Kirchenregion Werder Töplitz - Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021 Lebenswege zur und mit der Orgel Restaurierung der Orgel in Glindow

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Kirchenregion Werder Töplitz - Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021 Lebenswege zur und mit der Orgel Restaurierung der Orgel in Glindow
Kirchenregion Werder ­ Töplitz
   Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021
             Lebenswege zur und mit der Orgel
          Restaurierung der Orgel in Glindow
Kirchenregion Werder Töplitz - Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021 Lebenswege zur und mit der Orgel Restaurierung der Orgel in Glindow
Vorwort
Wie wertvoll unser Leben ist, spüren       ist. Er ist das Zeichen, dass die Kata­
wir erst mit einem weiten Horizont vor     strophe ein Ende finden wird. Welche
Augen. Doch stattdessen bestimmt die       Zeichen bringt uns Gottes Geist, dass
Enge der eigenen vier Wände unseren        auch wir vertrauen, wieder frei hinaus­
Alltag. Eine Pandemie engt uns ein.        gehen zu können? Ein Instrument lässt
Wie gut tut es mir dann, diese Enge zu     diese Freiheit mit dem ganzen Körper
verlassen und in eine Kirche zu gehen.     spüren und ist so groß, dass es kaum
Den Blick dem Gewölbe entlang nach         gestohlen werden kann. Die Orgel hat
oben zu richten und die Weite des Rau­     ihren Platz in Kirchen. Ihre unglaub­
mes wahrzunehmen. Erklingt dann            lich vielseitigen Töne erinnern an Got­
auch die Orgel mit ihrem unvergleich­      tes Größe, ihr unendlicher Atem
lich weiten Klangumfang, fühle ich ei­     scheint wie das Wehen des Geis­
nen Hauch von Ewigkeit. Wer kann so        tes. Finden Pfarrer*innen einmal nicht
gewaltig, so hoch, so erschütternd, so     die rechten Worte, dann schlagen un­
leise, so tief, so berührend wie die Or­   sere Organist*innen vielleicht einen
gel? Mal vertont sie den Gesang der        Ton an, dass es zur Begegnung zwi­
himmlischen Heerscharen, ein anderes       schen Gott und Menschen kommt. In
Mal ganz zart den der Maria. Seit Os­      dem Roman „Schlafes Bruder“ be­
tern ist unsere Enge schon gesprengt.      schreibt ein Orgelspiel die Osterfreude:
Unterwegs im Geist Gottes schließt         „Gewaltig staunte das Kirchenvolk, als
Liebe alle „Tor und Tür, Riegel und        plötzlich beim Gloria die Orgel auf­
Schloss“ wieder auf. Dieser Geist          brauste und mit jubelndem Figuren­
bringt Noah einen Ölzweig auf die Ar­      werk anzeigte, auf welche Weise sich
che, in der alles Leben eingeschlossen     ein Christ über diesen Tag zu freuen
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habe.“ Ich spüre diese Wucht, Überra­      betreten. Ziehen wir wieder aus, spie­
schung, das innere Kribbeln, zuweilen      len sie noch den Takt dazu. Sie, 5
Frustration sowie Zuversicht, wenn die     Frauen und 6 Männer dirigieren für
Orgel spielt. Denn nicht nur in Worten     uns ein mehr oder weniger ganzes Sin­
wollen wir Gott begegnen, sondern          fonieorchester. Sie haben es studiert
auch sinnlich im Kerzenschein, in          oder in ihrer Freizeit einmal gelernt,
Schall und Musik, in Brot und              sie bauen selbst Orgeln oder stehen
Wein. Orgelkonzerte gehören weniger        sonst auf der Kanzel. Selbst bei klir­
zu meinen Leidenschaften. Ganz an­         render Kälte scheuen sie nicht zu üben.
ders ist es als Pfarrerin im Wechsel mit   Wie gelingt ihnen das eigentlich? Mit
der Orgel von Gottes Nähe zu singen.       einer Thermoskanne voller Kaffee? Ei­
Zieht ein*e Organist*in zu gegebener       nem Gebet?
Zeit im Gottesdienst die passenden Re­
gister, geht mein Herz auf. Wie schade,    Was dieses majestätische Instrument
dass mir bisher hier kein „Kyrie elei­     mit unseren Lebensgeschichten an­
son“ und kein „Ehre sei Gott“ zu sin­      stellt, erfahren Sie, liebe Leser*in, in
gen erlaubt war. Genauso wenig wie         dieser Sonderausgabe zum Jahr der
Sie im Dialog mit der Orgel zum            Orgel. In jedem Gottesdienst feiern
Abendmahl einzuladen.                      wir die Gemeinschaft zwischen Gott
                                           und Menschen. Glaube und Liebe, Lei­
Ich muss etwa acht Jahre alt gewesen       den und Hoffnung, der Schrei der Un­
sein, als ich zum ersten Mal eine Orgel    terdrückten und das Pochen der Unge­
habe spielen hören. Das mit den            duld nehmen in Melodien, Klängen,
schwarzen und weißen Tasten kannte         Rhythmen und Gesten Gestalt an. Sie
ich, aber wozu noch welche unter den       bringen das Sagbare sowie das Unsag­
Füßen? Unsere Organist*innen kön­          bare zum Ausdruck. Durch die Hand
nen uns das und vielmehr erklären.         unserer Organist*innen verkündet die
                                           Orgel Jubel und Lebenslust ebenso wie
Von Advent bis Totensonntag verkün­        Ohnmacht und Trauer. Sie bewirkt
digen sie Geburt und Kindheit, Schuld      Gemeinschaft, begeistert, regt zur
und Befreiung, Tod und Leben, Geist        Nachdenklichkeit an und überwindet
und Liebe auf eine Weise, die unter die    Sprachlosigkeit. Auf ihre eigene Art
Haut geht.                                 öffnen unsere Organist*innen uns ei­
                                           nen Raum, wo wir aus der Welt der
Aber wessen Hände vollbringen da auf       Zwecke heraustreten hinein in die
der Empore diese großartigen Melodi­       Freiheit mit Gott. In diesem Sinne
en?                                        wünsche ich allen gesegnete Pfingsten!

Sie sind schon da, bevor wir die Kirche                 Ihre Pfarrerin Linda Jünger

  Die bei den Organist*innen abgedruckten Spieldaten entstammen den der­
  zeit vorliegenden Plänen, können sich aber unter Umständen auch ändern ­
  wir bitten hierfür um Verständnis.
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Uetz
           Töplitz

                               Marquardt

 Phöben

                               Nattwerder

Kemnitz

                             Werder

                            Petzow
 Glindow
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Maren Schneider
Vom Praktikum beim Orgelbauer zur
Kirchenmusikerin
Ich bin in einem Dorf im Sauerland        gisters zum Beispiel heißen Trombon­
mit einer sehr alten kleinen Kirche       cini und sind becherförmig. Es klingt
großgeworden. Als Kinder spielten wir     leise quakend aber irgendwie schön.
viel rund um die Kirche, durften mit
dem Falkner die Turmfalken oben in        Die Eigenwilligkeit der kroatischen
der Kirche beringen und haben uns ge­     Orgeln und vor allem vieler kleiner
gruselt, als beim Einbau der Fußbo­
denheizung ein paar Knochen zum
Vorschein kamen.

Irgendwann wurde die modernisierte
Plastikorgel zurückgebaut, sodass das
Orgelinnere mehr zum barocken Äuße­
ren passte. Das war spannend. Wir
Kinder fanden es toll, an den Seilen zu
ziehen und die riesigen Blasebälge auf­
zuziehen, die mit großen Wackerstei­
nen beschwert waren. Und einer stellte
sich aufs Pedal und die Orgel heulte in
vielen Tönen los.

Bei dem Orgelbauer, der die Orgel rü­
ckgebaut hatte, machte ich später ein     Orgeln auf dem Land hat mich immer
Praktikum und fuhr mit ihm nach Kro­      wieder beeindruckt und so machte ich
atien, wo er im Krieg beschädigte Or­     neben dem Abi meine C­Ausbildung
geln wieder aufbaute. Kroatien hat eine   zur Kirchenmusikerin. Neben Ausbil­
sehr alte Orgeltradition. Früher be­      dung (Krankenpflege), Studium und
stand ein enger Austausch mit Italien     dem Beruf (Sprachtherapie) hat mich
und so gibt es, versteckt in kleinen      das Orgelspiel seitdem immer beglei­
überdachten     Hinterhöfen,      noch    tet.
Kirchräume mit alten Orgeln, die,
wenn ihre Pfeifen nicht als Munition
genutzt worden waren, sehr seltsame
Register haben. Die Pfeifen eines Re­

  Maren Schneider spielt am 6.6. zum Gottesdienst in der Kirche zu Glindow.
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Glindow
Die Gesell­Orgel in der Kirche zu
Glindow wurde von der Stiftung Or­
gelklang zur „Orgel des Monats Sep­
tember 2020“ gekürt. Bauweise und
Klang machten das 1853 gefertigte In­
strument zu einem Prototyp für eine
ganze Generation von Orgeln der
preußischen Kaiserzeit.

Mit seiner schon dem romantischen
Klangideal entsprechenden Disposition
war das von Carl Ludwig Gesell ge­
schaffene Instrument seiner Zeit vor­
aus. Zum Vorzeigemodell wurde es da­
durch, dass die Gestaltung des
Prospekts dem neogotischen Stil des
Kircheninneren entsprach.

In der Folgezeit wurden zahlreiche       cherweise wurden die Maße dieser
neue Kirchengebäude in diesem Stil er­   Pfeifen dabei von Alexander Schuke
richtet. Neogotische Orgelprospekte      dokumentiert, dessen Firma Ende des
wurden dann zur Regel. Man kann al­      19. Jahrhunderts aus der Werkstatt
so die Gesell­Orgel in Glindow durch­    von Carl Ludwig Gesell hervorgegan­
aus als eine Art Prototyp bezeichnen.    gen war.

Im Ersten Weltkrieg wurden die Pro­      Die Orgelbaufirma aus Werder wurde
spektpfeifen des Instruments zu          2020 mit der Sanierung des Instru­
Kriegszwecken ausgebaut. Glückli­        ments beauftragt. Dabei wurden die
                                         Windladen und der Pfeifenbestand re­
                                         stauriert, aber eben auch 57 neue Pro­
                                         spektpfeifen gebaut – nach den origi­
                                         nalen Angaben aus dem Schuke­Archiv.

                                         Rund 60.000 Euro hat die Instandset­
                                         zung des Instruments gekostet. Ein er­
                                         heblicher Anteil wurde von privaten
                                         Spendern aus Glindow und Werder
                                         beigesteuert. Seit Weihnachten 2020
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erklingt das Instrument wieder in der     Die offizielle Wiedereinweihung ist
Kirche und begleitet unsere Gottes­       wegen der Pandemie noch nicht er­
dienste. Eine Konzertreihe ist im Or­     folgt. Sie wird in mehreren Veranstal­
geljahr 2021 geplant. Auch eine CD ist    tungen rund um das Kirsch­ und Zie­
in Arbeit.                                gelfest am 4. Juli durchgeführt.

  Carl Eduard Gesell, 1853, mechanische Schleiflade,
  1 Manual, Pedal, 9 Register

Maria Soual
Organistin und angehende Chorleiterin
Wer im Gemeindehaus zu tun hat oder       band Grundschülern das Klassenmusi­
in die nun wieder offene Kirche tritt,    zieren.
kann uns manchmal hören: Maria und
Kilian an der Orgel. Kilian (13 Mona­     Neben der Musik liebe ich Kunst und
te) haut gern in (oder doch eher auf ?)
die Tasten, robbt über jene des Pedals
und zieht mindestens alle Register. Ob
Kilian sich auch einmal in einem Heft
wie diesem vorstellen wird?

Das Orgelspiel ist für mich Freude und
Herausforderung, eine zauberhafte
Reise in die Welt der Musik und eine
Zuflucht, gerade in Pandemie­Zeiten.
Anfang 2020 habe ich den nebenamtli­
chen C­Schein für Orgelspiel in Berlin
erworben, das waren vier Semester
voller spannender Inhalte und inspirie­
render Begegnungen. Aktuell studiere
ich das Fach Chorleitung im gleichen
Kontext und bin fasziniert und begeis­
tert von all den Details, die die Chor­
leitung umfasst. Auch beruflich habe
ich mit Musik zu tun und ermögliche
beim Brandenburger Musikschulver­
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Sprachen. Während meines Studiums        setzen das „Schw“ durch „ßu“, dann ist
in Südfrankreich lernte ich meinen       es ganz einfach. Wir sind schon ge­
Mann kennen und gemeinsam zogen          spannt, welche der beiden Sprachen,
wir 2019 (zurück) in meine Heimat        die wir zu Hause sprechen, unser Sohn
Werder, wo ich schon die Junge Ge­       Kilian sich für seine ersten Worte aus­
meinde besuchte und konfirmiert wur­     suchen wird.
de (da hieß ich noch Lendel). Wenn Sie
unseren französischen Nachnamen          Herzliche Grüße und à bientôt!
aussprechen wollen, denken Sie am
besten an das Wort „Schwall“ und er­

  Maria Soual spielt am 13.6. zum Gottesdienst in der Heilig­Geist­Kirche.

Die kleine Schwester
                          Was die kleine Schwester sagt ­ Verkündigung durch Musik

Kirchenmusiker wie ich, sind für den     bedeutender Komponist und Dichter
„musikalischen Verkündigungsauftrag“     seiner Zeit. Er soll die Kirchenmusik
angestellt. Bei der Arbeit an dieser     einmal als „die kleine Schwester der
Sonderausgabe des Gemeindebriefes        Theologie“ bezeichnet haben. Was be­
kam in verschiedenen Gesprächen im­      deutet das? Musik wird gern als eine
mer wieder die Frage auf, worin denn     universelle Sprache bezeichnet, die je­
die Glaubensaussage in der musikali­     der versteht. Wer kennt sie nicht ­ die
schen Verkündigung liegt? Ich versu­     emotionale Intensität, die ein Lied ent­
che einmal, eine persönliche Antwort     falten kann und uns die Tränen in die
darauf zu formulieren.                   Augen treibt? Das geht auch ohne
                                         Text! Ein Lied, das uns berührt, fragt
Martin Luther, die Personifikation der   nicht danach, ob wir Englisch, Deutsch
kirchlichen Reformation, war auch ein    oder Japanisch sprechen. Durch Musik
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werden Emotionen angesprochen. Man
bezeichnet Musik deshalb gern als
„der Sprache ähnlich“.

Kann man aber auch Glauben kommu­
nizieren? Gibt es christliche, muslimi­
sche oder buddhistische Musik? Kann
man sogar zwischen katholischem, re­
formiertem und protestantisch libera­
lem Bekenntnis unterscheiden? Hier
kommt das wichtige Wort „Bekennt­
nis“ ins Spiel und manchmal sogar ins
„Orgel­spiel“. Musik ist eben auch ein
Bekenntnis. Indem ich auswähle, was,
und vor allem, wie ich etwas spiele,
verrate etwas über meine Identität. Ich
bekenne mich zu einer bestimmten
Gruppierung, einer Glaubensrichtung
oder einem bestimmten Wertesystem.
Das Musikstück wird zu meinem
Glaubensbekenntnis.

Ich persönlich bekenne mich zu meiner     Die Begegnung mit den Orgeln und
Identität eines „musikalischen Aben­      Organisten führt mich zur Auseinan­
teurers“. In meinem gottesdienstlichen    dersetzung zwischen Ideal und Wirk­
Orgelspiel kommt es deshalb durchaus      lichkeit. Ich wünsche mir oft eine bes­
vor, dass neben Stücken von Palestrina    sere Orgel, eine belebtere Kirche und
und Bach auch Musik von Sting, Nena       begegne Charakter und Persönlichkeit.
oder Genesis erklingt. Meine Tonspra­     Jedes Instrument, jede Kirche ist an­
che, mein Stil, in der meine Haltung,     ders und hat ihre ganz eigene Ge­
Überzeugung und Hoffnung zum Aus­         schichte.
druck kommt, verändert sich mit dem
Lebensalter, mit jedem neuen Tag. An­     Das gilt auch für die Gemeinden, und
ders der Grund meines Glaubens, er        insbesondere für die Menschen hinter
liegt außerhalb von mir und ist bestän­   den Orgeln! Persönliche Begegnung:
dig. Ich kann diese andere Ebene nur      Im letzten Jahr habe ich wieder schät­
ahnen, sie zu beschreiben fällt schon     zen gelernt, wie wertvoll mir das ist.
schwer. Sie ist manchmal da wie ein
Geschenk. Hört man sie aus meiner                          Kantor Bernhard Barth
Lebensmusik heraus? Ende April habe
ich auf einer Fahrradtour die Orgeln
unserer Gemeinde in Werder und un­
serer Nachbargemeinden in Töplitz
besucht. Mein elfjähriger Sohn durfte
alle Instrumente anspielen.
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Kemnitz
Jahrelang war das Harmonium in der         den Autobahnfahrt in einem Megastau
Kemnitzer Kirche für Liedbegleitung        und in Anbetracht der noch folgenden
und solo zuständig; liebevoll gespielt     langen Heimfahrt reifte die Parole:
(neben anderen natürlich) und vor al­      Umkehren! Der zweite Versuch fasste
lem auch gewartet von Andreas Gott­        die Begutachtung und den Abtrans­
schald.                                    port in einem Schritt zusammen und
                                           wurde mit veränderter Fahrzeug­ und
Beim Verfasser dieser Zeilen und sei­      Personalausstattung und ohne Stau er­
ner Gattin reifte jedoch der Wunsch,       folgreich vollendet.
dass eine kleine Orgel in unsere Kirche
                                           Die Orgel, zweimanualig, Vollpedal
                                           und mit dabei zwei riesige Lautspre­
                                           chertürme mit eingebauten Verstärker­
                                           Endstufen, machte sich auf den Weg
                                           nach Kemnitz.

                                           Da steht sie nun und macht ­ um ehr­
                                           lich zu sein ­ auch mich nicht so richtig
                                           glücklich; und Andreas, den Harmoni­
                                           um­Liebhaber schon gar nicht!
einziehen möge. Auch, um ein zusätzli­
ches Veranstaltungsspektrum abde­          Die Aufgabe, die Laut­
cken zu können. Eine Pfeifenorgel – in     sprechertürme so um­
Betracht käme sowieso nur eine Tru­        zugestalten, dass sie
henorgel – war und ist aber jenseits al­   sich harmonisch in un­
ler Möglichkeiten und so wollte es der     sere kleine, intime
Zufall, dass eine Gemeinde in Nord­        (aber nicht unbedingt
rhein­Westfalen ihre elektronische Kir­    heimelige !) Kirche ein­
chenorgel aus den 70er Jahren sehr         fügen, ist noch nicht
preiswert abgeben wollte. Immerhin         zufriedenstellend ge­
hergestellt von dem renommierten           löst. Auch technisch
Unternehmen Ahlborn­Lipp.                  gibt es mittlerweile
                                           Probleme, die Orgel
Gesagt getan, die anderen Gemeinde­        brummt (mal auf „G“,
ratsglieder halbwegs bis skeptisch         mal auf „Cis“) und der
überredet: begutachtet, gekauft und        eine Lautsprecher will
abgeholt. Das war zumindest der Plan.      sich seine tiefen Töne nicht mehr ent­
Die Begutachtung endete nach Stun­         locken lassen.
Es gibt also noch reichlich zu tun und
für irgend etwas muß der Erstberuf
als Elektroniker doch zunütze sein!

Gedenke an den Herrn, deinen Gott;
denn er ist´s, der dir Kräfte gibt (5.
Mose 8,18) und Singet dem Herrn ein
neues Lied, denn er tut Wunder (Psalm
98,1)

                         Joachim Thiele

  Elektronische Orgel, 1970er, Ahlborn­Lipp, 2 Manuale, 43 Register

Gleb Bubnow
Keine Orgeln in ganz Iwanowo

Ich heiße Gleb Bubnov. Schon mit sie­
ben Jahren begann mein musikalischer
Weg in einer staatlichen Musikschule
in Iwanowo in Zentralrussland. Diese
Industriestadt hat ca 400 000 Einwoh­
ner, liegt 300 km von Moskau entfernt
und wird wegen ihrer Textilindustrie
auch russisches Manchester genannt.

Ich wurde dort zwar getauft und
christlich erzogen, das ist in Russland
aber eher eine Privatangelegenheit. Da
in der orthodoxen Kirche grundsätz­
lich keine Instrumente verwendet wer­
den, findet man in ganz Iwanowo keine
Orgeln. So war es ein Zufall oder eine
glückliche Fügung, wie ich zur Orgel
kam:
Ich studierte damals schon an der be­     liebte. Ich bin ihr bis heute treu geblie­
rühmten Musikakademie „Gnessin“           ben.
Komposition und Klavierspiel. An ei­
nem Sonntag, wurde mir zufällig Or­       Nach meinem erfolgreichen Abschluss
gelunterricht angeboten. Meine dama­      (für Komposition) in Moskau führte
lige Lehrerin lud mich anschließend zu    mich mein Weg nach Berlin an die
einem Orgelkonzert im Tschaikowski­       Universität der Künste. Dort studierte
Saal des Moskauer Konservatoriums         ich künstlerisches Orgelspiel bis 2018.
ein. Sie spielte Orgelwerke von C.        Aktuell wohne ich in Potsdam und bin
Franck und Ch.­M. Widor. Das wirkte       als freischaffender Organist, Pianist
auf mich so magisch, dass ich mich so­    und Klavierlehrer tätig.
fort unsterblich in die Orgelmusik ver­

  Gleb Bubnow spielt am 20.6. zum Gottesdienst in der Heilig­Geist­Kirche.

                                          Marquardt
Die Marquardter Kirchenorgel wurde
von der Orgelbaufirma Gebr. Dinse
Berlin gebaut. In ihrer äußeren Bau­
weise und ihrer Klangfülle wurde die
Orgel dem Neubau der Kirche von
                   1901 harmonisch
                   angepasst. Sie ist
                   ein zweimanuali­
                   ges     Instrument
                   mit 10 Registern       Tonumfang umfasst im Manual C­f'
                   und verfügt über       und im Pedal C­d'.
                   Kegelladen     mit
                   pneumatisch ge­        Zur musikalischen Begleitung bei Got­
                   steuerter     Ton­     tesdiensten, zu Taufen, zu Trauungen,
                   und Registertrak­      bei Trauerfeierlichkeiten oder zu Kon­
                   tur sowie über ein     zerten ist das Orgelspiel unerlässlich.
                   Mehrfaltenmaga­        Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der
                   zin mit zwei Keil­     bekannte Organist der Potsdamer Gar­
                   schöpfern.     Der     nisonkirche, Prof. Otto Becker, am 30.
November 1924 ein Konzert aus An­         stadt grundlegend restaurierte Orgel
lass der Kirchenvisitation durch den      mit einem Konzert wieder eingeweiht
Superintendenten Korthe gegeben hat.      werden.
Am 1. Februar 1932 spielte er an der
Marquardter Orgel für Martha Rave­           Quelle: Zur Geschichte der Marquardter
ne, die verstorbene Frau des Gutsbe­                Kirche von Dr. W. Grittner, 2013
sitzers.

Nach 100 Jahren wies die Orgel erheb­
liche Schäden auf, nur 3 der 10 Regis­
ter waren noch spielbar. Am 3. Dezem­
ber 2011 konnte die durch den
Orgelbaubetrieb Hüfken aus Halber­

  Firma Gebr. Dinse, 1901, pneumatische Kegellade,
  1 Manual, Pedal, 10 Register

Bernhard Barth
Musical, Jazz und Kirchenmusik
Aufgewachsen bin ich auf einem Bau­
ernhof in der Nähe von Karlsruhe, in
protestantisch pietistischer Tradition.
Meine Mutter musste in ihrer Kindheit
noch das Gesangbuch auswendig ler­
nen. Mein Großvater in Tübingen
konnte zwar keine Noten lesen, spielte
aber jeden Sonntag einen Choral auf
dem Klavier. Seine vollklingende au­
thentische Harmonisierung ist bis heu­
te ein Klangideal, wenn ich Lieder be­
gleite.
                                          Meine erste Begegnung mit der Orgel
Mein Weg zur Kirchenmusik verlief         hatte ich während meiner Zeit als Fall­
trotzdem auf einigen Umwegen, viel­       schirmjäger bei der Bundeswehr. Ich
leicht, weil es damals schon für Ju­      hatte die fallenden Schirme von zu
gendliche „uncool“ war, sich zum          Hause aus manchmal am Himmel beo­
Glauben und klassischer Musik zu be­      bachten können und wußte, dass diese
kennen.                                   Einheit in unserer Nähe lag.
Ich spielte damals eigentlich nur Kla­     Musik „Hanns Eisler“ ein Kapellmeis­
vier. Um für meine anstehende Wehr­        terexamen abgelegt hatte.
pflicht eine „heimatnahe Stationierung“
zu erwirken, ging ich zum Pfarrer un­      Ich habe dort eigene Musical kompo­
serer Dorfgemeinde und bat ihn, mich       niert und einstudiert und einen Kin­
regelmäßig als Aushilfsorganist einzu­     derchor aufgebaut, parallel, im Fern­
setzen. So kam es, dass ich wochentags     studium Kirchenmusik studiert. Das
um 5 Uhr morgens mit dem Fahrrad           war damals sehr hart, im Nachhinein
von zu Hause aus zur Kaserne fuhr,         aber eine sehr schöne Zeit.
während ich am Sonntag in der kleinen
Dorfkirche die Orgel spielte.              In meinem Leben und vor allem in der
                                           Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
Professionell habe ich mich mit Kir­       habe ich mich auch immer wieder mit
chenmusik erst viel später beschäftigt.    Popularmusik beschäftigt. Seit 2016
Ich war Anfang dreißig, mein erstes        leite ich den Jazz­ und Popchor Jam­
Kind geboren, lebte in Berlin und          pression in Brandenburg. Dort wohne
suchte nach einer Tätigkeit, mit der ich   ich auch derzeit.
meine kleine Familie für die Zukunft
verlässlich absichern konnte.              In meiner Freizeit schnitze ich gern
                                           Holzskulpturen und gehe wandern. Ich
Bei der Kirche fand ich eine halbe An­     habe zwei Kinder. Meine Frau ist frei­
stellung in einer verwaisten Landge­       schaffende Bratschistin. Mit meinem
meinde im niederen Fläming. Meine          Sohn teile ich die Leidenschaft für das
Einstufung und Bezahlung war auf           Lesen russischer LitRPG Autoren.
der Stufe von „ungelernt“, obwohl ich
gerade in Berlin an der Hochschule für

  Bernhard Barth spielt am 4.7. zum Gottesdienst in der Kirche zu Glindow.

Gott tröstet
Gott, du tröstest uns wie ein Vater,       Klinge hinein unser Herz.
Gott, du stärkst uns wie eine Mutter.      Sprich dein Wort hinein in den Klang
Danke für die Melodien,                    der Steine unter unseren Schuhen,
in denen unsere Seele schwingt.            des Windes, der uns umströmt.
Ich bitte dich für uns auf der Suche       Und lass uns weitersagen
nach dem Klang unseres Lebens.             von deinem Wort.
Lass dich finden.
Orgelbautradition
      Die Traditionswerkstatt Alexander Schuke Orgelbau in Werder

  Mehr als 200 Jahre Orgelbau in unserer Region
Wir sind Michael und Johannes Schuke und leiten die Traditionswerkstatt Alex­
ander Schuke Orgelbau mit Sitz in den Havelauen in Werder. Wir sind stolz die
Handwerkstradition des Orgelbaus in 4. Generation zu bewahren und die Werk­
statt gleichzeitig mit neuen Ideen in die Zukunft zu führen.

Unsere Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter fühlen
sich wie wir sehr wohl in
Werder, wo die Werkstatt
nun schon seit 17 Jahren
zu finden ist. Da es für uns etwas ganz Besonderes ist an Orgeln aus unserer Re­
gion zu arbeiten, sind wir für das Vertrauen der Gemeinden in unsere Werkstatt
sehr dankbar. So konnten wir zum Beispiel die Orgeln in Töplitz und Glindow
restaurieren. Die Glindower Orgel mit neogotischem Gehäuse wurde im Jahr
1853 durch die Orgelbauwerkstatt von Carl Ludwig Gesell gebaut, aus der später
unsere Firma hervorging. Diese Orgel unseres Vorgängers nun zu restaurieren
und sie wieder für die nächsten Generationen in Gottesdiensten und Konzerten
zum Erklingen zu bringen, erfüllte uns mit großer Freude.
Nattwerder
„Die aus 16 großen Familien bestehen­       war schon am Tage der Einweihung
de zur Kirche zu Nathwerder hiesigen        der Reparatur bedürftig. Man könne
Amts gewidmete Gemeine wünscht zu           kein elenderes Werk sehen!“
mehrerer Erwekung ihrer Andacht in
ihrer Kirche eine Orgel und diese um        Die Geburt des neuen Instrumentes
so mehr zu haben, da ihr Küster Wer­        verdanken wir einer Häufung günsti­
nicke Alters halber mit dem Vorsingen       ger Umstände: die Belebung des
theils      nicht mehr    fortkommen        Kirchgemeindelebens in Verbindung
kann .....“                                 mit der 300­Jahrfeier 1985, der Umzug
                                            der Fa. Schuke 1987 nach Nattwerder,
So schrieb der Prediger Schaub am 6.        der friedlichen Revolution 1989 und
Juni 1797 an den König Friedrich Wil­       der Gründung des Vereins Schweizer­
helm II. Der König zeigte sich gegen­       kolonistendorf Nattwerder 1992. Der
über dem Anliegen erstaunlich wohl­         Wunsch nach einer neuen Orgel ent­
wollend. Für Orgel und Einbau einer         stand und setzte sich in den Köpfen
Ostempore wurde ein Betrag von 200          fest! M. Schuke wurde beauftragt, ein
Talern veranschlagt, wovon die Ge­          klangästhetisches Konzept für das neue
meinde die Hälfte selbst aufzubringen       Instrument zu entwickeln und dem
hätte.                                      Verein als Auftraggeber ein Kostenan­
                                            gebot zu unterbreiten.
Hinsichtlich der Disposition dieses In­
strumentes sind die Angaben in den al­      Was fand er vor? Im Spielschrank wa­
ten Unterlagen auffallend wider­            ren alte Pergamentschilder mit den ur­
sprüchlich. Worin sich jedoch alle          sprünglichen Registernamen erhalten.
Zeitzeugen einig sind, ist die Tatsache,    Das Pedalwerk war nachweislich vor­
dass die Nattwerdersche Orgel ihrem         gesehen, aber nicht ausgeführt. Der
Erbauer den Nachruf der Ehrwürdig­          freie Registerzug noli metangere (rühr
keit nachhaltig verweigerte. Als der        mich nicht an) dürfte die geplante Ein­
Potsdamer Orgelbauer Joh. Carl Hin­         schaltung für einen Subbass 16’ gewe­
neberg aus den Hinterlassenschaften         sen sein. Die Zimbelsterne, in unserem
französischer Invasoren, welche das         Fall Sonne und Mond, waren drehbar
Instrument im Oktober 1806 völlig ru­       gelagert und wurden ähnlich wie die
inierten, wieder ein spielbares Werk zu     Weihnachtspyramide, durch ein Wind­
errichten versuchte, ließ er sich in sei­   rad angetrieben. An den Drehachsen
nem Gutachten vom 21. Oktober 1811          wurden mehrere kleine Krallenglöck­
zu folgendem, niederschmetterndem           chen befestigt. („Geh aus mein Herz
Urteil hinreißen: „Ein Pfuscher hat die     und suche Freud“ ist in Nattwerder in­
alte Orgel zusammengestümpert. Sie          zwischen ohne das fröhliche Geklingel
der Zimbelsterne nicht mehr denkbar.)     rere dicke Ordner. Unzählige große
Im Innern des Gehäuses befanden sich      und kleine Privatspenden, auch aus
nur noch die beiden Keilbälge. Insge­     dem Berner Oberland, eine Benefizver­
samt waren diese wenigen, aber sehr       anstaltung in der Schweizer Botschaft,
spezifischen Vorgaben schon geeignet,     ein Zuschuss der Landeskirche, Unter­
das Herz eines Orgelbauers höher          stützung des Münchener Schweizer
schlagen zu lassen.                       Vereins hat sie initiiert.

                                          Am Sonntag, dem 5. Mai 1996, fand
                                          die feierliche Einweihung statt. David
                                          Timm (heute Universitäts­Musikdi­
                                          rektor in Leipzig) und Matthias Jacob
                                          (Potsdam, Friedenskirche) gaben in
                                          Gottesdienst und Konzert einen Vor­
M. Schuke schrieb in einem Brief an       geschmack dessen, was das neue In­
den Vereinsvorstand vom 25.02.93:         strument zu leisten vermag. Im Ab­
„Da Potsdam und seine Umgebung mit        nahmegutachten vom 19.02.96 schrieb
historischen Instrumenten dieser Zeit     Christhard Kirchner: „Das Pfeifenwerk
sehr spärlich gesegnet ist, könnte ein    wurde aus bestem Material und hand­
solches sehr anziehend wirken. Die        werklich sehr sauber angefertigt. Alle
Idylle des Ortes hat nach der Grenzöff­   Register erhielten eine sorgfältige, in
nung auch sehr viele Berliner Ausflüg­    sich ausgeglichene Intonation, so dass
ler nach Nattwerder und auch in die       sie sich vielfältig miteinander kombi­
Sommermusiken geführt. Ich denke,         nieren lassen und zusammen ein leuch­
dass gerade in dieser Kirche das Be­      tendes, für den Raum kraftvolles Ple­
sondere und weniger das Alltägliche       num ergeben.“
gefragt ist.“ Mit diesem hohen An­
spruch entwickelte er eine Vision, die    Wer trotz allen Lo­
keinesfalls das Instrument Joh. Fr.       bes ein geübtes Ohr
Starkes kopieren wollte, wohl aber sti­   hatte, spürte den­
listisch dessen Zeit verpflichtet ist.    noch, dieser Orgel
                                          fehlt etwas, wonach
Als begleitende, aber ebenfalls uner­     sie regelrecht giert.
lässliche Arbeiten, seien die Farbfas­    Was nur ein kleiner
sung sowie Vergoldungen des Gehäu­        Kreis eingeweihter
ses,     die    Restaurierung     von     Personen wusste:
Strahlenkranz und Gottesauge, das         Schon bald nach
Gießen neuer Krallenglocken für die       dem ersten Konzert
Zimbelsterne und Elektrikerarbeiten       schlichen gewisser­
erwähnt.                                  maßen bei Nacht
                                          und Nebel zwei Or­
Alles in allem mussten knapp 150.000      gelbauer in die Kir­
DM für dieses Projekt aufgebracht         che, um dem Instru­
werden. Annemarie Haardts Korre­          ment ein noch
spondenzen in dieser Sache füllen meh­    etwas agileres mu­
haben kann und die Zeitrechnung alle
                                        vier Jahre korrigiert werden muss, gibt
                                        es eine erhebliche Differenz in der Be­
                                        ziehung von Tonintervallen. Diese Dif­
                                        ferenz geschickt auszugleichen, das ist
                                        die Kunst des Stimmens! Das kann auf
                                        sehr verschiedene Weise geschehen.
                                        Die Orgel in Nattwerder war am Tage
                                        ihrer Einweihung „gleichstufig tempe­
                                        riert“ gestimmt. Das heißt, die unver­
                                        meidliche Toleranz wurde auf alle
                                        Tonarten gleichmäßig verteilt. Das
                                        war während der für unser Projekt sti­
                                        listisch relevanten Epoche noch nicht
                                        üblich.

                                        Ein berühmter italienischer Franziska­
                                        nerpater dieser Zeit (selbst Musiker
                                        und Komponist), Signor Francesco An­
                                        tonio Valotti, entwickelte ein ausge­
                                        sprochen inspirierendes System im
                                        Umgang mit dieser Kunst. Dieses
                                        übertrugen wir nun heimlich auf die
                                        neue Orgel in Nattwerder. Nun klin­
                                        gen die häufig benutzten Tonarten in
                                        der Nähe von C­Dur ungewöhnlich
                                        rein und strahlend. Fis oder Cis­Dur
                                        wurden dagegen etwas strenger. Das
                                        macht die Interpretation vor allem al­
                                        ter Musik zu einem physischen Erleb­
                                        nis. Damit war das Konzept Matthias
sikalisches Leben einzuhauchen.         Schukes in sich geschlossen. Er nahm
                                        es freudestrahlend zur Kenntnis. Gro­
Dazu muss man Folgendes wissen:         ßen Dank gebührt allen, die sich für
Beim Stimmen von Tasteninstrumen­       den Orgelneubau stark gemacht haben.
ten kommt es weniger darauf an, einen
Ton sauber nach einem anderen zu                    Hans Scheffler, Dietmar Bleyl
stimmen. Nein, die Kunst besteht dar­
in, ein Naturgesetz zu umgehen. Ge­
nauso, wie nicht jedes Jahr 365 Tage

  Firma Schuke Orgelbau, 1996, 1 Manual, Pedal, 8 Register, Sonne und Mond
Viola Mauve­Hönnicke
Mit der Orgel kannst du alles erzählen
Geboren 1955 in Potsdam, erlebte ich
meine Kindheit in Werder (Havel). Ich
studierte Musikwissenschaft an der
Humboldt­Universität in Berlin mit
dem Traum, Konzertdramaturgin zu
werden. Doch die politische Situation
ließ ein Forschungsstudium nicht zu.
Mit dem Abschluss als Musikwissen­
schaftlerin blieb ich in Berlin, ging an
die Künstleragentur der DDR und
gründete eine Familie. Da sich die be­
rufliche Perspektive einschränkte, en­
gagierte ich mich als Organistin, nahm     le Orgellandschaft wurde mein Enga­
eine zusätzliche Qualifikation als Kla­    gement für einen Orgelneubau in der
vierlehrerin auf und wurde in musik­       Schinkel­Kirche zu Petzow zur Bürger­
pädagogischen Projekten tätig.             initiative. 2001 in der Regionalpresse
                                           der Spendenaufruf, darauf folgend die
Die Wendezeit brachte auch für mich        Tätigkeit in der AG­Orgelneubau so­
einen Umbruch. Mit dem Wunsch,             wie die Erstellung einer Konzeption
wieder nach Werder zu ziehen, wech­        für eine Konzertorgel wurden 2011 zur
selte ich 1992 in das Bildungsministe­     Einweihung der Voigt­Orgel durch
rium der Landesregierung. Dort             Staatssekretär Gorholdt und Landrat
durchlief ich mehrere Fachthemen und       Blasig besonders hervorgehoben.
konnte besonders in der Schulbuchent­
wicklung und beim Aufbau der Kultu­        Seit meiner Pensionierung kann ich
rellen Bildung als interdisziplinäre Ko­   mich jetzt verstärkt eigenen künstleri­
operation mit dem Kulturministerium        schen Projekten als Organistin, als
Maßstäbe setzten.                          Malerin oder Autorin, aber auch Mu­
                                           sikpädagogin für Nachwuchsförderung
In den Jahren meiner Verwaltungstä­        widmen. Dabei übt die Orgel auf mich
tigkeit bin ich der Kirchenmusik treu      immer wieder einen ganz besonderen
geblieben und habe berufsbegleitend        Reiz aus. Ich bin davon überzeugt, mit
die C­Kantoren­Prüfung abgelegt. Mit       ihrer universellen Musik Gottesdienste
dem besonderen Blick auf die regiona­      wirkungsvoll zu bereichern.

  Viola Mauve­Hönnicke spielt am 11.7. zum Gottesdienst in der
  Heilig­Geist­Kirche.
Petzow
„Die Petzower Kirche ohne Orgel?“         lieder, die weit übers Land erklangen.
                                          Und danach wurde es in der Kirche
                                          heimelig, wenn sich der Zauber von
                                          Weihnachtsgeschichte, Liedern und
                                          der Kammermusik entfaltete. Es ist
                                          diese ganz besondere Kindheitserinne­
                                          rung, die mich für das Orgelprojekt
                                          stark machte, begleitet von der Erinne­
                                          rung an einen leeren Orgelprospekt
                                          auf der Empore mit der abgebroche­
Mit dieser Frage ­ gleichzusetzen ei­     nen Treppe. Vierzig Jahre später führ­
nem Hilferuf – habe ich versucht, im      te ein langer Atem von zehn Jahren
Jahr 2001 in der lokalen Presse die Öf­   schließlich zu dem Orgel­Neubau so,
fentlichkeit aufzuwecken. Die Frage       wie er jetzt in der Kirche steht!
sollte assoziieren, dass es auch anders
geht, denn die Kirche war nicht immer     Noch heute liegt die Schinkel­Kirche
ohne Orgel und sie sollte eine Lobby      Petzow zwischen dem Schwielowsee,
für die Idee „Orgelprojekt Schinkel­      dem Haussee der Lenneschen Parkan­
Kirche Petzow“ schaffen. Zwölf Jahre      lage sowie dem Glindower See in land­
nach der Wende war die Kirche zwar        schaftlich bezaubernder Lage. Wer den
wieder im historischen Gewand, jetzt      Grelleberg erreicht und sogar den
als kultureller Veranstaltungsort des     Kirchturm erklettert hat, wird von ei­
Landkreises. Doch was ihr fehlte, war     ner Landschaft mit überwältigender
eine Orgel, so meine Idee.                Schönheit ergriffen. Haben Besucher
                                          den Turmabstieg hinter sich, so wird
Ich fühle mich mit Petzow besonders       fast jeder von der Neugierde getrieben,
verbunden, da meine Familie bereits in    die große Eisentür zum Kirchenraum
den 60iger Jahren in der damaligen        zu öffnen. Aufgeschlossen und heiter
recht desolaten Kirche mit Geigen,        treten sie ein. Wenn sie nun von Musik
Cello und Harmonium die jährlichen        und Kunst überrascht werden, dann
Christvespern ausschmückten. In Pet­      strahlt der kleine Raum auch von den
zow war es ruhig. Wir probten am          Menschen, die dies tun. Dieser Ort ist
Heiligen Abend vor Ort in der eisigen     ein Kleinod – eben ein Ort mit Auss­
Kirche bei warmem Tee, eingehüllt in      trahlung, der Menschen ergreift!
Decken mit Wärmflaschen, denn in
diesen Jahren war es Weihnachten sehr     Diese kurze Liebeserklärung muss
kalt. Vom Kirchturm blies Pfarrer Ull­    sein, denn sie erklärt die Motivation
mann auf der Trompete Weihnachts­         derer, die sich innerhalb von 10 Jahren
für eine Idee begeistern ließen und da­    Pünktlich wurde sie für die Eröff­
für engagiert haben, dass in der Schin­    nungsfeier am 28. September 1842 fer­
kel­Kirche wieder Orgelmusik er­           tig gestellt.
klingt. Die Königin der Instrumente
steht wieder an dem ihr bereits 1842       Noch heute liegt ein Teil dieser Orgel,
historisch zugewiesenen Platz ­ wird       die alte Schleiflade (ein geleimtes Holz,
aber im Gegensatz zu ihrer Vorgänge­       das als Windkanal dient, damit der
rin, die mit lediglich fünf Registern,     Wind in die darauf stehenden Orgel­
einem Manual und angehängtem Pedal         pfeifen gelangt) auf dem Dachboden.
der Gemeindegesangbegleitung diente        Für die neue Orgel war es in der Tat
– nun vielseitigen konzertanten An­        nicht möglich, dieses historische Or­
sprüchen gerecht. Bestehend aus zwölf      gelteil wieder zu verwenden. Vielleicht
Registern und zwei Manualen kann           lohnt es sich jedoch, diesem Original­
auf diesem Instrument nun umfang­          stück ­ dem Herzstück einer Orgel ­ ei­
reiche Musikliteratur verschiedener        nen würdigen und sichtbaren Platz zu
Musikgeschichtsepochen        erklingen.   geben, der weiterhin als Anregung auf
Anknüpfend an die historischen Gege­       der Suche nach historischen Quellen
benheiten ist eine Orgel in neuer Qua­     und Geschichten zur Orgel dient.
lität entstanden, die ein anspruchsvol­    Denn leider konnten auch Petzower
les Konzertpublikum in vieler Hinsicht     Einheimische bisher keine konkreten
zufrieden stellen kann und die Pro­        Informationen zum alten Orgelpro­
grammgestaltungen um ein Vielfaches        spekt finden.
bereichert.
                                           Nach dem Spendenaufruf im März
Den Archivunterlagen zur Schinkel­         2001 im Generalanzeiger und im Mai
Kirche ist zu entnehmen,
dass die Orgel zur Einwei­
hungsfeier der Kirche am
30. Oktober 1842, in Anwe­
senheit des Königs nebst
Gattin erklang. Sie wurde
erbaut vom Potsdamer Or­
gelbauer Gottlieb Heise
(1785­1847). Dieser hatte
am 24.01.1842 an St. Mari­
en einen Kostenanschlag
eingereicht, der revidiert
wurde. Gottlieb Heise er­
hielt lediglich 450 Taler für
dieses Instrument. Es war
eine einmanualige Schleifla­
den­Orgel mit 5 Registern
und angehängtem Pedal.
Klein genug, um auf die
schmale Empore zu passen.
in der Märkischen Allgemeinen Zei­         Orgeldisposition, die nach den Kriteri­
tung wurde eine Arbeitsgruppe „Orge­       en zum historischen Vorgänger, zur
linitiative Schinkel­Kirche Petzow“, mit   minimalen Fläche auf der Empore und
den Teilnehmern Kulturreferentin des       der Größe des vorhandenen Kirchen­
Landkreises, Vorsitzender des Heimat­      raumes als kultureller Klangraum ab­
vereines Petzow e. V., Initiatorin/Sach­   gewogen werden. Im Ergebnis erhält
verständige und dem Petzower Orts­         die Orgel zwölf Register ­ zwei Manu­
vorsteher, gegründet. Umfangreiche         ale und ein eigenständiges Pedal. So
Recherchen sowie Kontakte und Initia­      hebt sie sich mit dem klassischen Klan­
tiven zum Spendenaufruf brachten Be­       gideal des 19. Jahrhunderts von den
wegung in das Projekt.                     Instrumenten der Werderaner Gegend
                                           ab. Sie ist weit gefächert konzertant
2007 erteilt der Landkreis Frau Viola      und kammermusikalisch spielbar. Der
Mauve­Hönnicke den Auftrag, eine Or­       Seitenspieltisch ist eine angenehme Be­
gel­Konzeption zu erstellen. In Folge      sonderheit für den Orgelspieler, von
wurde Andreas Kitschke als der für die     dem aus sich der Blick des Organisten,
Evangelische Kirche Berlin­Branden­        so er sich umdrehen mag, durch die
burg–schlesische Oberlausitz u. a. für     Rundbogenfenster hinaus bis zum
den Landkreis Potsdam­Mittelmark           Schwielowsee weiten kann. Der Orgel­
zuständige Orgelsachverständige 2008       prospekt, in naturbelassener Eiche,
hinzugezogen.                              lehnt sich über die Empore und fügt
                                           sich harmonisch in den Kirchenraum
Als 2009 der Kreistag des Landkreises      ein.
Potsdam­Mittelmark die Verwendung
von Mitteln aus dem Konjunkturpaket        2011 wird die neue Orgel durch einen
für den Orgelneubau in Petzow be­          Festakt eingeweiht. Für Interessenten
schließt, ist die Finanzierung auch        gibt es seitdem neben Orgelkonzerten
durch den bereits erwirtschafteten Ei­     auch eine umfangreich­informative
genanteil von 25.000 €, der großteils      Festschrift.
vor Ort gespendet wurde, abgesichert.
Der Landkreis veranlasst die Aus­                           Viola Mauve­Hönnicke
schreibung, deren Zuschlag die Bran­                          Werder (Havel) 2021
denburger Firma Mitteldeutscher Or­
gelbau A. Voigt GmbH aus Bad
Liebenwerda erhält.

Um der besonderen Lage des Petzower
Standortes gerecht zu werden, führen
umfangreiche Überlegungen zu einer

  Firma Mitteldeutscher Orgelbau A. Voigt GmbH, 2011,
  2 Manuale, Pedal, 12 Register
Barbara Rink
Für die Orgel ist es nie zu spät
Ich bin in einer sehr musikalischen Fa­
milie aufgewachsen: meine Mutter war
Geigenlehrerin und bei meinem Vater
habe ich die ersten Klavierstunden be­
kommen.

Vor knapp 5 Jahren habe ich in der
Brieftaube einen Aufruf zur Unter­
stützung der Musik gelesen und mich
mit dem Kantor verabredet und ihm
vorgespielt; er fand mein Können gut
und gab mir erste Unterweisungen.         Sehr schnell bekam ich die Schlüssel
Kurz entschlossen nahm ich am mo­         von Kirche und Gemeindesaal, sodass
natlich stattfindenden Orgelkurs in       ich gut üben konnte. Von Anfang an
Rheinsberg teil und hatte auch in         habe ich ca. 1 mal im Monat einen
Brandenburg Orgelunterricht. Dabei        Gottesdienst begleitet.
lernte ich viel über Liturgik, Orgel­
und Gesangbuchkunde, Harmonieleh­         Von Jugend an habe ich in Kirchenchö­
re, Bibel­ und Kirchenkunde. Im No­       ren gesungen, alle Passionen von Bach
vember 2019 bestand ich den Eig­          kenne ich sehr gut und so bestärkt
nungsnachweis Orgel (ENO).                mich die Musik in meinem Glauben.

  Barbara Rink spielt am 18.7. zum Gottesdienst in der Heilig­Geist­Kirche.
Gott danken –
                            Orgel spielen
Wahrscheinlich ist es für die meisten, die dieses Gemeindeblatt lesen, ganz selbst­
verständlich, dass sonntags im Gottesdienst jemand die Orgel spielt. Mit der Or­
gel geht er los und mit ihr endet er. Sie führt uns durch die Lieder und durch die
Liturgie. Ich weiß, dass manche eigentlich der Orgelmusik wegen zum Gottes­
dienst kommen. Ja sicher, Worte muss es auch geben, aber wie schnell rauschen
diese an uns vorbei. Auf dem Heimweg vom Gottesdienst klingt die Musik noch
deutlich in den Ohren, das Wort nur schwach.

Ist ein Gottesdienst
auch ein Gottes­
dienst, wenn keine
Orgel gespielt wird
und auch nicht von
einem anderen In­
strument vertreten
wird? Ja, ist es, auch wenn wir uns mit einigen musikalischen Stücken von einer
CD begnügen müssen. Die Liturgie begleiten diese natürlich nicht. Das ist leider
in vielen Orten immer noch der Fall. Ich habe in diesem Jahr schon mehrere Got­
tesdienste mit Musik von einer CD gehalten.

Ich schätze sehr, wenn eine Orgel im Gottesdienst erklingt. Was macht sie uns so
wertvoll? Für mich ist sie eine unserer Möglichkeiten, auf Gottes Wort zu ant­
worten. Mit ihr können wir unserem Glauben Ausdruck verleihen, wie es mit
Worten nur schwer gelingt. Unsere Gefühle können wir in diese Musik legen,
unseren Jubel wie auch unsere Klage. Mit ihr ahnen wir etwas von der Herrlich­
keit Gottes, von seiner Weite und Unendlichkeit. Manchmal habe ich das Gefühl,
dass uns Gott in ihr näher kommt. Mit dem Orgelspiel werden Distanzen gerin­
ger, die zwischen uns und Gott, aber auch die zwischen uns Menschen. Es führt
uns zusammen, wenn wir die Choräle singen oder in der Liturgie singend ant­
worten.

Die Orgelmusik im Gottesdienst ist für mich Ausdruck von Reichtum, den wir
uns gönnen und durch den wir unseren Dank Gott entgegenbringen, nicht nur
den Dank für die Musik, sondern auch für sein Wort, für seine Gegenwart, für
den ganzen Segen unseres Lebens.

                                                   Pfarrerin i. R. Ilona Kretzschmar
Andreas Gottschald
Die Orgel mit Händen, Füßen, Herz
und Seele spielen
Es war im Jahre 1969, in einem Dorf
nahe Zwickau, als ich jeden Tag nach
der Schule in die Kirche eilte. Mein
Ziel waren die Orgelbauer, die dort ge­
rade die neue Orgel aufbauten. Mit je­
dem Tag wuchs meine Faszination. Die
von meinen Eltern unterstützte Liebe
zur Musik fand ihr Instrument ­ DIE
ORGEL. Ich wollte dieses Instrument
nicht nur spielen, sondern nun auch
selber bauen, reparieren oder restau­
rieren.

Der Ausbildung zum Orgelbauer folg­
ten viele Jahrzehnte lang sehr interes­
sante Arbeiten bei verschiedenen Or­
gelbaufirmen in Thüringen, Sachsen
und Brandenburg. Der kirchliche und
sonntägliche Organistendienst war für     spielen, erfüllt mich mit Dankbarkeit.
mich nie eine lästige Pflicht.            Und so spiele ich noch heute gerne die
                                          Orgel, das Harmonium oder auch die
Während all dieser Zeit hat meine Fas­    Drehorgel innerhalb und außerhalb
zination zu diesem majestätischen In­     der Kirchgebäude zur Ehre Gottes und
strument nie aufgehört. Die Orgel mit     zur Freude der Menschen.
Händen, Füßen, Herz und Seele zu

  Andreas Gottschald spielt am 1.8. zum Gottesdienst in der
  Kirche zu Glindow.
Phöben
Die Orgel in der Dorfkirche Phöben ist
ein einmanualiges mechanisches In­
strument mit Pedal und wurde ur­
sprünglich vom Orgelbauer Wilhelm
Baer aus Niemegk im Jahre 1859 ge­
baut.

Die Orgel steht auf der Westempore
mit seitenspieligem Spieltisch. Die
technische Anlage, ein Teil des Pfeifen­
werkes und die Balganlage mit drei
Keilbälgen sind von Baer erhalten ge­
blieben. Die Orgel wurde in den 60er
Jahren des 20. Jahrhunderts von der
Alexander Schuke Orgelbauanstalt
Potsdam klanglich umgestaltet.

  Wilhelm Baer Niemegk, 1859, 1 Manual, Pedal, 10 Register

                                                              Ein Hochzeitspaar
                                                              freut sich über die
                                                             schöne Orgelmusik

                                                                    gemalt von
                                                                   Magarete (8)
Markus Belß
Orgelspiel als Weihnachtsgeschenk
Mein Name ist Markus Belß, ich wur­
de 1982 in Potsdam geboren. Meine
Familie wohnt schon seit Generationen
im Werderaner Ortsteil Plötzin, dort
bin ich aufgewachsen und dort habe
ich bis 2016 auch gelebt.

Seit dem 8. Lebensjahr habe ich Kla­
vierunterricht, später auch Orgelun­
terricht, an der Kreismusikschule „En­
gelbert Humperdinck“ in Werder/
Havel erhalten und im Jahr 2003 mit
Auszeichnung abgeschlossen.

Weihnachten 1992 gab es bei uns im
Dorf keinen Organisten, der den Hei­
lig­Abend­Gottesdienst im Ort musi­
kalisch begleiten konnte. So kam der
ansässige Pfarrer Gundlach auf mich      zur Musik. Zunächst arbeitete ich als
zu und fragte mich, ob ich nicht die     Musiker und Betreuungsassistent mit
musikalische Begleitung übernehmen       musiktherapeutischem Ansatz im Al­
könnte. Mit diesem Weihnachtsfest be­    tenhilfezentrum in Kloster Lehnin. In
gann der Anfang meiner kirchenmusi­      den Jahren 2017/2018 machte ich eine
kalischen Arbeit. In den darauffolgen­   Ausbildung an der Landesmusikakade­
den Jahren übernahm ich immer mehr       mie Berlin zum Musikgeragogen und
ehrenamtliche       Orgel­Vertretungs­   arbeite seit 2006 im Evangelischen Di­
dienste in Kirchengemeinden des Kir­     akonissenhaus Berlin Teltow Lehnin.
chenkreises Lehnin­Belzig und des nun    Seit 2000 bin ich als freiberuflicher Or­
neuen Kirchenkreises Mittelmark­         ganist und Pianist in Berlin und Bran­
Brandenburg.                             denburg bei Gottesdiensten, Hochzei­
                                         ten, Taufen, Beerdigungen u.v.m.
Nach einem erfolgreich absolvierten      unterwegs.
Studium zum Diplomchemiker an der
Universität Potsdam führte mich aber
mein beruflicher Weg wieder zurück

  Markus Belß spielt am 8.8. zum Gottesdienst in der Heilig­Geist­Kirche.
Restaurierung Orgel Glindow
                                  Gesell­Orgel war in schlechtem Zustand
Herr Schaefer, als Mitglied des Gemeinde­
kirchenrates und der Arbeitsgruppe Kirche
zu Glindow haben Sie die Restaurierung
der Orgel in Glindow von Anfang an be­
gleitet. Wie ging es eigentlich los?

Carsten Schaefer: In der GKR­Sitzung
des Mai 2015 wurde die AG­Kirche zu
Glindow gegründet. Die Gründungs­
mitglieder waren Pfarrerin Andrea
Paetel, Diakon Richard Ewald, Elke
Liere und ich, Carsten Schaefer. Als ei­
ne der vorrangigen Aufgaben der AG
wurde die Restaurierung der Orgel er­
kannt. Als unser neuer Kantor dazu
stieß, war seine erste Initiative ein
Treffen mit Orgelsachverständigen           Die Orgel wurde nicht nur repariert son­
und Herrn Schuke zu organisieren, um        dern auch in ihren ursprünglichen Zustand
darüber zu beraten, wie man so ein          zurückgeführt. War sie irgendwann verän­
Vorhaben anpackt.                           dert worden?

In welchem Zustand war die Orgel da­        Die Zinnprospektpfeifen waren 1917
mals?                                       entfernt worden. Sie mussten zu Rüs­
                                            tungszwecken des 1.Weltkrieges abge­
Die Orgel in Glindow war in einem de­       geben werden. Als Ersatz wurden da­
solaten Zustand. Es gibt Briefe aus         mals Zinkpfeifen eingebaut. Scherzhaft
dem Jahr 2006, die das schon beklagen.      könnten wir sagen, dass wir lange Zeit
2016 war sie nicht mehr spielbar. Zu        Orgelklang aus der Regenrinne hör­
diesem Zeitpunkt war sie 163 Jahre alt.     ten. Zum Glück hatte ein „Schuke“ die
Besonders die sehr heißen Sommer            Zinnpfeifen damals ausgebaut und alles
aber auch mangelnde Pflege und Für­         dokumentiert. Mithilfe der Aufzeich­
sorge hatten der Königin der Musikin­       nungen konnte das Instrument 1:1
strumente böse zugesetzt.                   nach Originalwerten von Carl­Ludwig
                                            Gesell wiederhergestellt werden. 1973
                                            war die Orgel dann schon einmal not­
                                            dürftig repariert und entsprechend den
                                            finanziellen Möglichkeiten dem dama­
                                            ligen Zeitgeschmack angepasst wor­
                                            den.
Ging bei den Restaurierungsarbeiten alles    Beantragen von Fördermitteln. Spezi­
glatt, oder haben Sie sich auch einmal ge­   ell für unsere Orgel war dies sehr ar­
ärgert?                                      beits­ und zeitaufwändig. Eine ganz
                                             herzliche Danksagung geht auch an
Das Einholen der Angebote verschie­          die Fördermittelgeber: die Ostdeut­
dener Orgelbaufirmen sowie das Ge­           sche­Sparkassenstiftung, die Stiftung
nehmigungsverfahren durch die Unte­          Orgelklang, die Stiftung Maßwerk, die
re Denkmalschutzbehörde gestaltete           Stiftung Kirche im Dorf sowie die
sich als sehr langwierig. Es stellte sich    Stadt Werder und den Ortsvorstand
auch heraus, dass die Serveranlagen          Glindow. Für die Unterstützung und
der Telefongesellschaft im Kirchturm         Genehmigung der Durchführung der
den Raum der Orgelbalganlage auf­            Restaurierung seien bedankt: die Kir­
heizten und damit der Orgel Schaden          chenaufsicht im Bauwesen der EKBO,
zufügten. Zwischen Denkmalschutz             die Untere Denkmalschutzbehörde, die
und Telefongesellschaft musste erst ein      Orgelsachverständigen Herr Kunz,
Kompromiss gefunden werden. Das              EKMB und Herr Kitschke, KK Pots­
war nicht einfach, allerdings war die        dam und Superintendent der EKMB
Telefongesellschaft sehr kooperativ.         Herr Wisch.
Am Ende hat sie auf eigene Kosten ei­
ne technische Lösung umgesetzt.

Wie teuer war die Restaurierung insge­
samt?

Im April 2018 stimmte der GKR dem
Angebot von Schuke über 52.000 € zu.
Mit eingerechnet waren grobveran­
schlagte 2.000 € für die Farbfassung
des Orgelgehäuses. Auf dieser Basis
konnten die weiterführenden Tätigkei­
ten beginnen – Fördermittel und Spen­
den einwerben. Der Eigenanteil der
Gemeinde betrug 12.500 € , davon war
die Hälfte durch Spenden zu erwirt­
schaften.
                                             Welchen Anteil hat die Gemeinde in Glin­
Gibt es jemanden, dem Sie für seinen Ein­    dow und Werder bei der Unterstützung der
satz bei der Restaurierung besonders dan­    Restaurierung?
ken wollen?
                                             Am 10. Dezember 2019 beschloss der
An dieser Stelle sage ich ein ganz gro­      GKR, die Restaurierung mit den bis
ßes „Danke“ an unseren Kantor Bern­          dato zur Verfügung stehenden Mitteln
hard Barth und unseren ehemaligen            zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt
Pfarrer Georg Thimme. Sie besitzen           fehlten noch 12.000 € an der Gesamts­
Praxiserfahrung im Einwerben und             umme. Pfarrerin Paetel machte uns
Mut, auf die Unterstützung durch die       den Wirren der Geldbeschaffung völlig
Gemeinde zu vertrauen. Allein bei          untergegangen war. Mit Hilfe von
zwei Blütencafés im Rahmen der             Herrn Schuke Senior konnte der Re­
Baumblüte kamen gesamt 800 € zu­           staurator Udo Drott für die Wieder­
sammen. Auch beim Orgelpfeifenver­         herstellung der Farbfassung gewonnen
kauf        auf   dem     Glindower        werden.
Weihnachtsmarkt konnten 1.000 €
eingenommen werden. Ein besonderer         Wann wurde die Orgel fertig gestellt?
Dank gilt auch der Unterstützung
durch die Seniorenbastelgruppe um          Die Fa. Orgelbau Schuke hatte es ge­
Elke Liere.                                schafft, den Orgeleinbau im Oktober
                                           2020 abzuschließen. So konnten wir zu
War außer der Firma Orgelbau Schuke        Weihnachten in der „Offenen Kirche“
noch eine andere Firma an der Restaurie­   die Gemeindeglieder mit echter Orgel­
rung beteiligt?                            musik begleiten.

8. Juni 2020, Orgelbau Alexander           Wurde das Instrument schon wieder einge­
Schuke begann die Restaurierung der        weiht?
Gesell­Orgel. Das komplette Innenle­
ben wurde demontiert. Für drei Mona­       Seinen festlichen Abschluss erfährt die
te wanderte es zur Überarbeitung in        Orgelrestaurierung mit dem Termin
die Werkstatt. Während der Demonta­        für Fördermittelgeber und Presse am
ge wurde ein Hinweis laut: „Es wäre        16. Juni 2021 gefolgt von der Orge­
jetzt ein günstiger Zeitpunkt für die      leinweihung im Rahmen des Kirsch­ &
Bearbeitung der Farbfassung des Or­        Ziegelfestes, am 4. Juli 2021. Ich danke
gelgehäuses durch einen Restaurator!“.     allen Mitwirkenden für ihr sehr hohes
Dabei fiel uns auf, dass dieser Punkt in   Engagement.
Töplitz
Die Orgel der Dorfkirche Töplitz ist
ein    einmanualiges   seitenspieliges
Instrument und wurde im Jahre 1879 /
80 von der Orgelbaufirma Carl Eduard
Gesell aus Potsdam gebaut. Die Orgel
wurde im Jahre 2011 von der Firma
Alexander Schuke überholt.

  Firma Carl Eduard Gesell, 1879, 1 Manual, Pedal, 7 Register

Hans Scheffler
Vom Organisten zum Orgelbauer und
zurück
Mein Name ist Hans Scheffler. Ich         Kunst in den Schlaf. Hat das vielleicht
wuchs in der Mitte zwischen Chemnitz      die Weichen gestellt?
und Annaberg Buchholz, im Erzgebir­
gischen Auerbach auf. Mein Eltern­        Mit 14 Jahren musste ich meinen ers­
haus stand der Kirche in jeder Hinsicht   ten Gottesdienst spielen. Der liebe, alte
sehr nahe. Mit dem Kopfkissen unterm      Kantor war inzwischen heimgegangen
Fenster, war meinem Bett ein Platz auf    und dem Herrn Pfarrer übte ich zu
der Umlaufbahn um die Orgelbank, in       viel. „Wer jede Woche stundenlang an
der sogenannten habitablen Zone zu­       der Orgel sitzt, der kann auch mal eine
gedacht. An lauen Sommerabenden           Vertretung spielen!“ Da wird er wo­
spielte mich unser Kantor mit seiner      möglich recht gehabt haben. Ich hatte
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