Klassisches Konditionieren - Lernen und Gedächtnis - Professur für Allgemeine Psychologie - TU Dresden
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Professur für Allgemeine Psychologie Vorlesung im WS 2013/14 Lernen und Gedächtnis Klassisches Konditionieren Prof. Dr. Thomas Goschke
Alltagsbeispiele Ein Lied im Radio… Eine heiße Herdplatte… Ein verdorbenes Fischgericht… Ein paar Feuerwerkskracher… 2
Überblick zum Klassischen Konditionieren Standardparadigma des Klassischen Konditionierens Grundlegende Phänomene: Akquisition, Extinktion, Spontanerholung, Disinhibtion, Rekonditionierung Varianten: Lidschlagkonditionierung und konditionierte emotionale Reaktionen Generalisierung und Diskrimination Was wird gelernt: S-R Lernen oder S-S Lernen? Was ist die konditionierte Reaktion? Kontiguität oder Kontingenz? Konditionierte Inhibition Blockierung und konfigurales Lernen Das Rescorla-Wagner-Modell Biologische Einschränkungen 3
Iwan Pawlow (1849-1936) Sohn einer russischen Priesterfamilie Studium der Chemie und Physiologie in Petersburg Forschung über physiologische Prozesse, insbesondere des Verdauungssystems 1888 Entdeckung der Nerven, die die Bauchspeicheldrüse stimulieren 1904 Nobelpreis Medizin für seine Arbeiten zur Verdauung 4
Prinzip der Klassischen Konditionierung Keine spezifische Vor der Konditionierung: NS Reaktion NS Lernphase: US UR Nach der Konditionierung: CS CR 9
Klassisches Konditionieren Terminologie US: unkonditionierter (unbedingter) Stimulus • löst Reaktion ohne vorheriges Lernen aus (z.B. Futter) UR: unkonditionierte (unbedingte) Reaktion • durch den US ausgelöste Reaktion (z.B. Speicheln) CS: konditionierter (bedingter) Stimulus • neutraler Reiz, der keine besondere Reaktion auslöst (höchstens Orientierungsreaktion) (z.B. Glocke) CR: konditionierte (bedingte) Reaktion • durch CS nach dem Lernen ausgelöste Reaktion (z.B. Speicheln Glockenton) 10
Klassische Konditionierung ist ein phylogenetischer alter Lernmechanismus Duftkonditionierung bei Fliegen • Meeresschnecke Aplysia • Kiemenrückziehreflex bei Berührung • ist klassisch konditionierbar Gluck et al. (2008). Learning and memory. Worth Publ. 12
Alltagsbeispiele für klassisches Konditionieren Auch menschliche Reaktionen lassen sich klassisch konditionieren Beispiele • Konditionierte Furcht: Berühren einer heißen Herdplatte • Konditionierte Geschmacksaversion: Sie essen ein verdorbenes Pilzrisotto und Ihnen wird entsetzlich übel • Lidschlagreflex 13
Überblick zum Klassischen Konditionieren Standardparadigma des Klassischen Konditionierens Grundlegende Phänomene: Akquisition, Extinktion, Spontanerholung, Disinhibition und Rekonditionierung Varianten: Lidschlagkonditionierung und konditionierte emotionale Reaktionen Effekte der zeitlichen Relation zwischen CS und US Generalisierung und Diskrimination Was ist die konditionierte Reaktion? S-R Lernen oder S-S Lernen? Kontiguität oder Kontingenz? Konditionierte Inhibition Blockierung und konfigurale Cues Das Rescorla-Wagner-Modell Biologische Einschränkungen und angeborene Lerndispositionen 14
Grundlegende Phänomene Lernverlauf (Akquisition) Speichelfluss nach dem CS Versuchsdurchgänge 15
Grundlegende Phänomene Löschung (Extinktion) Der CS wird wiederholt ohne den US dargeboten CS CR CS CR US CR wird zunehmend schwächer Speichelfluss nach dem CS Lerndurchgänge Löschungsdurchgänge (CS + US) (CS allein) 6
Grundlegende Phänomene Spontanerholung CS+US Nur CS Nur CS Pause (z.B. 1 Tag) Stärke der CR Lerndurchgänge Löschdurchgänge Spontan- erholung 17
Grundlegende Phänomene Spontanerholung: Theoretische Erklärungen Inhibition (Konorski, 1948) • Akquisition exzitatorische (CS US) Assoziation • Extinktion inhibitorische Assoziation (CS ¬US) • Inhibitorische Assoziation zerfällt schneller mit Zeit Aufmerksamkeit • Extinktion: Organismus lernt, dem CS keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken • Nach Pause erregt CS für kurze Zeit wieder Aufmerksamkeit Ambiguität (Capaldi, 1966) • CS wird ein ambiger Reiz, der sowohl mit US und ¬US assoziiert ist • Ob der CS die CR auslöst oder nicht, hängt vom Kontext ab 19
Grundlegende Phänomene Disinhibition Keine spezifische CS Reaktion Akquisition US UR Konditionierte Reaktion CS CR Exktinktion CS CR Disinhibition NS CS CR 20
Grundlegende Phänomene Rekonditionierung Wird nach Extinktion der CS erneut mit dem US gepaart, wird die CR schneller erworben als bei der ursprünglichen Konditionierung CS Erwerb der CR Akquisition US UR Exktinktion CS CR CS Schnellerer Erwerb der CR Rekonditionierung US UR 22
Weitere Evidenz, dass Extinktion nicht zur permanenten Löschung der CS-US-Assoziation führt Kontextabhängige Erneuerung (renewal) Wiederherstellung (reinstatement) nach erneuter Darbietung des US Rudy, 2008, Neurobiology of learning and memory. Sinauer Ass. 23
Grundlegende Phänomene Schlussfolgerungen für das Konzept der Löschung Extinktion führt nicht zur Auslöschung der gelernten Assoziationen • Spontanerholung • Disinhibition • Rekonditionierung • Renewal und Reinstatement Mögliche Erklärung: Aufbau einer neuen Assoziationen (CS kein US) und Hemmung der ursprünglichen CS-US-Assoziation • Erklärt warum z.B. konditionierte Furchtreaktionen nach Extinktion wieder auftauchen können (z.B. unter Stress) • Der orbitofrontale Kortex scheint an der Hemmung konditionierter Furchtreaktionen beteiligt zu sein (LeDoux, 2000) Rudy, 2008, Neurobiology of learning and memory. Sinauer Ass. 24
Überblick zum Klassischen Konditionieren Standardparadigma des Klassischen Konditionierens Grundlegende Phänomene: Akquisition, Extinktion, Spontanerholung, Disinhibition und Rekonditionierung Varianten: Lidschlagkonditionierung und konditionierte emotionale Reaktionen Effekte der zeitlichen Relation zwischen CS und US Generalisierung und Diskrimination Was ist die konditionierte Reaktion? S-R Lernen oder S-S Lernen? Kontiguität oder Kontingenz? Konditionierte Inhibition Blockierung und konfigurale Cues Das Rescorla-Wagner-Modell Biologische Einschränkungen und angeborene Lerndispositionen 25
Lidschlagkonditionierung Applikation eines schwachen Luftstoßes (US) auf das Auge löst eine Lidschlussreaktion (UR) aus Luftstoß wird mit einem Ton oder Lichtreiz als CS gepaart Nach einigen Paarungen löst der CS die CR (Lidschluss) aus Gluck, Mercado and Myers: Learning and Memory Copyright © 2008 by Worth Publishers 26
Akquisition und Extinktion der Lidschlagkonditionierung Moore & Gormezano (1961): Akquisition und Extinktion Gluck, Mercado and Myers: Learning and Memory, First Edition Copyright © 2008 by Worth Publishers
Lidschlagkonditionierung bei 5 Monate alten Säuglingen 30
Ton Furchtkonditionierung Ton Stromschlag Ton “Freezing” 31
Konditionierte emotionale Reaktionen Prozedur 1. Ratte wird trainiert, Hebel zu drücken, um Futter zu bekommen 2. CS (Ton) für 2 min, unmittelbar gefolgt von US (leichter Stromstoß) 3. CS allein, während Ratten Hebel drücken können Konditionierte emotionale Reaktion • Unterdrückung des aktuellen Verhaltens („Einfrieren“) Suppressionsrate = (Reaktionen während CS) / (Reaktionen während CS + Basisrate) - 100/(100+100) = 0.5 (keine Suppression) - 50/(50+100) = 0.33 (teilweise Suppression) - 0/(0+100) = 0 (vollständige Suppression) 32
Konditionierte emotionale Reaktion 34
Konditionierte Furcht Emotionale Reaktionen (z.B. Angst) können über klass. Kond. mit neutralen Reizen assoziiert werden Klassisches Experiment von Watson & Rayner (1920): "kleiner Albert" Nach heutigen Standards ethisch fragwürdig! 35
Konditionierte Furchtreaktionen Der kleine Albert (Watson und Rayner, 1920) Der kleine Albert: 9 Monate alter Säugling Albert zeigte keine Angst vor Ratten (NS) Albert zeigte Furchtreaktion bei lautem Geräusch (Schlag auf Eisenstange) (US) Konditionierung: weiße Ratte (CS) + Krach (US) Nach 2 Paarungen wollte Albert die Ratte nicht mehr anfassen nach 7 Paarungen starke Angstreaktion auf die Ratte (Albert schreit, versucht wegzukrabbeln) (= CR) Angstreaktion generalisierte auf einen Hasen, einen Hund, eine Nikolausmaske, einen Pelzmantel Angstreaktion auch noch nach 1 Monat 36
Konditionierte emotionale Reaktionen Konditionierung der elektrodermalen Reaktion Lernphase Unerwarteter lauter Ton 37
Konditionierte emotionale Reaktionen Konditionierung der elektrodermalen Reaktion Testphase Erhöhte elektrodermale Reaktion (Aktivität d. Schweiss- Drüsen) = Indikator für körperliche Erregung (feuchte Hände) Bechara et al., 1995, Science, 269, 1115-1118) 38
Die Amygdala (Mandelkern) ist an klassischen Furchtkonditionierung beteiligt Hippokampus Amygdala 39
Einige Kerne und Verbindungen der Amygdala 40
Zentraler Kern der Amygdala hat efferente Verbindungen zu subkortikalen Zentren, die an der Steuerung autonomer u. endokriner Reaktionen beteiligt sind Amygdala vermittelt Assoziation sensorischer Reize mit autonomen Reaktionen 41
Patienten mit einer Läsion der Amygdala zeigen keine konditionierte Furchtreaktion mehr Bechara et al., 1995, Science, 269, 1115-1118) 42
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