Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Freundeskreis Journal Was macht Mut in schwierigen Zeiten? II. Halbjahr 35. Jahrgang 2/2020 Foto: Adobe Stock Zeitschrift der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe
INHALT EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, wenn das Selbstverständliche nicht auf den Bildschirm kann nicht das ersetzen, was man emo- mehr selbstverständlich ist: Momen- tional spürt, wenn sich Menschen real begegnen. tan leben wir in einer Zeit, in der wir viele Einschränkungen in unserer per- Mittlerweile sind Gruppenzusammenkünfte wieder mög- sönlichen Freiheit erleben. Es wird lich, jedoch nicht in der Form, wie wir sie gewohnt waren. uns vorgeschrieben, wen wir treffen Persönlich bin ich überzeugt davon, dass ein persönliches Foto: Pixabay dürfen und wen nicht, wo wir uns Treffen in der Gruppe selbst unter besonderen Umständen Was macht Mut? Leben in der Gruppe treffen dürfen und wo nicht, wann wir mehr Nähe erzeugt als eine Videokonferenz. uns treffen dürfen und wann nicht. Dies sind Umstände, die die wenigsten von uns bisher er- Jede Krise birgt ja angeblich auch eine Chance in sich. leben mussten. Trotz der erneuten Lockerungsmaßnahmen Unsere Chance besteht darin zu erkennen, dass Freundes- sind wir noch immer weit entfernt von unserem Leben vor kreisgruppen nicht selbstverständlich sind. Wir sollten uns WAS MACHT MUT? der Corona-Krise. innerlich noch einmal bedanken bei den Menschen, die die Bedeutung der Suchtberatung in der Corona-Krise - Freundeskreise gegründet haben und bei denen, die durch Erfahrungen aus den Freundeskreisen Ergebnisse aus einer Umfrage des Evangelischen Die Kontaktsperre beim Lockdown hat auch in unserer ihren Einsatz das Fortbestehen der Gruppen heute ermög- Fachverbands Sucht Rheinland-Westfalen-Lippe 23 Gemeinschaft die Schwächsten besonders hart getroffen: lichen. Wir sollten uns nicht selbst genug sein. Es gibt von Corona hat mich in meine Kindheit versetzt 4 Freundinnen und Freunde, die erst am Anfang ihres Weges Sucht betroffene Menschen, die diese Zeit ohne den Rück- Der Einfluss der Corona-Krise auf die Arbeit sind, für die die persönliche Begegnung in den Freundeskrei- halt eines Freundeskreises durchstehen müssen. Vielen von Coronazeit war bei uns Familienzeit 5 der Psychosozialen Beratungsstelle in Neuhaus sen besonders wichtig ist für die Stabilität ihrer Abstinenz. uns wäre es genauso ergangen, wenn nicht Freundinnen und Sonneberg 24 und Freunde bereit dazu gewesen wären, einen Freundes- Freundeskreisarbeit lässt Vereinsamung nicht zu 6 Ich denke, wir haben gut auf die Situation reagiert und das kreis zu gründen und dessen Bestand zu pflegen. Bestmögliche daraus gemacht. Wir haben Telefonkontakte Der Garten der Begegnung in Zeiten von Corona 8 AUS DEM BUNDESVERBAND intensiviert und neue Kompetenzen in Bezug auf die digita- Von daher kann es eigentlich nur die Erkenntnis geben, len Kommunikationsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Chat sich in seinem Freundeskreis zu engagieren, um dessen Mein Garten – gut für meinen inneren Frieden Ehemaliger Stellvertreter oder Videokonferenzen, erlangt. Wir haben Bedenken und Bestand zu sichern, und neue Freundeskreise zu gründen, und die Seele 10 Helmut Löhner verstorben 25 Hemmschwellen überwunden, weil es das Gebot der Stunde damit auch zukünftig mehr Menschen das erfahren dürfen, war. was wir im Kreise unserer Freundinnen und Freunde der- Göttinger Freundeskreis unterstützt Studiengang zeit erleben dürfen. „Soziale Arbeit“ der Berufsakademie digital 11 AUS DEN LANDESVERBÄNDEN Trotzdem glaube ich nicht, dass dies wirklich ein Ersatz für unsere Gruppenstunden ist. Ein Smiley kann nicht das Ich wünsche uns allen, dass wir gut durch diese schwie- Skype-Treffen mit Freunden in Beilstein 12 Baden: Gruppen- und Verbandsarbeit in ausdrücken, was ein wirkliches Lächeln ausdrückt. Ein Blick rige Zeit kommen. Zeiten von Corona 26 Mit Videokonferenzen in Verbindung bleiben 13 Andreas Bosch Saarland: Wir treffen uns zum Kennenlernen 27 Vorsitzender des Bundesverbands Persönliche Daten schützen! 14 Württemberg: Wie geht‘s euch in der Krise? 28 Wie immer, neu und gleich, aber anders 14 Wo finde ich den nächsten „Mission Chat“ – MATERIAL FÜR GRUPPENARBEIT Impressum Freundeskreis? nicht nur in Corona-Zeiten ein Erfolg 16 Herausgeber: Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe – Bundesverband e. V., Texte schreiben zu Corona: Selbsthilfeorganisation, Untere Königsstr. 86, 34117 Kassel, Tel. (05 61) 78 04 13, Was Menschen Mut macht in schwierigen Zeiten Welches Zitat hat mich angesprochen? 30 Fax 71 12 82, mail@freundeskreise-sucht.de, www.freundeskreise-sucht.de Nicht zu vergessen Was stärkt, Herausforderungen anzunehmen Ostern fand statt, aber anders 31 Mitgliedschaften: Diakonie Hessen – Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und und zu bewältigen? 18 Coronare Männerklage 32 Kurhessen-Waldeck e.V., Gesamtverband für Suchthilfe e. V. – Fachverband der Corona-Regeln 33 Diakonie Deutschland, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. Herzlichen Dank an alle, die am Zustande- Redaktion: Ute Krasnitzky-Rohrbach und Lothar Simmank mit dem kommen dieses Heftes beteiligt waren. Die Bewältigung der Corona-Krise AK Öffentlichkeitsarbeit: Ingrid Jepsen, Gertrud Kessler, Manfred Kessler, Es waren schwierige und außergewöhn- in den Fachdiensten Catherine Knorr, Bodo Schmidt, Wolfgang Staubach, Elisabeth Stege WAS MACHEN DIE ANDEREN? Verantwortlich i.S.d.P.: Andreas Bosch, Vorsitzender liche Umstände in Corona-Zeiten. Interview: „Das Wesen der Gruppe bleibt kostbar“ 20 Layout: medio GmbH Suchtkrankenhilfe in Uganda 34 Herstellung und Vertrieb: Meister Print & Media, Kassel Der geschäftsführende Vorstand Wiedereinstieg in die Gruppenarbeit 21 Für Mitglieder über den jeweiligen Freundeskreis kostenlos. Falls Sie unsere Arbeit des Bundesverbands der Freundeskreise finanziell unterstützen möchten: Spendenkonto bei der Evangelischen Bank eG, für Suchtkrankenhilfe Stationäre Entwöhnungsbehandlung in Münchwies 22 BUCH- & FILMTIPPS 36 IBAN DE75 5206 0410 0000 0019 53, BIC GENODEF1EK1 Auflage: 7.600 Exemplare 2 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 3
THEMA WAS MACHT MUT? Corona hat mich in meine Coronazeit war bei Nicht nur die Angst Kindheit versetzt uns Familienzeit ist ansteckend, sondern auch die Ruhe und die Freude, I sicht auf Lockerungen.“ Ich musste im- Die Vernunft hat gesiegt ch bin Matthias, 42 Jahre alt, ver- wenn es dort Erklärungsbedarf gab. mit der wir dem jeweils mer zu Hause bleiben, durfte nie nach heiratet und habe zwei schulpflich- Die Schulaufgaben wurden einen draußen zum Spielen mit anderen Kin- Ein Nachgeschmack ist dennoch tige Kinder. Ich bin alkoholkrank Tag vorher immer ausgedruckt, und Auferlegten begegnen. dern. Ich fühlte mich abgewertet: „Ich geblieben. Damals war ich ein Kind und habe eine Langzeittherapie ge- die Kinder beschäftigten sich dann muss ein schlimmer Mensch sein, wenn und konnte mich weder wehren noch macht. Danach hatte ich zwei Rück- damit, während wir zur Arbeit waren. Dietrich Bonhoeffer ich immer allein auf meinem Zimmer durchsetzen. Heute bin ich im Erwach- fälle und bin jetzt seit fast einem Jahr Weiterhin wurde jeden Tag vorgekocht, bleiben muss.“ senenalter und kann mich in dieser abstinent. Mit meiner Frau besuche ich da die Kinder ja auch ein warmes Mit- Corona-Situation genauso wenig weh- seit dieser Zeit regelmäßig den Freun- tagessen zu Hause brauchten. 2020 tat wieder sehr weh ren oder durchsetzen. Die Vernunft hat deskreis in Schwerin. Für uns ist die- Der Stress nahm für uns alle zu. Ne- In unserer Bewegungsfreiheit haben gesiegt. Derartige Grenzsituationen ser Termin sehr wichtig geworden. Es ben dem normalen Berufsalltag muss- wir uns nicht sonderlich eingeschränkt Dann wurde es Ende April noch werden mir auch zukünftig Respekt ist interessant zu hören, wie die ande- ten wir nun auch noch den Lehrer spie- gefühlt. Auch die Freunde nicht treffen enger. Bislang war es erlaubt, beim abverlangen. In den letzten Jahrzehn- ren Mitglieder der Gruppe ihre Woche len. Hinzu kam, dass unser geplanter zu können, traf auf uns nicht so zu, da Bäcker um die Ecke ohne Maske ein- ten habe ich viele schlimme Erlebnisse verbrachten, welche Neuigkeiten es so Osterurlaub in Dänemark ausfiel. Die wir nicht besonders viele Freunde ha- I zukaufen. Ging auch sieben Wochen aufgearbeitet und eine positive Einstel- gibt, die eigenen Probleme zu schildern Grenze war ja geschlossen. Zum Glück ben. Durch meine Alkoholsucht wen- nzwischen würde ich 2020 als ein lang gut. Eine Maske musste her, und lung zum Leben entwickelt. Ich bin da- und den anderen zuzuhören. So haben konnten wir umbuchen und in den deten sich einige Freunde von uns ab, sehr denkwürdiges Jahr bezeich- das Kopfkino ratterte los. Ich fühl- ran gereift, aber ich weiß, dass mir als wir schon viele nette Bekanntschaften Sommerferien nach Rügen fahren. Ur- es blieben nicht mehr viele übrig. Die nen. Corona kam, hat sich einfach te mich wieder schutzlos ausgeliefert abhängiger Frau solche unerwartet ein- machen können. laub im eigenen Bundesland kann auch Kinder traf es mehr, weil sie ihren geräuschlos, geruchslos und nicht (hört sich für manche komisch an, weil tretenden Grenzsituationen gefährlich Umso trauriger waren wir, als im sehr schön sein. sportlichen Aktivitäten nicht nachge- sichtbar bei uns eingenistet – uneinge- diese Maske zum Schutz getragen wer- werden können. Ich habe keine Angst März die Corona-Pandemie auch in Dies stellten wir fest, da wir den hen konnten. laden, wohlbemerkt. den muss). Diese Einschränkung sollte davor, aber ich will weiterhin aufmerk- Deutschland ankam und auf einmal auf- geplanten Dänemarkurlaub zu Hause Ich hatte auch keine Angst, mich mit Ich gebe zu, dass ich die Lage an- nur vorübergehend sein und aufgeho- sam bleiben. grund der Kontaktbeschränkungen und verbrachten: Wir entdeckten Orte, die dem Virus anzustecken. Mittlerweile fangs als nicht so schlimm eingeschätzt ben werden, sobald die Lage es zulässt Catherine Knorr des Lockdowns keine Selbsthilfegrup- wir ohne Corona vielleicht nie gesehen ist es ja zum Alltag geworden, mit ei- habe, wie sie sich später weltweit ent- – das heißt, wenn alle es tun und die Freundeskreis Stuttgart-Plieningen pen-Treffen mehr stattfinden durften. hätten. Wir unternahmen viele Fahrrad- nem Mund-Nasen-Schutz einkaufen zu wickelte. Ich habe mich und andere ge- Vorschriften einhalten. Prompt kamen Auch die Schulen wurden geschlossen, touren mit der Familie, 40 Kilometer gehen. Da fühle ich mich sicher. Wir schützt, habe den Abstand respektiert, wieder unangenehme Erinnerungen aus und die mehrfach in der Woche stattfin- verursachten keinen Muskelkater mehr. hoffen jedoch, dass in nicht allzu lan- die persönlichen Begegnungen herun- meiner Kindheit hoch. Ich hatte damals denden Trainings unserer sportlichen Außerdem besuchten wir das Autoki- ger Zeit wieder Normalität in unser al- tergefahren. sogar Schwimmen gelernt bis 50 Me- Kinder fanden auch nicht mehr statt. no, legten uns eine Tischtennisplatte ler Leben einzieht und auch die Schule Immer wieder kam ein komisches ter, da ein Urlaub am Meer bei erfolg- Meine Frau und ich hatten aber das zu und brachten unser Grundstück auf nach den Ferien wieder losgeht. Gefühl hoch – Deja Vus: Es poppten reichem Abschluss des Schwimmkur- Glück, dass unsere Berufe nicht von Vordermann. Schön ist aber, dass seit drei Wochen Szenen und Gefühle aus der Kindheit ses versprochen wurde. Auf den Urlaub den Beschränkungen betroffen waren Ich kann sagen, dass die Zeit uns mittwochs in Schwerin unsere Freun- auf. Auf einmal wurde mir klar, was in am Meer warte ich bis heute. und wir weiter zur Arbeit gehen durf- als Familie noch mehr zusammenge- deskreis-Selbsthilfegruppe im kleine- mir vorging. Ich spürte um mich herum Ich habe schnell verinnerlicht, dass ten. Das hieß aber auch: früh zur Ar- schweißt hat. Das ist uns wichtig. Auch ren Kreis wieder stattfindet. förmlich die Angst von anderen Leu- gehorsam sein wenig bis nichts beit, nachmittags nach Hause und mit vor Corona hatten wir schon viel ge- Matthias Kaps ten. Meine Eltern hatten auch ständig bringt. Es gab immer wieder das den Kindern Schulaufgaben machen, meinsam unternommen. Freundeskreis Schwerin Angst. Unter anderem, dass ihre Kinder Argument meiner Eltern, dass Mutig ist, entführt werden. Es war völlig aus der ich doch nicht alle Vorschrif- Foto: pixabay Luft gegriffen, weil wir so arm waren, ten akkurat eingehalten hät- dass niemand jemals auf die Idee ge- te. kommen wäre, uns zu entführen. Aber Es tat 2020 wieder sehr diese Angst war bei meinen Eltern real! weh. Trotzdem habe ich wer weiß, mir die Zeit gegeben, die- dass vor ihm eine Gefahr liegt, Jedenfalls führte dies zu einer Isola- se traurigen Situationen tion: Damit nichts passiert, durfte ich noch einmal zu durchle- sich aber dennoch wenig bis kaum Kontakt mit Mitmen- ben und abzuhaken. Nun schen haben, es gab Vorschriften und spüre ich meine innere mit ihr auseinandersetzt. die Androhung von Repressalien, falls Stärke und Widerstandsfä- ich nicht spure. Selbstverständlich war higkeit wieder. Die depressi- Xenophon die Rede davon, mit meinen Worten: ve Stimmung verschwand nach „Wenn ich brav spure, gibt es die Aus- und nach. 4 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 5
THEMA WAS MACHT MUT? Freundeskreisarbeit lässt Vereinsamung nicht zu I ch selbst musste schon mehrere Als grundsätzlich positiv denkender dungen verstärkt, die leise und locker Male krankheitsbedingt mein Le- Mensch halte ich mich an die Spielre- geworden waren. Familien, Nachbarn ben radikal umstellen. Die Entfer- geln, die zur Bewältigung der Coro- und Freunde sind näher gerückt. Inte- nung einer Niere und die dann folgende na-Krise notwendig sind. Unterstüt- ressanterweise erreichte ich die Leute Dialyse fordern mich bis heute heraus. zung hole ich mir in der Familie, aber auch wieder mehr persönlich, nicht nur Umdenken und Anpassen an diese neu- auch, indem ich Kontakt zu Freunden ihren Anrufbeantworter. Die Gespräche en Situationen wurden und werden mir halte. Das gibt mir die Kraft, die ich haben mehr Tiefe und Authentizität ge- zwangsläufig abverlangt. Aber – und brauche und die mir guttut. Wir moti- wonnen. das ist für mich eine wichtige Erkennt- vieren uns gegenseitig und wissen um Ich nutze neben dem Telefon na- nis – mein Blick auf das Wesentliche die Stärke, die wir auch durch unseren türlich auch die anderen technischen wurde geschärft. christlichen Glauben finden. Immer Möglichkeiten (Chat, Mail etc.) und Von besonderer Bedeutung waren noch ist unser Kontakt geprägt durch freue mich, dass auch unser Bundes- mir dabei immer auch die Werte und das Leitbild der Freundeskreise, was verband diese Angebote vorhält. das Selbstverständnis der Freundes- uns im Miteinander-Füreinander Ori- WhatsApp und Telefonkonferenzen kreise für Suchtkrankenhilfe. Dadurch entierung vermittelt. sind wichtig und sinnvoll! Mir ist aber fand ich Orientierung, genauso, wie Ich glaube, dass die sozialen Ver- wichtig, deutlich zu machen, dass sie dies bei vielen anderen Abhängigen zichte, die wir leisten, nicht unbedingt unsere Gespräche in den Gruppen nicht und Angehörigen in unseren Reihen der dazu führen müssen, dass Menschen ersetzen können. Ich würde sogar sa- Fall ist. Die Mitwirkung bei den Freun- vereinsamen, sondern sie können sogar gen: Nur weil wir unsere persönlichen deskreisen hat bewirkt, dass ich heute neue Möglichkeiten eröffnen. Parado- Begegnungen hatten, funktioniert es zufrieden leben kann, mein Leben als xerweise erzeugt die körperliche Dis- jetzt mit der Technik gut, und wir kön- schön empfinde – trotz der Einschrän- tanz, die der Virus erzwingt, für mich nen einander nahe sein. kungen, die ich bewältigen muss. Und auch eine neue Nähe mit einer ganz gerade in unseren jetzigen Zeiten wird anderen Qualität. Ich habe alte Freun- mir das wieder besonders deutlich. de wieder häufiger kontaktiert, Bin- Lass dich nicht ängstigen, nicht erschrecken. Ehrenvorsitzender Alles geht vorüber. Rolf Schmidt Teresa von Ávila Wir wollen daher nach Corona wie- der den Weg in die Gemeinschaft der Gruppe suchen. Vielleicht denken ei- nige sogar: Warum in die Gruppe ge- hen, es ist doch viel bequemer auf dem häuslichen Sofa. Das ist aber nicht Foto: Simmank der Sinn von Freundeskreisarbeit. Wir brauchen die Kontakte und die mensch- liche Nähe. Sie waren Hauptbestandtei- le unserer Arbeit in den Freundeskrei- Elisabeth Stege, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands, fand während des Lockdowns Zeit, um einem sen vor Corona, und sie werden es auch ihrer Hobbys ausgiebig zu frönen. Sie häkelte ungezählte Enten – als Prinzessin, Indianerin, Nikolaus, Mönch, Ban- Rolf Schmidt (73) mit einem Teddybären, den er zum 50. Geburtstag von danach sein. Jedenfalls bin ich davon dit, Oma und Opa. Die Wolltiere will sie der Kinderstation eines Krankenhauses übergeben. Dort soll jedes Kind, das Zeit im einer Frau aus seinem Freundeskreis geschenkt bekam und der anlässlich der Corona-Krise einen Mundschutz trägt überzeugt. Krankenhaus verbringen muss, eine Ente als Geschenk erhalten. Ein Sortiment brachte sie auch mit in die erste Sitzung des Rolf Schmidt Arbeitskreises Öffentlichkeitsarbeit nach dem Lockdown. Die Freude war auch hier riesig. Danke Elisabeth, eine schöne Idee! 6 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 7
THEMA WAS MACHT MUT? Thüringen: Der Garten der Beg egnung in Zeiten von Corona N achdem es im vergangenen Wild war die Vegetation nun vor- wurden Hecken und Sträucher gestutzt, werden. Die Laube muss renoviert Jahr etwas ruhig um dieses angeschritten. Büsche und Sträucher Beete und Rabatten angelegt und Kar- und der Zaun teilweise ersetzt werden. beschauliche Fleckchen Erde vereinigten sich zu einer undurchdring- toffeln gepflanzt, um die Erde für die Auch die Toilette muss wieder herge- geworden war, scheint es nun mit dem lichen Wand – wie im Märchen. Aber nächste Saison vorzubereiten. richtet werden. Ein drittes Gartentor Dornröschenschlaf vorbei zu sein. Ästen, Zweigen und Dornen ging es Die Chancen, die uns der Garten für den barrierefreien Zutritt und zehn Mit dem Ausbruch von Corona hatte jetzt nicht mit einem Schwert, sondern bietet, zeigen sich erst jetzt so richtig. Meter fester Weg müssen noch umge- ich das Gefühl, dass es sich mit dem mit Hilfe von Astschere und Motor- Bei all der Arbeit sprudelten Ideen zu setzt werden. In Planung ist auch der Garten-Projekt erledigt haben könnte. säge an den Kragen. Ca. 60 Quadrat- dessen weiteren Verwendungszweck. Neubau einer Holzterrasse. Die finan- Doch die Tatsache, dass unsere Grup- meter Gartenland kamen wieder zum Man könnte ja Gruppentreffen im Grü- ziellen Mittel wurden beantragt und penstunden seit März nicht mehr statt- Vorschein. Eher vermuteten wir, dort nen, Workshops, Lesungen, kulturelle genehmigt, so dass die Aussicht, den finden konnten, führte dazu, dass im- auf eine Burgmauer zu stoßen, hinter Veranstaltungen, wie kleine Konzerte, Wettlauf gegen eine eventuelle zweite mer mehr Gruppenmitglieder dem Ruf der Dornröschen auf den Prinzen war- durchführen. Stilllegung des öffentlichen Lebens zu der Wildnis folgten. In Zeiten von ge- tet. Aber ein zweites Gartentor samt Viel wichtiger ist, dass das klei- gewinnen, groß ist. schlossenen öffentlichen Räumen und gepflastertem Weg kam zutage. Unter ne Gartenhäuschen als Treffpunkt für Diese Vorhaben sind allein für die verbotenen Veranstaltungen bzw. Ver- Brombeergesträuch versteckte sich ein Erst- oder Einzelgespräche dienen Sonneberger Freunde kaum zu bewäl- sammlungen zeigten sich die Vorteile kleiner Plastikteich, der die Heimat kann. Sollte noch einmal das öffentli- tigen. Wir werden vom Freundeskreis eines Gartens. Sicherlich mussten auch eines Frosches ist. Leider ist er ohne che Leben lahmgelegt werden, bietet Eisfeld und vom Landesverband Thü- hier die Schutzbestimmungen eingehal- Krönchen. sich hier die Möglichkeit, Hilfesuchen- ringen unterstützt. Eine besondere Un- ten werden. Dennoch waren wir froh 20 Stunden mühte sich ein Häcks- den Unterstützung anzubieten. Um dies terstützerin haben wir auch in Regina darüber, uns zumindest zum Arbeiten ler, um all das märchenhafte Gesträuch Vorhaben zu realisieren, müssen aller- Trutzl von der Akademie der Kinder treffen zu können. zu zerkleinern. In weiteren Einsätzen dings einige Bauarbeiten durchgeführt der Weltspielzeugstadt gefunden, die sich mit ihrem grünen Daumen und fantasievollen Ideen eingebracht hat. In der Öffentlichkeit erregt unser Garten Projekt immer mehr Aufmerksam- keit. Für interessierte Blicke über den Gartenzaun sorgte ein Artikel in der lokalen Presse. Einige Anwohner und Kleingärtner fragen nun auch schon nach einem zweiten Coronakonzert. der Begegnung Denn im Mai, konnten wir nach einem Aufruf in Facebook Udo Griebel als Al- leinunterhalter gewinnen. Er musizierte Projekt des Freundeskreis für Suchtkranke ohne Gage zu unserer Freude und der der Umgebung. und Angehörige Sonneberg Ob mit oder ohne Pandemie: Der Kontakt: ✆ 0176 / 41 79 70 10 · fk.sonneberg@gmail.com Garten der Begegnung ist ein Gewinn. in Kooperation mit Außerhalb der Gruppenstunden ge- meinsam etwas zu erschaffen und ei- Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe LV Thüringen e.V. gene Ideen umzusetzen, erfüllt (auch www.freundeskreise-sucht-thueringen.de ergo-)therapeutische Zwecke, steigert http://www.freundegesucht.de/ das Selbstwertgefühl des Einzelnen, stärkt die Gemeinschaft und wird dazu beitragen, die Freundeskreise für Sucht- krankenhilfe sowie die Sucht-Selbsthil- fe auf neue Art und Weise bekannter zu machen. Frei nach unserem Jahresmot- to, „Wir zeigen uns“ können wir somit auch Berührungsängste in der Öffent- Freundeskreis Der Freundeskreis Sonneberg im Landesverband Thüringen hat im vergangenen lichkeit abbauen. für Suchtkrankenhilfe Jahr einen „Garten der Begegnung“ eingerichtet Bodo Schmidt 8 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 9
THEMA WAS MACHT MUT? Federn Mein Garten – lassen Göttinger Freundeskreis unterstützte dualen Studiengang „Soziale Arbeit“ gut für meinen inneren und dennoch schweben, der Berufsakademie digital Frieden und die Seele D das ist das Geheimnis er Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe in Göttingen ist ein Zu- sammenschluss von acht Selbsthilfegruppen. Als solcher ist er des Lebens. auch ein fester Netzwerkpartner in der Suchtkrankenhilfe und der Suchtprävention. So nimmt der Freundeskreis am regionalen Ar- Hilde Domin beitskreis für betriebliche Suchthilfe in Göttingen teil und ist bei be- trieblichen Präventionsveranstaltungen vertreten. Daneben wirkt der Freundeskreis immer wieder bei Fortbildungen mit. So bieten wir Hos- pitationsplätze in unserer Infogruppe an und sind fester Bestandteil bei verschiedenen Bildungsträgern, wenn es um die Themen „Sucht und hören oder aber sein Gesicht war kurz- Selbsthilfe“ geht. zeitig vom Bildschirm verschwunden. Und alle haben es auch nicht in die Ende Februar erreichte uns eine Anfrage, ob wir uns und unsere Ar- Videorunde geschafft, scheiterten an beit den Studierenden des dualen Studiengangs „Soziale Arbeit“ in der technischen Problemen. Gerade für Berufsakademie Göttingen vorstellen könnten. Schnell war mit der Do- Menschen, die sich erst vor wenigen zentin Jessica Szturmann ein passender Termin für den 29. April 2020 Wochen gegen den Alkohol entschie- vereinbart. In der Regel stellen wir unseren Verein vor und erzählen den haben, ist die Corona-Pandemie die persönliche Suchtgeschichte. Da die Teilnehmenden meist gut vor- eine harte Bewährungsprobe. Rück- bereitet sind, folgt eine Frage-Antwort-Runde zum Thema „Sucht und fälle sind wahrscheinlicher, wenn der Selbsthilfe“. Wunsch zur Abkehr noch frisch ist oder man gerade erst von einer mehrwöchi- Doch dann kam Corona mit all den Folgen. Wie viele Einrichtungen gen Therapie zurückgekehrt ist. Wenn stellte auch die Berufsakademie das Studium von analog auf online um. dann kein persönlicher Austausch mög- Nach den Erfahrungen in meiner eigenen Selbsthilfegruppe mit Video- lich ist, keine Gruppe sich treffen kann, Telefonkonferenz einigten die Dozentin und ich uns darauf, unsere Ver- man isoliert ist, dann befeuert die Isola- anstaltung online anzubieten. tion jede Sucht. Die Berufsakademie Göttingen und die Dozentin waren technisch und organisatorisch gut vorbereitet, sodass ich direkt mit dem Vortrag Ich hatte das Glück, mir in dieser beginnen konnte. Zum Einsatz kam das Programm Adobe Connect. Im Garten entstand während der Corona-Krise ein Hochbeet für die Ehefrau Zeit zusätzliche Aufgaben in meinem Dieses Programm war für mich neu. Deshalb sagte ich die ersten Sätze privaten Garten zu suchen und fühlte noch ohne Kamera, aber durch die eingebaute Chatfunktion wurden wir B mich gut dabei. All die Dinge, die bisher von den Teilnehmenden schnell darauf aufmerksam gemacht. Für mich etroffene können derzeit er- wir fanden trotzdem eine Möglichkeit unerledigt gewesen waren, konnte ich war es sehr gewöhnungsbedürftig, dass ich die Teilnehmerinnen und lernte Alternativ-Strategien wie des Treffens – die digitale Konferenz. jetzt abarbeiten. Sogar konnte ich mei- Teilnehmer, die stummgeschaltet waren, nicht sehen konnte. Nach mei- den Gang ins Sportstudio oder So konnten wir uns im Gruppenchat ner Frau endlich ein Hochbeet anlegen, nem Vortrag hatten sie die Möglichkeit, sich mit Fragen anzumelden. zu den Selbsthilfegruppen kaum an- zumindest sehen und reden, und dabei Rasen mähen, Holz machen und vieles Nach kurzem Zögern beteiligten sich die Studierenden, und so konnten wenden. Persönliche Treffen sind auch auch erfahren, wie es dem Anderen andere mehr. Unsere beiden Töchter offene Punkte noch besprochen werden. heute noch nicht überall möglich. Viele geht. Sicherlich waren die Videokonfe- hatten bereits nach 14 Tagen Isolation Gruppenräume sind noch geschlossen. renzen kein Ersatz zu den Gruppensit- den totalen Wohnungskoller und – als Dass es die Technik möglich machte, unsere Arbeit fortzusetzen, zungen, aber sie waren ein Kontakt mit ob Pubertät nicht schon schlimm genug freut mich. Ich vermisse aber vor allem den direkten Kontakt und das Aber was bedeutet das für einen den anderen und daher umso wichtiger. wäre – Corona legte noch eine Schippe persönliche Feedback. Wenn ich so eine online-Vorstellung noch mal Suchtabhängigen, der nicht einmal die drauf. Aber der Garten erreichte auch mache, werde ich Zwischenfragen erlauben, um besser auf die Bedürf- Selbsthilfegruppe besuchen kann? Eine Am Anfang hatten wir unsere sie beide. Sie fanden auch Ruhe und nisse der Zuhörer einzugehen. Auch fände ich es hilfreich, wenn beim solche Zeit der Isolation stellte uns alle Schwierigkeiten mit der Technik. Ei- Entspannung. In der familiären Isola- nächsten Mal diese Konferenz moderiert würde. Es war ungewohnt auf eine harte Zerreißprobe. Die Men- gentlich geht es einfach, denn wenn tion schufen die Arbeitsaufgaben etwas zu sprechen und dann noch online auf die Belange der Teilnehmenden Heiko Haine aus dem Freundes- schen mit Suchtproblemen sind auf das richtige Programm im App-Store Gemeinsames und Verbindendes. Rich- einzugehen. Ich bedanke mich recht herzlich bei den Studierenden, die kreis Eisfeld/Hildburghausen besondere Art und Weise betroffen. gefunden ist und es alle installiert ha- tig gut für meine Seele und meinen in- mich eingeladen haben, bei Jessica Szturmann für die tolle Zusammen- fand in seinem Garten gute Der Kontakt zu anderen Menschen, die ben, dann müssen wir uns nur noch neren Frieden wurde gerade jetzt mein arbeit und bei der Berufsakademie Göttingen für die Bereitstellung der Möglichkeiten zu Ruhe und ähnliche Erfahrungen haben und den miteinander verbinden. Aber die Netz- Garten. technischen Möglichkeiten. Entspannung Austausch in der Gruppe brauchen, um abdeckung und Internetverbindung im Heiko Haine Jürgen Fischer über das Erlebte und den Umgang da- ländlichen Raum ist unterschiedlich. Freundeskreis Freundeskreis Göttingen mit zu sprechen, ist plötzlich weg. Aber Oft war kein Ton vom Gegenüber zu Eisfeld/Hildburghausen 10 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 11
THEMA WAS MACHT MUT? Skype-Treffen mit Freunden Mit Video- konferenzen Das Verstehen deiner Stärken N in Verbindung ur knapp eine Woche nach un- lassen und alle kamen zu Wort. Wir serem letzten Gruppenabend beschlossen, die nächsten Wochen so macht sie größer. hatte ein Gruppenmitglied weiterzumachen Es entstand trotz der bleiben die tolle Idee, eine Skype-Gruppe im ungewohnten Situation eine Vorfreude Luc de Clapiers Freundeskreis Beilstein zu gründen. Als auf die nächsten Gruppenabende, auf Marquis de Vauvenargues wir uns bald danach wiedertrafen, hat- die Treffen mit Freunden. te er die Gruppe schon gegründet. Ich musste die anderen Freunde nur noch Wir stellten sehr schnell fest, dass per Mail dazu einladen. Eigentlich ganz Regeln wichtig sind: einfach, denn die Teilnehmenden kön- nen sich über einen Link in die Skype- • Moderator vorher festlegen. Gruppe einwählen, ohne sich anmelden C oder registrieren zu müssen. Am Diens- • Es spricht immer nur eine Person. tag haben wir das mit vier Personen ge- orona, das Wort geisterte schon ner Skype-Videokonferenz. Alle ande- und der Diakonie durchzuhalten. Viele testet, und am Donnerstag fand bereits • Screenshots oder Audioaufnahmen bald durch unsere Gruppe in ren Gruppenmitglieder überlegten, wie unsere Mitglieder gehören zudem zur der erste fast normale Gruppenabend von den Treffen sind nicht erlaubt. Oppenheim. Als es auch in sie dabei mitmachen konnten. Risikogruppe. Um diese nicht auszu- mit 14 Teilnehmenden statt. Lothar Schilpp vom Freundeskreis Beil- Deutschland Infizierte gab, wurde schließen, setzten wir erst einmal die Es war eine völlig neue Erfahrung, • Dritte (auch zum Beispiel Familien- stein im Landesverband Württemberg heftig spekuliert. Doch die Hoffnung, Das erste virtuelle Treffen wurde Videokonferenzen fort. die Freunde auf dem Laptop (manche mitglieder) dürfen den Bildschirm glimpflich davonzukommen, war groß. dann für den 16. April ins Auge gefasst. auch übers Smartphone) zu sehen und während des Treffens nicht einsehen Jedoch die Anzeichen, dass sich unser Wir saßen gespannt vor Laptop, PC oder Unser Fazit: Die Videokonferenz zu hören, sich mit ihnen über ihre Sor- und nicht zuhören. Leben ändern würde, mehrten sich dann Tablett. Und siehe da, es gab Geräu- ist ein gutes Mittel, um in Verbindung gen, Nöte und Freuden zu unterhalten Altersspektrum unserer Teilnehmenden Anfang März massiv. Noch immer traf sche, Klingeln, und plötzlich sah man zu bleiben. Wir tun dies zu den Zeiten in dieser wirklich nicht einfachen Zeit. • Hintergrundgeräusche vermeiden, von knapp 50 bis 77 Jahren: Alle konn- sich die Gruppe wie gewohnt. Niemand die altvertrauten Gesichter der Freunde. der üblichen Gruppenstunden, damit Unglaublich, wie offen wir mitei- hierfür Mikrofon stumm schalten, ten ihre PCs bedienen, auch die Ältes- konnte sich vorstellen, dass es für die Sogleich wurde abgefragt, wie es allen es niemand vergisst. Wer allerdings nander geredet haben, trotz der unge- solange nicht gesprochen wird. ten hatten keine Probleme! nächsten Monate keine Treffen mehr geht und wie die Zeit ohne Gruppe bis- keinen PC hat, ist im Nachteil. Hier wohnten Umgebung und der doch gro- Trotz aller Freude über den Aus- geben sollte. her war. Wie im Flug waren anderthalb versuchen wir, telefonisch in Kontakt ßen räumlichen Entfernung zueinander. Nach und nach stellte sich eine ge- tausch und das Gehörtwerden sind un- Am 16. März erhielt ich den Anruf Stunden herum. Mittlerweile hat sich zu bleiben. Alle Technik ist aber kein Irgendwie hat das unsere Gemeinschaft wisse Routine ein. Fast alle melden sich sere Gedanken immer bei den Freun- von der Diakonie, dass das Gebäude für die Skype-Videokonferenz etabliert. In Ersatz für das persönliche Miteinander, noch bereichert. Alle waren sehr diszi- ab, wenn sie mal nicht teilnehmen kön- den, die nicht teilnehmen können. Denn den öffentlichen Zugang gesperrt sei. der Regel sind wir fünf, manchmal so- das wir hoffentlich bald wieder aufneh- pliniert, jeder hat den anderen ausreden nen. Erstaunlich bei dem relativ hohen viele haben eine schlechte Internetver- Damit war klar, unser Gruppenraum gar bis zu acht Teilnehmende. Ein Mit- men können. bindung oder gar keine Anbindung ans steht nicht mehr zur Verfügung. Die glied, das in den Schwarzwald gezogen Michael Kröhler Netz. Mit ihnen versuchen wir über Gruppenmitglieder mussten über die ist, beteiligt sich sogar. Ein anderes Freundeskreis Oppenheim WhatsApp, SMS, Telefon oder bei ei- Situation informiert werden. Mitglied nahm aus seinem Ferienhaus nem persönlichen Besuch mit entspre- Das galt dann schnell auch für alle im Urlaub an unserer Videokonferenz chendem Abstand in Kontakt zu blei- Gruppenräume in unserem Landesver- teil. Selbst Computer-Laien fanden ben. Eine gute Gelegenheit war da auch band Rheinland-Pfalz. Wir ließen noch irgendwie in die Skype-Gruppe. Und Wie wäre das der Versand von „Freundeskreis-ak- Schilder anbringen mit dem Verweis, wenn der Computer mal nicht mitspiel- Leben, tuell“, der Mitgliederzeitung unseres dass zurzeit keine Gruppenabende te, half man sich gegenseitig, damit nie- Landesverbands. Ich habe sie bei allen stattfinden dürfen. Ein Kontakt-Telefon mand den Anschluss verliert – so wie es Gruppenteilnehmenden persönlich vor- für Rückfragen sowie der Hinweis auf im richtigen Leben auch ist. beigebracht. unsere Homepage wurden dazu veröf- hätten wir nicht den Mut, Wir hoffen, dass wir uns bald wieder fentlicht. Die Gespräche drehen sich zuerst in der gewohnten Form treffen können, meist um die aktuelle Situation, die für etwas zu riskieren. denn trotz dieser positiven Hilfe für Am 6. April erhielten die Ansprech- einige eine große Belastung darstellt. die Selbsthilfe wird uns diese neue und partner der Gruppe Oppenheim eine Auch einen Rückfall konnten wir in der Vincent van Gogh sehr gute Art der Kommunikation nie- Mail von einem Gruppenmitglied. Die- Videokonferenz aufarbeiten. mals den altbewährten, gemeinsamen ses vermisste unsere Gespräche wäh- Zurzeit laufen Überlegungen, wieder Gruppenabend face-to-face ersetzen. rend der Gruppenabende dermaßen einen Gruppenabend in der realen Welt Lothar Schilpp schmerzlich. Das war der Auslöser für durchzuführen. Doch es ist aufwändig, Freundeskreis Beilstein unsere Gedanken zur Durchführung ei- das Hygienekonzept des Ministeriums 12 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 13
THEMA WAS MACHT MUT? unserer Gewohnheiten. Oft bemerken Persönliche Daten schützen! wir selbst gar nicht, wie wir bzw. unser Leben von ihnen bestimmt wird. Wir tun etwas, weil wir es schon immer so getan haben und darum kommt es uns auch nicht oder selten falsch vor. Dies gilt für alltägliche Kleinigkeiten genau- so wie für die großen Dinge. Die Macht der Gewohnheit reicht viel weiter als die Macht der Vernunft. Doch wenn man ihr nicht widersteht, kann das in Corona-Zeiten durchaus schlimm en- den. Also müssen wir etwas ändern. Ich weiß, Veränderungen machen uns vor allen Dingen deshalb Angst, weil sie uns dazu zwingen, uns aus der Hängematte der Gewohnheit her- aus zu begeben. Es erfordert erst mal den Willen, etwas ändern zu wollen. Dann bedarf es des Mutes, den Schritt wirklich zu gehen und letztlich können wir damit nur Erfolg haben, wenn wir dranbleiben. Wir als Abhängige und Angehörige von Suchtkranken wissen das und haben, denke ich, auch eine ge- wisse Übung darin. So ändern wir die Bei den Treffen des Freundeskreises Leinfelden-Echterdingen werden nun Siglindes Umarmungs-Begrüßung konsequent in selbst gemachte Masken getragen – ein tolles Zeichen von Gemeinschaft! ein Winken. DER FREUNDESKREIS PLOCHINGEN BEIM DIGITALEN GRUPPENABEND: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen sich Abstand ist auch im Gruppenraum sowieso nichts tut in meinem Leben. nicht besser. Da ist es umso wichtiger, via Zoom auf eine ganz neue Art und Weise kennen. Die Bilder geben auch einen Einblick in die persönliche Wohnumge- geboten. Wir dürfen nicht eng im Sondern immer wieder erwarten, das dass ich in Worten ausdrücke, was mich bung – daher an dieser Stelle noch einmal der Hinweis, dass derartige Bilder nur mit ausdrücklicher Genehmigung aller Kreis sitzen, sondern an langen, brei- sich etwas ändern könnte. Das muss bewegt. Mich zeige, indem ich sage, Beteiligten weitergegeben werden dürfen. Auch dürfen Außenstehende weder zuhören noch auf den Bildschirm schau- ten Tischen mit dem entsprechenden man aber erst üben, wenn es gelingen was ich denke. Und indem ich meine en. Nach dem Prinzip der Selbsthilfe entscheidet jeder Teilnehmende einer Gruppe, was er von sich selbst preisgeben Sicherheitsabstand. Doch vielleicht ist soll. Aber ich finde, es ist spannend, Gefühle und Gedanken mitteile – und möchte. Persönliche Informationen müssen wir unbedingt schützen, damit alle in den Gruppen Vertrauen haben und ein Perspektivwechsel auch ganz gut. diesen Blick zu üben und die Welt so bei uns hier dürfen wir das ungehindert entwickeln können. Ute Krasnitzky-Rohrbach Ich meine, normalerweise hat jeder so aus einer anderen Perspektive zu be- – da fühle ich mich frei. Ich denke, es seinen Stammplatz. Jeder hat seinen trachten. Und hatten wir nicht gerade in liegt ja immer an uns selbst, was wir Stamm-Sitznachbarn und schaut an den dieser „Krisen-Zeit“ reichlich Gelegen- aus einer Situation machen, wie wir ihr immer gleichen Fleck an der Wand. heit dazu, dies zu lernen? begegnen. Es gibt viele Formen von Wie immer, neu und Doch jetzt sitzt jemand anderes gegen- über als sonst, und man sieht auf einmal ganz viele Dinge oder Bilder im Raum, Ja, und dann ist da noch die Maske. Viele schimpfen darüber, dass sie lästig Freiheit. Eine besteht darin, einfach das zu mögen, was ich habe, was gerade ist. Auch wenn es nicht perfekt ist. Denn gleich, aber anders die man so vorher noch nie gesehen ist, dass man damit nicht atmen kann, was ist schon makellos – oder normal? oder beachtet hat. Ich persönlich finde dass die Brille beschlägt usw. Dabei es sehr erfrischend, mal die Perspekti- vergessen sie vielleicht manchmal, dass Nun, und man kann ja auch aus der Das ve zu wechseln, weil einem plötzlich es nur zum eigenen und dem Besten des Not eine Tugend machen: Einigkeit A Dinge auffallen, die man sonst oft nicht Gegenübers ist. Und eigentlich ist es ja zeigen und Rücksicht nehmen auf mei- lle, die sich Zukunft als Fort- Das Gebot der Stunde. „Soci- wahrnimmt. Es bewirkt, dass wir genau nur eine Kleinigkeit. Und mit dieser nen Nächsten und mich selbst. Und setzung von Vergangenheit vorstellen, müssen morgen tapfer sein.“ (Gabor Steingart). Nun al Distancing“. Das fällt schon ein bisschen schwer. Zum Bei- spiel sich zur Begrüßung nicht Geheimnis hinschauen und dann vielleicht sogar etwas Neues entdecken. Kleinigkeit können wir dazu beitragen, dass erneute massivere Einschränkun- gen verhindert werden. Und Rücksicht wir sind – dank der fleißigen Siglinde – auch nach außen hin sichtbar, immer noch, immer wieder, eine gute und fes- dürfen wir also wieder – uns persönlich in den Arm zu nehmen. Das ist Ja, es erfordert schon ein wenig Mut, nehmen, sich für andere einsetzen, hel- te Gemeinschaft. Und dann merkt man: treffen, meine ich. Und jetzt? Alles wie meist das übliche Anfangs-Ri- der Freiheit ist der Mut. wenn man erkennen will, dass es auch fen – das tut man doch unter Freunden, Hauptsache zusammen und alles ande- immer? Nein, gewiss nicht, denn mit tual in Freundeskreisen und eine noch anderes gibt, als das, was man oder? re ist gar nicht so schlimm. Perikles den Auswirkungen der Corona-Pan- liebgewonnene Gewohnheit. Und jeden Tag erlebt. Der Perspektivwech- demie hat sich viel in unserem Leben wie das mit Gewohnheiten so ist, sel fordert dazu auf, immer wieder das Klar, mit Maske ist es natürlich nicht Wiebke Beyer verändert – und somit auch bei unserem sie sind hartnäckig. Ich meine, wir sind Neue zu suchen. Nicht stecken bleiben ganz so einfach, in den „Gesichtern Freundeskreis wöchentlichen Gruppentreffen. ja schon alle ein bisschen die Sklaven in dem, was ist. Nicht denken, dass sich zu lesen“, der Abstand macht es auch Leinfelden-Echterdingen 14 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 15
THEMA WAS MACHT MUT? „Mission Chat“ Monat / Jahr Registrierte Gäste Betreute User (gesamt) Das Gestern Dez. 2019 77 23 100 – nicht nur in Corona-Zeiten ein Erfolg Januar 2020 Februar 2020 108 66 27 40 135 106 ist fort – das Morgen nicht da. W März 2020 89 45 134 ie hat Corona die Arbeit im • Alltagsprobleme, wie zum Beispiel Mit Blick auf die Zukunft: Leb‘ also heute! Chat-Room der Freundes- Gestaltung des Homeoffice oder Was steht nun an? April 2020 130 70 200 kreise für Suchtkrankenhil- auch Umgang mit den Besuchsver- Pythagoras von Samos fe verändert? Es ist zu vermehrten und boten in den Fachkliniken. Eine Suchmaschine auf unserer Mai 2020 116 81 197 regelmäßigeren Besuchen von Freun- Homepage, mit der wir auch in Grup- deskreislern, aber auch von Rat- und pen anderer Verbände bzw. an freie Juni 2020 102 58 160 Hilfesuchenden sowie von vielen An- Wie erfolgreich ist der Gruppen vermitteln könnten, wenn es gehörigen gekommen. Chat-Room? in einer Gegend keinen Freundeskreis Juli 2020 129 59 188 Der Chat konnte sich als Alternative gibt, wäre toll. Auch sollten wir online zur Gruppenarbeit etablieren. Ersetzen stärker mit Suchtberatungsstellen und August 2020 115 64 179 kann er aber die persönlichen Begeg- Wir hatten schon vor Corona einen Kliniken verbunden sein. Dies würde eine bessere „Mission Chat“ zur Erfolgsgeschichte. nungen nicht vollumfänglich. In dieser Stamm von regelmäßig anwesenden uns die Arbeit erleichtern, da die Suche Summe 932 467 1.399 Zukunft. Wir Wir sind durchaus stolz auf uns, weil besonderen Zeit wurde er jedoch zu Besucher*innen. Dieser hat sich jetzt über Google teilweise mühselig ist. würden uns wir diesen Chat schon so lange am Le- einem beliebten Treffpunkt, um sich vergrößert. Teilweise handelt es sich Es wäre weiter gut, wenn wir Mög- wünschen, ben erhalten und wünschen uns, dass es Statistik aus neun Monaten: So viele Nutzer hatte das Angebot auszutauschen und Probleme zu disku- um Menschen, die auch regelmäßig lichkeiten hätten, um die Kommuni- dass der auch in der Zukunft so bleibt. Vielleicht sucht-chat.de der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe tieren. in einen Freundeskreis gehen und den kation zwischen Chat-Betreuer*innen Chat weiter motivieren diese Zeilen ja auch, den Aufgrund der relativ hohen Besu- Chat als zusätzliche Plattform nutzen. und –Besucher*innen noch weiter zu gut besucht einen oder anderen, bei uns mitzuma- cherzahl war es manchmal nicht ein- Teils sind es aber auch Menschen, die verbessern und entsprechende Schu- Chat ist eine Möglichkeit, in die Selbst- wird, auch dann, wenn Corona viel- chen, was uns sehr freuen würde. fach, allen gerecht zu werden. Es bedarf aus zeitlichen oder räumlichen Grün- lungen hätten. Die Öffnungszeiten sind hilfearbeit der Freundeskreise hinein- leicht einmal vorüber sein wird. Wir Ich möchte noch erwähnen, dass einer hohen Konzentration, wenn man den kein Gruppenangebot der Freun- viel zu eingeschränkt. Nach unseren zuschnuppern, Berührungsängste und sehen darin eine Bereicherung unserer mich alle Operatoren des Chat-Rooms sich mit mehreren Menschen gleichzei- deskreise wahrnehmen können. Auch Erfahrungen wäre es ideal, wenn wir Scham zu überwinden. Es ist für den Freundeskreiskultur. Durch den Chat mit ihren jeweiligen Erfahrungen bei tig schriftlich unterhält. Vergessen wol- sind Menschen anwesend, die sich den Chat-Room an sieben Tagen 24 teilnehmenden Menschen oft der erste wird es einfacher, über den eigenen diesem Text unterstützt haben. Ganz len wir ja schließlich niemanden! Sehr noch nicht in eine Gruppe trauen. Stunden öffnen könnten. Aber davon Schritt raus aus der Sucht. Angehörige Tellerrand zu blicken und neue Ideen herzlichen Dank an dieser Stelle noch hilfreich war deshalb auch, dass Ope- sind wir weit entfernt. sprechen hier erstmals über ihren Kum- auszutauschen. Freundschaften kön- einmal für eure Mitarbeit und euer En- ratoren, die keinen offiziellen Dienst Die relativ große Zahl von Besu- mer, ihre Sorgen und Ängste. Süchtige nen entstehen. Und wenn sich dann gagement! hatten, immer mal reinschauten und cher*innen (s. Tabelle rechts) bestä- Mit Empathie auf die Menschen zu- wie Angehörige erfahren Möglichkei- noch Besucher*innen für ein Leben Béatrice Schober, Unterstützung leisten konnten. tigt uns die Notwendigkeit des Chat- gehen und sie abholen, wo sie stehen, ten und Angebote für einen Weg in ohne Suchtmittel entscheiden, wird die stellv. Vorsitzende des Bundesverbands Rooms und zeigt uns auch, dass unsere das ist und bleibt unser wichtigstes Welche Themen hatten die Arbeit eine hohe Qualität hat. Vielfach Anliegen. Dabei darf aber der Selbst- bedanken sich die Besucher*innen schutz der Operatoren nicht vergessen Wir suchen dich! Menschen auf dem Herzen? auch dafür, dass wir da sind. Einige werden. Wir müssen hier noch stärker Es wurde über sehr viele unter- Besucher*innen konnten in real exis- über eine Praxisbegleitung nachden- schiedliche Themen gesprochen: tierende Freundeskreise vermittelt wer- ken, wo die Betreuer*innen auch das den. Wie wir hörten, sind sie dort auch loswerden können, was sie an belasten- • Umgang mit dem Kontaktverbot in geblieben. Wir haben also durchaus das den Erfahrungen aus dem Chat-Room Jetzt Operator für den Sucht-Chat werden der Freundeskreis-Arbeit. Die per- Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. mitnehmen. sönlichen Zusammentreffen im ört- Mir persönlich liegt am Herzen, • Du möchtest dich ehrenamtlich engagieren, interessierst dich für lichen Freundeskreis wurden sehr „Das persönliches Fazit der Opera- keinerlei Vorurteile gegen Betroffene online-Suchtselbsthilfe und die dazugehörige Technik? vermisst. toren zur Bedeutung des Chatrooms.“ zu hegen. Es ist mir ein Anliegen mit Gerade in Krisenzeiten kann der Chat dem, was ich erlebt habe, auch ande- • Du bist ein langjähriges Mitglied in den Freundeskreisen für Sucht- • Suche nach alternativen Hilfemög- ein wichtiges Instrument zur persönli- ren Mut zu machen, den Weg aus der krankenhilfe und lebst seit mehreren Jahren suchtmittelfrei? lichkeiten, wenn die berufliche chen Krisenbewältigung sein. Er kann Sucht zu gehen. Auch wenn dieser Weg Suchthilfe nur eingeschränkt zur helfen, Rückfälle zu vermeiden, da wir mitunter schwer ist, wartet am Ende • Du bist anderen Menschen gegenüber mitfühlend? Verfügung stand (zum Beispiel Be- uns ja über alle Problemen austauschen ein lohnenswertes, schönes Leben. Mir ratungsstellen nur noch telefonisch können. Menschen können in ihrem wurde vor über 20 Jahren geholfen, ich • Du kennst das Leitbild der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe und lebst danach? zu erreichen waren oder die Sucht- Willen bestärkt werden, die Sucht zu möchte heute auch Hilfe zur Selbsthilfe kliniken keine neuen Patient*in- überwinden. Angehörige können sich anbieten. Wie in einer Selbsthilfegrup- nen aufnahmen, Entgiftungen nicht einbringen und erhalten Hilfe für sich pe üblich gehen wir mit persönlichen Wir freuen uns auf deine Rückmeldung unter s.limpert@freundeskreise-sucht.de durchgeführt werden konnten). selbst. Informationen sehr diskret um. Der 16 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 17
THEMA WAS MACHT MUT? Was Menschen Mut macht Was stärkt, Herausforderungen in schwierigen Zeiten anzunehmen und Trostsprüche reichen tief in die Kind- aus machen, also selbst etwas tun. Eine heit zurück, Lieder, die die Mutter am zu bewältigen? 80-Jährige meinte: sie sei zwar alt und Bett abends gesungen hat und die in der in der Risikogruppe, aber „nur warten, Seele eine Sphäre von Schutz, Liebe bis es einen selbst erwischt, ist mir auch I und Trost hinterlassen hatten. Die Wor- zu wenig“. Also fing die Dame an, mit m Frühjahr dieses Jahres 2020 ha- te klingen dann manchmal kitschig, ihrer alten Nähmaschine Mundschutze ben viele Menschen, ich gehöre aber der „Raum“ des Trostes kann sich Drei Grundhaltungen erscheinen den zu nähen und zu verschenken. „Es sind dazu, eine Erfahrung gemacht, die ein Leben lang in den kindlichen Wor- Forschern dafür wichtig: Optimismus, jetzt schon über 80!“ In einer schwie- wir nicht kannten: wir hatten Angst. ten bergen: „Breit aus die Flügel beide, Akzeptanz und Geduld. Diese stärken- rigen Situation nicht erstarren, sondern Angst, nicht vor diesem und jenem, o Jesu, meine Freude, und nimm dein den Grundhaltungen kann man jeden etwas tun, das mir sinnvoll vorkommt, vor einer Prüfung, einer unangenehmen Küchlein ein. … Gott lass‘ euch selig Tag einüben. Die Geduld etwa: wenn das bringt das Leben wieder in Fluss. Begegnung, nein einfach Angst, exis- schlafen, stell‘ euch die güldnen Waf- schwierige Situationen auszuhalten Jeder Mensch braucht das Gefühl, et- tentielle Angst. Die Bilder aus Italien, fen ums Bett und seiner Engel Schar.“ sind, dann ist die „Wartekraft“ gefragt, was tun zu können, für etwas nütze zu wo Militärlastwagen Leichen wegtrans- (Paul Gerhardt) wir können dem Werdenden bewusst sein, etwas bewirken zu können. Die portierten, wo Ärztinnen und Pfleger Raum geben, und darauf vertrauen, Psychologen nennen das „Selbstwirk- weinend zusammenbrachen unter ei- In schwierigen Zeiten sich die Hän- dass eine Krise in einem größeren samkeit“. Natürlich hat die alte Dame nem nicht zu bewältigenden Andrang de reichen (wenn auch wegen der Kon- Sinnzusammenhang steht, der mich nicht die Pandemie gestoppt, aber sie Todkranker, haben uns geschockt. Und taktbeschränkungen nur im übertra- am Ende weiterbringen wird. Oder die hat ihren kleinen Beitrag geleistet und was wird sein, wenn die Welle uns in genen Sinn), das stärkt. Wer Hand in Akzeptanz: jeden Tag erleben wir Wid- sich damit gegen das Gefühl der Ohn- Deutschland erwischt? Kein Medika- Hand mit anderen steht, steht besser, rigkeiten. Dinge, die unangenehm sind macht gestemmt. ment in Sicht, keine Impfung, wir sind gestärkter, mutiger. Die Wärme der und belastend. Das Leben ist und bleibt Andere haben Einkäufe übernom- ausgeliefert. Plötzlich kam uns zu Be- „Geschwister“ zu spüren, schafft Zu- gemischt aus Positivem und Negati- men, und mancher fitte Mittsechziger wusstsein, wie gefährdet das Leben ist, versicht und Vertrauen ins Leben. vem, es ist falsch auf das ideale Gute war erfreut und zugleich unangenehm wie zerbrechlich, wie wenig wir es in zu warten, und von daher mein jetziges berührt, wenn die Kinder anriefen und der Hand haben. Sonst fühlen wir uns Viele haben in diesen schwierigen Leben abzuwerten. Das wird mich nur fragten: „Kann ich Dir etwas abneh- sicher und stark, plötzlich schwach und Tagen auch die Natur als Kraftquelle er- lähmen. men, Du gehörst doch auch zur Risiko- ausgeliefert. Was Menschen im Umfeld „Meine Mutmacher in der schwierigen Zeit waren Menschen, die optimistisch lebt. Durch das schöne Wetter im März gruppe...“ Aber entscheidend ist es, in Foto: pixabay der Freundeskreise für Suchtkranken- darauf vertrauten, dass wir der Krise einen Sinn geben können“ und April konnte man beim „Lock- Oder der Optimismus: eine positive das Tun zu gehen, seine Kräfte zu spü- hilfe oft aus eigener Lebenserfahrung down“ fast täglich aus dem Haus. Der Weltsicht ist wie ein Filter, ein Sieb für ren und zu aktivieren, sich nicht im Ge- kennen, hier wurde es zum Grundge- ich darf meine Unsicherheiten, meine erschüttert über sich selbst. „Warum kleine Spaziergang im Nahraum, in die unsere Wahrnehmung. Oft hängen wir fühl der Ausweglosigkeit einzurichten. fühl einer ganzen Gesellschaft. Fragen äußern, darf sagen: mir geht es haben ich fünf Wochen gebraucht, um Wiesen hinter dem Haus, den kleinen allzu tief in einer pessimistischen Sicht Und offen zu sein: Vielleicht gibt es im nicht so gut. Ich muss keine Masken mir helfen zu lassen?“ Für sie war es Park im Ort, den angrenzenden Wald. auf die Welt und uns selbst: wir geben Schlimmen auch etwas Gutes? Was ist Und was geschah? Wir haben uns tragen, kein ewiges Lächeln zeigen. eine befreiende Entdeckung, auch als Unsere aufgescheuchten Seelen fanden uns die Schuld, reden uns ein, minder- der Sinn dieser Krise für mich persön- Trost zugesprochen. Facebook und In- Ich darf sein, wie ich bin, dann können Powerfrau und -mutter hilfsbedürftig plötzlich Ruhe im wohltuenden Grün. wertig zu sein. Fast immer ist das ob- lich? Wo erweitert diese an sich schlim- stagram waren voll von Trostbotschaf- Menschen ihrerseits in meiner Nähe sein zu dürfen. Die Gräser, Sträucher und Bäume schie- jektiv falsch. Optimistisch zu sein ist me Lage meinen Horizont? Könnten ten, Mutbotschaften. Plötzlich gab es aufatmen, weil sie sich nicht mehr ver- nen so gänzlich unbeeindruckt von der nicht naiv, sondern gut zu begründen. Sie im Rückblick Dinge aufzählen, die eine Welle der Sorge füreinander. Wir stellen müssen. Ich weiß, dass in vielen Und welche Kreativität des Mitein- Corona-Krise. Die Natur ging einfach Denn jeder von uns hat Stärken, jeder Sie auch ein wenig bereichert haben in wussten, dass wir einer unbekannten Freundeskreisen für Suchtkrankenhilfe anders entstand: Ein Bekannter vor mir weiter ihren Gang des heiteren Wach- kann Möglichkeiten nutzen, und jeder der Krise? Ich bin ziemlich sicher, dass Situation ausgeliefert waren. Und was diese Erfahrung erlösender Ehrlichkeit geht seither und bis heute jeden Mor- sens, des Grünens und Blühens. Und von uns hat tief drinnen die Erfah- Ihnen etwas einfällt! taten wir: wir haben uns – virtuell – die immer wieder gemacht wird. In der gen mit der Handy-Kamera raus, filmt religiöse Menschen erinnerten sich an rung, dass nach dem Regen die Sonne Hände gereicht, die Reihen geschlos- Corona-Pandemie hat eine ganze Ge- den Sonnenaufgang und singt dann ein die große Zusage Gottes an Noah nach wiederkommt. Wer stark sein möchte, sen. Ich behaupte, dass für einen Mo- sellschaft die Erfahrung gemacht – und Lied, das ihm Trost gibt und Mut macht der Sintflut, wo Gott unter dem Symbol muss allerdings trainieren. Muskeln ment die sozialen Netzwerke nicht Trost gefunden. und lädt es dann bei Youtube hoch. Al- des Regenbogens verspricht, nie mehr wachsen nicht von allein, sondern nur, mehr voller Hass waren, sondern vol- lein schon den Sonnaufgang zu sehen, eine solche Katastrophe zu schicken: wenn man sie benutzt. Das gilt auch für ler Menschlichkeit, Miteinander. Wenn Und ich darf um Hilfe bitten. Eine ist immer wieder Stärkung: aus der „Solange die Erde steht, soll nicht auf- die seelische Stärke. wir Menschen uns schwach zeigen, Alleinerziehende mit drei Kindern hat Nacht entsteht der neue Morgen, jeden hören Saat und Ernte, Frost und Hitze, weil wir schwach sind, dann wecken fünf Wochen verzweifelt versucht, alles Tag wieder, das Licht kommt zurück, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ Was hat das alles mit der Coro- wir beim andern nicht Dominanz, nicht unter einen Hut zu bekommen: die Kin- es bleibt nicht Nacht, welch starkes (1. Mose 8,22). na-Krise zu tun? Ich habe beobachtet, Abwehr, sondern Mitgefühl, Solida- der zu Hause, die Arbeit, den Haushalt. Mutsymbol. Oft fand ich in den sozi- dass meine Mutmacher in der schwieri- rität und Menschlichkeit. Das ist eine Und kurz vor dem Zusammenbruch hat alen Netzwerken den Psalm 23 zitiert: In der Psychologie ist seit einigen gen Zeit Menschen waren, die optimis- sehr tröstliche Erfahrung dieser ersten sie sich endlich getraut – vor sich selbst „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird Jahren viel von „Resilienz“ die Rede. tisch waren, die darauf vertrauten, dass Corona-Zeit. Und ich lerne daraus: ich und vor den andern – um Hilfe zu bit- mir fehlen… und muss ich auch wan- Das ist die innere Stärke, mit der man wir der Krise einen Sinn geben können darf mich schwach zeigen, ich darf an- ten. Sie war überwältigt von der Hilfs- deln in finsterer Schlucht… Du bist Krisen nicht nur bewältigt, sondern und die die Situation ohne Murren ak- Klaus Hofmeister ist Redakteur beim dere einladen, sich schwach zu zeigen, bereitschaft, die sie fand und zugleich ja bei mir“. Manche dieser Mut- und sogar gestärkt aus ihnen hervor geht. zeptierten. Dann kann ich das beste dar- Hessischen Rundfunk in Frankfurt/M. 18 2/2020 • FreundeskreisJournal FreundeskreisJournal • 2/2020 19
Sie können auch lesen