Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes

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Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes   www.dbwv.de 9/2013

                  Beihilfe                        EuroHawk
                  Der Durchbruch                  Aufarbeitung im
                  lässt auf sich warten           Untersuchungs-
                                                  ausschuss

Bundestagswahl

Kauder und Steinbrück
im Interview
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
Die Bundeswehr September 2013   1

                                                                                                                 Zur Sache
                      Oberst Ulrich Kirsch,
                  Bundesvorsitzender des
          Deutschen BundeswehrVerbandes

Die Zeit der Entscheidungen
Meine lieben Kameradinnen und                     Zeiten – behutsam ausgedrückt – eher zu den       higes Fahrwasser führen und den innerver-
Kameraden, liebe Leserinnen und Leser,            zurückhaltenden Akteuren gehörten, wenn es        bandlichen Reformprozess fortsetzen. Mehr
                                                  um spezifische Verbesserungen für die             denn je wird sich eine Mitgliedschaft im Deut-
in diesem Monat sind 62 Millionen Mitbürge-       Berufsgruppe der Soldatinnen und Soldaten         schen BundeswehrVerband lohnen! Denn die-
rinnen und Mitbürger aufgerufen, den 18.          ging, hinter diesem Gesetz standen. Natürlich     ser Verband ist der einzige, der aus der Bun-
Deutschen Bundestag zu wählen. Der Bun-           sind wir von unserem Ziel einer selbstver-        deswehr für die Bundeswehr erfolgreich
desvorstand unseres Verbandes appelliert an       ständlichen Wahrnehmung der Bundeswehr            kämpft.
Sie, meine Kameradinnen und Kameraden,            bei allen politischen Entscheidungsträgern
                                                                                                                      ✶✶✶✶✶
Kolleginnen und Kollegen, von Ihrem Wahl-         noch weit entfernt, aber wir sind auf dem rich-
recht Gebrauch zu machen und am 22. Sep-          tigen Weg dorthin.                                Der verbandspolitische Alltagskampf ruht
tember Ihre Stimme abzugeben. Unser Land                                                            nicht – die „Beihilfeschlacht“ läuft weiter.
                                                                    ✶✶✶✶✶
braucht einen starken, durch eine hohe Wahl-                                                        Lesen Sie dazu den Zwischenruf des Vorstan-
beteiligung legitimierten Bundestag, um den       Die Delegierten der 19. Hauptversammlung          des ERH unseres Verbandes auf Seite 10 die-
vielen großen Herausforderungen, vor denen        unseres Verbandes vom 18. bis 22. November        ser Ausgabe des Verbandsmagazins. Ein
unser Land und unser Kontinent stehen,            2013 werden nicht nur den nächsten Bundes-        besonderes Augenmerk lohnt sich auf den Bei-
gerecht werden zu können.                         vorstand wählen, sondern auch organisatori-       trag von Oberst Richard Drexl auf Seite 36 zu
    Auch der BundeswehrVerband braucht            sche und verbandspolitische Richtungsent-         legen. Aus seiner Sicht als Kommandeur der
selbstbewusste Fraktionen im Bundestag und        scheidungen treffen, die ganz sicher ein Bei-     Technischen Schule der Luftwaffe 1 be-
eine stabile Bundesregierung als Partner, um      behalten dieses politischen Kurses ein-           schreibt er die Folgen einer Stationierungsent-
seinen erfolgreichen verbandspolitischen Weg      schließen.                                        scheidung und damit der Neuausrichtung – ein
zum Wohle der Bundeswehr, der in ihr dienen-          Ich persönlich werde nicht wieder als Kan-    dominierendes Themenfeld des amtierenden
den Menschen und ihrer ehemaligen An-             didat für das Amt des Bundesvorsitzenden zur      und künftigen Bundesvorstandes des Bundes-
gehörigen fortsetzen zu können.                   Verfügung zu stehen. Von meinem Herzinfarkt       wehrVerbandes.
    Die Jahre der jetzt zu Ende gehenden          im Mai 2009, der mich in eine gesundheitliche
Wahlperiode des Bundestages waren für die         und mentale Grenzsituation gebracht hat, habe Mit kameradschaftlichen Grüßen
Bundeswehr mit ihrer Neuausrichtung bei           ich mich dank der Unterstützung der Men-
hoher Einsatzbelastung eine außergewöhnlich       schen meiner unmittelbaren Umgebung –
schwere Zeit. Gleichzeitig aber haben wir – oft   allen voran meiner lieben Frau – sehr gut
außerhalb der öffentlichen Aufmerksamkeit –       erholt. Jedoch haben sie und ich nach reiflicher
wegweisende Durchbrüche erzielen können:          Überlegung entschieden, ab November wieder
Immer mehr Politiker außerhalb des ohnehin        ein Leben in „Selbstbestimmung“ zu führen.
hoch engagierten Verteidigungsausschusses             Auf Seite 14 dieses Verbandsmagazins fin-
in Bundestag und Bundesregierung verstehen,       den Sie den Wahlvorschlag des amtierenden
dass sie unmittelbar Verantwortung für die        Bundesvorstandes für den nächsten Bundes-
Bundeswehr in Reform und Einsatz tragen. So       vorstand. Ich freue mich sehr über die Kandi-
hat beispielsweise mit dem Einsatzversor-         datur von Oberstleutnant André Wüstner für
gungsverbesserungsgesetz der Bundestag ein        das Amt des Bundesvorsitzenden. Mit ihm an
Gesetz gegen den Willen der Bundesregierung       der Spitze wird das zu wählende neue
durchgeboxt. Das ging nur, weil auch Innen-,      Führungsteam unseren Verband erfolgreich
Finanz- und Sozialpolitiker, die in früheren      durch verteidigungspolitisch weiterhin unru-
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
2       Die Bundeswehr September 2013                  Aktuell

            Feierliches Gelöbnis und Gedenken an Hitler-Attentat
            Bundespräsident Gauck würdigt Attentäter des 20. Juli 1944 als Vorbilder für die Bundeswehr
Foto: dpa

                                                                                                                                               Joachim Gauck
                                                                                                                                               spricht beim feierli-
                                                                                                                                               chen Gelöbnis vor
                                                                                                                                               dem Reichstagsge-
                                                                                                                                               bäude in Berlin. Das
                                                                                                                                               Attentat auf Adolf
                                                                                                                                               Hitler am 20. Juli
                                                                                                                                               1944 sei zwar
                                                                                                                                               erfolglos, aber nicht
                                                                                                                                               sinnlos gewesen,
                                                                                                                                               sagte der Bundes-
                                                                                                                                               präsident vor 500
                                                                                                                                               Soldaten und vielen
                                                                                                                                               Gästen.

            Berlin. Mit Kranzniederlegungen         Gewissen den Vorrang gaben.“ Die       lich demokratische Grundordnung        Diktaturen gehört zum Erbe und zur
            und einem feierlichen Rekruten-         Widerstandskämpfer um Claus            gefährdet ist. Befehl und Gehorsam     Tradition der Bundeswehr.“
            Gelöbnis vor dem Berliner Reichs-       Schenk Graf von Stauffenberg hät-      haben da ihre Grenzen, wo gegen             Am 20. Juli 1944 war der
            tagsgebäude ist an das gescheiterte     ten Verantwortung übernommen.          Recht und Menschenwürde ver-           Anschlag einer Gruppe von Wehr-
            Attentat auf Adolf Hitler vor 69 Jah-   „Ihr Versuch, Hitlers Regime zu        stoßen wird“.                          machtsoffizieren auf Hitler geschei-
            ren erinnert worden. Bundespräsi-       beenden, blieb erfolglos, aber sinn-                                          tert. Claus Schenk Graf von Stauf-
            dent Joachim Gauck würdigte den         los war er nicht.“ Gauck appellierte   „Erbe und Tradition der                fenberg und drei Mitverschwörer
            militärischen Widerstand gegen den      an das Verantwortungsbewusstsein       Bundeswehr“                            wurden nur wenige Stunden später
            Nationalsozialismus: „Der 20. Juli      der 500 Bundeswehr-Soldaten, die            Zuvor hatte Verteidigungsmini-    auf dem Hof des Bendlerblocks in
            erinnert uns an jene Soldaten, die      ihr feierliches Gelöbnis ablegten:     ster Thomas de Maiziere erklärt, der   Berlin erschossen. Insgesamt fielen
            nicht nur Befehl und Gehorsam           „Auch Soldaten haben die Pflicht       20. Juli wirke in der Bundeswehr       rund 200 Mitverschwörer der Nazi-
            kannten, sondern letztlich ihrem        zum Widerstand, wenn die freiheit-     fort. „Der mutige Widerstand gegen     Justiz zum Opfer.                ■

            17 Milliarden Euro für Auslandseinsätze
            „Einsatzbedingte Zusatzkosten“ der Einsätze seit 1992 – ISAF ist die kostspieligste Mission
            Berlin. Gut 17 Milliarden Euro                                                                                        lung des Verteidigungsministeri-
            haben die Auslandseinsätze der                                                                                        ums die Kosten rein humanitärer
                                                       Der Kfor-
            Bundeswehr seit 1992 gekostet. Das                                                                                    Einsätze. Diese werden entweder
                                                     Einsatz im
            teilte kürzlich die Bundesregierung                                                                                   aus anderen Titeln des Verteidi-
                                                     Kosovo hat
                                                                                                                                                                         Foto: Bundeswehr/Bienert

            dem Bundestag in seiner Antwort                                                                                       gungsministeriums oder aus ande-
                                                      seit 1999
            auf eine Kleine Anfrage mit.                                                                                          ren Einzelplänen des Bundeshaus-
                                                        rund 3,3
                 Auf diese Summe Euro haben                                                                                       haltes finanziert. Die 13,7 Millio-
                                                     Milliarden
            sich bis Ende Juni dieses Jahres die                                                                                  nen Euro, die der Einsatz der Bun-
                                                     Euro geko-
            so genannten einsatzbedingen Zu-                                                                                      deswehr nach der Tsunami-Kata-
                                                           stet.
            satzausgaben belaufen. Dahinter                                                                                       strophe in Indonesien kostete,
            verbergen sich allein die Kosten, die                                                                                 kamen beispielsweise aus dem Etat
            unmittelbar durch die Beteiligung                                                                                     des Ministeriums für wirtschaftli-
            an Auslandseinsätzen entstanden                                                                                       che Zusammenarbeit und Entwick-
            sind. Beispiel: Die Gehälter der ein-   Euro. Die Beteiligung an der Koso-     der UNIFIL-Einsatz vor der Küste       lung, nachdem der Bundestag die-
            gesetzten Soldaten sind in dieser       vo Force (KFOR) hat seit 1999 etwa     des Libanons seit 2006 mit 330,8       sen kurzfristig um insgesamt 125
            Summe nicht enthalten, die zusätz-      3,3 Milliarden Euro gekostet. Die      Millionen. Active Fence, der Schutz    Millionen Euro aufgestockt hatte.
            lich gezahlten Auslandsverwen-          Anti-Piraterie-Operation Atalanta      des NATO-Partners Türkei mit           Anlass für die 15-seitige Aufstel-
            dungszuschläge schon.                   am Horn von Afrika, zu der die Bun-    Flugabwehrsystemen des Typs            lung des Verteidigungsministeri-
                 Von den rund 17 Milliarden         deswehr seit 2008 vor allem mit        Patriot, hat seit seinem Beginn im     ums war eine Kleine Anfrage der
            Euro entfallen allein auf den 2002      Kriegsschiffen und Seefernaufklä-      Januar knapp sieben Millionen          Fraktion „Die Linke“ vom Juni die-
            begonnenen ISAF-Einsatz in              rern ihren Beitrag leistet, schlägt    Euro gekostet.                         ses Jahres.
            Afghanistan rund 7,6 Milliarden         mit 291 Millionen Euro zu Buche,       Nicht enthalten sind in der Aufstel-                               BMVg
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
Inhalt                  Die Bundeswehr September 2013          3

Impressum                                                                                                                                      Inhalt
ISSN 0007-5949

                                      Foto: dpa
Herausgeber:
Deutscher BundeswehrVerband e.V.
Südstraße 123, 53175 Bonn,
   Tel.:(0228) 3823-0                                                                                           Kostbare Freizeit
Oberst Ulrich Kirsch,
   Bundesvorsitzender                                                                                           Der Dienstzeitausgleicherlass ist ein
Jan Meyer, Leiter Presse- und                                                                                   kompliziertes Regelwerk. Wir informie-
    Öffentlichkeitsarbeit
                                                                                                                ren in der Fortsetzung unseres Bei-
                                                                                                                trags aus der vergangenen Ausgabe
Redaktion:                                                                                                      über den aktuellen Sachstand.
Südstraße 123, 53175 Bonn,
                                                                                                                                               Seite 12
Fax: (0228) 38 23-219
Internet: http://www.dbwv.de,
E-Mail: presse@dbwv.de                            Verbandspolitik                                      Auslandseinsatz
Die Redaktion übernimmt keine
                                                  Zur Sache: Die Zeit der Entscheidungen           1 Interview: Botschafter Kochanke zu den
Haftung für unverlangt eingesand-
                                                                                                         Perspektiven für die Krisenregion um Mali                    22
te Manuskripte, Fotos und Illustra-               Wahlen: Das sagen die Parteien                   4
tionen. Es entsteht kein Anspruch                                                                    Mali: Deutsche Pioniere bilden aus                               25
                                                  Interview I: Peer Steinbrück fordert
auf Honorierung und Rücksen-
                                                      Nachbesserungen zur Reform                   6
                                                                                                       Personalia/Gedenken
dung.
                                                  Interview II: Volker Kauder verteidigt den           Gedenken                                                       90
Chefredakteur:                                                                                     7 Ehrungen und Auszeichnungen
                                                      Kurs der Bundesregierung                                                                                        92
Frank Henning (verantwortlich)
Stellvertretender Chefredakteur:                  Interview III: Christoph Verenkotte zu den           Leserforum
Yann Bombeke                                          Personalabrechnungen für aktive Soldaten     8
Redakteurin:                                                                                           Briefe an die Redaktion                                        66
                                                  Beihilfe: Wir bleiben skeptisch                 10
Christine Hepner                                                                                       FöG-News
Lektorat: Jörg-Thomas Födisch                     Bilanz: Der Dank eines Fachbereichsvorsitzenden 16
Layout: Rainer Roßbach,                           Teilstreitkräfte/Organisationsbereiche               Service: Zur Absicherung bei Dienstunfähigkeit                 86
freier Mitarbeiter
                                                                                                       KTMS
Redaktionsassistentin:                            Heer: Soldaten wünschen sich Grundschule in
Babette Nürnberg                                     Le Luc                                    38 Kolloquium: Maritime Sicherheit weiterhin
Tel.: (0228) 3823-212/213                                                                            hoch im Kurs                                                     35
                                                  Luftwaffe: Fernausbildung und Wissensmanagement
Alle mit vollem Namen oder                            in Kaufbeuren                             41 Ansprechpartner
Namenszeichen versehenen Arti-
                                                  Sanitätsdienst: 50 Jahre Sanitätsakademie       42 Auslandseinsatz                                                   31
kel stellen nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion oder des                    Streitkräftebasis: Über Trabzon läuft die            Verband intern                                                 47
DBwV dar. Postbezug 30 Euro                          Rückführung                                  44
jährlich, zzgl. Zustellgebühr. Für
                                                                                                       Magazin
                                                  Marine: Wechsel auf dem Posten des
Mitglieder ist der Bezug im Mit-
                                                    stellvertretenden Inspekteurs                 49 Inhalt/Impressum                                3
gliedsbeitrag enthalten.
                                                  Rund um den Bund                                   Freizeit & Multimedia: Bibelstunde mit Rubens
Herstellung/Anzeigenverwaltung:
                                                                                                         und Rembrandt                             100
Gebr. Lensing GmbH & Co. KG,
Postfach 1050 51, 44047 Dort-                     Intern: Arbeitsgruppe Personalmarketing tagte   55 Kino: Reichster Mann Englands – alles wegen
mund, Tel.: (0231) 9059-0                                                                                Sex                                       102
                                                  Zivilberuf: Erziehen kann ein Knochenjob sein   57
                                                                                                     Auto: Ford B-Max 1,0 ecoboost                 103
Anzeigen:
Frank Henke (verantwortlich)
                                                  Berichte/Reportagen                                  Rätsel                                                        104
       und Sabine Bahr-Sarnes,
   I                                              Drohne: Nach oben wird nur Erfolg gemeldet      18
   V   Tel.: (0231) 9059-6421,
  W    Fax: (0231) 9059-8605,                     Gastbeitrag: Unnötiges Debakel                  20
                                                  Vertrauenspersonen/Personalräte
E-Mail: sabine.bahr-sarnes@mdhl.de
                                                  Gleichstellung: Neues Gesetz verabschiedet      72
Anzeigen und Beilagen in dieser
Zeitschrift sind nicht als Empfeh-                Versorgung und Ehemalige
lung des DBwV anzusehen.
Anzeigenschluss ist jeweils der                   Wahl: Gedanken eines Unentschlossenen           52
5. eines Vormonats. Es gilt derzeit               DBwV regional
die Anzeigenpreisliste Nr. 42.
                                                  Aus den Landesverbänden                         78
                                                                                                     Die Bundestagswahl rückt näher, der Wahlkampf ist in vollem Gange.
Redaktionsschluss
Oktober-Ausgabe:                                  Justitia                                           Wir haben Unionsfraktionschef Volker Kauder und den SPD-Kanz-
                                                                                                     lerkandidaten Peer Steinbrück gefragt, wie sie sich die künftige Ver-
Montag, 9. September 2013
                                                  Urteil: Beförderungsverbot aufgehoben           74 teidigungs- und Sicherheitspolitik vorstellen.            Fotos: dpa
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
4       Die Bundeswehr September 2013                    Im Blickpunkt: Bundestagswahl 2013

                                                                                                                                     Foto: dpa
                                                                                                                                                 Vollkommen

A
         m 22. September wählt Deutschland
         einen neuen Bundestag und hat die Qual                                                                                                  egal sollte es
         der Wahl. Die Parteien haben ihre Anga-                                                                                                 Ihnen nicht
ben zu sicherheits- und verteidigungspolitischen                                                                                                 sein, welches
Absichten und Plänen ganz nach hinten in ihre                                                                                                    Feld Sie am 22.
Wahlprogramme gepackt – das ist parteiüber-                                                                                                      September
greifend so. Es gibt eben populärere Themen, mit                                                                                                 ankreuzen.
denen man beim Wähler auf Stimmenfang gehen                                                                                                      Denn in den
kann. Wir haben die Parteiprogramme unter die                                                                                                    Parteiprogram-
Lupe genommen und auf dieser Seite für Sie                                                                                                       men finden
zusammengefasst, wie sich die großen Parteien                                                                                                    sich durchaus
für die kommenden Jahre zur Bundeswehr sowie                                                                                                     bemerkens-
zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik posi-                                                                                                  werte Unter-
tioniert haben. Wer auch immer nach der Wahl                                                                                                     schiede zu den
das Regierungsruder übernimmt: Der DBwV                                                                                                          Vorhaben der
wird genau darauf achten, was sich aus den                                                                                                       Parteien mit
Absichtsbekundungen in den Wahlprogrammen                                                                                                        der Bundes-
entwickelt – und darauf, dass die Bundeswehr auf                                                                                                 wehr.
der politischen Agenda nicht ganz hinten landet.

 Sie haben die Wahl ...
                                                       führen. Auch die Sozialdemokraten streben lang-
                                                       fristig eine gemeinsame europäische Armee an,
                                                       deren Einsatz parlamentarisch legitimiert sein
CDU und CSU betonen die Bedeutung der trans-           muss. Die Fragen zum Verhältnis von Bundes-
atlantischen Beziehungen und geben ein klares          wehr und Gesellschaft, die der Umbau zu einer       Auch für die FDP bleibt die Bundeswehr eine
Bekenntnis zur Nato und zu ihrem neuen strate-         Freiwilligenarmee aufwirft, sollen in einem brei-   Parlamentsarmee, die fest in der Nato verankert
gischen Konzept ab. Gleichzeitig soll die              ten gesellschaftlichen Diskurs beantwortet wer-     ist. Bei künftigen Auslandseinsätzen sollen die
militärische Zusammenarbeit in Europa vertieft         den. Der Umbau der Bundeswehr könne nur dann        politischen Ziele und Zeitlinien sowie eine Exit-
werden – auch durch das Zusammenlegen und              gelingen, wenn alle Beschäftigten der Bundes-       Strategie klar formuliert sein. Die Einsatzfähig-
gemeinsame Nutzen bisher nationaler militäri-          wehr mitgenommen werden. Die SPD will sich          keit der Bundeswehr müsse durch eine entspre-
scher Fähigkeiten. Als langfristiges Ziel wird         für ein umfassendes Konzept zur Nachwuchsge-        chende Finanzierung sichergestellt sein, Aus-
eine europäische Armee genannt. Die Neuaus-            winnung und für ein Attraktivitätsprogramm ein-     landseinsätze dürften nicht zu Lasten des laufen-
richtung der Bundeswehr soll bis 2017 abge-            setzen, das eine bessere Vereinbarkeit von Fami-    den Verteidigungsetats gehen. Die Aussetzung
schlossen sein. Die Streitkräfte sollen es der Poli-   lie und Beruf mit sich bringt.                      der Wehrpflicht und den Umbau der Bundeswehr
tik weiterhin ermöglichen, auf unterschiedliche                                                            zu einer Freiwilligenarmee bezeichnen die Libe-
Herausforderungen schnell und wirksam reagie-                                                              ralen als Meilensteine bezüglich des Aufbaus
ren zu können. Die Finanzierung der Bundes-                                                                und der inneren Verfasstheit der Bundeswehr.
wehr soll nachhaltig gesichert werden. Für einen                                                           Die Partei will sich dafür einsetzen, dass die
attraktiveren Dienst in den Streitkräften ver-                                                             Arbeit der Bundeswehr Anerkennung in der
spricht die Union eine verbesserte Betreuung der                                                           Öffentlichkeit erfährt. Gerade für eine Einsatz-
Einsatz-Rückkehrer und eine bessere Vereinbar-                                                             armee sei die Wertschätzung des geleisteten
                                                       Bündnis 90/Die Grünen wollen Auslands-              Dienstes von überragender Bedeutung. Die
keit von Familie und Dienst. Dies soll durch den       einsätze der Bundeswehr auch in Zukunft nur
Ausbau der Kinderbetreuung, möglichst heimat-                                                              Gehaltshöhe, die Qualität der Infrastruktur, die
                                                       dann mittragen, wenn sie auf Grundlage eines        Versetzungshäufigkeit, die Versorgung im Falle
nahe Verwendungen, flexible Einsatzzeiten oder         völkerrechtlich klaren Mandates der Vereinten
Telearbeitsplätze erreicht werden. Zudem wollen                                                            der Verwundung sowie die Vereinbarkeit von
                                                       Nationen sowie eines Bundestagsmandats erfol-       Dienst und Familie seien wesentliche Faktoren
die Unionsparteien die soziale Absicherung wei-        gen. Der Parlamentsvorbehalt habe sich bewährt,
ter verbessern. Dazu soll geprüft werden, ob die                                                           der Attraktivität des Dienstes.
                                                       müsse aber hinsichtlich der Kontrolle von
Hinzuverdienstgrenze für aus dem Dienst aus-           gehimhaltungsbedürftigen Einsätzen gestärkt
scheidende Berufssoldatinnen und -soldaten             werden. Die Bundeswehr könne einen Beitrag
aufgehoben werden kann.                                zur Gewalteindämmung und zur kollektiven
                                                       Friedenssicherung leisten, zuvor müssten aber
                                                       alle andere Mittel der zivilen Krisenbewältigung    Die Linke fordert den Rückzug aller deutschen
                                                       ausgeschöpft sein. Die Grünen halten an ihrer       Soldatinnen und Soldaten aus den Auslands-
                                                       Vision fest, den Vereinten Nationen ständige        einsätzen sowie ein Verbot von Rüstungsproduk-
                                                       Truppen zu unterstellen, anstatt nationaler         tion und Rüstungsexporten. Der Umbau der
                                                       Militärkontingente. Die Bundeswehr müsse            Bundeswehr in eine Einsatzarmee müsse
Die SPD betont die Rolle der Bundeswehr als            europatauglicher und VN-fähiger werden. Ihr         gestoppt, die Personalstärke in Konversionspro-
Parlamentsarmee, die in den europäischen und           Umbau müsse so erfolgen, dass sie ihren schüt-      zessen für Betroffene und Standorte weiter abge-
transatlantischen Sicherheitsstrukturen einge-         zenden und stablisierenden Aufgaben in interna-     senkt werden. Die Partei will die Bundeswehr in
bunden ist. Eine Aufweichung des Parlaments-           tionalen Konflikten besser gerecht werden kann.     den kommenden vier Jahren drastisch reduzieren
vorbehalts wird strikt abgelehnt. Die begonnene        Die Streitkräfte müssten deutlich mehr zur Haus-    und so umbauen, dass sie zu Angriffen und Inter-
Reform der Bundeswehr soll zu einer weiteren           haltskonsolidierung beitragen – auch durch wei-     ventionen nicht mehr fähig ist. Langfristig ver-
Europäisierung der Streitkräfte im Rahmen einer        teren Personalabbau. Zehn Prozent des aktuellen     folgt Die Linke das Ziel eines Deutschlands ohne
gemeinsamen europäischen Sicherheitsplanung            Wehretats wollen die Grünen einsparen.              Armee.                                        yb
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
Die Bundeswehr September 2013       5

                                                     Notizen aus der Hauptstadt

N
         ormalerweise ist es ja eher die Bild-Zei-
         tung, die die Dinge knackig und unver-
         wechselbar auf den Punkt bringt – aber
                                                     Warum die Kanzlerin keine
in Sachen Beihilfe geht der Pokal eindeutig an
die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“.
Gleich in zwei größeren Artikeln befasste sich
                                                     Postkarten mehr bekommen will
das Blatt im August mit dem Skandal – und
beschreibt die treibende Rolle des Deutschen
BundeswehrVerbandes.
    Unter der Überschrift „Merkel will keine                                  Jan Meyer,                   behandelt. Hier wird der Bundesvorsitzende
Postkarten“ schreibt der renommierte Politik-                                 Herausgeber                  Oberst Kirsch zitiert: „Man hat die Sache im Ver-
Redakteur und Leiter des Berliner FAS-Büros                                                                teidigungsministerium schleifen lassen. Mini-
Eckart Lohse, wie die Regierungschefin aus-                                                                ster de Maizière muss die Sache mit seinen Kol-
gerechnet an ihrem Geburtstag am                                                                           legen aus dem Finanz- und dem Innenministe-
17. Juli gezwungen war, Finanzminister Wolf-                                                               rium in Ordnung bringen.“
gang Schäuble und Verteidigungsstaatsekretär                                                                   Ob die neuen Maßnahmen ausreichen? Der
Christian Schmidt klar zu machen, dass sie das                                                             BundeswehrVerband schaut auf jeden Fall weiter-
Beihilfe-Problem aus der Welt schaffen müs-                                                                hin ganz genau hin. Oberst Kirsch: „Ich traue
sten.                                                                                                      dem Ansatz deswegen nicht, weil ich ihn schon

                                                                                                                                                                   Fotos: Neßhöver
So war es im Dezember 2010: Zehntausende von Protest-Postkarten türmten sich in der Berliner Geschäftsstelle (l.). Die DBwV-Delegation
unter Führung des Bundesvorsitzenden Oberst Ulrich Kirsch brachte die Karten zum Kanzleramt. Das will Angela Merkel nicht mehr erleben.

    Er berichtet, wie der gescheiterte Plan des          Lohse diagnostiziert: Der politische Druck, zu    seit einem Jahr höre. Und genau, weil hier nicht
Verteidigungsministers, seine Beihilfe-Fachleu-      einer Lösung zu kommen, sei gewachsen. BMVg           nachgesteuert wurde, ist dieser Berg so groß
te in untergeordnete Behörden von Innen- und         und Finanzministerium hätten vereinbart, bei          geworden.“
Finanzministerium zu versetzen, zu den untrag-       Anträgen über 1000 Euro einen Abschlag von 75
                                                                                                                                ✶✶✶✶✶
baren Zuständen geführt hatte. Rund 60 000           Prozent zu zahlen, zudem sollte das Personal in den
Anträge würden die Bearbeiter vor sich her           Beihilfestellen verstärkt werden.                     „Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das
schieben, die Folge sei, dass die Betroffenen            „Und warum interessiert das die Kanzle-           zentrale Thema!“ – das ist der Titel eines
Ärzte und Krankenhäuser nicht rechtzeitig            rin?“, fragt Lohse. Vielleicht, so seine Theorie,     Gesprächs aus der Reihe „Nachgefragt“ von Oberst
bezahlen können und Mahngebühren fällig wer-         hat es mit dem Weihnachtsgeld zu tun. Als die         Ulrich Kirsch. Auf einen interessanten Baustein
den.                                                 Bundesregierung damals die Zahlungen nach             dafür bin ich neulich zufällig im Netz gestoßen: das
    Eckart Lohse zitiert den Bundesvorsitzen-        einer Kürzung nicht, wie versprochen, wieder          (nach wie vor im Aufbau befindliche) „Kinderbe-
den Oberst Ulrich Kirsch mit dem Wort vom            auf die zugesagte Höhe gebracht hatte, haben          treuungsportal“ der Bundeswehr. Es ist unter
„Organisationsversagen“ und der berechtigten         die Mitglieder des BundeswehrVerbandes sie            http://www.bundeswehr-kinderbetreuung.de zu
Beschwerde, seine Vorschläge zur Abhilfe seien       mit Protestpostkarten überhäuft.                      finden. Seit November letzten Jahres ist es – nach
nicht ernst genommen worden.                             In diesem Fall habe der Verband eine solche       einer dreijährigen Pilotphase – in der Fläche
    Schon seit Monaten habe der Bundeswehr-          Aktion noch nicht angekündigt, schreibt Lohse         erreichbar. Noch bietet es lange nicht für alle Stan-
Verband Druck gemacht, Mitte Juli habe der           weiter. Oberst Kirsch habe allerdings darauf          dorte detaillierte Angebote – aber wer beispiels-
Verteidigungsminister gesagt, die Beihilfe solle     hingewiesen, dass der Verband genügend Post-          weise in Berlin seinen Nachwuchs unterbringen
„zeitlich befristet ohne aufwändige Einzelfall-      karten habe, mit denen man sich „wunderbare           muss, der wird über die Kitas in der Julius-Leber-
prüfung“gezahlt werden. Nur einen Monat spä-         Dinge“ ausdenken könne.                               Kaserne („Wilde Wiese“) und der Blücher-Kaser-
ter war dieses Vorhaben am Widerstand von                Unter der Überschrift „Bundeswehr zahlt zu        ne („Eichhörnchenbande“) informiert. Eine wirk-
Finanz- und Innenministerium gescheitert.            spät“ wird die Beihilfe auf der Titelseite der FAS    lich gute Sache!
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
6       Die Bundeswehr September 2013                  Interview

                                                                                                         Foto: Büro Steinbrück
Die Bundeswehr: Sie waren für zwei Jahre Zeit-                                                                                   Die Bundeswehr: Unsere Kameradinnen und
soldat und haben den Dienstgrad Leutnant der                                                                                     Kameraden der Marine haben Ihre Aussag zu
Reserve erreicht. Würden Sie sich heute als jun-                                                                                 einem möglichen Pooling bei der Marine mit
ger Mensch erneut verpflichten?                                                                                                  einer Mischung aus Argwohn und Neugier zur
Peer Steinbrück: Diese Zeit würde ich nicht                                                                                      Kenntnis genommen. Wie sehen Sie die Zukunft
missen wollen. Als junger Kerl bei der Panzer-                                                                                   der Marine?
truppe in Oldenburg habe ich viele positive                                                                                      Peer Steinbrück: Ich komme von der Küste und
Erfahrungen gemacht – Kameradschaft,                                                                                             habe hohen Respekt vor der Leistung der Män-
Gemeinschaft, vor einer Truppe zu stehen und                                                                                     ner und Frauen der Marine. Glauben Sie mir,
Verantwortung zu übernehmen. Deshalb würde                                                                                       nichts liegt mir ferner, als die Marine abzuschaf-
ich mich in einer vergleichbaren Situation wie-                                                                                  fen. Im Gegenteil, in einer Rede, die ich vor eini-
der verpflichten. Trotzdem weiss ich auch, dass                                                                                  ger Zeit zur Zukunft der europäischen Sicher-
viele junge Menschen heute Zweifel haben. Aus                                                                                    heits- und Verteidigungspolitik gehalten habe,
meiner Sicht muss der Dienst in einer professio-                                                                                 nahm ich die Marine als ein Beispiel für die Mög-
nellen Freiwilligenarmee heute allen voran                                                                                       lichkeiten der verstärkten europäischen Zusam-
attraktiver gestaltet werden, damit er konkur-                                                                                   menarbeit.
renzfähig bleibt. Da muss deutlich nachgebessert   Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat der Sozi-                                        Aus meiner Sicht war und ist es dringend not-
werden.                                            aldemokratischen Partei Deutschlands                                          wendig, dass wir die europäische Kooperation in

„Da muss deutlich nachgebessert werden“
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zur Reform und zum gesellschaftlichen Rückhalt der Streitkräfte
Die Bundeswehr: Neuausrichtung und Einsätze        •    Und nicht zuletzt: Die Soldatinnen und Sol-                              militärischen Fragen durch konkrete und prakti-
beherrschen zurzeit die Bundeswehr. Falls die           daten brauchen wieder eine verlässliche poli-                            kable Projekte wieder in Gang bringen. Ich habe
SPD an der nächsten Bundesregierung beteiligt           tische Führung. Bei drei Amtsträgern in einer                            damals angeregt nachzudenken, ob es wirklich
wäre, was würden Sie anders machen bei der              Legislaturperiode plus zahlreichen Skanda-                               sinnvoll ist, dass acht EU-Staaten jeweils mit der
Neuausrichtung?                                         len werde ich altmodisch und erinnere mich                               eigenen Marine in der Ostsee präsent sind. Wäre
Peer Steinbrück: Die Bundeswehrreform wur-              allzu gern an meine Bundeswehrzeit zurück                                es nicht überlegenswert, wie wir hier noch enger
de überhastet begonnen und nur mangelhaft               als Helmut Schmidt Verteidigungsminister                                 zusammenarbeiten und uns gegenseitig entlasten
umgesetzt. Bei meinen zahlreichen Gesprächen            war.                                                                     können?
mit Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen
Angestellten wurde eins sehr deutlich: Diese       Die Bundeswehr: Der Verteidigungshaushalt                                     Die Bundeswehr: Sie haben die Bundeswehr
mangelhafte Umsetzung führt – gerade vor dem       spielt eine zentrale Rolle, denn das Geld begrenzt                            kürzlich vor Günter Grass’ Vorwurf, eine „Söld-
Hintergrund der laufenden Einsätze – zu einer      Auftragserfüllung, Ausrüstung und Attraktivität.                              nerarmee“ zu sein, in Schutz genommen. Mit
erheblichen Belastung der Truppe. Die Stim-        Gäbe es mit der SPD weniger oder mehr Geld?                                   welchen Maßnahmen wollen Sie den engen Kon-
mung in den Streitkräften ist nicht gut, das hat   Peer Steinbrück: Die Bundeswehr muss genü-                                    takt zwischen Bundeswehr und Gesellschaft
auch gerade wieder eine Studie Ihres Verbandes     gend Geld bekommen, damit sie ihren Auftrag                                   erhalten oder gar verbessern?
gezeigt. Und Besserung ist nicht in Sicht.         voll und ganz ausfüllen kann. Dazu gehört auch                                Peer Steinbrück: Die Bundeswehr ist natürlich
Für die SPD sehe ich vier zentrale Punkte:         eine qualifizierte Nachwuchsgewinnung, den                                    keine Söldnerarmee. Im Gegenteil, die Idee des
• Zügig Entlastungen schaffen. Die Neuaus-         Dienst attraktiv zu machen sowie die Gewährlei-                               Bürgers in Uniform hat die Bundeswehr zu einer
   richtung belastet die Menschen, die in der      stung einer optimalen Ausbildung und der best-                                Erfolgsgeschichte gemacht.
   Bundeswehr Dienst tun und arbeiten, über-       möglichen Ausrüstung. Dass durch die Bundes-                                      Für uns Sozialdemokraten war und ist die
   durchschnittlich hoch. Das ist ungerecht und    wehrreform Geld eingespart werden könnte,                                     Integration der Streitkräfte in unsere demokrati-
   kontraproduktiv. Ich werde dafür sorgen,        habe ich immer für eine Milchmädchenrechnung                                  sche Gesellschaft von besonderer Bedeutung.
   dass Soldatinnen, Soldaten und zivile Ange-     gehalten. Aus meiner Sicht darf der Verteidi-                                 Übrigens, mit General Graf von Baudissin war es
   stellte zügig entlastet und dafür fragwürdige   gungshaushalt nicht als Steinbruch zur Haus-                                  ein prominenter Sozialdemokrat, der die Prinzi-
   Entscheidungen rückgängig gemacht wer-          haltssanierung missbraucht werden.                                            pien der Inneren Führung der Bundeswehr for-
   den. Bei rund 80 Prozent Pendler in der Bun-                                                                                  muliert hat.
   deswehr wäre es zum Beispiel sinnvoll, ein-     Die Bundeswehr: Der Deutsche Bundeswehr-                                          Richtig ist aber auch: Der Umbau zu einer
   zelne Standortentscheidungen nochmal zu         Verband sieht die Attraktivität des Dienstes in der                           professionellen Freiwilligenarmee wirft heute
   überprüfen.                                     Bundeswehr – insbesondere die Vereinbarkeit                                   viele gesellschaftspolitische Fragen auf – auch
• Der Bundeswehrreform fehlt es an Weitsicht;      von Familie und Beruf – als Schlüssel zur Bun-                                mit Blick auf die Verankerung der Bundeswehr
   sie ist nur Stückwerk. Ein umfassendes Kon-     deswehr der Zukunft. Wo liegt Ihrer Ansicht nach                              in der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund soll-
   zept zur Nachwuchsgewinnung wurde               der größte Handlungsbedarf?                                                   te es unser Ziel sein, dass sich die Bürgerinnen
   angekündigt. Es kam aber nie. Ein Attrakti-     Peer Steinbrück: Die Vereinbarkeit von Familie                                und Bürger wieder vermehrt in sicherheits- und
   vitätsprogramm wurde angekündigt. Es ver-       und Beruf ist ein zentraler Aspekt, den Dienst                                verteidigungspolitische Debatten mit einmi-
   staubt aber in der Schublade. Verbesserun-      attraktiver und damit die Bundeswehr als Arbeit-                              schen.
   gen, um Dienst und Familie zu vereinbaren,      geber wettbewerbsfähiger zu machen. Die SPD                                       Dass ihnen die Aufgaben und die Einsätze
   wurden angekündigt. Nur wenig wird              hat im Bundestag wiederholt Nachbesserungen                                   der Bundeswehr nicht einerlei sind, sondern
   gemacht. Das ist keine vorausschauende          angemahnt und eigene Maßnahmen vorgeschla-                                    dass sie deren Beitrag für die Frieden und Sta-
   Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Hier     gen, z.B. einen planbaren Verwendungsaufbau,                                  bilität offen und informiert diskutieren. Ich bin
   müssen wir dringend ran.                        Erhalt der Betreuungseinrichtungen in Bundes-                                 dankbar, dass die Kirchen, die Gewerkschaften,
• Die Bundeswehr muss sich wieder auf ihr          wehrliegenschaften, Pendlerwohnungen, gesetz-                                 Wissenschaft und Medien, Verbände und Par-
   Kerngeschäft konzentrieren können und           liche Neuregelungen für Trennungsgeld und                                     teien, aber natürlich auch die Soldatinnen und
   dazu zähle ich nicht das andauernde Refor-      Umzugskostenvergütung. Nur um den dringlich-                                  Soldaten bereits in der einen oder anderen Form
   mieren. Also: mit mir gibt es keine neue        sten Bedarf zu nennen, der aus unserer Sicht                                  dazu beigetragen haben. Das ist ein guter
   Reform.                                         umgehend angegangen werden muss.                                              Anfang.                                        ■
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
Interview                                      Die Bundeswehr September 2013      7

                                                                                                  Foto: Unionsfraktion
Die Bundeswehr: Neuausrichtung und Einsätze                                                                              erhalten, die die Einzelpartner sonst verlieren wür-
beherrschen zurzeit die Bundeswehr. Die Bun-                                                                             den. Deutschland sollte dabei als „Anlehnungs-
destagswahlen liegen noch vor uns. Sollte die                                                                            partner“ eine aktive Rolle spielen. Diejenigen
CDU an der nächsten Bundesregierung beteiligt                                                                            Staaten, die mit dem Wunsch mitzumachen auf uns
sein, wie würde es weitergehen mit der Neuaus-                                                                           zukommen, müssen aber auch aktiv mitmachen
richtung der Bundeswehr?                                                                                                 und sich nicht nur anlehnen. Damit hier auch Taten
Volker Kauder: CDU und CSU verstehen sich                                                                                folgen können, bedarf es einer nüchternen
als die Parteien der Bundeswehr. Die Neuaus-                                                                             Bestandsaufnahme und im Anschluss einer prag-
richtung ist eine zwingende Folge aus der verän-                                                                         matischen Umsetzung der Vereinbarungen. Poo-
derten weltweiten Sicherheitslage. Wir wissen,                                                                           ling und Sharing sind also kein Allheilmittel, son-
dass diese tiefgreifende Reform den Soldaten                                                                             dern einer von mehreren Pfeilen im Köcher für
und Soldatinnen, aber auch ihren Familien viel                                                                           eine moderne Verteidigungspolitik.
abverlangt. Ich möchte dafür an dieser Stelle ein-
fach auch einmal Danke sagen. Die Reform nützt                                                                           Die Bundeswehr: Günter Grass hat kürzlich den
der Bundeswehr auch langfristig. Sie wird am                                                                             Vorwurf erhoben, die Bundeswehr sei eine Söld-
Ende vielleicht stärker sein als zuvor, weil die                                                                         nerarmee, die ein „Staat im Staate" zu werden
Reform auch die Antwort auf den veränderten             Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-                         drohe. Wie sehen Sie das, und mit welchen Maß-
Altersaufbau in unserem Land ist. Auch finanzi-         Bundestagsfraktion                                               nahmen wollen Sie den Kontakt zwischen der

„Reform nützt der Bundeswehr langfristig“
Unions-Fraktionschef Volker Kauder verteidigt die Neuausrichtung und lobt die Regierungspolitik
ell ist die Bundeswehr langfristig auf sichereren       chen Umzüge mit das meiste abverlangt – abge-                    Freiwilligenarmee Bundeswehr und Gesell-
Füßen. Uns ist bewusst, dass wir aber die               sehen von den Sorgen, wenn zum Beispiel der                      schaft erhalten oder verbessern?
Neuausrichtung nur gemeinsam mit den Solda-             Ehemann und Vater gerade im Ausland einen                        Volker Kauder: Bei allem Respekt vor dem
ten und Soldatinnen und ihren Familien meistern         gefährlichen Dienst ausübt. Wir wissen, dass es                  Schriftsteller Günter Grass, wenn er sich zu
können. Wir wollen die Neuausrichtung in die-           in der heutigen Zeit in vielen Familien mit dazu                 gesellschaftpolitischen Fragen äußert, liegt er –
sem Sinne bis 2017 vollenden. CDU und CSU               gehört, dass beide Eheleute berufstätig sein kön-                wie auch hier – sehr häufig falsch. Auch nach
stehen hier wie immer für Planungssicherheit            nen. Hier müssen wir dafür sorgen, dass dies                     der Bundeswehrreform steht die Bundeswehr
und Verlässlichkeit.                                    möglich wird. Ich nenne hier nur einige Stich-                   nach wie vor in der Mitte der Gesellschaft. Die
                                                        worte: Ausbau der Kinderbetreuung, möglichst                     Bundeswehr möchte dies auch und die Menschen
Die Bundeswehr: Der Verteidigungshaushalt               heimatnahe Verwendungen, flexible Einsatzzei-                    betrachten sie als unverzichtbarer Teil der
spielt eine zentrale Rolle für die Bundeswehr. Wie      ten oder Telearbeitsplätze.                                      Gesellschaft. Grass denunziert mit seinen Wor-
würde es mit Ihnen weitergehen mit dem Vertei-          Ein wichtiger Faktor ist die Schulpolitik unserer                ten die Bundeswehr.
digungsetat?                                            Länder. Es kann und darf nicht sein, dass Kinder                     Ich möchte, dass die Bundeswehr auch in
Volker Kauder: Wir sind dabei, im Sinne der kom-        von Bundeswehrangehörigen, die in Deutsch-                       Zukunft in der Gesellschaft sichtbar bleibt und
menden Generationen die Politik der immer wei-          land umziehen, wegen unterschiedlicher Lehr-                     den Kontakt mit der Bevölkerung hält und aus-
teren Verschuldung zu beenden. Das bedeutet, dass       pläne Klassen wiederholen müssen! Hier sind                      baut. Öffentliche Gelöbnisse, Tage der Offenen
jedes Ressort auch in den nächsten Jahren auf das       wir dran.                                                        Tür, Informationen für Schüler und Schülerin-
Geld achten und an der einen oder anderen Stelle        Wichtig ist aber auch eine angemessene Bezah-                    nen aber auch Veranstaltungen, dort, wo es durch
sparen muss. In unserem Regierungsprogramm              lung. In dieser Legislaturperiode haben wir sehr                 die Verkleinerung der Bundeswehr keine Truppe
bekennen wir uns dazu, die Fähigkeiten unserer          viele Verbesserungen für unsere Soldatinnen und                  vor Ort mehr gibt, sind da ebenso wie eine gute
Bundeswehr den sich verändernden sicherheitspo-         Soldaten erreicht – so viele wie lange nicht. Die                Internetpräsenz unverzichtbar. Die Bundeswehr
litischen Rahmenbedingungen anzupassen und              Bezüge stiegen durchschnittlich um 8,1 Prozent.                  ist eine starke Truppe und sie sollte es auch
ihre Finanzierung nachhaltig zu gestalten. Ich kann     In diesem Zusammenhang darf ich daran erin-                      selbstbewusst zeigen.
Ihnen versichern, dass dies keine leeren Worte          nern, dass es die christlich-liberale Koalition
sind. Dies zeigt auch der Blick in die mittelfristige   war, die die von Rot-Grün vorgenommene Kür-                      Die Bundeswehr: In Ihrer Partei werden öfter
Finanzplanung der von uns getragenen Bundesre-          zung des Weihnachtsgeldes rückgängig gemacht                     Anpassungen des Parlamentsvorbehalts debat-
gierung. Für den Etat 2014 haben wir 32, 8 Milli-       hat. Ich verweise auch auf die Härtefall-Stiftung                tiert. Wo sehen Sie dabei Handlungsbedarf?
arden Euro für die Verteidigung veranschlagt.           für Radargeschädigte und Verbesserungen für                      Volker Kauder: Das Grundgesetz hat sich für
Nach unseren Plänen wird es dabei auch bis 2017         die im dienstlichen Einsatz Geschädigten bzw.                    eine sog. Parlamentsarmee entschieden. Dies hat
mit kleineren Abstrichen bleiben. Vor dem Kom-          deren Hinterbliebene. Ich denke, materiell geht                  aber zu rund 120 Befassungen des Deutschen
ma soll immer die Zahl 32 stehen. Hinzu kommen          heute vielen Soldaten besser als vor vier Jahren,                Bundestages geführt. Dabei müssen wir die
die 750 Millionen für den Abbau des Zivilperso-         auch wenn nicht alles stimmt.                                    Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerich-
nals der Bundeswehr. Sie sehen, die Bundeswehr                                                                           tes beachten und damit dafür sorgen, dass unse-
ist der Koalition und insbesondere der Union nach       Die Bundeswehr: Die verstärkte Zusammenar-                       re Soldatinnen und Soldaten bei einem Aus-
wie vor eine Menge wert.                                beit mit den Streitkräften unserer Partner wird                  landsaussatz auf verfassungsrechtlich sicheren
                                                        unter anderem mit den Begriffen „Pooling und                     Boden stehen. Ich kann gut verstehen, dass sich
Die Bundeswehr: Der Deutsche Bundeswehr-                Sharing“ diskutiert. Wo sehen Sie Bedarf und                     die betroffenen Kollegen den Kopf darüber zer-
Verband hält die Attraktivität des Dienstes — ins-      Möglichkeiten für solch eine Zusammenarbeit?                     brechen, wie man Besserungen und mehr Flexi-
besondere die Vereinbarkeit von Familie und             Volker Kauder: Wir haben uns klar entschieden:                   bilität erreicht. Wenn es unterhalb einer Verfas-
Beruf – für den Schlüssel zur künftigen Perso-          Breite geht in der Bundeswehr vor Tiefe. Dies auch               sungsänderung einen mehrheitsfähigen Spiel-
nalgewinnung und damit für die Bundeswehr der           vor dem Hintergrund, dass Deutschland die viert-                 raum gibt, so bin ich entschieden dafür, diesen zu
Zukunft. An welchen Stellen würden Sie Verbes-          größte Volkswirtschaft der Erde und die mit                      nutzen. Eine Verfassungsänderung dagegen, in
serungen vornehmen?                                     Abstand größte in Europa ist. Pooling und Sharing                der der Bundestag auf seine oder einen Teil sei-
Volker Kauder: Die Bundeswehr ist sicher der            ist für mich kein Selbstzweck, sondern eine gang-                ner Rechte verzichtet, dürfte sich schwierig
Arbeitgeber, der von Familien durch die zahlrei-        bare Methode, um im Bündnis Fähigkeiten zu                       gestalten.                                      ■
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
8       Die Bundeswehr September 2013                  Interview

                                                     bereichen selbst als auch in der Übernahme neuer      men. Ausgehend von dem BVA-Grundsatz der
                                                     Aufgaben. Wir übernehmen Aufgaben im Bereich          aufgabenbezogenen Organisation beschäftigen
                                                     der Personalabrechnung, z.B. Beihilfe, Besoldung      sich von diesen Abteilungen drei mit der Bezüge-
                                                     und Entgelt, bereits jetzt für eine Vielzahl von      betreuung sowie eine Abteilung mit der Beihilfe-
                                                     Ministerien und andere Behörden. Über die Jahre       bearbeitung und der Familienkasse.
                                                     hat sich das entwickelt, nicht umsonst sind stets
                                                     neue Kunden dazugekommen. Technisch und               Die Bundeswehr: Muss das so genannte Quer-
                                                     fachlich sind wir auf dem neuesten Stand, haben       schnittspersonal, das vom Ressortbereich BMVg
                                                     unsere Erfahrung und unser Wissen erweitert und       zu Ihnen wechselt, mit einer Versetzung nach Köln
                                                     ausgebaut. Wir sind als moderne Verwaltungs-          rechnen?
                                                     behörde gut organisiert, nutzen z.B. Kosten-Lei-      Verenkotte: Nein, keiner muss damit rechnen vor
                                                     stungsrechnung seit mehr als 15 Jahren, haben ein     dem Ablauf der Standortgarantie (fünf Jahre) nach
                                                     ausgefeiltes und auf Kennzahlen basiertes Con-        Köln versetzt zu werden. Ich stehe zu dieser
                                                     trolling-System. Das BVA ist deshalb bereits der      Garantie, weil mir die Sicherheit der Beschäftig-
                                                     richtige Ansprechpartner für den Ausbau des           ten sehr wichtig ist. Man muss aber wissen, dass
                                                     Dienstleistungsbereichs innerhalb der Bundesre-       die Dinge hier nicht so gelaufen sind, wie wir noch
                                                     gierung. Natürlich: Der Umfang dieser Verlage-        vor einem halben Jahr erwartet hatten: Uns wurde
                                                     rung ist beträchtlich. Aber: Es handelt sich um       in der Ressortvereinbarung zugesagt, dass wir vor
                                                     einen Zuwachs in nur einem Teilbereich der beste-     der Aufgabenübertragung Beschäftigte für die
Christoph Verenkotte, Präsident des Bun-             henden Aufgaben des BVA. Wir arbeiten als ein-        zentralen Bereiche (Personal, Organisation…)
desverwaltungsamtes.                                 zige Bundesoberbehörde für alle Bundesministe-        erhalten. Soll Verwaltung funktionieren, müssen

„Wartezeiten in diesem Ausmaß sind nicht hinnehmbar“
Das Bundesverwaltungsamt nimmt jetzt Aufgaben der Personalabrechnung für aktive Bundes-
wehrangehörige wahr – auch die Beihilfebearbeitung. Im Interview mit Die Bundeswehr äußert sich
BVA-Präsident Christoph Verenkotte zu den Herausforderungen und den aktuellen Problemen.
Die Bundeswehr: Am 1. Juli 2013 haben Sie,
neben dem Bundesamt für zentrale Dienste und
offene Vermögensfragen und der Bundesfinanzdi-
rektion West, Aufgaben der Personalabrechnung
der Wehrverwaltung übernommen. Welche Aufga-
benbereiche werden in Zukunft von Ihrer Behörde
wahrgenommen?
Christoph Verenkotte: Seit dem 1.7.2013 nimmt
das BVA für aktive Bundeswehrangehörige die
Besoldungsbearbeitung für Soldaten und Beamte,
Dienstzeitversorgung der Soldaten auf Zeit, die
Entgeltbearbeitung für Tarifbeschäftigte, die
Familienkasse, die Beihilfebearbeitung und eini-
gungsbedingte Sonderaufgaben wahr. Bis Ende
2015 werden wir auch die Reisekostenabrech-
nung, Umzugskosten- und Trennungsgeldbear-           Am 31. Juli traf sich BVA-Präsident Christoph Verenkotte (3.v.l.) in der Bonner Bundesge-
beitung für die Bundeswehr übernehmen.               schäftsstelle des DBwV zu einem Informationsaustausch mit dem Bundesvorsitzenden,
                                                     Oberst Ulrich Kirsch (2.v.l.). Verenkotte wurde begleitet vom BVA-Vizepräsidenten Wolfgang
Die Bundeswehr: Welcher Vorteil ergibt sich,         Petersson und von der Leiterin des Leitungsbüros, Eleonore Wehner. Für den DBwV nahmen
wenn das BVA Aufgaben des Bundesverteidi-            der Vorsitzende ERH, Hauptmann a.D. Rolf Meyer (3.v.r.), sowie der „Beihilfe-Experte“ der
gungsministeriums übernimmt?                         Abteilung Verbandspolitik und Recht, Martin Hoppen (2.v.r.), am Gespräch teil.
Verenkotte: Das BVA ist der zentrale Dienstlei-
ster des Bundes. Die ressortübergreifende Dienst-    rien, haben ein vielfältiges Aufgabenspektrum,        zentrale Funktionen in einer Behörde auch zentral
leistungsfunktion des BVA wird weiter gestärkt.      das in der Behördenlandschaft sonst nicht zu fin-     untergebracht und organisiert werden. Das in der
Wir haben langjährige und vielfältige Erfahrung      den ist. Die Vielfalt in den Aufgaben und die damit   Ressortvereinbarung versprochene Querschnitts-
auch in der Bearbeitung von Massenverfahren.         einhergehende Vielfalt unserer Kompetenzen sind       personal brauchen wir in Köln. Leider hat man
Die übertragenen Aufgaben nehmen wir bereits         unser Markenzeichen.                                  sich auf Staatssekretärsebene darauf geeinigt,
seit Jahren für andere erfolgreich wahr. Wir kön-                                                          dass nur ein Teil des Querschnittspersonals in
nen die neuen Bereiche gut integrieren. Das Ziel     Die Bundeswehr: Wie wirkt sich die Verlagerung        Köln eingesetzt wird, die anderen auf die Stan-
der Bundesregierung, ressortübergreifend Syner-      der Personalabrechnung und von Abrechnungs-           dorte verteilt werden. Wir hatten früh darauf hin-
gieeffekte zu erzielen, die Wirtschaftlichkeit der   aufgaben im Rahmen des künftigen Travelmana-          gewiesen, dass wir die in Köln fehlenden Beschäf-
Verwaltung zu steigern und die Modernisierung        gements der Bundeswehr organisatorisch auf Ihre       tigten im Bereich der Querschnittsaufgaben nur
der Verwaltung voranzubringen, wird durch die        Behörde aus?                                          durch einen Personaltausch gewinnen können und
Aufgabenübertragung auf das BVA umgesetzt.           Verenkotte: Das BVA wird sich verändern und           deshalb Fachaufgaben in diesem Umfang aus
                                                     hat sich schon verändert. Wir haben unter Einbe-      Köln auf die neuen Außenstellen übertragen müs-
Die Bundeswehr: Was prädestiniert Ihre Behör-        ziehung der bisherigen Fachabteilung des BVA,         sen. Dies wissend hat es das BMVg dennoch für
de zur Übernahme der Personalabrechnungsauf-         die dasselbe Aufgabenspektrum betreute wie die        richtig erachtet, in den betreffenden Standorten
gaben für die Bundeswehr?                            Personalabrechnungs-Bereiche der WBVn, im             Beschäftigte für „Zentrale Aufgaben“ zu suchen.
Verenkotte: In erster Linie ist das unsere           BVA insgesamt vier neue Fachabteilungen einge-        Ein beispielloser Vorgang und sehr bedauerlich
langjährige Erfahrung sowohl in den Aufgaben-        richtet. Auch neue Standorte sind dazugekom-          für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitar-
Kauder und Steinbrück im Interview - Bundestagswahl - Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes
Interview                          Die Bundeswehr September 2013   9

beiter, die insoweit falsch unterrichtet wurden! Ich
werbe dennoch mit Nachdruck für die Wahrneh-
mung unserer Fachaufgaben in den Außenstellen.
Das ist eine Chance für die betroffenen Beschäf-
                                                        Das BVA auf einen Blick
tigten, eine neue und sehr interessante Aufgabe –                                                              Kunden: Bundesministerien und deren
beispielsweise Staatsangehörigkeitsangelegen-                                                                     Geschäftsbereiche,     Bundeskanzleramt,
heiten oder Kulturförderung – am bisherigen                                                                       Bundespräsidialamt, verschiedene Verbän-
Standort wahrnehmen zu können.                                                                                    de, Stiftungen, Vereine, Bürgerinnen und
                                                                                                                  Bürger
Die Bundeswehr: Wie groß ist die Herausforde-                                                                  Besonderes Kennzeichen: Aufgabenvielfalt
rung für das BVA, die neuen Standorte und die bis
Ende 2015 hinzukommenden 2000 Mitarbeiterin-                                                                   Aufgaben, u.a.: Auslandsschulwesen, Zuwen-
nen und Mitarbeiter zu integrieren?                                                                               dungsmanagement, Bafög und Bildungs-
Verenkotte: Die Übernahme neuer Aufgaben ist                                                                      kredit, Staatsangehörigkeitsangelegenhei-
für uns nichts Neues. Mit der Übernahme neuer                                                                     ten, Betrieb digitaler Informationssysteme
Aufgaben war stets die Integration neuer Mitar-                                                                   wie das Ausländerzentralregister (AZR)
beiterinnen und Mitarbeiter verbunden. Seit sei-                                                                  oder das Nationale Waffenregister, neuer
                                                                                                                  Personalausweis, Ausbildungsbehörde für
ner Gründung hat das BVA sein Aufgabenspek-             Gründung: 1960 als selbstständige Bundes-
                                                                                                                  den mittleren Dienst auf Bundesebene,
trum erweitert. Uns hilft unsere langjährige Erfah-        oberbehörde im Geschäftsbereich des Bun-
                                                                                                                  Auswandererberatung;        Personalgewin-
rung: Integration bedeutet ein Zusammenwach-               desministeriums des Innern
                                                                                                                  nung, Reisemanagement, Personalkosten,
sen und ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen.
                                                        Gründungsidee: Behörden von Tätigkeiten zu                Beihilfe- und Bezügebearbeitung; Organi-
Der persönliche Kontakt und regelmäßige Infor-
                                                           entlasten, die nicht zu deren Kernaufgaben             sationsberatung für die öffentliche Verwal-
mationsaustausch mit den Beteiligten ist uns sehr
                                                           gehören                                                tung, Bundesstelle für Informationstechnik
wichtig. Wir wollen die neuen Beschäftigten ein-
                                                                                                                  (BIT)
binden. Deshalb haben wir schon früh im Rahmen          Das BVA heute: Das BVA hat sich über die Jah-
unserer BVA-Projektgruppe ein in alle Standorte            re sehr dynamisch entwickelt und nimmt              Weitere Informationen finden Sie im Inter-
vernetztes Veränderungsmanagement eingerich-               heute als zentraler Dienstleister des Bundes        net unter: www.bva.bund.de
tet. Die Teams waren zu Gast bei den Standorten            mit derzeit über 2500 Mitarbeiterinnen und          Erreichbar ist das BVA über folgende Kon-
und haben konstruktive Gespräche geführt. Ich              Mitarbeitern mehr als 120 verschiedene              taktdaten:
selbst habe alle Standorte bereits zweimal                 Aufgaben wahr; Fachaufgaben, Quer-                  Adresse: Barbarastr. 1, 50735 Köln
besucht, und auch Vizepräsident Petersson war              schnittsaufgaben, Modernisierungshilfen             Tel.: 0228/ 993580
persönlich vor Ort. Es gibt vielfältige Kontakte           und IT-Dienstleistungen                             E-Mail: presse@bva.bund.de
sowohl auf Fach-, Zentralabteilungs- als auch auf
Personalratsebene. Ein Anfang ist also gemacht.
Außerdem profitieren wir von unserer langjähri-        den Sie dafür sorgen, dass die Antragsteller zügig      lung bei Ihrer Behörde einzustellen?
gen „Außenstellenkultur“: Auch bisher haben wir        an Ihr Geld kommen?                                     Verenkotte: Für die Antragsteller ergeben sich
schon viele Beschäftigte des BVA in vielen Regio-      Verenkotte: Wie gesagt: Es handelt sich hier um         hinsichtlich inhaltlicher Entscheidungen keine
nen Deutschlands. Ich freue mich auf die Zusam-        eine „Erblast“! Das BVA wird hier in eine Haf-          unmittelbaren Änderungen. Formal gibt es einige
menarbeit mit den neuen Mitarbeiterinnen und           tungssituation gebracht, die ihre Ursachen weit im      Änderungen. Sie werden auf Ihren Schreiben
Mitarbeitern.                                          Vorfeld der Aufgabenübertragung hat. Aber klar          künftig als neuen Absender das BVA finden, das
                                                       ist: So kann es für die Betroffenen nicht bleiben.      liegt an den neuen Zuständigkeiten. Umgekehrt
Die Bundeswehr: Im Rahmen der Beihilfebear-            Wir wollen von Beginn an ein verlässlicher Part-        müssen die Schreiben dadurch natürlich neu
beitung für Ehemalige und Hinterbliebene an den        ner sein. Um sowohl die Belastungen der Solda-          adressiert werden. Detailinfos dazu werden mit
Standorten Stuttgart und Düsseldorf gibt es der-       tinnen und Soldaten und des zivilen Personals aus       der Bezügemitteilung für September 2013 mitge-
zeit Bearbeitungszeiten von bis zu elf Wochen.         dem Geschäftsbereich des BMVg als auch der              teilt.
Haben Sie im Rahmen der Übernahme ähnliche             Beschäftigten vor Ort unmittelbar zu verringern
Probleme bei Anträgen von aktiven Bundeswehr-          und kurzfristige Abhilfe zu schaffen, sind wir als      Die Bundeswehr: Der Deutsche BundeswehrVer-
angehörigen an den anderen Standorten feststel-        BVA in Vorleistung getreten und haben unmittel-         band hat in der Vergangenheit gut mit den Wehr-
len können?                                            bar Anfang Juli rund 1000 Beihilfeakten vom             bereichsverwaltungen zusammengearbeitet. So
Verenkotte: Ja, leider, wenn auch nicht im glei-       Standort Stuttgart in den Stammbereich nach             gab es in so genannten Halbjahresgesprächen
chen Umfang. Die Rückstände haben sich über            Köln verlagert, noch im Juli folgten die nächsten       einen regelmäßigen und für beide Seiten hilfrei-
einen längeren Zeitraum im Vorfeld der Aufga-          rund 1000 Akten aus Düsseldorf. Auch die Kölner         chen Informationsaustausch. Werden Sie diesen
benübernahme gebildet. Uns wurde ausdrücklich          sind solidarisch mit ihren Neu-Kollegen und hel-        regelmäßigen Dialog fortsetzen und ggf. auch
zugesagt, dass funktionsfähige Arbeitseinheiten        fen, obwohl es für unsere Altkunden dann ein            Kontakte auf Arbeitsebene zwischen Mitarbeitern
übertragen werden. Dies trifft im Beihilfebereich      wenig länger dauert. Dies ist aber nur ein Teil eines   Ihrer Behörde und des DBwV ermöglichen?
nicht zu. Die Zusage wurde also nicht eingehalten      Maßnahmenkatalogs, der dem Rückstandabbau               Verenkotte: Ein regelmäßiger und offener Infor-
– und das liegt nicht an den Beschäftigten der bis-    dient. Nicht zu vergessen ist beispielsweise auch       mationsaustausch auch mit den Verbänden ist
herigen Personalabrechnungs-Abteilungen, die           der Ausgleich zwischen den WBV-Standorten:              wichtig für eine gute und vertrauensvolle
gute und engagierte Arbeit leisten. Wir müssen         Wiesbaden und Hannover werden, zum Teil                 Zusammenarbeit und für uns daher selbstver-
vielmehr von einem strukturellen Personaldefizit       erneut, Akten übernehmen. Wenn alle Beteiligten         ständlich. Bisher haben Kommunikation und
ausgehen, das dringend behoben werden muss.            mitziehen, bin ich zuversichtlich, den – im             Austausch sehr gut funktioniert, dafür möchte
Ich hätte es begrüßt, wenn die Probleme zu einem       Bereich der aktiven Beschäftigten allerdings auch       ich mich bedanken. Wir wollen und werden dies
früheren Zeitpunkt offen angesprochen worden           deutlich kleineren – „Berg“ in zwei Monaten             fortführen; gerade in einer Übergangssituation,
wären. Der Unmut der Betroffenen ist berechtigt        abgebaut zu haben. Wir müssen aber das Gesamt-          in der leider noch viele Fragen nicht absch-
und sehr gut nachvollziehbar. Wartezeiten in die-      problem auf Dauer lösen, das heißt, das genannte        ließend beantwortet sind. Ein guter Anfang ist
sem Ausmaß sind nicht hinnehmbar. Und das ent-         strukturelle Personaldefizit muss weg. Das              gemacht: Ende Juni gab es schon ein erstes
spricht auch nicht unserem eigenen Dienstlei-          BMVg ist hier am Zuge!                                  Gespräch auf der Arbeitsebene und am 31. Juli
stungsanspruch.                                                                                                habe ich selbst mit Oberst Kirsch gesprochen.
                                                       Die Bundeswehr: Auf welche Änderungen haben             Diesen mit Ihnen begonnenen Dialog wollen wir
Die Bundeswehr: Mit welchen Maßnahmen wer-             sich unsere Mitglieder im Rahmen der Antragstel-        auf allen Ebenen fortführen und ausbauen.
10        Die Bundeswehr September 2013                        Verbandspolitik: Beihilfe

Zwischenruf
                                                                                                                                     einem Antrag erreicht werden soll,
                                                                                                                                     bleiben all die Anspruchsinhaber
                                                                                                                                     auf der Strecke, die mehrere Anträ-
                                                                                                                                     ge mit jeweils „nur“ dreistelligen
                                                                                                                                     Summen eingereicht haben. Aber
       Der Vorstand ERH                                                                                                              auch diese Beträge addieren sich
       im DBwV-Bundes-                                                                                                               und verursachen eine finanzielle
           vorstand zum                                                                                                              Notlage. Die Witwe eines Stabs-
                                                                                                                                     feldwebels zum Beispiel kann es
      Stand der Dinge in                                                                                                             sich schlicht nicht leisten, von ihren
      Sachen Beihilfebe-                                                                                                             knapp 1300 Euro Witwengeld mit
                                                                                                                                     solchen Beträgen in Vorleistung zu
        arbeitungszeiten                                                                                                             gehen. Deshalb geben wir erst Ruhe
                                                                                                                                     bei der Beihilfe, wenn das Geld
                                                                                                                                     auch schnell und sicher bei allen
                                             Hauptmann a.D. Rolf Meyer,                       Hauptmann a.D. und Stabs-              Berechtigten ankommt!
                                             Vorsitzender ERH                                 hauptmann d.R. Albrecht Kies-              Wegen der wechselhaften
                                                                                              ner, stellvertretender Vorsitzen-      Historie der Beihilfe-Bearbeitungs-
                                                                                              der ERH                                zeiten erreichte uns Kritik aus der
                                                                                                                                     Mitgliedschaft: Wir hätten voreilig

Wir bleiben skeptisch                                                                                                                über die vermeintliche Lösung von
                                                                                                                                     Minister de Maizière mit der sofor-
                                                                                                                                     tigen Anerkennung informiert und

B
       ei der Beihilfe geht es für die       Nachricht aus den beteiligten Res-

                                                                                                                                                                              Foto: Bombeke
       Betroffenen an die Grenzen            sorts war nun: Bei Anträgen zwi-
       der Existenzerhaltung. Des-           schen 1000 und 2500 Euro soll es ab
halb werden wir bei diesem sensi-            dem 5. August eine Abschlagszah-
blen Politikum nicht nachlassen, bis         lung von 75 Prozent auf die zu
eine echte Lösung da ist. Letzte             erwartende Beihilfe geben. Das

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                                                                                              tragsbearbeitung, mit hohen Beträgen in Vorleistung gehen zu müssen.

                                                                                              klingt wie eine Lösung, wie sie auch   so falsche Hoffnungen geweckt.
                                                                                              der Bundesvorsitzende im offenen       Dies war eine kleine Zwickmühle
                                                                                              Brief an Bundesminister Thomas de      für den Verband. Wir haben uns mit
                                                                                              Maizière im Februar angemahnt          guten Gründen für eine umfassende
                                                                                              hat. Aber nach all den folgenlosen     Information unserer Mitglieder ent-
                                                                                              Ankündigungen und bürokrati-           schieden. Denn Transparenz ist das,
                                                                                              schen Lösungen ohne Wirkung blei-      was dem ganzen Verfahren mit den
                                                                                              ben wir skeptisch.                     nunmehr drei beteiligten Ressorts
                                                                                                  Diese Aufteilung nach Beträgen     fehlt. Außerdem sehen wir uns in

              Wir beraten –
                                                                                              bedeutet zunächst einmal einen         der Pflicht zur schnellen Informati-
                                                                                              zusätzlichen administrativen Auf-      on der Mitglieder, damit sie planen
                                                                                              wand für das Sortierverfahren nach     können. Schließlich fahren wir sol-
              Sie entscheiden.                                                                der maßgeblichen Bearbeitung.
                                                                                              Außerdem haben wir die Befürch-
                                                                                                                                     che Kampagnen ausschließlich im
                                                                                                                                     Interesse unserer Mitglieder. Letzt-
              Rundum-Fortbildungsangebote für Zeitsoldaten.                                   tung, dass mehrere Anträge mit         lich hätte die Absichtserklärung
                                                                                              einer Gesamtsumme über 1000            eines Bundesministers doch etwas
                                                                                              Euro nicht zur Abschlagszahlung        mehr wert sein müssen, als sich
              Seit über 10 Jahren haben wir es uns zur Aufgabe gemacht,                       führen. Wenn dieser Betrag mit nur     danach herausstellte.
              ehemalige Zeitsoldaten in IT-Unternehmen zu integrieren.
              Wir bieten bundesweit: Ausbildungsfortbildung, Jobs und
                                                                                              Ihr Vorstand ERH
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