Kollagenvernetzung der Augenhornhaut zur Stabilisierung des Keratokonus
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MEDIZIN Übersichtsarbeit Kollagenvernetzung der Augenhornhaut zur Stabilisierung des Keratokonus Philip Maier, Thomas Reinhard, Markus Kohlhaas B eim Keratokonus handelt es sich um eine Erkran- Zusammenfassung kung der Augenhornhaut, bei der es aus bisher noch nicht geklärten Ursachen zu einer zuneh- Hintergrund: Keratokonus ist eine langsam fortschreitende ektatische Erkrankung menden Verformung und Verdünnung der Hornhaut der Augenhornhaut, deren Prävalenz 200–400/100 000 beträgt. Betroffene leiden kommt. Die Erkrankung beginnt häufig im zweiten Le- unter einer Verdünnung und unregelmäßigen Verkrümmung der Hornhaut; irregulä- bensjahrzehnt und betrifft stets beide Augen, wobei rer Astigmatismus und Myopisierung sind die Folge. Riboflavin-UVA-Crosslinking diese in zum Teil sehr unterschiedlichem Ausmaß be- (Kollagenvernetzung) erhöht die Festigkeit des Hornhautgewebes durch einen pho- troffen sein können. Die Inzidenz der Erkrankung be- tochemischen Effekt und kann die Krankheitsprogression stoppen. trägt etwa 13 Erkrankungen/100 000 Einwohner pro Methode: Selektive Literatursuche in Medline. Zusätzlich wurden Metaanalysen, Jahr, die Prävalenz liegt zwischen 200 und 400 Betrof- Cochrane Reviews sowie Berichte nationaler und internationaler Einrichtungen des fene/100 000 Einwohner (1). Ein erhöhtes Risiko findet Gesundheitswesens berücksichtigt. sich unter anderem für Kinder und Jugendliche mit ato- pischer Dermatitis, mit einer familiären Belastung und Ergebnisse: Die randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) zeigen anhand topo- mit Trisomie 21. Rahi et al. fanden bei 35 % der Betrof- grafischer Parameter einen statistisch signifikanten Effekt des Crosslinking im Hin- fenen mit Keratokonus eine Atopie, während dies nur blick auf das Aufhalten der Progression des Keratokonus. In der größten RCT bei 12 % der Kontrollpersonen der Fall war (2). Aller- (Nachbeobachtung von 100 Augen über drei Jahre) nahm die maximale Hornhaut- dings könnte auch das häufig starke Augenreiben der brechkraft in der Kontrollgruppe um 1,75 ± 0,38 Dioptrien zu, während sie in der von Atopie Betroffenen für die Korrelation mit dem Crosslinking-Gruppe um −1,03 ± 0,19 Dioptrien abnahm (p < 0,001). Diese Studie Keratokonus ursächlich sein, da sich in einer multiva- berichtete als einzige über den patientenrelevanten Endpunkt unkorrigierte Seh- riaten Risikofaktoranalyse nur noch das Augenreiben, schärfe, die sich in der Crosslinking-Gruppe um −0,15 ± 0,06 logMAR (p = 0,009) aber nicht mehr die Atopie als signifikanter Risikofak- leicht verbesserte. Schwerwiegende Komplikationen nach einem Crosslinking wur- den bisher nur in Einzelfallberichten dargestellt. Kohortenstudien mit bis zu zehn tor herausgestellt hat (3). Daher können erste Hinweise Jahren Nachbeobachtung zeigen, dass es besonders bei jungen Patienten nach auf diese Erkrankung auch beim Dermatologen oder einem Crosslinking erneut zu einer Progression der Erkrankung kommen kann. Kinderarzt festgestellt werden, sodass diese Patienten bei der Äußerung von Sehbeschwerden einem Augen- Schlussfolgerung: Mit dem Crosslinking steht für Patienten mit Keratokonus arzt vorgestellt werden sollten. erstmals ein Therapieverfahren zur Verfügung, mit dem der natürliche Verlauf der Da die Hornhaut mit ihrer Brechkraft ein wichtiger Erkrankung positiv beeinflusst werden kann. Teil des optischen Systems des Auges ist, kommt es durch die zunehmende Verformung der Hornhaut zu Zitierweise einer Zunahme der Brechkraft mit konsekutiver Maier P, Reinhard T, Kohlhaas M: Corneal collagen cross-linking Myopisierung und zu einer (zunehmend unregelmäßi- in the stabilization of keratoconus. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 184–90. gen) Hornhautverkrümmung (Astigmatismus). Den DOI: 10.3238/arztebl.2019.0184 Betroffenen fällt zunächst eine unspezifische Sehver- schlechterung auf, die sie zum Augenarzt führt. Dort wird häufig zunächst eine mäßiggradige Kurzsichtig- keit – gegebenenfalls mit Hornhautverkrümmung – festgestellt. Die kegelförmige Spitze der Vorwölbung ist typischerweise etwas nach unten verlagert, was die zunehmende Irregularität der kornealen Brechkraft er- klärt. Dies führt schließlich dazu, dass die Sehleistung mit Brillengläsern nicht mehr ausreichend korrigiert werden kann, was schließlich zu der Verdachtsdiagno- se Keratokonus führen kann. Je älter die Betroffenen sind, desto langsamer schreitet die Erkrankung fort (4). Ob es auch zu einem vollständigen Stillstand der Er- Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, krankungsprogression kommen kann, ist nicht end- Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Prof. Dr. med. Philip Maier, Prof. Dr. med. Thomas Reinhard gültig geklärt, da es keine Studien mit lebenslanger Klinik für Augenheilkunde, St.-Johannes Hospital Dortmund: Prof. Dr. med. Markus Kohlhaas Nachbeobachtung gibt. 184 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019
MEDIZIN Abbildung 1: progredienter Krankheitsver- Iris Kornea lauf bei Keratokonus als schematische Dar- stellung mit beispielhaften tomografischen Befunden A: normale Hornhautform; unauffällige Tomo- A B C grafie mir gleichmäßiger Verteilung der Brechkraft der Hornhautvorderfläche (1), Hornhautdicke (2) und Wölbung der Horn- hautrückfläche (3) B: Frühstadium bei Keratokonus mit nach unten verlagerter Verformung (Zunahme der Brechkraft auf der Hornhautvorderflä- che bis 52 Dioptrien [1, Pfeil] und „insel- förmige Vorwölbung der Hornhautrückflä- 1 che [3, Pfeil]) und Verdünnung der Horn- haut auf 446 µm (2) C: Spätstadium bei Keratokonus mit stark nach unten verlagerter Verformung (Brechkraftzunahme auf der Hornhautvor- derfläche bis 61,8 Dioptrien [1, Pfeil] und ausgeprägte „inselförmige“ Vorwölbung der Hornhautrückfläche [3, Pfeil]) und Ver- dünnung auf 429 µm 2 Abbildung: Archiv der Klinik für Augenheil- kunde, Universitätsklinikum Freiburg 3 In frühen Stadien lässt sich die Erkrankung im Rahmen Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der aktuell verfügba- einer augenärztlichen Routineuntersuchung in der Regel ren Literatur evidenzbasiert die Effektivität des Cross- nicht diagnostizieren, da sich kaum morphologische Ver- linking, die Progression des Keratokonus zu stoppen, änderungen finden. Hier kann eine computergesteuerte kritisch darzustellen und zu diskutieren. Vermessung der Hornhaut (Hornhauttopografie bezie- hungsweise Hornhauttomografie) helfen, die Verdachts- Krankheitsverlauf und bisherige diagnose Keratokonus zu bestätigen beziehungsweise Behandlungsoptionen auszuschließen. Im Falle eines Keratokonus zeigen sich Zu Beginn der Erkrankung, wenn für die Betroffenen typische topo-/tomografische Befunde wie eine Zunahme die ersten Symptome auftreten, lassen sich die Verän- der parazentralen Hornhautbrechkraft, eine Vorwölbung derungen der Hornhautbrechkraft in der Regel durch ei- der Hornhautvorder- und/oder -rückfläche sowie eine pa- ne Brille korrigieren. Mit zunehmendem unregelmäßi- razentrale Verdünnung der Hornhaut. All diese Befunde gem Astigmatismus müssen dann meist spezielle form- nehmen im Verlauf der Erkrankung im Falle einer Progre- stabile Kontaktlinsen eingesetzt werden. Können dienz in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschied- schließlich auch keine Kontaktlinsen mehr angepasst licher Geschwindigkeit zu, was sich anhand wiederholter werden, so kann zur Visusrehabilitation eine Hornhaut- topo-/tomografischer Untersuchungen quantifizieren lässt transplantation notwendig werden. (Abbildung 1). Bei der Interpretation der Untersuchungs- In einer Beobachtungsstudie mit 2 363 Patienten ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die Unter- musste zur Visusrehabilitation bei rund 22 % eine suchungen an verschiedenen Geräten nicht miteinander Hornhauttransplantation durchgeführt werden (8). Die verglichen werden können (5) und dass es für jede Metho- Prognose für die meisten Betroffenen mit Keratokonus de gerätespezifische Messschwankungen gibt (6, 7). In ist nach einer Hornhauttransplantation exzellent (9, der Regel treten erst in späteren Stadien der Erkrankung 10), wobei bei den häufig jungen Patienten damit zu für den Augenarzt sichtbare morphologische Befunde auf. rechnen ist, dass im weiteren Verlauf gegebenenfalls Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019 185
186 MEDIZIN TABELLE Randomisierte kontrollierte Studien zum Crosslinking (CXL, Dresdner Protokoll) bei Keratokonus Studie Patienten- Follow-up Alter (MW) Intervention Ergebnis primärer Endpunkt Einschränkungen Komplikationen Evidenz- zahl (Monate) (Jahre) grad O’Brart et al., 24 18 29,6 gleiche Patienten mit statistisch signifikanter Mittelwert-Änderung Abhängigkeit der Au- 1 Patient mit vorüber- Ib 2011 (27) je 1 Auge Kontrolle, Effekt des Crosslinking Ksim nach 18 Monaten gen bei Einschluss gehender rezidivieren- 1 Auge CXL auf die Änderung des CXL: –0,66 D beider Augen eines der Erosio maximalen topografi- Kontr.: +0,14 D Patienten, keine schen K-Werts Scheinbehandlung Hersh et al., 59 12 k. A. 28 Patienten Schein- Die bestkorrigierte Mittelwert-Änderung Crossover-Design, für keine Angaben Ib 2011 (28) behandlung, 31 Pa- Sehschärfe und Kmax Kmax nach 12 Monaten die Auswertung nur tienten CXL, Cross- waren signifikant bes- CXL: –2,0 ± 4,4 D wenige Patienten in over nach 3 Monaten ser als zum Ausgangs- Kontr.: keine Angabe wegen der Kontrollgruppe möglich befund bzw. als in der Crossover Kontrollgruppe. Wittig-Silva et 100 Augen 36 25,7 50 Augen Kontrolle, 50 statistisch signifikanter Mittelwert Änderung Abhängigkeit der Au- 2 sterile temporäre Infil- Ib al., 2014 (23) Augen CXL, zum Teil Unterschied der maxi- Kmax nach 36 Monaten gen bei Einschluss trate ohne bleibende beide Augen eines Pa- malen Hornhautbrech- CXL: –1,03 ± 0,19 D beider Augen eines Schäden tienten randomisiert kraft und der unkorri- Kontr.: +1,75 ± 0,38 D Patienten, keine gierten Sehschärfe Scheinbehandlung Lang et al., 29 36 29,5 14 Patienten mit statistisch signifikanter Mittelwert Änderung geringe Patientenzahl vorübergehende Horn- Ib 2015 (29) Scheinbehandlung, Effekt des Crosslinking Kmax nach 36 Monaten (schwache Power) hauttrübungen (Haze) 15 Patienten CXL auf die Änderung des CXL: –0,35 ± 0,58 D mit kompletter Remis- maximalen topografi- Kontr.: +0,11 ± 0,61 D sion schen K-Werts Seyedian et al., 26 12 25,6 gleiche Patienten je 1 statistisch signifikanter Mittelwert Änderung Abhängigkeit der Au- vorübergehende Horn- Ib 2015 (30) Auge Kontrolle, 1 Au- Effekt des Crosslinking Kmax nach 12 Monaten gen bei Einschluss hauttrübungen (Haze) ge CXL auf die Änderung des CXL: –0,22 ± 0,6 D beider Augen eines mit kompletter Remis- maximalen topografi- Kontr.: +0,41 ± 0,74 D Patienten, keine sion schen K-Werts Scheinbehandlung Hersh et al., 205 12 33,0 102 CXL; 103 Schein- statistisch signifikanter Kmax nach 12 Monaten hohe Drop-out-Rate, kurzfristig: ein Patient Ib 2017 (31) behandlungen Effekt des Crosslinking CXL: –1,6 ± 4,2 D Zusammenfassung mit ulzerativer Keratitis; auf die Änderung des Kontr.: +1,0 ± 5,1 D von zwei unabhängi- langfristig: persistieren- maximalen topografi- gen Studien (z. T. pu- de Hornhauttrübungen schen K-Werts und der bliziert in Hersh et al. (Haze) bei 2 Augen, korrigierten Sehschär- 2011 [28], siehe oben), Endothelfalten in einem fe Crossover-Design, für Auge; Hornhautnarbe die Auswertung nur bei einem Auge, unre- wenige Patienten gelmäßiges Epithel bei (n = 2) in der Kontroll- einem Auge gruppe Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019 CXL = Crosslinking; k. A.= keine Angaben; Kmax = maximale in der Hornhauttopografie bestimmte Brechkraft; Kontr. = Kontrollgruppe; Ksim = simulierte in der Hornhauttopografie bestimmte Brechkraft; MW = Mittelwert
MEDIZIN A B C D Abbildung 2: Wirkprinzip des Riboflavin-UVA-Crosslinking in der Augenhornhaut A: parallel angeordnete Fibrillen des Hornhaut-Stromas nach Entfernung des Epithels B: Applikation von Riboflavin-haltigen Augentropfen bis zu einer Sättigung des Hornhaut-Stromas C: Bestrahlung der Hornhaut mit UVA-Licht (370 nm, 3 mW/cm²); die Hornhautdicke darf aus Sicherheitsgründen nicht unter 400 µm liegen. D: vernetzte Kollagenfibrillen Abbildung: Archiv der Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg ein zweites Mal transplantiert werden muss. Eine etwas der objektive Befund mit der subjektiven Wahrneh- schlechtere Prognose gilt für Patienten mit Atopie (11), mung nicht immer übereinstimmt (17). Daneben ist die die aufgrund der chronischen Blepharokeratokonjunk- Refraktionsbestimmung mit Brillengläsern erschwert tivitis häufig Entzündungsschübe an der Augenoberflä- beziehungsweise eine Kontaktlinsenkorrektur kann che und damit einhergehende Hornhautvaskularisatio- veränderte Werte der Hornhautbrechkraft ausgleichen, nen haben, die das Risiko für Abstoßungsreaktionen sodass trotz veränderter Hornhautbrechkraft keine Seh- nach Hornhauttransplantationen erhöhen. verschlechterung festgestellt würde. Daher wäre es im Sinne aller Betroffenen wünschens- Um eine Progression der Erkrankung entdecken zu wert, wenn das Fortschreiten der Erkrankung zuvor ge- können, sind regelmäßige topo-/tomografische Unter- stoppt beziehungsweise verlangsamt werden könnte, so- suchungen notwendig. Dabei müssen bei der Befun- dass keine Hornhauttransplantation notwendig würde. dung die Messschwankungen für die jeweiligen Para- Erste indirekte Hinweise aus der Literatur (12, 13) deu- meter berücksichtigt werden. Der Verdacht auf eine ten darauf hin, dass in den letzten Jahren seit Einführung Progression sollte daher stets im weiteren Krankheits- des Crosslinking zunehmend weniger Betroffene mit verlauf wiederholt bestätigt werden. Hinsichtlich der Keratokonus transplantiert werden mussten. Untersuchungsintervalle sollte das individuelle Risiko- profil der Betroffenen berücksichtigt werden (Risiko- Progression des Keratokonus faktoren: Augenreiben, junges Patientenalter, steile Grundsätzlich ist das Fortschreiten der Erkrankung in- Hornhautkrümmungsradien, hoher Astigmatismus, dividuell sehr unterschiedlich. Je jünger die Betroffe- deutliche Visusreduktion, nachgewiesene Progression nen sind, desto höher ist das Risiko für ein (rasches und am Partnerauge, okuläre Allergien, atopische Dermati- ausgeprägtes) Fortschreiten (4). Dabei kann die Pro- tis oder Trisomie 21). So empfiehlt es sich, junge Pa- gression durch starkes und häufiges Augenreiben geför- tienten unter 25 Jahren häufiger (zum Beispiel alle 3–6 dert werden (14). Für die Definition einer Progression Monate) und ältere Patienten seltener (zum Beispiel al- der Erkrankung gibt es derzeit keine einheitlichen Vor- le 6–12 Monate) zu kontrollieren. gaben. In zahlreichen klinischen Studien wurden hier- für unterschiedliche Parameter herangezogen. Zu den Crosslinking bei Keratokonus wichtigsten Parametern zählen dabei (15): Ähnlich wie bei der Verfestigung von heterologen ● Zunahme der maximalen Hornhautbrechkraft Herzklappentransplantaten (18) beruht das Prinzip des (Kmax) um mehr als 1 dpt innerhalb eines Jahres Riboflavin-UVA-Crosslinking auf einem photochemi- ● Zunahme der (korneal bedingten) Myopie um schen Effekt, der erstmals 1998 von Spoerl et al. (19) mehr als 3 dpt oder des Astigmatismus um mehr vorgestellt wurde. Das Crosslinking wurde Ende der als 1,5 dpt innerhalb von zwölf Monaten 1990er Jahre erstmals am Patienten eingesetzt; 2003 ● Zunahme der mittleren refraktiven Hornhautbrech- wurden erste klinische Erfahrungen publiziert (20). kraft um mehr als 1,5 dpt innerhalb von zwölf Mo- naten Ablauf des Crosslinking ● Abnahme der minimalen Hornhautdicke um mehr Nach Entfernung des Hornhautepithels dringt das über als 5 % innerhalb von zwölf Monaten. Augentropfen applizierte Riboflavin in die tiefen Eine Verschlechterung der Sehschärfe erscheint ein Schichten der Hornhaut ein. Dort absorbiert es das weniger gut geeigneter Parameter zur Progressionsfest- UVA-Licht (Wellenlänge 370 nm, Bestrahlungsstärke stellung zu sein, da die Sehschärfenmessung bei Be- 3 mW/cm²), mit dem die Hornhaut über 30 Minuten be- troffenen mit Keratokonus häufig schwankt (16) und strahlt wird. Hierbei entstehen freie Sauerstoffradikale, Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019 187
MEDIZIN Zielgruppe und Indikationsstellung für ein Crosslinking Ein Crosslinking sollte in einem Stadium der Erkrankung durchgeführt werden, in dem die Betroffenen noch eine ausreichend gute Sehschärfe besitzen. Weiterhin sollten vorwiegend diejenigen Betroffenen mit einer zuvor nach- gewiesenen Progression behandelt werden. Da die Progression der Erkrankung bei jungen Be- troffenen ausgeprägter ist als bei älteren, hat das Cross- Abbildung 3: Verlauf nach Crosslinking. Tomografie zum Zeitpunkt des Crosslinking (mittig) linking gerade für junge Patientinnen und Patienten ei- und 3 Monate nach Crosslinking (links). Die Hornhautvorderfläche zeigt eine fast reguläre ne große Bedeutung. So legen Studienergebnisse nahe, Hornhautbrechkraft (links) mit einer Abnahme um bis zu 3,8 dpt in der Differenzkarte der bei- dass der Behandlungseffekt bei jungen Menschen stär- den Messungen (rechts, zentrales grünes Areal). ker sein könnte als bei älteren, wobei innerhalb von Abbildung: Archiv der Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg zwei Jahren nach Crosslinking bei Betroffenen unter 18 Jahren eine Abnahme der maximalen Hornhautbrech- kraft im Mittel um 1,27 dpt beobachtet wurde (24). Daneben scheint es bei jüngeren Betroffenen auch die zu kovalenten Verbindungen der Kollagenfibrillen seltener zu Komplikationen zu kommen. So wurde bei im Hornhautstroma führen (Abbildung 2). Riboflavin unter 35-Jährigen eine Komplikationsrate von 1 % im hat dabei auch einen protektiven Effekt, da nur bei mit Gegensatz zu einer Komplikationsrate von 3 % bei Ein- Riboflavin gesättigtem Stroma das energiereiche UVA- schluss aller Altersgruppen beobachtet (25). Allerdings Licht in der Hornhaut ausreichend absorbiert wird, so- scheint es bei jungen Betroffenen häufiger zu einem dass eine Schädigung intraokularer Strukturen vermie- Nachlassen des Behandlungseffekts und einer erneuten den werden kann. Progression zu kommen. Mazzotta et al. berichteten, Hierbei spielt auch die Hornhautdicke eine entschei- dass es bei 24 % der jungen Betroffenen im Alter von dende Rolle. Sie darf während der Bestrahlung nicht 15 Jahren und jünger innerhalb eines Nachbeobach- dünner als 400 µm werden, da sonst intraokulare Struk- tungszeitraums von zehn Jahren zu einer erneuten Pro- turen wie zum Beispiel das Hornhautendothel gefähr- gression des Keratokonus kam (26). Daher sollten bei det wären (21). Hinsichtlich der Hornhautdicke muss den Betroffenen auch nach einer Behandlung regelmä- berücksichtigt werden, dass es während der Behand- ßige Kontrolluntersuchungen (je nach Risikoprofil, lung zu einer Verdünnung der Hornhaut kommen kann. zum Beispiel Patientenalter) zunächst halbjährlich und Dies kann kurzfristig durch den Einsatz hypotoner Ri- später jährlich beziehungsweise bei subjektiven Be- boflavin-Augentropfen kompensiert werden, was je- schwerden der Betroffenen im Intervall erfolgen. doch wiederum die Effektivität der Behandlung redu- zieren kann (22). Methoden Das oben beschriebene Behandlungsverfahren hat Neben unzähligen Fallserien und Kohortenstudien wur- sich inzwischen als sogenanntes „Dresdner Protokoll“ den inzwischen auch mehrere randomisierte kontrollierte etabliert. Ziel des Crosslinking ist eine Stabilisierung Studien durchgeführt. Aus diesem Grund führten wir des Hornhautgewebes, um die Progredienz der Erkran- eine Literatursuche in Medline mit den Schlagwörtern kung aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen. Ei- „keratoconus (cross-link* or crosslink*) trial“ durch, wo- ne tatsächliche Heilung ist jedoch nicht möglich. So bei aus 131 Treffern sechs relevante Studien (Einschluss- kommt es nach einem Crosslinking nicht mehr zu einer kriterien: randomisert, kontrolliert, mindestens zwölf Mo- weiteren Veränderung der topo-/tomografischen Para- nate Follow-up, siehe Tabelle) extrahiert werden konnten. meter im Sinne einer Progression. In manchen Fällen Daneben wurden auch Metaanalysen, Cochrane-Reviews kann sogar eine Abnahme der Hornhautbrechkraft und sowie Berichte von nationalen und internationalen Ein- eine Regularisierung der Hornhautoberfläche beobach- richtungen des Gesundheitswesens berücksichtigt. tet werden, was mit einer Verbesserung der Sehschärfe verbunden sein kann (Abbildung 3). In der Untersu- Ergebnisse chung von Wittig-Silva et al. kam es bei 13 % der Teil- Randomisierte kontrollierte Studien nehmer in der Crosslinking-Gruppe zu einer Abnahme (Evidenzgrad Ib) der maximalen Hornhautbrechkraft um mehr als 2 dpt Alle anhand der Literatursuche identifizierten und einge- (23). schlossenen Studien zeigten einen statistisch signifikan- Außerdem könnte durch ein Aufhalten der Progressi- ten positiven Effekt des Crosslinking auf die Verände- on verhindert werden, dass der Keratokonus soweit rung der maximalen Hornhautbrechkraft (Kmax). Dane- fortschreitet, dass eine Hornhauttransplantation not- ben konnten einige Studien auch einen positiven Effekt wendig wird. auf die unkorrigierte beziehungsweise korrigierte Seh- Details zu möglichen Nebenwirkungen und Kompli- schärfe finden. Wittig-Silva et al. (23), die 100 Augen mit kationen sowie zu aktuellen Varianten wie dem trans- progredientem Keratokonus eingeschlossen und über epithelialen oder dem akzelerierten Crosslinking finden drei Jahre nachbeobachtet hatten, fanden in der Kontroll- sich im eMethodenteil. gruppe eine Zunahme der maximalen Hornhautbrech- 188 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019
MEDIZIN kraft um 1,75 ± 0,38 dpt, wohingegen in der Crosslin- king-Gruppe eine Abnahme der maximalen Hornhaut- Kernaussagen brechkraft um −1,03 ± 0,19 dpt zu beobachten war (p < 0,001). Darüber hinaus kam es in der Kontrollgrup- ● Die Diagnose Keratokonus lässt sich mithilfe der kornealen Topografie beziehungs- pe zu einer Verschlechterung der unkorrigierten Seh- weise Tomografie bestätigen. schärfe um + 0,1 ± 0,04 logMAR („logarithm of the mi- ● Ein Fortschreiten der Erkrankung kann durch regelmäßige topo-/tomografische nimum angle of resolution“) und in der Crosslinking- Kontrolluntersuchungen festgestellt werden. Gruppe zu einer leichten Verbesserung der unkorrigierten ● Das Riboflavin-UVA-Crosslinking führt über einen photochemischen Effekt zu einer Sehschärfe um −0,15 ± 0,06 logMAR (p = 0,009). Aller- Stabilisierung des Hornhautgewebes, womit zum ersten Mal für die Betroffenen die dings weisen alle bisher publizierten Studien (23, 27–31) Möglichkeit besteht, ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. methodische Mängel auf, die bei der Interpretation be- rücksichtigt werden müssen. In den aufgeführten Studien ● In mehreren randomisierten kontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass sich wurden insgesamt nur sehr wenige Komplikationen und die Progression der Erkrankung durch ein Crosslinking aufhalten beziehungsweise unerwünschte Effekte berichtet. Die detaillierten Anga- verlangsamen lässt. ben zu Methoden, Effekten, Komplikationen und metho- ● Da die Wirksamkeitsdauer des Crosslinking noch nicht hinreichend bekannt ist, sind dischen Einschränkungen der Studien finden sich in der auch nach der Behandlung weiterhin regelmäßige topo- beziehungsweise tomogra- Tabelle. fische Kontrolluntersuchungen notwendig. Metaanalysen (Evidenzgrad Ia) Trotz der in der Tabelle beschriebenen methodischen Schwächen und Unterschiede der bisher publizierten, randomisierten kontrollierten Studien haben verschie- für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen dene Arbeitsgruppen versucht, diese Studien in Meta- (IQWiG) kommt in seinem Bericht zu dem Schluss, dass analysen zusammenzuführen. Allerdings sind die Er- es einen Anhaltspunkt für die Wirksamkeit des Cross- gebnisse dieser systematischen Übersichtsarbeiten mit linking im Hinblick auf die unkorrigierte Sehschärfe ge- Bedacht zu interpretieren, da sich die eingeschlossenen be (1). Dabei muss berücksichtigt werden, dass in diesem Studien aufgrund der großen Heterogenität statistisch Bericht nur patientenrelevante Endpunkte (Sehschärfe) nur schwerlich zusammenfassen lassen. Kobashi et al. der randomisierten kontrollierten Studien berücksichtigt (Einschluss von fünf Studien mit insgesamt 289 Augen, wurden, sodass lediglich die Ergebnisse einer einzigen [32]) kommen in ihrer systematischen Übersichtsarbeit Studie (23) nach einer statistischen Überarbeitung der zu der Schlussfolgerung, dass das Crosslinking die Pro- Rohdaten zu dieser Schlussfolgerung führten. gression des Keratokonus effizient aufhalten kann, wo- Wie im Abschnitt „Progression des Keratokonus“ be- bei die Evidenz hierfür aufgrund der Heterogenität und reits dargestellt, erscheint es aus augenärztlicher Sicht im methodischer Schwächen der einzelnen Studien einge- Gegensatz dazu sinnvoll, bei der Beurteilung des Krank- schränkt ist. So konnten die Ergebnisse zur maximalen heitsverlaufs von Betroffenen mit Keratokonus nicht nur Hornhautbrechkraft aufgrund der hohen Heterogenität die Sehschärfe, sondern auch die Veränderung der Horn- (I² = 81 %) nicht metaanalytisch zusammengefasst hautform beziehungsweise ihrer Brechkraft zu berück- werden. Li et al. (Einschluss von sechs Studien mit ins- sichtigen, da diese Veränderungen in der Regel einer gesamt 261 Augen [33]) bestätigen dem Crosslinking Sehverschlechterung vorausgehen. Der Gemeinsame ebenfalls die Effektivität, die Progression des Kerato- Bundesausschuss (G-BA) hat inzwischen entschieden, konus aufzuhalten (für die maximale Hornhautbrech- Crosslinking aufgrund der aktuellen Datenlage in den kraft betrug die gewichtete mittlere Differenz −2,05; Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzu- 95-%-Konfidenzintervall: [−3,10;–1,00]; p < 0,00001). nehmen. Allerdings konnte zum Studienzeitpunkt keine Ein- schätzung des Mittel- und Langzeiteffekts erfolgen, da Zusammenfassung und Ausblick die Studien meist ein zu kurzes Follow-up aufwiesen. In den vergangenen Jahren konnte anhand randomisier- ter kontrollierter Studien gezeigt werden, dass das Ri- Cochrane-Review und weitere Berichte boflavin-UVA-Crosslinking erfolgreich die Progressi- In einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2015 schluss- on bei Betroffenen mit Keratkonus aufhalten kann. Von folgern Sykakis et al. (34), dass es trotz fast 700 publi- großer Bedeutung erscheint dabei, dass zunächst die zierter Studien bisher nicht genügend Evidenz gebe, um Progression des Keratokonus korrekt festgestellt wird, die Effektivität des Crosslinking nachzuweisen. Das Na- bevor die Indikation für die Behandlung gestellt wird. tional Institute for Health and Care Excellence (NICE) in Inzwischen hat sich dieses standardisierte und neben- Großbritannien kommt zu dem Schluss, dass sowohl wirkungsarme Behandlungsverfahren in Deutschland qualitativ als auch quantitativ ausreichend Evidenz für fest etabliert. Daneben wird zunehmend über Weiter- die Effektivität des Crosslinking vorhanden sei, sodass entwicklungen wie das transepitheliale oder das akzele- die Zulassung empfohlen wurde (35). Auch in den USA rierte Crosslinking berichtet, die Vorteile für die Betrof- wurde das Verfahren von der FDA aufgrund fehlender fenen versprechen, deren Effektivität jedoch im Ver- Alternativen zugelassen, obwohl die Datenlage als gleich zum Standard-Crosslinking bisher noch nicht schwach eingestuft wurde (31, 36). Das Deutsche Institut belegt werden konnte. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019 189
MEDIZIN Interessenkonflikt 24. Vinciguerra P, Albé E, Frueh BE, Trazza S, Epstein D: Two-year cor- Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht. neal cross-linking results in patients younger than 18 years with docu- mented progressive keratoconus. Am J Ophthalmol 2012; 154: 520–6. Manuskriptdaten 25. Koller T, Mrochen M, Seiler T: Complication and failure rates after cor- eingereicht: 2. 7. 2018, revidierte Fassung angenommen: 1. 2. 2019 neal crosslinking. J Cataract Refract Surg 2009; 35: 1358–62. 26. Mazzotta C, Traversi C, Baiocchi S, et al.: Corneal collagen cross-link- Literatur ing with riboflavin and ultraviolet a light for pediatric keratoconus: ten- 1. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Ab- year results. Cornea 2018; 37: 560–6. schlussbericht N15–05 Hornhautvernetzung bei Keratokonus Oct 27. O’Brart DPS, Chan E, Samaras K, Patel P, Shah SP: A randomised, 2016 p. 198. 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Damit sind Artikel im Deutschen randomized, controlled trial of corneal collagen cross-linking in pro- Ärzteblatt international zitierfähig. gressive keratoconus: three-year results. Ophthalmology 2014; 12: 812–21. 190 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019
MEDIZIN Zusatzmaterial zu: Kollagenvernetzung der Augenhornhaut zur Stabilisierung des Keratokonus Philip Maier, Thomas Reinhard, Markus Kohlhaas Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 184–90. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0184 eLiteratur e1. Kohlhaas M: [Complications and postoperative therapeutic strate- gies in cross-linking]. Ophthalmol Z Dtsch Ophthalmol Ges 2017; 114: 693–6. e2. Eberwein P, Auw-Hädrich C, Birnbaum F, Maier PC, Reinhard T: [Corneal melting after cross-linking and deep lamellar keratoplasty in a keratoconus patient]. Klin Monatsblätter Für Augenheilkd 2008; 225: 96–8. e3. Raiskup F, Hoyer A, Spoerl E: Permanent corneal haze after riboflavin-UVA-induced cross-linking in keratoconus. J Refract Surg 2009; 25: S824–8. e4. Ashwin PT, McDonnell PJ: Collagen cross-linkage: a comprehensive review and directions for future research. Br J Ophthalmol 2010; 94: 965–70. e5. Baiocchi S, Mazzotta C, Cerretani D, Caporossi T, Caporossi A: Cor- neal crosslinking: riboflavin concentration in corneal stroma exposed with and without epithelium. J Cataract Refract Surg 2009; 35: 893–9. e6. Koppen C, Wouters K, Mathysen D, Rozema J, Tassignon MJ: Refractive and topographic results of benzalkonium chloride-assisted transepithelial crosslinking. J Cataract Refract Surg 2012; 38: 1000–5. e7. Vinciguerra P, Randleman JB, Romano V, et al.: Transepithelial ion- tophoresis corneal collagen cross-linking for progressive keratoco- nus: initial clinical outcomes. J Refract Surg 2014; 30: 746–53. e8. Li W, Wang B: Efficacy and safety of transepithelial corneal collagen crosslinking surgery versus standard corneal collagen crosslinking surgery for keratoconus: a meta-analysis of randomized controlled trials. BMC Ophthalmol 2017; 17: 262. e9. Hashemi H, Miraftab M, Seyedian MA, et al.: Long-term results of an accelerated corneal cross-linking protocol (18 mW/cm2) for the treatment of progressive keratoconus. Am J Ophthalmol 2015; 160: 1164–70.e1. e10. Shetty R, Pahuja NK, Nuijts RMMA: Current protocols of corneal collagen cross-linking: visual, refractive, and tomographic outcomes. Am J Ophthalmol 2015; 160: 243–9. e11. Liu Y, Liu Y, Zhang YN, et al.: Systematic review and meta-analysis comparing modified cross-linking and standard cross-linking for pro- gressive keratoconus. Int J Ophthalmol 2017; 10: 1419–29. e12. Mazzotta C, Traversi C, Paradiso AL, Latronico ME, Rechichi M: Pulsed light accelerated crosslinking versus continuous light accelerated crosslinking: one-year results. J Ophthalmol 2014; 2014: 604731. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019 | Zusatzmaterial I
MEDIZIN eMETHODENTEIL Nebeneffekte und Komplikationen reiche Studien zum Vergleich des transepithelialen Insgesamt handelt es sich beim Crosslinking um einen Crosslinking gegenüber dem Standard-Crosslinking nebenwirkungsarmen Eingriff. Allerdings wird in der gibt, die teilweise über widersprüchliche Ergebnisse Literatur von einem Komplikationsrisiko von etwa berichten, wurde versucht, die teils sehr heterogenen 1–10 % berichtet (e1), wobei es sich bei den häufig auf- Studien in Übersichtsarbeiten und Metaanalysen (Evi- tretenden Komplikationen um vorübergehende Effekte denzgrad Ia) zusammenzufassen. Dabei kommt eine wie Epithelheilungsstörungen handelt. Über schwere aktuelle Metaanalyse (e8) anhand der Zusammen- Komplikationen (wie Hornhauteinschmelzungen oder fassung randomisierter kontrollierter Studien zu dem Hornhautperforationen) wurde bisher nur in Einzelfäl- Schluss, dass das transepitheliale Crosslinking dem len berichtet. Da für das Crosslinking nach dem Standard-Crosslinking nach dem Dresdner Protokoll Dresdner Protokoll zunächst das Epithel der Hornhaut im Hinblick auf die Vermeidung einer weiteren Pro- entfernt werden muss, kommt es während der ersten gression unterlegen ist. Aus diesem Grunde sollten die 1–3 Tage nach dem Eingriff zu starken Schmerzen, die Protokolle des transepithelialen Crosslinking derzeit in der Regel mit Schmerzmedikamenten behandelt wer- nur in Studien nach entsprechender Aufklärung der Be- den müssen. Daneben besteht in dieser Zeit ein Infekti- troffenen angewandt werden. onsrisiko, weshalb prophylaktisch mit antibiotischen Augentropfen oder Augensalben behandelt werden Akzeleriertes Crosslinking muss. Sollten sich dennoch Hornhautinfiltrationen zei- Ziel des akzelerierten Crosslinking ist es, durch eine In- gen, muss zwischen sterilen Infiltraten (0–8 % der Fäl- tensivierung der UVA-Strahlung die Bestrahlungszeit le, [24]) und infektiösen Infiltraten (Einzelfallberichte, zu verkürzen, sodass die nach dem Dresdner Protokoll [e2]) unterschieden werden. In beiden Situationen kann circa 70 Minuten dauernde Operation verkürzt werden es zur Bildung von Hornhautnarben kommen, die lang- kann, wodurch die Belastung für die Betroffenen ver- fristig zu einer Einschränkung des Sehvermögens füh- ringert und Ressourcen eingespart werden können. Bei ren können (0–3 %, [24]). Unabhängig davon wird in den verschiedenen Protokollen wird dabei stets die 3–9 % über persistierende Narben nach Crosslinking gleiche Gesamtenergiedichte (5,4 J/cm²) entsprechend berichtet (e3). Der am häufigsten zu beobachtende Ne- dem Dresdner Protokoll eingehalten. So kann je nach beneffekt ist ein sogenannter Haze, wobei es sich um Leistung der eingesetzten UVA-Lampe die Bestrah- feine Trübungen in den vorderen Anteilen des Horn- lungszeit variiert werden (zum Beispiel 10 Minuten Be- hautstromas handelt, die in der Regel keine Auswirkun- strahlung bei 9 mW/cm² Leistung). In ersten klinischen gen auf das Sehvermögen haben und sich innerhalb von Studien konnten bei verkürzter Bestrahlungsdauer ähn- einigen Monaten wieder vollständig zurückbilden (24). liche Effekte wie nach dem Dresdner Protokoll beob- Schließlich kommt es nach Crosslinking nicht bei allen achtet werden (e9), wobei die typischerweise beobach- Betroffenen zu einer Stabilisierung des Krankheitsver- tete Abnahme der maximalen Hornhautbrechkraft bei laufs. So wurde innerhalb von zehn Jahren nach einem kürzerer Bestrahlung geringer auszufallen scheint Crosslinking bei Kindern in bis zu 24 % der Fälle (25) (e10). Allerdings ist bisher nicht endgültig geklärt, ob von einer erneuten Progression berichtet. das gleiche Ausmaß an kovalenten Verbindungen in kürzerer Zeit erreicht werden kann. Ein limitierender Modifizierte Behandlungsverfahren Faktor könnte hier die Verfügbarkeit von Sauerstoff im Da das Crosslinking nach dem Dresdner Protokoll Hornhautstroma darstellen. Eine aktuelle Metaanalyse schon fast 20 Jahre im Einsatz ist, wurden inzwischen zeigt im Hinblick auf das Aufhalten der Progression ei- verschiedene modifizierte Behandlungsverfahren ent- ne Überlegenheit des Dresdner Protokolls gegenüber wickelt und in Studien untersucht, auf die im Folgen- dem akzelerierten Crosslinking (e11). Daher müssen den kurz eingegangen werden soll. für das akzelerierte Crosslinking ebenfalls weitere Stu- dienergebnisse abgewartet werden, bevor es routinemä- Transepitheliales Crosslinking ßig bei den Betroffenen eingesetzt werden sollte. Das transepitheliale Crosslinking hat zum Ziel, auf die Schließlich gibt es bereits erste neue Ansätze, bei denen Entfernung des Hornhautepithels zu Beginn der Be- versucht wird, durch Bestrahlungspausen während der handlung zu verzichten. Dadurch können die Schmer- Behandlung („pulsed corneal crosslinking“) die Ver- zen und das Infektionsrisiko vermindert werden (e4). fügbarkeit von Sauerstoff im Gewebe zu erhöhen, wo- Da Riboflavin jedoch aufgrund der „tight junctions“ durch mehr Sauerstoffradikale entstehen könnten, die nicht durch das intakte Hornhautepithel hindurch dif- wiederum den Vernetzungseffekt verstärken könnten fundieren kann (e5), gibt es unterschiedliche Ansätze, (e12). Ob hier eine äquivalente Wirksamkeit im Ver- dennoch eine Penetration des Riboflavins in das Stro- gleich zum Standard-Crosslinking erreicht werden ma zu erreichen (zum Beispiel Zusatz von Benzalkoni- kann, muss in weiteren kontrollierten Studien überprüft umchlorid [e6], Iontophorese [e7]). Da es bereits zahl- werden. II Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 11 | 15. März 2019
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