGGP = Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie

                                                                                                   Seite 9 von 28
"Isti sunt libri, quos ego Amplonius Ratinck de Berka habeo " - Amplonius Novus
          grossem vleiß“). Außerdem soll man Hände und Gesicht oft mit Wasser oder Essig reinigen („Man
           sol hent und antlitz offt waschen mit wasser oder mit essich“), wobei man sich – so wird schon
           vorher gesagt – vor „rohem wasser“ hüten soll, was nichts anderes heißt, als daß man das Was-
           ser abkochen soll.
          Man soll gewisse Ernährungsmaßregeln befolgen, also beispielsweise Walnüße mit einem
           Schluck Wein zu sich nehmen („guet walisch nuß; und thue dar auff ein guetten trunckh wein“),
           bevor man seine Kammer verläßt, und allen Speisen Essig hinzufügen („und in all dein speiß thue
           essich“).
          Man soll, und dies ist die Quintessens aller Ratschläge des „meyster Apollonius de Moguntia“,
           stets züchtig und fröhlich sein, um das Blut in seiner vollständigen Kraft zu erhalten: „allzeit in
           zuchten frolich, so wehaltes dw das pluet in seiner krafft.“

Die Universitätsbibliothek Heidelberg beheimatet die viertgrößte Sammlung mittelalterlicher deutscher
Handschriften nach Berlin, München und Wien. Bei den Codices Palatini germanici, fachwissenschaftliche
Abkürzung: Cod. Pal. germ., handelt es sich um 848 Codices aus der ehemaligen Bibliotheca Palatina in
Heidelberg.
Unter der Signatur Cod. Pal. germ. 253 findet sich eine Sammlung von Rezepten gegen unterschiedliche
Krankheiten. Im ersten Teil der Sammlung, wahrscheinlich entstanden in Bayern vor 1570, finden sich ab
Blatt 57r (bis Blatt 69r) elf Rezepte gegen die Pest. Mit dabei – natürlich, möchte man fast schon sagen –
das Pestregimen des Arztes Apollonius von Mainz mit Aderlaßregeln (Bll 60v–64r). Cod. Pal. germ. 253
ist auch online zu finden: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg253.
Der Text beginnt in der Mitte der Seite 60v:

                     Dise Remedia hatt geschribenn der hoch gelerte Doktor der artzneÿ
                          appolonius Maÿntz widter den gebrechenn der Pestilentzs
           Merckett mitt fleiß wann einn solicher gebrochenn ist so soltu vor allenn dingenn gott fleisig
           dinnenn dich hüttenn das du nicht gehest zu viel leutten inn die haüser vnnd stubenn nemlich inn
           die batstubenn wann einns das ander vergift …

Der Text aus Cod. Pal. germ. 253 ist wesentlich „aufgeblähter“ als der Text, den Sudhoff zitiert (s.o.):
insgesamt sechs Seiten, von Bl. 61v bis 64r. Es fällt auf, daß die Regeln in der Heidelberger Sammlung
wesentlich umfangreicher sind, als die von Sudhoff zitierten. Ob alle Empfehlungen, Rezepte und Anwei-
sungen tatsächlich vom „hoch gelerte Doktor der artzneÿ appolonius Maÿntz“ stammen, darf bezweifelt
werden.

In der Handschriftendatenbank der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB) befindet sich der Co-
dex Cod. Guelf. 429 Helmst. I II, eine zweiteilige Sammlung von Handschriften aus der Zeit zwischen
1380 und 1430.10
In dieser Sammlung medizinischer Schriften befindet sich auf Blatt 66r ein lateinischer Eintrag mit Re-
zepten eines „magistri Apollonii de Colonia“ gegen die Pestilenz.
Wer dieses Blatt betrachtet stellt sofort fest, daß dieser Beitrag in einer anderen Handschrift niederge-
schrieben wurde. Es handelt sich offensichtlich um einen Nachtrag, der wahrscheinlich von dem Schrei-
ber des zweiten Teils des Codex eingefügt wurde, also um 1430 in Süd- oder Mitteldeutschland. Laut
Textbeschreibung der HAB ist der Text „in dieser Form bislang nur hier nachgewiesen.“ Der Eintrag be-
ginnt mit den Worten: „Tempore et loco pestilenciali vnde semper in principio pestilencie altera die de
mane ieiuno stomacho …” und endet „recipe aloes epatici unciam I mirre croci ana unciam semis fient
pillule.”

10   http://diglib.hab.de/?db=mss&list=ms&id=429-helmst&catalog =Lesser &image=00153
                                                                                                Seite 10 von 28
Nota recepta magistri Apollonii de Colonia et est preservativa a pestilencia

Trotz aller Traktate, Gutachten und Rezepturen: es gab keine heilende Therapie! Und auch der Arzt
Amplonius hatte kein Mittel in seinem Repertoire, mit dem der Seuche beizukommen war!

März 2021

            Beginn des naturphilosophischen Kommentars Liber physionomiae von Averroes

März           CA 2° 32, Bl. 74-78: Liber Averroys commentatoris de phisonomia (Averroes: Liber
physionomiae). Anfang eines naturphilosophischen Kommentars von Averroes zu Aristoteles. Der Text
beginnt mit den Worten: „Elegantius est nature cognitio que per exteriores formas interiores inuestigat
qualitates …” Die Handschrift stammt aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. In der Miniatur ist ein Lehrer
im Diskurs mit seinem Schüler dargestellt.

                                                                                                 Seite 11 von 28
Averroes, so der latinisierte Name für Abū l-Walīd Muhammad ibn Ahmad Ibn Ruschd, kurz Ibn Ruschd,
wird 1126 in al-Andalus (Andalusien), in Córdoba, der Hauptstadt des gleichnamigen Kalifats und damals
eine der größten Städte der bekannten Welt, geboren. Der Arzt, Jurist und Philosoph verfaßt Kommentare
zu fast allen Schriften des Aristoteles, weswegen er im Mittelalter oft einfach nur „der Kammentator“ ge-
nannt wird (wohingegen Aristoteles als „der Philosoph“ bezeichnet wird).
Aristoteles als die Autorität des spätmittelalterlichen Geisteslebens nimmt mit seinen eigenen Werken in
der Amploniana zum Teil in sehr aufwendigen Ausfertigungen einen großen Raum ein, ebenso wie die
sog. „pseudo-aristotelischen“ Schriften (z.B. CA. 2° 263) und die in Latein abgefaßten Kommentare von
Averroes. Amplonius besitzt mehr als 650 Einzelschriften von oder über Aristoteles.

Von Averroes liegen auch medizinische Schriften vor. Sein Hauptwerk zur Heilkunde, eine medizinische
Enzyklopädie mit dem lat. Titel Liber universalis de medicina, hat die abendländische Medizin entschei-
dend beeinflußt. Hier befaßt sich der arabische Arzt mit den Themenbereichen Anatomie, Hygiene, Pa-
thologie, Physiologie, Therapeutik etc. und ist für seine mittelalterlichen Nachfolger ausgesprochen wich-
tig.

April         CA 4° 185: Practica cyrurgice (!) de cauteriis et seconibus. Die Handschrift datiert aus
der Zeit des Übergangs vom 13. zum 14. Jahrhundert und ist evtl. italienischer Herkunft. Schum, aaO, S.
444, kommentiert die Abbildungen: „… in Wasserfarben gemalte menschliche Figuren zur Darstellung der
                                                einzelnen Kurmethoden in verschiedenen Krankhei-
                                                ten.“ Die hier dargestellten Krankheiten sind Magener-
                                                krankung, Rippenfellentzündung, Zahnschmerzen und
                                                Erkrankung der Leber. Die Behandlung erfolgt durch
                                                Kauterisation, d.h. durch Zerstörung des betr. Gewe-
                                                bes durch Brennen mit einem Brenneisen oder Ätzmit-
                                                tel.

                                                   Amplonius beschäftigt sich schon vor Beginn seines
                                                   Medizinstudiums intensiv mit dem Fach. Davon zeugt
                                                   die Anschaffung einer großformatigen Avicenna-Hand-
                                                   schrift im Jahr 1384 und das Geschenk eines gewissen
                                                   Nycolaus ab Austria im Jahr 1385 in Form einer Samm-
                                                   lung grundlegender medizinischer Schultexte (CA. 8°
                                                   62b).
                                                   In Prag beginnt er sein Medizinstudium, das er 1391 an
                                                   der Kölner Universität fortsetzt.
                                                   1392 wird die Universität Erfurt als fünfte Universität im
                                                   Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation eröffnet.
                                                   Ostern 1392 läßt sich Amplonius als Magister der Artes
                                                   und Bakkalar der Medizin in die erste Matrikel der Er-
                                                   furter Universität einschreiben.
                                                   Bereits 1393 wird Amplonius der erste Doktor der Me-
                                                   dizin an der neuen Erfurter Universität.
                                                   Vom 5. Mai 1394 bis zum 31. Januar 1395 bekleidet er
                                                   als zweiter das Amt des Rektors an der Hierana.11
                                                   Gleichzeitig praktiziert er in Erfurt auch als Arzt, wie
eine eigenhändige Notiz in den medizinischen Schriften seiner Bibliothek belegt:
Amplonius notiert: Am 4. September 1393 sei er zu einem Achtjährigen gerufen worden, dessen „ganzer
Körper“ angeschwollen war. Beim Pflanzensammeln hatte er einen kleinen Wurm verzehrt. Diesem Kna-
ben habe er starken, aromatischen Wein über Hals und Brustkorb gegossen, „zum Schutz des Herzens“.
Dann habe er ihm von diesem Wein eingeflößt, „damit eine Blähung entstehe“. Das half! Das Kind sei
„sofort allein durch die Kraft Gottes“ vom Leiden befreit gewesen, - wie Amplonius als frommer Christ und
nach dem Verständnis damaliger Medizin glaubt.

11Hierana = die an der Gera Liegende. Dies ist die landläufige Benennung der von 1392 bis 1816 bestehenden alten
Erfurter Universität. Der Name bezieht sich auf den Erfurt durchquerenden Fluss Gera (lat.: hiera), an dessen Ufern
die Einrichtungen der Universität liegen.
                                                                                                    Seite 12 von 28
Diese Notiz findet sich im Codes CA 2° 236, Bl. 177-183‘; sie lautet wortgetreu: „Anno 1393 die 4. Sep-
tembris erat puer octennis Erphordie ab Amplonio visus, qui inflatus fuit mirabiliter per totum corpus ex
comestione vermiculi ventris in collectione sandicis, et iussi ei amministrari tyriacam magnam cum vino
aromatico sublimato et invergi collum et thoracem eius ad preservanda cordialia et dedi ei I suppositorium,
ut ventositas evanesceret, et statim virtute Dei solius liberatus erat.”12

1399 finden wir Amplonius in Köln wieder, wo er an der Universität lehrt und auch das Amt des Rektors
ausübt. Im Mai 1401 wird es Leibarzt des Kölner Erzbischofs Friedrich III. von Saarwerden (bis zu dessen
Tod 1414).
1416 verlegt Amplonius seinen Wohnsitz nach Mainz. Er ist Dekan (d.h. wirtschaftlicher Leiter) der Stifts-
kirche St. Victor in Mainz und Leibarzt des Mainzer Erzbischofs Johann II. von Nassau bis zu dessen Tod
1419.13
Aus der Mainzer Zeit existiert ein von Amplonius stammender „Gewürztraktat“, den er für die junge Mark-
gräfin Margarethe von Baden, die seit März 1418 mit Graf Adolf von Nassau verheiratet ist, anfertigt.14
Darin werden exotische und somit teure Gewürze und ihre Anwendung bei unterschiedlichen Beschwer-
den beschrieben. Der Anfang dieses Textes lautet: „Dis ist die arczenie die meyster Appolonius gap zu
guden iare / lare der edeln grewen grauff Adolffs wibe, vmme liepenes des ersam in gott vatter vnd herren,
herren Johans von Nassen erczbischoffs zu Mencz, des arczts der abegenantis meyster Appolonius was
…“ – „Dies ist die Arznei, die Meister Appolonius [i.e. Amplonius] der hochgeborenen Frau Gräfin, der
Gattin des Grafen Adolf gab [übers Jahr?, zu nützlichen Lehren?], wegen der Liebe des Ehrenwerten zum
Gottvater und Herren, Herrn Johannes von Nassau, Erzbischof von Mainz, dessen Arzt der vorgenannte
Meister Appolonius war.“
Bezüglich seiner ärztlichen Tätigkeit in Mainz zieht Frau Dr. Pfeil den Schluß, daß Amplonius der Mark-
gräfin nicht nur den „Gewürztraktat“ schreibt, sondern ihr darüber hinaus auch bei ihren Schwangerschaf-
ten als Arzt beisteht, wobei sie alle Geburten überlebt und auch ihre Kinder die damals kritische Säug-
lingszeit überstehen, was wiederum für die Qualitäten Amplonius‘ als Arzt spricht.15
1423 kehrt Amplonius nach Köln zurück und wird Leibarzt des Kölner Erzbischofs Dietrich II. von Moers
(bis mindestens 1430).

Mai 2021

                                                                                                                 16

Mai             Die Stiftungsurkunde vom 1. Mai 141217
„In nomine Domini amen. Anna a Nativitate eiusdem millesimo quingentesimo duodecimo Indictione quinta Pontifi-
catus sanctissimi in Christo patris et dni nostri dni Johannis diuina prouidentia pape Vigesimi tertii anno secundo
prima die mensis maji hora vesperorum uel quasi, in mei notarii publici subscripti et testium infra scriptorum ad hoc

12 zitiert nach Schum, aaO, S. 147
13 Johann von Nassau ist gleichzeitig Kanzler der Erfurter Universität.
14 Siehe Pfeil, doctor in medicina, S. 2 ff
15 Vgl. Pfeil, doctor in medicina, S. 4
16 Die Stiftungsurkunde vom 1. Mai 1412; aus: „Der Osten – Entdecke wo du lebst: Die Amploniana-Luthers Bü-

cherstube“, ein Film von Ute Gebhardt, Mitteldeutscher Rundfunk (mdr), Erstsendung 2017; online abrufbar auch
auf YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=Zfv29_V2nsw)
17 cf. Paasch, aaO, S. 29

                                                                                                      Seite 13 von 28
vocatorum et rogatorum presentia constitutis uenerabilis magister er dominus Amplonius de Berka phisicus Chori
episcopus ecclesie sanctorum apostolorum Coloniens. asseruit: …“ –

„Im Namen des Herrn Amen. Im Jahre 1412 nach Geburt des Herrn, während der 5. Indiktion, im 2. Jahre des
Pontifikats unseres heiligsten Vaters und Herrn in Christus, des Herrn Johannes XXIII., durch göttliche Vorsehung
Papst, am 1. Tag des Monats Mai, etwa zur Stunde der Vesper, hat der ehrwürdige Herr Magister Amplonius aus
Rheinberg, Arzt und Chorleiter der Kirche der Hl. Apostel zu Köln, in Gegenwart von mir, des unterschreibenden
öffentlichen Notars, und der unten genannten Zeugen, die dazu gerufen und hergebeten worden sind, folgendes ver-
sichert:
Wenn er sich auch aus Liebe zum allmächtigen Gott schon lange den Plan vorgenommen und erwogen hat, zum Lob
und zur Ehre des gebenedeiten göttlichen Namens von den Gütern, die ihm durch Gottes Fügung geschenkt worden
sind oder geschenkt werden, an einer der privilegierten Universitäten Deutschlands ein bestimmtes Haus zu errichten
und zu gründen für eine bestimmte Anzahl von geeigneten Scholaren aus dem wirklichen Gebiet der vorgenannten
Hl. Kirche von Köln, damit jene dort studieren und bis zum Magistergrad in den Freien Kürsten und zum Doktorat
in einer der vier übrigen Fakultäten fortschreiten sollen, und den Scholaren zu seinen und seiner Nachkommen Gun-
sten eine Bücherei bzw. Bibliothek einzurichten, wie sie für die genannten Fakultäten notwendig ist, so hat er, wie er
sagte, dennoch aus anderen deutschen Universitäten mit privilegiertem Studium die Erfurter Universität ausgewählt
und sich aus verschiedenen richtigen und verständlichen Gründen veranlaßt gesehen, sein heiliges Vorhaben gerade
dort zu beginnen und mit Gottes Hilfe zu dem rechten Abschluß zu bringen. Und weil, wie er versicherte, die klugen
und umsichtigen Herren Ratmeister und Ratsherren im Namen der gesamten Gemeinde Erfurt zur Vollendung des
löblichen Vorhabens ebendiesem Magister Amplonius in großzügiger Weise den Himmelspforte genannten Hof zum
Geschenk gemacht haben und ihn mit dem gegenwärtigen und künftigen Zubehör von Gelände, Bauwerken, Ställen
und freiem wie auch unfreiem Personal, das sich dort aufhält, durch Privilegien gestützt und dem Kolleg des vorge-
nannten Magisters Amplonius zugewiesen haben und, wie er sagte, für ewige Zeiten überschrieben haben, hat
deshalb derselbe ehrwürdige Magister Amplonius nach der ihm bestmöglichen und ordentlichsten Verfahrensweise,
in voller Gesundheit des Leibes und der Seele, aus sicherem Wissen, mit Überlegung, freiwillig und aus eigenem
Antrieb in einem Schenkungsakt unter Lebenden, der unwiderruflich in dem Willen zu schenken vollzogen worden
ist, dem in Erfurt bei dem Hl. Michael gelegenen Kolleg, das mit gewöhnlichem Namen Himmelspforte heißt und
Kolleg des Magisters Amplonius, des Arztes, genannt wird, in einem sogenannten einfachen und unwiderruflichen
Schenkungsakt unter Lebenden alle Bücher jedweder Fakultät, die der vorgenannte Magister Amplonius jetzt insge-
samt oder getrennt wirklich hat und als Besitz heute besitzt oder auch besitzen wird oder in Zukunft bekommen und
erlangen wird, übergeben, geschenkt und gegeben und schenkt, gibt und übergibt sie ihm, indem er in dem obigen
Schenkungsakt die vorgenannten in seinem Besitz befindlichen oder noch gelangenden Bücher jedweder Fakultät
aus der profanen und theologischen Literatur seinem bereits genannten Kolleg, das Himmelspforte genannt wird,
zum ewigen Nutzen der Scholaren und sonstigen Personen, die in ihm studieren sollen, als ihren eigenen Besitz
schenkt, ohne Vorbehalt, frei und einfach und ganz zum Lob, zum Ruhme und zur Ehre des allerhöchsten Gottes, der
von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt, und seiner allerheiligsten Mutter und aller heiligen Geister, damit bei ihnen das Stu-
dium, die Tugend, die Wissenschaft und das Recht wachse, und nicht zuletzt, damit sie sie zu ihrem größten Nutzen
und Vorteil immer besitzen sollen. Er behält sich kein Recht auf Eigentum oder Klage irgendwelcher Art an diesen
Büchern vor und verzichtet auf die genannten Bücher und jedes einzelne von ihnen durch Gelöbnis mit der Hand,
das von feierlichen Worten begleitet wird, abgelegt in meine, des unterzeichnenden Notars, Hände, der ich von dem
vorgenannten Magister Amplonius im Namen des genannten Kollegs, Himmelspforte mit Namen, eigens bestimmt
worden bin. Er vermacht, schenkt und gibt den Scholaren und Personen des genannten Kollegs zum ewigen Nutzen
ihres Studiums über seine besagten Bücher, die ihm jetzt und künftig gehören, gemeinsam wie getrennt, die volle,
ganze und unbeschränkte Verfügungsberechtigung mit allem Recht auf Eigentum und Besitz, das eben dem genannten
Magister Amplonius an ebenden bereits genannten Büchern zustand, zustehen wird oder irgendwie künftig zustehen
kann. Dennoch behält ebenderselbe Magister Amplonius vor allem sich und auch einigen anderen im Hinblick auf
das Vorstehende die unten genannten Einschränkungen vor. Erstens während der Lebenszeit des Magisters Amplo-
nius die unwiderrufliche Nutznießung an den genannten Büchern, die ihm als Ganzes und als Teile gehören und
gehören werden; weiter, daß gewisse Verwandte von ihm, die durch Gottes Fügung dort einmal Mitglieder des Kol-
legs sein werden, diejenigen Bücher großzügiger benutzen können, die dort doppelt vorhanden sind, allerdings ohne
Nachteil für das genannte Kolleg. Ebenso will selbiger Magister weder sich noch die Vollstrecker seines Willens
durch diese Schenkung besagtem Kolleg zu Weiterem verpflichtet wissen, wenn nämlich durch ein unerwartetes Er-
eignis, Mißgeschick oder Schicksal die genannten Bücher ganz oder teilweise veräußert, entzogen, vernichtet oder
beschädigt werden, außer daß er, soweit es an ihm liegt, nach besten Kräften und mit Eifer sowie ohne ausgeklügelte
List und Betrug die Bücher aus besagter Schenkung für sein Kolleg und zu dessen Nutzen treu bewahren will . Ebenso
hatte derselbe Stifter Amplonius folgenden Wunsch: Wenn jemals der Apostolische Stuhl wegen der großen Zahl der
privilegierten Universitäten oder aus irgendeinem anderen Grund die Privilegien und Freiheiten besagter Universi-
tät von Erfurt widerrufen, zunichtemachen oder für ungültig erklären sollte und keine Hoffnung bestünde, derartiges
                                                                                                       Seite 14 von 28
im Laufe der Zeit wiederzuerlangen, so sollen die Mitglieder des genannten Kollegs die besagten Bücher unbehindert
zu derjenigen Universität überführen können, zu welcher sie sich dann begeben wollen, und zwar ohne Hinderung
durch den Herrn Rektor und die Herren Magister, Doktoren, Ratmeister und Ratsherren der vorgenannten Univer-
sität und Gemeinde von Erfurt oder auch durch einen anderen, der im Besitz kirchlicher oder weltlicher Macht ist,
vorausgesetzt, daß kein Einspruch von irgendwelcher Seite dem entgegensteht. Damit die genannte Schenkung der
Bücher wirksam werde und nicht um ihr rechtes Ende gebracht wird, hat schließlich ebenderselbe Magister Amplo-
nius im Namen seines besagten Kollegs die ehrwürdigen und weisen Herren Rektor, Magister und Doktoren der
vorgenannten Universität von Erfurt und die Ratmeister und Ratsherren dortiger Gemeinde als seine Beauftragten
und Schutzherren bzw. besonderen Verwalter erwählt, indem er ihnen gemeinsam und einzeln nach der ihm best-
möglichen und wirksamsten Verfahrensweise die uneingeschränkte und volle Berechtigung erteilt hat, besagte Bü-
cher aus genannter Schenkung nach Ablauf seiner lebenslänglichen Nutznießung zu verlangen, zu fordern, wieder-
zuerlangen, zu übertragen und natürlich zum Nutzen des oft genannten Kollegs und zu keinem anderen Zweck vor-
zuführen und zu überführen. Danach verzichtete vorgenannter Magister Amplonius auf jedes Recht und Klagerecht,
auf alle Einschränkungen, Rechtsansprüche und Vorwände, die ihm an jenen Büchern oder an einem davon im Hin-
blick auf ihre Einbehaltung, ihren Verkauf und ihre Veräußerung zustehen oder zustehen werden, und ebenso auf
alle Vorbehalte und Spitzfindigkeiten des kirchlichen und weltlichen Rechts, durch die die vorliegende fromme Schen-
kung auf irgendeine Weise verhindert werden könnte zu seinen Gunsten oder derjenigen seiner näheren und entfern-
teren Nachkommen, Verwandten, Blutsverwandten und Freunde, und ebenso zugunsten all derjenigen, die sich unter
irgendeinem Vorwand mit besagter Schenkung in Verbindung bringen oder der Meinung sein könnten, es gehe dabei
um ihre Rechte. Darüberhinaus setzte derselbe Magister und vorgenannte Stifter Amplonius die von ihm in erster
Linie Beschenkten, nämlich besagtes Kolleg und seine gegenwärtigen und künftigen Mitglieder, und ebenso natürlich
im Namen besagter Mitglieder und nicht anders den ehrwürdigen und weisen Herrn Rektor mit den Magistern und
Doktoren genannter Universität von Erfurt und die Ratmeister und Ratsherren besagter Gemeinde als Beauftragte
und Schutzherren der vorgenannten Schenkung in den Besitz derselben Bücher, die gesamt und einzeln geschenkt
werden, und zwar so, daß die Bücher dem genannten Magister Amplonius im Namen der besagten Beschenkten ohne
Nachteil fürderhin in Verwahrung gegeben werden und bei ihm unter treuem Schutz verbleiben, nicht als ihm ange-
hörig oder als sein Besitz, sondern unter dem Rechtstitel eines hinterlegten und anvertrauten Guts. Oft genannter
Stifter hat für sich und seine Nachfolger versprochen, besagte Schenkung niemals wegen Undankbarkeit oder aus
irgend einem anderen Grund widerrufen zu wollen, sondern sie für immer als gültig und erwünscht unverbrüchlich
einzuhalten. Er behält sich die uneingeschränkte Vollmacht vor, alles Vorstehende durch Zusätze oder Streichungen
sooft abzuändern, wie es ihn gut scheint, ohne jedoch die erwähnte Schenkung jemals anzutasten. Der oft genannte
Magister Amplonius bat mich, den unterschreibenden öffentlichen Notar, ihm von allem und jedem Vorstehenden
soviele öffentliche Urkunden wie nötig anzufertigen.
                                                               Das wurde verhandelt zu Köln im Wohnhaus des ge-
                                                               nannten Magisters Amplonius im Bereich der oben
                                                               genannten Kirche der Hl. Apostel; Jahr, Indiktion,
                                                               Pontifikat, Monat, Tag, Stunde und Ort wie oben;
                                                               dort anwesend waren die ehrwürdigen und vorneh-
                                                               men Herren Peter Rating aus Rheinberg, leiblicher
                                                               Bruder des genannten Stifters und als Kanoniker In-
                                                               haber einer Pfründe an besagter Kirche der Hl. Apo-
                                                               stel, Gerhard aus Rheinberg, Vikar an St. Maria im
                                                               Kapitol, Johannes Wissen, Pastor in Lünen in besag-
                                                               ter Kölner Diözese und Verwandter des genannten
                                                               Stifters, und des Magisters Johannes von Stommeln,
                                                               Presbyter in der genannten Diözese, die als glaub-
                                                               würdige Zeugen für das Vorstehende eigens gerufen
                                                               und hergebeten worden sind und in allen vorgenann-
                                                               ten Punkten die erwähnte Stiftung treu bestätigen.
                                                               Und ich, der oft genannte Amplonius, habe zur Be-
                                                               glaubigung der Wahrheit aller vorstehenden Punkte
                                                               hier meine Unterschrift geleistet, weil ich jedes ein-
                                                               zelne dessen, was oben berichtet ist, aus freiem Wil-
                                                               len so, wie es oben steht, getan und gemacht habe.
                                                               Ich Peter, der leibliche Bruder des genannten Stif-
                                                               ters, habe hier zur Beglaubigung der Wahrheit aller
                                                               vorstehenden Punkte meine Unterschrift geleistet,
                                                               weil ich bei besagter Stiftung zugegen gewesen bin
                                                                                                      Seite 15 von 28
und sie einfach und vorbehaltlos bestätige. Und ich Gerhard aus Rheinberg, Verwandter des besagten Stifters, habe
hier zur Beglaubigung der Wahrheit aller vorstehenden Punkte meine Unterschrift geleistet, weil ich als Zeuge bei
allem oben Verhandelten anwesend war und der oft genannten Stiftung treu zustimme. Und ich Johannes Wissen,
Verwandter des besagten Magisters und Stifters Amplonius, habe hier zur Beglaubigung aller vorstehenden Punkte
meine Unterschrift geleistet, weil ich bei allem Vorstehenden als Zeuge anwesend war und besagte Stiftung gänzlich
bestätige. Und ich Johannes von Stommeln, Magister in den Freien Künsten und Presbyter der Kölner Diözese, habe
hier zur Beglaubigung der Wahrheit meine Unterschrift geleistet, weil ich als Zeuge bei allem oben Verhandelten
zugegen war. Und ich Hartung Pletzichen von Rodenberg, Kleriker der Mainzer Diözese und kraft kaiserlicher Voll-
macht öffentlicher Notar, habe, weil ich bei der Schenkung, Übergabe, dem Verzicht und der Aufkündigung, dem
Gelöbnis und der Bestätigung des Besitzes dieser Bücher und der Benennung von beauftragten Schutzherren und der
Wahl und Einsetzung von Bevollmächtigten sowie bei jedem anderen der vorstehenden Punkte zusammen mit den
vorgenannten Zeugen anwesend gewesen bin, während es so, wie oben steht, verhandelt wurde und vor sich ging,
und weil ich gesehen und gehört habe, daß es so, wie oben steht, vor sich gegangen ist, habe deshalb daraufhin diese
vorliegende öffentliche Urkunde angefertigt, mit eigener Hand geschrieben, in diese öffentliche Form gebracht und
hier mit meinem gewohnten Siegel und Namen unterzeichnet, zusammen mit den Unterschriften der genannten Her-
ren und Magister, des Stifters Amplonius, besagten Stifters leiblichen Bruders Peter, der Verwandten des genannten
Magisters und Stifters Amplonius Gerhard von Rheinberg und Johannes Wissen, und des Johannes von Stommeln,
Magister in den Freien Künsten, und habe sie, darum gebeten und ersucht, zur Beglaubigung und zum Zeugnis aller
einzelnen vorstehenden Punkte mit meinem Siegel versehen.“

Juni 2021

Juni             CA 4° 353: Schmuckvolle Initiale “S” aus einem Buch von Euklid in der Übersetzung aus
dem Arabischen von Adelard von Bath (auch Adelardus Bathonensis, geb. um 1070, gest. um 1152):
Euclidis geometriae librorum VIII translatio ab Adelhardo Bathoniensi confecta fine mutila. Hand-
schrift aus dem sehr frühen 13. Jahrhundert, in der Bibliotheca Amploniana in der Abteilung „Mathematica“
geführt. „Superficies similes sunt quarum anguli unius angulis alterius equales lateraque equos angulos
continencia proporcionalia. Superficies mutuorum laterum sunt inter quarum latera incontinua proporcion-
alitas retransitive habetur.”

                                                                                                     Seite 16 von 28
Wie viele wissenschaftliche Werke, so wurden auch Euklids Schriften zunächst ins Arabische übersetzt.
Unter anderem durch die Übersetzungen von Adelard von Bath, einem bedeutenden englischen Gelehrten
und Übersetzer des 12. Jahrhunderts, wurde die arabische Wissenschaft und mit ihr die der Antike im 12.
Jahrhundert im Europa des Mittelalters bekannt gemacht.
Die Bibliotheca Amploniana enthält eine überraschend große Menge an mathematischen Texten, ange-
fangen bei der griechisch-römischen Antike über die Übersetzungen von arabischen Schriften bis zu zahl-
reich vorhandenen Schriften aus dem westlichen Europa des 13. und 14. Jahrhunderts.
Unter Mathematik versteht Amplonius die im Quadrivium vereinten Fächer Arithmetik, Geometrie, (theo-
retische) Musik und Astronomie. Im catalogus librorum schreibt Amplonius, was er noch unter dem Ober-
begriff „mathematica“ zusammenfaßt: die Astrologie, die Geomantie (i.e. eine Form des Hellsehens), „ma-
gicas artes et nigromanticas“ und die Optik.
Was Euklid betrifft, so enthält die Amploniana in verschiedenen Codices Handschriften der beiden wich-
tigsten lateinischen Euklid-Bearbeitungen des Mittelalters.

                                                                         Juli 2021

               CA 2° 31 (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts): Libri duo Aristotelis de proprietatibus ele-
               mentorum secundum translacionem communem. Die Initiale „P“ zeigt einen Gelehr-
               ten, vielleicht Aristoteles, mit seinen Schülern. In seinen Händen hält der Mann eine Dar-
               stellung der Welt – als Scheibe. Der Text beginnt: „Postquam premissus est sermo a nobis
               in celo et mundo et determinavimus illud …“

               Aristoteles (384-322 v. Chr.) ist sicherlich neben seinem Lehrer Platon der bedeutendste
               antike Philosoph. Seine Schriften über die Logik, die Naturphilosophie, die Metaphysik
               und die praktische Philosophie wurden seit dem 12. Jhdt. aus dem Arabischen in das
               Lateinische übersetzt und dem Abendland wieder zugänglich gemacht. Dadurch wurde
               das geistige Leben Europas ab dem 13. Jhdt. bereichert, auch wenn die Aufnahme der
               aristotelischen Schriften, die sich im Widerspruch zu den Lehren der katholischen Kirche
               befanden, nicht ohne Probleme erfolgte. Auch in der Amploniana lassen sich Verurteilun-
               gen einzelner Aussagen des Aristoteles im Bereich der Naturphilosophie feststellen.
               Trotzdem gilt Aristoteles im europäischen Mittelalter als der Philosoph überhaupt, als die
               Autorität des spätmittelalterlichen Geisteslebens.
               Die Schrift „De proprietatibus elementorum“ entstand wahrscheinlich im neunten oder
               zehnten Jahrhundert. Der Autor des Werkes behauptet, Aristoteles zu sein, aber schließ-
               lich wurde festgestellt, daß es sich um das Werk eines arabischen Autors handelt, weshalb
               die Arbeit folgerichtig einem „Pseudo-Aristoteles“ zugeschrieben wird.
               Bis zum 13. Jahrhundert ist „De proprietatibus elementorum“ zusammen mit Aristoteles
               „Meteorologie“ und Avicennas „De mineralibus“ eine der drei Hauptquellen für mittelalter-
               liches Wissen über Geologie.
               Als während der Renaissance erkannt wird, daß „De proprietatibus elementorum“ nicht
               von Aristoteles selbst geschrieben wurde, wird die Schrift aus dem akademischen Curri-
               culum gestrichen.

                                                                                           Seite 17 von 28
August        CA 2° 319 aus dem frühen 14 Jahrhundert und italienischer Herkunft. Thomas von Aquin:
Questiones de veritate. Schum, aaO, S. 221: „Initialen der Hauptabschnitte in bunten Farben auf Gold-
grund mit großen um den ganzen Text herumreichenden Arabesken, phantastisch gestaltete Vögel zu-
meist u. einmal gut getroffene Scenen einer Hasenjagd enthaltend; im Inneren des 1. Initials ist eine Vor-
lesung eines Dominicaners vor Ordensbrüdern dargestellt.“

Thomas von Aquin (1225-1274) war ein italienischer Dominikaner und einer der bedeutendsten Kirchen-
lehrer der römisch-katholischen Kirche. Er ist einer der einflußreichsten Philosophen, und seiner Wir-
kungsgeschichte in der Philosophie des Mittelalters nach zu urteilen gehört er zu den großen Denkern
seiner Zeit, dessen Werk noch heute auf praktisch allen Feldern philosophischer Problemstellungen An-
regungen zu geben vermag.
In seinen „Questiones disputatae“, seinem in philosophischer Hinsicht bedeutendsten Werk, geht es
Thomas von Aquin um die möglichst umfassende Disputation von Sachfragen nach der Maßgabe der
intellektuellen Vernunft vor dem Hintergrund überlieferter Auffassungen. Abgehandelt werden die großen
Themen der Metaphysik und Erkenntnislehre, die den Menschen bewegen: Was ist Wahrheit, was Ver-
mögen und (göttliche) Macht, was Tugend, und was ist die Seele?

Amplonius schätzte die Schriften von Thomas von Aquin sehr; folgerichtig schrieb er seinen Theologie-
Studenten ihr Studium vor. Er besaß alle wichtigen Schriften des Thomas in jeweils mehreren Exemplaren,
von den Kommentaren zu Sentenzen des Petrus Lombardus bis hin zur „Summa contra Gentiles“ (CA 2°
96), von den Bibelkommentaren bis zu den Kommentaren zu Texten von Aristoteles.

                                                                                             Seite 18 von 28
September       CA 2° 287: Hippocratis aphorismi a
                                                        Galieno commentati – Aphorismen des Hippokrates
                                                        mit einem Kommentar von Galen in der Übersetzung
                                                        von Constantinus Africanus.
                                                        Die Hauptinitiale links auf der Seite zeigt ein ca. 17 cm
                                                        großes rotes „P“: „Prefacio domini constantini affricani
                                                        montis cassiensis monachi ad glauconem discipulum
                                                        suum. Licet peticionibus tuis continuis …“

                                                                        Detail auf der abgebildeten Seite

                                                        Die Initiale „U“ zeigt „ein größeres bunt ausgeführtes
                                                        lebendiges Bild einer ärztlichen Consultation, das
                                                        durch die Tracht einer weiblichen Figur für die dama-
                                                        lige Zeit äußerst characteristisch ist“ (Schum, aaO, S.
                                                        195). Die Miniatur zeigt einen Arzt mit Uringlas, der zu
                                                        einem Patienten spricht. Im Hintergrund ist das Labor
                                                        des Arztes zu sehen sowie eine weitere Person.
                                                        Der Text beginnt: „Uita breuis, ars vero longa, tempus
                                                        autem acutum experimentum vero fallax iudicium au-
                                                        tem difficile …“ 18
                                                        Der Kommentar beginnt acht Zeilen danach mit der
                                                        blauen Initiale „P“: „Plurimi interpretes huius libri ...“

Constantinus Africanus (gest. um 1087) war ein nordafrikanischer medizinischer Forscher, Fachautor und
Übersetzer an der medizinischen Schule von Salerno in Süditalien. Durch seine Übersetzungstätigkeit –
er übersetzt z.B. Hippokrates und Galen – wird auch die praktische arabische Medizin für die Ärzte im
mittelalterlichen Europa zugänglich. Von Salerno aus gelangen die Erkenntnisse und Lehrbücher an die
Universitäten von Bologna und Paris und natürlich auch nach Erfurt und in die Amploniana.

Die Handschrift Hippocratis aphorismi a Galieno commentati wurde am 9. Dezember 1468 durch den
Rheinberger Studenten Hermann Umbehouwen „in stuba“ des Collegium Amplonianum vollendet. Es exi-
stiert am Schluß der folgende Eintrag: „Expl. amph. Yp. cum comm. G. per Hermannum Umbehouwen de
Bercka a. D. millesimo quadringentesimo scxagesimo octavo die vero nona mensis Decembris in stuba
eiusdem B. collegii Porte celi Amploniani.“
Hermann stammt aus Rheinberg und wird 1458 als 41.
Kollegiat am Collegium Amplonianum aufgenommen.
1467 wird er magister artium und studiert dann Medizin.
Er promoviert nicht in Erfurt und ist nach seinem Stu-
dium Arzt in Stendal und Lüneburg.
In der Bibliotheca Amploniana findet sich unter der Si-
gnatur CA 4° 218 eine von Umbehouwen gestiftete
Sammlung medizinischer Texte. Schum notiert dazu (cf.
Textauszug nächste Seite, Schum, aaO, S. 475):

18„Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang, die Gelegenheit vorübergehend, die Erfahrung verräterisch, die Beurtei-
lung schwierig …“
                                                                                                     Seite 19 von 28
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