KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
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KLASSE DA S M AG A Z I N F Ü R S C H U L E I N S AC H S E N Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen 2/2016
Ein Stück Geschichte Das PEGASUS-Projekt bringt seit 20 Jahren Schülern das Interesse für Denkmäler näher. TEXT: MARIA GRAHL, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER Die Schüler der 49. Grundschule Dresden machten das eigene Schulgebäude zum Denkmalschutzprojekt. »Unsere Schule – ein Denkmal?« Diese Frage stellten sich im ver- eine Fachjury.« Jährlich gehen bis zu 50 Bewerbungen ein. Wer gangenen Schuljahr die Schüler der 49. Grundschule in Dresden. ausgewählt wird, erhält in der Regel eine Prämie in Höhe von 500 Kurz zuvor war deren Schulgebäude des Bautyps »Dresden At- Euro. rium«, ein Schulbau in DDR-Plattenbauweise, unter Denkmal- schutz gestellt worden. Der Schulleiter Uwe Schmidt und zwei Die 49. Grundschule bewarb sich und wurde zu PEGASUS zuge- Eltern ergriffen daraufhin die Initiative und meldeten ihre Schule lassen. Mit der Prämie konnten sie das Projekt finanzieren. Zwei zum PEGASUS-Projekt an. Eltern betreuten die AG PEGASUS, die fortan einmal im Monat für Zweit- und Viertklässler stattfand. »So kleinen Kindern ein Ein Jahr später sind kleine und große Bauwerke aus Modellziegeln Denkmal und all seine Facetten näherzubringen, ist gar nicht so und Pappe entstanden. »Wir erhofften uns, dass die Schüler das einfach«, sagt Schulleiter Schmidt. »Die Eltern, die die AG leite- Prinzip eines Denkmals anhand der eigenen Schule besser nach- ten, mussten mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen. Mit trockener vollziehen und damit ihr Geschichtsbewusstsein stärken können«, Theorie und Bauplänen erreicht man in diesem Alter noch nicht sagt Uwe Schmidt. Es hat funktioniert. In den Schülern ist ein viel.« Vielleicht waren aus diesem Grund bislang überwiegend Grundbewusstsein für Denkmäler entstanden. weiterführende Schulen im PEGASUS-Projekt vertreten. »Doch auch Grundschulen sind ausdrücklich zum Mitmachen aufgeru- Genau das möchte das PEGASUS-Projekt, das vor 20 Jahren in fen«, sagt Ralf Seifert. »In den letzten Jahren stieg die Zahl der Neapel entstand, erreichen: Kindern und Jugendlichen soll das In- teilnehmenden Grundschulen bereits. Wir wünschen uns, dass es teresse am eigenen kulturellen Erbe näher gebracht werden. Seit noch mehr werden.« 1998 ist »PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale« ein Säch- sisches Landesprogramm. »Jede Schule kann sich für das Projekt Uwe Schmidt und sein Eltern-Team haben die Aufgabe hervorra- bewerben«, sagt Ralf Seifert, Referent im Sächsischen Staatsminis- gend gemeistert. Die Schüler waren schnell Feuer und Flamme für terium für Kultus. »Dazu muss lediglich ein zweiseitiges Formular die Historie ihrer Schule. »Dieser Sprung in der Geschichte war ausgefüllt werden. Projektinhalt muss ein Denkmal aus Sachsen für die Schüler ganz entscheidend, um die Tragweite besser ver- sein, an dem ein Schuljahr lang kontinuierlich gearbeitet wird. stehen zu können«, sagt Schmidt. Derzeit bereiten sich die Schüler Wer dann tatsächlich bei PEGASUS mitmachen darf, entscheidet auf die Denkmalmesse in Leipzig im November 2016 vor. PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale: Anmeldung Bewerbungsschluss für das Schuljahr 2016/2017 ist der 10. Juni 2016. Und die Chancen sind besser denn je. Denn gab es bisher nur 14 Prämien zu gewinnen, sind es in diesem Jahr erstmals 23. Das Bewerbungsformular zum Download finden Sie unter: www.schule.sachsen.de/pegasus 2 KLASSE 2 / 2016
E D I TO R I A L /I N H A LT Liebe Leserinnen und Leser, unsere Schulen sind immer auch ein Spiegelbild unserer Gesell- schaft. Momentan erleben wir das sehr deutlich. Der gesell- schaftliche Wandel, der sich gerade vollzieht, zeigt sich auch hier. Wir haben eine unerwartet hohe Zuwanderung durch die Flüchtlinge und eine deutlich gestiegene Geburtenrate. Damit fallen die Schülerzahlen und der Bedarf an Lehrern in den nächs- ten Jahren schon drastisch höher aus als bisher berechnet. Angesichts dieser Situation ist es beeindruckend, was viele Leh- rer und Schüler täglich neben der eigentlichen Unterrichtsarbeit leisten. Und genau das würdigt unser Sächsischer Schulpreis 2016. Die zehn Schulen, die jetzt in der Endauswahl stehen, stel- len wir mit ihren außergewöhnlichen Projekten in diesem Heft vor (ab Seite 6). Hervorragend arbeiten auch weiterhin unsere Deutsch-als- wir gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der TU Dres- Zweitsprache-Lehrer, die in vielen Fällen äußerst inhomogene den die Lehrerinnen und Lehrer mit dem Projekt »Starke Lehrer Klassen unterrichten. Wir begleiten das DaZ-Lehrerteam der – starke Schüler« gegen Rechtsextremismus. Einen dieser Leh- 138. Oberschule in Dresden durch seinen Arbeitstag und zeigen rer, er unterrichtet am BSZ 7 für Elektrotechnik der Stadt Leip- dabei die drei Stufen der Integration (Seite 10). zig, haben wir genauer gefragt, warum er beim Projekt dabei ist und was ihn bewegt (Seite 5). Wann immer ich Schulen besuche, an denen Flüchtlingskinder lernen, erlebe ich eine beispielgebende Willkommenskultur. Lei- Herzlichst Ihre der gibt es jedoch auch Schüler, die sich gegenüber rechtsextre- mem Gedankengut offen zeigen. Sie sind eine Minderheit, aber sie sind da. Mir ist es wichtig, dass sich alle Lehrer dem Thema Brunhild Kurth stellen und offensiv mit den Schülern sprechen. Dafür stärken Sächsische Staatsministerin für Kultus Inhalt Meldungen – Seite 4 Aus Lehrersicht – Seite 5 Lehrer Frank Böhme nimmt an einem Pilotprojekt teil 10 Titelgeschichte – Seite 6 Der Sächsische Schulpreis 2016: die Finalisten Ein Tag in Bildern – Seite 10 Zu Besuch an einer DaZ-Schule in Dresden Aus Schülersicht – Seite 11 Ein Schaustellerkind erzählt aus seinem Schulalltag Interview: Dr. Guido Prohdehl – Seite 13 So steht es um die Lehrergesundheit in Sachsen Recht und Ordnung – Seite 14 Eine nette Geste: Geschenke an Lehrer 5 Der KLASSE-Fragebogen – Seite 15 Al Di Meola, Jazz-Gitarrist Impressum – Seite 4 KLASSE 2 / 2016 3
MELDUNGEN E VERSTÄNDNIS FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ E KREBSVORSORGE Neue Handreichung für Schulprojekt für den den Unterricht Biologie-Unterricht Die Kultusministerkonferenz hat eine neue Handreichung für Schulen entwickelt, mit der sie bei Schülern mehr Verständnis für Menschen mit Demenz schaffen will. Die Erkrankung entwickelt sich zunehmend zu einer sozialen, politischen und ökonomischen Herausforderung. Aus diesem Grund soll sich auch der Lern- und Lebensort Schule verstärkt der Problematik zuwenden. Die neue Handreichung hilft Lehrern bei der Umsetzung des Themas De- menz im Unterricht. In der Handreichung finden sich deshalb zahlreiche Verweise auf weiterführende Literatur, Bildmaterial, Filme, Arbeitshilfen und Links zum Thema. Etwa die Hälfte aller Krebserkrankungen wäre durch einen Handreichung der Kultusministerkonferenz gesünderen Lebensstil vermeidbar. Um das Bewusstsein dafür »Verständnis für Menschen mit Demenz«: schon bei Schülern zu schärfen, bietet das Universitätsklinikum www.bildung.sachsen.de/blog/wp-content/ Dresden in Zusammenarbeit mit dem Staatsministerium für uploads/2016/04/2015_12_15-Handreichung-De- Kultus und dem »Mit Köpfchen gegen Krebs – Aufklärung für menz-2.pdf Kinder und Jugendliche e.V.« ein Projekt für Schüler der 7. und 8. Klasse an. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsfor- schung München: »Verständnis für Menschen mit Die Teilnahme am Projekt ist kostenlos und mit wenig Zeitauf- Demenz – eine Herausforderung für allgemein- und wand in den Unterricht integrierbar. In einer Unterrichtsstunde berufsbildende Schulen«: wird ein kurzer Lehrfilm gezeigt. Im Anschluss an das Video www.isb.bayern.de/download/15925/handrei- füllt die Klasse einen Online-Fragebogen aus, der den derzeiti- chung_demenz.pdf gen durchschnittlichen Gesundheitsstand der Schüler ermittelt. Im nächsten Projektschritt sollen diese in einer Gesundheits- Hamburger Institut für berufliche Bildung: werkstatt die Krebsvorsorge in die Tat umsetzen. Das heißt: Ei- »Materialsammlung: Demenz im Unterricht«: nen Monat lang für fünf bis zehn Minuten pro Woche arbeitet www.hibb.hamburg.de die Klasse an einem Schutzfaktor gegen Krebs. Es geht es also darum, wie man Krebs vorbeugen kann: zum Beispiel, indem man nicht raucht, auf die Ernährung achtet und Sonnencreme benutzt. Diese Faktoren halten die Projektteilnehmer auf einem E SÄCHSISCHER BÜRGERPREIS 2016 Poster fest. So sind die wichtigsten Maßnahmen zur Krebsprä- vention auch nachhaltig für die ganze Klasse präsent. Nominierung gestartet Weitere Infos zum Projekt unter: www.krebscentrum.de/0701.asp Soziales Engagement wird belohnt. Seit 2011 wird einmal im Jahr der Sächsische Bürgerpreis verliehen, der mit 5.000 Euro dotiert ist. Die Anmeldung zum Projekt ist online oder Mit diesem Preis sollen Projekte, Initiativen, Institutionen und Ein- telefonisch möglich: zelpersonen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden, praeventionszentrum@krebscentrum.de, die sich in besonderer Weise sozial engagiert haben. Vergeben wird 0351/ 458 74 46 der Preis in fünf Kategorien. An Schulen richtet sich insbesondere die Preiskategorie »Engagement in der Schule für Demokratie und Toleranz«. Vorschlagsberechtigt sind die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte und die Landräte. Alle Bürgermeister in Sach- IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für Kultus (SMK), sen sind aufgerufen, gute Projekte bei ihrem Landrat einzureichen. Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden | Verliehen wird der Preis vom Freistaat Sachsen gemeinsam mit der Redaktion: Manja Kelch (V. i. S. d. P. ), Telefon: (0351)564 25 16, E-Mail: klasse @ Stiftung Frauenkirche Dresden und der Kulturstiftung Dresden der smk.sachsen.de, Twitter: www.twitter.com/bildung_sachsen; Nicole Kirchner, Peter Stawowy, stawowy media | Mitarbeit an dieser Ausgabe: Beate Diederichs, Dresdner Bank. Für den Sächsischen Bürgerpreis können noch bis Maria Grahl, Louisa Hantsche, Sebastian Martin, Anikó Popella | Fotos: An- 31. Mai 2016 Nominierungen erfolgen. dré Forner, Anja Jungnickel, Mike Hillebrand, Robert Reinhold, (S. 6) (S. 14), (S.15); Fotolia/frender (S.6), Fotolia/DragonImages (S. 14) | Gestaltung: Tony Nähere Information zur Ausschreibung gibt es Findeisen, stawowy media | Auflage: 40.000 Exemplare | Druck: SDV Direct World GmbH | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsi- im Internet: schen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie www.freistaat.sachsen.de/Buergerpreis.htm darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. 4 KLASSE 2 / 2016
AUS LEHRERSICHT Nur nicht ignorieren Frank Böhme nimmt am Modellprojekt »Starke Lehrer – starke Schüler« teil. In dieser Weiterbildung lernt der Berufs- schullehrer, wie er fremdenfeindlichen Sprüchen im Unterricht mit den richtigen Worten begegnen kann. TEXT: SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANJA JUNGNICKEL Frank Böhme möchte lernen, wie er mit fremdenfeindlichen Sprü- chen im Unterricht besser umgeht. D as Schlimmste für ihn wäre das Weiterbildung im Modellprojekt den Workshops teil. Freiwillig. Als politisch Wegblicken. Das Schweigen und interessierter Mensch sei er von Anfang an damit stille Tolerieren. Deshalb Rico Behrens hält deshalb eine direkte Re- begeistert gewesen, als ihm der Schulleiter nimmt Frank Böhme jedes Wortgefecht aktion des Lehrers für wichtig. Nur nicht die Weiterbildung angeboten habe, sagt auf, wenn er mit fremdenfeindlichem oder ignorieren, heißt seine Devise. Der Politik- er. Das im Projekt erworbene Wissen will rassistischem Gedankengut konfron- didaktiker von der TU Dresden leitet das er seinen Kollegen weiterreichen. Schließ- tiert wird – wie neulich, als ein Schüler Projekt »Starke Lehrer – starke Schüler«, lich steht er als Gemeinschaftskunde- und in einer Debatte Flüchtlinge diffamierte. mit dem sich die Robert Bosch Stiftung Ethiklehrer seltener vor den Klassen, und Der 31-Jährige ist Gemeinschaftskunde- und das SMK gegen Rechtsextremismus kann deshalb Schülern mit einer rechtsext- und Ethiklehrer am Berufsschulzentrum an Berufsschulen engagieren – in den Ein- remen Gesinnung nu eingeschränkt Paroli »Robert Blum« in Leipzig. 420 Schüler richtungen, in denen viele junge Menschen bieten. Andere Fachlehrer könnten da häu- lernen in dem Plattenbau – darunter an- die letzte schulische Pädagogik erhalten. figer mit Argumenten intervenieren. gehende Bürokräfte, Holzbearbeiter und Lagerfachhelfer. Nur wenige würden eine In Workshops werden derzeit 26 Lehrkräf- Frank Böhme geht es neben der Aufklä- rechtsextreme Weltanschauung offen zei- te aus ganz Sachsen über moderne Formen rung der Schüler zudem darum, Vorur- gen, sagt Frank Böhme. In einigen Köp- rechtsextremer Jugendkultur informiert. teile im Lehrerzimmer abzubauen. Denn fen gärt diese aber vielleicht. Es geht um Musik, Codes, Verhaltensmus- auch manche seiner Kollegen sorgt sich, ter und vieles mehr. Denn kaum ein Nazi wenn Flüchtlinge in ihre Nachbarschaft »Schulen sind immer auch ein Spiegelbild trägt heute noch Bomberjacke und Sprin- ziehen. »Sie sind nicht fremdenfeindlich«, der Gesellschaft«, sagt Kultusministerin gerstiefel. Das Erscheinungsbild ist unauf- sagt der 31-Jährige. »Sie haben aber Be- Brunhild Kurth. »Wenn fremdenfeind- fällig geworden. rührungs- und Verlustängste.« Und ge- liches Gedankengut im Elternhaus oder nau das ist der Nährboden, der vielleicht Freundeskreis gepflegt wird, dann brin- In dem Modellprojekt erarbeiten sich die den demokratischen Erziehungsauftrag gen Schüler dieses auch mit in die Schu- Teilnehmer zudem mit externen Fachleu- verhindert. Deshalb duckt sich Frank le.« Dem SMK sind im vergangenen Jahr ten individuelle Strategien, um bei kom- Böhme auch im Lehrerzimmer nicht weg an sächsischen Schulen 46 Vorfälle mit plexen Themen wie Fremdenfeindlichkeit und nimmt jedes Rededuell gern an. einem rechtsextremen Hintergrund be- und Rechtsextremismus gut vorbereitet kannt geworden. In dieser Statistik tau- argumentieren zu können. Ein weiterer chen allerdings kaum fremdenfeindliche Schwerpunkt ist die Vernetzung der Leh- Äußerungen wie die im Unterricht von rer untereinander sowie mit Akteuren eta- Frank Böhme auf. Der Gemeinschafts- blierter Initiativen. kundelehrer reagierte damals sofort. Er Weitere Informationen zum Projekt wollte wissen, wie sich der Schüler selbst Argumente als Rüstzeug »Starke Lehrer – starke Schüler« unter: www.bosch-stiftung.de/content/ fühlen würde, wenn man ihn diffamieren language1/html/66320.asp und seine Rechte einschränken würde. Auch Frank Böhme vom Berufsschulzent- Das zog. rum »Robert Blum« in Leipzig nimmt an KLASSE 2 / 2016 5
TITEL Ausgezeichnete Schule 52 Schulen haben sich mit ihren Projekten um den Sächsischen Schulpreis 2016 beworben. Die Bandbreite der Projekte ist riesig und zeigt eindrucksvoll, wie lebendig Schulalltag in Sachsen gestaltet wird. VON SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION; ILLUSTRATION: ROBERT REINHOLD 6 KLASSE 2 / 2016
TITEL S ie nimmt Platz in der ersten Rei- filtern, sei der Jury schwer gefallen, sagt Wichtig ist aus seiner Sicht, dass die he, packt das Schreibzeug aus und sie. Heftige, aber konstruktive Diskussio- Lehrer offen für Neues sind und an ei- wartet auf die gleich beginnende nen hätte es zwischen den Vertretern des nem Strang ziehen. Sie würden von der Präsentation. Irina Schenk wird sich No- SMK, der Sächsischen Bildungsagentur, Zusammenarbeit ja auch profitieren, sagt tizen machen und Nachfragen stellen. des Bildungsinstituts sowie des Landes- Heiko Vogel. Zwar sei viel Lehrer-En- Der Referentin des Kultusministeriums eltern- und Landesschülerrates gegeben. gagement nötig, doch der Aufwand mit geht es dabei um Kriterien wie Nachhal- Schließlich sei die Bandbreite der einge- der Zeit überschaubar. Und wenn alles tigkeit, Partizipation und die Förderung sendeten Projekte riesig. Sie reicht von erst einmal laufe, dann mache es richtig individueller Lernprozesse. Je besser sie Theaterprojekten, die die ganze Schule Spaß, so der Schulleiter der Kurfürst-Mo- das Projekt bewertet, desto mehr Chan- umfassen und seit Jahren das Kultur- ritz-Schule. Deshalb motiviert er seine cen hat die Schule auf den Sächsischen leben der Region bereichern, bis hin zu Kollegen in den Gesprächen auch immer, Schulpreis. Tandemprojekten, wo Schüler sich im gesamtschulisch Projekte wie die »Rock Unterricht gegenseitig unterstützen. Challenge« anzugehen und so die Schul- Zehn Schulen haben sich für die Fi- qualität zu verbessern. nalrunde qualifiziert. Und sie alle hof- Verbesserung der Schulqualität fen auf einen der sechs mit insgesamt Ermutigen soll auch der aller zwei Jahre 19.000 Euro dotierten Preise, mit denen Eins ist bei allen Projekten aber gleich: vergebene Sächsische Schulpreis. Er soll das SMK besonderes Engagement der Sie brauchen engagierte Lehrer als Mo- die positiven Beispiele sichtbar machen Schulen würdigt. »In unseren Schulen toren. Das betont auch Heiko Vogel. und Anstoß sein, damit sich auch ande- gibt es eine Vielzahl außergewöhnlicher Er leitet die Kurfürst-Moritz-Schule in re Schulen auf den Weg begeben. Am 23. Projekte, die nachhaltig sind, individuelle Boxdorf, die vor zwei Jahren mit dem Mai wird er zum dritten Mal vergeben. Lernpotenziale berücksichtigen und das Showtanzprojekt »Rock Challenge« ei- »Die Projekte müssen das pädagogische Schulklima verbessern«, sagt Kultusmi- nen der Hauptpreise gewonnen hat. Die Konzept und die Alltagskultur an der nisterin Brunhild Kurth. Auszeichnung sei eine tolle Anerkennung Schule nachhaltig mitbestimmen«, er- schulischer Arbeit gewesen, sagt Vogel. klärt Irina Schenk. Außerdem sollten sie Davon berichtet auch Irina Schenk, Ko- Seitdem wird er regelmäßig von Kollegen möglichst viele Akteure einbeziehen – an- ordinatorin des Sächsischen Schulpreises aus anderen Schulen angesprochen, wie gefangen von den Schülern und Lehrern, im Kultusministerium. Schon die Fina- so ein gesamtschulisches Projekt über so bis hin zu externen Partnern. listen aus den 52 Bewerbern herauszu- viele Jahre gelingt. Gymnasium »Schüler für Schüler« e Dresden-Klotzsch Mit einer etwas romantisch klingenden Idee ging es vor 20 Jahren Oberstu fe los. Am Gym- damals für die nasium Dresden-Klotzsche wollten einige Schüler der Haus ein Zeltlage r organis ieren. Was sie nicht ahnten: Es war der Jüngeren im dem heute ausgew ählte Startschuss für das Projekt »Schüler für Schüler«, bei organisierten Zehntklässler nach einer einjährigen Vorbereitungsphase bei selbst und Exkurs ionen Schüler der 5. Klasse betreue n sowie am Klassen nachmittagen von Projekt leiter Mi- Ende des Schuljahres stundenweise unterrichten. Aus Sicht interess ante Sache. Denn währen d die chael Krieg ist das für beide Jahrgänge eine ig als Lehrer ausprob ieren, so Verantw ortung überneh - Zehntklässler sich freiwill eigene Potenzi ale ausschö pfen können , freuten sich die Fünftkl ässler, men und nicht nur von Erwachsenen betreut zu werden. »Schüler verbessern und verschönern ihr Lernumfeld selbst« Wer auf alte Fotos blickt, der erkennt den Pausenhof der Obersch ule Leubnitz kaum wieder. Aus dem tristen Appellplatz ist längst ein attraktiver Lernort geword en. Und das in bester Do- It-Yourself-Manier. Seit 1992 haben ihn die Schüler umgestaltet und so soziale wie handwerk- liche Kompetenzen trainier t. In Kooperation mit den Lehrern, Eltern sowie externen Partnern entstanden ein Klassen zimmer im Grünen, ein Naturlehrpfad, eine Grillecke, eine Bühne und vieles mehr. Der Pausenhof sei aus dem Schulalltag nicht mehr wegzud enken, sagt Schulleiter Andreas Wimmer. Und selbst im Ort ist der Platz vor seinem Fenster Oberschule eine feste Größe gewor- den. Denn neben dem praxisnahen Unterricht, Ganztagsangeboten und Schulfeiern findet zum Beispiel auch der Leubnitzer Weihnachtsmarkt auf dem Pausenh of der Oberschule statt. »Die Schule entwickelt sich zu einem kulturellen Zentrum unseres Ortsteil es«, sagt Wimmer. Leubnitz KLASSE 2 / 2016 7
TITEL »Streitschlichter« GrundschuleGroßpösna Löwenzahn, – Auseinander- Der eine fühlt sich benachteiligt, der andere wurde angerempelt Wie Kinder ihre Konflik te selbst und setzungen entstehen schnell im Schulalltag. sie im Streitsc hlichter -Projek t an der Grunds chule ohne Gewalt lösen, das lernen zahn« in Großpö sna. Mit Erfolg: »Das Schulkl ima ist ruhig, die Pausen »Löwen Kollegen en- laufen geordnet ab«, sagt Schulleiterin Sibylle Jaszovics. Sie und ihre dieses Projekt . Jeden Montag finden Gesprächs- gagieren sich seit zehn Jahren für denen aktuelle Problem e themati siert werden . Hat die Lösung eines kreise statt, in deeskal ierenden Strategi en Streits nicht so lange Zeit, soll ein Taschenbuch mit en. Außerd em gibt es sechs gewählt e Streit- helfen. Das hat jeder Schüler einsteck mit ihren Müt- schlichter, die für ihre Aufgabe ausgebildet werden und im Alltag en gerufen werden zen und Buttons gut erkennbar sind. Sie sollen in Stresssituation n den Streitpa rteien vermitt eln. und durch ihre speziellen Trainings zwische »Klausurtagung« Die externe Evaluation hatte Handlu ngsbedarf gezeigt. Margitta Schade wollte aber nicht allein entscheiden. Also lud die Schulleiterin Lehrer, Schüler und Eltern zu einer Klausur tagung ein. Gemeinsam wollte sie über die Schulentwicklu ng diskutie - ren. Mit ihren 60 Gästen machte sie fünf Schwerpunkte für die weitere Arbeit aus – darunter die Stärkung der Schülermitwirkung. Ein Jahr später waren vielen Ideen bereits umgesetzt. Der Schülerrat organisiert jetzt selbstständig außersc hulische Hö- hepunkte, die Rolle des Schülersprechers ist gestärkt und für das Streitschlichter- Projekt wurden neue Schüler gewonnen. »Das Projekt läuft solange , bis alle Vor- schläge umgesetzt wurden«, sagt Margitta Schade heute. Sie hofft, Gymnasium dass dies bis Ende des Schuljahres der Fall ist. Zu Beginn des neuen Schuljahres wird Am Breiten Teich, die Arbeitsgruppe »Schulprogram m« die Erfüllung aller Vorhaben prüfen und eine interne Evaluation vornehmen. Und wenn sie Bedarf feststellt, wird es eine neue Klausur tagung geben. Borna Dietrich-Heiseli-S chule, »Musical« Freie Evange sc he Als Blinden trifft Bartimäus ein schweres Schicksal. Er wird von der Gesellschaft Schule G ör litz geächtet und ausgeschlossen. Doch er gibt die Hoffnu ng nicht auf und will in Jeri- Wie die Geschic hte ausgeht , das erfährt man cho den Wanderprediger Jesus treffen. äus« – dem jüngsten Stück, das die Dietrich -Heise- Schule in im Musical »Bartim in der christlic h gepräg- Görlitz auf die Bühne gebracht hat. Seit zehn Jahren werden iert. In Musik wird der Gesang geübt, in ten Bildungseinrichtung Musicals einstud geprobt , im Sport die Akroba tik trainier t und im Fach Wer- Deutsch das Schauspiel die Kulisse n gebaut. Auch die Ganzta gsangeb ote sind in das Projekt ein- ken werden haben die Nach- gebunden. Die Schülerzeitung schreibt über die Stücke. Dieses Jahr Blatt etwas ganz Besond eres zu berichte n: Denn diesmal wuchsjournalisten in ihrem die Grunds chule mit dem Görlitze r Theater , das laut der pädagogischen kooperierte »Bartim äus« ausverk auft war. Mitarbeiterin Kathleen Siekierka zur Premiere von »Jahrgangskonzept« Bevor sich die Neuntklässler mit der eigenen Berufs- und Studienwahl beschäf tigen werden, geht es 2.000 Jahre zurück in die Vergangenheit – in die Welt der griechischen Mythologie. »Im Olymp da ist die Hölle los«, heißt das Stück, das sie aufführen. Für die 67 Schüler vom Julius-Mosen-Gymnasiu m in Oelsnitz ist es der Höhepu nkt des Jahrgan gskonzepts, bei dem sie von der fünften bis zur zehnten Klasse jeweils ein anderes Projekt pro Schuljahr stem- men. Los geht es mit den Bläser- und Freiarbeitsklassen. Durch das gemeinsame Musizieren bzw. das selbstständige Lösen ausgewählter Lerninhalte werde in den ersten drei Jahren der Zusammenhalt, die Arbeitsbereitschaft und das Konzentrations vermögen gefördert, er- Julius -Mosen Gymnasium - klärt Lehrerin Lydia Solondz-Lorenz. In Klasse acht absolvieren die Schüler ein einwöchiges Praktikum in einem Altenpflegeheim, einer Förderschule oder ähnlich Oelsnitz/Vogtlan en Einrichtungen in d der Region. Ein Jahr später folgt das Theaterprojekt , das mit einem öffentlichen Auftritt am König-A lbert-Theater in Bad Elster endet und stets die Zuschauer begeistert. 8 KLASSE 2 / 2016
TITEL »Der Jugendstadtrat Leisnig – eine aktive Form der Mitbe Peter -Apian- - Oberschule Leisnig stimmung der Jugendlichen auf kommunaler Ebene« Die Jugend hat die Macht übernom men – zumindest für ein paar Stunden im Leisni- ger Rathaus. Im Stadtrat sitzen diesmal die Neuntklässler der Peter-A pian-Oberschule. Es geht um einen neuen Skateplatz, eine bessere Beleuchtung der Schulwege oder die Sanieru ng des Freibades. Das Planspiel ist der Höhepu nkt eines jährlich stattfindenden Projektes, bei dem die Schüler durch ihr eigenes Handeln lernen und die Generationen voneinander profitieren sollen. Aufmerksam hört sich Bürgerm eister Tobias Goth die Anträge und Anfragen der Fraktionen an, die die jugendlichen Stadträ te zuvor mit Hilfe erfahrener Bürgervertreter ausgearbeitet haben. Die Schüler wiederu m spüren durch das Planspiel, dass nicht jeder Wunsch sofort umsetzbar ist und nur konstru ktive Diskussi- onen zielführend sind. »Man muss überzeugen können und Wissen über eine bestimmte Sache haben«, sagt Schulleiterin Kristin Dorias-Thomas. »Dann macht politische Mitbe- stimmu ng Spaß, wird live erfahrbar und günstigenfalls in die Wirklic hkeit umgesetzt.« »Schulband« das Schlagzeug und Die Aufnah me läuft, jetzt muss es rocken. Der Drummer drischt auf die Akkord e. Christia n Frenzel ist zufriede n. Er ist einer der beiden der Bassist rammt nd an der Regenbogenschule Verantwortlichen, die vor sechs Jahren das Projekt Schulba tung für geistig Behinde rte. In der Werkstu- in Döbeln initiierten – einer Bildungseinrich die Jugendl ichen seitdem zunächs t verschie dene Instrumente fe ab Klasse zehn lernen am spielen können . Das kennen, damit sie bald eigene oder gecover te Songs gemeins und motoris chen Handic aps der Schüler Projekt wirke den körperlichen, sprachlichen wichtiger Baustein für entgegen, erklärt Christian Frenzel. Die Bandarbeit sei zudem ein Regenbogenschule, Schule für geistig Musizieren entwickle die Entwicklung des Selbstbewusstseins. Denn das gemeinsame Behinderte, Döbeln Erfolg sowie zur Erlangu ng von Aner- Sozialkompetenz und begleite die Schüler zum Tür an der Regenb ogensch ule oder beim Musikfest kennung – wie beim Tag der offenen auch eine eigene CD wird die Schulba nd stolz in den Händen halten. in Grimma. Und Gymnasium »Kulturversuch« Marienberg Es ist der Motor für eine ganze Region. Seit 1997 findet am Gymna sium Marienberg der Kulturversuch statt, der jedes Jahr ein anderes Thema aufgreif t – wie 2015 die Bewerbung des Erzgebi rges als Weltkulturerbe. 26 Projekte organisierten die Zehntklässler mit Hilfe der Lehrer und externer Partner. Eine Woche lang wurde geklöpp elt, genäht, gefilmt und vieles mehr, um das Vorhaben der Montan region zu unterstützen. Die Ergebnisse präsen- tierten die Schüler vor einer Kommission der UNESCO. Aber auch die Menschen vor Ort hatten sie im Blick. Denn während der Projekt woche veranstalteten sie auch eine Podiums- diskussion, eine Theateraufführ ung und viele andere Program me, die das Gymnasium tra- ditionell zum kulturellen Zentrum von Marienberg werden lassen. »In den Projektgrup- pen als gleichberechtigte Partner respektiert zu sein, sich auf Augenh öhe zu begegnen und tätig zu werden, bringt alle Beteilig ten einander näher und stärkt das Selbstbewusstsein und das gesellschaftliche Engagement der Schüler«, sagt Rektor Robby Buttke. »Luther in mir« zu sein. Doch vie- Martin Luther scheint heute den meisten Menschen fremd und fern und angesto ßen hat, ist immer noch ak- les, was der Reformator vor 500 Jahren gesagt en Miteina nder – überall. Das zeigen die Schüler des tuell. Im Alltag, im gesellschaftlich r-Gymn asiums in Torgau mit ihrem jahrgan gsüberg reifende n Musik- Johann-Walthe rten Mensch en der Lebensh ilfe theaterprojekt »Luther in mir«. Gemeinsam mit behinde che Bilder aus der Zeit des Kirchen mannes auf ak- projizieren sie auf der Bühne historis ein Puzzle setzen sie die Vergang enheit und Gegenw art zusamm en. tuelle Themen. Wie Politik und das Anpran gern Es geht um Toleran z, aber auch um Gott, Glaube, Moral, hrung 2013 wird die von Missständen. Das kommt beim Publiku m an. Seit der Urauffü Johann-Walther- ßig gebucht . Der Lohn neben viel Applau s: »Theater verknüpft Theatergruppe regelmä Gymnasium, fördert soziale und Sprache, Musik, Tanz, Mimik und Gestik. Das gemeinsame Spiel Torgau sfähigk eit, flexible s Verhalten – kulturelle Fähigkeiten. Teamarbeit, Kommu nikation ltag wie auch im späteren Leben gebrauc ht werden«, das sind alles Dinge, die im Schulal sagt Schirmh errin und Kultusm inisterin Brunhil d Kurth. KLASSE 2 / 2016 9
E I N TAG I N B I L D E R N In kleinen Schritten Ein Tag an der 138. Oberschule in Dresden, die seit September 2014 auch eine DaZ-Schule ist. TEXT: NICOLE KIRCHNER, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER Selbstständige Textarbeit: Auch wenn Ivana Vujica an der Tafel arbeitet, hat sie ihre andere Schülergruppe im Blick. Wäh- rend die Schülergruppe vorn Sätze zur Uhr aufschreibt, kontrolliert sie bei den anderen Schülern den Fortschritt bei der Übersetzungsarbeit. Es geht um einheimi- sche Tiere, eine erste Vorbereitung auf den Biologieunterricht. 297 Schulen in Sachsen bieten das Unter- richtsfach »Deutsch als Zweitsprache« (DaZ) an, eine von ihnen ist die 138. 10.20 Uhr, Klasse 9b, Mathematik: Frau Oberschule in Dresden. 46 von rund 340 Fritsch teilt die zensierte Klassenarbeit Schülern besuchen hier im Stadtteil Gor- aus. Thema »Quadratische Gleichungen«. bitz im Drei-Phasen-System den DaZ- Andrii (17) aus der Ukraine ärgert sich ein Unterricht. Sie kommen aus verschiedenen bisschen über die Zwei Minus. Seit einem Ländern wie Polen, Syrien, Libyen, Russ- Jahr besucht er die 138. Oberschule. DaZ- land, Portugal, Tschetschenien, Afghanis- Unterricht braucht er keinen mehr – er tan und den Balkanstaaten. Für Schulleiter besucht in Phase 3 eine ganz normale Re- Frank Lotter und sein Lehrerteam ist das gelklasse und fühlt sich in der Klasse sehr eine große Herausforderung, denn wegen wohl. Nächstes Jahr möchte er hier seinen des unterschiedlichen Wissensstands der Kooperation mit dem Kinder- und Ju- Realschulabschluss machen und, wenn es DaZ-Schüler müssen seine Lehrerinnen gendhaus »InterWall«: Zum Glück be- klappt, noch das Abitur dranhängen. und Lehrer differenziert unterrichten und kommt Ivana Vujica bei ihrer Arbeit auf jeden ganz individuell eingehen. regelmäßig Unterstützung. Schulleiter 11.15 Uhr, DaZ-Unterricht, Phase 2: Bei Frank Lotter ist sehr stolz auf die Zusam- DaZ-Lehrerin Carina Hilgenberg herrscht menarbeit mit dem benachbarten Kinder- ein ständiges Kommen und Gehen. Ihre und Jugendhaus »InterWall«. Praktikan- Schüler befinden sich alle in Phase 2, das ten, die dort gerade eine Ausbildung zum heißt, sie besuchen bereits einige ausge- Erzieher machen, helfen hier im Unter- wählte Unterrichtsfächer wie Sport, Kunst 9.10 Uhr, DaZ-Unterricht, Phase 1: DaZ-Lehrerin Ivana Vujica erklärt einigen Schülern an der Tafel die Uhr. Sie malt den großen Zeiger auf die Vier und den kleinen zwischen die Fünf und Sechs. »Wie spät ist es?«, fragt sie. Hassan (11), Khaled (17) richt mit. Und noch einen positiven Ne- oder Mathe in den Regelklassen. Heute und Yasin (13) wissen sofort die Antwort beneffekt erhofft sich Frank Lotter von beginnt der Unterricht mit einem Spiel: und melden sich. Sie alle sind Schüler der der Kooperation: »Wir versuchen damit Rahaf (14) aus Palästina soll mit geschick- Phase 1, das heißt, sie werden ausschließ- unsere DaZ-Schüler auch außerhalb der ten Ja/Nein-Fragen das Tier, das hinter ihr lich im Fach »Deutsch als Zweitsprache« Schulzeit erfolgreich zu integrieren, denn an der Tafel hängt, erraten. »Ist das Tier unterrichtet. Yasin aus Syrien ist gerade sie können auch nachmittags Angebote groß?«, fragt Rahaf. »Ja«, schallt es im seit zwei Monaten hier an der Schule und im »InterWall« wahrnehmen.« Chor. Carina Hilgenberg lächelt zufrieden. spricht schon ganz gut Deutsch. 10 KLASSE 2 / 2016
AUS SCHÜLERSICHT Lernen auf Achse Gestern Frühlingsfest in Chemnitz, heute Vogelschießen in Plauen, demnächst Stadtfest in Freiberg: Schaustellerkinder kommen viel herum. Doch auch die- se Kinder sind schulpflichtig. Wie organisieren sie erfolgreich ihren Schulalltag? Franz Bretschneider erzählt über sein Schultagebuch, den Schulwagen – und den Lehrer Thomas Carl. TEXT: BEATE DIEDERICHS, KLASSE-REDAKTION; FOTO: MIKE HILLEBRAND Franz Bretschneider reist mit seinen Eltern von Volksfest zu Volksfest. E nglisch fällt Franz leicht, in Physik lern, Lehrern, Unterrichtsmethoden. Die buchs, mache Hausaufgaben oder bereite liebt er Experimente, Biologie mag offiziell gewährten Reisetage kosten ihn mich auf Tests vor«, sagt Franz. Im Schul- er weniger. Ein ganz normaler Schü- zudem Unterrichtszeit. Vor Ort besucht tagebuch wird notiert, wann der Schüler ler. Doch eins unterscheidet den 12-Jähri- er Oberschulen, die nahe den Festplätzen wo den Unterricht besucht und was er gen von den meisten Altersgenossen: Er ist gelegen sind. Oft sind das immer wieder dort gelernt hat. Auch ein individueller ein Kind beruflich Reisender. Dazu zählen dieselben. Doch manchmal ist die entspre- Lernplan befindet sich darin. »Das Tage- Schausteller, Zirkusangehörige, ambulante chende Klassenstufe voll und er muss an buch ist bundesweit einheitlich gestaltet, Händler und Puppenspieler. Franz‘ Eltern eine weiter entfernte Schule ausweichen. obwohl jedes Bundesland sein eigenes Bil- und Großeltern betreiben eine mobile Waf- »Man ist eigentlich immer der Neue«, be- dungssystem hat«, betont Thomas Carl. felbäckerei, einen Eiswagen und ein Kin- richtet Franz. Er wirkt selbstbewusst und Der Schulwagen ist ein ehemaliger Wohn- derkarussell. »Ich kam in Plauen zur Welt, pragmatisch, wurde aber trotz seines Auf- wagen mit Schreib-Ecke, den der Förder- wo meine Eltern beim Pfingstvolksfest gas- tretens schon von Mitschülern gemobbt. verein »Schulbildung von Schaustellerkin- tierten. Seitdem begleite ich meine Familie »Mobbing gibt es zum Glück nur ab und dern in Sachsen e. V.« unterhält und den von Volksfest zu Volksfest«, erzählt Franz zu. Dagegen halten wir Schaustellerkinder das SMK mit Unterrichtsmitteln ausge- Bretschneider. Viele jüngere Schausteller- zusammen. Oft reagieren die Mitschüler stattet hat. kinder bleiben während der Saison bei den aber auch sehr positiv auf uns«, sagt er. Großeltern und besuchen dort die Schule. Franz Bretschneider und seine Familie Doch für Franz war das nicht möglich, da Der mobile Lehrer schätzen es, dass ihnen Thomas Carl hilft. auch die Großeltern tourten. Erst seit den Das Problem: Es gibt ihn nur einmal. letzten Jahren sind Oma und Opa weniger Thomas Carl nickt zu dem, was Franz Carl hat eine Vollzeitstelle und fährt täg- unterwegs. Seitdem wohnt Franz teilwei- erzählt. Als langjährige mobile Bereichs- lich rund 200 Kilometer, arbeitet mit den se im Familienhaus in Chemnitz-Harthau lehrkraft kennt der 49-Jährige diese Erfah- Schülern im Schulwagen oder besucht die und besucht seine Stammschule, die Alt- rungen. Seit 2004 unterstützt er die Kinder Schulen. Doch wenn mehrere Volksfeste stadtschule Stollberg. der beruflich Reisenden bei ihrem Schulbe- zugleich stattfinden, kann er nicht überall such und steht ihren Familien und Lehrern vor Ort sein. »Er hängt dann meist einen Von Schule zu Schule beratend zur Seite. Momentan ist er für 62 Plan an den Wagen, der zeigt, wann er da sächsische Schaustellerkinder zuständig. ist«, sagt Franz. So lernen Schüler und Wenn im April die Volksfest-Saison be- »Wenn wir unterwegs sind, besuche ich Lehrer, wenn beide auf Achse sind. ginnt, fängt für Franz eine bewegte Zeit zunächst den regulären Unterricht. Dann an: Selten baut die Familie ihre Wagen gehe ich zu Herrn Carl in den Schulwagen, für länger als zwei Wochen an einem Ort wenn er ihn an dem Festplatz aufgestellt Weitere Informationen zum Unter- auf. So muss er alle 14 Tage eine andere hat, wo wir gerade sind. Dort arbeite ich richt für Kinder beruflich Reisender unter: Schule besuchen, mit anderen Mitschü- mit ihm an den Aufgaben des Schultage- www.schule.sachsen.de/2700.htm KLASSE 2 / 2016 11
INTERVIEW Burnout trifft nicht nur Lehrer Arbeitsmediziner Dr. Guido Prodehl über Lehrergesundheit, typische Risikofak- toren in der Schule und Lehrer, die über viele Jahre gesund durch den Schulall- tag kommen. INTERVIEW: NICOLE KIRCHNER, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER E Sind Lehrer öfter krank als andere Berufsgruppen? an Rauchern, erhöhte Glukosewerte (5 Prozent Diabetiker) und somit auch ein auffälliges kardiovaskuläres Risiko zu ver- Dr. Guido Prodehl: Allgemein gültige Aussagen zum Gesund- zeichnen. Es werden die meisten Ausfalltage und die häufigste heitszustand der Lehrer im Verhältnis zu anderen Berufen sind Betroffenheit von Langzeiterkrankungen dokumentiert. Es ist schwierig. Was man aber positiv hervorheben kann: Lehrkräfte aber dabei zu beachten, dass der Anteil der schwerbehinderten zeigen – mit wenigen Ausnahmen – häufiger gesundheitsförder- Lehrerinnen und Lehrer an Förderschulen besonders hoch ist. liche Verhaltensweisen wie Sport oder Nichtrauchen als die All- gemeinbevölkerung, sie haben einen günstigeren Body-Mass-In- E Woran erkranken Lehrer am häufigsten? dex, sind seltener krankgeschrieben und allgemein zufriedener mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Es ergeben sich aber Zusammen- Lehrkräfte fallen durch ihren bereits in jüngeren Jahren erhöh- hänge zwischen der Gesundheit und der Schulform. ten Blutdruck und ihre Beschwerden im Bereich des Herz-Kreis- lauf-Systems, des Bewegungsapparats und der Atemwege auf. E Welche Zusammenhänge meinen Sie genau? Bei den Krankenkassen werden im Vergleich zum Durchschnitt häufiger Atemwegs- und psychische Erkrankungen dokumen- Uns fielen bei der Datenauswertung zwei Be- tiert. Geschlechtsunabhängig bestehen erwartungsgemäß Alters- sonderheiten auf: Der höchsten gesundheitli- unterschiede vor allem bei den kardiovaskulären Risikofaktoren, chen Gefährdung unterliegen die Lehrkräfte zum Beispiel Blutdruck, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Body- an Oberschulen. Sie zeigen in den meisten Mass-Index. Speziell ältere Lehrerinnen haben deutlich höhere Arbeits-, Gesundheits- und Personenmerk- Blutdruck- und Gesamtcholesterin-Werte und geben eine geringe- malen die ungünstigsten Ausprägungen. Bei- re Erholungsfähigkeit sowie Zufriedenheit an. Außerdem berichten spielsweise sind sie weniger zufrieden mit dem Lehrerinnen im Vergleich zu Lehrern häufiger ein Missverhältnis Lehrerberuf, besitzen höhere Blutdruck- und von Verausgabung und Belohnung und, weisen einen höheren Gesamtcholesterin-Werte, geben die meisten Krankenstand auf, rauchen aber seltener. Beschwerden, einschließlich Burnout- Symptome, an und neigen häufiger zur E Ist Burnout eine typische Lehrerkrankheit? übersteigerten Verausgabung. Eine zweite Besonderheit ergibt sich Für das Burnout-Syndrom beziehungsweise einzelne Burnout- für die Lehrkräfte an den För- Symptome kann kein Unterschied zur Allgemeinbevölkerung derschulen. Diese fielen inter- festgestellt werden. essanterweise in unseren Un- tersuchungen durch ihre hohe E Im Vergleich zu anderen Bundesländern: Wie steht es da berufliche Zufriedenheit, ein um die Gesundheit der sächsischen Lehrer? günstiges arbeitsbezogenes Verausgabungs-B elohnungs- Dazu sollten Sie folgendes wissen: Die Bundesländer ha- Verhältnis, einen geringen An- ben deutschlandweit unterschiedliche Vorgehensweisen teil an Beschwerden und ein ge- in der betriebsärztlichen Betreuung der Lehrerinnen und ringes Burnout-Risiko positiv auf. Lehrer realisiert. In Sachsen besteht die Besonderheit Im Vergleich zu den Lehrkräften einer »Vor-Ort- Betreuung«. Durch die Betriebsärzte anderer Schularten waren anderer- und Sicherheitsfachkräfte werden regelmäßige Be- seits bei ihnen ein höherer Anteil gehungen der Schulen durchgeführt und in diesem Beim Sehtest wird die Sehschär fe überprüft. Dr. Guido Prodehl leitet seit Auch das räumliche Sehen wird getestet. Januar 2016 gemeinsam mit zwei weiteren Geschäftsführern das Zentrum für Arbeit und Ge- sundheit Sachsen. Das ZAGS kümmert sich in Sachsen auch um die Lehrergesundheit und bietet in diesem Rahmen Vorsorge-Unter- suchungen für Lehrer an. Zu Beginn der Vorsorge-Untersuchung wird ein 12 KLASSE 2 / 2016 Anamnese-Bogen ausgefüllt.
INTERVIEW Zusammenhang wird die Gefährdungsbeurteilung der Lehrkräfte zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit« (sog. FEE-Programm): Lehr- aktualisiert. Wir bieten mit der Möglichkeit der arbeitsmedizini- kräfte, die von einer Erkrankung bedroht sind und bereits erste schen Vorsorge in den Schulen ein niederschwelliges Angebot an. Symptome zeigen, können an einer einwöchigen stationären/am- In anderen Bundesländern gibt es Zentren für Lehrergesundheit, bulanten Rehabilitation in Bad Gottleuba oder Leipzig teilneh- an denen die einzelnen Lehrkräfte untersucht und beraten werden men. In den folgenden drei Monaten werden Sie arbeitsbeglei- können. Aus diesem Grund halte ich es für schwierig, die Daten tend einmal in der Woche circa zwei Stunden therapiert. Nach aus den anderen Bundesländern zum Vergleich heranzuziehen. sechs Monaten folgt ein Abschlusstag in der Reha- Einrichtung. E Was genau passiert bei der Vorsorge-Untersuchung für Lehrer? E A ls Lehrer muss man aber keine arbeitsrechtlichen Konsequen- zen fürchten, wenn man an so einem Programm teilnimmt…? Eine arbeitsmedizinische Vorsorge für Lehrerkräfte beinhaltet die Erhebung der Krankheitsgeschichte, einen Sehtest, eine Blut- Nein, arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen nicht. Bei Arbeits- druckmessung, die Bestimmung der Fettstoffwechselparameter, unfähigkeit übernimmt der Hausarzt Diagnostik und Therapie, die Nüchtern-Glukose sowie die Erfassung der psychischen Be- die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist für sechs Wochen lastungen. Bei Vorlage des Impfausweises führen wir eine Impf- durch den Arbeitgeber und im Anschluss durch die Krankenkasse abgesichert. Die Teilnahme an Präventionskursen findet in der »LEHRKRÄFTE ZEIGEN – MIT WENIGEN Freizeit der Lehrer statt. Bei ei- ner medizinischen Rehabilitati- AUSNAHMEN – HÄUFIGER GESUNDHEITS- on ist der Mitarbeiter ebenfalls rechtlich und finanziell abge- FÖRDERLICHE VERHALTENSWEISEN.« sichert. Sollte sich nach langer Erkrankung das Leistungsbild des Lehrers geändert haben, besteht die Möglichkeit, den beratung durch. Nach Abschluss der Vorsorge verschicken wir Arbeitsplatz im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsma- einen persönlichen Befundbericht an jede Lehrkraft. Die Teil- nagements anzupassen. nahme an einer arbeitsmedizinischen Vorsorge für Lehrkräfte ist bis auf die Vorsorge in G-Förderschulen freiwillig und kann E Stichwort Prävention: Wo müssen Lehrer besonders aufpas- alle drei Jahre wiederholt werden. sen, um nicht krank zu werden? Wie bleibt man als Lehrer gesund? E Was passiert mit der arbeitsmedizinischen Beurteilung? Für Lehrer gelten ähnliche Empfehlungen wie für die Allgemein- Grundsätzlich unterliegen die Betriebsärzte der ärztlichen bevölkerung. Eine gesunde Lebensweise mit ausreichend körper- Schweigepflicht. Inhalte der Untersuchungen gelangen also we- licher Aktivität gilt als gesundheitsförderlich. Geringe Maßen an der an den Arbeitgeber noch an den Schulleiter. Während der Alkohol, Nikotinverzicht und das Einhalten des Normgewichts Untersuchung oder im Befundbericht sprechen wir Präventions- fördern ebenfalls das gesunde Altern. Neben uns Betriebsärzten empfehlungen aus oder verweisen an den Haus-/Facharzt. bieten die Hausärzte sogenannte Check-up-Untersuchungen ab dem 35. Lebensjahr an, die Teilnahme hieran ist ebenso anzura- E Wie sieht das in der Praxis aus: Welche Angebote gibt es für ten wie die Teilnahme an den entsprechenden Krebsvorsorgeu- Lehrer, wenn sie Hilfe benötigen? Untersuchungen. Im Arbeitsalltag bemerken wir, dass einige Lehrer über gehäuftes Auftreten von Kopfschmerzen und Stimm- Wir beraten die Lehrer bereits zur Untersuchung individuell schwierigkeiten klagen. Auf Nachfrage berichten einige Lehr- über Möglichkeiten zur Verbesserung des Gesundheitszustan- kräfte über eine deutlich zu geringe Flüssigkeitsaufnahme. Es ist des. Je nach Bedarf kann das die Empfehlung zur Teilnahme an ratsam im Lehrerberuf ausreichend zu trinken, da gerade durch einem Präventionskurs der Krankenkassen sein, bei auffälligen das lange Unterrichten vor der Klasse die Schleimhäute leicht Befunden raten wir zu einer weiteren Diagnostik beim Hausarzt austrocknen können. Wesentlich für das Wohlbefinden am Ar- oder Facharzt. Über die Deutsche Rentenversicherung kann bei beitsplatz ist der kollegiale Umgang an der Schule. Gute Kommu- entsprechender medizinischer Indikation auch ein Antrag auf nikation, das Aufstellen und Einhalten klarer, nachvollziehbarer Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder ein Antrag auf Regeln im Schulalltag, gute Führung durch die Schulleitung und medizinische Rehabilitation durch den Betriebsarzt unterstützt Bewältigung der Probleme im Team tragen zur Arbeitszufrieden- werden. Eine Besonderheit ist das Programm »Frühintervention heit genauso bei wie der offene Umgang mit Lob und Kritik. Neben der Blutdruckmessung wird außerdem mit einem Bluttest die Nüchtern -Glukose ermittelt. Mit einem speziell für Lehrer angepassten pyscholo - Beim abschließenden Arztgespräch werden die gischen Test werden Stressfaktoren abgefragt. persönlichen Risikofaktoren ausgewertet.
RECHT UND ORDNUNG Vielen Dank für die Blumen Bald endet das Schuljahr. Immer wieder bei Eltern beliebt: eine kleine Aufmerksamkeit für die Lehrerin oder den Lehrer. Auch wenn es eine nette Geste ist, dürfen Lehrer jedoch nur in Ausnahmefällen Geschenke annehmen. TEXT: LOUISA HANTSCHE, KLASSE-REDAKTION Dürfen Lehrer Geschenke annehmen? Was mache ich als Lehrer, wenn das Ge- die Schulleitung in jedem Fall vorher zu- schenk über der Höchstgrenze liegt? stimmen. Sobald Geschenke in Verbindung zum Beruf stehen und nicht vorher von der Liegt ein zustimmungspflichtiges Ge- Gibt es Konsequenzen für mich als Schulleitung abgesegnet worden sind, schenk über der zulässigen Höchstgren- Lehrer, wenn ich das Geschenk doch dürfen sie nicht angenommen werden – ze oder bestehen Zweifel hierüber, muss annehme? weder explizit, noch durch schlüssiges vor der Annahme unbedingt die Ge- Verhalten und egal, ob im Schulgebäude nehmigung eingeholt werden. Wenn die Ein Verstoß gegen das Verbot ist ein oder zu Hause. Ein Geschenk gilt selbst Zustimmung nicht rechtzeitig eingeholt Dienstvergehen. Nicht verbeamteten dann als angenommen, wenn es direkt werden kann, so darf das Geschenk aus- Lehrern und Auszubildenden drohen ar- weiterverschenkt oder gespendet werden nahmsweise unter Vorbehalt angenom- beitsrechtliche Sanktionen bis hin zur soll. Bei sogenannten geringwertigen Auf- men werden. Für die Lehrer im Beschäf- Kündigung. Beamte müssen mit diszip- merksamkeiten, also einfachen Reklame- tigtenverhältnis ist der Schulleiter die linarischen Maßnahmen rechnen – was Artikeln wie Stiften oder Kalendern, gilt zuständige Stelle. sogar die Entfernung aus dem Beam- die Zustimmung jedoch von vornherein tenverhältnis oder die Aberkennung des als erteilt. Sie können auch ohne Rück- Eltern schenken mir Blumen. Muss ich Ruhegehalts bedeuten kann. Auch auf sprache mit der Schulleitung entgegenge- mir dafür den Kassenzettel zeigen lassen? strafrechtlicher Ebene kann eine Vor- nommen werden. teilsnahme mit Geld- oder Freiheitsstra- Nein, aber schauen Sie sich den Strauß fe geahndet werden. Zudem kann der Warum darf man sich als Lehrer nichts genau an: Liegt er höchstwahrscheinlich Dienstherr oder Arbeitgeber sich einen schenken lassen? über einem handelsüblichen Marktwert eventuell entstandenen Schaden ersetzen von schätzungsweise 20 Euro, muss eine und die Geschenke herausgeben lassen. Lehrer haben einen staatlichen Auftrag, ausdrückliche Zustimmung eingeholt Zu bedenken ist ferner, dass sich auch der der sachbezogen und unparteiisch erfüllt werden. Vorteilsgeber gegebenenfalls strafbar ma- werden muss. Der öffentliche Dienst ge- chen kann. Schon die staatsanwaltlichen nießt das Vertrauen der Bevölkerung. Das Gibt es Geschenke, die Lehrer prinzipiell Ermittlungen bedeuten erhebliche Unan- grundsätzliche Verbot zur Annahme von nicht annehmen dürfen? nehmlichkeiten für die Betroffenen. Geschenken und anderen Vorteilen soll dieses Vertrauen schützen und den staatli- Lehrer dürfen kein Geld annehmen. Eine An wen kann ich mich als Lehrer bei chen Verwaltungsapparat funktionsfähig Ausnahme gilt allerdings für Auszeich- rechtlichen Fragen dazu wenden? halten. Schon der bloße Anschein, dass nungen oder Preise, solange sie den Leh- Lehrer korrupt sein könnten, soll vermie- rer nicht in seiner objektiven Dienstaus- Lehrer können sich an den Schulleiter den werden. übung beeinträchtigen oder die Sächsische Bildungsagentur wen- oder sonst der Ein- den. Gibt es eine finanzielle Höchstgrenze? druck der Befangen- heit entsteht. Aber Eine Höchstgrenze ist nicht ausdrück- auch hier muss lich festgelegt. Allerdings müssen sich die Geschenke in einem allgemein üblichen Rahmen bewegen. Da dieser nur schwer bestimmbar ist, wird ein Wert von etwa 70 Euro als Orientierungs- hilfe angegeben. Geringwerti- ge Aufmerksamkeiten sollten nicht teurer als 20 Euro sein. Die allgemeine Zustimmung gilt nur, solange der Gesamt- wert aller Aufmerksamkeiten nicht über 60 Euro im Jahr liegt. 14 KLASSE 2 / 2016
FR AGEBOGEN »Kommunikation als Pflichtfach in der Schule« Was macht einen guten Lehrer aus? Und einen guten Schüler? Mit dem KLASSE- Fragebogen bitten wir Bildungsträger und Prominente aus Sachsen, uns einen Einblick in ihre persönlichen Lernerfahrungen zu geben. ANTWORTEN: AL DI MEOLA, JAZZ-GITARRIST Als ich klein war, wollte ich Feuerwehrmann werden. Meine Eltern wollten, dass ich BWL studiere, wenn ich groß bin. Als Schüler war ich gut in Überall ganz okay, aber ich hatte nur meine Musik im Kopf. Heute bin ich gut in Psychologie, Musik. Seit ich nach Deutschland gezogen bin, interessiere ich mich sehr für die europäische Geschichte, die wir in Al Di Meola, ist ein weltbekannter Jazz- der Schule nur wenig behandelt haben. Gitarrist. Der 1954 in New Mein liebstes Schulfach war: Biologie. Jersey geborene Musiker kann mittlerweile auf eine Das Schulfach, das ich überhaupt nicht mochte, war: Algebra. 40 Jahre lange Karriere im Musikgeschäft zurück- Das hat mich in der Schule am meisten genervt: in keine Gruppe zu passen. blicken. Für sein virtuoses Gitarrenspiel gilt Al Di Das hat mir an Schule am besten gefallen: Chor, Sport. Meola in der Jazzszene als Ein guter Lehrer: hat Geduld und die Fähigkeit, mir Dinge näher zu bringen, Gitarrenheld. Sein aktuel- les Album heißt »Elysium & die mich eigentlich nicht interessieren. More« – eine Reise durch Ein guter Schüler: hört zu und ist respektvoll dem Lehrer und den Mitschülern sein Lebenswerk. Al Di Meola ist mit einer Sächsin gegenüber. aus Oederan verheiratet, In meinem Leben will ich noch: die Kunst der persönlichen Kommunikation per- mit der er sich im Januar fektionieren. Meiner Meinung nach sollte heutzutage Kommunikation ein 2016 nochmal über Nach- wuchs freuen konnte. Pflichtfach in der Schule sein, das schon im Grundschulalter gelehrt wird. Am besten kann ich mich konzentrieren, wenn: absolute Stille herrscht. Mein Lieblingsbildungsort ist: mein Musikstudio in Miami direkt am Strand. Wenn ich meinen Beruf noch einmal wechseln würde, dann würde ich Schönheitschirurg werden. Als Ausgleich zu meiner Arbeit muss ich Sport machen. Außerdem kaufe ich gerne Notenbücher und lese sie, zum Beispiel im Flugzeug. Ich liebe an meinem Job, dass er Menschen glücklich macht und Emotionen herüberbringt, die man mit Worten nicht ausdrücken kann. Seit ich 19 bin, verdiene ich Geld mit meiner Lei- denschaft und habe die ganze Welt gesehen. Ich bin sehr dankbar dafür. Ich verlasse nie das Haus ohne: sicherzustellen, dass alles tiptop aufgeräumt ist. Meine Kollegen/Freunde sagen von mir, dass ich: mit meinem Perfektionismus in der Musik andere in den Wahnsinn treiben kann. KLASSE 2 / 2016 15
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