JAHRESWECHSEL 2020/2021 - Antworten auf alle wichtigen Fragen
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Fachbroschüre Sozialversicherung JAHRESWECHSEL 2020/2021 Antworten auf alle wichtigen Fragen ikk-classic.de
INHALT 2 | IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 Sozialversicherung 03 Reform Krankenkassenwahlrecht 08 Siebtes SGB IV-Änderungsgesetz 15 Arbeit-von-morgen-Gesetz Lohnsteuer 17 Rückführung des Solidaritätszuschlags 18 Jahressteuergesetz 2020 19 Klimaschutzprogramm 2030 20 Zweites Familienentlastungsgesetz Sonstiges 22 Neues zur betrieblichen Altersversorgung 24 Verbesserungen bei Elterngeld und Elternzeit 25 Reform Arbeitnehmer-Entsendegesetz 26 Gesetzlicher Mindestlohn 2021/2022 27 Rechengrößen, Grenzwerte, Fälligkeit 2021 Impressum Herausgeber: www.ikk-classic.de · info@ikk-classic.de © PRESTO Gesundheits-Kommunikation GmbH www.presto-gk.de Stand: 1. November 2020 Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf geschlechterspezifische Sprachformen verzichtet, sämtliche Personenbezeichnungen gelten daher gleichermaßen für alle Geschlechter. Bildnachweis: Titel: © Sean Locke/stocksy.com, S. 2: © pressmaster/stock.adobe.com, S. 2: © Halfpoint/stock.adobe.com, S. 2: © picsfive/stock.adobe.com, S. 3-15: © picsfive/stock.adobe.com, S. 17-21: © pressmaster/stock.adobe.com, S. 22-25: © Halfpoint/stock.adobe.com
IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 | 3 SOZIALVERSICHERUNG Reform Krankenkassenwahlrecht brechung der Mitgliedschaft hin oder her, endet ein Die Richter am Kasseler Bundessozialgericht haben am Versicherungspflichttatbestand kraft Gesetzes, bedarf 11. September 2018 ein Urteil gefällt, wonach es zur es in Zukunft weder einer Kündigung noch sind die Ausübung des Krankenkassenwahlrechts keiner Kündi- Bindungsfristen einzuhalten – von den drei in der gung bedarf, sofern die Mitgliedschaft kraft Gesetzes Aufzählung genannten Wechselvarianten bleiben nur endet, Versicherungspflicht erneut eintritt und die all- noch zwei. Das bedeutet, dass in Zukunft bei jedem gemeine Bindungsfrist erfüllt ist. In der Folge mussten Arbeitgeberwechsel ein Wahlrecht besteht. beim Kassenwechsel drei Konstellationen unterschieden werden: Außerdem wird die allgemeine Bindungsfrist von 18 auf 12 Monate reduziert. Damit will die Bundesregie- ▪ Regelverfahren, d. h. mit Kündigung und mit Bin- rung erreichen, dass die Mitglieder auch ohne eine dungsfristen Anhebung des individuellen Zusatzbeitragssatzes ▪ Mitgliedschaftsende mit Unterbrechung von min (als weitere Wechselvariante) schneller als bisher ihre destens einem Kalendertag – ohne Kündigung und Kasse wechseln können. ohne Bindungsfristen ▪ Mitgliedschaftsende ohne Unterbrechung – ohne Darüber hinaus wird mit dem Siebten SGB IV-Ände Kündigung, aber mit Bindungsfristen rungsgesetz das Vorlegen der Mitgliedsbescheinigung beim Arbeitgeber durch schlichte Angaben des Ar- Diese Unterscheidungen können Mitglieder und Arbeit- beitnehmers über seine (neu gewählte) Krankenkasse geber kaum noch nachvollziehen. Die Bundesregierung ersetzt und unter Beachtung des Datenschutzes eine hat das zum Anlass genommen, mit dem sog. MDK- elektronische Übermittlung der Daten der Mitgliedsbe- Reformgesetz den Kassenwechsel vom 1. Januar 2021 scheinigung von der Krankenkasse an den Arbeitgeber an einfacher und einheitlicher zu gestalten: Unter- etabliert.
4 | IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 PRAXIS-TIPP: Der GKV-Spitzenverband wird die Rechts- änderungen zum Anlass nehmen, seine Grundsätzli- chen Hinweise zum Krankenkassenwahlrecht neu zu veröffentlichen. Hier finden Sie Antworten auf nahezu alle im Zusammenhang mit dem Wahlrecht stehenden Fragen. Darüber hinaus wenden Sie sich gerne vertrau- ensvoll an Ihre IKK. Kassenwechsel im Regelverfahren frühestmögliche Mitgliedschaftsbeginn angegeben. Das Ausüben des Kassenwahlrechts im Regelverfah- Die gewählte Krankenkasse wiederum informiert ren, also ohne Beendigung der Mitgliedschaft kraft das Mitglied unverzüglich nach der Rückmeldung Gesetzes, beinhaltet mehrere Stufen. Folgende Vor- der bisherigen Kasse über den Wechsel. aussetzungen bzw. Handlungen des Mitglieds und der beteiligten Krankenkassen sind kumulativ notwendig: ▪ Der Arbeitnehmer informiert daraufhin unverzüglich formlos seinen Arbeitgeber über die gewählte Kran- ▪ Die allgemeine Bindungsfrist bei der bisherigen kenkasse. Der Arbeitgeber nimmt die Anmeldung Krankenkasse muss grundsätzlich erfüllt sein. Dies („11“) bei der gewählten Krankenkasse und (später) wird zunächst vorläufig durch die gewählte Kran- die Abmeldung bei der bisherigen Kasse („31“) vor. kenkasse auf Grundlage der Angaben des Mitglieds geprüft und anschließend verbindlich durch die ▪ Die gewählte Krankenkasse bestätigt als Antwort bisherige Krankenkasse gegenüber der gewählten auf die übermittelte Anmeldung („11“) dem Arbeit- Krankenkasse bestätigt. geber das Bestehen der Mitgliedschaft; diese Mit- gliedsbescheinigung in elektronischer Form (siehe In Übergangsfällen verkürzt sich eine laufende auch „Elektronische Mitgliedsbestätigung“) erfolgt 18-monatige Bindungsfrist zum 31. Dezember im Rahmen des sog. Qualifizierten Meldedialogs. 2020 auf 12 Monate (siehe auch „Bindung an die (Beispiel 1) Krankenkassenwahl“). ▪ Bei Inanspruchnahme eines Wahltarifs muss die BEISPIEL 1: besondere Bindungsfrist bei der bisherigen Kran Eine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin, kenkasse (12 bzw. 36 Monate) grundsätzlich erfüllt seit Jahren ununterbrochen beim selben Ar- sein. Dies wird ebenfalls zunächst vorläufig durch beitgeber beschäftigt, ist seit dem 1. Juli 2020 die gewählte Krankenkasse geprüft und anschlie- BKK-Mitglied. Bei nächster Gelegenheit möchte ßend verbindlich durch die bisherige bestätigt. sie zur IKK classic wechseln. ▪ Der bisherigen Krankenkasse muss gekündigt wer- ▪ Ein Kassenwechsel ist zum 1. Juli 2021 mög- den, allerdings wird die schriftliche Kündigung des lich, da dann die neue 12-monatige Bin- Mitglieds in Zukunft durch eine elektronische Mel- dungsfrist erfüllt ist. Voraussetzung ist, dung der gewählten Krankenkasse an die bisherige dass die Arbeitnehmerin ihr Wahlrecht bis Krankenkasse (sog. Initialmeldung) ersetzt. spätestens zum 30. April 2021 ausübt. Dazu muss sie sich lediglich noch an die IKK classic ▪ Die bisherige Krankenkasse bestätigt der gewählten wenden, denn die elektronische Initial Krankenkasse unverzüglich, spätestens jedoch in meldung an die BKK ersetzt die schriftliche nerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Initial- Kündigung. Wird der Kassenwechsel z. B. meldung, elektronisch das Ende der Mitgliedschaft. bereits im März zum 31. Mai 2021 erklärt, Diese Rückmeldung erfüllt die gleiche Funktion, wird die Kündigung umgedeutet und die die bislang die Kündigungsbestätigung hatte. Sind Rückmeldung der BKK enthält als Mitglied- die Voraussetzungen des Kassenwechsels zu dem schaftsende trotzdem den 30. Juni 2021. angestrebten Zeitpunkt noch nicht erfüllt, wird der
IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 | 5 Kündigung der Mitgliedschaft Ohne Unterbrechung der Mitgliedschaft kann die Kran- kenkasse im Regelverfahren nur gewechselt werden, wenn sie bei der bisherigen Krankenkasse wirksam gekündigt wurde. Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist – über den 31. Dezember 2020 hinaus – zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied seine Wechselab- sicht erklärt. Vom 1. Januar 2021 an sind diese beiden Szenarien denkbar: Mit der Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes erlischt die 12-monatige Bindung an die bisherige Kran- Wechsel in eine andere Krankenkasse: Das Mitglied kenkasse. Die evtl. bestehenden Bindungsfristen auf- muss gegenüber seiner bisherigen Krankenkasse nicht grund von Wahltarifen spielen im Falle der Beendigung mehr schriftlich kündigen, denn die Kündigung wird der Mitgliedschaft kraft Gesetzes ebenso keine Rolle. durch die Initialmeldung der gewählten Krankenkasse ersetzt. Die elektronische Rückmeldung der bisher zuständigen Krankenkasse erfüllt die Funktion der WICHTIG: Die Unterscheidung der rechtlichen Vor- bisherigen Kündigungsbestätigung. aussetzungen danach, ob ein neuer Tatbestand der Versicherungspflicht nach einer Unterbrechung der Mitgliedschaft eintritt oder sich nahtlos an die vorange- WICHTIG: Der GKV-Spitzenverband hat festgelegt, gangene Mitgliedschaft anschließt, entfällt. In beiden dass die Kündigungsfrist sich nicht ausgehend vom Fallkonstellationen besteht ein neues Wahlrecht ohne Datum des Zugangs der Meldung bei der bisherigen Rücksicht darauf, wie lange die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse berechnet. Vielmehr kommt es auf das bisherigen Krankenkasse bestanden hat. Datum der Erstellung der Initialmeldung durch die neu gewählte Krankenkasse an. Ein sofortiges Wahlrecht ist beispielsweise auch dann gegeben, wenn eine Zeit der Versicherungspflicht sich Keine Mitgliedschaft bei gesetzlicher Krankenkasse unmittelbar an eine zuvor kraft Gesetzes beendete mehr: Hier bedarf es unverändert einer schriftlichen freiwillige Mitgliedschaft anschließt (z. B. Eintritt von Kündigung gegenüber der bisher zuständigen Kranken- Versicherungspflicht bei Unterschreiten der Jahres kasse. In Betracht kommen dafür beispielsweise Sach- arbeitsentgeltgrenze). verhalte, in denen ein Austritt aus der GKV (z. B. Verzug ins Ausland, Wechsel in die private Krankenversiche- Wer einen bestimmten Versicherungspflichttatbestand rung) angestrebt wird. Die abgewählte Krankenkasse mehrfach erfüllt (z. B. Mehrfachbeschäftige) oder zwei hat in diesen Fällen unverzüglich, spätestens innerhalb gleichrangige Tatbestände gleichzeitig (z. B. versiche- von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung, eine rungspflichtige Arbeitnehmer mit Bezug von Teilarbeits- Kündigungsbestätigung auszustellen. losengeld bzw. Arbeitslosengeld II), für den vollzieht sich ein Kassenwechsel typischerweise im Regelver- Sofortiges Krankenkassenwahlrecht fahren. Jedenfalls begründet ein Hinzutritt bzw. Weg- Sofortiges Wahlrecht bedeutet, dass eine neue fall eines weiteren Versicherungspflichttatbestandes Krankenkasse ohne Kündigung und ohne Rücksicht kein sofortiges Wahlrecht. auf die Dauer der Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse gewählt werden kann. Keiner Kündigung bedarf es vom 1. Januar 2021 an immer dann, wenn WICHTIG: Nach den vom Gesetzgeber neu aufgestell- die Mitgliedschaft kraft Gesetzes endet. Wird anschlie- ten Grundsätzen (siehe auch nachstehenden Verfah- ßend ein neuer Tatbestand der Versicherungspflicht rensablauf) sind alle Sachverhalte zu bewerten, in begründet, besteht innerhalb von maximal zwei denen ein neuer Tatbestand der Versicherungspflicht Wochen ein sofortiges Wahlrecht aus Anlass dieser nach dem 31. Dezember 2020 eintritt (Beispiel 2). Veränderung im versicherungsrechtlichen Status.
6 | IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 Sofortiges Wahlrecht – Verfahrensablauf: 1. Wahl der Krankenkasse unter Beachtung der Wahlmöglichkeiten und Fristen für die Abgabe der Wahlerklärung. 2. Die gewählte Krankenkasse prüft auf Grundla- Elektronische Mitgliedsbestätigung ge der Angaben des zukünftigen Mitglieds die Auf Grundlage des Siebten SGB IV-Änderungsgesetzes Voraussetzungen und informiert das Mitglied entfallen ab dem 1. Januar 2021 Mitgliedsbescheini- unverzüglich über den Wechsel. gungen in Textform zur Vorlage beim Arbeitgeber. 3. Der Arbeitnehmer informiert unverzüglich Zukünftig ist es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer formlos seinen Arbeitgeber über die gewählte die notwendigen Angaben zu seiner (neu gewählten) Krankenkasse. Krankenkasse unverzüglich formlos macht, d. h. spä- testens innerhalb von zwei Wochen. Der Arbeitgeber 4. Die gewählte Krankenkasse informiert die bishe- meldet den Arbeitnehmer dann wie gewohnt bei die- rige Krankenkasse über den Kassenwechsel im ser Krankenkasse über das DEÜV-Meldeverfahren an. Rahmen des elektronischen Meldeverfahrens. 5. Die bisherige Krankenkasse bestätigt der Erfolgen die Angaben nicht innerhalb der Zwei-Wochen- gewählten Krankenkasse unverzüglich, spä- Frist, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – wie testens jedoch innerhalb von zwei Wochen schon bisher – bei der Krankenkasse anzumelden, bei nach Eingang der Abmeldung („30“) durch den der zuletzt eine Versicherung bestand. Existiert keine Arbeitgeber, das Ende der Mitgliedschaft. letzte Versicherung, hat die Anmeldung bei einer der wählbaren Krankenkassen zu erfolgen – der Arbeitneh- 6. Der Arbeitgeber nimmt die Anmeldung („10“) mer ist dann über die Wahl des Arbeitgebers in Text- bei der gewählten Krankenkasse vor. form zu informieren. 7. Die gewählte Krankenkasse prüft auf Grund- lage der eingegangenen Meldungen abschlie- Die Arbeitgeber erhalten also bei jeder Anmeldung ßend die Voraussetzungen und bestätigt als eines Arbeitnehmers (Ausnahme: geringfügig Beschäf- Antwort auf die Anmeldung („10“) des Arbeit- tigte) mit Abgabegrund „10“ (Beschäftigungsbeginn), gebers das Bestehen der Mitgliedschaft mittels „11“ (Krankenkassenwechsel) oder „40“ (gleichzeitige elektronischer Mitgliedsbestätigung. An- und Abmeldung) eine elektronische Rückmeldung über das Bestehen der Mitgliedschaft. Das Ganze im gewohnten Abrufverfahren mit dem Datensatz Kran- kenkassenmeldung (DSKK) und dem neuen Datenbau- BEISPIEL 2: stein Mitgliedsbestätigung (DBMB). Neben der Fest- Ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer stellung zur Mitgliedschaft (ja/nein) ergibt sich daraus ist seit dem 1. Juli 2020 AOK-Mitglied. Einen bei einem Wechsel der Krankenkasse ggf. ein abwei- Arbeitgeberwechsel zum 1. Januar 2021 chender Zeitpunkt des Mitgliedschaftsbeginns bei der möchte er zum Anlass nehmen, Mitglied neuen Krankenkasse: der IKK classic zu werden. ▪ M itgliedschaft besteht: Der DBMB enthält als Zeit- ▪ Unabhängig davon, ob der neue Versiche raum-Beginn grundsätzlich das Beginn-Datum aus rungspflichttatbestand nach einer Unterbre- der Anmeldung. Bei einem Kassenwechsel („11“) chung der Mitgliedschaft eintritt oder sich ist es möglich, dass ein in der Zukunft liegendes – wie hier – nahtlos an die vorangegangene Datum zurückgemeldet wird, weil z. B. aufgrund der Mitgliedschaft anschließt, ist ein Kassen- noch nicht abgelaufenen Bindungsfrist die Mitglied- wechsel von 2021 an immer sofort zulässig. schaft bei der neu gewählten Krankenkasse erst zu Auch wenn die Bindungsfrist bei der AOK einem späteren Zeitpunkt beginnt. In diesen Fällen noch nicht erfüllt ist, kann der Arbeitnehmer sind die Ab- und Anmeldung zu stornieren und zum 1. Januar 2021 IKK-Mitglied werden. zu dem in der Rückmeldung angegebenen Datum erneut abzugeben.
IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 | 7 ▪ Mitgliedschaft besteht nicht: Sofern im DBMB Bindungsfrist lebt selbst dann nicht wieder auf, wenn angegeben ist, dass keine Mitgliedschaft bei der das Mitglied aus Anlass des bestehenden sofortigen Krankenkasse besteht, erfolgt auch keine Angabe Kassenwahlrechts bei der bisherigen Krankenkasse eines Zeitraum-Beginns („00.00.0000“). Erhält der verbleibt. Lediglich eine erneute Wahlerklärung zu- Arbeitgeber eine solche Rückmeldung, muss er die gunsten eines Wahltarifs kann eine neue Bindungsfrist Anmeldung stornieren, die korrekte Krankenkasse auslösen. ermitteln und die Anmeldung erneut abgeben. ÜBERGANGSREGELUNG: Im Hinblick auf das Ver- kürzen der allgemeinen Bindungsfrist ab dem 1. Janu- HINWEIS: Die elektronische Mitgliedsbestätigung ar 2021 gilt eine besondere rechtliche Bewertung: In ist der Nachweis über die bestehende Mitgliedschaft, den Übergangsfällen, in denen die Bindungsfrist durch papiergebundene Mitgliedsbescheinigungen gibt es ein Ereignis in den Jahren 2019 oder 2020 ausgelöst nicht mehr. Die bereits vorliegenden Papierbeschei- wurde und die bis dato maßgebliche 18-monatige nigungen verlieren mit dem 31. Dezember 2020 Bindungsfrist zum Jahreswechsel 2020/21 noch nicht jedoch nicht ihre Gültigkeit und sind weiterhin in den erfüllt ist, verkürzt sich die laufende 18-monatige Entgeltunterlagen aufzubewahren. Bindungsfrist zum 31. Dezember 2020 auf 12 Monate. Für Mitglieder, die einen Kassenwechsel im Kündi- gungsverfahren zu einem schnellstmöglichen Zeit- Bindung an die Krankenkassenwahl punkt anstreben, bedeutet dies, dass ein Wechsel frü- Neben der allgemeinen Bindungsfrist von 18 bzw. hestens zum 1. Januar 2021 unter der Voraussetzung 12 Monaten (bis 31. Dezember 2020 bzw. ab 1. Januar möglich ist, dass die neue 12-monatige Bindungsfrist 2021) sind die Mitglieder bei Inanspruchnahme be zum 31. Dezember 2020 erfüllt ist. (Beispiel 3) stimmter Wahltarife für die Dauer von 12 Monaten (Nichtinanspruchnahme von Leistungen, Kostener- stattung) bzw. 36 Monaten (Selbstbehalt, Kranken- BEISPIEL 3: geld-Wahltarif) an ihre Krankenkasse gebunden. Diese Die Mitgliedschaft einer versicherungspflich- besonderen Bindungsfristen müssen nicht zwingend tigen Arbeitnehmerin, seit Jahren ununterbro- parallel zur allgemeinen Bindungsfrist verlaufen. chen beim selben Arbeitgeber beschäftigt, bei einer Ersatzkasse begann am 1. Januar 2020. Das Ereignis, welches die allgemeine Bindungsfrist aus- Zum 1. März 2021 möchte sie Mitglied der IKK löst, ist ab dem 1. Januar 2021 die tatsächliche Wahl ei- classic werden, einen Wahltarif hat sie bei der ner Krankenkasse durch das Mitglied – nicht etwa ein Ersatzkasse nicht abgeschlossen. zwar grundsätzlich bestehendes, jedoch tatsächlich nicht ausgeübtes Wahlrecht. Nur eine aktive, gegenüber ▪ D ie neue 12-monatige Bindungsfrist ist der gewählten Krankenkasse kommunizierte Wahlent- am 31. Dezember 2020 erfüllt. Sofern die scheidung kann eine Bindungswirkung entfalten. Ob Kündigung bis zum 31. Dezember 2020 bei die Wahlentscheidung im Rahmen eines sofortigen der Ersatzkasse eingeht, ist – ungeachtet Wahlrechts zugunsten der zuletzt zuständigen oder dessen, dass die 18-monatige Bindungsfrist einer neuen Kasse getroffen wird, ist insoweit ohne eigentlich erst am 30. Juni 2021 endet – Bedeutung. der Wechsel zur IKK classic zum 1. März 2021 möglich. Die Ersatzkasse hat die noch Besondere Bindungsfristen enden mit Ablauf der 12 erforderliche Kündigungsbestätigung in bzw. 36 zusammenhängenden Zeitmonate. Darüber Papierform auszustellen. hinaus erlöschen sie bei Beendigung der Mitglied- schaft kraft Gesetzes. Eine noch nicht abgelaufene
8 | IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 Siebtes SGB IV-Änderungsgesetz Neben der Einführung der elektronischen Mitglieds- bestätigung, auf die wir bereits im Abschnitt zur Reform des Krankenkassenwahlrechts eingegangen sind, schüttet das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auch mit der siebten Auflage in der Reihe der SGB IV-Änderungsgesetze ein wahres Füllhorn an Änderungen aus. Laut eigenem Bekunden sollen damit bestehende Verfahren in der Technisch werden fehlende Jahresmeldungen mittels Sozialversicherung effektiver gestaltet und im Sinne Krankenkassenmeldungen angefordert, die bislang der Digitalisierung und der Entbürokratisierung ver- schon von den GKV-Monatsmeldungen (wenn Mehr- bessert werden. fachbeschäftigte die Beitragsbemessungsgrenze überschreiten) bekannt sind. Die Anforderung bei den Elektronische Anforderung fehlender Arbeitgebern für abgelaufene Kalenderjahre erfolgt mit Jahresmeldungen dem Datensatz Krankenkassenmeldung (DSKK, Grund Es bedurfte nur eines Federstrichs, um das Anfordern der Abgabe „05“) und dem neuen Datenbaustein fehlender Jahresmeldungen ab dem 1. Januar 2021, Anforderung Meldung (DBAM). Aus dem DBAM ergibt also erstmals für das Jahr 2020, vom „Serienbrief“ in sich dabei lediglich die Information, für welches Kalen- das digitale Zeitalter zu holen: „Die Einzugsstellen derjahr eine Jahresmeldung angefordert wird (zuläs- können fehlende Jahresmeldungen maschinell anfor- sig ist nur ein Wert größer 2019). Fehlende Jahresmel- dern“ – heißt es nunmehr in der Datenerfassungs- und dungen für geringfügig entlohnte Beschäftigte werden -übermittlungsverordnung (DEÜV). Bislang müssen die weiterhin ausschließlich in Papierform angefordert. Einzugsstellen jährlich eine große Anzahl von Jahres- Für fehlende UV-Jahresmeldungen (Abgabegrund „92“) meldungen im manuellen Papierverfahren anfordern – gilt das neue Verfahren ebenfalls nicht. schließlich sind sie verpflichtet, die Vollständigkeit der Meldungen zu überwachen. Unverändert gilt: Eine Jahresmeldung („50“) ist dann nicht zu erstatten, wenn bereits wegen einer Un- Beispielsweise mussten im Jahr 2016 ca. 700.000 terbrechung der Beschäftigung (z. B. aufgrund von fehlende Jahresmeldungen angefordert werden. Dank Krankengeldbezug) eine Unterbrechungsmeldung zu des papiergebundenen Erinnerungsverfahrens wurden erstatten war und der 31. Dezember in den Unterbre- zwar kurzfristig ca. 600.000 Datensätze nachgemel- chungszeitraum fällt. Außerdem ist keine Jahresmel- det, die zukünftige elektronische Anforderung wird dung zu erstellen, wenn wegen einer Änderung im den Verwaltungsaufwand dennoch erheblich reduzie- Beschäftigungs- oder Versicherungsverhältnis ohnehin ren. Gleichzeitig erhöht sich die Verfahrenssicherheit. zum 31. Dezember eine Sonstige Meldung, z. B. wegen Änderung der Beitragsgruppe, erstattet wurde. Der Hintergrund ist bekannt: Die Arbeitgeber ha- ben für nahezu jeden am 31. Dezember eines Jahres Beschäftigten mit der ersten folgenden Lohn- und WICHTIG: Nach Eingang der Anforderung haben die Gehaltsabrechnung, spätestens bis zum 15. Februar Arbeitgeber die fehlende Jahresmeldung spätestens des Folgejahres, eine Jahresmeldung (Abgabegrund mit der nächsten Lohn- und Gehaltsabrechnung wie „50“) an die zuständige Einzugsstelle zu übermitteln. gewohnt zu übermitteln. Sofern sie auf die elektroni- Die Daten werden an die Deutsche Rentenversicherung sche Anforderung nicht reagieren, erfolgt die weitere und Bundesagentur für Arbeit weitergeleitet, wo sie in Korrespondenz wieder im herkömmlichen Papierver- das Rentenkonto des Versicherten übernommen, für fahren, denn die elektronische Anforderung erfolgt die Betriebsprüfung vorgehalten bzw. für statistische für jede fehlende Jahresmeldung nur einmalig. Zwecke genutzt werden.
IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 | 9 Wegfall des Kennzeichens Datenanforderung: Anlage eines „Mehrfachbeschäftigung“ Arbeitgeberkontos Bislang haben die Arbeitgeber das Bestehen einer Als Reaktion auf eine erstmalige Anmeldung durch Mehrfachbeschäftigung zu melden. Eine Auswertung einen Arbeitgeber versenden die Einzugsstellen regel- des Bestandsprüfungsverfahrens durch die Einzugs- mäßig Fragebögen zur Anlage eines Arbeitgeberkontos stellen hat jedoch ergeben, dass die besondere Kenn- in Papierform, um alle erforderlichen Daten einzuholen. zeichnung einer Mehrfachbeschäftigung im DEÜV- Laut Gesetzesbegründung gab es im Jahr 2018 rund Meldeverfahren nicht zu einer Qualitätsverbesserung 19,3 Mio. Anmeldungen. Nach Schätzung des GKV- führt. Die Tatbestände könnten auch ohne das Kenn- Spitzenverbandes erfolgt eine Datenanforderung in zeichen „Mehrfachbeschäftigung“ eindeutig festge- rund 10 % der Fälle. Der Aufwand pro Rückantwort liegt stellt werden, sodass darauf zukünftig verzichtet wird. nach Auskunft von Arbeitgebern bei durchschnittlich Hinzu kommt, dass in der Praxis häufig Unsicherhei- ca. 20 Minuten, außerdem entstehen Sachkosten für ten hinsichtlich der richtigen Verwendung des Kenn- den Briefversand. Die rund 1,93 Mio. Fälle verursachen zeichens bestehen, insbesondere bei nur tageweisen also Gesamtkosten von geschätzt 24,13 Mio. Euro Überschneidungen. jährlich. Dies erscheint dem BMAS im Zuge der voran- schreitenden Digitalisierung nicht mehr zeitgemäß und Nach dem Siebten SGB IV-Änderungsgesetz sollte die gegenüber den Arbeitgebern nicht mehr vermittelbar. Neuregelung erst zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Allerdings wurde im Rahmen der Meldebesprechung Vom 1. Januar 2022 an gilt daher: Die Arbeitgeber der SV-Spitzenorganisationen im Februar 2020 davon haben auf elektronische Anforderung der Einzugsstellen abweichend festgelegt, das Kennzeichen „Mehrfach- mit der nächsten Entgeltabrechnung die notwendigen beschäftigung“ bereits zum 1. Januar 2021 aus dem Angaben zur Anlage eines Arbeitgeberkontos elektro- Datenbaustein Meldesachverhalt (DBME) und dem nisch zu übermitteln. Das Nähere über die Angaben, die Datenbaustein Bestandsabweichung Meldeverfahren Datensätze und das Verfahren wird in Gemeinsamen (DBBM) zu streichen. Grundsätzen geregelt. HINWEIS: Soweit bei einer Mehrfachbeschäftigung AUSBLICK: Die erforderlichen Informationen sind die Einzugsstelle anhand der Entgeltmeldungen nicht im Rahmen eines Dialogverfahrens auf Anforderung ausschließen kann, dass die in dem sich überschnei- der Einzugsstellen in elektronischer Form von den denden Meldezeitraum erzielten Arbeitsentgelte die Arbeitgebern zu melden. Das Nähere zum Verfahren Beitragsbemessungsgrenze überschreiten, fordert soll in der Meldebesprechung der SV-Spitzenorga- sie auch weiterhin den Arbeitgeber im Qualifizierten nisationen im I. Quartal 2021 beschlossen werden – Meldedialog auf, GKV-Monatsmeldungen (Abgabe- angedacht ist, dieses Dialogverfahren in das Arbeit- grund „58“) abzugeben. Auf die Anforderung der geber-Meldeverfahren zu integrieren. Geprüft werden 58er Meldungen mit Datenbaustein Meldesachverhalt soll in dem Kontext, wie unter den künftig bestehen- GKV-Monatsmeldung (DBMM) hat der Wegfall des den Möglichkeiten der elektronischen Datenanforde- Kennzeichens „Mehrfachbeschäftigung“ keinerlei rung auch das SEPA-Lastschriftmandat mit abgebildet Auswirkungen. werden kann.
10 | IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 Lohnsteuerangaben in Meldungen für Bescheinigungen elektronisch anfordern die Minijob-Zentrale und annehmen Zukünftig sind die Arbeitgeber verpflichtet, in allen Das elektronische Bescheinigungswesen war bisher Entgeltmeldungen für die Minijob-Zentrale die Art weitgehend optional zu nutzen, soll zukünftig aber der Besteuerung anzugeben. Zusätzlich müssen das mehr und mehr verpflichtend werden: steuerrechtliche Ordnungsmerkmal des Arbeitgebers (Steuernummer) und das des Arbeitnehmers (Steuer- ▪ r vBEA – hier steht „rv“ für Rentenversicherung und Identifikationsnummer) übermittelt werden. Da nur „BEA“ für Bescheinigungen elektronisch anfordern Entgeltmeldungen betroffen sind, erfolgt lediglich und annehmen eine rückschauende Feststellung für einen abgelaufe- ▪ B A-BEA – ist das entsprechende Verfahren der nen Zeitraum; in der Regel entweder nach dem Ende Bundesagentur für Arbeit (BA) der Beschäftigung (Abmeldung) oder nach Ablauf eines Kalenderjahres (Jahresmeldung). Mit dem Ziel, auch in diesem Bereich die Digitalisie- rung voranzutreiben, sind die mit rvBEA für Zwecke Hintergrund ist, dass die Minijob-Zentrale nicht nur als der gesetzlichen Rentenversicherung anzufordernden zuständige Einzugsstelle, sondern zugleich als Steuer- Bescheinigungen – erstmalige Ermittlung des Einkom- behörde handelt. Sie hat zu prüfen, ob die Steuern für mens, Ermittlung von Einkommensänderungen und geringfügig entlohnte Beschäftigte korrekt und in voller Auskunftspflicht des Arbeitgebers – aufgrund des Höhe entrichtet wurden. Der Rechnungsprüfungsaus- Siebten SGB IV-Änderungsgesetzes verpflichtend. schuss des Deutschen Bundestages hatte deshalb eine Ergänzung des Meldeverfahrens angeregt. Da künftig jeder Arbeitgeber daran teilnimmt, wird die Deutsche Rentenversicherung das Verfahren dahingehend anpassen, dass voraussichtlich ab dem WICHTIG: Die Neuregelung tritt nach dem Siebten 1. Juli 2021 keine Registrierung mehr erfolgen muss. SGB IV-Änderungsgesetz eigentlich bereits zum Bis dato haben sich der Arbeitgeber oder eine von ihm 1. Januar 2021 in Kraft. Im Einvernehmen mit dem beauftragte Abrechnungsstelle vorab für die Teilnah- BMAS wird das Verfahren aber erst zum 1. Januar me an rvBEA elektronisch bei der DSRV (Datenstelle 2022 umgesetzt – in laufenden Beschäftigungsver der Rentenversicherung) zu registrieren. Die Verpflich- hältnissen also beginnend mit der Jahresmeldung tung der Arbeitgeber, mindestens einmal wöchentlich für das Kalenderjahr 2021. zu prüfen, ob die DSRV Anforderungen auf ihrem Kommunikationsserver für sie hinterlegt hat und diese abzurufen, besteht dann ausnahmslos. Das Nähere zum Verfahren ist in der Meldebespre- chung der SV-Spitzenorganisationen am 22. Septem- ber 2020 beschlossen worden. Danach werden die WICHTIG: Auch das rvBEA-Teilverfahren GML57 zur Entgeltmeldungen um einen Datenbaustein Steuer Anforderung einer DEÜV-Meldung mit Abgabegrund daten (DBST) erweitert, der die beiden o. g. Infor- „57“ für Arbeitnehmer, die einen Antrag auf Alters mationen (Steuernummer, Steuer-Identifikationsnum- rente gestellt haben oder sich im Versorgungsaus- mer) sowie das Kennzeichen zur Art der Besteuerung gleichsverfahren befinden (Gesonderte Meldung nach enthält. Letzteres besteht aus der Ziffer „1“ für die § 194 SGB VI), ist jetzt grundsätzlich obligatorisch. einheitliche Pauschsteuer von 2 % oder die Ziffer „0“ Die Registrierungspflicht entfällt ebenfalls voraus- für alle anderen Möglichkeiten der Besteuerung sichtlich ab dem 1. Juli 2021, von da an werden alle (pauschale Lohnsteuer von 20 %, individuelle Besteu- Anforderungen nur noch digital zugestellt. Die min- erung nach den Lohnsteuerabzugsmerkmalen bzw. destens wöchentliche Abrufverpflichtung vom Kom- keine Steuern). munikationsserver besteht analog.
IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 | 11 Das Verfahren BA-BEA hat eine erhebliche Bedeutung Führung der Entgeltunterlagen nur in elektronischer für eine digitale und bürgerfreundliche Gestaltung des Form: Eine vollständige und konsequente Nutzung Antragsprozesses sowie eine zügige Entscheidung der der sich aus der euBP ergebenden Einsparpotentiale BA über den Anspruch auf Sozialleistungen. Ziel ist es, und Effizienzgewinne für die Betriebsprüfdienste der die elektronisch vorliegenden Antragsdaten der Leis- Deutschen Rentenversicherung ist nur möglich, sofern tungsberechtigten und die elektronisch übermittelten zu sichtende Entgeltunterlagen nicht vom Arbeitgeber Daten der Bescheinigungen medienbruchfrei zusam- in Papierform zugesandt, sondern in elektronischer menzuführen. Eine Übergangszeit bis Ende 2022 bietet Form übermittelt werden. Dies setzt eine gesetzli- den bisher noch nicht an BA-BEA teilnehmenden Arbeit- che Verpflichtung der Arbeitgeber zur Führung der gebern die Möglichkeit, sich auf das ab 1. Januar 2023 Entgeltunterlagen in elektronischer Form voraus, die ausschließlich elektronische Verfahren einzustellen. mit einer Änderung der Beitragsverfahrensverord- nung (BVV) vollzogen wurde. Diese tritt nach dem Elektronisch unterstützte Betriebsprüfung Siebten SGB IV-Änderungsgesetz zum 1. Januar 2022 Mit dem Siebten SGB IV-Änderungsgesetz wird die in Kraft mit der Maßgabe, dass Arbeitgeber sich bis elektronisch unterstützte BetriebsPrüfung (euBP) für zum 31. Dezember 2026 – analog zu der Befreiungs- Arbeitgeber zum 1. Januar 2023 grundsätzlich ver- möglichkeit von der euBP – auf Antrag von der Ver- pflichtend. Laut Gesetzesbegründung ist das optionale pflichtung zur Führung von elektronischen Unterlagen Angebot der elektronischen Unterstützung bei der Prü- befreien lassen können. fung der Arbeitgeber in den letzten Jahren bereits von rund 40 % der Arbeitgeber genutzt worden. Durch die nun vorgesehene Regelung soll zukünftig die euBP für WICHTIG: Hinsichtlich der elektronisch zu führenden den Bereich der Entgeltabrechnung zur Norm werden. Entgeltunterlagen werden nicht nur die Arbeitgeber in Die Vorteile liegen in einem erheblichen Zeitgewinn die Pflicht genommen, die Digitalisierung beginnt zur sowohl für die Arbeitgeber als auch die Prüfdienste, Vermeidung von Medienbrüchen bereits einen Schritt welche sich dann verstärkt auf ihre beratende Funktion früher: Schon die Beschäftigten und die ansonsten konzentrieren können. Für den Bereich der Prüfung der jeweils zuständigen Stellen haben die Unterlagen in Finanzbuchhaltung bleibt es bis auf Weiteres bei einem elektronischer Form zur Verfügung zu stellen, sofern optionalen Verfahren. sie nicht ohnehin elektronisch aus der Abrechnung des Arbeitgebers entnommen werden können. Auch nach dem Jahr 2022, längstens jedoch für Prüf- zeiträume bis zum 31. Dezember 2026, können die Arbeitgeber im begründeten Einzelfall auf Antrag Bevollmächtigung bei Arbeitgebern mit Sitz im Aus- vom Prüfdienst des zuständigen Rentenversicherungs- land: Arbeitgeber, die in Deutschland Arbeitnehmer trägers von der euBP entbunden werden. sozialversicherungspflichtig beschäftigen, aber selbst keinen Sitz im Inland haben, müssen vom 1. Januar 2021 an einen Bevollmächtigten im Inland bestellen. PRAXIS-TIPP: Für ergänzende Informationen und Diesem obliegt die Verpflichtung, Entgeltunterlagen Dokumente zur euBP lohnt ein Besuch der DRV- in deutscher Sprache zu führen und aufzubewahren. Homepage: www.deutsche-rentenversicherung.de Dadurch soll sichergestellt werden, dass eine Über- (Rubrik: Experten/Arbeitgeber & Steuerberater) wachung der Arbeitgeberpflichten gewährleistet ist, obwohl der Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland hat.
12 | IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 Elektronische Arbeitsunfähigkeits- ggf. bestehende Erstattungsansprüche gegen Dritte bescheinigung prüfen und durchsetzen zu können. Bereits mit dem Dritten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III) wurde die rechtliche Grundlage für die Einfüh- Durch das Einbeziehen der Nachweise über Zeiten rung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheini- stationärer Krankenhausaufenthalte in einem Umfang gung (kurz: eAU) ab dem 1. Januar 2022 geschaffen. von rund 15 Mio. Fällen pro Jahr werden weitere Im Rahmen des Siebten SGB IV-Änderungsgesetzes ist Papierbescheinigungen eingespart. zusätzlich die Möglichkeit für eine vorgeschaltete Pilotierung des Verfahrens vom 1. Juli bis 31. Dezember Geringfügig Beschäftigte: Anders als ursprünglich 2021 eröffnet worden. geplant, wird die Grundlage für ein einfacheres Abruf- verfahren von eAU-Daten für die Arbeitgeber geschaf- Das neue Meldeverfahren soll das Einreichen des „Gel- fen. Durch die überarbeitete Regelung wird zum einen ben Zettels“ beim Arbeitgeber ablösen und in Zukunft sichergestellt, dass die Krankenkassen weiterhin die den damit verbundenen Medienbruch – von digital zu einzigen Sozialversicherungsträger sind, die Arbeits- Papier und wieder zu digital – vermeiden. Stattdessen unfähigkeitsdaten vorhalten. Zum anderen können die informiert künftig die Krankenkasse den Arbeitgeber Arbeitgeber die entsprechenden Daten direkt bei der auf Abruf elektronisch über Beginn und Dauer der zuständigen Krankenkasse abrufen, also ohne zeitli- Arbeitsunfähigkeit (Erst- und Folgebescheinigungen). che Verzögerung über die Minijob-Zentrale. Außerdem Die Digitalisierung soll laut Gesetzentwurf sowohl die entfällt die Verpflichtung zur Übermittlung der Kopien Bürger (um ca. 77 Mio. Euro pro Jahr) als auch die Un- aller rund 40 Mio. Krankmeldungen pro Jahr an die ternehmen (um ca. 550 Mio. Euro pro Jahr) erheblich Minijob-Zentrale. Um diese andererseits bei der Durch- entlasten. führung des U1-Verfahrens zu unterstützen, darf sie Arbeitsunfähigkeitsdaten bei der jeweils zuständigen Bislang müssen die Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber Krankenkasse abrufen. die Krankschreibungen noch in Papierform zur Verfü- gung stellen. Damit das Einreichen beim Arbeitgeber Bereits mit dem BEG III sind im Kontext der Einführung entfallen kann, wird das bereits etablierte elektroni- der eAU auch arbeitsrechtliche Belange neu geregelt sche Datenaustauschverfahren Entgeltersatzleistungen worden: So sind gesetzlich krankenversicherte Arbeit- (DTA EEL) erweitert. nehmer künftig nur noch zur Anzeige der Arbeitsun- fähigkeit gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet, die Vorlagepflicht entfällt – mit folgenden Ausnahmen: PRAXIS-TIPP: Es ist davon auszugehen, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt, Krankenkassen über alle notwendigen Daten verfü- der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil- gen, um die Arbeitgeber – unter Berücksichtigung nimmt, bei Erkrankung im Ausland und bei geringfügi- etwaiger Vorerkrankungszeiten – von sich aus über ger Beschäftigung im Privathaushalt. In Zukunft ist es das Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs informie- also ausreichend, sich einem Arzt vorzustellen, um das ren zu können. Bestehen von Arbeitsunfähigkeit feststellen und sich eine ordnungsgemäß ausgestellte AU-Bescheinigung aushändigen zu lassen. Denn die Papierbescheinigung Weitere Verfahrensänderungen mit dem Siebten bleibt als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel mit SGB IV-Änderungsgesetz gegenüber dem BEG III be- dem ihr von der Rechtsprechung zugebilligten hohen treffen u. a. die zusätzliche Angabe in der Meldung der Beweiswert erhalten, um insbesondere in Störfällen Krankenkasse an den Arbeitgeber, ob Anhaltspunkte (etwa einer fehlgeschlagenen elektronischen Übermitt- für einen Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall vorliegen. lung) das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit außerpro- Der Arbeitgeber soll damit in die Lage versetzt werden, zessual oder auch prozessual nachweisen zu können.
IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 | 13 Ausfüllhilfe sv.net und Online-Datenspeicher Neue Preise ab 2021: sv.net steht bekanntlich mit Die gesetzlichen Krankenkassen stellen in Abstim- sv.net/standard und sv.net/comfort in einer Online- mung mit den anderen Sozialversicherungsträgern seit und einer PC-Variante zur Verfügung, in beiden können Jahren mit sv.net (www.svnet.info) eine systemgeprüf- die gleichen Meldungstypen abgegeben werden. Die te Ausfüllhilfe für die elektronische Datenübermittlung PC-Variante sv.net/comfort bietet zudem die Möglich- zur Verfügung. Mit einer Neuregelung im Rahmen des keit, Meldungen sowie Firmen- und Personalstamm Siebten SGB IV-Änderungsgesetzes werden zum einen daten auf den Systemen der Anwender zu speichern der Umfang der Übermittlung und das Verfahren zur und somit wiederverwenden zu können. Sowohl für Nutzung gesetzlich abgesichert. Durch das Einbe- sv.net/comfort als auch für sv.net/standard wird seit ziehen der Antrags- und Bescheinigungsverfahren 2018 zwischen kostenlosen Normal-Benutzer- und (z. B. A1-Verfahren) wird es laut Gesetzesbegründung kostenpflichtigen Premium-Benutzer-Accounts un- zukünftig notwendig, auch für die Übermittlung der terschieden. Sofern über 100 Meldungen pro Jahr, Daten für Selbstständige eine Ausfüllhilfe zur Ver- Meldungen für mehr als eine Betriebsnummer oder fügung zu stellen. Man will damit eine Vielzahl von Meldungen durch mehr als eine Person abgegeben abweichend aufgebauten Web-Anwendungen vermei- werden sollen, ist die Freischaltung der Premium- den und die Vorteile eines einheitlichen Verfahrens Nutzung in sv.net notwendig. Dies erfordert die Durch- zugangs nutzen. Es bleibt aber auch in Zukunft dabei: führung eines Legitimationsverfahrens. Neben der eine Ausfüllhilfe führt keine Entgeltabrechnung durch. schriftlichen Bestätigung der Vertragsannahme muss ein Betriebsnummern-Nachweis sowie eine Vollmacht, Neuer Online-Datenspeicher: Die Digitalisierung im alternativ eine Kopie von Personalausweis, Reisepass Arbeitgebermelde- und -beitragsverfahren schreitet oder Führerschein, eingereicht werden. zunehmend voran. Insbesondere kleinere Betriebe sind den Anforderungen noch nicht gewachsen, voll elektronisch im Dialog erreichbar zu sein, alle Daten/ HINWEIS: Die Laufzeit der Premium-Mitgliedschaft Bescheinigungen elektronisch vorzuhalten und für endet am 30. Juni 2023 – unabhängig davon, ob eine den Abruf bereitzustellen. Daher wird vorrangig für neue abgeschlossen oder eine bestehende verlängert Kleinstarbeitgeber (bis max. zehn Arbeitnehmer) ein wurde. Der Gesetzgeber sieht die Entwicklung einer Angebot geschaffen, diese Daten in einem eigenen neuen sv.net-Generation vor, mit der die Nutzer ab Online-Datenspeicher vorhalten zu können, damit sie dem 1. Juli 2023 ihren Meldeverpflichtungen nachkom- z. B. bei der Betriebsprüfung dort abgerufen werden men können. können, nachdem der Arbeitgeber einen solchen Zugriff gegenüber der abrufenden Stelle eröffnet Ab dem 1. Januar 2021 belaufen sich die Kosten für hat. Vorgesehen ist, am 1. Juli 2023 mit dem neuen eine neu abgeschlossene Premium-Registrierung Angebot der Sozialversicherungsträger zu starten auf 54,00 EUR (24,00 EUR Registrierungsgebühr + – zeitgleich mit dem Relaunch der elektronischen 30,00 EUR Nutzungsgebühr, zzgl. MwSt.). Wird ein Ausfüllhilfe sv.net. Mit dem Online-Datenspeicher soll bestehender Premium-Zugang nicht 90 Tage vor Ende zum einen mehr Akzeptanz für elektronische Lösun- der Vertragslaufzeit gekündigt, verlängert er sich bis gen, zum anderen eine Verbesserung der Datenlage zum 30. Juni 2023. Die Kosten für die Verlängerung geschaffen werden, die heutzutage häufig aus nicht belaufen sich ab 2021 auf pauschal 30,00 EUR (zzgl. sortierten und unvollständigen Papierstücken besteht MwSt.). Die geringeren Kosten stehen direkt mit der und zu erheblichem Nachfragebedarf in der Betriebs- neuen sv.net-Generation (inkl. Online-Datenspeicher) prüfung führt. Die dazu notwendigen Techniken und im Zusammenhang. Sicherheitsbestimmungen sind vorhanden und haben sich in der Praxis bewährt.
14 | IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 Praxisintegrierte schulische Ausbildungsgänge sondern sie erfassen auch vergleichbare praxisinte Eine Klarstellung ist mit dem Siebten SGB IV-Änderungs- grierte schulische Ausbildungen wie z. B. die zur gesetz auch hinsichtlich bestimmter Auszubildender in Erzieherin/zum Erzieher in Bundesländern, in denen Gesundheitsberufen erfolgt – ein Problem, das bereits die Auszubildenden einen Ausbildungsvertrag mit seit Anfang 2019 auf eine finale Lösung gewartet hat. dem Ausbildungsbetrieb schließen und von Anfang an eine Vergütung erhalten. Anlass waren erhebliche Unsicherheiten in der ver- sicherungsrechtlichen Beurteilung von angehenden Gesundheitsberuflern, deren Ausbildung zwar weitge- WICHTIG: Die Vorschriften über die Versicherungs- hend schulisch organisiert ist, die auf der Grundlage pflicht sind am 1. Juli 2020 in Kraft getreten und der bis dato geltenden Rechtslage jedoch nicht als zu finden damit grundsätzlich auf Ausbildungen Anwen- ihrer Berufsausbildung Beschäftigte anzusehen waren. dung, die nach dem 30. Juni 2020 beginnen. Daneben Dies auch ungeachtet dessen, dass die Ausbildungs- besteht eine Bestandsschutzregelung. bedingungen für die Betroffenen an kommunalen Krankenhäusern und Universitätskliniken seit dem 1. Januar 2019 tarifvertraglich geregelt sind und auf Übergangsregelung und Bestandsschutz: Aufgrund der Grundlage der geschlossenen Ausbildungsverträge inhaltlich identischer Regelungen gelten die Vor- ein monatliches tarifliches Ausbildungsentgelt gezahlt schriften über die Versicherungspflicht mit Rück- wird. Nunmehr ist faktisch so etwas wie eine Gleich- wirkung auch für praxisintegrierte Ausbildungen, stellung mit den Teilnehmern an dualen Studiengän- die vor dem Inkrafttreten des Siebten SGB IV-Ände- gen erfolgt, die bekanntlich bereits seit dem 1. Januar rungsgesetzes begonnen wurden, wenn für diese 2012 sowohl während der Praxis- als auch Studien bereits Beiträge gezahlt worden sind. Soweit für im phasen der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Zeitpunkt des Inkrafttretens laufende Ausbildungen keine Beiträge gezahlt worden sind, beginnt die Ver- sicherungspflicht ab Aufnahme der Beitragszahlung, HINWEIS: Im Vorgriff auf das Tätigwerden des Ge- sofern diese mit Zustimmung der Auszubildenden setzgebers hatten sich die SV-Spitzenorganisationen erfolgt. (Beispiel) bereits mit ihrer Gemeinsamen Verlautbarung vom 2. April 2020 der Problematik angenommen – mit iden- tischem Lösungsansatz wie jetzt der Gesetzgeber. BEISPIEL: Eine Auszubildende übt seit dem 1. Oktober 2019 eine schulisch geprägte Ausbildung zur Auszubildende in praxisintegrierten schulischen Diätassistentin an einem Universitätsklinikum Ausbildungsgängen sind jetzt über Einzelvorschriften aus. Sie erhält eine monatliche Ausbildungs in den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuchs den vergütung in Höhe von 990,00 EUR. Eine zur Berufsausbildung Beschäftigten gleichgestellt und Umstellung auf Sozialversicherungspflicht ist insofern kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosen- bisher nicht erfolgt. versicherungspflichtig. Einheitlicher Wortlaut: Versi- cherungspflichtig sind Teilnehmer „an Ausbildungen ▪ Mit Zustimmung der Auszubildenden kann mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der nunmehr von Sozialversicherungspflicht praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsver- ausgegangen werden. Es sind Meldungen trag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht im Rahmen des DEÜV-Meldeverfahrens zu (praxisintegrierte Ausbildungen)“. übermitteln und monatlich Beiträge zu ent- richten. Hätte das Universitätsklinikum das Die Neuregelungen gelten im Übrigen nicht allein für Ausbildungsverhältnis bereits bisher als so solche Gesundheitsberufe wie z. B. Medizinisch-techni- zialversicherungspflichtig beurteilt, ergäben sche Assistenten (MTA), Physiotherapeuten, Diätassis- sich zum 1. Juli 2020 keine Auswirkungen. tenten, Orthoptisten, Logopäden oder Ergotherapeuten,
IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 | 15 Arbeit-von-morgen-Gesetz vereinbaren. Vom 1. Oktober 2020 an ist diese zusätz- Erklärtes Ziel des „Gesetzes zur Förderung der be- liche Förderleistung auf alle Betriebe, also unabhängig ruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur von deren Größe, ausgeweitet worden und wird auch Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung“ ist es, bei den Zuschüssen zum Arbeitsentgelt erhöhend bestimmte Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik gewährt. Die Mindestbeteiligung des Arbeitgebers an weiterzuentwickeln, um Deutschland rechtzeitig auf den Lehrgangskosten verringert sich um 5 Prozent- die Arbeit von morgen vorzubereiten. Angesichts der punkte, die Zuschüsse zum Arbeitsentgelt können um Erkenntnis, dass in lebensbegleitendem Lernen der 5 Prozentpunkte erhöht werden. Schlüssel zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit im Strukturwandel liegt, will die Bundesregierung beson- Verfahrensvereinfachung/-beschleunigung: Insbeson- ders die Möglichkeiten von beruflicher Weiterbildung dere in den Fällen, in denen beruflicher Weiterbildungs- und Qualifizierung weiter stärken. Wir können hier bedarf bei einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern nicht auf alle Aspekte des Arbeit-von-morgen-Gesetzes vorliegt, kann Adressat der Bewilligungsentscheidung eingehen, sondern greifen nur die heraus, die in erster und Förderleistungen anstelle des Arbeitnehmers auch Linie für das Personalbüro von Interesse sein dürften. der Arbeitgeber sein, soweit er dies beantragt und die Betriebsvertretung bzw. der einzelne Beschäftigte Stärkung der beruflichen Weiterbildung eingewilligt hat. Die Antragstellung und Bewilligung der Maßnahmendauer: Bezüglich der Kostenübernahme Gesamtleistung kann dann – neben den ohnehin an den für berufliche Weiterbildung im Rahmen eines beste- Arbeitgeber zu zahlenden Arbeitsentgeltzuschüssen henden Arbeitsverhältnisses durch die Bundesagentur – auch die Lehrgangs- und sonstigen Weiterbildungs für Arbeit (BA) ist die erforderliche Mindestdauer der kosten (z. B. Fahrkosten) umfassen. Maßnahmen mit Wirkung ab dem 29. Mai 2020 von mehr als 160 Stunden auf mehr als 120 Stunden re Anspruch auf geförderte Nachholung duziert worden. Laut Gesetzesbegründung sollen Berufsabschluss mit der Reduzierung mehr Beschäftigte und Betriebe Angesichts der guten Arbeitsmarktchancen für Fach- für die Weiterbildungsförderung erreicht und qualifi- kräfte und das hohe Arbeitslosigkeits- und Substi- katorische Anpassungsprozesse erleichtert werden. tuierungsrisiko von Geringqualifizierten sieht das Arbeit-von-morgen-Gesetz einen Rechtsanspruch auf Höhere Zuschüsse zu Lehrgangskosten und Arbeits- Förderung einer beruflichen Nachqualifizierung zum entgelt: Unter der Voraussetzung, dass die beruflichen Nachholen eines Berufsabschlusses vor. Die Neure- Kompetenzen von mind. 20 % der Belegschaft des gelung, die am 29. Mai 2020 in Kraft getreten ist, Betriebes (bei mindestens 10, aber weniger als 250 Be- verfolgt das Ziel, verstärkt Geringqualifizierte für eine schäftigten = 10 % der Beschäftigten) nicht mehr berufsabschlussorientierte Weiterbildung zu gewin- genügen, um die betrieblichen Anforderungen zu nen. Auch für Arbeitnehmer, die zwar einen Berufsab- bewältigen, werden die jeweiligen Zuschüsse pauschal schluss im Ausland erworben haben, der aber einem um 10 Prozentpunkte erhöht. Damit sollen Arbeitge- deutschen Abschluss nicht formal gleichgestellt werden ber und Beschäftigte vom 1. Oktober 2020 an bei der konnte, besteht entsprechender Unterstützungsbedarf. Bewältigung schwieriger struktureller Anpassungs prozesse gestärkt werden. Der Rechtsanspruch soll aber nicht uneingeschränkt bestehen, sondern ist vom Vorliegen bestimmter För- Sozialpartnerklausel: Mit dem zum 1. Januar 2019 in dervoraussetzungen abhängig. So muss insbesondere Kraft getretenen Qualifizierungschancengesetz ist u. a. eine ausreichende körperliche und geistige Leistungs für Betriebe größer 2.500 Beschäftigte ein erhöhter fähigkeit zur Ausübung des angestrebten Berufs und Zuschuss zu den Weiterbildungskosten eingeführt eine erfolgreiche Teilnahme an der Weiterbildung prog- worden, sofern eine tarifvertragliche Regelung oder nostiziert werden können. Gefördert werden soll auch eine Betriebsvereinbarung vorliegt, die betriebsbezo- nur die Teilnahme an solchen Weiterbildungen, die unter gen berufliche Weiterbildung vorsieht. Die Regelung Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation in angemes- soll Anreiz für die Sozialpartner sein, in stärkerem sener Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Auf- Umfang berufliche Weiterbildung der Arbeitnehmer zu nahme oder Fortführung einer Beschäftigung führen.
16 | IKK-Seminar zum Jahreswechsel 2020/2021 Exkurs: Anpassungen beim 30. Juni 2021 verlängert. Danach sinkt befristet bis Kurzarbeitergeld (KUG) zum 31. Dezember 2021 die Erstattung auf 50 % für Aufgrund der durch die schnelle Verbreitung des alle Betriebe, die bis zum 30. Juni 2021 Kurzarbeit Coronavirus SARS-CoV-2 entstandenen Krisensituation, eingeführt haben. Betriebe, die mit der Kurzarbeit mit gravierenden Auswirkungen auch auf Wirtschaft ab dem 1. Juli 2021 beginnen, erhalten also grund- und Beschäftigung, ist eine ursprünglich im Entwurf sätzlich keine Erstattung der SV-Beiträge mehr. für das Arbeit-von-morgen-Gesetz enthaltene Ver- ordnungsermächtigung bereits mit dem „Gesetz zur llerdings: Werden die Beschäftigten während der A befristeten krisenbedingten Verbesserung der Rege- Kurzarbeit qualifiziert (berufliche Weiterbildungs lungen für das Kurzarbeitergeld“ in Kraft getreten. maßnahmen nach § 82 SGB III), können bis zum Stattdessen enthält das Arbeit-von-morgen-Gesetz 31. Juli 2023 nach dem Arbeit-von-morgen-Gesetz eine weitere Verordnungsermächtigung zur Bewälti- 50 % der SV-Beiträge erstattet werden. Da die SV- gung außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Ar- Beiträge unabhängig davon, ob eine Qualifizierung beitsmarkt, auf deren Grundlage bei Bedarf kurzfristig durchgeführt wird, im Rahmen der pandemiebeding- die KUG-Bezugsdauer auf bis zu 24 Monate verlängert ten Sonderregelungen bis zum 30. Juni 2021 weiter werden kann. Voraussetzung soll eine krisenhafte voll erstattet werden, entfalten die an die Qualifi- Situation sein, die Branchen oder Regionen übergrei- zierung geknüpften 50 % bis dahin keine Wirkung. fend erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung Ab dem 1. Juli 2021, wenn die generelle Erstattung und den Arbeitsmarkt hat, auch wenn sie nicht den der SV-Beiträge im Rahmen der pandemiebedingten gesamten Arbeitsmarkt erfassen muss. Sonderregelungen auf 50 % reduziert ist, kann den Betrieben die andere Hälfte der SV-Beiträge in Ab Auf Grundlage der bereits bestehenden bzw. neu auf- hängigkeit davon erstattet werden, dass die Beschäf- genommenen Ermächtigungen hat die Bundesregie- tigten während der Kurzarbeit qualifiziert werden. rung bzw. das BMAS verschiedene Verordnungen auf den Weg gebracht, um das „Erfolgsmodell Kurzarbeit“ ▪ Zweite Verordnung über die Bezugsdauer für das fortzuschreiben. Das Maßnahmenpaket beinhaltet Kurzarbeitergeld: Die Bezugsdauer wird für Arbeitneh- zudem mit dem „Gesetz zur Beschäftigungssicherung mer, deren Anspruch auf KUG bis zum 31. Dezember infolge der COVID-19-Pandemie (Beschäftigungssiche 2020 entstanden ist, auf bis zu 24 Monate verlängert, rungsgesetz)“ weitere Regelungen, die nicht auf dem längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2021. Verordnungswege umzusetzen sind. Mit alledem sollen verlässliche Rahmenbedingungen und die Vor- ▪ Beschäftigungssicherungsgesetz: Die Regelung zur aussetzungen für einen stabilen Arbeitsmarkt auch Erhöhung des KUG auf 70/77 % ab dem 4. Monat und im Jahr 2021 geschaffen werden: 80/87 % ab dem 7. Monat wird bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. Dies gilt für alle Beschäftigten, de- ▪ Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeiter ren KUG-Anspruch bis zum 31. März 2021 entstanden geldverordnung: Die Zugangserleichterungen ist. Die bestehenden befristeten Hinzuverdienstrege- (Mindesterfordernisse, negative Arbeitszeitsalden) lungen werden insoweit bis zum 31. Dezember 2021 werden bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. verlängert, als dass Entgelt aus einer während der Bis zu demselben Datum wird auch die Öffnung Kurzarbeit aufgenommenen geringfügig entlohnten des KUG für Leiharbeitnehmer verlängert. Beides Beschäftigung anrechnungsfrei bleibt. Zudem wird gilt jedoch nur für Betriebe bzw. Verleihbetriebe, der Anreiz, Zeiten des Arbeitsausfalls für berufliche die bis zum 31. März 2021 mit der Kurzarbeit Weiterbildung zu nutzen, dadurch weiter gestärkt, beginnen. dass die für diese Fälle geregelte hälftige Erstattung der SV-Beiträge nicht mehr daran geknüpft wird, ie vollständige pauschalierte Erstattung der D dass die Qualifizierung mindestens 50 % der Zeit SV-Beiträge während der Kurzarbeit wird bis zum des Arbeitsausfalls betragen muss.
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