JUGENDLICHE - SUCHTMAGAZIN

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JUGENDLICHE - SUCHTMAGAZIN
Jugendliche                                                            5/2021

  Lebenswelt und Werte              Tabak und Cannabis        Fokus: Digitale Welt
  Leid, Wut und Engagement          Cannabiskonsum und ein    LGBTIQ-Feindlichkeit
  Aktuelle Herausforderungen        geeigneter Jugendschutz   Sexismus im Internet
  Drei junge Frauen erzählen        Jugend und E-Zigaretten   Digitale Drogenräume
der Suchtarbeit und Suchtpolitik
Interdisziplinäre Fachzeitschrift
Inhalt

6        Zwischen Leid und Wut: Lebenswelten, Herausforderungen
         und Werte Jugendlicher in der Schweiz
         Sandro Cattacin, Marianne Mischler

11       Jugendliche erzählen: aufwachsen zwischen Ausgang,
         Freundschaft und der Corona-Pandemie
         Fachgespräch mit drei Jugendlichen

18       Jugend und E-Zigaretten: Lifestyle, Einstiegsdroge ins
         Rauchen, ins Nur-Dampfen?
         Heino Stöver, Bernd Werse, Jennifer Martens

24       Ist eine Alterslimite als Jugendschutz wirklich sinnvoll?
         Daniele F. Zullino, Sandro Cattacin

29       Sexismus und LGBTIQ-Feindlichkeit im Internet
         bei jungen Menschen
         Lea Stahel

34       Digitale Drogenräume – Schadensminderung bei jungen
         Freizeitdrogenkonsumierenden
         Koni Wäch, Michel Käppeli, Sevan Roggensinger

40       Fazit.
         ForschungsSpiegel von Sucht Schweiz
         Die Konfrontation der 16- bis 19-jährigen Jugendlichen
         mit Alkohol – offline und online

46       Newsflash

47, 48   Bücher

49       Veranstaltungen

50       Fotoserie: «Bro»
         Silas Zindel
JUGENDLICHE

                     Ist eine Alterslimite als Jugend-
                     schutz wirklich sinnvoll?
2021-5               Minderjährige sind von den Schweizer Cannabis-Pilotversuchen ausgeschlos-
Jg. 47               sen. Der Cannabis-Gebrauch durch Jugendliche wird allerdings durch Verbote
S. 24 - 27
                     nachweislich nicht verhindert. So stellt sich im Hinblick auf eine gesundheits-
                     orientierte Drogenpolitik weniger die Frage nach Verboten, sondern vielmehr
                     jene nach der Regelung des Zugangs zum Risikoprodukt.
                     Da nur bereits konsumierende Personen an den Versuchen teilnehmen, kommt
                     der Risikominderung der Viersäulenpolitik eine besondere Bedeutung zu. Es
                     gibt keinen ersichtlichen Grund, Adoleszente hiervon auszuschliessen.

                     DANIELE F. ZULLINO
                     Prof. Dr. med., Chefarzt, Service d’addictologie, Hôpitaux Universität Genf, Grand Pré 70, CH-1202 Genf,
                     Tel. +41 (0)22 372 55 60, daniele.zullino@hcuge.ch
                     SANDRO CATTACIN
                     PhD, Sozialwissenschaftler, Direktor des Instituts de recherches sociologiques, Universität Genf, Bd. du Pont d’Arve 40,
                     CH-1211 Genf 4, Tel. +41 (0)22 379 07 20, sandro.cattacin@unige.ch, https://tinyurl.com/2m3drfjr

Seit dem 15. Mai 2021 ist in der Schweiz      dete und daher auch eine besonders                 von einem erziehungsberechtigten Er-
eine Änderung des Betäubungsmittel-           schützenswerte Bevölkerungsgruppe.                 wachsenen begleitet sein. So ist in der
gesetzes (Artikel 8a BetmG) in Kraft          Früher Cannabis-Konsum, und hierbei                Schweiz z. B. der Verkauf alkoholischer
getreten, welches Pilotversuche mit der       insbesondere regelmässiger Konsum,                 Getränke an unter 16-Jährige verboten,
kontrollierten Abgabe von Cannabis zu         korreliert mit verschiedensten negativen           der Zugang zu alkoholischen Getränken
nicht medizinischen Zwecken zulässt.          Folgeerscheinungen, wie z. B. schlechte-           durch die Eltern aber nicht.
Diese Studien sollen insbesondere «Er-        ren exekutiven Funktionen, schlechteren                Damit Jugendschutz-Massnahmen
kenntnisse über die Auswirkungen eines        schulischen Leistungen, reduziertem                auch wirklich greifen können, gilt es al-
kontrollierten Zugangs zu Cannabis auf        verbalem IQ sowie Konsum weiterer                  lerdings auch stets zwischen repressiven
die physische und psychische Gesund-          Suchtmittel (Anderson et al. 2015).                Massnahmen und solchen, die der För-
heit der Konsumierenden und das Kon-          Auch scheint die Suchtentwicklung bei              derung Jugendlicher im Umgang mit den
sumverhalten liefern» (BAG 2021).             Jugendlichen im Vergleich mit erwach-              spezifischen Risiken dienen, abzuwägen.
    Obschon von wissenschaftlicher            senen Konsument:innen beschleunigt                 Ein sich lediglich auf ein gesetzliches
Seite, aus Kreisen der Prävention und         (Anderson et al. 2015).                            Verbot verlassender Jugendschutz trägt
teilweise auch von politischer Seite ein          Der Begriff Jugendschutz bezeichnet             ausserdem der Tatsache ungenügend
Einschluss von 16- bis 18-jährigen Ju-        im Allgemeinen rechtliche Regelungen               Rechnung, dass Jugendliche nicht etwa
gendlichen empfohlen wurde,1 sind auf-        und Massnahmen zum Schutz von Min-                 willenlose, zu keiner Entscheidung fä-
grund der entsprechenden Verordnung           derjährigen vor bestimmten (gesund-                hige Personen sind, sondern handelnde
(BetmPV2) Minderjährige von einer             heitlichen, sittlichen u. a.) Gefahren.            Subjekte, welche ohne Weiteres auch mit
Teilnahme an einer solchen Studie aus-        Hierbei bestehen unterschiedlichste Vor-           geltendem Recht im Widerspruch ste-
geschlossen. Das Ausschlusskriterium          stellungen darüber, wovor Jugendliche              hende Entscheidungen treffen können.
Minderjährigkeit wird hierbei hauptsäch-      zu schützen sind und bis zu welchem                    Die Fähigkeit, Risiken bis zu einem
lich mit der Notwendigkeit des Jugend-        Alter dieser Schutz durch den Staat                gewissen Mass abzuwägen und daraus
schutzes begründet. Im Folgenden soll         garantiert werden muss. Diese Vorstel-             Entscheidungen ableiten zu können,
hier die Stichhaltigkeit dieses Argumen-      lungen sind nur selten wissenschaftlich            wird eher durch Massnahmen unter-
tes untersucht werden.                        begründet und fussen grösstenteils auf             stützt, die den Umgang mit Risiken
                                              gegenwärtig vorherrschenden Denk- und              sowie die Risikokompetenz fördern.
Wieso bedürfen Jugendliche beson-             Verhaltensmustern in der jeweiligen Ge-            Solche Massnahmen sollten insbeson-
derer Aufmerksamkeit?                         sellschaft. Für gewisse Risiken gelten             dere bereits konsumierende Jugendliche
Jugendliche sind in Bezug auf die mit         zudem die Alters- und/oder Zugangs-                zu einem Konsum befähigen, der mit
Cannabiskonsum assoziierten Gesund-           beschränkungen nur eingeschränkt.                  möglichst geringen Risiken für die Ge-
heitsrisiken eine besonders gefähr-           Z. B. kann der Zugang zur Risikoquelle             sundheit und die weitere Entwicklung

                                                                     24
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einhergeht. Hierzu muss ihnen der Zu-            Die meisten Konsumierenden haben        Privilegs, wenn sich das Verbot nur auf
gang zu geeigneten evidenzbasierten          zudem keine verlässlichen Informatio-       Jugendliche bezieht, aber nicht auf Er-
Informationen über weniger schädliche        nen über die Eigenschaften und die Ge-      wachsene (wie im Falle des limitierten
Konsumformen und weniger schädliche          sundheitsrisiken der erworbenen Canna-      Zugangs zu den Pilotprojekten). Wenn
Cannabisprodukte erleichtert werden.         bisprodukte. Eine besonders bedenkliche     schliesslich gleichzeitig zur Alterslimite
Der Zugang zu dieser Information muss        Entwicklung in diesem Zusammenhang          das Verhalten als «verantwortungsbe-
nicht nur niederschwellig, sondern auch      ist das Auftauchen synthetischer Can-       wusstes Konsumieren» deklariert wird
attraktiv und akzeptabel für die Konsu-      nabinoide (Spice usw.), deren Wirkung       (z. B. drink responsibly), verstärkt es
mierenden gestaltet sein.                    nicht unbedingt identisch mit der des       den Privileg-Effekt, indem das Verhalten
    Ein wirksamer Jugendschutz bezieht       pflanzlichen Cannabis ist. Aufgrund          selbst grundsätzlich positiv besetzt wird.
idealerweise alle Ebenen der Prävention      der im Allgemeinen deutlich erhöhten             Ein mit dem Verbotene-Frucht-Mo-
mit ein. Er zielt im Sinne der Primär-       Potenz synthetischer Wirkstoffe hat ihr      tiv assoziierbarer Beweggrund für den
prävention auf die Verhinderung oder         Konsum auch häufiger schwere Neben-          Konsum eines verbotenen Produkts ist
zumindest Verzögerung des Konsum-            wirkungen zur Folge. Deren Risiko kön-      zudem das Konformitätsmotiv, d. h. die
beginns hin und umfasst im Sinne der         nen die Konsumierenden aufgrund der         Tendenz, sich an den Normen und Ver-
Sekundär- und Tertiärprävention die          fehlenden Information über die wirkli-      halten der Bezugsgruppe oder (Sub-)
Verhinderung einer Suchtentwicklung,         che Zusammensetzung des Produkts nur        Kultur zu orientieren. Das Persönlich-
die Früherkennung problematischer            selten zuverlässig abschätzen.              keitsmerkmal Konformität ist insbe-
Konsumformen, die Verhinderung von                                                       sondere bei Jugendlichen regelmässig
Folgeerscheinungen (inklusive Krimi-         Verbotene-Frucht-Motiv                      als signifikanter prädiktiver Faktor für
nalisierung), das Überführen zu risiko-      Drogenkonsum ist stets auch das Re-         problematischen Cannabis-Konsum
ärmerem Konsum, die Erleichterung des        sultat einer Wechselwirkung zwischen        festgestellt worden (z. B. Bresin & Me-
Kontaktes mit Beratung sowie eventuell       Identitätsentwicklung und Kultur, res-      kawi 2019; Cornel et al. 2014; Chabrol et
Therapie und die Förderung des Aus-          pektive Subkultur (Golub et al. 2005).      al. 2005; Anderson et al. 2015). Früher
stiegs.                                           Die vorherrschende Kultur und Sub-     Konsum scheint besonders stark durch
                                             kulturen beeinflussen die Popularität        Konformitätsmotive geprägt zu sein
Bietet die Prohibition einen wirksa-         von Drogen, indem sie ihrem Konsum          (Dash & Anderson 2015).
men Jugendschutz?                            eine bestimmte Bedeutung verleihen.
Dass sich der Konsum Jugendlicher            Das Motiv «Rebellion» ist in diesem Zu-     Erhöht die regulierte Freigabe den
durch die Repression nicht verhindern        sammenhang bei Jugendlichen wieder-         Konsum Jugendlicher?
lässt, dürfte derzeit unumstritten sein.     holt als signifikanter Prädiktor sowohl      Die Liberalisierung des Cannabiskon-
So ist in der Schweiz die 30-Tage-Prä-       für den Cannabis-Konsum als auch für        sums kann theoretisch den Konsum über
valenz des Cannabiskonsums in der            Cannabis-induzierte Probleme hervor-        mehrere Mechanismen beeinflussen:
Gruppe der 15- bis 19-Jährigen, und dies     gehoben worden (Lee et al. 2007). Etwas     Veränderungen der wahrgenommenen
trotz des Verbotes, 9.4 %, die Jahresprä-    Verbotenes zu tun, Regeln zu brechen,       Schädlichkeit, der sozialen Normen, der
valenz gar 20.8 % (Gmel et al. 2017).3       kann an sich Vergnügen bereiten und         Preise, der potenziellen rechtlichen Kon-
Das durchschnittliche Einstiegsalter         mag gleichzeitig, insbesondere bei Ju-      sequenzen, des Erwerbsaufwandes.
liegt bei ca. 16 Jahren, und in der Gruppe   gendlichen, identitätsstiftend sein (Fil-       Sollte der legale Zugang zu Can-
der 18- bis 19-jährigen Cannabiskonsu-       ley 1999).                                  nabis den Konsum erhöhen, sind die
mierenden haben ca. 35 % vor dem 18.              Solch eine Verbotene-Frucht-Haltung    volksgesundheitlichen Auswirkungen
Lebensjahr erstmalig konsumiert (Gmel        ist bei Jugendlichen ein signifikanter       davon abhängig, ob die Erhöhung auch
et al. 2017).                                Prädiktor für verschiedene Suchtver-        zu problematischeren Konsummustern
     Die aktuelle Cannabisprohibition        halten (Sussman et al. 2010; Binder et      führt. Dies wäre im Falle einer Zunahme
trägt dagegen zu den Gesundheits-            al. 2020; Bijvank et al. 2009) und kor-     jugendlicher Konsument:innen nicht
risiken bei (Fischer & Rehm 2017). Sie       reliert mit dem Persönlichkeitsmerk-        auszuschliessen, auch wenn von den
zwingt u. a. jugendliche Konsumierende       mal «Sensation-Seeking»4 (Bushman &         Auswirkungen des Gebrauchs illegalen
dazu, Cannabis vom Schwarzmarkt zu           Stack 1996), seinerseits ein Risiko-Fak-    (insbesondere hochpotenten) Canna-
beziehen, wo es wahrscheinlich mind.         tor für Suchtentwicklung. Verschiedene      bis, nicht unbedingt auf jene eines nach
genauso leicht erhältlich und zugänglich     Hypothesen versuchen den Verbotene-         gesundheitlichen Aspekten regulierten
ist, wie es auf legalen, aber regulierten    Frucht-Effekt zu erklären. Eine Erste        Cannabis extrapoliert werden kann.
Märkten der Fall wäre. Der Schwarz-          schlägt vor, dass das durch ein Verbot          In den US-Staaten, die eine Locke-
markt privilegiert im Allgemeinen aus        begründete Tabu eine positive Erregung      rung der Cannabis-Regulierung bereits
wirtschaftlichen Gründen hochpotente         und Erwartungshaltung auslöst (sog.         eingeführt haben, hat der Konsum unter
und hochriskante Cannabis-Produkte, da       Forbidden-Fruit-Reaction) (Pechmann         den Erwachsenen im Allgemeinen in den
sowohl deren Transport als auch deren        & Shih 1999). Gemäss einer weiteren         ersten Monaten zugenommen (Zvonarev
Konsum heimlicher erfolgen kann (Her-        These wird das Verhalten (beispielsweise    et al. 2019). Im Kontrast hierzu gibt es
zig et al. 2019).                            das Rauchen) zu einem Indikator eines       hingegen bis anhin keine Hinweise auf

                                                                25
JUGENDLICHE

eine signifikante Zunahme des Konsums        Schädigungen des Gehirns sowie andere       lich auch der Pilotprojekte) ist, dass so-
unter Minderjährigen (Laqueur et al.        Gesundheitsschäden nachweislich in          wohl der THC- und CBD-Gehalt als auch
2020; Smart & Pacula 2019a). In einigen     nicht unbeträchtlichem Masse vorkom-        Kontaminanten in den zur Verfügung
dieser Staaten hat die Prävalenz Canna-     men (Bunc et al. 2017; Anderson et al.      gestellten Produkten kontrolliert werden
bis-konsumierender Adoleszenter, ins-       2019).                                      können.
besondere jüngerer Teenager, gar abge-          Es handelt sich bei den Cannabis-           Daten aus den USA zeigen auf, dass
nommen (Zvonarev et al. 2019). Hierbei      Produkten um Risikoprodukte, deren          legale Kommerzialisierung den verfüg-
muss allerdings hervorgehoben werden,       Gebrauch nicht verhindert werden            baren Cannabis-Produktmix und die
dass alle diese Staaten eine Alterslimite   kann, deren Auswirkungen dennoch ent-       Verbrauchsmuster in erheblichem Mass
von 18 oder gar 21 Jahren mit eingeführt    gegengewirkt werden sollte. Dies gilt im    beeinflusst (Smart & Pacula 2019b). So
hatten. Interessant ist, dass der Konsum    besonderen Masse für die hiermit ver-       nimmt z. B. im Allgemeinen in Staaten
durch Jugendliche auch in Staaten abge-     bundenen Risiken der minderjährigen         mit legalisiertem Cannabis-Zugang so-
nommen hat, welche lediglich Zugang zu      Bevölkerung. So stellt sich im Hinblick     wohl bei Erwachsenen als auch bei Ju-
medizinischem Cannabis erlauben, hier-      auf eine gesundheitsorientierte Drogen-     gendlichen der Konsum mit Vaporizern
für aber keine Alterslimite kennen.         politik weniger die Frage, ob und für wen   (Verdampfern) zu.
    In einigen Staaten, welche die Pro-     der Zugang zu diesen Produkten ver-             Veränderungen der Drogenpolitik
hibition bisher beibehalten haben (z. B.    boten sein sollte, sondern vielmehr die     können sich aber auch signifikant auf
Nebraska und Idaho), ist es interessan-     Frage nach der Regelung eines solchen       Konsummotive auswirken (Mitchell
terweise im gleichen Zeitraum gar zu        Zugangs.                                    et al. 2016). Insbesondere könnte mit
einer Zunahme des Marihuanakonsums                                                      einem regulierten Zugang zu Cannabis
unter Jugendlichen gekommen (Zvona-         Der Ansatz der Schadensminderung            dem Verbotene-Frucht-Effekt entgegen-
rev et al. 2019).                           ist wesentlich                              gewirkt werden. Der Effekt auf die Kon-
    Eine Erklärung für die Abnahme des      Die Schweizer Viersäulenpolitik schliesst   summotive Jugendlicher unter veränder-
Konsums Minderjähriger mag sein, dass       die Schadensminderung oder Risikomi-        ter Gesetzeslage ist im Übrigen eine der
Cannabis nach der Regulierung für Ju-       nimierung ein. Da ausschliesslich bereits   derzeit wichtigsten Studienfragen.
gendliche weniger leicht zugänglich ist     konsumierende Personen an den Pilot-            Der Schadensminderungsansatz be-
als noch in einem durch hauptsächlich       versuchen teilnehmen dürfen, kommt          darf allerdings eines zumindest teilweise
illegale Dealer bedienten Markt.            dieser Säule somit eine besondere Be-       gebilligten Zugangs zum Risiko-Pro-
                                            deutung zu. Es gibt keinen ersichtlichen    dukt. Der unter strikten Bedingungen
Welche Alterslimite ist nun am              Grund, Adoleszente von dieser Viersäu-      straffreie Zugang zu legalem Cannabis
sinnvollsten?                               lenpolitik auszuschliessen, insbesondere    würde so u. a. die Wahrscheinlichkeit
So gestellt, lässt sich diese Frage auf-    angesichts der besonderen Vulnerabilität    des Kontaktes der Jugendlichen mit dem
grund der bestehenden Wissenslage           dieser Altersgruppe.                        Schwarzmarkt reduzieren.
nicht beantworten, da ein legaler Markt,        Die Alterslimite von 18 Jahren wird         In Anlehnung an die Regelungen,
welcher Zugang zu Cannabis für Minder-      minderjährige Konsumierende weiterhin       welche für Alkohol gelten, könnten auch
jährige mit einschliesst, nicht erforscht   zwingen, sich auf dem Schwarzmarkt          besondere Bedingungen für Minder-
werden konnte. Die Frage als solche ist     einzudecken und sich folglich weiter-       jährige definiert werden. So könnte die
aber in der Form auch eher unpassend        hin den hiermit einhergehenden Risiken      Menge von Cannabis, welche 16- bis
gestellt. Die Cannabisdebatte ist häufig     auszusetzen. Auch entfällt der mögliche     18-Jährige erwerben dürften, stärker
um eine falsche Dichotomie organisiert:     Kontakt mit den präventiven und scha-       limitiert werden als für volljährige Kon-
verbieten oder vollkommen frei geben,       densbegrenzenden Massnahmen der             sumierende. Auch könnte der Zugang auf
obschon zahlreiche Mittelwege eines ge-     Pilotprojekte. In der Gruppe der 15- bis    risikoärmere Produkte beschränkt sein,
regelten Zugangs zum Produkt Cannabis       19-jährigen Cannabiskonsumierenden in       z. B. mit einer tieferen maximalen THC-
möglich wären (Kilmer 2019).                der Schweiz weisen immerhin 17.6 % ei-      Konzentration. Schliesslich könnte der
    So ist auch die Neuausrichtung der      nen problematischen Konsum auf (Gmel        Verkauf verpflichtend an eine Beratung
Cannabis-Regulierung, wie sie durch die     et al. 2017).                               gekoppelt werden und einer Einwilligung
Pilotprojekte getestet werden soll, nicht       Die Verlagerung des bereits be-         durch Erziehungsberechtigte bedürfen.
gleichzusetzen mit dem Versuch einer        stehenden Cannabiskonsums auf einen             Für diejenigen Jugendlichen, denen
totalen Liberalisierung.                    legalen Markt bringt nicht nur staats-      ein risikoarmer Umgang mit Cannabis
    Basierend auf der Logik, wonach         ökonomische Vorteile (höhere Steuer-        nicht gelingt, sollte selbstverständ-
Risiko-Verhalten, und in unserem Fall       einnahmen, geringere Ausgaben für die       lich ein früher, schneller und für sie
Risiko-Verhalten von Adoleszenten,          Strafverfolgung), sondern erlaubt auch      akzeptabler Zugang zu Beratungs- und
durch gesetzlich verankerte Repression      eine deutliche Verbesserung des Ver-        Therapieangeboten im Sinne der Früh-
vorzubeugen sei, müssten auch gewisse       braucherschutzes (sichereres und kon-       erkennung und Frühintervention ge-
Sportarten wie Eishockey oder Fussball      sistenteres Produkt) (Smart & Pacula        währleistet sein.
für Jugendliche kategorisch verboten        2019b). Ein wesentlicher Vorteil eines
werden, da hierdurch schwerwiegende         staatlich geregelten Marktes (und folg-

                                                               26
SUCHTMAGAZIN                     5/2021

Literatur                                            Dash, G.F./Anderson, K.G. (2015): Marijuana            Smart, R./Pacula, R.L. (2019a): Early evidence
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Bijvank, M.N./Konijn, E.A./Bushman, B.J./Roe-           Consumption of alcohol, tobacco and illegal         Sussman, S. Grana, R./ Pokhrel, P./ Rohrbach,
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   arch and Public Health 17: o.S.                      Zürich, Genève: Seismo.
Bresin, K./Mekawi, Y. (2019): Do marijuana use       Kilmer, B. (2019): How will cannabis legaliza-         Endnoten
                                                                                                            1
   motives matter? Meta-analytic associations           tion affect health, safety, and social equity         Das vom Bundesamt für Gesundheit 2019 ab-
   with marijuana use frequency and problems.           outcomes? It largely depends on the 14 Ps.            gelehnte Genfer Projekt sah z. B. eine Gruppe
   Addictive Behaviour 99: 106102.                      American Journal for Drug and Alcohol Abuse           16- bis 18-Jähriger mit Risikokonsum vor.
                                                                                                            2
Bunc, G./Ravnik, J./Velnar, T. (2017): May hea-         45: 664-672.                                          Vgl. Verordnung über Pilotversuche nach dem
   ding in soccer result in traumatic brain in-      Laqueur, H./ Rivera-Aguirre, A./ Shev, A./ Castil-       Betäubungsmittelgesetz (PDF) auf der Web-
   jury? A review of literature. Medical Archive        lo-Camiglia, A. Rudolph, K.E./ Ramirez, J./           site des Bundesamtes für Gesundheit: htt-
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                                                                                                            3
Bushman, B.J./Stack, A.D. (1996): Forbidden             of cannabis legalization in Uruguay on adole-         Die 30-Tage-Prävalenz bezieht sich auf den
   fruit versus tainted fruit: Effects of warning       scent cannabis use. International Journal for         Anteil der Konsumierenden, die während der
   labels on attraction to television violence.         Drug Policy 80: 102748.                               letzten 30 Tage Cannabis konsumiert haben.
   Journal of experimental psychology: applied       Lee, C.M./Neighbors, C./Woods, B.A. (2007):              Die Jahresprävalenz ist der Anteil der Befrag-
   2: 207.                                              Marijuana motives: Young adults’ reasons              ten, der angegeben hat im Zeitraum des letz-
Chabrol, H./Ducongé, E./ Casas, C./ Roura, C.           for using marijuana. Addictive behaviors 32:          ten Jahres Cannabis konsumiert zu haben.
                                                                                                            4
   (2005): Relations between cannabis use and           1384-1394.                                            «Sensation Seeking» ist ein mehrdimensi-
   dependence, motives for cannabis use and          Mitchell, J.T./ Sweitzer, M.M./ Tunno, A.M./             onales Persönlichkeitsmerkmal. Es charak-
   anxious, depressive and borderline sympto-           Kollins, S.H./McClernon, F.J. (2016): «I use          terisiert eine Verhaltenstendenz, welche auf
   matology. Addictive Behaviour 30: 829-840.           weed for my ADHD»: A qualitative analysis             abwechslungsreiche und intensive Eindrücke
Cornel, H./ Daubitz, S./ Jüngling, K./ Schmidt,         of online forum discussions on cannabis use           (sensation engl. = Sinneseindruck, Empfin-
   A./ Seidel, A./ Straub, J. (2014): JDH-Stu-          and ADHD. PLoS One 11: e0156614.                      dung), Erlebnisse und Erfahrungen abzielt.
   die-Jugend, Drogen, Hintergründe. Erste           Pechmann, C./Shih, C.-F. (1999): Smoking
   Ergebnisse einer Befragung Berliner Jugend-          scenes in movies and antismoking adver-
   licher und junger Erwachsener. Berlin: Fach-         tisements before movies: Effects on youth.
   stelle für Suchtprävention Berlin gGmhH.             Journal of Marketing 63: 1-13.

                                                                             27
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finden Sie unter                    2 Mann und Sucht                   2   Frau und Sucht                  2   Digitalisierung
www.suchtmagazin.ch                 3 Suchtpolitik der Zukunft         3   Phänomenolgie des Konsums       3   Arbeit am Sozialen
                                      (Doppelnummer 3&4/2021)          4   Jugend heute                    4   Genetik
                                    5 Jugendliche                      5   Die Klientel der Zukunft        5   Sucht im Alter
                                                                       6   Sucht-Perspektiven              6   Schadensminderung, Sucht-
                                                                                                               politik, Suchthilfe konkret

                                    2018                               2017                                2016

                                    1   Human Enhancement              1 Freizeit                          1   Rückfälle
                                    2   Verhalten und Sucht            2 Suchthilfe im deutsch-            2   Sterben und Tod
                                    3   Vulnerable Jugendliche           sprachigen Raum                   3   Gesundheitsförderung
                                    4   Lebenskompetenzen                (Doppelnummer 2&3/2017)           4   Internationale Suchtpolitik
                                    5   Chancengleichheit              4 Alkohol                           5   Behandlung
                                    6   Rauchstopp, Digitalisierung,   5 Diversität                        6   Sport, Soziale Arbeit,
                                        Prävention                     6 Konsum, Prävention,                   Motivational Interviewing,
                                                                         Behandlung                            Alkoholabgabe

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Inserate                            1 Monat, Kündigung jeweils         Sabine Dobler, Gerhard Gmel,        ISSN
www.suchtmagazin.ch/inserate        auf Ende Kalenderjahr              Markus Meury, Monique Port-         1422-2221
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Inserateschluss Ausgabe 6/2021,                                        Lektorat
25. November 2021                                                      Sandra Bärtschi, Gabriele Wolf
Kommende
Schwerpunkte
Nr. 6/2021 — Aktuelle Themen
Inserateschluss: 25. November 2021
erscheint im Dezember 2021

Nr. 1/2022 — Corona-Pandemie
Inserateschluss: 25. Januar 2022
erscheint im Februar 2022

Nr. 2/2022 — Schadensminderung
Inserateschluss: 25. März 2022
erscheint im April 2022

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