Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...

Die Seite wird erstellt Silvester Wolff
 
WEITER LESEN
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
Freundeskreis

                           Journal

                    Was macht      Mut
                    in schwierigen Zeiten?
                                                                          II. Halbjahr
                                                                        35. Jahrgang

                                                                    2/2020
Foto: Adobe Stock

                              Zeitschrift der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
INHALT                                                                                                                                                                                                                                             EDITORIAL

                                                                                                                               Liebe Leserinnen
                                                                                                                               und Leser,
                                                                                                                                                       wenn das Selbstverständliche nicht                            auf den Bildschirm kann nicht das ersetzen, was man emo-
                                                                                                                                                    mehr selbstverständlich ist: Momen-                              tional spürt, wenn sich Menschen real begegnen.
                                                                                                                                                    tan leben wir in einer Zeit, in der wir
                                                                                                                                                    viele Einschränkungen in unserer per-                               Mittlerweile sind Gruppenzusammenkünfte wieder mög-
                                                                                                                                                    sönlichen Freiheit erleben. Es wird                              lich, jedoch nicht in der Form, wie wir sie gewohnt waren.
                                                                                                                                                    uns vorgeschrieben, wen wir treffen                              Persönlich bin ich überzeugt davon, dass ein persönliches
Foto: Pixabay

                                                                                                                                                    dürfen und wen nicht, wo wir uns                                 Treffen in der Gruppe selbst unter besonderen Umständen
                    Was macht Mut?                                          Leben in der Gruppe                                                     treffen dürfen und wo nicht, wann wir                            mehr Nähe erzeugt als eine Videokonferenz.
                                                                                                                                                    uns treffen dürfen und wann nicht.
                                                                                                                               Dies sind Umstände, die die wenigsten von uns bisher er-                                 Jede Krise birgt ja angeblich auch eine Chance in sich.
                                                                                                                               leben mussten. Trotz der erneuten Lockerungsmaßnahmen                                 Unsere Chance besteht darin zu erkennen, dass Freundes-
                                                                                                                               sind wir noch immer weit entfernt von unserem Leben vor                               kreisgruppen nicht selbstverständlich sind. Wir sollten uns
                WAS MACHT MUT?                                                                                                 der Corona-Krise.                                                                     innerlich noch einmal bedanken bei den Menschen, die die
                                                                        Bedeutung der Suchtberatung in der Corona-Krise -                                                                                            Freundeskreise gegründet haben und bei denen, die durch
                Erfahrungen aus den Freundeskreisen                     Ergebnisse aus einer Umfrage des Evangelischen            Die Kontaktsperre beim Lockdown hat auch in unserer                                ihren Einsatz das Fortbestehen der Gruppen heute ermög-
                                                                        Fachverbands Sucht Rheinland-Westfalen-Lippe      23   Gemeinschaft die Schwächsten besonders hart getroffen:                                lichen. Wir sollten uns nicht selbst genug sein. Es gibt von
                Corona hat mich in meine Kindheit versetzt          4                                                          Freundinnen und Freunde, die erst am Anfang ihres Weges                               Sucht betroffene Menschen, die diese Zeit ohne den Rück-
                                                                        Der Einfluss der Corona-Krise auf die Arbeit           sind, für die die persönliche Begegnung in den Freundeskrei-                          halt eines Freundeskreises durchstehen müssen. Vielen von
                Coronazeit war bei uns Familienzeit                 5   der Psychosozialen Beratungsstelle in Neuhaus          sen besonders wichtig ist für die Stabilität ihrer Abstinenz.                         uns wäre es genauso ergangen, wenn nicht Freundinnen
                                                                        und Sonneberg                                    24                                                                                          und Freunde bereit dazu gewesen wären, einen Freundes-
                Freundeskreisarbeit lässt Vereinsamung nicht zu     6                                                             Ich denke, wir haben gut auf die Situation reagiert und das                        kreis zu gründen und dessen Bestand zu pflegen.
                                                                                                                               Bestmögliche daraus gemacht. Wir haben Telefonkontakte
                Der Garten der Begegnung in Zeiten von Corona       8   AUS DEM BUNDESVERBAND                                  intensiviert und neue Kompetenzen in Bezug auf die digita-                               Von daher kann es eigentlich nur die Erkenntnis geben,
                                                                                                                               len Kommunikationsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Chat                                sich in seinem Freundeskreis zu engagieren, um dessen
                Mein Garten – gut für meinen inneren Frieden            Ehemaliger Stellvertreter                              oder Videokonferenzen, erlangt. Wir haben Bedenken und                                Bestand zu sichern, und neue Freundeskreise zu gründen,
                und die Seele                                      10   Helmut Löhner verstorben                         25    Hemmschwellen überwunden, weil es das Gebot der Stunde                                damit auch zukünftig mehr Menschen das erfahren dürfen,
                                                                                                                               war.                                                                                  was wir im Kreise unserer Freundinnen und Freunde der-
                Göttinger Freundeskreis unterstützt Studiengang                                                                                                                                                      zeit erleben dürfen.
                „Soziale Arbeit“ der Berufsakademie digital        11   AUS DEN LANDESVERBÄNDEN                                   Trotzdem glaube ich nicht, dass dies wirklich ein Ersatz
                                                                                                                               für unsere Gruppenstunden ist. Ein Smiley kann nicht das                                 Ich wünsche uns allen, dass wir gut durch diese schwie-
                Skype-Treffen mit Freunden in Beilstein            12   Baden: Gruppen- und Verbandsarbeit in                  ausdrücken, was ein wirkliches Lächeln ausdrückt. Ein Blick                           rige Zeit kommen.
                                                                        Zeiten von Corona                                26
                Mit Videokonferenzen in Verbindung bleiben         13                                                                                                                                                                                           Andreas Bosch
                                                                        Saarland: Wir treffen uns zum Kennenlernen       27                                                                                                                   Vorsitzender des Bundesverbands
                Persönliche Daten schützen!                        14
                                                                        Württemberg: Wie geht‘s euch in der Krise?       28
                Wie immer, neu und gleich, aber anders             14
                                                                                                                                                                            Wo finde ich
                                                                                                                                                                           den nächsten
                „Mission Chat“ –                                        MATERIAL FÜR GRUPPENARBEIT                             Impressum                                  Freundeskreis?
                nicht nur in Corona-Zeiten ein Erfolg              16                                                          Herausgeber: Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe – Bundesverband e. V.,
                                                                        Texte schreiben zu Corona:                             Selbsthilfeorganisation, Untere Königsstr. 86, 34117 Kassel, Tel. (05 61) 78 04 13,
                Was Menschen Mut macht in schwierigen Zeiten            Welches Zitat hat mich angesprochen? 		 30             Fax 71 12 82, mail@freundeskreise-sucht.de, www.freundeskreise-sucht.de
                                                                                                                                                                                                                         Nicht zu vergessen
                Was stärkt, Herausforderungen anzunehmen                Ostern fand statt, aber anders    		    31             Mitgliedschaften: Diakonie Hessen – Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und
                und zu bewältigen?                           18         Coronare Männerklage		            		    32             Kurhessen-Waldeck e.V., Gesamtverband für Suchthilfe e. V. – Fachverband der
                                                                        Corona-Regeln			 		33                                  Diakonie Deutschland, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.                           Herzlichen Dank an alle, die am Zustande-
                                                                                                                               Redaktion: Ute Krasnitzky-Rohrbach und Lothar Simmank mit dem                             kommen dieses Heftes beteiligt waren.
                Die Bewältigung der Corona-Krise                                                                               AK Öffentlichkeitsarbeit: Ingrid Jepsen, Gertrud Kessler, Manfred Kessler,                Es waren schwierige und außergewöhn-
                in den Fachdiensten                                                                                            Catherine Knorr, Bodo Schmidt, Wolfgang Staubach, Elisabeth Stege
                                                                        WAS MACHEN DIE ANDEREN?                                Verantwortlich i.S.d.P.: Andreas Bosch, Vorsitzender                                      liche Umstände in Corona-Zeiten.
                Interview: „Das Wesen der Gruppe bleibt kostbar“   20                                                          Layout: medio GmbH
                                                                        Suchtkrankenhilfe in Uganda 			                  34    Herstellung und Vertrieb: Meister Print & Media, Kassel                                                      Der geschäftsführende Vorstand
                Wiedereinstieg in die Gruppenarbeit                21                                                          Für Mitglieder über den jeweiligen Freundeskreis kostenlos. Falls Sie unsere Arbeit                   des Bundesverbands der Freundeskreise
                                                                                                                               finanziell unterstützen möchten: Spendenkonto bei der Evangelischen Bank eG,
                                                                                                                                                                                                                                                     für Suchtkrankenhilfe
                Stationäre Entwöhnungsbehandlung in Münchwies      22   BUCH- & FILMTIPPS				36                                IBAN DE75 5206 0410 0000 0019 53, BIC GENODEF1EK1
                                                                                                                               Auflage: 7.600 Exemplare

                2                                                                        2/2020     • FreundeskreisJournal     FreundeskreisJournal                    • 2/2020                                                                                                3
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
THEMA                                                                                                                                                                                                                                   WAS MACHT MUT?

Corona hat mich in meine                                                                                                          Coronazeit war bei                                                                           Nicht nur
                                                                                                                                                                                                                               die Angst
Kindheit versetzt                                                                                                                 uns Familienzeit                                                                     ist ansteckend, sondern auch
                                                                                                                                                                                                                          die Ruhe und die Freude,

                                                                                                                                  I
                                            sicht auf Lockerungen.“ Ich musste im-     Die Vernunft hat gesiegt                        ch bin Matthias, 42 Jahre alt, ver-   wenn es dort Erklärungsbedarf gab.            mit der wir dem jeweils
                                            mer zu Hause bleiben, durfte nie nach                                                      heiratet und habe zwei schulpflich-   Die Schulaufgaben wurden einen
                                            draußen zum Spielen mit anderen Kin-          Ein Nachgeschmack ist dennoch                tige Kinder. Ich bin alkoholkrank     Tag vorher immer ausgedruckt, und
                                                                                                                                                                                                                           Auferlegten begegnen.
                                            dern. Ich fühlte mich abgewertet: „Ich     geblieben. Damals war ich ein Kind         und habe eine Langzeittherapie ge-         die Kinder beschäftigten sich dann
                                            muss ein schlimmer Mensch sein, wenn       und konnte mich weder wehren noch          macht. Danach hatte ich zwei Rück-         damit, während wir zur Arbeit waren.                    Dietrich Bonhoeffer
                                            ich immer allein auf meinem Zimmer         durchsetzen. Heute bin ich im Erwach-      fälle und bin jetzt seit fast einem Jahr   Weiterhin wurde jeden Tag vorgekocht,
                                            bleiben muss.“                             senenalter und kann mich in dieser         abstinent. Mit meiner Frau besuche ich     da die Kinder ja auch ein warmes Mit-
                                                                                       Corona-Situation genauso wenig weh-        seit dieser Zeit regelmäßig den Freun-     tagessen zu Hause brauchten.
                                            2020 tat wieder sehr weh                   ren oder durchsetzen. Die Vernunft hat     deskreis in Schwerin. Für uns ist die-        Der Stress nahm für uns alle zu. Ne-        In unserer Bewegungsfreiheit haben
                                                                                       gesiegt. Derartige Grenzsituationen        ser Termin sehr wichtig geworden. Es       ben dem normalen Berufsalltag muss-        wir uns nicht sonderlich eingeschränkt
                                                Dann wurde es Ende April noch          werden mir auch zukünftig Respekt          ist interessant zu hören, wie die ande-    ten wir nun auch noch den Lehrer spie-     gefühlt. Auch die Freunde nicht treffen
                                            enger. Bislang war es erlaubt, beim        abverlangen. In den letzten Jahrzehn-      ren Mitglieder der Gruppe ihre Woche       len. Hinzu kam, dass unser geplanter       zu können, traf auf uns nicht so zu, da
                                            Bäcker um die Ecke ohne Maske ein-         ten habe ich viele schlimme Erlebnisse     verbrachten, welche Neuigkeiten es so      Osterurlaub in Dänemark ausfiel. Die       wir nicht besonders viele Freunde ha-

I
                                            zukaufen. Ging auch sieben Wochen          aufgearbeitet und eine positive Einstel-   gibt, die eigenen Probleme zu schildern    Grenze war ja geschlossen. Zum Glück       ben. Durch meine Alkoholsucht wen-
    nzwischen würde ich 2020 als ein        lang gut. Eine Maske musste her, und       lung zum Leben entwickelt. Ich bin da-     und den anderen zuzuhören. So haben        konnten wir umbuchen und in den            deten sich einige Freunde von uns ab,
    sehr denkwürdiges Jahr bezeich-         das Kopfkino ratterte los. Ich fühl-       ran gereift, aber ich weiß, dass mir als   wir schon viele nette Bekanntschaften      Sommerferien nach Rügen fahren. Ur-        es blieben nicht mehr viele übrig. Die
    nen. Corona kam, hat sich einfach       te mich wieder schutzlos ausgeliefert      abhängiger Frau solche unerwartet ein-     machen können.                             laub im eigenen Bundesland kann auch       Kinder traf es mehr, weil sie ihren
geräuschlos, geruchslos und nicht           (hört sich für manche komisch an, weil     tretenden Grenzsituationen gefährlich          Umso trauriger waren wir, als im       sehr schön sein.                           sportlichen Aktivitäten nicht nachge-
sichtbar bei uns eingenistet – uneinge-     diese Maske zum Schutz getragen wer-       werden können. Ich habe keine Angst        März die Corona-Pandemie auch in              Dies stellten wir fest, da wir den      hen konnten.
laden, wohlbemerkt.                         den muss). Diese Einschränkung sollte      davor, aber ich will weiterhin aufmerk-    Deutschland ankam und auf einmal auf-      geplanten Dänemarkurlaub zu Hause              Ich hatte auch keine Angst, mich mit
   Ich gebe zu, dass ich die Lage an-       nur vorübergehend sein und aufgeho-        sam bleiben.                               grund der Kontaktbeschränkungen und        verbrachten: Wir entdeckten Orte, die      dem Virus anzustecken. Mittlerweile
fangs als nicht so schlimm eingeschätzt     ben werden, sobald die Lage es zulässt                            Catherine Knorr     des Lockdowns keine Selbsthilfegrup-       wir ohne Corona vielleicht nie gesehen     ist es ja zum Alltag geworden, mit ei-
habe, wie sie sich später weltweit ent-     – das heißt, wenn alle es tun und die           Freundeskreis Stuttgart-Plieningen    pen-Treffen mehr stattfinden durften.      hätten. Wir unternahmen viele Fahrrad-     nem Mund-Nasen-Schutz einkaufen zu
wickelte. Ich habe mich und andere ge-      Vorschriften einhalten. Prompt kamen                                                  Auch die Schulen wurden geschlossen,       touren mit der Familie, 40 Kilometer       gehen. Da fühle ich mich sicher. Wir
schützt, habe den Abstand respektiert,      wieder unangenehme Erinnerungen aus                                                   und die mehrfach in der Woche stattfin-    verursachten keinen Muskelkater mehr.      hoffen jedoch, dass in nicht allzu lan-
die persönlichen Begegnungen herun-         meiner Kindheit hoch. Ich hatte damals                                                denden Trainings unserer sportlichen       Außerdem besuchten wir das Autoki-         ger Zeit wieder Normalität in unser al-
tergefahren.                                sogar Schwimmen gelernt bis 50 Me-                                                    Kinder fanden auch nicht mehr statt.       no, legten uns eine Tischtennisplatte      ler Leben einzieht und auch die Schule
   Immer wieder kam ein komisches           ter, da ein Urlaub am Meer bei erfolg-                                                    Meine Frau und ich hatten aber das     zu und brachten unser Grundstück auf       nach den Ferien wieder losgeht.
Gefühl hoch – Deja Vus: Es poppten          reichem Abschluss des Schwimmkur-                                                     Glück, dass unsere Berufe nicht von        Vordermann.                                    Schön ist aber, dass seit drei Wochen
Szenen und Gefühle aus der Kindheit         ses versprochen wurde. Auf den Urlaub                                                 den Beschränkungen betroffen waren            Ich kann sagen, dass die Zeit uns       mittwochs in Schwerin unsere Freun-
auf. Auf einmal wurde mir klar, was in      am Meer warte ich bis heute.                                                          und wir weiter zur Arbeit gehen durf-      als Familie noch mehr zusammenge-          deskreis-Selbsthilfegruppe im kleine-
mir vorging. Ich spürte um mich herum           Ich habe schnell verinnerlicht, dass                                              ten. Das hieß aber auch: früh zur Ar-      schweißt hat. Das ist uns wichtig. Auch    ren Kreis wieder stattfindet.
förmlich die Angst von anderen Leu-         gehorsam sein wenig bis nichts                                                        beit, nachmittags nach Hause und mit       vor Corona hatten wir schon viel ge-                                  Matthias Kaps
ten. Meine Eltern hatten auch ständig       bringt. Es gab immer wieder das                                                       den Kindern Schulaufgaben machen,          meinsam unternommen.                                        Freundeskreis Schwerin
Angst. Unter anderem, dass ihre Kinder      Argument meiner Eltern, dass

                                                                                       Mutig ist,
entführt werden. Es war völlig aus der      ich doch nicht alle Vorschrif-

                                                                                                                                                                                                                                                                    Foto: pixabay
Luft gegriffen, weil wir so arm waren,      ten akkurat eingehalten hät-
dass niemand jemals auf die Idee ge-        te.
kommen wäre, uns zu entführen. Aber             Es tat 2020 wieder sehr
diese Angst war bei meinen Eltern real!     weh. Trotzdem habe ich                    wer weiß,
                                            mir die Zeit gegeben, die-     dass vor ihm eine Gefahr liegt,
   Jedenfalls führte dies zu einer Isola-   se traurigen Situationen
tion: Damit nichts passiert, durfte ich     noch einmal zu durchle-             sich aber dennoch
wenig bis kaum Kontakt mit Mitmen-          ben und abzuhaken. Nun
schen haben, es gab Vorschriften und        spüre ich meine innere           mit ihr auseinandersetzt.
die Androhung von Repressalien, falls       Stärke und Widerstandsfä-
ich nicht spure. Selbstverständlich war     higkeit wieder. Die depressi-                      Xenophon
die Rede davon, mit meinen Worten:          ve Stimmung verschwand nach
„Wenn ich brav spure, gibt es die Aus-      und nach.

4                                                                                       2/2020   • FreundeskreisJournal           FreundeskreisJournal        • 2/2020                                                                                         5
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
THEMA                                                                                                                                                                                                                                WAS MACHT MUT?

Freundeskreisarbeit lässt
                                          Vereinsamung nicht zu
I
    ch selbst musste schon mehrere           Als grundsätzlich positiv denkender     dungen verstärkt, die leise und locker
    Male krankheitsbedingt mein Le-       Mensch halte ich mich an die Spielre-      geworden waren. Familien, Nachbarn
    ben radikal umstellen. Die Entfer-    geln, die zur Bewältigung der Coro-        und Freunde sind näher gerückt. Inte-
nung einer Niere und die dann folgende    na-Krise notwendig sind. Unterstüt-        ressanterweise erreichte ich die Leute
Dialyse fordern mich bis heute heraus.    zung hole ich mir in der Familie, aber     auch wieder mehr persönlich, nicht nur
Umdenken und Anpassen an diese neu-       auch, indem ich Kontakt zu Freunden        ihren Anrufbeantworter. Die Gespräche
en Situationen wurden und werden mir      halte. Das gibt mir die Kraft, die ich     haben mehr Tiefe und Authentizität ge-
zwangsläufig abverlangt. Aber – und       brauche und die mir guttut. Wir moti-      wonnen.
das ist für mich eine wichtige Erkennt-   vieren uns gegenseitig und wissen um          Ich nutze neben dem Telefon na-
nis – mein Blick auf das Wesentliche      die Stärke, die wir auch durch unseren     türlich auch die anderen technischen
wurde geschärft.                          christlichen Glauben finden. Immer         Möglichkeiten (Chat, Mail etc.) und
   Von besonderer Bedeutung waren         noch ist unser Kontakt geprägt durch       freue mich, dass auch unser Bundes-
mir dabei immer auch die Werte und        das Leitbild der Freundeskreise, was       verband diese Angebote vorhält.
das Selbstverständnis der Freundes-       uns im Miteinander-Füreinander Ori-           WhatsApp und Telefonkonferenzen
kreise für Suchtkrankenhilfe. Dadurch     entierung vermittelt.                      sind wichtig und sinnvoll! Mir ist aber
fand ich Orientierung, genauso, wie          Ich glaube, dass die sozialen Ver-      wichtig, deutlich zu machen, dass sie
dies bei vielen anderen Abhängigen        zichte, die wir leisten, nicht unbedingt   unsere Gespräche in den Gruppen nicht
und Angehörigen in unseren Reihen der     dazu führen müssen, dass Menschen          ersetzen können. Ich würde sogar sa-
Fall ist. Die Mitwirkung bei den Freun-   vereinsamen, sondern sie können sogar      gen: Nur weil wir unsere persönlichen
deskreisen hat bewirkt, dass ich heute    neue Möglichkeiten eröffnen. Parado-       Begegnungen hatten, funktioniert es
zufrieden leben kann, mein Leben als      xerweise erzeugt die körperliche Dis-      jetzt mit der Technik gut, und wir kön-
schön empfinde – trotz der Einschrän-     tanz, die der Virus erzwingt, für mich     nen einander nahe sein.
kungen, die ich bewältigen muss. Und      auch eine neue Nähe mit einer ganz
gerade in unseren jetzigen Zeiten wird    anderen Qualität. Ich habe alte Freun-
mir das wieder besonders deutlich.        de wieder häufiger kontaktiert, Bin-

                                                                                            Lass dich
                                                                                              nicht ängstigen,
                                                                                            nicht erschrecken.
                                          Ehrenvorsitzender
                                                                                            Alles geht vorüber.
                                          Rolf Schmidt                                            Teresa von Ávila

                                                                                        Wir wollen daher nach Corona wie-
                                                                                     der den Weg in die Gemeinschaft der
                                                                                     Gruppe suchen. Vielleicht denken ei-
                                                                                     nige sogar: Warum in die Gruppe ge-
                                                                                     hen, es ist doch viel bequemer auf dem
                                                                                     häuslichen Sofa. Das ist aber nicht

                                                                                                                                                                                                                                                                Foto: Simmank
                                                                                     der Sinn von Freundeskreisarbeit. Wir
                                                                                     brauchen die Kontakte und die mensch-
                                                                                     liche Nähe. Sie waren Hauptbestandtei-
                                                                                     le unserer Arbeit in den Freundeskrei-                   Elisabeth Stege, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands, fand während des Lockdowns Zeit, um einem
                                                                                     sen vor Corona, und sie werden es auch                ihrer Hobbys ausgiebig zu frönen. Sie häkelte ungezählte Enten – als Prinzessin, Indianerin, Nikolaus, Mönch, Ban-
Rolf Schmidt (73) mit einem Teddybären, den er zum 50. Geburtstag von
                                                                                     danach sein. Jedenfalls bin ich davon     dit, Oma und Opa. Die Wolltiere will sie der Kinderstation eines Krankenhauses übergeben. Dort soll jedes Kind, das Zeit im
einer Frau aus seinem Freundeskreis geschenkt bekam und der anlässlich
der Corona-Krise einen Mundschutz trägt                                              überzeugt.                                Krankenhaus verbringen muss, eine Ente als Geschenk erhalten. Ein Sortiment brachte sie auch mit in die erste Sitzung des
                                                                                                                Rolf Schmidt   Arbeitskreises Öffentlichkeitsarbeit nach dem Lockdown. Die Freude war auch hier riesig. Danke Elisabeth, eine schöne Idee!

6                                                                                    2/2020    • FreundeskreisJournal          FreundeskreisJournal        • 2/2020                                                                                         7
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
THEMA                                                                                                                                                                                                                       WAS MACHT MUT?

    Thüringen: Der Garten der Beg egnung in Zeiten von Corona

    N
             achdem es im vergangenen            Wild war die Vegetation nun vor-      wurden Hecken und Sträucher gestutzt,                                                                                    werden. Die Laube muss renoviert
             Jahr etwas ruhig um dieses      angeschritten. Büsche und Sträucher       Beete und Rabatten angelegt und Kar-                                                                                     und der Zaun teilweise ersetzt werden.
             beschauliche Fleckchen Erde     vereinigten sich zu einer undurchdring-   toffeln gepflanzt, um die Erde für die                                                                                   Auch die Toilette muss wieder herge-
    geworden war, scheint es nun mit dem     lichen Wand – wie im Märchen. Aber        nächste Saison vorzubereiten.                                                                                            richtet werden. Ein drittes Gartentor
    Dornröschenschlaf vorbei zu sein.        Ästen, Zweigen und Dornen ging es            Die Chancen, die uns der Garten                                                                                       für den barrierefreien Zutritt und zehn
    Mit dem Ausbruch von Corona hatte        jetzt nicht mit einem Schwert, sondern    bietet, zeigen sich erst jetzt so richtig.                                                                               Meter fester Weg müssen noch umge-
    ich das Gefühl, dass es sich mit dem     mit Hilfe von Astschere und Motor-        Bei all der Arbeit sprudelten Ideen zu                                                                                   setzt werden. In Planung ist auch der
    Garten-Projekt erledigt haben könnte.    säge an den Kragen. Ca. 60 Quadrat-       dessen weiteren Verwendungszweck.                                                                                        Neubau einer Holzterrasse. Die finan-
    Doch die Tatsache, dass unsere Grup-     meter Gartenland kamen wieder zum         Man könnte ja Gruppentreffen im Grü-                                                                                     ziellen Mittel wurden beantragt und
    penstunden seit März nicht mehr statt-   Vorschein. Eher vermuteten wir, dort      nen, Workshops, Lesungen, kulturelle                                                                                     genehmigt, so dass die Aussicht, den
    finden konnten, führte dazu, dass im-    auf eine Burgmauer zu stoßen, hinter      Veranstaltungen, wie kleine Konzerte,                                                                                    Wettlauf gegen eine eventuelle zweite
    mer mehr Gruppenmitglieder dem Ruf       der Dornröschen auf den Prinzen war-      durchführen.                                                                                                             Stilllegung des öffentlichen Lebens zu
    der Wildnis folgten. In Zeiten von ge-   tet. Aber ein zweites Gartentor samt         Viel wichtiger ist, dass das klei-                                                                                    gewinnen, groß ist.
    schlossenen öffentlichen Räumen und      gepflastertem Weg kam zutage. Unter       ne Gartenhäuschen als Treffpunkt für                                                                                        Diese Vorhaben sind allein für die
    verbotenen Veranstaltungen bzw. Ver-     Brombeergesträuch versteckte sich ein     Erst- oder Einzelgespräche dienen                                                                                        Sonneberger Freunde kaum zu bewäl-
    sammlungen zeigten sich die Vorteile     kleiner Plastikteich, der die Heimat      kann. Sollte noch einmal das öffentli-                                                                                   tigen. Wir werden vom Freundeskreis
    eines Gartens. Sicherlich mussten auch   eines Frosches ist. Leider ist er ohne    che Leben lahmgelegt werden, bietet                                                                                      Eisfeld und vom Landesverband Thü-
    hier die Schutzbestimmungen eingehal-    Krönchen.                                 sich hier die Möglichkeit, Hilfesuchen-                                                                                  ringen unterstützt. Eine besondere Un-
    ten werden. Dennoch waren wir froh           20 Stunden mühte sich ein Häcks-      den Unterstützung anzubieten. Um dies                                                                                    terstützerin haben wir auch in Regina
    darüber, uns zumindest zum Arbeiten      ler, um all das märchenhafte Gesträuch    Vorhaben zu realisieren, müssen aller-                                                                                   Trutzl von der Akademie der Kinder
    treffen zu können.                       zu zerkleinern. In weiteren Einsätzen     dings einige Bauarbeiten durchgeführt                                                                                    der Weltspielzeugstadt gefunden, die
                                                                                                                                                                                                                sich mit ihrem grünen Daumen und
                                                                                                                                                                                                                fantasievollen Ideen eingebracht hat.
                                                                                                                                                                                                                   In der Öffentlichkeit erregt unser

          Garten
                                                                                                                                                                                                                Projekt immer mehr Aufmerksam-
                                                                                                                                                                                                                keit. Für interessierte Blicke über den
                                                                                                                                                                                                                Gartenzaun sorgte ein Artikel in der
                                                                                                                                                                                                                lokalen Presse. Einige Anwohner und
                                                                                                                                                                                                                Kleingärtner fragen nun auch schon
                                                                                                                                                                                                                nach einem zweiten Coronakonzert.
                      der Begegnung                                                                                                                                                                             Denn im Mai, konnten wir nach einem
                                                                                                                                                                                                                Aufruf in Facebook Udo Griebel als Al-
                                                                                                                                                                                                                leinunterhalter gewinnen. Er musizierte
          Projekt des Freundeskreis für Suchtkranke                                                                                                                                                             ohne Gage zu unserer Freude und der
                                                                                                                                                                                                                der Umgebung.
          und Angehörige Sonneberg
                                                                                                                                                                                                                   Ob mit oder ohne Pandemie: Der
          Kontakt: ✆ 0176 / 41 79 70 10 · fk.sonneberg@gmail.com                                                                                                                                                Garten der Begegnung ist ein Gewinn.
          in Kooperation mit                                                                                                                                                                                    Außerhalb der Gruppenstunden ge-
                                                                                                                                                                                                                meinsam etwas zu erschaffen und ei-
          Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe LV Thüringen e.V.                                                                                                                                                 gene Ideen umzusetzen, erfüllt (auch
          www.freundeskreise-sucht-thueringen.de                                                                                                                                                                ergo-)therapeutische Zwecke, steigert
          http://www.freundegesucht.de/                                                                                                                                                                         das Selbstwertgefühl des Einzelnen,
                                                                                                                                                                                                                stärkt die Gemeinschaft und wird dazu
                                                                                                                                                                                                                beitragen, die Freundeskreise für Sucht-
                                                                                                                                                                                                                krankenhilfe sowie die Sucht-Selbsthil-
                                                                                                                                                                                                                fe auf neue Art und Weise bekannter zu
                                                                                                                                                                                                                machen. Frei nach unserem Jahresmot-
                                                                                                                                                                                                                to, „Wir zeigen uns“ können wir somit
                                                                                                                                                                                                                auch Berührungsängste in der Öffent-
                        Freundeskreis                                                                                               Der Freundeskreis Sonneberg im Landesverband Thüringen hat im vergangenen   lichkeit abbauen.
                 für Suchtkrankenhilfe
                                                                                                                                    Jahr einen „Garten der Begegnung“ eingerichtet                                                        Bodo Schmidt

8                                                                                       2/2020    • FreundeskreisJournal            FreundeskreisJournal      • 2/2020                                                                                9
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
THEMA                                                                                                                                                                                                                   WAS MACHT MUT?

                                                                                                                               Federn
Mein Garten –                                                                                                                  lassen
                                                                                                                                                                      Göttinger Freundeskreis unterstützte
                                                                                                                                                                      dualen Studiengang „Soziale Arbeit“

gut für meinen inneren                                                                                                  und dennoch schweben,
                                                                                                                                                                      der Berufsakademie digital

Frieden und die Seele                                                                                                                                                 D
                                                                                                                         das ist das Geheimnis                                 er Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe in Göttingen ist ein Zu-
                                                                                                                                                                               sammenschluss von acht Selbsthilfegruppen. Als solcher ist er
                                                                                                                                des Lebens.                                    auch ein fester Netzwerkpartner in der Suchtkrankenhilfe und
                                                                                                                                                                      der Suchtprävention. So nimmt der Freundeskreis am regionalen Ar-
                                                                                                                                    Hilde Domin                       beitskreis für betriebliche Suchthilfe in Göttingen teil und ist bei be-
                                                                                                                                                                      trieblichen Präventionsveranstaltungen vertreten. Daneben wirkt der
                                                                                                                                                                      Freundeskreis immer wieder bei Fortbildungen mit. So bieten wir Hos-
                                                                                                                                                                      pitationsplätze in unserer Infogruppe an und sind fester Bestandteil bei
                                                                                                                                                                      verschiedenen Bildungsträgern, wenn es um die Themen „Sucht und
                                                                                                                         hören oder aber sein Gesicht war kurz-       Selbsthilfe“ geht.
                                                                                                                         zeitig vom Bildschirm verschwunden.
                                                                                                                         Und alle haben es auch nicht in die             Ende Februar erreichte uns eine Anfrage, ob wir uns und unsere Ar-
                                                                                                                         Videorunde geschafft, scheiterten an         beit den Studierenden des dualen Studiengangs „Soziale Arbeit“ in der
                                                                                                                         technischen Problemen. Gerade für            Berufsakademie Göttingen vorstellen könnten. Schnell war mit der Do-
                                                                                                                         Menschen, die sich erst vor wenigen          zentin Jessica Szturmann ein passender Termin für den 29. April 2020
                                                                                                                         Wochen gegen den Alkohol entschie-           vereinbart. In der Regel stellen wir unseren Verein vor und erzählen
                                                                                                                         den haben, ist die Corona-Pandemie           die persönliche Suchtgeschichte. Da die Teilnehmenden meist gut vor-
                                                                                                                         eine harte Bewährungsprobe. Rück-            bereitet sind, folgt eine Frage-Antwort-Runde zum Thema „Sucht und
                                                                                                                         fälle sind wahrscheinlicher, wenn der        Selbsthilfe“.
                                                                                                                         Wunsch zur Abkehr noch frisch ist oder
                                                                                                                         man gerade erst von einer mehrwöchi-            Doch dann kam Corona mit all den Folgen. Wie viele Einrichtungen
                                                                                                                         gen Therapie zurückgekehrt ist. Wenn         stellte auch die Berufsakademie das Studium von analog auf online um.
                                                                                                                         dann kein persönlicher Austausch mög-        Nach den Erfahrungen in meiner eigenen Selbsthilfegruppe mit Video-
                                                                                                                         lich ist, keine Gruppe sich treffen kann,    Telefonkonferenz einigten die Dozentin und ich uns darauf, unsere Ver-
                                                                                                                         man isoliert ist, dann befeuert die Isola-   anstaltung online anzubieten.
                                                                                                                         tion jede Sucht.                                Die Berufsakademie Göttingen und die Dozentin waren technisch
                                                                                                                                                                      und organisatorisch gut vorbereitet, sodass ich direkt mit dem Vortrag
                                                                                                                            Ich hatte das Glück, mir in dieser        beginnen konnte. Zum Einsatz kam das Programm Adobe Connect.
                                Im Garten entstand während der Corona-Krise ein Hochbeet für die Ehefrau                 Zeit zusätzliche Aufgaben in meinem          Dieses Programm war für mich neu. Deshalb sagte ich die ersten Sätze
                                                                                                                         privaten Garten zu suchen und fühlte         noch ohne Kamera, aber durch die eingebaute Chatfunktion wurden wir

                                B
                                                                                                                         mich gut dabei. All die Dinge, die bisher    von den Teilnehmenden schnell darauf aufmerksam gemacht. Für mich
                                       etroffene können derzeit er-          wir fanden trotzdem eine Möglichkeit        unerledigt gewesen waren, konnte ich         war es sehr gewöhnungsbedürftig, dass ich die Teilnehmerinnen und
                                       lernte Alternativ-Strategien wie      des Treffens – die digitale Konferenz.      jetzt abarbeiten. Sogar konnte ich mei-      Teilnehmer, die stummgeschaltet waren, nicht sehen konnte. Nach mei-
                                       den Gang ins Sportstudio oder         So konnten wir uns im Gruppenchat           ner Frau endlich ein Hochbeet anlegen,       nem Vortrag hatten sie die Möglichkeit, sich mit Fragen anzumelden.
                                zu den Selbsthilfegruppen kaum an-           zumindest sehen und reden, und dabei        Rasen mähen, Holz machen und vieles          Nach kurzem Zögern beteiligten sich die Studierenden, und so konnten
                                wenden. Persönliche Treffen sind auch        auch erfahren, wie es dem Anderen           andere mehr. Unsere beiden Töchter           offene Punkte noch besprochen werden.
                                heute noch nicht überall möglich. Viele      geht. Sicherlich waren die Videokonfe-      hatten bereits nach 14 Tagen Isolation
                                Gruppenräume sind noch geschlossen.          renzen kein Ersatz zu den Gruppensit-       den totalen Wohnungskoller und – als            Dass es die Technik möglich machte, unsere Arbeit fortzusetzen,
                                                                             zungen, aber sie waren ein Kontakt mit      ob Pubertät nicht schon schlimm genug        freut mich. Ich vermisse aber vor allem den direkten Kontakt und das
                                   Aber was bedeutet das für einen           den anderen und daher umso wichtiger.       wäre – Corona legte noch eine Schippe        persönliche Feedback. Wenn ich so eine online-Vorstellung noch mal
                                Suchtabhängigen, der nicht einmal die                                                    drauf. Aber der Garten erreichte auch        mache, werde ich Zwischenfragen erlauben, um besser auf die Bedürf-
                                Selbsthilfegruppe besuchen kann? Eine           Am Anfang hatten wir unsere              sie beide. Sie fanden auch Ruhe und          nisse der Zuhörer einzugehen. Auch fände ich es hilfreich, wenn beim
                                solche Zeit der Isolation stellte uns alle   Schwierigkeiten mit der Technik. Ei-        Entspannung. In der familiären Isola-        nächsten Mal diese Konferenz moderiert würde. Es war ungewohnt
                                auf eine harte Zerreißprobe. Die Men-        gentlich geht es einfach, denn wenn         tion schufen die Arbeitsaufgaben etwas       zu sprechen und dann noch online auf die Belange der Teilnehmenden
Heiko Haine aus dem Freundes-   schen mit Suchtproblemen sind auf            das richtige Programm im App-Store          Gemeinsames und Verbindendes. Rich-          einzugehen. Ich bedanke mich recht herzlich bei den Studierenden, die
kreis Eisfeld/Hildburghausen    besondere Art und Weise betroffen.           gefunden ist und es alle installiert ha-    tig gut für meine Seele und meinen in-       mich eingeladen haben, bei Jessica Szturmann für die tolle Zusammen-
fand in seinem Garten gute      Der Kontakt zu anderen Menschen, die         ben, dann müssen wir uns nur noch           neren Frieden wurde gerade jetzt mein        arbeit und bei der Berufsakademie Göttingen für die Bereitstellung der
Möglichkeiten zu Ruhe und       ähnliche Erfahrungen haben und den           miteinander verbinden. Aber die Netz-       Garten.                                      technischen Möglichkeiten.
Entspannung                     Austausch in der Gruppe brauchen, um         abdeckung und Internetverbindung im                                    Heiko Haine                                                              Jürgen Fischer
                                über das Erlebte und den Umgang da-          ländlichen Raum ist unterschiedlich.                                  Freundeskreis                                                   Freundeskreis Göttingen
                                mit zu sprechen, ist plötzlich weg. Aber     Oft war kein Ton vom Gegenüber zu                           Eisfeld/Hildburghausen

10                                                                            2/2020   • FreundeskreisJournal            FreundeskreisJournal         • 2/2020                                                                               11
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
THEMA                                                                                                                                                                                                                                  WAS MACHT MUT?

Skype-Treffen mit Freunden                                                                                                       Mit Video-
                                                                                                                                 konferenzen
                                                                                                                                                                                                                       Das Verstehen deiner

                                                                                                                                                                                                                          Stärken
N                                                                                                                                in Verbindung
          ur knapp eine Woche nach un-     lassen und alle kamen zu Wort. Wir
          serem letzten Gruppenabend       beschlossen, die nächsten Wochen so                                                                                                                                          macht sie größer.
          hatte ein Gruppenmitglied        weiterzumachen Es entstand trotz der

                                                                                                                                 bleiben
die tolle Idee, eine Skype-Gruppe im       ungewohnten Situation eine Vorfreude                                                                                                                                             Luc de Clapiers
Freundeskreis Beilstein zu gründen. Als    auf die nächsten Gruppenabende, auf
                                                                                                                                                                                                                        Marquis de Vauvenargues
wir uns bald danach wiedertrafen, hat-     die Treffen mit Freunden.
te er die Gruppe schon gegründet. Ich
musste die anderen Freunde nur noch          Wir stellten sehr schnell fest, dass
per Mail dazu einladen. Eigentlich ganz    Regeln wichtig sind:
einfach, denn die Teilnehmenden kön-
nen sich über einen Link in die Skype-     • Moderator vorher festlegen.
Gruppe einwählen, ohne sich anmelden

                                                                                                                                 C
oder registrieren zu müssen. Am Diens-     • Es spricht immer nur eine Person.
tag haben wir das mit vier Personen ge-                                                                                                  orona, das Wort geisterte schon   ner Skype-Videokonferenz. Alle ande-         und der Diakonie durchzuhalten. Viele
testet, und am Donnerstag fand bereits     • Screenshots oder Audioaufnahmen                                                             bald durch unsere Gruppe in       ren Gruppenmitglieder überlegten, wie        unsere Mitglieder gehören zudem zur
der erste fast normale Gruppenabend          von den Treffen sind nicht erlaubt.                                                         Oppenheim. Als es auch in         sie dabei mitmachen konnten.                 Risikogruppe. Um diese nicht auszu-
mit 14 Teilnehmenden statt.                                                            Lothar Schilpp vom Freundeskreis Beil-    Deutschland Infizierte gab, wurde                                                      schließen, setzten wir erst einmal die
   Es war eine völlig neue Erfahrung,      • Dritte (auch zum Beispiel Familien-        stein im Landesverband Württemberg       heftig spekuliert. Doch die Hoffnung,         Das erste virtuelle Treffen wurde        Videokonferenzen fort.
die Freunde auf dem Laptop (manche           mitglieder) dürfen den Bildschirm                                                   glimpflich davonzukommen, war groß.       dann für den 16. April ins Auge gefasst.
auch übers Smartphone) zu sehen und          während des Treffens nicht einsehen                                                 Jedoch die Anzeichen, dass sich unser     Wir saßen gespannt vor Laptop, PC oder           Unser Fazit: Die Videokonferenz
zu hören, sich mit ihnen über ihre Sor-      und nicht zuhören.                                                                  Leben ändern würde, mehrten sich dann     Tablett. Und siehe da, es gab Geräu-         ist ein gutes Mittel, um in Verbindung
gen, Nöte und Freuden zu unterhalten                                                  Altersspektrum unserer Teilnehmenden       Anfang März massiv. Noch immer traf       sche, Klingeln, und plötzlich sah man        zu bleiben. Wir tun dies zu den Zeiten
in dieser wirklich nicht einfachen Zeit.   • Hintergrundgeräusche vermeiden,          von knapp 50 bis 77 Jahren: Alle konn-     sich die Gruppe wie gewohnt. Niemand      die altvertrauten Gesichter der Freunde.     der üblichen Gruppenstunden, damit
   Unglaublich, wie offen wir mitei-         hierfür Mikrofon stumm schalten,         ten ihre PCs bedienen, auch die Ältes-     konnte sich vorstellen, dass es für die   Sogleich wurde abgefragt, wie es allen       es niemand vergisst. Wer allerdings
nander geredet haben, trotz der unge-        solange nicht gesprochen wird.           ten hatten keine Probleme!                 nächsten Monate keine Treffen mehr        geht und wie die Zeit ohne Gruppe bis-       keinen PC hat, ist im Nachteil. Hier
wohnten Umgebung und der doch gro-                                                       Trotz aller Freude über den Aus-        geben sollte.                             her war. Wie im Flug waren anderthalb        versuchen wir, telefonisch in Kontakt
ßen räumlichen Entfernung zueinander.         Nach und nach stellte sich eine ge-     tausch und das Gehörtwerden sind un-          Am 16. März erhielt ich den Anruf      Stunden herum. Mittlerweile hat sich         zu bleiben. Alle Technik ist aber kein
Irgendwie hat das unsere Gemeinschaft      wisse Routine ein. Fast alle melden sich   sere Gedanken immer bei den Freun-         von der Diakonie, dass das Gebäude für    die Skype-Videokonferenz etabliert. In       Ersatz für das persönliche Miteinander,
noch bereichert. Alle waren sehr diszi-    ab, wenn sie mal nicht teilnehmen kön-     den, die nicht teilnehmen können. Denn     den öffentlichen Zugang gesperrt sei.     der Regel sind wir fünf, manchmal so-        das wir hoffentlich bald wieder aufneh-
pliniert, jeder hat den anderen ausreden   nen. Erstaunlich bei dem relativ hohen     viele haben eine schlechte Internetver-    Damit war klar, unser Gruppenraum         gar bis zu acht Teilnehmende. Ein Mit-       men können.
                                                                                      bindung oder gar keine Anbindung ans       steht nicht mehr zur Verfügung. Die       glied, das in den Schwarzwald gezogen                               Michael Kröhler
                                                                                      Netz. Mit ihnen versuchen wir über         Gruppenmitglieder mussten über die        ist, beteiligt sich sogar. Ein anderes                     Freundeskreis Oppenheim
                                                                                      WhatsApp, SMS, Telefon oder bei ei-        Situation informiert werden.              Mitglied nahm aus seinem Ferienhaus
                                                                                      nem persönlichen Besuch mit entspre-          Das galt dann schnell auch für alle    im Urlaub an unserer Videokonferenz
                                                                                      chendem Abstand in Kontakt zu blei-        Gruppenräume in unserem Landesver-        teil. Selbst Computer-Laien fanden
                                                                                      ben. Eine gute Gelegenheit war da auch     band Rheinland-Pfalz. Wir ließen noch     irgendwie in die Skype-Gruppe. Und
            Wie wäre das                                                              der Versand von „Freundeskreis-ak-         Schilder anbringen mit dem Verweis,       wenn der Computer mal nicht mitspiel-

            Leben,
                                                                                      tuell“, der Mitgliederzeitung unseres      dass zurzeit keine Gruppenabende          te, half man sich gegenseitig, damit nie-
                                                                                      Landesverbands. Ich habe sie bei allen     stattfinden dürfen. Ein Kontakt-Telefon   mand den Anschluss verliert – so wie es
                                                                                      Gruppenteilnehmenden persönlich vor-       für Rückfragen sowie der Hinweis auf      im richtigen Leben auch ist.
                                                                                      beigebracht.                               unsere Homepage wurden dazu veröf-
  hätten wir nicht den Mut,                                                              Wir hoffen, dass wir uns bald wieder    fentlicht.                                   Die Gespräche drehen sich zuerst
                                                                                      in der gewohnten Form treffen können,                                                meist um die aktuelle Situation, die für
     etwas zu riskieren.                                                              denn trotz dieser positiven Hilfe für         Am 6. April erhielten die Ansprech-    einige eine große Belastung darstellt.
                                                                                      die Selbsthilfe wird uns diese neue und    partner der Gruppe Oppenheim eine         Auch einen Rückfall konnten wir in der
             Vincent van Gogh                                                         sehr gute Art der Kommunikation nie-       Mail von einem Gruppenmitglied. Die-      Videokonferenz aufarbeiten.
                                                                                      mals den altbewährten, gemeinsamen         ses vermisste unsere Gespräche wäh-          Zurzeit laufen Überlegungen, wieder
                                                                                      Gruppenabend face-to-face ersetzen.        rend der Gruppenabende dermaßen           einen Gruppenabend in der realen Welt
                                                                                                               Lothar Schilpp    schmerzlich. Das war der Auslöser für     durchzuführen. Doch es ist aufwändig,
                                                                                                       Freundeskreis Beilstein   unsere Gedanken zur Durchführung ei-      das Hygienekonzept des Ministeriums

12                                                                                     2/2020   • FreundeskreisJournal           FreundeskreisJournal       • 2/2020                                                                                        13
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
THEMA                                                                                                                                                                                                                            WAS MACHT MUT?

                                                                                                                          unserer Gewohnheiten. Oft bemerken

     Persönliche Daten schützen!                                                                                          wir selbst gar nicht, wie wir bzw. unser
                                                                                                                          Leben von ihnen bestimmt wird. Wir
                                                                                                                          tun etwas, weil wir es schon immer so
                                                                                                                          getan haben und darum kommt es uns
                                                                                                                          auch nicht oder selten falsch vor. Dies
                                                                                                                          gilt für alltägliche Kleinigkeiten genau-
                                                                                                                          so wie für die großen Dinge. Die Macht
                                                                                                                          der Gewohnheit reicht viel weiter als
                                                                                                                          die Macht der Vernunft. Doch wenn
                                                                                                                          man ihr nicht widersteht, kann das in
                                                                                                                          Corona-Zeiten durchaus schlimm en-
                                                                                                                          den. Also müssen wir etwas ändern.

                                                                                                                             Ich weiß, Veränderungen machen
                                                                                                                          uns vor allen Dingen deshalb Angst,
                                                                                                                          weil sie uns dazu zwingen, uns aus
                                                                                                                          der Hängematte der Gewohnheit her-
                                                                                                                          aus zu begeben. Es erfordert erst mal
                                                                                                                          den Willen, etwas ändern zu wollen.
                                                                                                                          Dann bedarf es des Mutes, den Schritt
                                                                                                                          wirklich zu gehen und letztlich können
                                                                                                                          wir damit nur Erfolg haben, wenn wir
                                                                                                                          dranbleiben. Wir als Abhängige und
                                                                                                                          Angehörige von Suchtkranken wissen
                                                                                                                          das und haben, denke ich, auch eine ge-
                                                                                                                          wisse Übung darin. So ändern wir die        Bei den Treffen des Freundeskreises Leinfelden-Echterdingen werden nun Siglindes
                                                                                                                          Umarmungs-Begrüßung konsequent in           selbst gemachte Masken getragen – ein tolles Zeichen von Gemeinschaft!
                                                                                                                          ein Winken.

  DER FREUNDESKREIS PLOCHINGEN BEIM DIGITALEN GRUPPENABEND: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen sich                   Abstand ist auch im Gruppenraum          sowieso nichts tut in meinem Leben.        nicht besser. Da ist es umso wichtiger,
  via Zoom auf eine ganz neue Art und Weise kennen. Die Bilder geben auch einen Einblick in die persönliche Wohnumge-     geboten. Wir dürfen nicht eng im            Sondern immer wieder erwarten, das         dass ich in Worten ausdrücke, was mich
  bung – daher an dieser Stelle noch einmal der Hinweis, dass derartige Bilder nur mit ausdrücklicher Genehmigung aller   Kreis sitzen, sondern an langen, brei-      sich etwas ändern könnte. Das muss         bewegt. Mich zeige, indem ich sage,
  Beteiligten weitergegeben werden dürfen. Auch dürfen Außenstehende weder zuhören noch auf den Bildschirm schau-         ten Tischen mit dem entsprechenden          man aber erst üben, wenn es gelingen       was ich denke. Und indem ich meine
  en. Nach dem Prinzip der Selbsthilfe entscheidet jeder Teilnehmende einer Gruppe, was er von sich selbst preisgeben     Sicherheitsabstand. Doch vielleicht ist     soll. Aber ich finde, es ist spannend,     Gefühle und Gedanken mitteile – und
  möchte. Persönliche Informationen müssen wir unbedingt schützen, damit alle in den Gruppen Vertrauen haben und          ein Perspektivwechsel auch ganz gut.        diesen Blick zu üben und die Welt so       bei uns hier dürfen wir das ungehindert
  entwickeln können.					                                           			                       Ute Krasnitzky-Rohrbach     Ich meine, normalerweise hat jeder so       aus einer anderen Perspektive zu be-       – da fühle ich mich frei. Ich denke, es
                                                                                                                          seinen Stammplatz. Jeder hat seinen         trachten. Und hatten wir nicht gerade in   liegt ja immer an uns selbst, was wir
                                                                                                                          Stamm-Sitznachbarn und schaut an den        dieser „Krisen-Zeit“ reichlich Gelegen-    aus einer Situation machen, wie wir ihr
                                                                                                                          immer gleichen Fleck an der Wand.           heit dazu, dies zu lernen?                 begegnen. Es gibt viele Formen von

Wie immer, neu und                                                                                                        Doch jetzt sitzt jemand anderes gegen-
                                                                                                                          über als sonst, und man sieht auf einmal
                                                                                                                          ganz viele Dinge oder Bilder im Raum,
                                                                                                                                                                          Ja, und dann ist da noch die Maske.
                                                                                                                                                                      Viele schimpfen darüber, dass sie lästig
                                                                                                                                                                                                                 Freiheit. Eine besteht darin, einfach das
                                                                                                                                                                                                                 zu mögen, was ich habe, was gerade ist.
                                                                                                                                                                                                                 Auch wenn es nicht perfekt ist. Denn

gleich, aber anders
                                                                                                                          die man so vorher noch nie gesehen          ist, dass man damit nicht atmen kann,      was ist schon makellos – oder normal?
                                                                                                                          oder beachtet hat. Ich persönlich finde     dass die Brille beschlägt usw. Dabei
                                                                                                                          es sehr erfrischend, mal die Perspekti-     vergessen sie vielleicht manchmal, dass       Nun, und man kann ja auch aus der

                                                                                         Das                              ve zu wechseln, weil einem plötzlich        es nur zum eigenen und dem Besten des      Not eine Tugend machen: Einigkeit

A
                                                                                                                          Dinge auffallen, die man sonst oft nicht    Gegenübers ist. Und eigentlich ist es ja   zeigen und Rücksicht nehmen auf mei-
         lle, die sich Zukunft als Fort-      Das Gebot der Stunde. „Soci-                                                wahrnimmt. Es bewirkt, dass wir genau       nur eine Kleinigkeit. Und mit dieser       nen Nächsten und mich selbst. Und
         setzung von Vergangenheit
         vorstellen, müssen morgen
tapfer sein.“ (Gabor Steingart). Nun
                                           al Distancing“. Das fällt schon
                                           ein bisschen schwer. Zum Bei-
                                           spiel sich zur Begrüßung nicht
                                                                                       Geheimnis                          hinschauen und dann vielleicht sogar
                                                                                                                          etwas Neues entdecken.
                                                                                                                                                                      Kleinigkeit können wir dazu beitragen,
                                                                                                                                                                      dass erneute massivere Einschränkun-
                                                                                                                                                                      gen verhindert werden. Und Rücksicht
                                                                                                                                                                                                                 wir sind – dank der fleißigen Siglinde
                                                                                                                                                                                                                 – auch nach außen hin sichtbar, immer
                                                                                                                                                                                                                 noch, immer wieder, eine gute und fes-
dürfen wir also wieder – uns persönlich    in den Arm zu nehmen. Das ist                                                     Ja, es erfordert schon ein wenig Mut,    nehmen, sich für andere einsetzen, hel-    te Gemeinschaft. Und dann merkt man:
treffen, meine ich. Und jetzt? Alles wie   meist das übliche Anfangs-Ri-
                                                                                      der Freiheit ist der Mut.           wenn man erkennen will, dass es auch        fen – das tut man doch unter Freunden,     Hauptsache zusammen und alles ande-
immer? Nein, gewiss nicht, denn mit        tual in Freundeskreisen und eine                                               noch anderes gibt, als das, was man         oder?                                      re ist gar nicht so schlimm.
                                                                                                   Perikles
den Auswirkungen der Corona-Pan-           liebgewonnene Gewohnheit. Und                                                  jeden Tag erlebt. Der Perspektivwech-
demie hat sich viel in unserem Leben       wie das mit Gewohnheiten so ist,                                               sel fordert dazu auf, immer wieder das        Klar, mit Maske ist es natürlich nicht                             Wiebke Beyer
verändert – und somit auch bei unserem     sie sind hartnäckig. Ich meine, wir sind                                       Neue zu suchen. Nicht stecken bleiben       ganz so einfach, in den „Gesichtern                                 Freundeskreis
wöchentlichen Gruppentreffen.              ja schon alle ein bisschen die Sklaven                                         in dem, was ist. Nicht denken, dass sich    zu lesen“, der Abstand macht es auch                      Leinfelden-Echterdingen

14                                                                                    2/2020   • FreundeskreisJournal     FreundeskreisJournal         • 2/2020                                                                                        15
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
THEMA                                                                                                                                                                                                                           WAS MACHT MUT?

„Mission Chat“
                                                                                                                                  Monat / Jahr     Registrierte          Gäste      Betreute
                                                                                                                                                          User                      (gesamt)

                                                                                                                                                                                                                     Das Gestern
                                                                                                                                  Dez. 2019                 77              23          100

– nicht nur in Corona-Zeiten ein Erfolg                                                                                           Januar 2020

                                                                                                                                  Februar 2020
                                                                                                                                                           108

                                                                                                                                                            66
                                                                                                                                                                            27

                                                                                                                                                                           40
                                                                                                                                                                                         135

                                                                                                                                                                                        106
                                                                                                                                                                                                                                  ist fort –
                                                                                                                                                                                                                        das Morgen nicht da.

W
                                                                                                                                  März 2020                 89              45           134
             ie hat Corona die Arbeit im    • Alltagsprobleme, wie zum Beispiel       Mit Blick auf die Zukunft:                                                                                                            Leb‘ also heute!
             Chat-Room der Freundes-          Gestaltung des Homeoffice oder          Was steht nun an?                           April 2020               130             70           200
             kreise für Suchtkrankenhil-      auch Umgang mit den Besuchsver-                                                                                                                                               Pythagoras von Samos
fe verändert? Es ist zu vermehrten und        boten in den Fachkliniken.                 Eine Suchmaschine auf unserer            Mai 2020                 116              81           197
regelmäßigeren Besuchen von Freun-                                                    Homepage, mit der wir auch in Grup-
deskreislern, aber auch von Rat- und                                                  pen anderer Verbände bzw. an freie          Juni 2020                102              58          160
Hilfesuchenden sowie von vielen An-         Wie erfolgreich ist der                   Gruppen vermitteln könnten, wenn es
gehörigen gekommen.                         Chat-Room?                                in einer Gegend keinen Freundeskreis        Juli 2020                129             59           188
   Der Chat konnte sich als Alternative                                               gibt, wäre toll. Auch sollten wir online
zur Gruppenarbeit etablieren. Ersetzen                                                stärker mit Suchtberatungsstellen und       August 2020               115            64            179
kann er aber die persönlichen Begeg-           Wir hatten schon vor Corona einen      Kliniken verbunden sein. Dies würde                                                                        eine bessere   „Mission Chat“ zur Erfolgsgeschichte.
nungen nicht vollumfänglich. In dieser      Stamm von regelmäßig anwesenden           uns die Arbeit erleichtern, da die Suche    Summe                    932            467          1.399     Zukunft. Wir   Wir sind durchaus stolz auf uns, weil
besonderen Zeit wurde er jedoch zu          Besucher*innen. Dieser hat sich jetzt     über Google teilweise mühselig ist.                                                                        würden uns     wir diesen Chat schon so lange am Le-
einem beliebten Treffpunkt, um sich         vergrößert. Teilweise handelt es sich        Es wäre weiter gut, wenn wir Mög-                                                                       wünschen,      ben erhalten und wünschen uns, dass es
                                                                                                                                 Statistik aus neun Monaten: So viele Nutzer hatte das Angebot
auszutauschen und Probleme zu disku-        um Menschen, die auch regelmäßig          lichkeiten hätten, um die Kommuni-                                                                         dass     der   auch in der Zukunft so bleibt. Vielleicht
                                                                                                                                 sucht-chat.de der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe
tieren.                                     in einen Freundeskreis gehen und den      kation zwischen Chat-Betreuer*innen                                                                        Chat weiter    motivieren diese Zeilen ja auch, den
   Aufgrund der relativ hohen Besu-         Chat als zusätzliche Plattform nutzen.    und –Besucher*innen noch weiter zu                                                                         gut besucht    einen oder anderen, bei uns mitzuma-
cherzahl war es manchmal nicht ein-         Teils sind es aber auch Menschen, die     verbessern und entsprechende Schu-         Chat ist eine Möglichkeit, in die Selbst- wird, auch dann, wenn Corona viel-   chen, was uns sehr freuen würde.
fach, allen gerecht zu werden. Es bedarf    aus zeitlichen oder räumlichen Grün-      lungen hätten. Die Öffnungszeiten sind     hilfearbeit der Freundeskreise hinein- leicht einmal vorüber sein wird. Wir       Ich möchte noch erwähnen, dass
einer hohen Konzentration, wenn man         den kein Gruppenangebot der Freun-        viel zu eingeschränkt. Nach unseren        zuschnuppern, Berührungsängste und sehen darin eine Bereicherung unserer       mich alle Operatoren des Chat-Rooms
sich mit mehreren Menschen gleichzei-       deskreise wahrnehmen können. Auch         Erfahrungen wäre es ideal, wenn wir        Scham zu überwinden. Es ist für den Freundeskreiskultur. Durch den Chat        mit ihren jeweiligen Erfahrungen bei
tig schriftlich unterhält. Vergessen wol-   sind Menschen anwesend, die sich          den Chat-Room an sieben Tagen 24           teilnehmenden Menschen oft der erste wird es einfacher, über den eigenen       diesem Text unterstützt haben. Ganz
len wir ja schließlich niemanden! Sehr      noch nicht in eine Gruppe trauen.         Stunden öffnen könnten. Aber davon         Schritt raus aus der Sucht. Angehörige Tellerrand zu blicken und neue Ideen    herzlichen Dank an dieser Stelle noch
hilfreich war deshalb auch, dass Ope-                                                 sind wir weit entfernt.                    sprechen hier erstmals über ihren Kum- auszutauschen. Freundschaften kön-      einmal für eure Mitarbeit und euer En-
ratoren, die keinen offiziellen Dienst         Die relativ große Zahl von Besu-                                                  mer, ihre Sorgen und Ängste. Süchtige nen entstehen. Und wenn sich dann        gagement!
hatten, immer mal reinschauten und          cher*innen (s. Tabelle rechts) bestä-        Mit Empathie auf die Menschen zu-       wie Angehörige erfahren Möglichkei- noch Besucher*innen für ein Leben                                 Béatrice Schober,
Unterstützung leisten konnten.              tigt uns die Notwendigkeit des Chat-      gehen und sie abholen, wo sie stehen,      ten und Angebote für einen Weg in ohne Suchtmittel entscheiden, wird die       stellv. Vorsitzende des Bundesverbands
                                            Rooms und zeigt uns auch, dass unsere     das ist und bleibt unser wichtigstes
Welche Themen hatten die                    Arbeit eine hohe Qualität hat. Vielfach   Anliegen. Dabei darf aber der Selbst-
                                            bedanken sich die Besucher*innen          schutz der Operatoren nicht vergessen

                                                                                                                                                                  Wir suchen dich!
Menschen auf dem Herzen?
                                            auch dafür, dass wir da sind. Einige      werden. Wir müssen hier noch stärker
   Es wurde über sehr viele unter-          Besucher*innen konnten in real exis-      über eine Praxisbegleitung nachden-
schiedliche Themen gesprochen:              tierende Freundeskreise vermittelt wer-   ken, wo die Betreuer*innen auch das
                                            den. Wie wir hörten, sind sie dort auch   loswerden können, was sie an belasten-
• Umgang mit dem Kontaktverbot in           geblieben. Wir haben also durchaus das    den Erfahrungen aus dem Chat-Room                                      Jetzt Operator für den Sucht-Chat werden
  der Freundeskreis-Arbeit. Die per-        Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.    mitnehmen.
  sönlichen Zusammentreffen im ört-                                                      Mir persönlich liegt am Herzen,
                                                                                                                                                       •          Du möchtest dich ehrenamtlich engagieren, interessierst dich für
  lichen Freundeskreis wurden sehr             „Das persönliches Fazit der Opera-     keinerlei Vorurteile gegen Betroffene
                                                                                                                                                                  online-Suchtselbsthilfe und die dazugehörige Technik?
  vermisst.                                 toren zur Bedeutung des Chatrooms.“       zu hegen. Es ist mir ein Anliegen mit
                                            Gerade in Krisenzeiten kann der Chat      dem, was ich erlebt habe, auch ande-
                                                                                                                                       • Du bist ein langjähriges Mitglied in den Freundeskreisen für Sucht-
• Suche nach alternativen Hilfemög-         ein wichtiges Instrument zur persönli-    ren Mut zu machen, den Weg aus der
                                                                                                                                         krankenhilfe und lebst seit mehreren Jahren suchtmittelfrei?
  lichkeiten, wenn die berufliche           chen Krisenbewältigung sein. Er kann      Sucht zu gehen. Auch wenn dieser Weg
  Suchthilfe nur eingeschränkt zur          helfen, Rückfälle zu vermeiden, da wir    mitunter schwer ist, wartet am Ende
                                                                                                                                       • Du bist anderen Menschen gegenüber mitfühlend?
  Verfügung stand (zum Beispiel Be-         uns ja über alle Problemen austauschen    ein lohnenswertes, schönes Leben. Mir
  ratungsstellen nur noch telefonisch       können. Menschen können in ihrem          wurde vor über 20 Jahren geholfen, ich
                                                                                                                                       • Du kennst das Leitbild der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe und lebst danach?
  zu erreichen waren oder die Sucht-        Willen bestärkt werden, die Sucht zu      möchte heute auch Hilfe zur Selbsthilfe
  kliniken keine neuen Patient*in-          überwinden. Angehörige können sich        anbieten. Wie in einer Selbsthilfegrup-
  nen aufnahmen, Entgiftungen nicht         einbringen und erhalten Hilfe für sich    pe üblich gehen wir mit persönlichen           Wir freuen uns auf deine Rückmeldung unter s.limpert@freundeskreise-sucht.de
  durchgeführt werden konnten).             selbst.                                   Informationen sehr diskret um. Der

16                                                                                     2/2020   • FreundeskreisJournal           FreundeskreisJournal      • 2/2020                                                                                   17
Journal - Was macht Mut in schwierigen Zeiten? - freundeskreise-sucht ...
THEMA                                                                                                                                                                                                                                                      WAS MACHT MUT?

Was Menschen Mut macht
                                                                                                                                                                                                  Was stärkt,
                                                                                                                                                                                              Herausforderungen

in schwierigen Zeiten
                                                                                                                                                                                               anzunehmen und
                                                                                                                                                  Trostsprüche reichen tief in die Kind-                                                  aus machen, also selbst etwas tun. Eine
                                                                                                                                                  heit zurück, Lieder, die die Mutter am        zu bewältigen?                            80-Jährige meinte: sie sei zwar alt und
                                                                                                                                                  Bett abends gesungen hat und die in der                                                 in der Risikogruppe, aber „nur warten,
                                                                                                                                                  Seele eine Sphäre von Schutz, Liebe                                                     bis es einen selbst erwischt, ist mir auch

I
                                                                                                                                                  und Trost hinterlassen hatten. Die Wor-                                                 zu wenig“. Also fing die Dame an, mit
    m Frühjahr dieses Jahres 2020 ha-                                                                                                             te klingen dann manchmal kitschig,                                                      ihrer alten Nähmaschine Mundschutze
    ben viele Menschen, ich gehöre                                                                                                                aber der „Raum“ des Trostes kann sich      Drei Grundhaltungen erscheinen den           zu nähen und zu verschenken. „Es sind
    dazu, eine Erfahrung gemacht, die                                                                                                             ein Leben lang in den kindlichen Wor-      Forschern dafür wichtig: Optimismus,         jetzt schon über 80!“ In einer schwie-
wir nicht kannten: wir hatten Angst.                                                                                                              ten bergen: „Breit aus die Flügel beide,   Akzeptanz und Geduld. Diese stärken-         rigen Situation nicht erstarren, sondern
Angst, nicht vor diesem und jenem,                                                                                                                o Jesu, meine Freude, und nimm dein        den Grundhaltungen kann man jeden            etwas tun, das mir sinnvoll vorkommt,
vor einer Prüfung, einer unangenehmen                                                                                                             Küchlein ein. … Gott lass‘ euch selig      Tag einüben. Die Geduld etwa: wenn           das bringt das Leben wieder in Fluss.
Begegnung, nein einfach Angst, exis-                                                                                                              schlafen, stell‘ euch die güldnen Waf-     schwierige Situationen auszuhalten           Jeder Mensch braucht das Gefühl, et-
tentielle Angst. Die Bilder aus Italien,                                                                                                          fen ums Bett und seiner Engel Schar.“      sind, dann ist die „Wartekraft“ gefragt,     was tun zu können, für etwas nütze zu
wo Militärlastwagen Leichen wegtrans-                                                                                                             (Paul Gerhardt)                            wir können dem Werdenden bewusst             sein, etwas bewirken zu können. Die
portierten, wo Ärztinnen und Pfleger                                                                                                                                                         Raum geben, und darauf vertrauen,            Psychologen nennen das „Selbstwirk-
weinend zusammenbrachen unter ei-                                                                                                                    In schwierigen Zeiten sich die Hän-     dass eine Krise in einem größeren            samkeit“. Natürlich hat die alte Dame
nem nicht zu bewältigenden Andrang                                                                                                                de reichen (wenn auch wegen der Kon-       Sinnzusammenhang steht, der mich             nicht die Pandemie gestoppt, aber sie
Todkranker, haben uns geschockt. Und                                                                                                              taktbeschränkungen nur im übertra-         am Ende weiterbringen wird. Oder die         hat ihren kleinen Beitrag geleistet und
was wird sein, wenn die Welle uns in                                                                                                              genen Sinn), das stärkt. Wer Hand in       Akzeptanz: jeden Tag erleben wir Wid-        sich damit gegen das Gefühl der Ohn-
Deutschland erwischt? Kein Medika-                                                                                                                Hand mit anderen steht, steht besser,      rigkeiten. Dinge, die unangenehm sind        macht gestemmt.
ment in Sicht, keine Impfung, wir sind                                                                                                            gestärkter, mutiger. Die Wärme der         und belastend. Das Leben ist und bleibt         Andere haben Einkäufe übernom-
ausgeliefert. Plötzlich kam uns zu Be-                                                                                                            „Geschwister“ zu spüren, schafft Zu-       gemischt aus Positivem und Negati-           men, und mancher fitte Mittsechziger
wusstsein, wie gefährdet das Leben ist,                                                                                                           versicht und Vertrauen ins Leben.          vem, es ist falsch auf das ideale Gute       war erfreut und zugleich unangenehm
wie zerbrechlich, wie wenig wir es in                                                                                                                                                        zu warten, und von daher mein jetziges       berührt, wenn die Kinder anriefen und
der Hand haben. Sonst fühlen wir uns                                                                                                                 Viele haben in diesen schwierigen       Leben abzuwerten. Das wird mich nur          fragten: „Kann ich Dir etwas abneh-
sicher und stark, plötzlich schwach und                                                                                                           Tagen auch die Natur als Kraftquelle er-   lähmen.                                      men, Du gehörst doch auch zur Risiko-
ausgeliefert. Was Menschen im Umfeld        „Meine Mutmacher in der schwierigen Zeit waren Menschen, die optimistisch                             lebt. Durch das schöne Wetter im März                                                   gruppe...“ Aber entscheidend ist es, in

                                                                                                                                  Foto: pixabay
der Freundeskreise für Suchtkranken-        darauf vertrauten, dass wir der Krise einen Sinn geben können“                                        und April konnte man beim „Lock-              Oder der Optimismus: eine positive        das Tun zu gehen, seine Kräfte zu spü-
hilfe oft aus eigener Lebenserfahrung                                                                                                             down“ fast täglich aus dem Haus. Der       Weltsicht ist wie ein Filter, ein Sieb für   ren und zu aktivieren, sich nicht im Ge-
kennen, hier wurde es zum Grundge-          ich darf meine Unsicherheiten, meine         erschüttert über sich selbst. „Warum                     kleine Spaziergang im Nahraum, in die      unsere Wahrnehmung. Oft hängen wir           fühl der Ausweglosigkeit einzurichten.
fühl einer ganzen Gesellschaft.             Fragen äußern, darf sagen: mir geht es       haben ich fünf Wochen gebraucht, um                      Wiesen hinter dem Haus, den kleinen        allzu tief in einer pessimistischen Sicht    Und offen zu sein: Vielleicht gibt es im
                                            nicht so gut. Ich muss keine Masken          mir helfen zu lassen?“ Für sie war es                    Park im Ort, den angrenzenden Wald.        auf die Welt und uns selbst: wir geben       Schlimmen auch etwas Gutes? Was ist
    Und was geschah? Wir haben uns          tragen, kein ewiges Lächeln zeigen.          eine befreiende Entdeckung, auch als                     Unsere aufgescheuchten Seelen fanden       uns die Schuld, reden uns ein, minder-       der Sinn dieser Krise für mich persön-
Trost zugesprochen. Facebook und In-        Ich darf sein, wie ich bin, dann können      Powerfrau und -mutter hilfsbedürftig                     plötzlich Ruhe im wohltuenden Grün.        wertig zu sein. Fast immer ist das ob-       lich? Wo erweitert diese an sich schlim-
stagram waren voll von Trostbotschaf-       Menschen ihrerseits in meiner Nähe           sein zu dürfen.                                          Die Gräser, Sträucher und Bäume schie-     jektiv falsch. Optimistisch zu sein ist      me Lage meinen Horizont? Könnten
ten, Mutbotschaften. Plötzlich gab es       aufatmen, weil sie sich nicht mehr ver-                                                               nen so gänzlich unbeeindruckt von der      nicht naiv, sondern gut zu begründen.        Sie im Rückblick Dinge aufzählen, die
eine Welle der Sorge füreinander. Wir       stellen müssen. Ich weiß, dass in vielen        Und welche Kreativität des Mitein-                    Corona-Krise. Die Natur ging einfach       Denn jeder von uns hat Stärken, jeder        Sie auch ein wenig bereichert haben in
wussten, dass wir einer unbekannten         Freundeskreisen für Suchtkrankenhilfe        anders entstand: Ein Bekannter vor mir                   weiter ihren Gang des heiteren Wach-       kann Möglichkeiten nutzen, und jeder         der Krise? Ich bin ziemlich sicher, dass
Situation ausgeliefert waren. Und was       diese Erfahrung erlösender Ehrlichkeit       geht seither und bis heute jeden Mor-                    sens, des Grünens und Blühens. Und         von uns hat tief drinnen die Erfah-          Ihnen etwas einfällt!
taten wir: wir haben uns – virtuell – die   immer wieder gemacht wird. In der            gen mit der Handy-Kamera raus, filmt                     religiöse Menschen erinnerten sich an      rung, dass nach dem Regen die Sonne
Hände gereicht, die Reihen geschlos-        Corona-Pandemie hat eine ganze Ge-           den Sonnenaufgang und singt dann ein                     die große Zusage Gottes an Noah nach       wiederkommt. Wer stark sein möchte,
sen. Ich behaupte, dass für einen Mo-       sellschaft die Erfahrung gemacht – und       Lied, das ihm Trost gibt und Mut macht                   der Sintflut, wo Gott unter dem Symbol     muss allerdings trainieren. Muskeln
ment die sozialen Netzwerke nicht           Trost gefunden.                              und lädt es dann bei Youtube hoch. Al-                   des Regenbogens verspricht, nie mehr       wachsen nicht von allein, sondern nur,
mehr voller Hass waren, sondern vol-                                                     lein schon den Sonnaufgang zu sehen,                     eine solche Katastrophe zu schicken:       wenn man sie benutzt. Das gilt auch für
ler Menschlichkeit, Miteinander. Wenn          Und ich darf um Hilfe bitten. Eine        ist immer wieder Stärkung: aus der                       „Solange die Erde steht, soll nicht auf-   die seelische Stärke.
wir Menschen uns schwach zeigen,            Alleinerziehende mit drei Kindern hat        Nacht entsteht der neue Morgen, jeden                    hören Saat und Ernte, Frost und Hitze,
weil wir schwach sind, dann wecken          fünf Wochen verzweifelt versucht, alles      Tag wieder, das Licht kommt zurück,                      Sommer und Winter, Tag und Nacht“             Was hat das alles mit der Coro-
wir beim andern nicht Dominanz, nicht       unter einen Hut zu bekommen: die Kin-        es bleibt nicht Nacht, welch starkes                     (1. Mose 8,22).                            na-Krise zu tun? Ich habe beobachtet,
Abwehr, sondern Mitgefühl, Solida-          der zu Hause, die Arbeit, den Haushalt.      Mutsymbol. Oft fand ich in den sozi-                                                                dass meine Mutmacher in der schwieri-
rität und Menschlichkeit. Das ist eine      Und kurz vor dem Zusammenbruch hat           alen Netzwerken den Psalm 23 zitiert:                       In der Psychologie ist seit einigen     gen Zeit Menschen waren, die optimis-
sehr tröstliche Erfahrung dieser ersten     sie sich endlich getraut – vor sich selbst   „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird                    Jahren viel von „Resilienz“ die Rede.      tisch waren, die darauf vertrauten, dass
Corona-Zeit. Und ich lerne daraus: ich      und vor den andern – um Hilfe zu bit-        mir fehlen… und muss ich auch wan-                       Das ist die innere Stärke, mit der man     wir der Krise einen Sinn geben können
darf mich schwach zeigen, ich darf an-      ten. Sie war überwältigt von der Hilfs-      deln in finsterer Schlucht… Du bist                      Krisen nicht nur bewältigt, sondern        und die die Situation ohne Murren ak-         Klaus Hofmeister ist Redakteur beim
dere einladen, sich schwach zu zeigen,      bereitschaft, die sie fand und zugleich      ja bei mir“. Manche dieser Mut- und                      sogar gestärkt aus ihnen hervor geht.      zeptierten. Dann kann ich das beste dar-      Hessischen Rundfunk in Frankfurt/M.

18                                                                                       2/2020   • FreundeskreisJournal                          FreundeskreisJournal        • 2/2020                                                                                           19
Sie können auch lesen