Monatsbericht des BMF Juli 2018 - Bundesfinanzministerium
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Editorial Editorial Monatsbericht des BMF Juli 2018 Auch was die Zukunft der Europäischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion betrifft, sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Bun- desfinanzminister Olaf Scholz und sein französi- scher Amtskollege Bruno Le Maire haben durch in- tensive und vertrauensvolle Verhandlungen eine deutsch-französische Einigung ermöglicht und ei- nen gemeinsamen Fahrplan für die Fortentwick- lung der Wirtschafts- und Währungsunion entwi- ckelt. Der Fahrplan umfasst insbesondere Fragen der Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitäts- mechanismus ESM, der Bankenunion sowie Instru- mente zur Stabilisierung und Stärkung der Konver- genz in der Währungsunion. Liebe Leserinnen, liebe Leser, Griechenland wird nach acht Jahren erstmals die mit dem am 6. Juli 2018 im Kabinett beschlosse- europäischen Rettungsschirme wieder verlassen, nen Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2019 am 20. August 2018 endet das dritte Hilfsprogramm und der dazugehörigen Finanzplanung bis 2022 planmäßig. Um die Chancen Griechenlands zu ver- unterstreichen wir unsere Vorstellung einer zu- bessern, wieder auf eigenen Beinen zu stehen, hat kunftsorientierten, gerechten und soliden Finanz- die Eurogruppe verschiedene flankierende Maß- politik. Für die kommenden vier Jahre planen wir nahmen beschlossen. Dazu gehört eine intensivierte 151,6 Mrd. Euro in die Zukunft unseres Landes zu Nachprogramm-Überwachung, der Aufbau von Li- investieren. Das ist ein Rekordwert, der nochmals quiditätspuffern, schuldenerleichternde Maßnah- knapp 16 Mrd. Euro über dem bisherigen Finanz- men und technische Hilfe zur Unterstützung der plan liegt. Damit schaffen wir die Grundlage für un- Umsetzung der Reformen in den kommenden Jah- seren Wohlstand von morgen. Wir sorgen dafür, dass ren. Das Ergebnis ist eine gute Nachricht für die der wachsende Wohlstand auch bei allen ankommt. Menschen in Griechenland und Europa. Wir werden den Alltag der Bürgerinnen und Bür- ger verbessern – durch gute Beschäftigungschan- Last but not least stellen wir Ihnen in der vorliegen- cen, durch mehr günstige Wohnungen, durch bes- den Ausgabe des Monatsberichts die Parlamentari- sere und gebührenfreie Kitas und durch zielgenaue sche Staatssekretärin Christine Lambrecht vor. Viel Investitionen in die nötige Digitalisierung unseres Spaß bei der Lektüre. Landes. Wolfgang Schmidt Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Analysen und Berichte____________________________________________7 Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte________________________________________________ 8 Die Ausgabenregel im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren: Aktuelle Ergebnisse für Deutschland_____________________________________________________________________ 15 Die Rolle der Reichsfinanzverwaltung bei der Plünderung Polens 1939 bis 1945__________________________ 21 Artikel-IV-Konsultationen des Internationalen Währungsfonds mit Deutschland_________________________ 25 Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich____________________________________________________ 31 Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________39 Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 40 Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 41 Steuereinnahmen im Juni 2018__________________________________________________________________________ 47 Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich Juni 2018___________________________________________ 51 Entwicklung der Länderhaushalte bis einschließlich Mai 2018____________________________________________ 56 Finanzmärkte und Kreditaufnahme des Bundes__________________________________________________________ 59 Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 70 Aktuelles aus dem BMF__________________________________________75 Im Portrait: Christine Lambrecht, MdB___________________________________________________________________ 76 Termine_________________________________________________________________________________________________ 78 Publikationen___________________________________________________________________________________________ 79 Statistiken und Dokumentationen_______________________________81 Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 82 Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 83 Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunkturkomponenten des Bundes________________ 83 Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 84
Analysen und Berichte Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte 8 Die Ausgabenregel im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren: Aktuelle Ergebnisse für Deutschland 15 Die Rolle der Reichsfinanzverwaltung bei der Plünderung Polens 1939 bis 1945 21 Artikel-IV-Konsultationen des Internationalen Währungsfonds mit Deutschland 25 Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 31
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2018 Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte ●● Zur Sitzung des Stabilitätsrats am 26. Juni 2018 hat das BMF seine Frühjahrsprojektion zur Entwicklung der öffentlichen Haushalte vorgelegt. Für die kommenden Jahre wird ein modera- ter struktureller Finanzierungsüberschuss für den Gesamtstaat erwartet. Überschüsse können weiterhin vor allem Länder und Gemeinden realisieren. ●● Die öffentlichen Haushalte werden ihre investiven Ausgaben deutlich steigern. Dies ist ein Erfolg der Beschlüsse der Koalition, die mit der neuen Haushaltsplanung des Bundes umgesetzt werden. Von den beschlossenen Maßnahmen geht in den Jahren 2018 bis 2022 ein kumulierter Fiskalimpuls von rund 2,8 % des Bruttoinlandsprodukts aus. Einleitung Ergebnis der Projektion Das BMF hat für den Stabilitätsrat am 26. Juni 2018 Das BMF erstellt die Projektionen jeweils in finanz- die Frühjahrsprojektion zur Entwicklung der öf- statistischer Abgrenzung sowie in Abgrenzung der fentlichen Haushalte vorgelegt. Grundlage für die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Die fi- Projektion war der Beschluss der Bundesregierung nanzstatistische Abgrenzung wird für die finanzpoli- vom 2. Mai 2018 zum zweiten Regierungsentwurf tische Koordinierung im Rahmen des Stabilitätsrats für den Bundeshaushalt 2018 und zu den Eckwer- benötigt. Die Finanzstatistik ist mit ihrer kassenori- ten für den Bundeshaushalt 2019 und die Finanz- entierten Darstellung sehr eng an die Haushalts- planung bis 2022. Auf Basis dieses Planungsstands rechnung von Bund und Ländern angelehnt, die Er- des Bundeshaushalts wurde die Entwicklung der gebnisse lassen daher unmittelbare Schlüsse auf den Haushalte von Ländern und Gemeinden sowie der Stand der Haushaltsplanungen von Bund und Län- Sozialversicherungen geschätzt. Die Schätzung dern zu. Die Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen wurde vom unabhängigen Beirat des Stabilitäts- Gesamtrechnungen wird für das Europäische Haus- rats bewertet und im Stabilitätsrat erörtert. Sie ist haltsüberwachungsverfahren benötigt. gleichzeitig die Grundlage für die Übersicht über die deutsche Haushaltsplanung („Draft Budgetary Plan“), die am 5. Juli 2018 an die Europäische Kom- Finanzstatistische Abgrenzung mission und die Eurogruppe übermittelt worden ist.1 Im Jahr 2017 verzeichnete der Öffentliche Ge- samthaushalt, bestehend aus den Kern- und Extra haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden, das vierte Jahr in Folge einen Finanzierungsüber- schuss – mit 53,4 Mrd. € den höchsten Überschuss seit Bestehen der Bundesrepublik. Dabei ist ein Sondereffekt von rund 24 Mrd. € aufgrund der Übertragung von Rückstellungen der Energiever- 1 Vergleiche: http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20180711 sorger auf den Fonds zur Finanzierung der kern- http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20180712 technischen Entsorgung zu beachten. 8
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte Juli 2018 Insgesamt haben die Gebietskörperschaften rund Einrichtungen und Unternehmen, die nach 861,1 Mrd. € verausgabt. Dabei entfallen 42 % den Kriterien der Volkswirtschaftlichen Ge- der Ausgaben auf den Bund einschließlich seiner samtrechnungen zum Sektor Staat gehören. Analysen und Berichte Extrahaushalte, die Länder verausgabten netto ‑ Dabei müssen – verkürzt – folgende Kriteri- d. h. abzüglich der Einnahmen von anderen Ebe- en erfüllt sein: nen – rund 40 % und die Gemeinden rund 17 % al- ler Ausgaben der öffentlichen Haushalte. ●● Die institutionelle Einheit muss vom Staat kontrolliert werden. ●● Die Einheit muss überwiegend vom Staat Extrahaushalte finanziert sein. Einheiten, die sich zu mehr Nach dem sogenannten Schalenkonzept des als 50 % aus Verkaufserlösen finanzieren, Statistischen Bundesamts wird in der Fi- sind sogenannte Marktproduzenten und nanzstatistik zwischen Kernhaushalten, Ex- zählen nicht zum Sektor Staat, auch wenn trahaushalten und Sonstigen öffentlichen sie vom Staat kontrolliert werden. Fonds, Einrichtungen und Unternehmen un- terschieden. Kern- und Extrahaushalte bil- Auf Bundesebene gibt es z. B. die Extra den den Öffentlichen Gesamthaushalt. Ex- haushalte Finanzmarktstabilisierungsfonds trahaushalte umfassen öffentliche Fonds, oder den Investitions- und Tilgungsfonds. Abbildung 1 Anteile der Gebietskörperschaften und Extrahaushalte an den Nettoausgaben1 des Öffentlichen Gesamthaushalts2 2017 in % Extrahaushalte des Bundes 5 Kommunen Kern- und Extrahaushalte Bund Kernhaushalt 17 37 Länder Kern- und Extrahaushalte 40 1 Ohne konsolidierte Ausgaben der Sozialversicherungen. 2 Kern- und Extrahaushalte des Bundes, der Länder und Gemeinden, ohne Sozialversicherungen, in finanzstatistischer Abgrenzung. Quelle: Bundesministerium der Finanzen 9
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte Juli 2018 Im laufenden Jahr wird gemäß der BMF-Projek- belasten. In den Folgejahren können die Län- tion in den Haushalten von Bund, Ländern und der dann wieder deutliche Überschüsse zwischen Gemeinden mit einem positiven Finanzierungs- 9 Mrd. € und 11 ½ Mrd. € ausweisen, wozu bei saldo von zusammen rund 10 Mrd. € gerechnet. den Sanierungsländern Bremen und Saarland die Bis 2022 wird sich der Finanzierungsüberschuss ab 2020 gezahlten Sanierungshilfen des Bundes des Öffentlichen Gesamthaushalts in finanzstatisti- wesentlich beitragen. Die Vorgabe aus Art. 109 (3) scher Abgrenzung der Projektion zufolge auf rund Grundgesetz, nach der die Haushalte der Länder 18 ½ Mrd. € erhöhen (vergleiche Tabelle 4). ab 2020 ohne Einnahmen aus Krediten auszuglei- chen sind, wird somit für alle Länder eingehalten Dabei stellt sich die Finanzlage der Gebietskörper- werden können. schaften differenziert dar. Für die Haushalte der Gemeinden wird in der Der Bundeshaushalt weist entsprechend dem BMF-Projektion über den gesamten Projektions- Eckwertebeschluss vom 2. Mai 2018 im gesam- zeitraum mit Finanzierungsüberschüssen zwi- ten Projektionszeitraum negative Finanzierungs- schen 3 Mrd. € und 8 ½ Mrd. € gerechnet. Ein we- salden auf. Der Bundeshaushalt wird keine neuen sentlicher Faktor für die Finanzentwicklung der Schulden aufnehmen, weil die in den Jahren 2015 Kommunen sind die Ausgaben für soziale Leis- bis 2017 aufgebaute Asylrücklage zur Abdeckung tungen, die im Projektionszeitraum jahresdurch- des daraus entstehenden Finanzbedarfs verwen- schnittlich mit 4 ¾ % zunehmen und damit un- det wird. In der Asylrücklage stehen insgesamt gefähr so stark wachsen wie die kommunalen rund 24 Mrd. € zur Verfügung. Der Abstand zur Ausgaben insgesamt. Den steigenden Bruttosozi- Obergrenze für die Nettokreditaufnahme gemäß alausgaben der Kommunen stehen allerdings zum Schuldenbremse beträgt ‑ zum Zeitpunkt der Pro- Teil auch steigende Einnahmen in diesem Bereich jektion ‑ rund 5 Mrd. € im Jahr 2018 und rund gegenüber, vor allem durch Erstattungen und Zu- 1 ½ Mrd. € im Jahr 2019. weisungen von Bund und Ländern. Für die Extrahaushalte des Bundes in finanzsta- Insgesamt stellt sich die Finanzlage der öffentli- tistischer Abgrenzung wird in den Jahren bis 2020 chen Haushalte gegenüber der Projektion vom De- ein negativer, danach ein positiver Finanzierungs- zember 2017 deutlich verändert dar. Im Dezem- saldo erwartet. (In dieser Projektion ist der nun im ber 2017 war dem Stabilitätsrat ein Szenario ohne parlamentarischen Verfahren zum Bundeshaus- Politikänderungen vorgelegt worden. In der aktu- halt 2018 befüllte Digitalisierungsfonds noch nicht ellen Projektion sind nun die haushaltsmäßigen enthalten.) Auswirkungen der von der Koalition beschlosse- nen prioritären Maßnahmen auf dem Planungs- Die Haushalte der Länder werden im Jahr 2018 stand des Bundeshaushalts für die Jahre 2018 mit 3 Mrd. € voraussichtlich einen deutlich gerin- bis 2022 vom 2. Mai 2018 berücksichtigt. Im Er- geren Überschuss ausweisen als im Vorjahr. Grund gebnis verringert sich der im Dezember 2017 ge- hierfür ist die Inanspruchnahme von Garantien im schätzte Finanzierungsüberschuss der Haushalte Zusammenhang mit dem Verkauf der HSH Nord- von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2021 bank, die die Haushalte von Hamburg und Schles- von 31 ½ Mrd. € auf 12 ½ Mrd. €. wig-Holstein einmalig mit insgesamt rund 6 Mrd. € 10
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte Juli 2018 Finanzierungsüberschüsse des Öffentlichen Gesamthaushalts (Bund, Länder, Gemeinden) Abbildung 2 im Vergleich in Mrd. € Analysen und Berichte 35 30 25 20 15 10 5 0 2018 2019 2020 2021 Schätzung Dezember 2017 Schätzung Juni 2018 Quelle: Bundesministerium der Finanzen Auswirkung der Maßnahmen Strukturpolitik. Um die Auswirkungen auf den Fi- des Koalitionsvertrags nanzierungssaldo abschätzen zu können, wur- den in der hier vorlegten Projektion die Annah- Ursache für die Verringerung der Finanzierungs- men getroffen, dass alle Zuweisungen an Länder überschüsse des Öffentlichen Gesamthaus- und Gemeinden – mit Ausnahme der Erstattun- halts ist die Umsetzung der prioritären Maß- gen von Sozialleistungen im Zusammenhang mit nahmen des Koalitionsvertrags. Die Umsetzung der Betreuung und Unterbringung von geflüchte- dieser Maßnahmen ist in der Projektion hinsicht- ten Menschen – bei Ländern und Gemeinden zu lich ihrer Auswirkungen auf den Bundeshaus- zusätzlichen Ausgaben führen. Demnach werden halt als auch hinsichtlich der Auswirkungen auf zusätzliche Investitionen beziehungsweise andere die Haushalte von Länder und Gemeinden enthal- zusätzliche, zukunftswirksame Ausgaben angesto- ten. Für den Bundeshaushalt – Stand Eckwertebe- ßen. In einigen Bereichen (regionale Strukturpoli- schluss – ergeben sich hieraus zusätzliche Ausga- tik, ländliche Räume, Ausgaben für Forschung und ben und Mindereinnahmen von rund 62 Mrd. € in Entwicklung) wurde zusätzlich eine Kofinanzie- den Jahren 2019 bis 2022. Zusätzliche Auswirkun- rung seitens der Länder unterstellt. Unter diesen gen von rund 5 Mrd. € für den Bund ergeben sich Bedingungen führen die Zuweisungen an Länder aus der Umsetzung sonstiger, hier in der Projek- und Gemeinden zu einem deutlichen Anstieg der tion berücksichtigter Maßnahmen (Erhöhung des investiven Ausgaben der öffentlichen Haushalte. Einkommensteuer-Grundfreibetrags). Die finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte von Ländern und Gemeinden belaufen sich dabei Ein großer Teil der von der Koalition beschlossenen auf rund 15 Mrd. € in den Jahren 2018 bis 2022. Da- Maßnahmen sind Zuweisungen an Länder und Ge- mit trägt der Bund mehr als 80 % der mit dem Maß- meinden für zukunftsorientierte Ausgaben in den nahmenpaket verbundenen Mehrausgaben oder Bereichen Forschung, Bildung, Wachstums- und Mindereinnahmen. 11
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte Juli 2018 Schätzungen zu finanziellen Auswirkungen der prioritären Maßnahmen und anderer Tabelle 1 von der Koalition beschlossener Maßnahmen1 auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden in Mrd. € 2018 2019 2020 2021 2022 Bund -1 -9 -13 -24 -21 Länder/Gemeinden 0 -1 -3 -6 -5 Öffentlicher Gesamthaushalt -2 -10 -16 -31 -26 1 Prioritäre Maßnahmen des Koalitionsvertrags einschließlich Erhöhung Grundfreibetrag und Kindergeld, ohne Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“. Stand: Projektion Stabilitätsrat 26. Juni 2018 auf Basis Eckwertebeschluss Bundeshaushalt vom 2. Mai 2018, Aufteilung basiert zum Teil auf technischen Annahmen. Quelle: Bundesministerium der Finanzen Maastricht-Projektion Die Schuldenstandsquote in Maastricht-Abgren- zung konnte im vergangenen Jahr auf 64,1 % Der staatliche Finanzierungssaldo in der des BIP zurückgeführt werden. Spätestens im Maastricht-Abgrenzung (Bund, Länder, Gemein- Jahr 2019 wird die 60-%-Grenze (Referenzwert des den und Sozialversicherungen einschließlich ih- Maastricht-Vertrags) erstmals seit dem Jahr 2002 rer jeweiligen Extrahaushalte in der Systematik der wieder unterschritten sein. Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) wird im laufenden Jahr bei 1 ¼ % des Bruttoinlands Die Europäische Kommission hat zur Projektion produkts (BIP) liegen. Im weiteren Projektions- des Staatshaushalts in Maastricht-Abgrenzung zeitraum 2019 bis 2022 liegt der Überschuss zwi- am 27. Juni eine Stellungnahme veröffentlicht, in schen ½ % und ¾ % des BIP. der Deutschland bestätigt wird, dass die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts weiterhin vollumfänglich eingehalten werden. Finanzierungssaldo und Schuldenstand in Maastricht-Abgrenzung Tabelle 2 in % des BIP 2017 (Ist) 2018 2019 2020 2021 2022 Struktureller Finanzierungssaldo 1,5 1 ¼ ½ ½ ¾ Finanzierungssaldo (Maastricht) 1,3 1¼ ¾ ¾ ½ ¾ davon: Bund 0,2 ¼ 0 0 0 ¼ Länder 0,5 0 ¼ ½ ¼ ¼ Gemeinden 0,3 ½ ¼ ¼ ¼ 0 Sozialversicherungen 0,3 ½ ¼ 0 0 0 Schuldenstand (Maastricht) 64,1 61 58 ¼ 56 ¼ 54 ¼ 52 Werte in den Projektionsjahren auf ¼ gerundet. Quelle: Bundesministerium der Finanzen 12
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte Juli 2018 Der strukturelle Finanzierungssaldo von Bund, hier insbesondere die oben beschriebenen prio- Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen ritären Maßnahmen der Koalition. Deutschland belief sich im vergangenen Jahr auf +1,5 % des nutzt damit seine haushaltspolitischen Spielräume, Analysen und Berichte BIP. Im laufenden Jahr wird der strukturelle Fi- um zusätzliche Investitionen selbst zu tätigen und nanzierungssaldo der Projektion vom Juni zu- auch private Investitionen anzustoßen. Der Fiskal folge bei rund +1 % des BIP liegen. Im Jahr 2019 impuls, der mit dem Maßnahmenpaket verbun- wird der strukturelle Überschuss dann deutlich den ist, beläuft sich für die Jahre 2018 bis 2022 auf auf rund ¼ % des BIP zurückgehen. Ursache sind rund 2,8 % des BIP (vergleiche Tabelle 3). Fiskalimpuls der prioritären Maßnahmen des Koalitionsvertrags Tabelle 3 sowie weiterer quantifizierbarer Maßnahmen in % des BIP 2018 2019 2020 2021 2022 2018-2022 Einnahmen 0,0 -0,2 -0,3 -0,5 -0,5 -1,5 Ausgaben 0,0 0,2 0,3 0,4 0,3 1,3 Laufende Ausgaben 0,0 0,2 0,2 0,3 0,3 0,9 Investive Ausgaben¹ 0,0 0,1 0,1 0,1 0,1 0,4 Verringerung 0,0 -0,4 -0,6 -1,0 -0,8 -2,8 Finanzierungsüberschuss/Fiskalimpuls 1 Ohne Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“. Quelle: Bundesministerium der Finanzen 13
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Mittelfristige Finanzprojektion der öffentlichen Haushalte Juli 2018 BMF-Projektion zur Entwicklung des Öffentlichen Gesamthaushalts1 Tabelle 4 in % des BIP 2017 (Ist) 2018 2019 2020 2021 2022 Mrd. € I. Ausgaben Laufender Sachaufwand 144,7 149 153 ½ 157 ½ 160 ½ 162 ½ Zinsausgaben an andere Bereiche 40,5 43 41 ½ 44 41 42 Sachinvestitionen 52,4 55 ½ 59 61 ½ 64 65 Zahlungen an andere Verwaltungen² 117,0 121 ½ 126 ½ 127 ½ 130 ½ 134 ½ Sonstige Ausgaben 245,1 268 ½ 279 ½ 288 292 ½ 301 ½ Insgesamt 861,1 908 940 ½ 968 987 1013 II. Einnahmen Sonstige Einnahmen 180,1 148 149 ½ 153 ½ 151 ½ 150 Insgesamt 914,5 918 ½ 950 ½ 980 ½ 999 1031 ½ III. Finanzierungssaldo 53,4 10 10 12 ½ 12 ½ 18 ½ 2018 2019 2020 2021 2022 Veränderung in % gegenüber Vorjahr I. Ausgaben Laufender Sachaufwand 3 3 2½ 2 1 Zinsausgaben an andere Bereiche 7 -4 6½ -7 3 Sachinvestitionen 5½ 6½ 4 4½ 1½ Zahlungen an andere Verwaltungen² 4 4 1 2½ 3 Sonstige Ausgaben 9½ 4 3 1½ 3 Insgesamt 5½ 3½ 3 2 2½ II. Einnahmen Sonstige Einnahmen -17 ½ 1 2½ -1 ½ -1 ½ Insgesamt ½ 3½ 3 2 3 Werte in den Projektionsjahren auf ½ gerundet. 1 Stand: Stabilitätsrat 26. Juni 2018. 2 Verrechnungsverkehr und Zahlungen an Sozialversicherungen. Quelle: Bundesministerium der Finanzen 14
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2018 Die Ausgabenregel im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren: Analysen und Berichte Aktuelle Ergebnisse für Deutschland ●● Die Ausgabenregel ist Teil des präventiven und korrektiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspakts. ●● Die hier betrachtete Ausgabenregel im präventiven Arm besagt, dass die Ausgaben von Mit- gliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haushaltsziel verletzen, nicht stärker steigen dürfen als deren mittelfristiges Potenzialwachstum. Die Ausgabenregel beschreibt somit eine Obergrenze für das Wachstum der Ausgaben. Ziel des langsameren Ausgabenwachstums ist die Verbesserung des strukturellen Defizits des Mitgliedstaats. ●● Die Ausgabenregel unterliegt einer komplexen Berechnungsmethode, da die gesamtstaatli- chen Ausgaben um diverse Faktoren auf der Ausgaben- und auf der Einnahmenseite bereinigt werden. Ihre Berechnung liefert oftmals abstrakte Ergebnisse, etwa wenn Mindereinnahmen als De-facto-Ausgaben verbucht werden. ●● In den Jahren 2018 und 2019 wachsen die Ausgaben für Deutschland in der BMF-Projektion deutlich schneller als das mittelfristige Produktionspotenzial. Dies ergibt sich zum einen aus den steigenden investiven und sonstigen Ausgaben des Staates infolge der Maßnahmen, die die Koalition umgesetzt hat. Zum anderen ergibt es sich aus der Methodik der Ausgabenregel, bei der Steuersenkungen wie zusätzliche Ausgaben verbucht werden. Die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts werden dabei von Deutschland vollumfänglich eingehalten. ●● In der mittleren Frist zeichnet sich ein nachhaltiges Wachstum der Ausgaben (in Abgrenzung der Ausgabenregel) entlang der Entwicklung des Produktionspotenzials ab. Einordnung der Ausgabenregel einführte: In Verordnung 1175/2011 wurde die Aus- im europäischen Haushalts- gabenregel als finanzpolitisches Überwachungsins- überwachungsverfahren trument im präventiven Arm des SWP etabliert. Im Jahr 2016 wurde die Ausgabenregel stärker spezifi- Die Ausgabenregel wurde 2011 im Zuge der Re- ziert und gewann damit auch im präventiven Arm form des Stabilitäts- und Wachstumspakts in das weiter an Gewicht. Die Ausgabenregel wird – in europäische Haushaltsüberwachungsverfahren der modifizierter Form – auch im korrektiven Arm ver- Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) auf- wendet, um quantitative Empfehlungen im Defizit- genommen. Die Anpassung des Stabilitäts- und verfahren zu formulieren und für die Beurteilung Wachstumspakts (SWP) erfolgte im Rahmen eines der Frage, ob ein im Defizitverfahren befindlicher Pakets von sechs europäischen Rechtsakten – des Mitgliedstaat wirksame Maßnahmen zur Reduk- sogenannten Six Pack –, das u. a. die Ausgabenregel tion des Defizits ergriffen hat. 15
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Ausgabenregel im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren: Aktuelle Ergebnisse für Deutschland Juli 2018 Der präventive Arm des SWP basiert insbeson- Zeit gewährleistet ist. Liegt eine deutliche Verlet- dere auf einer Analyse des strukturellen Defizits so- zung des MTO vor, muss der Anpassungspfad mit wie einer Analyse des (bereinigten) Wachstums der den Anforderungen eines durchschnittlichen jähr- Ausgaben. Zunächst verlangt der SWP, dass sich je- lichen Abbaus des strukturellen Defizits um 0,5 % der Mitgliedstaat ein mittelfristiges Haushaltziel des BIP kompatibel sein. Bei einer marginalen Ver- (Medium Term Objective, MTO) mit einem maxi- letzung des MTO kann auch ein weniger ambitio- malen strukturellen Defizit setzt. Deutschland hat nierter Anpassungspfad angemessen sein. Die in sein mittelfristiges Haushaltsziel auf ein strukturel- der Ausgabenregel definierte „Convergence Mar- les Defizit in Höhe von maximal 0,5 % des Brutto- gin“ beschreibt, wie sich eine (nötige) Veränderung inlandsprodukts (BIP) festgelegt. Dieses ist in § 51 des strukturellen Defizits in einer (angestrebten) Abs. 2 Gesetz über die Grundsätze des Haushalts- Veränderung des Wachstums der Ausgaben nieder- rechts des Bundes und der Länder verankert. Über- schlägt. Zusammen mit der Entwicklung des mit- steigt das strukturelle Defizit das MTO, ist ein Mit- telfristigen Potenzialwachstums definiert sie das gliedstaat zu einem Anpassungspfad (Anpassung maximal zulässige Wachstum der Ausgaben unter des Ausgabenwachstums) mit einem durchschnitt- den Regeln des SWP, die „Expenditure Benchmark“. lichen jährlichen Abbau des strukturellen Defizits um – in aller Regel – 0,5 % des BIP verpflichtet. Das Potenzialwachstum beschreibt die langfristige Veränderung des Das strukturelle Defizit BIP bei einem normalen Auslastungsgrad der ergibt sich durch die Bereinigung des tat- Produktionskapazitäten. Das mittelfristige sächlichen Defizits um konjunkturelle Ef- Potenzialwachstum wird aus den gemittel- fekte und Einmaleffekte. Die symmetrische ten Potenzialwachstumsraten mehrerer Jah- Berücksichtigung der Konjunktur durch das re errechnet. Wirken der automatischen Stabilisatoren stellt sicher, dass zusätzlichen Spielräumen zur Nettokreditaufnahme in konjunkturell Im präventiven Arm basiert die Gesamtbewertung schlechten Zeiten entsprechende Verpflich- der Einhaltung der haushaltspolitischen Anforde- tungen zur geringeren Nettokreditaufnahme rungen auf der Analyse sowohl des strukturellen beziehungsweise zu Überschüssen in guten Defizits als auch der Ausgabenregel. Wird das mit- Zeiten gegenüberstehen. telfristige Haushaltsziel übertroffen, gilt eine Ab- weichung der Ausgabenentwicklung vom mittel- fristigen Potenzialwachstum als unerheblich. Liegt Zusätzlich wird zur Beurteilung eines Anpassungs- eine Verletzung des MTO vor und das Wachstum pfads die Ausgabenregel herangezogen. Dabei wird der Ausgaben (in Abgrenzung der Ausgabenregel) überprüft, ob der Anpassungspfad zum MTO hin- unter (über) der „Expenditure Benchmark“, erfüllt reichend ist oder – falls das MTO bereits erreicht das Land die Ausgabenregel (nicht). Bei einer Verlet- wurde – ob die Ausgabenentwicklung mit der wei- zung der Ausgabenregel wird das über der „Expen- teren Einhaltung des MTO kompatibel ist. Gemäß diture Benchmark“ liegende Ausgabenwachstum der Ausgabenregel sollen die bereinigten Ausgaben als Anteil des BIP ausgewiesen, um die Abweichung von Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haus- vom mittelfristigen Haushaltsziel als „erheblich“/ haltsziel ohne Sicherheitsabstand einhalten, nicht „nicht erheblich“ zu klassifizieren. Wenn die Ab- stärker steigen als deren mittelfristiges Potenzi- weichung eine Gesamtauswirkung auf den Haus- alwachstum. Verletzen Mitgliedstaaten ihr MTO, haltssaldo von mindestens 0,5 % des BIP in einem muss das Ausgabenwachstum unter dem mittel- Jahr oder kumulativ in zwei aufeinanderfolgenden fristigen Potenzialwachstum liegen, sodass eine Jahren hat, gilt die Abweichung vom mittelfristigen Verbesserung des strukturellen Defizits über die Haushaltsziel als „erheblich“. 16
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Ausgabenregel im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren: Aktuelle Ergebnisse für Deutschland Juli 2018 Berechnungsmethode der Die Ausgabenregel folgt damit der Logik, nur dieje- Ausgabenregel nigen Ausgaben zu betrachten, Analysen und Berichte Die Ausgabenregel unterliegt einer vergleichsweise ●● auf die der Mitgliedstaat Einfluss nehmen kann komplexen Berechnungsmethode, da die gesamt- (Abzug der Zinsausgaben), staatlichen Ausgaben in Abgrenzung der Ausga- benregel um diverse Faktoren bereinigt werden. ●● denen Steuern und Abgaben auf Ebene des Na- Unter anderem findet eine Bereinigung um Zins tionalstaats gegenüberstehen (Abzug der Aus- ausgaben, um kofinanzierte EU-Programme und gabenprogramme, die einer EU-Finanzierung um zyklische Komponenten (wie die zyklischen unterliegen) und Effekte der Arbeitsmarktentwicklung) und um schwankende Investitionsausgaben (Abweichun- ●● die konjunkturunabhängig sind (Abzug der gen vom durchschnittlichen Investitionsniveau) konjunkturellen Arbeitsmarktausgaben). statt. Diskretionäre Maßnahmen auf der Einnah- menseite werden wie Ausgaben berücksichtigt: So Investitionsausgaben werden als Durchschnitt werden Steuermindereinnahmen aufgrund einer über mehrere Jahre betrachtet, um den oft erra- Gesetzesänderung unter der Ausgabenregel wie ein tischen Schwankungen Rechnung zu tragen. Die vergleichbar höheres Wachstum der Ausgaben be- Bereinigung um Einmaleffekte in der Ausgaben- handelt. Die gesamtstaatlichen Ausgaben werden regel orientiert sich an der Berechnung des struk- zudem um Einmaleffekte (wiederum auf der Ein- turellen Defizits: Diese Berechnung sieht ebenfalls nahmen- und Ausgabenseite) bereinigt. eine Korrektur um Einmaleffekte vor. Auf der Ein- nahmenseite werden diskretionäre Maßnahmen berücksichtigt, weil diese die Spielräume auf der Diskretionäre einnahmeseitige Maßnahmen Ausgabenseite einschränken beziehungsweise aus- sind fiskalpolitische Maßnahmen, die direk- weiten. Tabelle 1 leitet die Berechnung der Ausga- te Auswirkungen auf die gesamtstaatlichen benregel für Deutschland ab. Einnahmen haben. Eine diskretionäre Maß- nahme geht in aller Regel mit einer Geset- zesänderung oder einem Verwaltungsakt einher. Der einnahmeseitige Effekt einer dis- kretionären Maßnahme in einem gegebenen Jahr ist der zusätzliche Effekt der Maßnah- me im Vergleich zum Vorjahr. 17
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Ausgabenregel im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren: Aktuelle Ergebnisse für Deutschland Juli 2018 Ableitung der Ausgabenregel für den Gesamtstaat – 2017 und 2018 Tabelle 1 in Mrd. € Berechnung der Position Position 2017 2018 (1) Ausgaben 1.433 1.487 (2) Zinsausgaben 34 36 (3) Ausgaben für EU-Programme, die vollständig durch 3 3 EU-Einnahmen finanziert werden (4) Staatliche Bruttoanlageinvestitionen 69 71 (5) Staatliche Bruttoanlageinvestitionen (gemittelte Werte t-3 bis t) 62 66 (6) Zyklische Arbeitsmarktausgaben 1 -2 (7) Diskretionäre einnahmeseitige Maßnahmen (DEM) 1 -6 (8) Einmalmaßnahmen auf der Einnahmenseite 0 0 (9) Einmalmaßnahmen auf der Ausgabenseite -11 -6 (10) (8) + (9) Einmalmaßnahmen -11 -6 (11) (7) - (8) in t - (8) in t - 1 DEM ohne Einmalmaßnahmen 1 -6 (12) (1) - (2) - (3) - (4) + (5) - (6) Ausgabenaggregat 1.388 1.444 (13) (12) + (9) Ausgabenaggregat ohne Einmalmaßnahmen 1.377 1.439 (14) (12) - (7) Ausgabenaggregat ohne DEM 1.387 1.450 (15) (13) - (11) Ausgabenaggregat ohne DEM und Einmalmaßnahmen 1.377 1.444 Projektionsstand: Mai 2018. Quelle: Bundesministerium der Finanzen Berechnung der Ausgaben sich auf Tarifsteigerungen sowie die Maßnahmen entwicklung in Abgrenzung der Koalition für zusätzliche investive Ausgaben des Staates zurückführen. Zusätzlich ist zu beach- der Ausgabenregel für ten, dass Steuersenkungen in der Ausgabenregel Deutschland wie Ausgabensteigerungen gebucht werden, was zu einer verzerrten Anzeige der Ausgabenentwicklung Die Ausgaben Deutschlands gemäß der Ausga- des Staates führt. Im Jahr 2017 lag das Wachstum benregel wachsen in diesem Jahr voraussichtlich der Ausgaben dagegen nur leicht über dem Wachs- um 4 ¾ % und somit deutlich stärker als das mit- tum des mittelfristigen Potenzials. Da Deutschland telfristige Produktionspotenzial (3 ¼ %) (verglei- weiterhin sein mittelfristiges Haushaltsziel mit che Tabelle 2). Diese Entwicklung setzt sich im Abstand erfüllt, ist die Ausgabenregel gemäß dem Jahr 2019 fort. Ab dem Jahr 2020 normalisiert sich Verhaltenskodex zur Umsetzung des SWP nicht das Ausgabenwachstum und entspricht dann etwa bindend. In der mittleren Frist zeichnet sich ein dem Wachstum des mittelfristigen Produktionspo- nachhaltiges Wachstum der Ausgaben (in Abgren- tenzials. Dies ist das Ergebnis der Frühjahrsprojek- zung der Ausgabenregel) entlang der Entwicklung tion des BMF zur Entwicklung des Staatshaushalts. des Produktionspotenzials ab. Die Anstiege der Ausgaben 2018 und 2019 lassen 18
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Ausgabenregel im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren: Aktuelle Ergebnisse für Deutschland Juli 2018 Wachstum der Ausgaben in Abgrenzung der Ausgabenregel, Wachstum des mittelfristigen Tabelle 2 Produktionspotenzials und Wachstum der Ausgaben insgesamt in %, nominale Größen Analysen und Berichte 2017 (Ist) 2018 2019 2020 2021 2022 Wachstum der Ausgaben (in Abgrenzung der Ausgabenregel) 3,4 4¾ 5 3¼ 3½ 3½ Wachstum des mittelfristigen Produktionspotenzials 3,3 3¼ 3½ 3½ 3½ 3½ Zum Vergleich: Wachstum der unbereinigten Ausgaben insgesamt 3,7 3¾ 4 3¼ 3 3¼ Projektionsstand: Mai 2018. Die Angaben für die Projektionsjahre ab 2018 sind auf ¼ % gerundet. Den Wachstumsraten der Ausgaben (in Abgrenzung der Ausgabenregel) liegt das Ausgabenaggregat ohne diskretionäre einnahmeseitige Maßnahmen und Einmalmaßnahmen (Position 15 in Tabelle 1) und für die Vorperiode das Ausgabenaggregat ohne Einmalmaßnahmen (Position 13 in Tabelle 1) zugrunde. Quelle: Bundesministerium der Finanzen Bewertung der Ausgabenregel Ausblick und Diskussion der zukünftigen Rolle der Ausga Die Ausgabenregel stellt nicht auf das Gesamter- benregel in der europäischen gebnis der Finanzpolitik ab, sondern beschränkt sich auf die Ausgabenseite, ergänzt um aktuell vor- Haushaltsüberwachung genommene Eingriffe auf der Einnahmenseite. Die komplexe Berechnung der Ausgabenregel lie- Das von der Europäischen Kommission am 6. De- fert oftmals abstrakte Ergebnisse. So ergibt sich un- zember 2017 vorgelegte „Nikolaus-Paket“ umfasst ter der Ausgabenregel teilweise eine Entwicklung auch einen Richtlinienvorschlag1 zur Übernahme des Wachstums der bereinigten Ausgaben, die er- des Inhalts des sogenannten Fiskalvertrags ins Uni- heblich von der Entwicklung der gesamtstaatli- onsrecht. Der Richtlinienvorschlag weicht jedoch chen Ausgaben ohne Bereinigung abweicht. Bei- deutlich von den Regelungen des Fiskalvertrags ab spielsweise liegt das Wachstum der unbereinigten und sieht eine Neuausrichtung der Haushaltsüber- Staatsausgaben in Deutschland in den Jahren 2018 wachung vor. Diese soll durch eine Ausgabenregel und 2019 insgesamt über einen Prozentpunkt un- als zentrales finanzpolitisches Steuerungselement ter dem Wachstum der Ausgaben in Abgrenzung gekennzeichnet sein. Konkret sollen sich die Mit- der Ausgabenregel (vergleiche Tabelle 2). Außerdem gliedstaaten verpflichten, im Rahmen ihrer Finanz- erfordert die Ausgabenregel unter allen Indikato- planung einen mittelfristigen Wachstumspfad der ren im europäischen Haushaltsüberwachungsver- Staatsausgaben festzulegen, der mit der Einhaltung fahren die umfangreichste Datengrundlage. Ihre des MTO konsistent ist oder zu einer Annäherung Berechnung stützt sich auf eine Vielzahl unter- an das MTO führt. Diese Ausgabenentwicklung soll schiedlicher und zum Teil ihrerseits komplexer In- zu Beginn einer Legislaturperiode festgelegt und dikatoren, wie das strukturelle Defizit, das Poten- in jedem jährlichen Haushalt in der Legislaturpe- zialwachstum und einzelne Ausgabenkategorien. riode eingehalten werden. Eine solche Ausgaben- Mit Unsicherheit behaftet ist dabei insbesondere regel ist im Fiskalvertrag jedoch nicht vorgesehen. die Einschätzung der finanziellen Auswirkungen diskretionärer einnahmeseitiger Maßnahmen. Die 1 „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung Korrektheit dieser Daten lässt sich in der Regel ex von Bestimmungen zur Stärkung der haushaltspolitischen post nicht überprüfen. Daher kann die Bewertung, Verantwortung und der mittelfristigen Ausrichtung der Haushalte in den Mitgliedstaaten“; Richtlinienvorschlag COM die im präventiven Arm aus der Ausgabenregel ab- (2017) 824 final vom 6. Dezember 2017 geleitet wird, fehlerhaft sein. (http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20180721). 19
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Ausgabenregel im europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren: Aktuelle Ergebnisse für Deutschland Juli 2018 Dieser stellt vielmehr maßgeblich auf das struktu- das mittlerweile gut etabliert ist und einer strengen relle Defizit ab. und gesetzlich verankerten Überwachung durch den unabhängigen Beirat des Stabilitätsrats unter- Die Aufwertung der Ausgabenentwicklung durch liegt. Dieses Regelwerk orientiert sich insbesondere den Richtlinienvorschlag könnte zu einer Verände- an der Einhaltung der Vorgaben für das struktu- rung der Anforderungen des SWP führen. Deutsch- relle Defizit. Eine Fokussierung auf die Ausgaben land hat sich mit der Reform der nationalen Regeln entwicklung würde die Kompatibilität der natio- zur Neuverschuldung, der Schuldenbremse des nalen Ziele mit den europäischen Zielen infrage Bundes und der Länder, ein Regelwerk auferlegt, stellen. 20
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2018 Die Rolle der Reichsfinanzverwaltung bei der Plünderung Polens 1939 bis 1945 Analysen und Berichte ●● Die Reichsfinanzverwaltung beteiligte sich an der bis dahin beispiellosen Enteignungs- und Vertreibungspolitik im besetzten Polen. ●● Mittels diskriminierender Steuergesetzgebung, inflationsbefördernder Währungspolitik sowie rigider Devisen- und Grenzkontrollen unterstützten die Beamten aus den Bereichen Steuer und Zoll das Rauben und ermöglichten so eine maximale Ausbeutung. ●● Trotz Kenntnis der Verbrechen in den Konzentrationslagern und Ghettos, des Massenmords an den europäischen Juden und der Versklavung polnischer Zwangsarbeiter übernahm die Reichsfi- nanzverwaltung bereitwillig die Verwaltung und Verwertung des Raubguts. Beute für Hitlers Krieg an Devisen und Wertpapieren, Sparkassenbüchern, Schmuck- und Gebrauchsgegenständen, Kirchen- Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen am und Synagogeninventar fein säuberlich mit Her- 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, kunftsangabe zu registrieren. den die Wehrmacht gemäß der Zielsetzung des Regimes als Raub- und Vernichtungskrieg führte. Ebenso „in Marsch gesetzt“ wurden Beamte der Die Zollbeamten der Reichsfinanzverwaltung, auf- Steuerverwaltung, die den Armeekommandos zu- gestellt als Zollgrenzschutz und als Verstärkter gewiesen waren. Ihre Aufgabe bestand in der Über- Grenzaufsichtsdienst oder in den Devisenschutz- nahme der polnischen Staatsfinanzen und der kommandos, folgten der Wehrmacht ab dem ers- Kassenbestände der Steuerämter sowie in der Si- ten Kriegstag in das besetzte Gebiet. „Die Männer cherstellung der Steuerunterlagen. Das Reich der vordersten Linie“, wie sie von ihrem Dienst wollte für den Krieg gegen Polen möglichst wenig herrn Staatssekretär Fritz Reinhardt genannt wur- aufwenden und das besetzte Gebiet sollte so rasch den, halfen als bewaffneter Arm der Reichsfinanz- als möglich für sämtliche Besatzungskosten selbst verwaltung das eroberte Gebiet zu besetzen und aufkommen. die gemachte Beute zu sichern. Die Devisenschutz- kommandos drangen in Banken und Sparkassen, In wenigen Wochen hatte die Wehrmacht gemein- Firmen und Geschäfte, aber auch in Wohnungen sam mit der im Osten vorrückenden Roten Armee ein. Die Zöllner öffneten Tresore, brachen Bank- das sechstgrößte Land Europas besetzt. Gemäß schließfächer auf, durchsuchten Stadtverwaltun- dem Hitler-Stalin-Pakt teilten die Aggressoren die gen wie Geschäftsräume und führten willkürlich Beute unter sich auf. Der westliche Teil und weite Beschlagnahmungen durch. Besonders brutal gin- Teile Zentralpolens fielen an das Deutsche Reich. gen Devisenschutz, SS und Wehrmacht gegenüber Damit kamen nicht nur die Mehrheit der 35 Millio- der jüdischen Bevölkerung vor. Im Reichsfinanz- nen Einwohner unter deutsche Kontrolle, sondern ministerium richtete man indes eine Beutestelle auch die produktivsten Industriestandorte und er- bei der Reichshauptkasse ein, um die Lieferungen tragreichsten landwirtschaftlichen Nutzflächen. 21
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Rolle der Reichsfinanzverwaltung bei der Plünderung Polens 1939 bis 1945 Juli 2018 Die ehemals preußischen Provinzen, erweitert um der Treuhandstelle. Da sich die erhofften Gewinne die wichtigsten Wirtschaftszentren, wurden an- und damit Abschreibungen zugunsten des Reichs- nektiert. Die weit nach Osten verschobene Reichs- haushalts aus der milliardenschweren Treuhand- grenze trennte, als eine durch den Zollgrenzschutz masse nicht einstellten, richtete Reichsfinanzmi- unter Schießbefehl bewachte Devisengrenze, nister Lutz Graf Schwerin von Krosigk mit dem fortan zwei Interessengebiete voneinander: die Beauftragten für die Angelegenheiten der Haupt- „eingegliederten Ostgebiete“ und das sogenannte treuhandstelle Ost eine gesonderte Dienststelle mit Generalgouvernement. der alleinigen Zuständigkeit ein, die Treuhandver- waltung in die Reichsfinanzverwaltung zu über- führen. Letztlich scheiterte dieses Vorhaben aber Finanzpolitik zwischen an der weitestgehend unabhängig agierenden und Treuhandverwaltung und in der nationalsozialistischen(NS)-Machtstruktur gut vernetzten Treuhandstelle. Steuerhilfe Doch war der Reichsfiskus durchaus auch bereit, Die annektierten Gebiete waren zum neuen deut- für den „Aufbau Ost“ auf Einnahmen zu verzich- schen Siedlungsraum bestimmt und sollten in ei- ten. Trotz der Tatsache, dass sich die Steuererträge nem kostspieligen Wiedervereinigungsprozess infolge von Massenvertreibung und Treuhandpo- durch staatliche Subventionierung den wirtschaft- litik mit deutlich fallender Tendenz entwickelten, lichen Verhältnissen im Reichsgebiet angepasst gewährte der Reichsfinanzminister umfangrei- werden. Die Reichsverwaltungen dehnten ihre che Steuervergünstigungen. Mit der Ost-Steuer- Strukturen entsprechend aus, der Geltungsbereich hilfe-Verordnung förderte das Reichsfinanzmi- der reichsdeutschen Gesetzgebung expandierte und nisterium für einen Zeitraum von zehn Jahren die Reichsbank wie Reichsfinanzministerium sorgten Ansiedlung deutscher Familien, Unternehmun- für die Einführung der Reichsmark-Währung. gen und Investoren durch weitreichende Vergüns- tigungen und üppige Nachlässe. Gleichzeitig belas- Da die umfangreiche Ansiedlung deutscher Fami- tete die Zusatzgabe im Rahmen der sogenannten lien und Unternehmungen im Rahmen der natio- Sozialausgleichsabgabe alle polnischen Steuerzah- nalsozialistischen Germanisierungspolitik geplant ler erheblich. war, wurden hunderttausende Polen unter Zu- rücklassung ihrer gesamten Habe ins Generalgou- vernement vertrieben. Darüber hinaus enteignete Fiskalische Ausbeutungsstra- man alle im Reichsgebiet ansässigen Polen ebenso tegien und Judenmord rest- wie entschädigungslos. An der diesen Pro- zess legalisierenden Gesetzgebung, die zugleich die Im Generalgouvernement setzte Hitler eine Zivil- Grundlage für die von nun an strukturierte Enteig- verwaltung unter Generalgouverneur Hans Frank nungspraxis bildete, zeichnete das Reichsfinanzmi- ein. Die abgeordneten Beamten der Reichsfinanz- nisterium maßgeblich mit. verwaltung übernahmen die polnische Steuerver- waltung. Frank verstand deren Funktion als die Der Besitz der Vertriebenen sollte samt und son- von „Finanzdiktatoren“. Anders als in den annek- ders an die neuen Siedler verteilt werden. Beauf- tierten Gebiete war dem Generalgouvernement tragt mit der Beschlagnahme und Verwertung die Rolle zugedacht, die deutsche Kriegs- und Rüs- wurde die neu gegründete Haupttreuhandstelle tungswirtschaft durch Zwangsarbeit und Rohstoff- Ost. Im Reichsfinanzministerium übernahm zu- lieferungen, Besatzungskostenerstattungen und nächst der schon für die „Judenvermögen“ im Reich die generelle maximale Ausbeutung der verbliebe- und die bereits angefallenen Beutewerte zustän- nen volkswirtschaftlichen Ressourcen zu stützen. dige Referent Walter Maedel die Angelegenheiten Die Finanzbeamten übernahmen die vollständige 22
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Rolle der Reichsfinanzverwaltung bei der Plünderung Polens 1939 bis 1945 Juli 2018 Etatkontrolle sowie das verbliebene Staatsvermö- Nahrungsmittelverteilung an letzter Stelle. Auch gen, reorganisierten mit Zwangsarbeitern die ok- konnten sie sich, ihrer mobilen und immobilen kupierten Monopolbetriebe, erhöhten sämtli- Vermögenswerte durch SS und Gestapo, Devisen- Analysen und Berichte che Steuern mehrfach und führten neue Abgaben schutz und Finanzverwaltung beraubt, kaum noch ein. Über die Durchsetzung der Steuerbeitreibung durch Tauschhandel versorgen. Wie in den annek- wachten sie mit massiver Strafandrohung, aber tierten Gebieten hoffte man im Generalgouver- auch mit Gewaltmaßnahmen. nement, durch die Enteignung der Juden große Gewinne zu erzielen. Doch führte die Ghettoisie- Das Vertrauen der Bevölkerung in die Geldwirt- rungspolitik außer zu Massenleerstand und Verfall schaft wurde durch eine auf Hyperinflation aus- zu einer massiven Reduzierung der Produktivität gerichtete Währungspolitik zutiefst erschüttert, in Handel und Gewerbe. Wegen der Geschäftsliqui- sodass sich ein wirkmächtiger Schwarzmarkt eta- dationen verzeichneten die Beamten einen starken blierte. Selbst die Besatzer konnten sich dieser Rückgang der Steuereinnahmen. selbstgeschaffenen Parallelwirtschaft nicht entzie- hen. Grund für diese Entwicklung war die Einfüh- Als auf das langsame Sterben in den Ghettos der rung einer Besatzungswährung, deren Deckung auf organisierte Massenmord in den Vernichtungsla- Drängen des Finanzministers durch eine schein- gern folgte, begann der letzte Bereicherungswett- selbständige Emissionsbank mit bedenklichen Fi- lauf. Die Finanzbeamten am Ort versuchten, Steu- nanzkonstruktionen hergestellt wurde. Als Rück- errückstände noch vor der Räumung der Ghettos lage zwang das Reichsfinanzministerium dem einzutreiben, um so dem Zugriff der SS zuvor zu Generalgouvernement die – de facto entwerte- kommen. Teile des Zollgrenzschutzes halfen bei der ten – Altgeldbestände aus dem Währungsumtausch Abriegelung der Ghettos. in den annektierten Gebieten auf. Die ständig an- wachsende Verschuldung des Reichs im Verrech- Den Ertrag des Mordens schaffte die SS in Kis- nungsverkehr nahm man kurzerhand als Garantie ten und Koffern nach Berlin, wo die Beamten der für eine unentwegt laufende Notenpresse. Mit den Reichshauptkasse, der Reichsbank und die Mitar- Milliardenbeträgen stopfte die Finanzabteilung in beiter der Städtischen Pfandleihanstalt an die Ver- Krakau die Lücken im außerordentlichen Haus- wertung der Edelmetalle aus Schmuck, Münzen halt, um die Forderungen an Besatzungskosten zu und Zahngold gingen. Verrechnet wurden die Be- befriedigen, die der Reichsfinanzminister mit fort- träge über die Reichshauptkasse. schreitender Kriegsdauer in astronomische Höhen trieb. Gleichzeitig benötigte man im Generalgou vernement die Geldmengen, um den Bedarf der Verdrängen der Verantwortung Wehrmacht an Zahlungsmitteln zu bedienen. Mit Beginn des Kriegs gegen die Sowjetunion lag die Nach dem Krieg wollten weder der Reichsfinanz- Etappe der Wehrmacht auch im Generalgouver- minister noch der Staatssekretär und auch nicht die nement, sodass die Versorgung der Truppe große Beamten aus den zuständigen Referaten oder den Summen verschlang. Verwaltungen im besetzten Polen von den Verbre- chen gewusst haben. Ihre Beteiligung an der Aus- Die Versorgungslage der Bevölkerung verschlech- beutung und Zerstörung der polnischen Volkswirt- terte sich so drastisch, dass die Unterversorgung schaft redeten sie klein oder erkannten in ihrem auch nicht mehr über den Schwarzmarkt zu kom- Handeln gar eine Förderung Polens. Im Verdrän- pensieren war. Besonders die in den Ghettos ein- gen der Verantwortung machten sie sich gemein gepferchten Juden litten unter den unmensch- mit vielen anderen im Nachkriegsdeutschland. lichen Bedingungen, denn sie standen bei der 23
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Rolle der Reichsfinanzverwaltung bei der Plünderung Polens 1939 bis 1945 Juli 2018 Fazit größten Verluste pro Kopf zu beklagen. Die finanzi- ellen Erträge und Erlöse, die neben der Ausbeutung Die Reichsfinanzverwaltung hat die ausbeuterische von Rohstoffen, Arbeitskraft und Produktionsleis- Besatzung Polens mit ermöglicht und durch ver- tung erzielt werden konnten und tatsächlich in die schiedene Maßnahmen aktiv unterstützt. Sie trägt Kriegskasse des Reiches flossen, waren im Vergleich damit eine Mitverantwortung für den nicht zu er- zu den anderen besetzten Ländern Europas gering. messenden Verlust an Menschenleben, der mit Vieles, was den Menschen geraubt wurde, fand bis der Besatzung verbunden war. Aber auch die wirt- Kriegsende nicht den Weg einer finanziellen Ver- schaftlichen Schäden für Land und Bevölkerung wertung. Häufig war der Schaden erheblich größer waren enorm. Nach der Sowjetunion hatte Polen die als der monetäre Gewinn. Dieser Bericht zum Forschungsprojekt der unabhängigen Historikerkommission gibt Erkenntnisse aus den Forschungsarbeiten der Autorin Ramona Bräu wieder. 24
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Juli 2018 Artikel-IV-Konsultationen des Internationalen Währungsfonds mit Deutschland Analysen und Berichte ●● Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat am 29. Juni seine diesjährigen Artikel-IV-Konsulta- tionen mit Deutschland abgeschlossen. ●● Der IWF lobte die ausgesprochen gute Lage der deutschen Wirtschaft und der öffentlichen Haushalte und geht in seinen Projektionen davon aus, dass die positive Entwicklung im kom- menden Jahr anhalten wird. Die stabile wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wirke als Wachstumsmotor für das Euro-Währungsgebiet. ●● Der IWF würdigte die anhaltend positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die steigenden Beschäftigungszahlen. Private und öffentliche Investitionen, insbesondere in Aus- und Fortbil- dung, seien notwendig, um auch in Zukunft die Beschäftigung zu sichern. Die jährlichen Artikel-IV-Konsultationen des IWF Artikel-IV-Konsultationen mit Deutschland fanden vom 2. bis 15. Mai 2018 Zu den wesentlichen Aufgaben des IWF statt. Die IWF-Delegation führte Gespräche mit ver- gehört der Dialog mit den Mitgliedslän- schiedenen Bundesministerien, mit der Deutschen dern über die nationalen und internationa- Bundesbank sowie mit Wirtschaftsverbänden in len Auswirkungen ihrer Wirtschafts- und Berlin. Mit der Diskussion im Exekutivdirektorium Finanzpolitik. Der IWF führt mit allen Mit- des IWF am 29. Juni 2018 wurden die diesjährigen gliedsländern jährliche Konsultationen Artikel-IV-Konsultationen mit Deutschland abge- durch. Die Grundsätze für diese Konsultatio- schlossen. Der Bericht des IWF wurde veröffent- nen sind in Artikel IV des Übereinkommens licht und kann auf der Homepage des IWF einge- über den IWF festgelegt. Üblicherweise be- sehen werden.1 sucht zunächst ein Team von IWF-Mitar- beitern das jeweilige Land, um sich über die Wirtschafts- und Finanzlage zu informieren und mit der Regierung die wirtschafts- und finanzpolitische Ausrichtung zu diskutie- ren. Auf dieser Grundlage verfasst das IWF- Team einen Bericht, den die ständigen Ver- treter der Mitgliedsländer beim IWF, die Exekutivdirektoren, erörtern. Der IWF ver- öffentlicht danach eine Presseerklärung, die die wesentlichen Ergebnisse der Konsulta tionen zusammenfasst. 1 http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20180741 25
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