Ideen für Metropolen von morgen - Baden-Württemberg Stiftung
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Sta d t d e r Zu k u n f t l au t . O s t at t CO 2 . e s t at t 2 u . L e i s tg r a r ge n . Gr ü n s t a t e t r op ol e n v on m o M Ide e n f ü r
Frauen in der Literatur 2018 LITERATURSOMMER 2018 DIE SCHÖNSTEN SEITEN DES SOMMERS Eine Veranstaltungsreihe der Die Baden-Württemberg Stiftung präsentiert den Literatursommer 2018 zum Thema „Frauen in der Literatur“. Erleben Sie die schönsten Seiten des Sommers bei mehr als 200 Veranstaltungen im ganzen Land. Alle Termine unter www.literatursommer.de
01/2018 Editorial Bleiben Sie informiert Christoph Dahl, über all unsere Themen Geschäftsführer und Programme und Baden-Württemberg besuchen Sie uns auf Stiftung Facebook, YouTube, Twitter und Instagram! @bwstiftung Liebe Leserinnen und Leser, gleich vorweg: Ich werde fuchsteufelswild, wenn man nicht sehen will, welche katastrophalen Folgen die Missachtung des Klimaschutzes hat. Die Zukunft lebenswerter Städte hängt im Wesentlichen von den nachhaltigen Mobilitäts HERAUSGEBERIN Baden-Württemberg Stiftung gGmbH konzepten der Metropolen ab. Denn der Verkehr zählt zu den Hauptverur Kriegsbergstraße 42 sachern von Treibhausgasen, die unser Klima nachweislich schädigen. 70174 Stuttgart Telefon +49 (0) 711 248476-0 Die von uns vorgelegte Mobilitätsstudie bildet eine bundesweit einmalige Telefax +49 (0) 711 248476-50 wissenschaftliche Faktenbasis. Sie hat uns dazu veranlasst, unser Dossier der info@bwstiftung.de www.bwstiftung.de „Stadt der Zukunft“ zu widmen. Mit der Zukunftsforscherin Prof. Marianne Reeb spreche ich darüber, wie wir die klimafreundliche Metropole möglich VERANTWORTLICH Christoph Dahl, Geschäftsführer machen können (Seite 12). Um die Diskussion über zukunftsfähige Mobilitäts Baden-Württemberg Stiftung lösungen im Land zu verstetigen, werden wir im Juni einen großen Kongress in Mannheim ausrichten. KONZEPTION UND REDAKTION Julia Kovar-Mühlhausen, Cornelia Zeiger, Nadia Heide Die Kommunen arbeiten bereits an nachhaltigen Stadtmodellen für die Zukunft: TEXT Auf dem ehemaligen US-Militärgelände Franklin in Mannheim entsteht ein Anette Frisch, Iris Hobler, neues Quartier, das auf größtmögliche Vielfalt seiner Bewohner setzt (Seite 16); Rolf Metzger, Cornelia Zeiger, und im Schloss Tempelhof wird im Kleinen mit Ideen experimentiert, die im Silke Burmester, Madeleine Wegner, Großen Nachklang finden (Seite 6). Vor allem die Kinder und Jugendlichen Christian Milankovic, Daniel Kastner, von heute werden die Gesellschaft von morgen gestalten. Deshalb fördern wir Baden-Württemberg Stiftung besondere Talente in unseren Programmen. Lesen Sie mehr über zwei bemerkens GESTALTUNGSKONZEPT UND werte Persönlichkeiten ab Seite 60. REALISATION agencyteam Stuttgart GmbH Wie stellen Sie sich die Zukunft der Stadt vor? Wir laden Sie herzlich ein, Ihre DRUCK Ideen kundzutun, zum Beispiel auf der Webseite www.perspektive-bw.de oder raff media group gmbh, Riederich in unseren Social-Media-Kanälen. HINWEIS Bei allen Bezeichnungen, die auf Ich freue mich über einen lebendigen, konstruktiven Austausch und wünsche Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Ihnen viel Freude bei der Lektüre! Geschlechter, auch wenn aus Grün- den der leichteren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet wird. © März 2018 Ihr Christoph Dahl Coverillustration Steffen Mackert 3
01/2018 Inhalt Dossier: Stadt der Zukunft 12 6 16 24 21 6 Das Leben, 15 Mobilität 2050: 24 Machen, was ein Experiment Zukunftsszenarien für noch nie da war Tempelhof liegt nicht in Berlin, Baden-Württemberg Neue Wege für die Städte sondern in der Nähe von Schwä Drei Szenarien zeigen den Weg der Zukunft bisch Hall – das Dorf ist ein Labor zu einer nachhaltigen Mobilität für gesellschaftliche Ideen im Land 28 Wie es euch gefällt Bürgerinnen und Bürger erzählen, 12 Mobilität neu gedacht 16 New Mannheim wie sie sich das Leben in der Stadt Christoph Dahl und Zukunfts Auf dem Gelände der einst größten von morgen vorstellen forscherin Prof. Dr. Marianne Reeb US-Wohnsiedlung Deutschlands diskutieren über die Zukunft der entsteht ein Quartier der Vielfalt 32 Naturoase Neckartor? Mobilität So sieht Karikaturist Freimut 21 Lifestyle, Protest, Woessner Stuttgart im Jahr 2050 Selbstversorgung Raumplaner Philipp Stierand spricht darüber, wie Landwirtschaft Metropolen zurückerobert 4
Geschichten aus der Stiftung 36 46 52 36 Unser Esstisch wird manchmal zum Tränentisch 56 60 Wie junge Geflüchtete beim Ankommen in Deutschland Hilfe erhalten – der Verein Heimat X.O macht es vor 41 Kleine Zahlen, großes Staunen Das Haus der kleinen Forscher bietet Pädagogen Fortbildungen dazu, wie sie Kindern natur wissenschaftliche Themen 50 Miteinander forschen, 58 Klare Worte für näherbringen können voneinander lernen die Karriere Rottenburger und ghanaische Prof. Dr. Christina Wege spricht 44 Windstrom in der Austauschstudenten arbeiten über die Chancen, als Frau in der Zimmerdecke gemeinsam an Forschungs Wissenschaft Fuß zu fassen Im Projekt NetzTABS erforscht Prof. projekten Dr. Elmar Bollin die Nutzung von 60 D as alte und Gebäudemasse als Energiebunker 52 Gedacht, getan das neue Leben Der Neurowissenschaftler Rose und Ammar, zwei Sport 46 Glücklich wie Pippi Prof. Niels Birbaumer möchte talente aus Syrien, begegnen Langstrumpf mit moderner Technologie sich in ihrer neuen Heimat Autorin Sudabeh Mohafez erzählt, Schlaganfallpatienten eine Baden-Württemberg wieder wie ihr Name immer wieder dazu Perspektive bieten führt, dass sie mit einem Gefühl 64 Kurz & knapp des Fremdseins konfrontiert wird 56 Wenn das Herz fürs Heimatdorf schlägt 66 Perspektivwechsel Wie ein Projekt in Veringendorf Jung und Alt zusammenbringt 5
L e b e n , Das i m e n t ein E x p e r u n t, w il d , jung; ist b Die Stadt w ei lig , öde? s Land a lt, la n g in d er Nähe von da T em pelhof ch lo s s nteil. Das Dorf S b eweist das Geg e ch H a ll Schwäbis h e tt e F ri sc Te x t _ A n eger a rk u s J . F F o to s _ M
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft I m März 2010 saß Wolfgang Sechser vor seinem Computer und gab in die Suchmaske „Dorf kaufen“ ein. Ge meinsam mit Freunden hatte er sich entschieden, anders zu leben. Mit mehreren Menschen in einer größeren Gemeinschaft, sozial gerecht und ökolo gisch nachhaltig. Sechser war zu jenem Zeitpunkt mehr als 20 Jahre erfolgreicher Bauunternehmer gewesen, hatte für die Münchner Schickeria romantische Gar tenlandschaften angelegt, keine Party ausgelassen. Bis zu seinem 40. Geburtstag. Damals lud Wolfgang Sechser 15 Bekannte auf eine einwöchige Haus boot-Tour nach Frankreich ein. Seine Gäs te kamen aus unterschiedlichen Berufen, Schichten, Regionen. Das Wichtigste aber: Sie kannten sich untereinander nicht. Es war ein Experiment und eine intensive Erfahrung, aus dem später nicht nur zwei Ehen hervorgingen – sondern auch Sech sers Wunsch, seine Energie in die Vision eines solidarischen Miteinanders zu ste cken. In einem Fünfjahresplan übergab er sein Unternehmen an die Mitarbeiter und machte sich mit Gleichgesinnten auf die Suche nach einem geeigneten Ort. t w i c h t i g , »Es i s Den fanden sie 2010 in Baden-Würt temberg: Tempelhof, ein verlassenes Dorf s i c h t r a ut dass man rn.« mitsamt einem Landschloss aus dem 17. Jahrhundert, das zur Gemeinde Kressberg gehört. Die Gemeinschaft kaufte es für 1,5 Millionen Euro und begann mit den u s c h e i t e Sanierungsarbeiten. 2011 zogen die ers ten Bewohnerinnen und Bewohner nach Tempelhof: Waren es zu Beginn 20 Men z Für Wolfgang Sechser ist Tempelhof ein Ort, der nicht reglementiert schen, leben heute 100 Erwachsene und und an dem sich jeder 50 Kinder in der Öko-Siedlung. ausprobieren kann gibt die nötige Ruhe, sich neu zu erfinden Das Rauschen und zu experimentieren.“ wird leiser Ein Mann, Mitte 40, ist aus Karlsruhe Agnes Schuster führt an diesem Sonn angereist. Er hat zwei bald schulpflichtige tag gut 50 Frauen und Männer mit ihren Kinder und ist auf der Suche nach einem Kindern durch das Dorf. Vom Schlosshof Ort, wo sie gut lernen können. Er hat gele an der gelb-blauen Schule vorbei, weiter sen, dass Tempelhof eine freie Schule hat. zum Kindergarten, der in einer Jurte ist, Und ihn interessiert, was dahintersteckt. zur Turnhalle mit begrüntem Dach und hinunter zur Bauwagensiedlung. Die Gemeinschaft 63-Jährige war von Anfang an dabei und ist überall hat die Gemeinschaft mitgegründet. Sie In der „Schule für freie Entfaltung“ wird sagt: „In Tempelhof zieht das Rauschen altersübergreifend gelernt. Es gibt keine der Gesellschaft ein bisschen vorbei. Das Klassen, sondern verschiedene Räume 8
für unterschiedliche Entwicklungsstu nimmt an mehreren Kommunikations- fen. Einer ist beispielsweise mit Lego, und Konflikt-Workshops teil, verbringt Holzbausteinen und einer Hängematte mindestens drei Monate vor Ort und ver ausgestattet; ein anderer hat eine funkti fasst ein Motivationsschreiben, warum onsfähige Kinderküche; in einem dritten man in der Gemeinschaft leben möchte. hängen jede Menge Kostüme zum Ver Am Ende entscheidet das gesamte Dorf kleiden. Lehrer gibt es nicht. Die Schüle über die Aufnahme. rinnen und Schüler wählen selbst, was Das Ganze klingt für manche viel sie lernen. Wenn sie möchten, können leicht pragmatisch und kühl. Und führt sie sich Unterstützung von einem Lern dazu, dass Tempelhof bisweilen Sektie begleiter holen. Aber sonst machen sie rerei vorgeworfen wird, was jeden hier alles untereinander aus und helfen sich mächtig ärgert. Der einjährige Prozess gegenseitig. 63 Kinder und Jugendliche sei wichtig, um herauszufinden, ob man besuchen die Schule; auch Kinder aus den wirklich bereit und fähig ist für ein Mit umliegenden Dörfern kommen hierher. einander. „Ob in einem Dorf oder in der Früher ein Landschloss, dann Eika Bindgen ist Geschäftsführe Stadt, wir leben alle in einer Form von ein Kinderheim, jetzt ein Labor rin der staatlich anerkannten Schule. Die Gemeinschaft. Der Unterschied in Tem für gesellschaftliche Ideen Oldenburgerin trat 2015 in die Genossen pelhof ist, dass wir sie hier von Anfang schaft ein, als sie und die Dorfbewohner an bewusst gestalten“, sagt Eika Bindgen. sich sicher waren, „dass wir zusammen passen“. Wer in Tempelhof leben möch Der mikrokosmische Staat te, der muss eine Art Bewährungsprobe Tempelhof, das sind fünf Hektar Bau Die Kalifornierin Maya Lukoff bestehen. Die sieht ungefähr so aus: Man grund und 26 Hektar Acker, Wald und empfindet sich als „global citizen“. macht ein Kennenlern-Wochenende mit, Wiese. Gut fünf Minuten vom > Tempelhof ist nicht die einzige Heimat der Gärtnerin.
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft Gemeinschaft Schloss Tempelhof Tempelhof ist genossenschaftlich organisiert. Entscheidungen werden basisdemokratisch ge- troffen. Wer hier leben möchte, muss seine Finan- zen offenlegen, zahlt nach dem Annäherungsjahr 32.000 Euro ein und erhält damit ein Wohnrecht auf Lebenszeit. Ein Tempelhofer verpflichtet sich, monatlich 20 Stunden ehrenamtlich für die Ge- meinschaft zu arbeiten. Die Miete liegt pro Qua- dratmeter derzeit zwischen 2,50 und 4,50 Euro, abhängig vom Sanierungsstand des Gebäudes. Hinzu kommen Gebühren für Internet, Telefon, Wasser und Strom. Der monatliche Beitrag für die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) ist 320 Euro, für Kinder unter sechs Jahren entfällt er. Außerdem werden pro Kind zehn Quadratmeter Wohnfläche nicht berechnet. Weitere Infos: www.schloss-tempelhof.de r k ö n n e n »Hie r e m e i n i h kosmos einen Staat nach. Wir testen Ding Strukturen und verwerfen sie wieder, n T e m p o wenn sie nicht funktionieren. Das macht eigene das Leben hier spannend und lebendig.“ Regeln c h s e n . « überdenken wa Adda Klaiber lässt sich im Glashaus des Earthships von Beispiel Morgenkreis. Ein Ritual, das die der Sonne wärmen Tempelhofer bis vor zwei Jahren jeden Morgen zusammengeführt hat. Sie hiel ten sich an den Händen, schwiegen für Maya Lukoff ist die Hüterin der „Solida zehn Minuten und gingen anschließend rischen Landwirtschaft“. Die 29-Jährige ihrem Alltag nach. Den Kreis gibt es nicht Schlosshof entfernt stehen drei Gewächs kommt aus Kalifornien, hat in Bolivien mehr. „Es hat sich nicht mehr lebendig häuser, wo Feldsalat, Kohl und Spinat anthropologische Landwirtschaft stu angefühlt“, sagt Agnes Schuster beim wachsen. Das, was hier geerntet wird, diert und sich in Deutschland in biolo Spaziergang durch das Dorf. Anstelle des bekommt die Großküche, die jeden Tag gisch-dynamischen Gärtnereien weiter Morgenkreises gibt es jetzt eine Medi drei Mahlzeiten für die Tempelhofer zu gebildet. Eine Stellenanzeige führte sie tationsgruppe. Auch die Einkommens bereitet. Noch so eine Besonderheit: Die und ihren Partner hierher. Tempelhof gemeinschaft, die ein paar Genossen aus Bewohnerinnen und Bewohner zahlen sei keine Insel und kein Selbstverwirk probierten, fühlte sich irgendwann nicht monatlich 320 Euro für den landwirt lichungsprojekt, sagt Maya Lukoff. Son mehr richtig an und wurde aufgegeben. schaftlichen Betrieb und werden bekocht – dern die Zukunftswerkstatt einer Gruppe „Nichts ist festgeschrieben, alles ist in wenn sie es wollen. Sie können sich auch von Menschen, die sich zum Ziel gesetzt Bewegung. In Tempelhof gibt es den Frei selbst Lebensmittel nehmen und in den haben, neue Ideen im Kleinen auszupro raum, Dinge auszuprobieren. Und wenn eigenen vier Wänden kochen. bieren. „Im Grunde bauen wir im Mikro sie nicht passen, lassen wir sie los.“ 10
Links erstreckt sich die Glasfront des Earthships; im Hintergrund: die Jurte von Adda Klaiber Die Olden burgerin Eike Bindgen hat mit 56 Jahren den Neuan- Ein Experiment war auch der Bau des fang gewagt l Earthships. Ein Haus, das im Wesent lichen aus Autoreifen, Erde und Lehm be r s t e n M a »Zum e steht und Energie selbst produziert. Es ist das erste seiner Art in Deutschland. Mit r s t a n d e n , seinen Rundungen sieht das Erdschiff aus b e i c h v e ha m e wie ein Gebäude von Hundertwasser. Gut 30 Meter ist die Glasfront lang, hinter der e i n e S t i m das s m sich ein schmales Gewächshaus befindet; . « dahinter wiederum liegen WC, Bad und Küche – es sind die Gemeinschaftsräume e r t h a t einen W der Bauwagensiedlung, die sich um das Erdschiff reiht. Hier lebt Adda Klaiber. Mit 63 Jah ren hat sie sich für Tempelhof entschie den. Heute ist sie 70 Jahre alt und zählt zu den älteren Bewohnern. Zu ihrem persön sich auf die „grund-stiftung am Schloss lichen Experiment gehörte es, in einer Jur Tempelhof“ und berät Gemeinschaften, te zu leben. Den Traum hat sie sich erfüllt. die etwas Ähnliches aufbauen wollen. Sie ließ sich eine Variante des Nomaden Kleine Ein Schwesternprojekt entstand bereits zelts aus Holz bauen, das aus der Bauwa Tempelhöfe im Allgäu in Sulzbrunn, ein weiteres Dorf gensiedlung heraussticht. Darin lebt sie, Wolfgang Sechser hat sich vor kurzem ist in der Nähe von Köln geplant. In knapp auf knapp 20 Quadratmetern, von ihrem ein Jahr Auszeit genommen und sich an vier Jahren wird Wolfgang Sechser 60 Bett sieht sie durch die eingelassenen den „Rand der Gemeinschaft“ gestellt, Jahre alt. Vielleicht ist dies Beginn eines Fenster in der Dachspitze den Himmel. wie er es formuliert. Nun konzentriert er neuen Experiments ...
Mob i l i t ä t g e d a c h t neu aimler, tt g a rt e r Z e it u n g D n ko vi c , S tu _ C h ri st ia n M ila r i n b e i forsche In te rv ie w f ts is e n e u W k n d re a s F o to s _ A e Reeb, Z u h rer der M a r ia n n c hä f t s f ü Prof. Dr. r i s t o p h D ahl, Ges u n f t einer mi t C h Z u k diskutiert i f t u n g , ü ber die Land. m b e r g S t i l it ät i m rtte en Mob Baden-Wü e u n d l i c h u n d m e n schenfr klima- Natürlich müssen wir darüber reden, ob wir jede Kompetenz in der Automobil haben eine Studie vorgelegt, die Szenari industrie genau so auch in den kommen en aufzeigt. Und eines davon würde am den 30 Jahren noch benötigen. Aber da Frau Reeb, in der Stadt der Zukunft sollen ehesten die Klimaziele erreichen, näm war auch schon in den zurückliegenden laut einer Studie der Baden-Württemberg lich das, in dem der Autoverkehr am 30 Jahren vieles im Fluss. Stiftung bis 2030 30 Prozent und bis 2050 stärksten zurückgeht. Das sind aber nur 85 Prozent weniger Autos unterwegs unterschiedliche Modelle. Die Politik Herr Dahl, Sie haben aber doch sicher- sein. Das ist doch ein Frontalangriff auf muss dann entscheiden, was geschieht. lich nach der Veröffentlichung Ihrer das Geschäftsmodell Ihres Arbeitgebers. Studie Reaktionen bekommen, die nicht Marianne Reeb: Das ist vielleicht ein Dass bei dem Wandel Arbeitsplätze so erfreulich gewesen sind. Frontalangriff auf das alte Geschäfts auf dem Spiel stehen könnten, ist aber Dahl: Ja, das stimmt, und ich selbst bin ein modell. Wir arbeiten längst an neuen nicht von der Hand zu weisen. Gibt es Autofan, bin ein Oldtimerbesitzer und ich Modellen. Ich finde es spannend, so Zahlen, wie viele das sein könnten? bin Motorradfahrer. Aber die Brisanz der etwas gedanklich durchzuspielen, aber Reeb: Das Geschäftsmodell der Auto Studie ergibt sich doch aus realen Proble es gab ja in der Studie drei verschiedene mobilindustrie wird sich wandeln vom men wie dem Feinstaub oder den Klima Szenarien, und die kamen nicht alle zu Hersteller zum Mobilitätsanbieter. Da zielen. Die rücken die Studie ins Interesse dem gleichen Schluss. kommen neue Arbeitsplätze wieder hin der Öffentlichkeit. Ich glaube, wir haben zu. Es gab immer schon wirtschaftliche da eine wissenschaftliche Faktenbasis ge Das heißt, Herr Dahl muss sich nicht Transformationen, von denen man an schaffen, die es in keinem anderen Bun den Vorwurf gefallen lassen, einer vom nahm, sie würden Arbeitsplätze kosten. desland gibt und die eine gute Diskussi Automobilbau überdurchschnittlich Aber in der Rückschau wird deutlich, onsgrundlage ist. Was Vorwürfe angeht, abhängigen Region das Totenglöcklein dass neue Arbeitsplätze durch Verän wir würden einen möglichen Arbeits zu läuten? derungen entstanden sind. Das, was Sie platzabbau in der Industrie befördern, Christoph Dahl: Den Vorwurf kann ich sagen, gilt nur, wenn es keine Verände dem halte ich entgegen: Es war doch ertragen – weil er nicht richtig ist. Wir rungen in der Automobilindustrie gibt. die Autoindustrie, die viele Jahre lang 12
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft gepennt hat. Sie hat es versäumt, sich mit den neuen Technologien ernsthaft ausein anderzusetzen und die Forschung voran zutreiben. Dass Daimler ein Zukunftslabor mit einer exzellenten Wissenschaftlerin wie Frau Reeb unterhält, ist aber ein gutes Zeichen und zeigt, dass die Herausforde rungen in den Fokus rücken. In einem Land der Tüftler und Erfinder muss man den Herausforderungen positiv begegnen. Das soll aber nicht darüber hinwegtäu schen, dass es einen Arbeitsplatzabbau geben kann – ohnehin bedingt durch Au h b e r e it , s ic n n s ie tomatisierung und Digitalisierung. Gleich d d a n n zeitig entstehen aber neue Jobs durch die n s in , we neuen Technologien. » M e n s ch e u s s t z u v e r h a lt e n N a c h t e il e b e w e in e umwelt e il e z ie hen und k ahmen Und die Wirtschaft hat verstanden? r t n Dahl: Als CDUler war ich lange der Mei d a r a u s Vo E r z i e h u n g s m a ß e r .« M it ich t w e it e r le id e n . nung, dass man die Wirtschaft machen e n w ir n lassen sollte nach dem Motto „Die wis komm sen schon selbst, was sie tun müssen“. h in g e g e n Inzwischen bin ich durchaus der Ansicht, dass man Regularien festlegen und ge a ri a n n e Reeb setzliche Vorgaben machen muss. Dazu P ro f. D r. M gehört sicherlich auch, dass man endlich In der Studie der Stiftung ist die Rede die blaue Plakette einführt, die am bishe davon, dass im Hinblick aufs eigene rigen Bundesverkehrsminister Alexander mobilität sprechen, zeigt sich doch, dass Auto oder das Mobilitätsverhalten Dobrindt gescheitert ist, und dass Nach viele noch nicht dazu bereit sind. „Verzicht als Gewinn erlebbar“ gemacht rüstungen für Dieselmotoren von der Au Als wir vor 20 Jahren über mehr werden müsse. Sollen da Leute zu ihrem tomobilindustrie gezahlt werden müssen. Umweltbewusstsein diskutiert haben, Glück gezwungen werden? sind wir auf etwas gekommen, das wir Dahl: Diese Formulierung mache ich mir Frau Reeb, welche Rahmenbedingun- „painlessly green“ genannt haben. Men nicht zu eigen. Man muss Anreize schaf gen müsste denn aus Ihrer Sicht die schen sind dann bereit, sich umweltbe fen und das gelingt nur, wenn ich Leute Politik schaffen? wusst zu verhalten, wenn sie daraus Vor überzeuge. Manchmal ist es aber sinnvoll Reeb: Was ich nicht sehr produktiv finde, teile ziehen und keine Nachteile erleiden. und notwendig, gesetzliche Vorgaben ein ist, wenn man sich gegenseitig sagt, was Nachteile können sein: ein höherer Preis, zuhalten, siehe Feinstaubkonzentration. man tun und lassen sollte. Die Politik eine schlechtere Qualität, mehr Zeitbe Die Messstellen werden ja nicht aufge kennt die Szenarien, sie kennt die Zu darf. Mülltrennung funktioniert, seit sie stellt, weil wir das Auto weghaben wol kunftsbilder. Darüber kommen wir ver finanziell incentiviert wird, und nicht len. Da geht es doch um Gesundheits- und mehrt ins Gespräch, sei es mit dem Städ unbedingt, weil die Menschen sagen, ich Klimaschutz und zudem um drohende tetag, sei es mit Stiftungen. Das ist, was wollte schon immer fünf verschiedene Strafzahlungen in Millionenhöhe. Ich zählt: dass man sich zusammensetzt und Tüten bestücken. Ökomode funktioniert, werde fuchsteufelswild, wenn man nicht über Szenarien diskutiert. Das ist deren seit sie nicht mehr kratzt und schrecklich sehen will, welche katastrophalen Folgen Sinn und nicht, dass man sagt: „Genau so aussieht. Wenn wir uns diese Beispiele die Missachtung des Klimaschutzes hat. wird es kommen.“ Ganz wichtig ist aber: ansehen, dann wird das beim Verkehr Ja, wir müssen die Leute mitnehmen. Wir müssen mit den Menschen ins Ge auch so sein. Mit Erziehungsmaßnahmen Aber es gibt auch Grenzen: Wenn etwas spräch kommen. Wenn wir über Elektro hingegen kommen wir nicht weiter. demokratisch beschlossen ist, dann > 13
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft Podiumsdiskussion Am 11. April 2018 findet gemeinsam mit der Stutt- garter Zeitung eine Podiumsdiskussion im Stiftungs- haus statt. Mit dabei sind unter anderem Architekt Werner Sobek und Journalist Wieland Backes. Einen Mitschnitt des Abends können Sie im Nach- gang hier ansehen: www.perspektive-bw.de Reeb: Unser Fokus liegt natürlich auf dem Verkehr. Aber wir sprechen auch darüber, dass die Infrastruktur intelligent wird, so wie etwa heute schon Teile des Zuhauses. , ufelswild he Das nimmt uns einiges ab, kann aber durch e f u c h s t e lc aus auch unheimlich wirken. Wenn die » I ch w e r d ich t s e h e n w il l, w e s a ch t u n g Stadt intelligent wird, kann ich besser vor n is w e n n m a n a l e n Fo l g e n d ie M ausschauen, wo ich eventuell einen Park h k a t a s t ro p h u t z e s h a t .« platz bekomme. Ich kann schauen, ob es in dem Einkaufszentrum oder Café, in das ich sc d e s K li m a möchte, gerade sehr voll ist. Das ist viel leicht etwas gewöhnungsbedürftig. Aber das erste Smartphone ist gerade einmal Dahl zehn Jahre alt und an dessen Möglichkeiten C h ri s to p h vestiert man. Aber irgendwann muss haben wir uns auch sehr schnell gewöhnt. auch car2go schwarze Zahlen schreiben. muss es auch umgesetzt werden. Am ein Dahl: Was man von einer Stadt erwartet, fachsten lassen sich Menschen überzeu Dahl: Ich bin auch ein fleißiger Nutzer von ist, dass sie sauber ist, dass die Luft mög gen, wenn sie sich ansehen können, was car2go. Ich halte das Signal, das von der lichst rein ist, dass sie ressourcenschonend Veränderungen für sie bedeuten. Im Reduzierung des Geschäftsgebiets aus ist und einen öffentlichen Verkehr bietet, Grunde bräuchten wir in Stuttgart ein geht, für verheerend. Klar muss es sich der komfortabel ist. Wichtig ist, dass wir Quartier, einen Experimentierraum, wo rechnen, aber ich hätte als politisch Ver die Probleme, die Städte aktuell haben, sich die Menschen ansehen können, wie antwortlicher alles darangesetzt, darüber auch angehen. Wenn man etwa die Dis ein Zukunftsmodell aussieht und wie sich mit Daimler nochmals zu verhandeln. Ich kussion um die Stuttgarter Kulturmeile etwa Einfahrtverbote auswirken. kenne so viele, die sich darüber ärgern. verfolgt, muss man doch sagen, dass auch Wenn man zeigen will, dass Elektromobi das Probleme sind, die bewältigbar sind. Von 350.000 in Stuttgart zugelassenen lität und Carsharing funktionieren, dann Wir haben das Geld, wir haben die Möglich Autos sind gerade einmal 1.400 elek darf so etwas nicht passieren. keiten, wir haben das nötige Innovations trisch angetrieben. Und ein strapa- potenzial – und dann scheitert man an ein ziertes Motto lautet: „Teilen ist das Muss denn ein alternativer Antrieb paar Metern Straße in Stuttgart. neue Haben.“ Doch mit dem Teilen ist immer gleich E sein? es nicht so weit her. car2go hat jüngst Dahl: Nein, sicherlich nicht. Es erschließt Vielen Dank für das Gespräch.
s z e n a r i e n : Z u k u n f ts i t ä t 2 0 5 0 Mobil W ü r t t e m b e r g a d e n - e Mobilitä t für B omisch un d sozial na on ch ha ltig Fragen gib t se e in e ök ologisch, ök t au s s eh en? Auf die f ormation zu Wie k an n Z u ku n f r T ran s n -W ür t temberg in te m b e rg – Wege de re i mögliche in Ba d e en-W ü r t ntw ir ft d tu die „M obiles Bad “ A n t w or ten und e die S ät ltig en Mobilit einer n a ch h a ftigen M obilität. der zukün Szenarien Szenario 1: Neue Individualmobilität D ie Studie umfasst drei Sze narien, die Entwicklungs möglichkeiten bis zu den Jahren 2030 und 2050 aufzeigen. Szenarienübergreifende Ziele sind die Abbremsung des Klimawan dels und Verminderung des An stiegs der Erderwärmung auf die in Paris international verein barten Klimaschutzziele von 1,5 Szenario 2: Neue Dienstleistungen bis deutlich unter 2 Grad sowie die Orientierung an den von der UN verabschiedeten Nachhaltig keitszielen für 2030 (Sustainable Development Goals). Die vom Bund für Umwelt- und Natur schutz (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e. V., initiier te und von der Baden-Württem berg Stiftung beauftragte Studie wurde vom Öko-Institut, dem Fraunhofer-Institut für Arbeits Szenario 3: Neue Mobilitätskultur wirtschaft und Organisation (IAO), dem Institut für sozial-öko logische Forschung (ISOE) und dem IMU-Institut bearbeitet. Mit dieser Studie leistet die Baden- Württemberg Stiftung einen wis senschaftlich fundierten Beitrag zur laufenden gesellschaftlichen Debatte, wie Mobilität in Zukunft nachhaltig und aktiv gestaltet werden kann. Die vollständige Studie mit vielen Schaubildern und Analysen finden Sie unter www.bwstiftung.de/mobiles-bw Illustrationen Steffen Mackert 15
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft New m M a n n h e i Te x t _ A n aligen e tt e F ri sc h eh em teh t a uf einem an nh e i m se n ts s soll ei n Ort für Im Norden M n klin -Q u artier. E N ach mittag F ra E in ilitärge lände das w en ig zu sehen. M is t davon n. N och ims. alle werde austelle M a n nh e r öß te n B auf der g 16 Foto MVRDV Architekturbüro Rotterdam
Urbaner Eigensinn: der groß wie die Mannheimer Innenstadt. Entwurf des niederländischen Bis 2011 war es die größte Wohnsiedlung Architekturbüros MVRDV der US-Armee in Deutschland, in der gut 10.000 amerikanische Soldaten und ihre Familien lebten. In Zukunft sollen 9.000 Menschen hier ein neues Zuhause finden. Wenn aus Buchstaben Häuser werden Von den ursprünglich 70 Wohnblöcken der Amerikaner sind 20 Gebäude erhalten geblieben, die zurzeit saniert werden. An der Abraham-Lincoln-Allee stehen sechs viergeschossige Neubauten, moderne, weiße Kuben mit bodentiefen Fenstern und gepflegter Zufahrt in die Tiefgarage – sie sind die Botschafter des Wandels des Areals. Im Januar sind die ersten Bewoh ner ins Quartier eingezogen. Laura Todaro ist Unternehmens sprecherin der MWSP, einer Tochterge sellschaft der Stadt Mannheim und unter anderem für die Entwicklung von Frank lin zuständig. Todaro führt diejenigen, die mehr wissen wollen, ins Zeitstrom-Haus, eine Art Besucherzentrum mit einer klei nen Ausstellung zur Geschichte und dem Architekturmodell. Man braucht einige Minuten, um sich in dem Dickicht unzäh liger Miniaturhäuser, Bäume, aufgemal ter Wege und Parks zurechtzufinden. Eine kleine Gruppe von Häuschen fällt auf, die etwas unordentlich arrangiert wir L ken und blau, rosa und grün sind. Diese aura Todaro manövriert ih Reihenhaussiedlung hat sich das Archi ren Wagen im Stop-and-go tekturbüro MVRDV aus Rotterdam aus über das verwaiste Gelände. gedacht, das für seine ungewöhnlichen Vorbei an Gebäuden, die an Entwürfe international bekannt ist. Noch diesem grauen Januarnach eine Idee kommt von den Niederländern: mittag matt und zusammenhanglos in Hochhäuser, die wie Buchstaben gebaut der Gegend herumstehen. Ein müder Su sind. Auf der Platte ragen sie über die an permarkt. Eine traurige Kirche. Eine tote deren Gebäude hinaus: Ein „H“, ein „O“, Disco. Alle stehen sie leer. Trotz der Kälte ein „M“ und ein „E“. Home. Zuhause. fährt Laura Todaro mit geöffnetem Fens „Habt ihr sie noch alle?“, tönte es ter. Immer dann, wenn sie anfährt, hört aus dem Bauausschuss, als die Buchsta man ein seltsames Summen, und es ver benhäuser vorgestellt wurden. Darauf die schwindet, wenn sie anhält. Elektroautos Antwort von Konrad Hummel: „Ich ken sind so leise, dass man sie laut machen ne mehr Menschen, die sagen, ihr habt muss. Todaro nennt das den Ufo-Sound. sie nicht mehr alle, wenn ihr klassische Außerirdische, die hier landen Hochhäuser baut.“ wollten, hätten ihren Spaß. Das ehema Hummel war bis Ende 2016 der lige Benjamin-Franklin-Village, das die Chef von Laura Todaro. Die Umwand 27-Jährige der Besucherin vorstellt, ist so lung des militärischen in ein ziviles > 17
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft Bunt und lebendig – so soll sie sein, die Wohnsiedlung Funari auf Franklin Noch herrscht Baustellencharme: Alte Kasernengebäude werden saniert, erste Neubauten entstehen 18 Fotos MVRDV Architekturbüro Rotterdam (oben), Anette Frisch
Endlich ziehen die ersten Bewohner ein: Laura Todaro hat gute Laune Gebiet hat er als Geschäftsführer der MWSP maßgeblich mitbestimmt. Wer mit ihm spricht, bekommt Zweifel, dass er seit anderthalb Jahren in Rente ist, so sehr steckt er noch drin im Projekt. Der heute 66-Jährige ist nicht nur Stadt planer, sondern auch Sozialdemokrat und Soziologe. Das Soziale ist der Ariadne faden seines Lebens. Er hat den einstigen Geschäftsführer eines Alten- und Pflege i n e heims, Leitplaner im Sozialministerium i s t e » Fr a n k l i n l e i n e n . « und Buchautor sozialwissenschaftlicher Publikationen 2010 zu dem Mammutpro K jekt geführt. Und zu dem Anspruch, aus Franklin ein Quartier für alle zu machen. Für Junge und Alte, Arme und Reiche, Alt eingesessene und Zugezogene. Zur Miete S t a d t i m oder zum Kauf. Für diejenigen, die ein Loft suchen, eine Studentenbude, ein Rei henhäuschen, eine Wohngemeinschaft. Große Wohnung, kleine Wohnung, geho schienenen Stadtentwicklungsbericht der ben, einfach, teuer, günstig. So was wie Bundesregierung. Mit dem Programm das Ikea der Stadtplanung. lerem Einkommen das Wohnen in der „Soziale Stadt“ will der Bund Viertel Stadt nicht mehr leisten können und in stabilisieren und allen die Teilhabe an Die Stadt der Zukunft Randbezirke gedrängt werden. der Gesellschaft ermöglichen. Gesichert ist sozial – wirklich? Es besteht die Gefahr, dass Stadt durch sogenannte Quartiersmanager, die Vielfalt – nach Meinung von Stadtsozio gesellschaften auseinanderdriften und zwischen den unterschiedlichen Interes logen ist sie das Gewebe moderner Ur die Spaltung zwischen Arm und Reich sen vermitteln. banität. Städte seien Orte, wo man dem zunimmt – ein nicht ganz so neues Phä Fremden begegnet, Differenz erfährt, un nomen. Um der Entwicklung entgegen Ein Erotic-Center! terschiedliche Interessen aushandelt und zusteuern, einigten sich die Bauminister Ein Mehrgenerationenhaus! Kompromisse über das Zusammenleben der Europäischen Union mit der „Leipzig- Um die größtmögliche Vielfalt auf Frank schließt. Charta“ bereits 2007 auf eine gemein lin zu erreichen, haben Hummel und sein Allerdings führen die hohen Mie same Stadtpolitik. Die beispielsweise Team im Wesentlichen zwei Dinge getan: ten in den Metropolen zu wenig sozialer besagt, dass Städte zu gleichen Teilen Sie haben von Beginn an einen Pakt mit Mischung in den Vierteln. Seitdem der Bürgern, Verwaltung und Wirtschaft ge den Mannheimern geschlossen und ein Bund um die Jahrtausendwende sozia hören und dass einkommensschwache Zertifikat erfunden. Investoren mussten len Wohnungsbau nicht mehr fördert, ist Viertel sozial und kulturell integriert bestimmte Qualitätskriterien erfüllen, um bezahlbarer Wohnraum knapp gewor werden müssen. Auch die Bundesregie den Zuschlag für Franklin zu bekommen. den. Beim Mietpreis zählen Großstädte rung reagiert auf den Trend. „Nicht nur Dazu zählte beispielsweise, bezahlbaren wie München (17,28 Euro/m2), Frankfurt die physische Gestalt der Stadt, sondern Wohnraum und preiswertes Eigentum zu am Main (13,58 Euro/m2), Stuttgart (13,34 auch die sinnliche Erfahrung von Stadt schaffen. Circa 40 Prozent des Wohnungs Euro/m2) oder Freiburg (11,73 Euro/m2) zu in ihrer Vielfalt, Dichte und Lebendigkeit angebots auf Franklin liegen unter dem den Spitzenreitern. Mit der Folge, dass kennzeichnen Urbanität und die Qua Durchschnitt des aktuellen Mannheimer sich Menschen mit niedrigem und mitt lität als Lebensort“, heißt es im 2016 er Mietspiegels (9,92 Euro/m2). > Foto Andreas Henn 19
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft Jäger der verlorenen Schätze Marvin Kuhn findet Franklin ohne US-Armee auch nach acht Jahren noch komisch. Der Sohn eines afroamerikanischen Soldaten und einer Mannheimerin ist in der benachbarten US-Sied- lung Taylor Barracks aufgewachsen. Marvin Kuhn ist der Hausmeister von Franklin und hatte bis zum Einzug der ersten Bewohner viel Zeit, auf Schatz- suche zu gehen. In seinem Büro im Zeitstrom- Haus stehen sie, seine Schätze, die er sorgfältig aufgereiht in dem grünen Metallschrank hütet: kleine Plastikbeutel, wie man sie zum Einfrieren verwendet, randvoll mit Sand. Marvin Kuhn hat von jeder Stelle der 70 abgerissenen Wohnblöcke ein Schippchen Schutt mitgenommen. Wie die Asche von Verstorbenen ruht er hier. i s t Erfahren Sie online mehr über » Fr a n k l i n r - Marvin Kuhn und sein ungewöhnliches t e u e Hobby in unserem Multimedia-Porträt: e i n A be n www.perspektive-bw.de w i e r m i c h . « e l p l a t z f ü sp i The future sound of Mannheim Zurzeit sind die Büros der MWSP noch in mal vorgestellt. In Jugendzentren, Ge der Innenstadt. Das wird sich ab April än meinderäten und Seniorenclubs. Sie dern. Dann wird Laura Todaro von ihrem Auf Franklin gibt es Mietwohnungen zwi haben zahlreiche Foren und Workshops Fenster aus sehen können, wie sich Frank schen 6,50 Euro und 7,50 Euro pro Quad veranstaltet und die Bürgerinnen und lin verändert. Wie die bunte Reihenhaus ratmeter; Eigentum kostet 2.800 Euro pro Bürger um ihre Vorschläge gebeten: siedlung entsteht, die Buchstabenhäuser Quadratmeter – im Vergleich zu einem Erotic Center, Zeppelinfabrik, Industrie in den Himmel wachsen, die Bewohner durchschnittlichen Kaufpreis von 3.155 raus, Gärtnern für alle, Künstlerateliers, den Stadtacker von Franklin bestellen. Die Euro in Mannheim. Sportpark, Mehrgenerationenhaus. MWSP wird dann von hier das Stadtteil Bei der Bürgerbeteiligung gab sich 1.000 Ideen kamen zusammen, management übernehmen und versu das Hummel-Team nicht mit der gesetz 100 schafften es in die Bestenliste, nach chen, die Interessen von Bürgern, Kommu lichen Mindestanforderung zufrieden, dem sie von Bürgern, Planern und ne und Investoren in Einklang zu bringen. die unmittelbare Nachbarschaft einzu Architekten auf Sinn und Sachverstand Laura Todaro macht sich auf den Weg zu beziehen. Den Verantwortlichen war klar: geprüft wurden. Sie werden bis zum rück ins Büro. Der flirrende Ufo-Sound ihres Wenn sie ein Viertel für alle haben wollen, Projektabschluss 2025 umgesetzt. Für E-Autos begleitet sie. Auch wenn Besucher dann müssen sie alle erreichen. Auch die, die Umwandlung stehen der MWSP laut derzeit viel Vorstellungsvermögen brau die an Franklin noch gar nicht denken. Businessplan 220 Millionen Euro zur chen – Laura Todaro weiß, dass die Reise Deshalb ist das Hummel-Team Verfügung. Hinzu kommt eine Milliarde in die Zukunft Mannheims im Franklin in die Mannheimer Stadtteile ausge Euro, die Investoren in die Hand nehmen, Quartier begonnen hat. The future sound schwärmt und hat das Projekt erst ein um auf Franklin zu bauen. of Mannheim. So könnte er klingen.
, P r o t e s t , L i fe s t y l e n g t v e r s o r g u S e l b s s t R a u m p laner h ilipp S tierand i Dr. P T h e m a „Stadt d h a t über das u n g “ p ro m oviert. run und Ernäh ä r t e r , w ie es ew er k l Im Intervi e L a n dwirt- , da s s d i dazu kam t ropolen de n M e schaft aus w u n d en ist – und versch m p e lmöhre eS ch r u warum di lü ck li ch macht. g a st n e r _ D a n ie l K In te rv ie w Dr. Philipp Stierand ist Gründer und Autor des Blogs „Speiseräume“, in dem er Bauernhöfe in der Stadt – das klingt Landwirtschaft immer wieder direkt vor sich mit kommunaler Ernäh- nach Entwicklungsland, industriel- die Haustür der Stadtbewohner geholt. rungspolitik und Stadternäh- lem Niedergang oder Nachkriegszeit. rungsplanung beschäftigt. Ist Urban Farming Ausdruck von Not? Nun ist Baden-Württemberg aber Der 46-Jährige arbeitet in Philipp Stierand: Historisch gesehen, ja: weder im Krieg noch in der Krise ... der Naturkostbranche und Als es noch nicht möglich war, frische Klar, aber hierzulande gärtnern Menschen, ist Dozent für Agrar- und Lebensmittel zu transportieren oder zu weil sie mit der bestehenden Infrastruktur Ernährungspolitik an der lagern, wurden sie direkt in der Stadt unzufrieden sind und sich abhängig füh Dualen Hochschule Baden- produziert, bis in die Industrialisierung len. Der Wunsch ist da, zumindest einen Württemberg in Heilbronn. hinein. Auch in Krisenzeiten, etwa in Teil der eigenen Lebensgrundlagen wieder London im Zweiten Weltkrieg, wurde die selbst in die Hand zu nehmen. > Foto Anke Sundermeier 21
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft In der Essbaren Stadt Waldkirch gärtnern die Einwohner gemeinsam. Jeder darf mitmachen – und naschen und ernten, was er möchte. Woher kommt diese Unzufriedenheit? Einerseits wollen immer mehr Menschen gesunde, ökologisch verträgliche und fair produzierte Lebensmittel. Andererseits sind sie als Verbraucher bei der Suche da nach überfordert. Vor dem Supermarkt regal können sie kaum entscheiden, ob nun Produkt A, B oder C das beste ist. Aus dieser Ohnmacht heraus suchen sie nach alternativen Wegen. Was reizt die Leute am Selbstgärtnern? Eine dieser alternativen Möglichkeiten ist es, als Verbraucher selbst zum Gärtner zu werden. So hat man beim Obst und Gemüse vom Saatgut bis zur Ernte alles unter Kontrolle. Das ist doch toll: Ich pflanze ein Samenkorn ein, und es Start-up-Gründer Bastian Winkler unterstützt mit seinen wächst daraus Gemüse, von dem ich Gartensystemen die urbane Lebensmittelproduktion mich ernähren kann. Sicher, am Anfang kommt vielleicht auch erst mal eine ver schrumpelte Möhre dabei heraus. Hinzu Kulturkreisen durch das gemeinsame kommt ein zweiter wichtiger Aspekt der Gärtnern dabei unterstützen, sich in ihrer urbanen Gärten: Selbst wenn die Gemüse von Protest. Aber viele versorgen sich bei neuen Heimat zu verwurzeln. Es gab hun ernte mal nicht so groß ist, hat der spielsweise in Gemeinschaftsgärten mit derte solcher Gärten, lange bevor sie in der Gärtner ein Stück seiner Stadt mit ande Obst und Gemüse, das sie sich sonst nicht Öffentlichkeit wahrgenommen wurden ren gemeinsam gestaltet. Diesen Teil der leisten könnten. Sie bezahlen die Erträge oder „Hipster“ aufs Gärtnern aufmerksam Ernte darf man nicht unterschätzen. dann eben mit Arbeit und nicht mit Geld. wurden. Die heutigen Gemeinschaftsgärten in Was sind das für Leute, die da gärtnern? Deutschland sind übrigens in der Integra Warum ist das Thema Ernährung Hippies und Hipster? tionsarbeit entstanden. Den ersten inter gerade für Städte so wichtig? Für manche Menschen gehört ein Garten kulturellen Garten gab es 1996 in Göttin Die Ernährung leistet einen wesentlichen zum urbanen Lifestyle oder ist ein Zeichen gen. Man wollte Menschen aus anderen Beitrag für ein gesundes Leben. Städte 22 Fotos Initiative „Essbare Stadt Waldkirch“, Geco-Gardens
Einfach mal in Gemüse auf Urbane die Stadt beißen dem Parkdeck Garten-Geckos Blumen, Obst und Gemüse – in der „Essbaren 2013 stellte das Künstlerkollektiv „Ebene 0“ Bastian Winkler ist Agrarwissenschaftler und Stadt Waldkirch“ darf jeder gärtnern, naschen die ersten Hochbeete auf das Dach des Züblin- Doktorand an der Universität Hohenheim. und ernten, was er will. So das Prinzip. Welt- Parkhauses in der Stuttgarter Lazarettstraße. Im Sommer 2017 gründete er das Start-up weit setzen Bürgerinnen und Bürger die Idee Inzwischen stehen dort mehr Holzkonstruktio- Geco-Gardens: Die vertikale Biofarm für den in ihren Städten um. Wie Uschi Hollunder in nen als Autos. Das Parkhaus ist frei zugänglich, Balkon besteht aus mehreren Wannen und Waldkirch. Sie hat die Initiative „Essbare Stadt und so gärtnern dort nicht nur die Künstler, die einem ausgeklügelten Wasser- und Nährstoff- Waldkirch“ mitgegründet und dafür gesorgt, das Gelände auch für Ausstellungen, Lesungen kreislauf, bei dem der hauseigene Bioabfall dass die Einwohner in den Elzbeeten an der oder Filmabende nutzen, sondern auch Büro- verwendet wird. Das kleine Ökosystem für innerstädtischen Uferpromenade und im Ge- angestellte, Wohngemeinschaften und Familien. die urbane Lebensmittelproduktion steht auf meinschaftsgarten am Stadtrainsee gärtnern Sie schaffen damit eine grüne Oase an einem Flachdächern, Balkonen oder Innenhöfen und mitarbeiten können. „Wir möchten mit Ort, den man mit allem anderen als mit Garten- in Heidelberg und Freiburg sowie auf der unserer Arbeit dazu beitragen, dass der Anbau und Ackerbau verbindet. Außerdem verbessern Dachterrasse von „Brot für die Welt“ in Berlin. von Obst und Gemüse wieder wertgeschätzt sie die Ökobilanz der Stadt – und genießen Derzeit entwickelt das Team eine App, mit wird“, sagt Uschi Hollunder und plant mit bei der Gartenarbeit die Aussicht. der ungeübte Städter das Gärtnern erlernen den anderen schon das nächste Beet: einen www.ebene0.de können. Mit seiner Erfindung hat Winkler Kräuter- und Heilgarten. an seiner Uni den Ideenwettbewerb PUSH! www.essbare-stadt-waldkirch.de Campus Challenge gewonnen – derzeit hofft er auf eine Förderung der EU. www.geco-gardens.de müssen daran interessiert sein, dass es Ziehen nach dem Garten bald die bäuerlichen Betriebe in unseren Städten ihren Bürgern gut geht. Ernährung hat Farmen in die Städte? zusammenfasst, kann es nicht darum zudem viele Einflüsse auf verschiedene Urban Farming ist als Baustein für die gehen, ganze Städte zu versorgen. Eine Bereiche der Stadtentwicklung wie Wirt städtische Ernährungssicherheit interes sichere und nachhaltige Lebensmittel schaft oder Umwelt. Deshalb muss das sant. Lokale Ernährungs-Infrastruktur versorgung braucht die Vielfalt von lo Thema fester Bestandteil der Stadtpla gibt es kaum noch. Unsere Versorgung ist kal bis global. Urbane Landwirtschaft ist nung sein. abhängig von europaweiten und globa darüber hinaus aber Baustein für eine len Netzen, auf die wir begrenzten Ein nachhaltigere, sozialere Stadt. In ihr wer In anderen Ländern sind die Städte da fluss haben. Urban Farming hat allerdings den Lebensmittel wertgeschätzt, werden schon weiter ... seine Grenzen: Wenn man versucht, die gemeinsam Stadträume gestaltet und Ja. Allen voran die USA und Großbritan Natur in der Stadt mit hochtechnischen wird mit Optimismus an alternativen nien. Hier ist in den vergangenen Jahr Anlagen zu simulieren, führt das zu Möglichkeiten der Lebensmittelversor zehnten eine soziale Bewegung entstan industriellen Produktionsprozessen. Die gung gefeilt.
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft h e n , w a s M a c a r n i e d a w n o ch m enschlichen dern de n raus. Städte for im mer w ied er h e nfallsre ic h tu m lic h es – an das Ei ßerordent t o ft A u lauben. So entsteh w e n ig e g ng vie lleicht nur zu Anfa H o b le r Te x t _ Ir is Foto Stefano Boeri Architetti 24
Was? N anjing Green Towers, China Wann? Seit 2016 Wow! 1.100 Bäume aus 23 regionalen Gattungen, 2.500 Kletterpflanzen und Sträucher auf einer vertikalen Fläche von 6.500 m² Foto LEITNER ropeways In Nanjing entstehen zwei 200 und 107 Meter hohe Türme, die Was? M exicable in Ecatepec, Mexiko Mexicable ist die erste urbane Seilbahn durch ihre Pflanzenvielfalt Koh in Mexiko. Sie verbindet über sieben Sta lenstoffdioxid absorbieren und Wann? Seit 2016 tionen und auf einer Strecke von knapp 60 kg Sauerstoff pro Tag produ fünf Kilometern die Viertel der Stadt zieren. Das verantwortliche Mai Wow! Für die Strecke von etwa Ecatepec miteinander – bis weit hinein in länder Architekturbüro Stefano fünf Kilometern braucht die die in den Bergen gelegenen Armenviertel. Boeri arbeitet bereits an der Ent Seilbahn 17 Minuten – mit Ecatepec gehört zum Ballungsgebiet von wicklung ganzer Forest Cities in Bus oder Sammeltaxi dauert Mexiko-Stadt und hat etwa 1,6 Millionen China, zum Beispiel in Guizhou es bis zu einer Stunde. Einwohner. oder Liuzhou (Baubeginn 2020). Dort werden 30.000 Menschen leben können. Foto DISSING+WEITLING architecture Was? C ykleslangen, Dänemark Die sogenannte Fahrradschlange ist eine Touristenattraktion: Wann? Seit 2014 Etwa in Höhe der ersten Etage windet sich die Brücke 235 Meter lang zwischen den Wow! Kopenhagen hat ein ehrgeiziges Glasfassaden der Hafenfront hindurch. Ziel: zur besten Stadt für Fahrrad- Täglich nutzen mehr als 10.000 Radfahrer fahrer weltweit zu werden. das Bauwerk. > 25
Was? Empire City in Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam Wann? Voraussichtlich ab 2020 Wow! Im oberen Drittel des mit 333 Metern höchsten der drei Türme gibt es einen hängenden Garten: Sky Forest. Drei Wolkenkratzer auf einer Halbinsel des Saigon-Flusses plant der aus Karls ruhe stammende Architekt Ole Scheeren. Die Türme sollen auf einem mehrstöcki gen Podest stehen, das den Reisterrassen im Norden des Landes nachempfun den ist. Mit dem Megaprojekt erhält die Skyline der rasant wachsenden Metro pole Vietnams ein unverwechselbares Wahrzeichen. Foto Ole Scheeren © Buro-OS Was? S chwebende Tunnel unter Wasser, Norwegen Wann? Bis 2035 Wow! Wird der schwimmende Auto-Tunnel realisiert, ist er weltweit der erste seiner Art. Die zweispurigen Röhren schweben etwa 30 Meter unter der Wasserober fläche und werden von schwimmenden Pontons in Position gehalten. Der erste Tunnel soll im malerischen Sognefjord gebaut werden. Auf der knapp 1.100 Kilometer langen Strecke zwischen Kristiansand und Trondheim könnte die Pkw-Reisezeit von 21 auf etwas über zehn Stunden halbiert werden. Foto Norwegian Public Roads Administration (NPRA) Vianova
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft Was? S chwimmende Siedlungen Das Seasteading Institute aus San im Pazifik Francisco erarbeitet mit Französisch- Polynesien einen Leitfaden für schwim Wann? Voraussichtlich ab 2020 mende Städte. Das eigens gegründete Unternehmen Blue Frontiers wird die Wow! In den schwimmenden Städten sollen Inseln bauen und betreiben. Eine Sied die Menschen experim entieren: mit lung besteht aus etwa elf Modulen, neuen Methoden der Landwirtschaft die 200 bis 300 Menschen Platz zum und Energiev ersorgung. Wohnen bieten. Mehr zu den Zukunftsvisionen lesen und sehen Sie hier: www.perspektive-bw.de Foto Blue Frontiers 27
01/2018 Dossier: Stadt der Zukunft Wi e e s h g e f ä l l t euc als 6 0 Pro ze nt der W e ltb evö B lkerung ürger e n m e hr ne n u nd 2030 werd ha ben Bürgerin f t vorstellen. tädten le ben. Wir e L eben in Zukun in S ie sic h da s urban ie s gefragt, w r e lia Z e ig e h , Ir is H o b le r, C o rn e tt e F ri sc Te x t _ A n p a z i e ren .« D - Wa l d s i n e m 3 - i r g e h e n in e »W Haut. Er meldet, wenn sie nicht mehr ge sund sind, und automatisch kommt ein „Die Menschen hören einfach nicht Krankenwagen. auf, der Umwelt zu schaden. Weder in Ganz oben in dem Gebäude ist ein Deutschland noch in anderen Ländern. riesiger Raum. Da gehen wir in einem Deshalb nimmt die Erderwärmung zu. 3-D-Wald spazieren. Bäume gibt es kaum Das Leben wird in 20, 30 Jahren ganz noch, und es ist draußen für Spaziergänge anders sein. In den Städten gibt es riesige auch viel zu giftig oder zu heiß. Gebäude, in denen alles stattfindet. Wir An großen Städten kenne ich Dubai können sie nicht mehr verlassen, weil und Damaskus. In Dubai hat mein Vater alles so verschmutzt ist draußen. Es sind gearbeitet und wir waren sechs Jahre intelligente Gebäude: Sie machen aus der da. Es ist eine Stadt für die Reichen. Die Sonnenenergie Strom. Sie bereiten ihr Menschen sind nur mit dem Auto unter Fares Odeh geht in Stuttgart in die Wasser selbst wieder auf und reinigen wegs. Fahrräder dürfen im Zentrum gar zehnte Klasse der Neckar-Realschule. die Luft, die sie brauchen. nicht fahren. Seit einem halben Jahr ist er Stipendiat Die Menschen setzen Brillen auf An Stuttgart gefällt mir, dass hier beim Programm Talent im Land der und gehen damit virtuell zur Arbeit und alles so sauber und ordentlich ist. Die Bus Baden-Württemberg Stiftung. Wenn er zur Schule. Ich stelle mir vor, dass die Kin se und U-Bahnen fahren pünktlich. Aber sein Abitur hat, möchte der 15-Jährige der von Robotern erzogen werden. Alte die Luft ist stark verschmutzt und es gibt in Karlsruhe Elektrotechnik studieren. Menschen haben einen Chip unter der viele Staus.“ 28 Foto Privat
Martina Schneider ist in Bad Saulgau geboren, hat Modedesign studiert und viele große Städte kennengelernt, darunter San Francisco, Rom und Wien. Seit 2006 ist der Stuttgarter Marienplatz ihre Heimat. Dort leitet die 37-Jährige nicht nur die Szenelokale Pizzeria L.A. Signorina und Gelateria Kaiserbau – sie wohnt hier auch. Die Stuttgarter Zeitung kürte die Gastronomin deshalb zur „Prinzessin vom Marienplatz“. a m i l i e a us.« s i c h s e i ne F ht »Man suc Robo-Taxi aufgegabelt werden – keine Gastronomie oder Handel – Architekten Ahnung, wie das genau aussehen wird. planen heutzutage viel zu groß. In Zukunft „Vor Megacitys habe ich Angst. Ich glau Vielleicht verlieren Autos ihre Bedeutung gestalten sie flexibler. Für diejenigen, die be, da geht man unter. Eigentlich hätte und verschwinden aus der Stadt. Ich stelle sich selbstständig machen wollen, sind ich die Stadt gerne ein bisschen rück mir vor, dass das Leben dann noch mehr große Räume nicht bezahlbar. Wenn man wärtsgewandter, dörflicher, grüner. Die draußen stattfindet, weil die Straßen frei finanziell freier ist, kann man kreativer und rheinland-pfälzische Stadt Andernach hat sind von parkenden Autos. Kinder fahren verrückter denken. anstelle von Blumen Nutzpflanzen auf öf Fahrrad und Senioren spielen an der Ecke Ich lebe in einer Wohngemein fentlichen Grünflächen angepflanzt und Karten wie in einem italienischen Dorf. schaft, die werden in Zukunft zu Haus jeder darf ernten. Wenn man einen Salat Es wird keine reinen Wohngebiete gemeinschaften. Familien, Singles, Seni braucht, geht man einfach vor die Tür und mehr geben, sondern nur noch Stadtviertel oren und WGs werden sich Wohnungen pflückt einen. mit eigenem Charakter, in denen Men teilen und die Aufteilung den jeweiligen In der Stadt der Zukunft werden schen leben und arbeiten. Kleine Manu Lebenssituationen anpassen. In der Stadt wir anders mobil sein. Ob wir in autonom fakturen, Bars, Theater und Wochenmärkte der Zukunft sucht man sich seine Familie fahrende Züge steigen oder von einem sorgen für die perfekte Infrastruktur. Ob aus. Darauf freue ich mich.“ > Foto Dominique Brewing 29
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