KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen

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KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
KLASSE
DA S M AG A Z I N F Ü R S C H U L E I N S AC H S E N

Ein Haus voller Ideen
Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen

2/2016
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
Ein Stück Geschichte
    Das PEGASUS-Projekt bringt seit 20 Jahren
    Schülern das Interesse für Denkmäler näher.

    TEXT: MARIA GRAHL, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER

Die Schüler der 49. Grundschule Dresden machten das eigene Schulgebäude zum Denkmalschutzprojekt.

»Unsere Schule – ein Denkmal?« Diese Frage stellten sich im ver-          eine Fachjury.« Jährlich gehen bis zu 50 Bewerbungen ein. Wer
gangenen Schuljahr die Schüler der 49. Grundschule in Dresden.            ausgewählt wird, erhält in der Regel eine Prämie in Höhe von 500
Kurz zuvor war deren Schulgebäude des Bautyps »Dresden At-                Euro.
rium«, ein Schulbau in DDR-Plattenbauweise, unter Denkmal-
schutz gestellt worden. Der Schulleiter Uwe Schmidt und zwei              Die 49. Grundschule bewarb sich und wurde zu PEGASUS zuge-
Eltern ergriffen daraufhin die Initiative und meldeten ihre Schule        lassen. Mit der Prämie konnten sie das Projekt finanzieren. Zwei
zum PEGASUS-Projekt an.                                                   Eltern betreuten die AG PEGASUS, die fortan einmal im Monat
                                                                          für Zweit- und Viertklässler stattfand. »So kleinen Kindern ein
Ein Jahr später sind kleine und große Bauwerke aus Modellziegeln          Denkmal und all seine Facetten näherzubringen, ist gar nicht so
und Pappe entstanden. »Wir erhofften uns, dass die Schüler das            einfach«, sagt Schulleiter Schmidt. »Die Eltern, die die AG leite-
Prinzip eines Denkmals anhand der eigenen Schule besser nach-             ten, mussten mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen. Mit trockener
vollziehen und damit ihr Geschichtsbewusstsein stärken können«,           Theorie und Bauplänen erreicht man in diesem Alter noch nicht
sagt Uwe Schmidt. Es hat funktioniert. In den Schülern ist ein            viel.« Vielleicht waren aus diesem Grund bislang überwiegend
Grundbewusstsein für Denkmäler entstanden.                                weiterführende Schulen im PEGASUS-Projekt vertreten. »Doch
                                                                          auch Grundschulen sind ausdrücklich zum Mitmachen aufgeru-
Genau das möchte das PEGASUS-Projekt, das vor 20 Jahren in                fen«, sagt Ralf Seifert. »In den letzten Jahren stieg die Zahl der
Neapel entstand, erreichen: Kindern und Jugendlichen soll das In-         teilnehmenden Grundschulen bereits. Wir wünschen uns, dass es
teresse am eigenen kulturellen Erbe näher gebracht werden. Seit           noch mehr werden.«
1998 ist »PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale« ein Säch-
sisches Landesprogramm. »Jede Schule kann sich für das Projekt            Uwe Schmidt und sein Eltern-Team haben die Aufgabe hervorra-
bewerben«, sagt Ralf Seifert, Referent im Sächsischen Staatsminis-        gend gemeistert. Die Schüler waren schnell Feuer und Flamme für
terium für Kultus. »Dazu muss lediglich ein zweiseitiges Formular         die Historie ihrer Schule. »Dieser Sprung in der Geschichte war
ausgefüllt werden. Projektinhalt muss ein Denkmal aus Sachsen             für die Schüler ganz entscheidend, um die Tragweite besser ver-
sein, an dem ein Schuljahr lang kontinuierlich gearbeitet wird.           stehen zu können«, sagt Schmidt. Derzeit bereiten sich die Schüler
Wer dann tatsächlich bei PEGASUS mitmachen darf, entscheidet              auf die Denkmalmesse in Leipzig im November 2016 vor.

                          PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale:
    Anmeldung
                          Bewerbungsschluss für das Schuljahr 2016/2017 ist der 10. Juni 2016.
                          Und die Chancen sind besser denn je. Denn gab es bisher nur 14 Prämien zu gewinnen, sind es in diesem
                          Jahr erstmals 23. Das Bewerbungsformular zum Download finden Sie unter:
                          www.schule.sachsen.de/pegasus

2       KLASSE 2 / 2016
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
E D I TO R I A L /I N H A LT

Liebe Leserinnen und Leser,
unsere Schulen sind immer auch ein Spiegelbild unserer Gesell-
schaft. Momentan erleben wir das sehr deutlich. Der gesell-
schaftliche Wandel, der sich gerade vollzieht, zeigt sich auch
hier. Wir haben eine unerwartet hohe Zuwanderung durch die
Flüchtlinge und eine deutlich gestiegene Geburtenrate. Damit
fallen die Schülerzahlen und der Bedarf an Lehrern in den nächs-
ten Jahren schon drastisch höher aus als bisher berechnet.

Angesichts dieser Situation ist es beeindruckend, was viele Leh-
rer und Schüler täglich neben der eigentlichen Unterrichtsarbeit
leisten. Und genau das würdigt unser Sächsischer Schulpreis
2016. Die zehn Schulen, die jetzt in der Endauswahl stehen, stel-
len wir mit ihren außergewöhnlichen Projekten in diesem Heft
vor (ab Seite 6).

Hervorragend arbeiten auch weiterhin unsere Deutsch-als-
                                                                    wir gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der TU Dres-
Zweitsprache-Lehrer, die in vielen Fällen äußerst inhomogene
                                                                    den die Lehrerinnen und Lehrer mit dem Projekt »Starke Lehrer
Klassen unterrichten. Wir begleiten das DaZ-Lehrerteam der
                                                                    – starke Schüler« gegen Rechtsextremismus. Einen dieser Leh-
138. Oberschule in Dresden durch seinen Arbeitstag und zeigen
                                                                    rer, er unterrichtet am BSZ 7 für Elektrotechnik der Stadt Leip-
dabei die drei Stufen der Integration (Seite 10).
                                                                    zig, haben wir genauer gefragt, warum er beim Projekt dabei ist
                                                                    und was ihn bewegt (Seite 5).
Wann immer ich Schulen besuche, an denen Flüchtlingskinder
lernen, erlebe ich eine beispielgebende Willkommenskultur. Lei-
                                                                    Herzlichst Ihre
der gibt es jedoch auch Schüler, die sich gegenüber rechtsextre-
mem Gedankengut offen zeigen. Sie sind eine Minderheit, aber
sie sind da. Mir ist es wichtig, dass sich alle Lehrer dem Thema
                                                                    Brunhild Kurth
stellen und offensiv mit den Schülern sprechen. Dafür stärken
                                                                    Sächsische Staatsministerin für Kultus

Inhalt
Meldungen – Seite 4

Aus Lehrersicht – Seite 5
Lehrer Frank Böhme nimmt an einem Pilotprojekt teil

                                                                                                             10
Titelgeschichte – Seite 6
Der Sächsische Schulpreis 2016: die Finalisten

Ein Tag in Bildern – Seite 10
Zu Besuch an einer DaZ-Schule in Dresden
                                                                    Aus Schülersicht – Seite 11
                                                                    Ein Schaustellerkind erzählt aus seinem Schulalltag

                                                                    Interview: Dr. Guido Prohdehl – Seite 13
                                                                    So steht es um die Lehrergesundheit in Sachsen

                                                                    Recht und Ordnung – Seite 14
                                                                    Eine nette Geste: Geschenke an Lehrer

  5
                                                                    Der KLASSE-Fragebogen – Seite 15
                                                                    Al Di Meola, Jazz-Gitarrist

                                                                    Impressum – Seite 4

                                                                                                             KLASSE    2 / 2016        3
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
MELDUNGEN

E  VERSTÄNDNIS FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ                                 E KREBSVORSORGE

Neue Handreichung für                                                   Schulprojekt für den
den Unterricht                                                          Biologie-Unterricht
Die Kultusministerkonferenz hat eine neue Handreichung für
Schulen entwickelt, mit der sie bei Schülern mehr Verständnis für
Menschen mit Demenz schaffen will. Die Erkrankung entwickelt
sich zunehmend zu einer sozialen, politischen und ökonomischen
Herausforderung. Aus diesem Grund soll sich auch der Lern- und
Lebensort Schule verstärkt der Problematik zuwenden. Die neue
Handreichung hilft Lehrern bei der Umsetzung des Themas De-
menz im Unterricht. In der Handreichung finden sich deshalb
zahlreiche Verweise auf weiterführende Literatur, Bildmaterial,
Filme, Arbeitshilfen und Links zum Thema.
                                                                        Etwa die Hälfte aller Krebserkrankungen wäre durch einen
Handreichung der Kultusministerkonferenz
                                                                        gesünderen Lebensstil vermeidbar. Um das Bewusstsein dafür
»Verständnis für Menschen mit Demenz«:
                                                                        schon bei Schülern zu schärfen, bietet das Universitätsklinikum
www.bildung.sachsen.de/blog/wp-content/
                                                                        Dresden in Zusammenarbeit mit dem Staatsministerium für
uploads/2016/04/2015_12_15-Handreichung-De-
                                                                        Kultus und dem »Mit Köpfchen gegen Krebs – Aufklärung für
menz-2.pdf
                                                                        Kinder und Jugendliche e.V.« ein Projekt für Schüler der 7. und
                                                                        8. Klasse an.
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsfor-
schung München: »Verständnis für Menschen mit
                                                                        Die Teilnahme am Projekt ist kostenlos und mit wenig Zeitauf-
Demenz – eine Herausforderung für allgemein- und
                                                                        wand in den Unterricht integrierbar. In einer Unterrichtsstunde
berufsbildende Schulen«:
                                                                        wird ein kurzer Lehrfilm gezeigt. Im Anschluss an das Video
www.isb.bayern.de/download/15925/handrei-
                                                                        füllt die Klasse einen Online-Fragebogen aus, der den derzeiti-
chung_demenz.pdf
                                                                        gen durchschnittlichen Gesundheitsstand der Schüler ermittelt.
                                                                        Im nächsten Projektschritt sollen diese in einer Gesundheits-
Hamburger Institut für berufliche Bildung:
                                                                        werkstatt die Krebsvorsorge in die Tat umsetzen. Das heißt: Ei-
»Materialsammlung: Demenz im Unterricht«:
                                                                        nen Monat lang für fünf bis zehn Minuten pro Woche arbeitet
www.hibb.hamburg.de
                                                                        die Klasse an einem Schutzfaktor gegen Krebs. Es geht es also
                                                                        darum, wie man Krebs vorbeugen kann: zum Beispiel, indem
                                                                        man nicht raucht, auf die Ernährung achtet und Sonnencreme
                                                                        benutzt. Diese Faktoren halten die Projektteilnehmer auf einem
E SÄCHSISCHER BÜRGERPREIS 2016                                          Poster fest. So sind die wichtigsten Maßnahmen zur Krebsprä-
                                                                        vention auch nachhaltig für die ganze Klasse präsent.
Nominierung gestartet                                                   Weitere Infos zum Projekt unter:
                                                                        www.krebscentrum.de/0701.asp
Soziales Engagement wird belohnt. Seit 2011 wird einmal im Jahr
der Sächsische Bürgerpreis verliehen, der mit 5.000 Euro dotiert ist.   Die Anmeldung zum Projekt ist online oder
Mit diesem Preis sollen Projekte, Initiativen, Institutionen und Ein-   telefonisch möglich:
zelpersonen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden,        praeventions­zentrum@krebscentrum.de,
die sich in besonderer Weise sozial engagiert haben. Vergeben wird      0351/ 458  74  46
der Preis in fünf Kategorien. An Schulen richtet sich insbesondere
die Preiskategorie »Engagement in der Schule für Demokratie und
Toleranz«. Vorschlagsberechtigt sind die Oberbürgermeister der
kreisfreien Städte und die Landräte. Alle Bürgermeister in Sach-         IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für Kultus (SMK),
sen sind aufgerufen, gute Projekte bei ihrem Landrat einzureichen.       Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden |
Verliehen wird der Preis vom Freistaat Sachsen gemeinsam mit der         Redaktion: Manja Kelch (V. i. S. d. P. ), Telefon: (0351)564 25 16, E-Mail: klasse @
Stiftung Frauenkirche Dresden und der Kulturstiftung Dresden der         smk.sachsen.de, Twitter: www.twitter.com/bildung_sachsen; Nicole Kirchner,
                                                                         Peter Stawowy, stawowy media | Mitarbeit an dieser Ausgabe: Beate Diederichs,
Dresdner Bank. Für den Sächsischen Bürgerpreis können noch bis           Maria Grahl, Louisa Hantsche, Sebastian Martin, Anikó Popella | Fotos: An-
31. Mai 2016 Nominierungen erfolgen.                                     dré Forner, Anja Jungnickel, Mike Hillebrand, Robert Reinhold, (S. 6) (S. 14),
                                                                         (S.15); Fotolia/frender (S.6), Fotolia/DragonImages (S. 14) | Gestaltung: Tony
Nähere Information zur Ausschreibung gibt es                             Findeisen, stawowy media | Auflage: 40.000 Exemplare | Druck: SDV Direct
                                                                         World GmbH | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsi-
im Internet:                                                             schen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie
www.freistaat.sachsen.de/Buergerpreis.htm                                darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwerbung
                                                                         verwendet werden.

4       KLASSE 2 / 2016
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
AUS LEHRERSICHT

Nur nicht ignorieren
Frank Böhme nimmt am Modellprojekt »Starke Lehrer –
starke Schüler« teil. In dieser Weiterbildung lernt der Berufs-
schullehrer, wie er fremdenfeindlichen Sprüchen im Unterricht
mit den richtigen Worten begegnen kann.

TEXT: SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANJA JUNGNICKEL

                                                                                                  Frank Böhme möchte lernen, wie
                                                                                                  er mit fremdenfeindlichen Sprü-
                                                                                                  chen im Unterricht besser umgeht.

D
          as Schlimmste für ihn wäre das     Weiterbildung im Modellprojekt                 den Workshops teil. Freiwillig. Als politisch
          Wegblicken. Das Schweigen und                                                     interessierter Mensch sei er von Anfang an
          damit stille Tolerieren. Deshalb   Rico Behrens hält deshalb eine direkte Re-     begeistert gewesen, als ihm der Schulleiter
nimmt Frank Böhme jedes Wortgefecht          aktion des Lehrers für wichtig. Nur nicht      die Weiterbildung angeboten habe, sagt
auf, wenn er mit fremdenfeindlichem oder     ignorieren, heißt seine Devise. Der Politik-   er. Das im Projekt erworbene Wissen will
rassistischem Gedankengut konfron-           didaktiker von der TU Dresden leitet das       er seinen Kollegen weiterreichen. Schließ-
tiert wird – wie neulich, als ein Schüler    Projekt »Starke Lehrer – starke Schüler«,      lich steht er als Gemeinschaftskunde- und
in einer Debatte Flüchtlinge diffamierte.    mit dem sich die Robert Bosch Stiftung         Ethiklehrer seltener vor den Klassen, und
Der 31-Jährige ist Gemeinschaftskunde-       und das SMK gegen Rechtsextremismus            kann deshalb Schülern mit einer rechtsext-
und Ethiklehrer am Berufsschulzentrum        an Berufsschulen engagieren – in den Ein-      remen Gesinnung nu eingeschränkt Paroli
»Robert Blum« in Leipzig. 420 Schüler        richtungen, in denen viele junge Menschen      bieten. Andere Fachlehrer könnten da häu-
lernen in dem Plattenbau – darunter an-      die letzte schulische Pädagogik erhalten.      figer mit Argumenten intervenieren.
gehende Bürokräfte, Holzbearbeiter und
Lagerfachhelfer. Nur wenige würden eine      In Workshops werden derzeit 26 Lehrkräf-       Frank Böhme geht es neben der Aufklä-
rechtsextreme Weltanschauung offen zei-      te aus ganz Sachsen über moderne Formen        rung der Schüler zudem darum, Vorur-
gen, sagt Frank Böhme. In einigen Köp-       rechtsextremer Jugendkultur informiert.        teile im Lehrerzimmer abzubauen. Denn
fen gärt diese aber vielleicht.              Es geht um Musik, Codes, Verhaltensmus-        auch manche seiner Kollegen sorgt sich,
                                             ter und vieles mehr. Denn kaum ein Nazi        wenn Flüchtlinge in ihre Nachbarschaft
»Schulen sind immer auch ein Spiegelbild     trägt heute noch Bomberjacke und Sprin-        ziehen. »Sie sind nicht fremdenfeindlich«,
der Gesellschaft«, sagt Kultusministerin     gerstiefel. Das Erscheinungsbild ist unauf-    sagt der 31-Jährige. »Sie haben aber Be-
Brunhild Kurth. »Wenn fremdenfeind-          fällig geworden.                               rührungs- und Verlustängste.« Und ge-
liches Gedankengut im Elternhaus oder                                                       nau das ist der Nährboden, der vielleicht
Freundeskreis gepflegt wird, dann brin-      In dem Modellprojekt erarbeiten sich die       den demokratischen Erziehungsauftrag
gen Schüler dieses auch mit in die Schu-     Teilnehmer zudem mit externen Fachleu-         verhindert. Deshalb duckt sich Frank
le.« Dem SMK sind im vergangenen Jahr        ten individuelle Strategien, um bei kom-       Böhme auch im Lehrerzimmer nicht weg
an sächsischen Schulen 46 Vorfälle mit       plexen Themen wie Fremdenfeindlichkeit         und nimmt jedes Rededuell gern an.
einem rechtsextremen Hintergrund be-         und Rechtsextremismus gut vorbereitet
kannt geworden. In dieser Statistik tau-     argumentieren zu können. Ein weiterer
chen allerdings kaum fremdenfeindliche       Schwerpunkt ist die Vernetzung der Leh-
Äußerungen wie die im Unterricht von         rer untereinander sowie mit Akteuren eta-
Frank Böhme auf. Der Gemeinschafts-          blierter Initiativen.
kundelehrer reagierte damals sofort. Er                                                        Weitere Informationen zum Projekt
wollte wissen, wie sich der Schüler selbst   Argumente als Rüstzeug                            »Starke Lehrer – starke Schüler« unter:
                                                                                               www.bosch-stiftung.de/content/
fühlen würde, wenn man ihn diffamieren                                                         language1/html/66320.asp
und seine Rechte einschränken würde.         Auch Frank Böhme vom Berufsschulzent-
Das zog.                                     rum »Robert Blum« in Leipzig nimmt an

                                                                                                                KLASSE    2 / 2016       5
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
TITEL

Ausgezeichnete Schule
    52 Schulen haben sich mit ihren Projekten um den Sächsischen Schulpreis
    2016 beworben. Die Bandbreite der Projekte ist riesig und zeigt

    eindrucksvoll, wie lebendig Schulalltag in Sachsen gestaltet wird.

VON SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION; ILLUSTRATION: ROBERT REINHOLD

6         KLASSE 2 / 2016
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
TITEL

S
      ie nimmt Platz in der ersten Rei-        filtern, sei der Jury schwer gefallen, sagt        Wichtig ist aus seiner Sicht, dass die
      he, packt das Schreibzeug aus und        sie. Heftige, aber konstruktive Diskussio-         Lehrer offen für Neues sind und an ei-
      wartet auf die gleich beginnende         nen hätte es zwischen den Vertretern des           nem Strang ziehen. Sie würden von der
Präsentation. Irina Schenk wird sich No-       SMK, der Sächsischen Bildungsagentur,              Zusammenarbeit ja auch profitieren, sagt
tizen machen und Nachfragen stellen.           des Bildungsinstituts sowie des Landes-            Heiko Vogel. Zwar sei viel Lehrer-En-
Der Referentin des Kultusministeriums          eltern- und Landesschülerrates gegeben.            gagement nötig, doch der Aufwand mit
geht es dabei um Kriterien wie Nachhal-        Schließlich sei die Bandbreite der einge-          der Zeit überschaubar. Und wenn alles
tigkeit, Partizipation und die Förderung       sendeten Projekte riesig. Sie reicht von           erst einmal laufe, dann mache es richtig
individueller Lernprozesse. Je besser sie      Theaterprojekten, die die ganze Schule             Spaß, so der Schulleiter der Kurfürst-Mo-
das Projekt bewertet, desto mehr Chan-         umfassen und seit Jahren das Kultur-               ritz-Schule. Deshalb motiviert er seine
cen hat die Schule auf den Sächsischen         leben der Region bereichern, bis hin zu            Kollegen in den Gesprächen auch immer,
Schulpreis.                                    Tandemprojekten, wo Schüler sich im                gesamtschulisch Projekte wie die »Rock
                                               Unterricht gegenseitig unterstützen.               Challenge« anzugehen und so die Schul-
Zehn Schulen haben sich für die Fi-                                                               qualität zu verbessern.
nalrunde qualifiziert. Und sie alle hof-       Verbesserung der Schulqualität
fen auf einen der sechs mit insgesamt                                                             Ermutigen soll auch der aller zwei Jahre
19.000 Euro dotierten Preise, mit denen        Eins ist bei allen Projekten aber gleich:          vergebene Sächsische Schulpreis. Er soll
das SMK besonderes Engagement der              Sie brauchen engagierte Lehrer als Mo-             die positiven Beispiele sichtbar machen
Schulen würdigt. »In unseren Schulen           toren. Das betont auch Heiko Vogel.                und Anstoß sein, damit sich auch ande-
gibt es eine Vielzahl außergewöhnlicher        Er leitet die Kurfürst-Moritz-Schule in            re Schulen auf den Weg begeben. Am 23.
Projekte, die nachhaltig sind, individuelle    Boxdorf, die vor zwei Jahren mit dem               Mai wird er zum dritten Mal vergeben.
Lernpotenziale berücksichtigen und das         Showtanzprojekt »Rock Challenge« ei-               »Die Projekte müssen das pädagogische
Schulklima verbessern«, sagt Kultusmi-         nen der Hauptpreise gewonnen hat. Die              Konzept und die Alltagskultur an der
nisterin Brunhild Kurth.                       Auszeichnung sei eine tolle Anerkennung            Schule nachhaltig mitbestimmen«, er-
                                               schulischer Arbeit gewesen, sagt Vogel.            klärt Irina Schenk. Außerdem sollten sie
Davon berichtet auch Irina Schenk, Ko-         Seitdem wird er regelmäßig von Kollegen            möglichst viele Akteure einbeziehen – an-
ordinatorin des Sächsischen Schulpreises       aus anderen Schulen angesprochen, wie              gefangen von den Schülern und Lehrern,
im Kultusministerium. Schon die Fina-          so ein gesamtschulisches Projekt über so           bis hin zu externen Partnern.
listen aus den 52 Bewerbern herauszu-          viele Jahre gelingt.

Gymnasium
                                              »Schüler für Schüler«
                e
Dresden-Klotzsch                               Mit einer etwas romantisch klingenden Idee ging es vor 20 Jahren
                                                                                                              Oberstu fe
                                                                                                                          los. Am Gym-
                                                                                                                         damals   für die
                                               nasium Dresden-Klotzsche wollten        einige  Schüler  der
                                                             Haus   ein  Zeltlage r organis ieren.  Was   sie nicht ahnten:  Es  war  der
                                               Jüngeren im
                                                                                                                dem  heute  ausgew  ählte
                                               Startschuss für das Projekt »Schüler für Schüler«, bei
                                                                                                                           organisierten
                                               Zehntklässler nach einer einjährigen Vorbereitungsphase bei selbst
                                                                        und  Exkurs  ionen  Schüler   der 5.  Klasse betreue n sowie am
                                               Klassen nachmittagen
                                                                                                                  von  Projekt leiter Mi-
                                               Ende des Schuljahres stundenweise unterrichten. Aus Sicht
                                                                                                interess ante  Sache. Denn  währen   d die
                                               chael Krieg ist das für beide Jahrgänge eine
                                                                            ig als Lehrer ausprob   ieren,  so Verantw  ortung  überneh  -
                                               Zehntklässler sich freiwill
                                                         eigene  Potenzi  ale  ausschö pfen  können   , freuten  sich die  Fünftkl ässler,
                                               men und
                                               nicht nur von Erwachsenen betreut zu werden.

   »Schüler verbessern und
   verschönern ihr Lernumfeld selbst«

    Wer auf alte Fotos blickt, der erkennt den Pausenhof der Obersch
                                                                         ule Leubnitz kaum wieder.
    Aus dem tristen Appellplatz ist längst ein attraktiver Lernort geword
                                                                          en. Und das in bester Do-
    It-Yourself-Manier. Seit 1992 haben ihn die Schüler umgestaltet und
                                                                           so soziale wie handwerk-
    liche Kompetenzen trainier t. In Kooperation mit den Lehrern, Eltern
                                                                            sowie externen Partnern
    entstanden ein Klassen zimmer im Grünen, ein Naturlehrpfad, eine
                                                                          Grillecke, eine Bühne und
    vieles mehr. Der Pausenhof sei aus dem Schulalltag nicht mehr wegzud
                                                                              enken, sagt Schulleiter
    Andreas Wimmer. Und selbst im Ort ist der Platz vor seinem Fenster
                                                                                                                     Oberschule
                                                                            eine feste Größe gewor-
    den. Denn neben dem praxisnahen Unterricht, Ganztagsangeboten
                                                                         und Schulfeiern findet zum
    Beispiel auch der Leubnitzer Weihnachtsmarkt auf dem Pausenh
                                                                      of der Oberschule statt. »Die
    Schule entwickelt sich zu einem kulturellen Zentrum unseres Ortsteil
                                                                          es«, sagt Wimmer.
                                                                                                                     Leubnitz

                                                                                                                       KLASSE    2 / 2016       7
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
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                                                   »Streitschlichter«
         GrundschuleGroßpösna
         Löwenzahn,
                                                                                                                                  – Auseinander-
                                                     Der eine fühlt sich benachteiligt, der andere wurde angerempelt
                                                                                                     Wie    Kinder   ihre   Konflik  te selbst und
                                                     setzungen entstehen schnell im Schulalltag.
                                                                                      sie im  Streitsc hlichter -Projek   t an   der Grunds   chule
                                                     ohne Gewalt lösen, das lernen
                                                              zahn«   in Großpö sna. Mit   Erfolg: »Das     Schulkl ima    ist ruhig,  die Pausen
                                                     »Löwen
                                                                                                                                     Kollegen en-
                                                     laufen geordnet ab«, sagt Schulleiterin Sibylle Jaszovics. Sie und ihre
                                                                                          dieses Projekt  . Jeden Montag       finden  Gesprächs-
                                                     gagieren sich seit zehn Jahren für
                                                                      denen aktuelle Problem  e themati   siert werden   .  Hat  die Lösung    eines
                                                     kreise statt, in
                                                                                                                  deeskal    ierenden   Strategi  en
                                                     Streits nicht so lange Zeit, soll ein Taschenbuch mit
                                                                                              en. Außerd    em  gibt  es  sechs   gewählt  e  Streit-
                                                     helfen. Das hat jeder Schüler einsteck
                                                                                                                                   mit ihren Müt-
                                                     schlichter, die für ihre Aufgabe ausgebildet werden und im Alltag
                                                                                                                               en  gerufen  werden
                                                     zen und Buttons gut erkennbar sind. Sie sollen in Stresssituation
                                                                                                     n  den  Streitpa  rteien   vermitt  eln.
                                                      und durch ihre speziellen Trainings zwische

 »Klausurtagung«
  Die externe Evaluation hatte Handlu ngsbedarf gezeigt. Margitta
                                                                      Schade wollte aber
  nicht allein entscheiden. Also lud die Schulleiterin Lehrer, Schüler
                                                                           und Eltern zu
  einer Klausur tagung ein. Gemeinsam wollte sie über die Schulentwicklu
                                                                             ng diskutie -
  ren. Mit ihren 60 Gästen machte sie fünf Schwerpunkte für die
                                                                      weitere Arbeit aus
  – darunter die Stärkung der Schülermitwirkung. Ein Jahr später
                                                                     waren vielen Ideen
  bereits umgesetzt. Der Schülerrat organisiert jetzt selbstständig außersc
                                                                            hulische Hö-
  hepunkte, die Rolle des Schülersprechers ist gestärkt und für das
                                                                         Streitschlichter-
  Projekt wurden neue Schüler gewonnen. »Das Projekt läuft solange
                                                                          , bis alle Vor-
  schläge umgesetzt wurden«, sagt Margitta Schade heute. Sie hofft,
                                                                                                          Gymnasium
                                                                       dass dies bis Ende
  des Schuljahres der Fall ist. Zu Beginn des neuen Schuljahres wird
                                                                                                          Am Breiten Teich,
                                                                      die Arbeitsgruppe
  »Schulprogram m« die Erfüllung aller Vorhaben prüfen und eine
                                                                     interne Evaluation
  vornehmen. Und wenn sie Bedarf feststellt, wird es eine neue Klausur
                                                                          tagung geben.
                                                                                                          Borna

Dietrich-Heiseli-S chule,                »Musical«
Freie Evange     sc he                    Als Blinden trifft Bartimäus ein schweres Schicksal. Er wird von
                                                                                                                         der Gesellschaft
Schule G ör litz                          geächtet und ausgeschlossen. Doch er gibt die Hoffnu         ng   nicht  auf   und will in Jeri-
                                                                                    Wie   die  Geschic  hte  ausgeht   , das erfährt man
                                          cho den Wanderprediger Jesus treffen.
                                                                äus«  –  dem   jüngsten  Stück,    das  die  Dietrich   -Heise- Schule in
                                          im Musical »Bartim
                                                                                                              in  der  christlic h gepräg-
                                          Görlitz auf die Bühne gebracht hat. Seit zehn Jahren werden
                                                                                        iert.  In Musik    wird   der   Gesang   geübt, in
                                          ten Bildungseinrichtung Musicals einstud
                                                                    geprobt , im Sport  die Akroba    tik  trainier t  und  im Fach  Wer-
                                          Deutsch das Schauspiel
                                                      die  Kulisse n gebaut.  Auch die Ganzta     gsangeb   ote sind  in  das Projekt ein-
                                          ken werden
                                                                                                                         haben die Nach-
                                          gebunden. Die Schülerzeitung schreibt über die Stücke. Dieses Jahr
                                                                        Blatt  etwas ganz  Besond    eres  zu berichte   n: Denn diesmal
                                          wuchsjournalisten in ihrem
                                                       die Grunds   chule mit  dem Görlitze   r Theater  , das  laut  der  pädagogischen
                                          kooperierte
                                                                                                    »Bartim    äus«   ausverk  auft war.
                                           Mitarbeiterin Kathleen Siekierka zur Premiere von

     »Jahrgangskonzept«
  Bevor sich die Neuntklässler mit der eigenen Berufs- und Studienwahl
                                                                          beschäf tigen werden,
  geht es 2.000 Jahre zurück in die Vergangenheit – in die Welt der
                                                                      griechischen Mythologie.
  »Im Olymp da ist die Hölle los«, heißt das Stück, das sie aufführen.
                                                                        Für die 67 Schüler vom
  Julius-Mosen-Gymnasiu m in Oelsnitz ist es der Höhepu nkt des Jahrgan
                                                                           gskonzepts, bei dem
  sie von der fünften bis zur zehnten Klasse jeweils ein anderes Projekt
                                                                           pro Schuljahr stem-
  men. Los geht es mit den Bläser- und Freiarbeitsklassen. Durch das
                                                                       gemeinsame Musizieren
  bzw. das selbstständige Lösen ausgewählter Lerninhalte werde
                                                                     in den ersten drei Jahren
  der Zusammenhalt, die Arbeitsbereitschaft und das Konzentrations
                                                                       vermögen gefördert, er-
                                                                                                             Julius -Mosen
                                                                                                             Gymnasium -
  klärt Lehrerin Lydia Solondz-Lorenz. In Klasse acht absolvieren die
                                                                       Schüler ein einwöchiges
  Praktikum in einem Altenpflegeheim, einer Förderschule oder ähnlich
                                                                                                             Oelsnitz/Vogtlan
                                                                           en Einrichtungen in
                                                                                                                             d
  der Region. Ein Jahr später folgt das Theaterprojekt , das mit einem
                                                                       öffentlichen Auftritt am
  König-A lbert-Theater in Bad Elster endet und stets die Zuschauer
                                                                      begeistert.

 8        KLASSE 2 / 2016
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
TITEL

                                                     »Der Jugendstadtrat Leisnig – eine aktive Form der Mitbe
        Peter -Apian-                                                                                         -
        Oberschule Leisnig                           stimmung der Jugendlichen auf kommunaler Ebene«
                                                       Die Jugend hat die Macht übernom men – zumindest für ein paar
                                                                                                                            Stunden im Leisni-
                                                       ger Rathaus. Im Stadtrat sitzen diesmal die Neuntklässler der Peter-A
                                                                                                                              pian-Oberschule.
                                                      Es geht um einen neuen Skateplatz, eine bessere Beleuchtung der
                                                                                                                           Schulwege oder die
                                                      Sanieru ng des Freibades. Das Planspiel ist der Höhepu nkt eines
                                                                                                                       jährlich stattfindenden
                                                      Projektes, bei dem die Schüler durch ihr eigenes Handeln lernen
                                                                                                                        und die Generationen
                                                      voneinander profitieren sollen. Aufmerksam hört sich Bürgerm
                                                                                                                       eister Tobias Goth die
                                                      Anträge und Anfragen der Fraktionen an, die die jugendlichen Stadträ
                                                                                                                             te zuvor mit Hilfe
                                                      erfahrener Bürgervertreter ausgearbeitet haben. Die Schüler wiederu
                                                                                                                           m spüren durch das
                                                      Planspiel, dass nicht jeder Wunsch sofort umsetzbar ist und nur
                                                                                                                       konstru ktive Diskussi-
                                                      onen zielführend sind. »Man muss überzeugen können und Wissen
                                                                                                                          über eine bestimmte
                                                      Sache haben«, sagt Schulleiterin Kristin Dorias-Thomas. »Dann macht
                                                                                                                              politische Mitbe-
                                                      stimmu ng Spaß, wird live erfahrbar und günstigenfalls in die Wirklic
                                                                                                                            hkeit umgesetzt.«

»Schulband«
                                                                           das Schlagzeug und
Die Aufnah me läuft, jetzt muss es rocken. Der Drummer drischt auf
                    die Akkord  e. Christia n Frenzel ist zufriede  n. Er  ist einer der beiden
der Bassist rammt
                                                               nd  an  der  Regenbogenschule
Verantwortlichen, die vor sechs Jahren das Projekt Schulba
                                               tung für geistig  Behinde  rte.  In der Werkstu-
in Döbeln initiierten – einer Bildungseinrich
                           die Jugendl ichen  seitdem  zunächs   t verschie  dene   Instrumente
fe ab Klasse zehn lernen
                                                                    am   spielen   können  . Das
kennen, damit sie bald eigene oder gecover te Songs gemeins
                                                  und motoris   chen   Handic   aps  der Schüler
Projekt wirke den körperlichen, sprachlichen
                                                                        wichtiger Baustein für
entgegen, erklärt Christian Frenzel. Die Bandarbeit sei zudem ein
                                                                                                             Regenbogenschule,
                                                                                                             Schule für geistig
                                                                        Musizieren entwickle
die Entwicklung des Selbstbewusstseins. Denn das gemeinsame
                                                                                                             Behinderte, Döbeln
                                                    Erfolg sowie   zur   Erlangu ng von Aner-
Sozialkompetenz und begleite die Schüler zum
                                      Tür   an der Regenb  ogensch   ule  oder beim Musikfest
kennung – wie beim Tag der offenen
                  auch  eine eigene CD   wird  die Schulba nd  stolz  in den   Händen halten.
 in Grimma. Und

     Gymnasium                                 »Kulturversuch«
     Marienberg                                  Es ist der Motor für eine ganze Region. Seit 1997 findet am Gymna
                                                                                                                        sium Marienberg der
                                                 Kulturversuch statt, der jedes Jahr ein anderes Thema aufgreif t –
                                                                                                                    wie 2015 die Bewerbung
                                                des Erzgebi rges als Weltkulturerbe. 26 Projekte organisierten die
                                                                                                                    Zehntklässler mit Hilfe
                                                der Lehrer und externer Partner. Eine Woche lang wurde geklöpp
                                                                                                                     elt, genäht, gefilmt und
                                                vieles mehr, um das Vorhaben der Montan region zu unterstützen.
                                                                                                                      Die Ergebnisse präsen-
                                                tierten die Schüler vor einer Kommission der UNESCO. Aber auch
                                                                                                                      die Menschen vor Ort
                                                hatten sie im Blick. Denn während der Projekt woche veranstalteten
                                                                                                                      sie auch eine Podiums-
                                                diskussion, eine Theateraufführ ung und viele andere Program me,
                                                                                                                    die das Gymnasium tra-
                                                ditionell zum kulturellen Zentrum von Marienberg werden lassen.
                                                                                                                       »In den Projektgrup-
                                                pen als gleichberechtigte Partner respektiert zu sein, sich auf Augenh
                                                                                                                        öhe zu begegnen und
                                                tätig zu werden, bringt alle Beteilig ten einander näher und stärkt
                                                                                                                      das Selbstbewusstsein
                                                und das gesellschaftliche Engagement der Schüler«, sagt Rektor Robby
                                                                                                                           Buttke.

  »Luther in mir«
                                                                                      zu sein. Doch vie-
   Martin Luther scheint heute den meisten Menschen fremd und fern
                                                         und   angesto   ßen  hat,   ist immer noch ak-
   les, was der Reformator vor 500 Jahren gesagt
                                          en  Miteina   nder  – überall.  Das    zeigen   die Schüler des
   tuell. Im Alltag, im gesellschaftlich
                    r-Gymn   asiums  in  Torgau     mit  ihrem    jahrgan  gsüberg     reifende n Musik-
   Johann-Walthe
                                                                     rten Mensch      en  der Lebensh ilfe
   theaterprojekt »Luther in mir«. Gemeinsam mit behinde
                                             che  Bilder  aus der   Zeit des  Kirchen     mannes  auf ak-
   projizieren sie auf der Bühne historis
                         ein Puzzle  setzen   sie die Vergang    enheit  und  Gegenw      art zusamm  en.
   tuelle Themen. Wie
                                                                        Politik   und    das  Anpran gern
   Es geht um Toleran z, aber auch um Gott, Glaube, Moral,
                                                                                   hrung 2013 wird die
    von Missständen. Das kommt beim Publiku m an. Seit der Urauffü
                                                                                                                Johann-Walther-
                              ßig gebucht  . Der  Lohn    neben   viel Applau    s: »Theater verknüpft
    Theatergruppe regelmä
                                                                                                                Gymnasium,
                                                                                     fördert soziale und
    Sprache, Musik, Tanz, Mimik und Gestik. Das gemeinsame Spiel
                                                                                                                Torgau
                                                                   sfähigk  eit,  flexible  s Verhalten –
    kulturelle Fähigkeiten. Teamarbeit, Kommu nikation
                                          ltag  wie  auch  im   späteren   Leben    gebrauc   ht werden«,
    das sind alles Dinge, die im Schulal
    sagt Schirmh  errin und  Kultusm   inisterin   Brunhil  d Kurth.

                                                                                                                      KLASSE   2 / 2016      9
KLASSE - Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen
E I N TAG I N B I L D E R N

In kleinen Schritten
  Ein Tag an der 138. Oberschule in Dresden, die seit September 2014 auch eine DaZ-Schule ist.

TEXT: NICOLE KIRCHNER, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER

                                              Selbstständige Textarbeit: Auch wenn
                                              Ivana Vujica an der Tafel arbeitet, hat sie
                                              ihre andere Schülergruppe im Blick. Wäh-
                                              rend die Schülergruppe vorn Sätze zur
                                              Uhr aufschreibt, kontrolliert sie bei den
                                              anderen Schülern den Fortschritt bei der
                                              Übersetzungsarbeit. Es geht um einheimi-
                                              sche Tiere, eine erste Vorbereitung auf den
                                              Biologieunterricht.
297 Schulen in Sachsen bieten das Unter-
richtsfach »Deutsch als Zweitsprache«
(DaZ) an, eine von ihnen ist die 138.                                                       10.20 Uhr, Klasse 9b, Mathematik: Frau
Oberschule in Dresden. 46 von rund 340                                                      Fritsch teilt die zensierte Klassenarbeit
Schülern besuchen hier im Stadtteil Gor-                                                    aus. Thema »Quadratische Gleichungen«.
bitz im Drei-Phasen-System den DaZ-                                                         Andrii (17) aus der Ukraine ärgert sich ein
Unterricht. Sie kommen aus verschiedenen                                                    bisschen über die Zwei Minus. Seit einem
Ländern wie Polen, Syrien, Libyen, Russ-                                                    Jahr besucht er die 138. Oberschule. DaZ-
land, Portugal, Tschetschenien, Afghanis-                                                   Unterricht braucht er keinen mehr – er
tan und den Balkanstaaten. Für Schulleiter                                                  besucht in Phase 3 eine ganz normale Re-
Frank Lotter und sein Lehrerteam ist das                                                    gelklasse und fühlt sich in der Klasse sehr
eine große Herausforderung, denn wegen                                                      wohl. Nächstes Jahr möchte er hier seinen
des unterschiedlichen Wissensstands der       Kooperation mit dem Kinder- und Ju-           Realschulabschluss machen und, wenn es
DaZ-Schüler müssen seine Lehrerinnen          gendhaus »InterWall«: Zum Glück be-           klappt, noch das Abitur dranhängen.
und Lehrer differenziert unterrichten und     kommt Ivana Vujica bei ihrer Arbeit
auf jeden ganz individuell eingehen.          regelmäßig Unterstützung. Schulleiter         11.15 Uhr, DaZ-Unterricht, Phase 2: Bei
                                              Frank Lotter ist sehr stolz auf die Zusam-    DaZ-Lehrerin Carina Hilgenberg herrscht
                                              menarbeit mit dem benachbarten Kinder-        ein ständiges Kommen und Gehen. Ihre
                                              und Jugendhaus »InterWall«. Praktikan-        Schüler befinden sich alle in Phase 2, das
                                              ten, die dort gerade eine Ausbildung zum      heißt, sie besuchen bereits einige ausge-
                                              Erzieher machen, helfen hier im Unter-        wählte Unterrichtsfächer wie Sport, Kunst

9.10 Uhr, DaZ-Unterricht, Phase 1:
DaZ-Lehrerin Ivana Vujica erklärt einigen
Schülern an der Tafel die Uhr. Sie malt den
großen Zeiger auf die Vier und den kleinen
zwischen die Fünf und Sechs. »Wie spät ist
es?«, fragt sie. Hassan (11), Khaled (17)     richt mit. Und noch einen positiven Ne-       oder Mathe in den Regelklassen. Heute
und Yasin (13) wissen sofort die Antwort      beneffekt erhofft sich Frank Lotter von       beginnt der Unterricht mit einem Spiel:
und melden sich. Sie alle sind Schüler der    der Kooperation: »Wir versuchen damit         Rahaf (14) aus Palästina soll mit geschick-
Phase 1, das heißt, sie werden ausschließ-    unsere DaZ-Schüler auch außerhalb der         ten Ja/Nein-Fragen das Tier, das hinter ihr
lich im Fach »Deutsch als Zweitsprache«       Schulzeit erfolgreich zu integrieren, denn    an der Tafel hängt, erraten. »Ist das Tier
unterrichtet. Yasin aus Syrien ist gerade     sie können auch nachmittags Angebote          groß?«, fragt Rahaf. »Ja«, schallt es im
seit zwei Monaten hier an der Schule und      im »InterWall« wahrnehmen.«                   Chor. Carina Hilgenberg lächelt zufrieden.
spricht schon ganz gut Deutsch.

10       KLASSE 2 / 2016
AUS SCHÜLERSICHT

 Lernen auf Achse
 Gestern Frühlingsfest in Chemnitz, heute Vogelschießen in Plauen, demnächst
 Stadtfest in Freiberg: Schaustellerkinder kommen viel herum. Doch auch die-
 se Kinder sind schulpflichtig. Wie organisieren sie erfolgreich ihren Schulalltag?
 Franz Bretschneider erzählt über sein Schultagebuch, den Schulwagen – und den
 Lehrer Thomas Carl.

 TEXT: BEATE DIEDERICHS, KLASSE-REDAKTION; FOTO: MIKE HILLEBRAND

                                                                  Franz Bretschneider reist mit seinen Eltern von Volksfest zu Volksfest.

E
        nglisch fällt Franz leicht, in Physik   lern, Lehrern, Unterrichtsmethoden. Die       buchs, mache Hausaufgaben oder bereite
        liebt er Experimente, Biologie mag      offiziell gewährten Reisetage kosten ihn      mich auf Tests vor«, sagt Franz. Im Schul-
        er weniger. Ein ganz normaler Schü-     zudem Unterrichtszeit. Vor Ort besucht        tagebuch wird notiert, wann der Schüler
ler. Doch eins unterscheidet den 12-Jähri-      er Oberschulen, die nahe den Festplätzen      wo den Unterricht besucht und was er
gen von den meisten Altersgenossen: Er ist      gelegen sind. Oft sind das immer wieder       dort gelernt hat. Auch ein individueller
ein Kind beruflich Reisender. Dazu zählen       dieselben. Doch manchmal ist die entspre-     Lernplan befindet sich darin. »Das Tage-
Schausteller, Zirkusangehörige, ambulante       chende Klassenstufe voll und er muss an       buch ist bundesweit einheitlich gestaltet,
Händler und Puppenspieler. Franz‘ Eltern        eine weiter entfernte Schule ausweichen.      obwohl jedes Bundesland sein eigenes Bil-
und Großeltern betreiben eine mobile Waf-       »Man ist eigentlich immer der Neue«, be-      dungssystem hat«, betont Thomas Carl.
felbäckerei, einen Eiswagen und ein Kin-        richtet Franz. Er wirkt selbstbewusst und     Der Schulwagen ist ein ehemaliger Wohn-
derkarussell. »Ich kam in Plauen zur Welt,      pragmatisch, wurde aber trotz seines Auf-     wagen mit Schreib-Ecke, den der Förder-
wo meine Eltern beim Pfingstvolksfest gas-      tretens schon von Mitschülern gemobbt.        verein »Schulbildung von Schaustellerkin-
tierten. Seitdem begleite ich meine Familie     »Mobbing gibt es zum Glück nur ab und         dern in Sachsen e. V.« unterhält und den
von Volksfest zu Volksfest«, erzählt Franz      zu. Dagegen halten wir Schaustellerkinder     das SMK mit Unterrichtsmitteln ausge-
Bretschneider. Viele jüngere Schausteller-      zusammen. Oft reagieren die Mitschüler        stattet hat.
kinder bleiben während der Saison bei den       aber auch sehr positiv auf uns«, sagt er.
Großeltern und besuchen dort die Schule.                                                      Franz Bretschneider und seine Familie
Doch für Franz war das nicht möglich, da        Der mobile Lehrer                             schätzen es, dass ihnen Thomas Carl hilft.
auch die Großeltern tourten. Erst seit den                                                    Das Problem: Es gibt ihn nur einmal.
letzten Jahren sind Oma und Opa weniger         Thomas Carl nickt zu dem, was Franz           Carl hat eine Vollzeitstelle und fährt täg-
unterwegs. Seitdem wohnt Franz teilwei-         erzählt. Als langjährige mobile Bereichs-     lich rund 200 Kilometer, arbeitet mit den
se im Familienhaus in Chemnitz-Harthau          lehrkraft kennt der 49-Jährige diese Erfah-   Schülern im Schulwagen oder besucht die
und besucht seine Stammschule, die Alt-         rungen. Seit 2004 unterstützt er die Kinder   Schulen. Doch wenn mehrere Volksfeste
stadtschule Stollberg.                          der beruflich Reisenden bei ihrem Schulbe-    zugleich stattfinden, kann er nicht überall
                                                such und steht ihren Familien und Lehrern     vor Ort sein. »Er hängt dann meist einen
Von Schule zu Schule                            beratend zur Seite. Momentan ist er für 62    Plan an den Wagen, der zeigt, wann er da
                                                sächsische Schaustellerkinder zuständig.      ist«, sagt Franz. So lernen Schüler und
Wenn im April die Volksfest-Saison be-          »Wenn wir unterwegs sind, besuche ich         Lehrer, wenn beide auf Achse sind.
ginnt, fängt für Franz eine bewegte Zeit        zunächst den regulären Unterricht. Dann
an: Selten baut die Familie ihre Wagen          gehe ich zu Herrn Carl in den Schulwagen,
für länger als zwei Wochen an einem Ort         wenn er ihn an dem Festplatz aufgestellt
                                                                                                  Weitere Informationen zum Unter-
auf. So muss er alle 14 Tage eine andere        hat, wo wir gerade sind. Dort arbeite ich
                                                                                                  richt für Kinder beruflich Reisender unter:
Schule besuchen, mit anderen Mitschü-           mit ihm an den Aufgaben des Schultage-            www.schule.sachsen.de/2700.htm

                                                                                                                     KLASSE     2 / 2016        11
INTERVIEW

Burnout trifft nicht nur Lehrer
Arbeitsmediziner Dr. Guido Prodehl über Lehrergesundheit, typische Risikofak-
toren in der Schule und Lehrer, die über viele Jahre gesund durch den Schulall-
tag kommen.

INTERVIEW: NICOLE KIRCHNER, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER

E Sind Lehrer öfter krank als andere Berufsgruppen?                     an Rauchern, erhöhte Glukosewerte (5 Prozent Diabetiker)
                                                                        und somit auch ein auffälliges kardiovaskuläres Risiko zu ver-
Dr. Guido Prodehl: Allgemein gültige Aussagen zum Gesund-               zeichnen. Es werden die meisten Ausfalltage und die häufigste
heitszustand der Lehrer im Verhältnis zu anderen Berufen sind           Betroffenheit von Langzeiterkrankungen dokumentiert. Es ist
schwierig. Was man aber positiv hervorheben kann: Lehrkräfte            aber dabei zu beachten, dass der Anteil der schwerbehinderten
zeigen – mit wenigen Ausnahmen – häufiger gesundheitsförder-            Lehrerinnen und Lehrer an Förderschulen besonders hoch ist.
liche Verhaltensweisen wie Sport oder Nichtrauchen als die All-
gemeinbevölkerung, sie haben einen günstigeren Body-Mass-In-            E Woran erkranken Lehrer am häufigsten?
dex, sind seltener krankgeschrieben und allgemein zufriedener
mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Es ergeben sich aber Zusammen-         Lehrkräfte fallen durch ihren bereits in jüngeren Jahren erhöh-
hänge zwischen der Gesundheit und der Schulform.                        ten Blutdruck und ihre Beschwerden im Bereich des Herz-Kreis-
                                                                        lauf-Systems, des Bewegungsapparats und der Atemwege auf.
E Welche Zusammenhänge meinen Sie genau?                                Bei den Krankenkassen werden im Vergleich zum Durchschnitt
                                                                        häufiger Atemwegs- und psychische Erkrankungen dokumen-
Uns fielen bei der Datenauswertung zwei Be-                             tiert. Geschlechtsunabhängig bestehen erwartungsgemäß Alters-
sonderheiten auf: Der höchsten gesundheitli-                            unterschiede vor allem bei den kardiovaskulären Risikofaktoren,
chen Gefährdung unterliegen die Lehrkräfte                               zum Beispiel Blutdruck, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Body-
an Oberschulen. Sie zeigen in den meisten                                Mass-Index. Speziell ältere Lehrerinnen haben deutlich höhere
Arbeits-, Gesundheits- und Personenmerk-                                 Blutdruck- und Gesamtcholesterin-Werte und geben eine geringe-
malen die ungünstigsten Ausprägungen. Bei-                              re Erholungsfähigkeit sowie Zufriedenheit an. Außerdem berichten
spielsweise sind sie weniger zufrieden mit dem                          Lehrerinnen im Vergleich zu Lehrern häufiger ein Missverhältnis
Lehrerberuf, besitzen höhere Blutdruck- und                             von Verausgabung und Belohnung und, weisen einen höheren
Gesamtcholesterin-Werte, geben die meisten                              Krankenstand auf, rauchen aber seltener.
Beschwerden, einschließlich Burnout-
Symptome, an und neigen häufiger zur                                    E Ist Burnout eine typische Lehrerkrankheit?
übersteigerten Verausgabung. Eine
zweite Besonderheit ergibt sich                                          Für das Burnout-Syndrom beziehungsweise einzelne Burnout-
für die Lehrkräfte an den För-                                           Symptome kann kein Unterschied zur Allgemeinbevölkerung
derschulen. Diese fielen inter-                                           festgestellt werden.
essanterweise in unseren Un-
tersuchungen durch ihre hohe                                               E Im Vergleich zu anderen Bundesländern: Wie steht es da
berufliche Zufriedenheit, ein                                                um die Gesundheit der sächsischen Lehrer?
günstiges      arbeitsbezogenes
Verausgabungs-B elohnungs-                                                     Dazu sollten Sie folgendes wissen: Die Bundesländer ha-
Verhältnis, einen geringen An-                                                 ben deutschlandweit unterschiedliche Vorgehensweisen
teil an Beschwerden und ein ge-                                                 in der betriebsärztlichen Betreuung der Lehrerinnen und
ringes Burnout-Risiko positiv auf.                                                Lehrer realisiert. In Sachsen besteht die Besonderheit
Im Vergleich zu den Lehrkräften                                                     einer »Vor-Ort- Betreuung«. Durch die Betriebsärzte
anderer Schularten waren anderer-                                                     und Sicherheitsfachkräfte werden regelmäßige Be-
seits bei ihnen ein höherer Anteil                                                     gehungen der Schulen durchgeführt und in diesem

                                                                                             Beim Sehtest wird die Sehschär fe überprüft.
 Dr. Guido Prodehl leitet seit
                                                                                              Auch das räumliche Sehen wird getestet.
 Januar 2016 gemeinsam mit
 zwei weiteren Geschäftsführern
 das Zentrum für Arbeit und Ge-
 sundheit Sachsen. Das ZAGS
 kümmert sich in Sachsen auch um
 die Lehrergesundheit und bietet in
 diesem Rahmen Vorsorge-Unter-
 suchungen für Lehrer an.

                                          Zu Beginn der Vorsorge-Untersuchung wird ein

12      KLASSE 2 / 2016                    Anamnese-Bogen ausgefüllt.
INTERVIEW

      Zusammenhang wird die Gefährdungsbeurteilung der Lehrkräfte                      zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit« (sog. FEE-Programm): Lehr-
      aktualisiert. Wir bieten mit der Möglichkeit der arbeitsmedizini-                kräfte, die von einer Erkrankung bedroht sind und bereits erste
      schen Vorsorge in den Schulen ein niederschwelliges Angebot an.                  Symptome zeigen, können an einer einwöchigen stationären/am-
      In anderen Bundesländern gibt es Zentren für Lehrergesundheit,                   bulanten Rehabilitation in Bad Gottleuba oder Leipzig teilneh-
      an denen die einzelnen Lehrkräfte untersucht und beraten werden                  men. In den folgenden drei Monaten werden Sie arbeitsbeglei-
      können. Aus diesem Grund halte ich es für schwierig, die Daten                   tend einmal in der Woche circa zwei Stunden therapiert. Nach
      aus den anderen Bundesländern zum Vergleich heranzuziehen.                       sechs Monaten folgt ein Abschlusstag in der Reha- Einrichtung.

      E Was genau passiert bei der Vorsorge-Untersuchung für Lehrer?                  E A ls Lehrer muss man aber keine arbeitsrechtlichen Konsequen-
                                                                                          zen fürchten, wenn man an so einem Programm teilnimmt…?
      Eine arbeitsmedizinische Vorsorge für Lehrerkräfte beinhaltet
      die Erhebung der Krankheitsgeschichte, einen Sehtest, eine Blut-                 Nein, arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen nicht. Bei Arbeits-
      druckmessung, die Bestimmung der Fettstoffwechselparameter,                      unfähigkeit übernimmt der Hausarzt Diagnostik und Therapie,
      die Nüchtern-Glukose sowie die Erfassung der psychischen Be-                     die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist für sechs Wochen
      lastungen. Bei Vorlage des Impfausweises führen wir eine Impf-                   durch den Arbeitgeber und im Anschluss durch die Krankenkasse
                                                                                                                       abgesichert. Die Teilnahme an
                                                                                                                       Präventionskursen findet in der

      »LEHRKRÄFTE ZEIGEN – MIT WENIGEN                                                                                 Freizeit der Lehrer statt. Bei ei-
                                                                                                                       ner medizinischen Rehabilitati-

      AUSNAHMEN – HÄUFIGER GESUNDHEITS-                                                                                on ist der Mitarbeiter ebenfalls
                                                                                                                       rechtlich und finanziell abge-

      FÖRDERLICHE VERHALTENSWEISEN.«
                                                                                                                       sichert. Sollte sich nach langer
                                                                                                                       Erkrankung das Leistungsbild
                                                                                                                       des Lehrers geändert haben,
                                                                                                                       besteht die Möglichkeit, den
      beratung durch. Nach Abschluss der Vorsorge verschicken wir                      Arbeitsplatz im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsma-
      einen persönlichen Befundbericht an jede Lehrkraft. Die Teil-                    nagements anzupassen.
      nahme an einer arbeitsmedizinischen Vorsorge für Lehrkräfte
      ist bis auf die Vorsorge in G-Förderschulen freiwillig und kann                  E Stichwort Prävention: Wo müssen Lehrer besonders aufpas-
      alle drei Jahre wiederholt werden.                                                 sen, um nicht krank zu werden? Wie bleibt man als Lehrer
                                                                                         gesund?
      E Was passiert mit der arbeitsmedizinischen Beurteilung?
                                                                                       Für Lehrer gelten ähnliche Empfehlungen wie für die Allgemein-
      Grundsätzlich unterliegen die Betriebsärzte der ärztlichen                       bevölkerung. Eine gesunde Lebensweise mit ausreichend körper-
      Schweigepflicht. Inhalte der Untersuchungen gelangen also we-                    licher Aktivität gilt als gesundheitsförderlich. Geringe Maßen an
      der an den Arbeitgeber noch an den Schulleiter. Während der                      Alkohol, Nikotinverzicht und das Einhalten des Normgewichts
      Untersuchung oder im Befundbericht sprechen wir Präventions-                     fördern ebenfalls das gesunde Altern. Neben uns Betriebsärzten
      empfehlungen aus oder verweisen an den Haus-/Facharzt.                           bieten die Hausärzte sogenannte Check-up-Untersuchungen ab
                                                                                       dem 35. Lebensjahr an, die Teilnahme hieran ist ebenso anzura-
      E Wie sieht das in der Praxis aus: Welche Angebote gibt es für                  ten wie die Teilnahme an den entsprechenden Krebsvorsorgeu-
         Lehrer, wenn sie Hilfe benötigen?                                             Untersuchungen. Im Arbeitsalltag bemerken wir, dass einige
                                                                                       Lehrer über gehäuftes Auftreten von Kopfschmerzen und Stimm-
      Wir beraten die Lehrer bereits zur Untersuchung individuell                      schwierigkeiten klagen. Auf Nachfrage berichten einige Lehr-
      über Möglichkeiten zur Verbesserung des Gesundheitszustan-                       kräfte über eine deutlich zu geringe Flüssigkeitsaufnahme. Es ist
      des. Je nach Bedarf kann das die Empfehlung zur Teilnahme an                     ratsam im Lehrerberuf ausreichend zu trinken, da gerade durch
      einem Präventionskurs der Krankenkassen sein, bei auffälligen                    das lange Unterrichten vor der Klasse die Schleimhäute leicht
      Befunden raten wir zu einer weiteren Diagnostik beim Hausarzt                    austrocknen können. Wesentlich für das Wohlbefinden am Ar-
      oder Facharzt. Über die Deutsche Rentenversicherung kann bei                     beitsplatz ist der kollegiale Umgang an der Schule. Gute Kommu-
      entsprechender medizinischer Indikation auch ein Antrag auf                      nikation, das Aufstellen und Einhalten klarer, nachvollziehbarer
      Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder ein Antrag auf                      Regeln im Schulalltag, gute Führung durch die Schulleitung und
      medizinische Rehabilitation durch den Betriebsarzt unterstützt                   Bewältigung der Probleme im Team tragen zur Arbeitszufrieden-
      werden. Eine Besonderheit ist das Programm »Frühintervention                     heit genauso bei wie der offene Umgang mit Lob und Kritik.

                                                       Neben der Blutdruckmessung wird außerdem mit

                                                        einem Bluttest die Nüchtern -Glukose ermittelt.

Mit einem speziell für Lehrer angepassten pyscholo -                                                              Beim abschließenden Arztgespräch werden die

 gischen Test werden Stressfaktoren abgefragt.                                                                     persönlichen Risikofaktoren ausgewertet.
RECHT UND ORDNUNG

Vielen Dank für die Blumen
 Bald endet das Schuljahr. Immer wieder bei Eltern beliebt: eine kleine Aufmerksamkeit

 für die Lehrerin oder den Lehrer. Auch wenn es eine nette Geste ist, dürfen Lehrer jedoch

 nur in Ausnahmefällen Geschenke annehmen. TEXT: LOUISA HANTSCHE, KLASSE-REDAKTION

Dürfen Lehrer Geschenke annehmen?             Was mache ich als Lehrer, wenn das Ge-      die Schulleitung in jedem Fall vorher zu-
                                              schenk über der Höchstgrenze liegt?         stimmen.
Sobald Geschenke in Verbindung zum
Beruf stehen und nicht vorher von der         Liegt ein zustimmungspflichtiges Ge-        Gibt es Konsequenzen für mich als
Schulleitung abgesegnet worden sind,          schenk über der zulässigen Höchstgren-      Lehrer, wenn ich das Geschenk doch
dürfen sie nicht angenommen werden –          ze oder bestehen Zweifel hierüber, muss     annehme?
weder explizit, noch durch schlüssiges        vor der Annahme unbedingt die Ge-
Verhalten und egal, ob im Schulgebäude        nehmigung eingeholt werden. Wenn die        Ein Verstoß gegen das Verbot ist ein
oder zu Hause. Ein Geschenk gilt selbst       Zustimmung nicht rechtzeitig eingeholt      Dienstvergehen. Nicht verbeamteten
dann als angenommen, wenn es direkt           werden kann, so darf das Geschenk aus-      Lehrern und Auszubildenden drohen ar-
weiterverschenkt oder gespendet werden        nahmsweise unter Vorbehalt angenom-         beitsrechtliche Sanktionen bis hin zur
soll. Bei sogenannten geringwertigen Auf-     men werden. Für die Lehrer im Beschäf-      Kündigung. Beamte müssen mit diszip-
merksamkeiten, also einfachen Reklame-        tigtenverhältnis ist der Schulleiter die    linarischen Maßnahmen rechnen – was
Artikeln wie Stiften oder Kalendern, gilt     zuständige Stelle.                          sogar die Entfernung aus dem Beam-
die Zustimmung jedoch von vornherein                                                      tenverhältnis oder die Aberkennung des
als erteilt. Sie können auch ohne Rück-       Eltern schenken mir Blumen. Muss ich        Ruhegehalts bedeuten kann. Auch auf
sprache mit der Schulleitung entgegenge-      mir dafür den Kassenzettel zeigen lassen?   strafrechtlicher Ebene kann eine Vor-
nommen werden.                                                                            teilsnahme mit Geld- oder Freiheitsstra-
                                              Nein, aber schauen Sie sich den Strauß      fe geahndet werden. Zudem kann der
Warum darf man sich als Lehrer nichts         genau an: Liegt er höchstwahrscheinlich     Dienstherr oder Arbeitgeber sich einen
schenken lassen?                              über einem handelsüblichen Marktwert        eventuell entstandenen Schaden ersetzen
                                              von schätzungsweise 20 Euro, muss eine      und die Geschenke herausgeben lassen.
Lehrer haben einen staatlichen Auftrag,       ausdrückliche Zustimmung eingeholt          Zu bedenken ist ferner, dass sich auch der
der sachbezogen und unparteiisch erfüllt      werden.                                     Vorteilsgeber gegebenenfalls strafbar ma-
werden muss. Der öffentliche Dienst ge-                                                   chen kann. Schon die staatsanwaltlichen
nießt das Vertrauen der Bevölkerung. Das      Gibt es Geschenke, die Lehrer prinzipiell   Ermittlungen bedeuten erhebliche Unan-
grundsätzliche Verbot zur Annahme von         nicht annehmen dürfen?                      nehmlichkeiten für die Betroffenen.
Geschenken und anderen Vorteilen soll
dieses Vertrauen schützen und den staatli-    Lehrer dürfen kein Geld annehmen. Eine      An wen kann ich mich als Lehrer bei
chen Verwaltungsapparat funktionsfähig        Ausnahme gilt allerdings für Auszeich-      rechtlichen Fragen dazu wenden?
halten. Schon der bloße Anschein, dass        nungen oder Preise, solange sie den Leh-
Lehrer korrupt sein könnten, soll vermie-     rer nicht in seiner objektiven Dienstaus-   Lehrer können sich an den Schulleiter
den werden.                                   übung beeinträchtigen                       oder die Sächsische Bildungsagentur wen-
                                              oder sonst der Ein-                         den.
Gibt es eine finanzielle Höchstgrenze?        druck der Befangen-
                                              heit entsteht. Aber
Eine Höchstgrenze ist nicht ausdrück-         auch hier muss
lich festgelegt. Allerdings müssen sich die
Geschenke in einem allgemein üblichen
Rahmen bewegen. Da dieser nur schwer
bestimmbar ist, wird ein Wert von
etwa 70 Euro als Orientierungs-
hilfe angegeben. Geringwerti-
ge Aufmerksamkeiten sollten
nicht teurer als 20 Euro sein.
Die allgemeine Zustimmung
gilt nur, solange der Gesamt-
wert aller Aufmerksamkeiten
nicht über 60 Euro im Jahr liegt.

14      KLASSE 2 / 2016
FR AGEBOGEN

»Kommunikation als
Pflichtfach in der Schule«
Was macht einen guten Lehrer aus? Und einen guten Schüler? Mit dem KLASSE-
Fragebogen bitten wir Bildungsträger und Prominente aus Sachsen, uns einen
Einblick in ihre persönlichen Lernerfahrungen zu geben.

ANTWORTEN: AL DI MEOLA, JAZZ-GITARRIST

Als ich klein war, wollte ich Feuerwehrmann werden.
Meine Eltern wollten, dass ich BWL studiere, wenn ich groß bin.

Als Schüler war ich gut in Überall ganz okay, aber ich hatte nur meine
Musik im Kopf.
Heute bin ich gut in Psychologie, Musik. Seit ich nach Deutschland gezogen
bin, interessiere ich mich sehr für die europäische Geschichte, die wir in             Al Di Meola,
                                                                                       ist ein weltbekannter Jazz-
der Schule nur wenig behandelt haben.                                                  Gitarrist. Der 1954 in New
Mein liebstes Schulfach war: Biologie.                                                 Jersey geborene Musiker
                                                                                       kann mittlerweile auf eine
Das Schulfach, das ich überhaupt nicht mochte, war: Algebra.                           40 Jahre lange Karriere
                                                                                       im Musikgeschäft zurück-
Das hat mich in der Schule am meisten genervt: in keine Gruppe zu passen.              blicken. Für sein virtuoses
                                                                                       Gitarrenspiel gilt Al Di
Das hat mir an Schule am besten gefallen: Chor, Sport.
                                                                                       Meola in der Jazzszene als
Ein guter Lehrer: hat Geduld und die Fähigkeit, mir Dinge näher zu bringen,            Gitarrenheld. Sein aktuel-
                                                                                       les Album heißt »Elysium &
die mich eigentlich nicht interessieren.
                                                                                       More« – eine Reise durch
Ein guter Schüler: hört zu und ist respektvoll dem Lehrer und den Mitschülern          sein Lebenswerk. Al Di
                                                                                       Meola ist mit einer Sächsin
gegenüber.
                                                                                       aus Oederan verheiratet,
In meinem Leben will ich noch: die Kunst der persönlichen Kommunikation per-           mit der er sich im Januar

fektionieren. Meiner Meinung nach sollte heutzutage Kommunikation ein                  2016 nochmal über Nach-
                                                                                       wuchs freuen konnte.
Pflichtfach in der Schule sein, das schon im Grundschulalter gelehrt wird.
Am besten kann ich mich konzentrieren, wenn: absolute Stille herrscht.

Mein Lieblingsbildungsort ist: mein Musikstudio in Miami direkt am Strand.

Wenn ich meinen Beruf noch einmal wechseln würde, dann würde ich Schönheitschirurg werden.

Als Ausgleich zu meiner Arbeit muss ich Sport machen. Außerdem kaufe ich gerne Notenbücher
und lese sie, zum Beispiel im Flugzeug.
Ich liebe an meinem Job, dass er Menschen glücklich macht und Emotionen herüberbringt, die
man mit Worten nicht ausdrücken kann. Seit ich 19 bin, verdiene ich Geld mit meiner Lei-
denschaft und habe die ganze Welt gesehen. Ich bin sehr dankbar dafür.
Ich verlasse nie das Haus ohne: sicherzustellen, dass alles tiptop aufgeräumt ist.

Meine Kollegen/Freunde sagen von mir, dass ich: mit meinem Perfektionismus in der Musik andere in
den Wahnsinn treiben kann.

                                                                                                  KLASSE    2 / 2016   15
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