Kapitalmarkt 2022 Holprig in die Silbernen Zwanziger
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Holprig in die Silbernen Zwanziger Präambel Holprig in die Silbernen Zwanziger zunehmen. Im Ergebnis sollten diese aus der Pandemie bedingten Faktoren jedoch eher als zeitliche Verschie- Prognosen und Einschätzungen insbesondere auf eine bung angesehen werden, falls sie denn so eintreten. kürzere Sicht sind immer mit Unsicherheiten verbun- Somit könnte das Jahr 2022 als eine Art Übergangsjahr den. Dies gilt uneingeschränkt auch für unseren Kapi- in die Geschichtsbücher eingehen. talmarktausblick 2022, da auch wir die Zukunft in allen Ausprägungen nicht vollends kennen können. Uns ver- Was sind nun die entscheidenden Parameter für eine anlasst dies, den Blick verstärkt auf die grundlegenden erfolgreiche Vermögensstruktur in den nächsten Jah- Trends der kommenden Jahre zu legen, da wir diese als ren? Bereits im Ausblick für das Jahr 2021 haben wir gesetzt bzw. unabwendbar ansehen. Insofern soll un- Nachhaltigkeit in nahezu allen Bereichen des gesell- ser diesjähriger Titel zum Ausdruck bringen, dass zwar schaftlichen und wirtschaftlichen Lebens als das zent- der Weg in die Silbernen Zwanziger möglicherweise mit rale Thema identifiziert. Gerade bei institutionellen, Hindernissen versehen ist, die zugrunde gelegten Rah- aber auch immer stärker bei privaten Anlegern bildet menbedingungen sich aber realisieren werden. die nachhaltige Geldanlage quasi das Fundament, auf dem alles andere aufbaut. Und dass erfolgreiches Wirt- Bei einer ausschließlichen Betrachtung des Kapital- schaften zukünftig nur im Einklang mit nachhaltigen marktes schien die uns alle belastende Pandemie bis Kriterien möglich sein wird, ist mittlerweile unbestrit- Ende November 2021 nicht mehr stattgefunden zu ha- ten. ben. Mit der Entdeckung der Omikron-Variante kehrt die Pandemie nicht nur im realen Leben, sondern auf- Die letzten Jahrzehnte zeichneten sich durch Liberali- grund der wirtschaftlichen Folgen und der damit ein- sierung, Globalisierung, sehr niedrige Inflationsraten hergehenden Verunsicherung auch in das Zentrum der und immer weiter sinkende Zinsen aus. Die großen No- Marktteilnehmer zurück. Vor diesem Hintergrund se- tenbanken mussten sich um Inflationsgefahren nicht hen wir uns veranlasst, für den Kapitalmarktausblick kümmern und versuchten bei Krisen durch massive mit zwei Szenarien zu arbeiten. In unserem mit einer Geldspritzen als Retter in der Not aufzutreten. Diese hohen Wahrscheinlichkeit angenommenen Basissze- Rahmenbedingungen dürften in den nächsten Jahren nario gehen wir davon aus, dass mittels etablierter zu relativieren sein. Nicht nur aufgrund der geostrate- oder neu zu entwickelnder Impfstoffe und Medika- gischen Spannungen zwischen den USA und China wird mente die Rückkehr zur neuen Normalität bereits im die internationale Arbeitsteilung zurückgedrängt und, ersten Halbjahr weitgehend gelingen wird. Im Risiko- wie bereits in der Pandemie sichtbar, wieder stärker re- szenario verzögert sich dies in Ermangelung wirksamer gionalisiert werden. Der Staat wird das Zepter ergreifen Medikamente spürbar. Allerdings dürften die mittler- und mittels massiver Eingriffe den Umbau in eine kli- weile gesammelten Erfahrungswerte ein Abtauchen maneutrale Zukunft gestalten. Zudem wird das Vertei- von Konjunktur und Börsen, vergleichbar dem Frühjahr lungsziel (gerechte Einkommens- und Vermögensver- 2020, zu verhindern wissen. Mit einer enormen Flexibi- teilung) wieder stärker im Mittelpunkt stehen. All diese lität passten die großen Unternehmen ihre Geschäfts- Dinge werden nicht zum Null-Tarif zu haben sein und modelle an und verzeichneten nicht selten Rekordge- tendenziell die Inflation befördern, so dass für die No- winne, und das trotz unterbrochener Lieferketten. tenbanken ihr primäres Ziel der Geldwertstabilität wie- der stärker in den Fokus rücken wird, ohne die gewalti- Bei der Auseinandersetzung mit den oben skizzierten gen Erfordernisse der Finanzierung dieser Transforma- Szenarien ergeben sich für die eher taktische Sicht un- tion gänzlich aus dem Auge zu verlieren. Für den Anle- terschiedliche Perspektiven. So dürften aus dem mög- ger werden somit weiterhin niedrige Zinsen, erhöhte lichen Risikoszenario mitnichten nur belastende Fakto- Inflationsaussichten und die sich aus dem Umbau der ren für den Aktienmarkt resultieren. Rückschritte im Gesellschaft liegenden Chancen im Mittelpunkt einer konjunkturellen Aufholprozess sollten sich dämpfend robusten Vermögensstruktur stehen. Die zugleich auf die Inflation auswirken und der Zinserhöhungs- größten Herausforderungen, aber eben auch Chancen, trend zumindest abgeschwächt werden. Dies wiede- lassen sich plakativ gut mit den sogenannten 3 Ds (De- rum stützt das Segment der sogenannten Wachstums- karbonisierung, Demographie, Digitalisierung) zusam- werte, da sie als besonders zinsempfindlich gelten. menfassen. Auch dürfte der Anlagedruck angesichts des dann noch länger vorherrschenden Negativzinses eher noch 2
Holprig in die Silbernen Zwanziger Zusammenfassung Weltwirtschaft bleibt im Aufschwung: Liquidität garantiert bei tiefroten Realzinsen BIP Welt +4,0 %, Kaufkraftverlust. BIP Euro-Zone +3,5 %, Die 5 Leitsätze der Anlagestrategie: BIP Deutschland +3,0 %, Investieren, Streuen, Inflationsschutz, BIP USA +4,0 %, Nachhaltigkeit und 3 D. BIP China +4,5 %. Vermögensstruktur: Inflationsraten in Deutschland und Euro-Zone Liquidität: keine permanente um 3 %, in den USA um 4 %. Berücksichtigung. USA: Höhere Leitzinsen Aktien: relativ betrachtet weiterhin sehr attrak- Federal Funds Rate Ende 2022: 0,50 % - 0,75 %. tiv; Gleichgewichtung von Substanz- und Value- Werten; Emerging Markets weiterhin Halten; Euro-Zone: Leitzinsen unverändert, Stock Picking bei ausgesuchten Value-Werten. Einlagesatz („Strafzins“): minus 0,50 %, Anleihen: bonitätsstärkere Euro-Unternehmens- Hauptrefinanzierungssatz: 0,00 %. anleihen, als Beimischung Fremdwährungsanlei- Euro bleibt unter Druck, US-Dollar kann in den hen; aktives Management empfohlen. Bereich um 1,10 USD klettern. Ergänzungsanlagen: attraktiv in defensiven In- Der Ölpreis (Nordseeöl Brent) stabilisiert sich dexzertifikaten mit fester Kuponzahlung. Rohstoffe: besetzen wir mit Gold und Aktien von um 75 USD pro Barrel. Minenbetreibern. Deutlicher Anstieg der Investitionen in saubere Energien notwendig, um Pariser Klimaschutzziel Bevorzugte Aktiensektoren zum Jahresstart: Banken, Nahrungsmittel und Industrie. zu erreichen. Substanzwerte sind bei höherer Inflation und be- Zunehmende Alterung der Bevölkerung erfordert Innovationen im Gesundheitsbereich. wertungstechnisch im Vorteil. Prognoserisiken, abwärts Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe erreicht Ende 2022 die Nullmarke. Impfstoffe mit eingeschränkter Wirkung enttäu- Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe schen, weitere Infektionswellen mit hoher Amplitude, relativ schwache Konjunkturerholung. klettert bis Ende 2022 auf Werte um 2,00 %. Handelskonflikt USA - China verschärft sich, Die Unternehmensgewinne bleiben auch in 2022 aufwärtsgerichtet, die Steigerungsraten normali- Welthandel schwächt sich ab. sieren sich aber wieder. Stagflation aufgrund anhaltend hoher Inflationsraten. Der Bewertungsexpansion sind angesichts des absehbaren Liquiditätsentzuges durch die No- Vertrauensverlust in die Notenbanken. tenbanken Grenzen gesetzt. Insolvenzwelle kommt mit Verzögerung. Der DAX bewegt sich in einer Bandbreite von Prognoserisiko, aufwärts 13.200 bis 17.500 Punkten; zum Jahresende: DAX 16.500 Punkte, Euro Stoxx 50 4.500 Zähler. Relativ harmlose Virus-Variante setzt sich weltweit durch. Strategie vor Taktik: Holprig in die Silbernen Zwanziger. Aufgestaute Nachfrage entlädt sich in deutlichen Gewinnsteigerungen der Unternehmen. 2 Risiken identifiziert: China und zu hohe Inflationsraten. Höheres Trendwachstum durch grüne Investitionen. Umbruchphasen führen zu höheren Schwankungen. Ausgedehnte Inflationierung der Vermögenswerte. Strategische Leitplanken: Nachhaltigkeit und die 3 D mit aktivem Management. Reduzierung der Strafzölle. 3
Holprig in die Silbernen Zwanziger Inhaltsverzeichnis Seite Präambel 2 Zusammenfassung 3 Szenarien 5 Volkswirtschaftliches Umfeld 6 Konjunktur 6 China 8 Inflation 10 Notenbanken 12 Staatsverschuldung 13 Währungen 14 Digitale Währungen 15 Rohstoffe 16 Die Silbernen Zwanziger 18 Dekarbonisierung 19 Demographie 20 Digitalisierung 21 Gesunde Ernährung für die Welt 23 Kapitalmärkte 2022 24 Rückblick 2021 24 Anleihemarkt 25 Aktienmarkt 27 Anlagestrategie 2022 30 Holprig in die Silbernen Zwanziger 30 Branchenüberblick 35 4
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Wie geht es weiter im Basisszenario? Wie geht es weiter im Alternativszenario? Pandemie: Das Infektionsgeschehen bleibt trotz des Pandemie: Das Infektionsgeschehen gerät in den ersten Auftauchens neuer Virus-Varianten unter Kontrolle. Die Monaten außer Kontrolle, weil die vorhandenen Impf- vorliegenden Impfstoffe schützen in ausreichender stoffe nicht gegen neue Virus-Varianten schützen. Die Form und es werden neue Vakzine entwickelt. Wirtschaft Verteilung wirksamer Vakzine kommt nur langsam vo- und Gesellschaft haben gelernt, mit dem Virus zu leben. ran. Konjunktur: Die „vierte Welle“, anhaltende Störungen Konjunktur: Das erneute weltweite Aufflammen der Pan- der Lieferketten und die eingeschränkte Produktion im demie sorgt für flächendeckende Lockdowns. Die Stö- industriellen Bereich lassen nur einen verhaltenen Jah- rungen der internationalen Lieferketten werden intensi- resauftakt zu. Der globale Aufschwung setzt sich jedoch ver, weil China wegen der „Zero-Covid“-Strategie Häfen mit einer gewissen Verzögerung fort. Einem relativ schließt. Statt des erwarteten globalen konjunkturellen schwachen Auftaktquartal folgt ein wachstumsstarkes Aufschwungs entwickelt sich eine weltweite Rezession. Sommerhalbjahr. Notenbanken: Die Notenbanken vollziehen eine Kehrt- Notenbanken: Die Notenbanken setzen die teilweise be- wende. Statt einer Straffung der Geldpolitik werden wie- reits begonnene Straffung der Geldpolitik fort, indem der verstärkt Anleihen erworben und den Kreditinstitu- sie die Anleihekäufe reduzieren. In den USA wird in der ten zusätzliche Refinanzierungsgeschäfte angeboten, zweiten Jahreshälfte die Leitzinswende beschlossen. In um weiterhin günstige Finanzierungsverhältnisse zu der Euro-Zone bleiben die Leitzinsen dagegen noch un- gewährleisten. verändert. Inflation: Die weltweiten rezessiven Tendenzen sorgen Inflation: Die Inflationsraten bleiben in den ersten Mo- für einen Einbruch der Energiepreise und einen breit an- naten des neuen Jahres auf einem ungewöhnlich hohen gelegten Rückgang der Verbraucherpreise. Die Inflati- Niveau, gehen anschließend jedoch spürbar zurück. Sie onsraten kommen schneller zurück als erwartet. fallen jedoch nicht wieder unter die Zielwerte der Noten- Unternehmensgewinne: Angesichts der einsetzenden banken. weltweiten Rezession erfolgt eine Welle von Gewinn- Unternehmensgewinne: Die Unternehmen profitieren warnungen. Die Unternehmensergebnisse gehen stark vom anhaltenden globalen Aufschwung und steigern zurück. ihre Ergebnisse. Die Zuwachsraten liegen jedoch deut- Renditen: Die wieder expansive Geldpolitik der Noten- lich unter denen des vergangenen Jahres. banken, rückläufige Inflationsraten und die heraufzie- Renditen: Die Konstellation aus rückläufigen Anleihe- hende Rezession lassen die Renditen sinken. käufen der Notenbanken bei gleichzeitiger Ausweitung Aktienmärkte: Die Aktienbörsen befinden sich im Span- des Anleiheangebotes durch die Finanzierung der staat- nungsfeld eines schweren Konjunktureinbruchs lichen Konjunkturprogramme sorgt für einen aufwärts (negativ) und einer zunehmend expansiven Geldpolitik gerichteten Renditetrend. (positiv). Die Abwärtskräfte dürften sich zunächst Aktienmärkte: Der Aufwärtstrend an den Aktienbörsen durchsetzen. setzt sich fort, da es weiterhin kaum Anlagealternativen Anleihemärkte: Im Zuge einer „Flucht in Sicherheit“ gibt. nimmt die Nachfrage nach deutschen und amerikani- Anleihemärkte: Trotz des aufwärts gerichteten Rendi- schen Staatsanleihen deutlich zu und lässt die Renditen tetrends bleiben Anleihen angesichts des nach wie vor wieder erheblich sinken. Unternehmensanleihen gera- niedrigen Renditeniveaus für die meisten Investoren ten unter Druck. uninteressant. Fazit Alternativszenario Fazit Basisszenario Das Infektionsgeschehen gerät auf kurze Sicht außer Das Infektionsgeschehen bleibt trotz neuer Virus-Vari- Kontrolle und sorgt für eine globale Rezession. Dem anten insgesamt unter Kontrolle und ermöglicht eine schwachen konjunkturellen Jahresauftakt folgt lediglich Fortsetzung des konjunkturellen Aufschwungs. Das eine verhaltene konjunkturelle Erholung. Die Silbernen neue Jahr steht für einen Umbruch/Übergang in die Sil- Zwanziger beginnen verspätet. bernen Zwanziger. 5
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Konjunktur: Aufschwung mit Verzögerung Ob und wann die traditionellen Neujahrswünsche in Er- Der Schwachpunkt des amerikanischen Datenkranzes füllung gehen, dürfte von der weiteren Entwicklung der bleibt das „Zwillingsdefizit“. Das Haushaltsdefizit be- Pandemie abhängen. Die „vierte Welle“ und die Unsi- trug im Fiskaljahr 2021 beachtliche 12,4 Prozent des cherheit, ob die vorhandenen Impfstoffe ausreichend BIP und dürfte 2022 erneut ungewöhnlich hoch ausfal- gegen die neue Virus-Variante Omikron schützen, wer- len. Und da die USA auch weiterhin mehr Güter und den wahrscheinlich zu einem verhaltenen konjunktu- Dienstleistungen importieren als exportieren, bleibt rellen Jahresauftakt führen. Vor diesem Hintergrund die Leistungsbilanz chronisch defizitär. Die Staats- fallen die Wachstumsschätzungen etwas geringer aus schuldenquote dürfte sich 2022 um 130 Prozent des als noch im Herbst angenommen. Den Aufschwung BIP bewegen. Zudem wird die Staatsverschuldung 2022 sehen wir nicht in Gefahr, er dürfte jedoch genau durch die kreditfinanzierten mehrjährigen Ausgaben- wie 2021 erst mit Verzögerung einsetzen. programme noch weiter steigen. USA: Konjunkturprogramme stützen Die Inflationsrate markierte im November mit 6,8 Pro- zent den höchsten Stand seit Jahrzehnten. Sie dürfte Die US-Wirtschaft hat nach einem verhaltenen 3. Quar- im Laufe des neuen Jahres zurückkommen, den Ziel- tal wahrscheinlich bereits im Schlussquartal wieder wert der US-Notenbank jedoch deutlich überschreiten. Fahrt aufgenommen. Für das Gesamtjahr 2021 zeich- Bei der den gesamten Warenkorb umfassenden Head- net sich eine Wachstumsrate des BIP von 5,8 Prozent line-Inflation rechnen wir für 2022 mit einem Jahres- ab. Eine bemerkenswerte Leistung, zumal die US-Wirt- durchschnitt zwischen 3,5 und 4,0 Prozent. Die von der schaftsleistung im Corona-Jahr 2020 nur um 3,4 Pro- US-Notenbank besonders beachtete Kernrate der pri- zent schrumpfte. Im neuen Jahr sollte sich der Auf- vaten Konsumausgaben dürfte 2022 zwischen 2,5 und schwung fortsetzen. In der Annahme eines auch in den 3,0 Prozent liegen. USA lediglich verhaltenen Jahresauftakts rechnen wir 2022 mit einem Zuwachs des US-BIP um 4 Prozent. Deutschland: Aufschwung mit Verzögerung Der Aufschwung in Deutschland verlief bisher recht holprig. Er wurde durch Corona-bedingte Einschrän- kungen und gestörte internationale Lieferketten ge- bremst. So ist die Industrie trotz voller Auftragsbücher zu Produktionskürzungen und Kurzarbeit gezwungen, weil wichtige Vorprodukte nicht vorhanden sind. Dem schwachen konjunkturellen Jahresauftakt folgte ein wachstumsstarkes Sommerhalbjahr. Die anhaltenden Probleme im industriellen Bereich und die vierte Corona-Welle deuten auf ein schwaches Schlussquartal hin. Für das Gesamtjahr 2021 zeichnet sich ein Zu- Treibende Kraft bleiben die privaten Konsumausga- wachs des BIP von 2,7 Prozent ab (2020: minus 4,6 %). ben. Sie profitieren vom Aufschwung am Arbeitsmarkt, Die Zutaten für einen kräftigen Aufschwung 2022 sind dem im Sommer 2022 die Rückkehr zur Vollbeschäfti- vorhanden. Das verarbeitende Gewerbe sitzt auf einem gung gelingen sollte. Die Konsumausgaben der priva- Auftragsbestand mit einer Reichweite von rekordho- ten Haushalte sind mit knapp 69 Prozent die bedeu- hen 7,4 Monaten. Die Bauwirtschaft erfreut sich sowohl tendste Komponente des amerikanischen BIP. Ein US- im Wohnungs- als auch im Gewerbebereich einer star- Aufschwung ohne florierenden privaten Verbrauch ist ken Nachfrage. Die privaten Haushalte verfügen über daher kaum möglich. Darüber hinaus wird die gesamt- ungewöhnlich hohe Sparguthaben, die eine kräftige wirtschaftliche Nachfrage in den kommenden Jahren Ausweitung der Konsumnachfrage erlauben. Die Angst durch staatliche Ausgabenprogramme stimuliert. Ne- vor Arbeitslosigkeit ist weiterhin gering, immer mehr ben dem bereits beschlossenen 1,2 Bill. US-Dollar Branchen klagen über Fachkräftemangel. Die Lohnan- schweren Paket zur Verbesserung der Infrastruktur ist hebungen dürften zudem höher ausfallen als in den ein Sozial- und Klimaschutzpaket im Volumen von 1,75 Jahren extrem niedriger Inflationsraten. Und die Zin- Bill. US-Dollar auf dem parlamentarischen Weg. sen sollten auch weiterhin niedrig bleiben. 6
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Trotz der guten Startbedingungen signalisieren be- 2 Bill. EUR für ein „grüneres, stärker digital ausgerich- deutende Frühindikatoren wie der ifo Geschäfts- tetes und krisenfesteres Europa“ zur Verfügung. klimaindex und die Einkaufsmanagerindizes jedoch Aber auch in den Ländern der Euro-Zone wird der Man- nur einen verhaltenen Jahresauftakt 2022. Die Störun- gel an Vorprodukten noch einige Monate seine Brems- gen der internationalen Lieferketten dürften zwar zum wirkung im industriellen Bereich entfalten. Gleichwohl Jahreswechsel den Hochpunkt erreichen, sich jedoch bewegten sich die Einkaufsmanagerindizes sowohl im nur langsam auflösen. Die Lieferschwierigkeiten wer- Dienstleistungssektor als auch in der Industrie klar den daher wohl noch einige Monate anhalten. Hinzu oberhalb der Wachstumsschwelle und signalisieren kommt die Unsicherheit über die Gefährlichkeit der damit die Fortsetzung des Aufschwungs. neuen Corona-Variante Omikron und der „Lockdown für Ungeimpfte“. Vor diesem Hintergrund dürften sich Die Auswirkungen der „vierten Welle“ sowie die Unsi- der erwartete Konsumboom und damit auch der Auf- cherheit über die neue Virus-Variante dürften - genau schwung verzögern. wie im Vorjahr - den Aufschwung verzögern. Wir gehen daher davon aus, dass die konjunkturelle Dynamik in den 19 Ländern der Euro-Zone zu Jahresbeginn relativ schwach ausgeprägt sein wird. Möglicherweise schrumpft das BIP sogar im 1. Quartal. Anschließend sollte erneut ein wachstumsstarkes Sommerhalbjahr folgen. Damit zeichnet sich für das Gesamtjahr 2022 ein Zuwachs des BIP um 3,5 Prozent ab. Das konjunkturelle Verlaufsmuster 2022 dürfte dem des Jahres 2021 ähneln: Einem schwächeren Jahres- auftakt folgen ein starkes Sommerhalbjahr und ein ver- haltenes Schlussquartal. Der Anstieg des BIP dürfte im neuen Jahr bei 3 Prozent liegen. Knapp die Hälfte des Wachstums resultiert dabei aus dem statistischen Überhang aus dem Vorjahr. Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien sind die Euro-Zone: NGEU und MFR unterstützen „Großen Vier“ der Euro-Zone. Sie stehen für rund drei Die Wirtschaftsleistung der Euro-Zone ging Anfang Viertel der Wirtschaftsleistung des Währungsraumes. 2021 nur moderat zurück, da Italien und Frankreich im Im Jahr 2021 dürften Frankreich (+6,6 %), Italien Gegensatz zu Deutschland einen positiven konjunktu- (+6,2 %) und Spanien (+4,2 %) deutlich stärker ge- rellen Jahresauftakt verzeichneten. Einem wachstums- wachsen sein als Deutschland (+2,7 %). Allerdings war starken Sommerhalbjahr dürfte allerdings ein lediglich die vorherige Rezession dort auch viel ausgeprägter. verhaltenes Schlussquartal folgen. Im Gesamtjahr Das BIP schrumpfte 2020 um 8 Prozent in Frankreich, 2021 zeichnet sich für die Euro-Zone ein BIP-Plus von 9 Prozent in Italien und 10,8 Prozent in Spanien. In 5 Prozent ab (2020: minus 6,5 %). Deutschland dagegen ging die Wirtschaftsleistung im In den kommenden Jahren erhält die gesamtwirt- Corona-Jahr 2020 „nur“ um 4,6 Prozent zurück. schaftliche Nachfrage in den Volkswirtschaften Euro- Auch 2022 dürften Frankreich (+3,5 %), Italien pas einen Sonderschub. Sie wird durch den mehrjähri- (+4,0 %) und Spanien (+3,5 %) stärker wachsen als gen Aufbauplan namens „NextGenerationEU“ (NGEU) Deutschland mit 3 Prozent. Ursächlich dafür sind der zusätzlich gestärkt. NGEU hat ein Volumen von 807 anhaltende Aufholprozess sowie die statistischen Mrd. EUR und dient der Beseitigung pandemiebeding- Überhänge aus dem Jahr 2021, die alleine etwa die ter Schäden, aber auch dem Umbau der Volkswirtschaf- Hälfte der 22er Wachstumsraten ausmachen. ten. Darüber hinaus stellt der europäische „Mehrjäh- rige Finanzrahmen 2021-2027“ (MFR) mehr als 7
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger China schottet sich ab: „Zwei Kreisläufe“ und „Gemeinsamer Wohlstand“ Die Volksrepublik China ist mit einem Bruttoinlands- „Zwei Kreisläufe“ produkt (BIP) von 14,9 Bill. US-Dollar die zweitgrößte Im Frühjahr 2021 wurde der 14. Fünfjahresplan für den Volkswirtschaft der Welt. Die Nummer eins sind die Zeitraum 2021 bis 2025 beschlossen. Er stellt in gewis- USA mit 20,9 Bill. US-Dollar. Beim BIP-Vergleich auf Ba- ser Weise eine Zeitenwende dar. Eckpfeiler des Planes sis der Kaufkraftparitäten überholte China allerdings ist die neue chinesische Wirtschaftsstrategie der „Zwei bereits 2017 die USA und liegt heute mit 24,2 Bill. US- Kreisläufe“ (Dual Circulation). Der bisher relativ ge- Dollar an der Spitze. ringe Binnenkonsum soll gesteigert und die Exportab- hängigkeit von den USA verringert werden. Über die Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette ist die Erschließung neuer Exportmärkte geplant. Einem ver- stärkten Warenaustausch mit den ASEAN-Staaten und Europa steht der Wunsch nach abnehmenden Handels- aktivitäten mit den USA, Kanada und Australien gegen- über. Darüber hinaus soll das Projekt der „Neuen Sei- denstraße“ vorangetrieben werden. „Innere Zirkulation“ China will sich in den kommenden Jahren auf die „in- Das Reich der Mitte glänzte in den vergangenen Jahr- nere Zirkulation“ konzentrieren. Sie beschreibt den in- zehnten als „Werkbank der Welt“ mit ungewöhnlich ho- nerchinesischen Kreislauf von Gütern, Dienstleistun- hen Wachstumsraten. Dem Aufschwung lag eine mer- gen und Konsumaktivitäten. Zudem sollen verstärkt In- kantilistische Außenhandelsstrategie zugrunde. Der vestitionen in ländlichen Regionen vorgenommen wer- Wohlstand des Landes sollte mit Hilfe möglichst hoher den, um die Mittelschicht zu fördern. Sie ist nach Ein- Außenhandelsüberschüsse gesteigert werden. Das ist schätzung der Staatsführung die fundamentale Grund- eindrucksvoll gelungen. Heute verfügt China über lage für das Funktionieren des inneren Kreislaufs. Währungsreserven von mehr als 3 Billionen US-Dollar. „Gemeinsamer Wohlstand“ Im Zuge des rasanten Aufschwungs der vergangenen Jahrzehnte wurde die Verteilung der Vermögen immer ungleicher. Der die Einkommensanteile messende Gini-Koeffizient ist in China etwa so hoch wie in den USA. Mit anderen Worten: Eine relativ kleine Bevölke- rungsgruppe besitzt einen sehr großen Teil des Vermö- gens. Gleichzeitig zogen die Preise für Häuser und Wohnungen immer weiter an, so dass der Erwerb einer eigenen Immobilie für viele Familien mittlerweile na- hezu unerschwinglich ist. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wuchs. Auf dem Weg zur globalen Nummer eins Die Staatsführung erkannte die daraus resultierenden Gemäß der „Made in China 2025“-Strategie will China Risiken und steuert massiv dagegen. Unter dem Motto bis 2025 die führende Hochtechnologie-Nation der „Gemeinsamer Wohlstand“ begann vor einem Jahr die Welt sein. In zehn strategischen Bereichen soll die glo- Umverteilung der Vermögen. Sehr hohe Gehälter bale Marktführerschaft erreicht werden. Der Fokus liegt werden beschnitten und Unternehmen spenden teil- auf der Halbleiter-Industrie, Künstlicher Intelligenz, weise riesige Summen, um den politischen Forderun- Robotertechnik, Elektromobilität und anderen Zu- gen nach mehr Gemeinnützigkeit gerecht zu werden. kunftsbranchen. Das Ziel ist die Stärkung der Mittelschicht und eine hö- Bis 2049 will das Reich der Mitte zum 100. Jubiläum here Zufriedenheit der Bevölkerung. der Staatsgründung schließlich zur führenden Wirt- schaftsmacht der Welt geworden sein. 8
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Zunehmende Regulierungen im Jahr 2021 dürfte 2022 ein Zuwachs von maximal 5 Prozent folgen. Im weiteren Verlauf der Silbernen Darüber hinaus wird die Marktmacht der Unternehmen Zwanziger rechnen wir mit einem Rückgang der Wachs- immer stärker beschnitten. So gab es massive Eingriffe tumsraten des BIP auf 3,5 bis 4 Prozent pro Jahr. im Technologiesektor und eine Regulierungswelle im Immobiliensektor. Zudem sollen Aktien chinesischer Energiewende erst ab 2030 Unternehmen nicht mehr an amerikanischen, sondern China forciert zwar seit Jahren den Ausbau der erneu- an heimischen Börsen notiert werden. Politisch uner- erbaren Energiegewinnung und besitzt die größten So- wünschte freizeitliche Aktivitäten wurden einge- larparks und Windparks der Welt. Gleichwohl ist das schränkt oder verboten. Betroffen sind u. a. der private Reich der Mitte weiterhin für rund 30 Prozent der glo- Bildungssektor sowie „westliche“ kulturelle Veranstal- balen CO2-Emissionen verantwortlich. Um eine dro- tungen im Unterhaltungsbereich. hende Energielücke zu vermeiden, forciert China den Politische Spannungen Bau neuer Kernkraftwerke. Zudem soll der Verbrauch von Kohle erst ab 2030 reduziert werden, da sie bis da- In China findet derzeit eine sehr seltene Konzentration hin für die Energieversorgung unerlässlich ist. der Macht statt. Nach Mao Zedong (1945) und Deng Xiaoping (1981) ist Xi Jinping erst der dritte Staats- ESG dominiert die Anlageentscheidungen und Parteichef mit einem zeitlich unbegrenzten Man- Die ESG-Kriterien werden bei der Anlageentscheidung dat. Als „Kern der Partei“ werden seine Vorstellungen und der entsprechenden Auswahl von Aktien und An- den beabsichtigten Wiederaufstieg Chinas zur globa- leihen international immer stärker berücksichtigt. len Supermacht maßgeblich lenken. China dürfte aus unterschiedlichsten Gründen beim Das politische Verhältnis zwischen China und den USA ESG-Test durchfallen. Damit wächst das Risiko, dass ist trotz des Regierungswechsels in den USA nicht bes- Unternehmen am Kapitalmarkt ins Abseits geraten, die ser geworden. Im Gegenteil: Chinas verstärktes Macht- in China produzieren oder ihre Produkte dort verkau- streben im Südpazifik und der Anspruch auf Taiwan ha- fen. Kostenintensive Produktionsverlagerungen in ben die Spannungen zuletzt sogar noch erhöht. ESG-konformere Länder sowie starke Umsatz- und Ge- winneinbrüche könnten die Folge sein. Die entspre- Zufriedenheit vor Wachstum chenden Aktien und Anleihen dürften unter Druck ge- Die seit Jahrzehnten bestehende Fokussierung der raten. Staatsführung auf die Wachstumsrate des BIP wurde Geraten China-Assets ins Abseits? 2021 vom Primat der Zufriedenheit der Bevölkerung abgelöst. Die deutliche konjunkturelle Abkühlung China entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehn- scheint mittlerweile jedoch Sorgen vor einem zu star- ten zu einem der führenden Akteure im Welthandel. ken Rückgang des Wachstums zu wecken, so dass sich Das Reich der Mitte ist mittlerweile der größte Han- das Politbüro bereits wieder mit wachstumsfördernden delspartner Deutschlands und mit seinen 1,4 Mrd. Maßnahmen beschäftigt. Menschen ein sehr bedeutender Absatzmarkt für Pro- dukte aus aller Welt. Darüber hinaus ist China ein zu- verlässiger Lieferant wichtiger Produkte und Vorpro- dukte. Ein großer Teil des globalen Aufschwungs ist „Made in China“. Zudem erwies sich das Reich der Mitte in den wirtschaftlichen Krisen der vergangenen Jahr- zehnte stets als ein Teil der Lösung. Hohe Wachstumsraten bei stabilen Preisen und eine solide Währung waren die Pluspunkte bei den Ent- scheidungen für chinesische Wertpapiere. Auf dem im- mer „grüneren“ Weg in die Silbernen Zwanziger könn- ten diese jedoch ins Abseits geraten. Je stärker näm- Gleichwohl dürften die Wachstumsraten in den kom- lich die ESG-Kriterien die Anlageentscheidungen prä- menden Jahren deutlich geringer ausfallen als bisher. gen, umso weniger dürften chinesische Wertpapiere Dem sich abzeichnenden BIP-Plus von knapp 8 Prozent künftig Berücksichtigung finden. 9
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Inflationsraten kehren nicht wieder unter die Zielwerte zurück Im vergangenen Jahrzehnt bewegten sich die Inflati- Hälfte des aktuellen Preisanstiegs auf die Energie- onsraten in Deutschland überwiegend unter dem Ziel- preise zurückzuführen ist. wert der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 Pro- zent. In der zweiten Jahreshälfte 2020 trugen sie sogar negative Vorzeichen. In Deutschland beruhen die hohen Inflationsraten zu- dem auf der im Januar 2021 eingeführten erstmaligen Bepreisung von CO2-Emissionen sowie der Rücknahme Seit Mitte 2021 wird der Zielwert übertroffen, zuletzt der Mehrwertsteuersenkung aus der zweiten Jahres- hat sich der Preisauftrieb stark beschleunigt. Im No- hälfte 2020. vember erreichte die Inflationsrate mit 5,2 Prozent den Wie geht es weiter? höchsten Stand seit Sommer 1992. Und auch im De- zember sollte noch einmal die Fünf vor dem Komma er- Die spannende Frage lautet: Sind die extrem hohen In- scheinen. Für das Gesamtjahr 2021 zeichnet sich damit flationsraten vorübergehender Natur oder müssen wir eine Inflationsrate von 3,1 Prozent ab (2020: 0,5 %). uns dauerhaft an höhere Teuerungsraten gewöhnen? Warum steigen die Preise so stark? Die Zentralbanken nahmen zunächst an, dass der extreme Preisauftrieb rasch wieder nachlässt. Mittler- Die Inflationsrate gibt den Anstieg der Verbraucher- weile geht der US-Notenbankpräsident davon aus, dass preise im Vergleich zum Vorjahr wieder. Sie beantwor- die Verbraucherpreise noch bis zur Jahresmitte 2022 tet die Frage: Um wieviel teurer (oder billiger) ist die ungewöhnlich hoch bleiben werden. Lebenshaltung heute als vor einem Jahr? Für abnehmende Inflationsraten spricht die Annahme, Die Inflationsmessung ist ein Jahresvergleich. Preis- dass sich die Energiepreise 2022 auf hohem Niveau treibende Einmaleffekte, wie beispielsweise eine Mehr- stabilisieren oder sogar leicht sinken. Insbesondere wertsteuererhöhung, wachsen also nach einem Jahr beim Öl sollte die Unterversorgung des Marktes 2022 wieder aus dem Index heraus. Grundlage des deut- beendet werden. Da die Inflationsmessung ein Jahres- schen Verbraucherpreisindex (VPI) ist der „Warenkorb“ vergleich ist, dürfte der energiepreisbedingte Preisauf- eines Durchschnittshaushalts aus rund 650 Gütern und trieb im Laufe des nächsten Jahres immer stärker ab- Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, für die jeden nehmen. Ende 2022 geht von den originären Energie- Monat die aktuellen Preise ermittelt werden. preisen möglicherweise sogar ein Abwärtsdruck auf die Starken Auftrieb erhielten die Verbraucherpreise zu- Verbraucherpreise aus. letzt durch die kräftige Erholung der Nachfrage bei ei- In Deutschland gibt es bereits im Januar 2022 eine Ent- nem langsamer wachsenden Angebot. So ist die In- spannung, wenn zwei Preistreiber aus dem VPI heraus- dustrie trotz voller Auftragsbücher zu Produktionskür- wachsen: Die Normalisierung der Mehrwertsteuer und zungen gezwungen, weil wichtige Vorprodukte nicht die CO2-Bepreisung. ausreichend verfügbar sind. Ursächlich sind die Stö- rungen internationaler Lieferketten und dadurch ent- Die Störungen der Lieferketten dürften zum Jahres- standene „Flaschenhälse“. wechsel ihren Hochpunkt erreichen, so dass sich die Engpässe im internationalen Warenverkehr im Laufe Der größte Preistreiber sind 2021 die Energierohstoffe. der ersten Jahreshälfte 2022 auflösen sollten. Damit Erdöl und Erdgas haben sich im Vorjahresvergleich würde der von den „Flaschenhälsen“ ausgehende massiv verteuert. Die EZB schätzt, das mehr als die knappheitsbedingte Preisauftrieb auslaufen. 10
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Was spricht für höhere Preise? Gemäß dem langfristigen Saisonmuster wird die deut- sche Inflationsrate 2022 etwa 2,5 Prozent betragen. Da Die Produzentenpreise sind in den vergangenen Mona- der übliche Saisonverlauf jedoch aus den o. a. Gründen ten extrem stark gestiegen. Die Unternehmen geben voraussichtlich übertroffen wird, zeichnet sich für das auf diese Weise ihre spürbar erhöhten Kosten für neue Jahr in Deutschland eine Inflationsrate von etwa Treibstoffe, knappe und teure Vorprodukte sowie pan- 3 Prozent ab. Anfang 2022 könnte zunächst noch die demiebedingte Sonderaufwendungen an ihre Kunden Vier, im Frühjahr dann die Drei und im zweiten Halbjahr weiter. Auf diese Weise finden die deutlich verteuerten die Zwei vor dem Komma stehen. Rohstoffpreise indirekt Eingang in den Warenkorb, mit dem die Verbraucherpreise gemessen werden. Euro-Zone mit weniger Preisauftrieb Die stark gestiegenen Inflationsraten reduzieren die In der Euro-Zone ist der Preisauftrieb geringer als in Kaufkraft der Verbraucher. Dies könnte bei den anste- Deutschland. Es fehlen die Sondereffekte aus der CO 2- henden Tarifverhandlungen zu erhöhten Lohnsteige- Bepreisung und der Mehrwertsteuer-Normalisierung. rungsraten führen, um den Kaufkraftverlust zu kom- Zudem stiegen die Preise in Frankreich und Italien pensieren. Sollten die Unternehmen die steigenden deutlich langsamer als in Deutschland und Spanien. Personalkosten zum Anlass nehmen, die Verkaufs- Für das Gesamtjahr 2021 zeichnet sich für die Euro- preise weiter anzuheben, könnte dies die befürchtete Zone ein Anstieg des Harmonisierten Verbraucher- „Lohn-Preis-Spirale“ auslösen. Löhne und Preise wür- preisindex (HVPI) von 2,6 Prozent ab (2020: 0,3 %). den sich gegenseitig aufschaukeln. Der Verbraucher- Die Europäische Zentralbank nimmt den HVPI der Euro- preisindex würde weiter steigen und nicht die erhoffte Zone als Messlatte für ihre Geldpolitik. Die Euro-Inflati- Normalisierung der Inflationsraten zulassen. Bisher ist onsrate soll genau 2 Prozent betragen. Das Ziel ist sym- zwar noch keine entsprechende Entwicklung in Sicht. metrisch. Abweichungen nach unten sind genauso un- Ausgeschlossen werden kann sie jedoch nicht. erwünscht wie Abweichungen nach oben, werden aller- Ein mögliches weiteres Einfallstor für höhere Verbrau- dings toleriert. Am Ende des zweijährigen Projektions- cherpreise stellt der Wechselkurs dar. Die jüngste Ab- zeitraumes soll der Zielwert erreicht werden. wertung des Euro gegenüber dem US-Dollar verteuert Die EZB ging noch im September von Euro-Inflationsra- die Einfuhr ausländischer Güter und Dienstleistungen. ten von 1,7 Prozent in 2022 und 1,5 Prozent in 2023 Auch diese importierte Inflation wird über Zweitrun- aus. Diese Werte dürften in der Dezember-Projektion deneffekte Eingang in den Warenkorb finden und die deutlich angehoben werden. Beide Werte sollten die Inflationsraten höher ausfallen lassen. Zwei vor dem Komma haben. Inflationssockel deutlich höher Inflationsraten bleiben länger höher Von besonderer Bedeutung für die Inflationsrate 2022 Die Inflationsraten sind derzeit nicht nur höher als er- ist die Entwicklung zum Jahreswechsel. Je weiter der wartet, sie werden voraussichtlich auch länger als er- Verbraucherpreisindex noch bis Dezember 2021 wartet ungewöhnlich hoch bleiben. Im Laufe des nächs- steigt, umso höher ist der Sockel, von dem aus das ten Jahres sollte jedoch eine Entspannung einsetzen neue Jahr begonnen wird. Der statistische Überhang und die Teuerungsraten schrumpfen lassen. Der Preis- aus dem Jahr 2021 liegt aktuell bei 1,6 Prozent. Mit an- auftrieb dürfte jedoch auch nach der erwarteten Stabi- deren Worten: Würde das Preisniveau das gesamte lisierung der Energiepreise durch Zweitrundeneffekte Jahr 2022 auf dem Stand vom Dezember 2021 verhar- gestützt bleiben. Damit werden die Inflationsraten ren, ergäbe sich für 2022 eine Inflationsrate von 1,6 auch weiterhin höher ausfallen als vor der Pandemie. Prozent. Dies ist wenig wahrscheinlich. Eine Rückkehr zu den niedrigen Werten der Vorjahre ist Inflationsraten Deutschland (ab Dez. 2021 Prognose) wenig wahrscheinlich, die Deflationssorgen dürften damit der Vergangenheit angehören. Fazit: Sollten sich die Inflationsraten im Bereich des Zielwertes der EZB stabilisieren, fehlt künftig der An- lass für eine extrem expansive Geldpolitik. Die EZB be- gründete schließlich die umfangreichen geldpoliti- schen Lockerungen stets damit, die zu tiefen Inflati- onsraten wieder an den Zielwert zu führen. 11
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Notenbanken haben mit der Leitzinswende begonnen Die internationalen Notenbanken schlugen nach der Fi- Von der Europäischen Zentralbank (EZB) gibt es bis- nanzmarktkrise 2009 den Weg einer „unkonventionel- her keinen vergleichbaren Plan. Mitte Dezember wird len Geldpolitik“ ein. Er beinhaltete u. a. drastische Leit- ein Beschluss über die Ausgestaltung der Geldpolitik zinssenkungen sowie den Erwerb von Anleihen. 2022 erwartet. Es ist davon auszugehen, dass das Pan- demie-Notfallanleihekaufprogramm namens PEPP Ab 2016 begann die US-Notenbank mit dem Ausstieg Ende März ausläuft. Es hat ein Volumen von 1,85 Bill. aus der expansiven Geldpolitik. Sie erhöhte die Federal EUR, von denen bisher gut 1,5 Bill. EUR investiert sind. Funds Rate in zahlreichen kleinen Schritten auf 2,5 Pro- zent, kehrte jedoch angesichts der Corona-Pandemie zur Nullzinspolitik zurück. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte den Haupt- refinanzierungssatz im April 2016 auf die Nulllinie und beließ ihn dort bis heute. Darüber hinaus erwirbt die EZB im Rahmen des noch aus Zeiten der Euro-Krise stammenden Kaufpro- gramms namens APP jeden Monat Anleihen im Wert von 20 Mrd. EUR. Eine komplette Einstellung der Anleihekäufe analog zu den USA ist in Europa wenig wahrscheinlich. Zumal an- Wie geht es weiter? haltend niedrige Renditen erforderlich sind, um die Die US-Notenbank (Fed) präsentierte im Oktober ei- Schuldentragfähigkeit selbst hoch verschuldeter Staa- nen Plan für den Rückzug aus der extrem expansiven ten wie Italien wieder vollständig herzustellen. Geldpolitik. Seit November reduziert sie die Anleihe- Realistisch erscheint eine Flexibilisierung des APP- käufe von monatlich 120 Mrd. US-Dollar und lässt sie Programms. So könnte von einer Festlegung des mo- voraussichtlich bis zum nächsten Sommer auslaufen. In natlichen Kaufvolumens abgesehen werden und für die der zweiten Jahreshälfte 2022 sehen die aktuellen Pro- Käufe ist denkbar, diese nicht mehr mit dem Kapital- jektionen der Fed die Leitzinswende vor. Die Federal schlüssel zu unterlegen. Bisher dürfen nämlich nur so Funds Rate soll von aktuell 0,00 bis 0,25 Prozent um 25 viele Staatsanleihen eines Landes erworben werden, Basispunkte angehoben werden. Wahrscheinlich er- wie es Anteile an der EZB hält. Beim PEPP-Programm folgt 2022 sogar eine zweite Zinserhöhung. In den Jah- galt die Aufteilung gemäß dem Kapitalschlüssel von ren 2023 und 2024 sind weitere Anhebungen vorgese- vornherein nicht. hen. Langfristig sieht die Fed den US-Leitzins bei 2,50 Prozent. Leitzinswende hat begonnen Der Leitzinstrend geht seit Monaten weltweit nach oben. Immer mehr Notenbanken aus der „zweiten Reihe“ haben die Zinswende bereits vollzogen. Dazu zählen Kanada, Norwegen, Neuseeland, Polen, Tsche- chien, Ungarn und Brasilien. Großbritannien steht an- scheinend kurz davor. Seitens der EZB gibt es jedoch bisher keine Signale, dass sie 2022 die Zinsschraube anziehen wird. Sie scheint weiterhin bestrebt, die Leitzinsen so lange wie irgendwie vertretbar nahe der Nulllinie zu halten. 12
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Staatsverschuldung: Aus den Schulden wachsen Die Corona-Pandemie führte nicht nur zu einer schwe- würde die Quoten zwar schneller abschmelzen lassen, ren globalen Rezession, sondern auch zu einer massi- sollte jedoch nicht in Erwägung gezogen werden. ven Ausweitung staatlicher Schulden. Schätzungen des Nach dem folgenden Szenario läge die Schulden- Internationalen Währungsfonds zufolge wird die welt- standsquote Deutschlands bereits 2027 wieder unter weite Staatsverschuldung 2021 auf rund 100 Billionen der Maastrichter Grenze von 60 Prozent des BIP. US-Dollar steigen. Das entspricht einer öffentlichen Schuldenstandsquote von etwa 100 Prozent des globa- Dazu wurden folgende Annahmen getroffen: Die Schul- len Bruttoinlandsprodukts (BIP). den erreichen 2023 mit 2.550 Mrd. EUR ihren Höchst- wert und bleiben auf diesem Niveau mehr oder weniger Im Pandemie-Jahr 2020 erhielten die Schuldenstands- konstant. Das deutsche BIP wächst 2021 um 2,5 Pro- quoten (Summe öffentlicher Schulden in Relation zum zent, 2022 um 4 Prozent, 2023 um 2 Prozent und da- nominalen BIP) einen doppelten Schub, denn sie stie- nach jährlich um 1 Prozent. Die Inflationsrate liegt gen sowohl durch den konjunkturellen Einbruch als 2021 bei 3 Prozent, 2022 bei 2,5 Prozent, 2023 bei auch durch die zusätzlichen Kredite zur Finanzierung 2 Prozent und danach jährlich bei 1,5 Prozent. Kleinere staatlicher Hilfsprogramme. Abweichungen von den angenommenen Werten haben In Deutschland erhöhten sich die staatlichen Verbind- keine nennenswerten Auswirkungen auf das Ergebnis. lichkeiten nach Berechnungen des europäischen Sta- tistikamtes Eurostat im Jahr 2020 um 267 Mrd. EUR auf 2.325 Mrd. EUR. Die Schuldenstandsquote stieg auf 69,8 Prozent des BIP. Ein Jahr zuvor war sie erstmals seit 2002 wieder unter die im Maastrichter Vertrag fest- gelegte Obergrenze von 60 Prozent des BIP gefallen. Der höchste Wert wurde 2010 gemessen. Nach der Fi- nanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 schnell- ten die Schuldenstandsquoten nach oben. Deutsch- land verzeichnete im Jahr 2010 mit Verbindlichkeiten von 2,1 Bill. EUR eine Rekordquote von 82,3 Prozent Quelle: eigene Berechnungen des BIP. Im Nachgang der Krise gelang es, die deut- schen Schulden im Bereich von 2,2 Billionen EUR zu Sollten die Wachstumsraten des BIP und / oder die In- stabilisieren. Ab 2015 erfolgte ein moderater Schul- flationsraten in den kommenden Jahren etwas höher denabbau. Gleichzeitig wuchs das nominale Bruttoin- ausfallen als im Szenario angenommen, wird die Schul- landsprodukt von 2,4 Bill. EUR im Jahr 2009 auf 3,4 Bill. denstandsquote bereits 2026 wieder unter der Ober- EUR im Jahr 2019. Die Schuldenstandsquote verrin- grenze von 60 Prozent des BIP liegen. gerte sich auf knapp 60 Prozent des BIP. Den größten Vor diesem Hintergrund hat die neue Bundesregierung Beitrag zum Abbau leistete nach Berechnungen der keine Veranlassung, Steuern und Abgaben zu erhöhen Wirtschaftsforschungsinstitute mit etwa drei Vierteln oder investive Ausgaben zu kürzen, um die Staatsver- das nominale BIP. schuldung zu reduzieren. Sie würde damit die gesamt- Deutschland wuchs seinerzeit in zehn Jahren aus den wirtschaftliche Nachfrage schwächen und die immer überhöhten Schulden heraus. In den kommenden Jah- noch fragile konjunkturelle Erholung gefährden. ren dürfte dieses Modell erneut Anwendung finden, Fazit: Der Weg aus der stark gestiegenen Verschuldung wobei der Erfolg diesmal schneller eintreten dürfte als sollte wieder über den Wachstumspfad führen. Die im vergangenen Jahrzehnt. Damit dies gelingt, sollten neue Bundesregierung dürfte daher größtmögliche die Wachstumskräfte in Deutschland gestärkt werden. Anreize setzen, um private Investitionen anzuregen. Bei der Strategie des Herauswachsens muss die im Sie werden ohnehin erforderlich sein, um die sich ab- Zähler stehende Summe der Schulden langsamer zeichnenden riesigen Beträge aufzubringen, die für wachsen als das im Nenner stehende nominale BIP. Auf den „grünen“ Umbau der Volkswirtschaft und die Be- diese Weise verringert sich die Quote von Jahr zu Jahr. kämpfung des Klimawandels erforderlich sind. Es gilt: Der Prozess beschleunigt sich bei höheren Inflations- Je höher die Wachstumsraten des BIP sind, umso raten. Eine Politik der verstärkten Inflationierung schneller sinkt die deutsche Schuldenstandsquote. 13
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Währungen: Euro unter Druck Die europäische Gemeinschaftswährung erlebte im gierte auf die überschießenden Inflationsraten mit ei- Frühjahr 2020 ihren vorerst letzten Höhenflug, als die ner Straffung ihrer Geldpolitik. Sie reduziert seit No- EU-Kommission den mehr als 800 Mrd. EUR schweren vember ihre Anleihekäufe und wird voraussichtlich im Aufbauplan „NextGenerationEU“ beschloss. Mit ihm zweiten Halbjahr 2022 erstmals seit Jahren wieder den wurde die Erwartung verbunden, die Europäische Wäh- Leitzins erhöhen. Von der Europäischen Zentralbank rungsunion könnte in absehbarer Zeit um eine Fiskal- (EZB) gibt es bisher keine vergleichbaren Signale. union ergänzt werden. Seit dem Frühjahr 2020 ist die Rendite 10-jähriger Der Höhenflug des Euro endete mit dem Beginn der Staatsanleihen in den USA von 0,60 auf rund 1,50 Pro- Corona-Pandemie. Und als sich zudem immer stärker zent gestiegen. In Deutschland liegt die vergleichbare abzeichnete, dass die Leitzinswende in den USA bereits Bund-Rendite immer noch im Bereich um minus 0,30 2022 eingeleitet wird, geriet der Euro zusätzlich unter Prozent. Der US-Renditevorsprung von rund 180 Basis- Druck. punkten stärkte die Nachfrage nach US-Anleihen und damit auch den US-Dollar. Nimmt man die tatsächliche Kaufkraft als Maßstab, so ist der US-Dollar aktuell deutlich überbewertet. Der an- Wie geht es weiter? Konjunkturell gesehen dürften die gemessene Wechselkurs des Euro liegt nämlich gemäß USA im neuen Jahr etwas stärker expandieren als die der Kaufkraftparität im Bereich zwischen 1,35 und 1,45 Euro-Zone. Bezogen auf die Leitzinsen und die Rendi- US-Dollar. Aktuell kostet der Euro jedoch lediglich etwa ten sollte sich der US-Vorsprung vergrößern und wei- 1,13 US-Dollar. teren Abwärtsdruck auf den Euro ausüben. Realistisch erscheint daher ein Rückgang des Euro in den Bereich Der Wechselkurs einer Währung soll der Stärke der um 1,10 US-Dollar. Sollte sich die Gemeinschaftswäh- Volkswirtschaft entsprechen, die sie repräsentiert. Die rung dort nicht stabilisieren können, erscheint selbst Wirtschaft schrumpfte im Corona-Jahr 2020 in den USA ein Test der Marke von 1,05 US-Dollar möglich. nur etwa halb so stark wie in der Euro-Zone. Zudem er- folgte die konjunkturelle Erholung in den USA in einem Leitzinswende stärkt die „zweite Reihe“ deutlich höheren Tempo als in Europa. Aus diesem Aufwertungspotenzial besitzen die Wechselkurse der Blickwinkel ist die aktuelle Stärke des US-Dollar also Währungen stabiler Volkswirtschaften, deren Noten- nachvollziehbar. banken bereits die Leitzinswende vollzogen haben Die US-Währung besitzt jedoch Schwachstellen. So oder sie in absehbarer Zeit beschließen und im neuen würden das relativ hohe Haushaltsdefizit und die chro- Jahr fortsetzen. Zu ihnen gehören Neuseeland, Norwe- nisch defizitäre Leistungsbilanz eine „normale“ Wäh- gen und Großbritannien. rung unter Druck setzen. Da der US-Dollar jedoch die Diese Notenbanken reagieren mit der Leitzinswende mit Abstand bedeutendste Handels- und Reservewäh- vor allem auf das Ende der pandemiebedingten kon- rung der Welt ist, werden die Minuspunkte durch an- junkturellen Talfahrt in ihren Ländern. Zudem sehen dere Faktoren überkompensiert. sie die höheren Zinsen als Gegengewicht zu den unge- Von besonderer Bedeutung ist die geldpolitische Stra- wöhnlich hohen Inflationsraten. tegie der Zentralbank. Die US-Notenbank (Fed) rea- 14
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Digitale Währungen: Akzeptanz nimmt zu Das digitale Segment des Marktes besteht aus den Cy- Gleichwohl hat die Aufmerksamkeit für Bitcoin & Co. berdevisen wie Bitcoin & Co., den geplanten digitalen deutlich zugenommen. Selbst etablierte Finanzunter- Währungen der Notenbanken sowie den mit herkömm- nehmen denken darüber nach, Cyberdevisen in ihre lichen Währungen unterlegten Stablecoins. Um letz- Angebotspalette aufzunehmen. Ursächlich für diesen tere ist es nach dem heftigen regulatorischen Gegen- Sinneswandel ist die zunehmende Regulierung der ei- wind der Notenbanken relativ ruhig geworden. So ist gentlich unregulierten „Währungen für das Internet“. der von Meta (früher: Facebook) initiierte Diem (früher: So hat die US-Börsenaufsicht SEC Future-basierte Libra) immer noch nicht emittiert worden. Exchange Trades Funds auf Bitcoin zugelassen. Mög- licherweise folgen physisch besicherte Digital-Assets- Gegenwind gibt es auch für die Cyberdevisen rund um ETFs. Mit diesen regulierten Finanzprodukten werden den Bitcoin. So will Indien private Kryptowährungen die Cyberdevisen bei Privatanlegern und insbesondere verbieten. Zuvor hatte bereits China den Handel mit institutionellen Investoren zunehmend „salonfähig“. ihnen untersagt. Gleichwohl nimmt die Akzeptanz der digitalen Währungen zu. Rund 7 Prozent der privaten So gelten die zentralbankunabhängigen Kryptowäh- Anleger halten laut DSGV-Vermögensbarometer 2021 rungen vielen Anlegern als Absicherung gegen Inflati- Kryptowährungen als geeignet für den Vermögensauf- onsrisiken. Ihre Anzahl ist im Gegensatz zu Notenbank- bau. Vor einem Jahr waren es nur 3 Prozent. geld nicht beliebig vermehrbar. Beim Bitcoin wurden von den maximal möglichen 21 Mio. Einheiten bisher Die mittlerweile mehr als 15.000 „Währungen“ haben knapp 18,9 Mio. Einheiten „geschürft“. Der letzte Bit- ein Marktvolumen von rund 2,3 Bill. US-Dollar. Zum coin ist für das Jahr 2140 vorgesehen. Vergleich: Der Deutsche Aktienindex ist etwa 1,6 Bill. US-Dollar schwer. Mit der Zulassung regulierter Krypto-ETFs könnte den Cyberdevisen der Durchbruch gelingen, wenngleich sie Platzhirsch ist mit einer Bewertung von rund 940 Mrd. auch weiterhin sehr viel schwankungsanfälliger blei- US-Dollar weiterhin der Bitcoin. Sein Anteil am gesam- ben als Aktien und Anleihen. ten Cybermarkt ist allerdings von mehr als zwei Drittel auf gut 41 Prozent geschrumpft. Die klare Nummer Die Notenbanken haben das Tempo bei der Entwick- Zwei ist mittlerweile Ethereum mit einem Wert von 480 lung eigener digitaler Währungen erhöht. Sie sorgen Mrd. US-Dollar und einem Marktanteil von rund 21 Pro- sich um die Finanzmarktstabilität, sollte der Krypto- zent. markt eine systemrelevante Dimension erreichen. Und sie fürchten um ihre währungspolitische Autonomie, sollte das Interesse für Cyberdevisen weiter steigen. Vor diesem Hintergrund beschloss die Europäische Zentralbank im Sommer 2021 ein zweijähriges Projekt zur Einführung eines digitalen Euro. Der E-EUR soll kein Ersatz von Bargeld sein, sondern das bestehende System aus Bargeld und Giralgeld ergänzen. „Bargeld ist geprägte Freiheit“, heißt es von Seiten der Bundes- bank. Die will niemand einschränken. Darüber hinaus hält die Bundesbank am zweistufigen Geschäftsmodell zwischen Zentralbanken und Geschäftsbanken fest. Sie hat kein Interesse an direkten Beziehungen zum Kun- Ethereum konnte die Notierung 2021 mehr als verfünf- den. Zudem will sie verhindern, dass übermäßig viele fachen, während Bitcoin sich „nur“ knapp verdoppelte. Sichteinlagen von den Kreditinstituten abgezogen und Gemeinsames Merkmal aller Cyberdevisen sind in digitale Euro umgeschichtet werden. extreme Kursausschläge. Darüber hinaus entwickeln In China wurde Mitte 2021 das 2017 begonnene Pro- sich die Notierungen oft gleichgerichtet zum Aktien- jekt zur Schaffung eines digitalen Renminbi (CNY) ab- markt, stellen also keine wirkliche Absicherung gegen geschlossen und der E-CNY eingeführt. Er wird in aus- schwächere Aktienkurse dar. gewählten Geschäften eingesetzt und hat den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels. 15
Volkswirtschaftliches Umfeld Holprig in die Silbernen Zwanziger Rohstoffe: Knapp und teuer Industriemetalle wichtig für die Energiewende Kupfer gilt als Superstar unter den Metallen. Das rötli- che Metall ist ein hervorragender Wärme- und Strom- Die Rohstoffpreise sind im abgelaufenen Jahr enorm leiter und wird für Windturbinen, Energiespeicher, Son- gestiegen. Der die sechs Nicht-Edelmetalle Aluminium, nenkollektoren und die Elektromobilität gebraucht. Kupfer, Zink, Blei, Nickel und Zinn umfassende London Darüber hinaus ist Kupfer auch in der gesamten Bau- Metal Exchange Index bewegt sich im Bereich histori- wirtschaft ein unverzichtbarer Rohstoff. Der Kupfer- scher Höchststände. Eine der Ursachen ist ohne Zweifel preis ist dementsprechend stark gestiegen und mar- der globale Aufschwung. Eine wachsende Rolle spielt kierte kürzlich neue historische Höchststände. Er sollte jedoch die Energiewende. So dürfte der Umbau der Aufwärtspotenzial besitzen. Volkswirtschaften hin zu einer klimaneutralen Produk- tion die Nachfrage nach Metallen vervielfachen. Fazit: Die Nachfrage nach Industriemetallen dürfte in den kommenden Jahren kräftig steigen. Das Angebot Für die Produktion erneuerbarer Energien sind enorme kann wahrscheinlich nicht entsprechend ausgeweitet Mengen an Industriemetallen erforderlich. So enthält werden. Logische Folge wäre ein anhaltender Aufwärts- die Turbine einer mittelgroßen Offshore-Windkraftan- trend bei den Preisen für Industriemetalle. lage rund 67 Tonnen Kupfer. Die Errichtung von Wind- kraftanlagen und die Herstellung von Elektromotoren Edelmetalle: Gold glänzt etwas weniger benötigen gewaltige Mengen an Stahl. Für den Ausbau Der Goldpreis verzeichnete seinen Jahreshöchststand der Stromnetze sind Aluminium und Kupfer unerläss- 2021 gleich zu Jahresbeginn und bewegte sich im wei- lich. Die Produktion eines Elektroautos erfordert etwa teren Jahresverlauf unter Schwankungen seitwärts. sechsmal so viel Rohstoffe wie die Herstellung eines herkömmlichen Verbrenners. Und die Herstellung von Batterien ist ohne Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan bisher nicht möglich. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet bis 2040 mit einer Vervierfachung der Rohstoffnachfrage, bis 2060 soll der Bedarf sogar auf das Sechsfache an- wachsen. Den größten Verbrauch an Rohstoffen sieht die IEA in den kommenden zwanzig Jahren bei Elektro- autos und Batterien. Es folgen der Ausbau der Strom- netze, Offshore-Windanlagen und die Solarindustrie. Nach Einschätzung der IEA gibt es zwar ausreichend Ressourcen. Diese können jedoch nicht zeitnah bereit- Der Preis für die Feinunze Gold entwickelt sich seit ei- gestellt werden, denn von der Erschließung eines Roh- nigen Jahren nahezu spiegelbildlich zur Realverzin- stoffvorkommens bis zur Produktion vergeht oft mehr sung in den USA, dargestellt als Rendite der 10-jähri- als ein Jahrzehnt. Damit zeichnet sich ab, dass der gen US-Staatsanleihe abzüglich der langfristigen Infla- Markt für Industriemetalle von einem wachsenden tionserwartungen. Letztere sind trotz aktueller Inflati- Nachfrageüberhang gekennzeichnet sein wird. onsraten von mehr als 6 Prozent immer noch bei rund 2,5 Prozent „verankert“ und bremsen den Goldpreis. 16
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