Konjunkturtendenzen Winter 2021/2022 - Der Bundesrat admin.ch
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Winter 2021/2022 Konjunkturtendenzen Wirtschaftslage Schweiz Exkurse: Auswirkungen der Lieferengpässe auf die Schweiz und den Euroraum Inflationsrisiken nehmen international zu – in der Schweiz aber bislang keine Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale Redaktionsschluss: 23. November 2021. Der vollständige Bericht wird am 9. Dezember 2021 publiziert.
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Wirtschaftslage Schweiz Überblick Bis zum Sommer wurden die meisten einschränkenden Einkaufspreise und Lieferfristen. Einige Industriebran- gesundheitspolitischen Massnahmen aufgehoben oder chen mussten Rückgänge hinnehmen, insgesamt stieg stark gelockert. Ausgehend von einem tiefen Niveau, zo- die Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes im gen die Umsätze in den betreffenden Dienstleistungen 3. Quartal aber weiter an, gestützt insbesondere durch stark an, namentlich in der Gastronomie und im Bereich die Chemie-Pharma. Unterhaltung; die Binnenwirtschaft setzte ihre Erholung fort. Das Sportevent-bereinigte BIP wuchs im 3. Quartal Abbildung 2: WWA und Transaktionen2 um 1,5 %, nach 1,6 % im 2. Quartal (Abbildung 1). Ggü. Vorkrisenniveau; Volumen der Präsenztransaktionen mit Debit- und Kreditkarten, saison- und ausreisserbereinigt Damit hat die Wirtschaftsleistung der Schweiz das Vorkri- 8 40 1. Lockdown 2. Lockdown 6 30 senniveau des 4. Quartals 2019 hinter sich gelassen: Im 4 20 3. Quartal 2021 lag sie gut 1 % darüber. Das BIP der USA 2 10 überschritt sein Vorkrisenniveau im 3. Quartal um fast 0 0 1,5 %, jenes des Euroraums lag hingegen 0,5 % darunter. -2 -10 Die Erholung der Schweizer Wirtschaft verläuft im inter- -4 -20 nationalen Vergleich somit verhältnismässig zügig. -6 -30 Lockerung -8 (Gastronomie) -40 -10 -50 Abbildung 1: BIP und PMI Lockerung Verschärfung Lockerung (Handel) -12 -60 BIP: real, saison- und Sportevent-bereinigt, in % ggü. Vorquar- 2020 2021 tal, PMI: saisonbereinigt, 50 = Wachstumsschwelle 90 8 Transaktionsvolumen, in % (rechte Skala) WWA Quellen: SPS Worldline, SECO, BAG 80 6 70 4 Für die nahe Zukunft stimmen die Frühindikatoren vor- 60 2 sichtig zuversichtlich. Sowohl der Einkaufsmanagerindex 50 0 (PMI) der Industrie als auch jener des Dienstleistungssek- 40 -2 tors befinden sich trotz leichten Rückgängen auf sehr ho- 30 -4 hen Niveaus (Abbildung 1). Der Index der wöchentlichen 20 -6 Wirtschaftsaktivität (WWA) liegt deutlich über dem Vor- 10 -8 krisenniveau; die Kartenzahlungen deuten auf eine Fort- 2017 2018 2019 2020 2021 setzung der Erholung (Abbildung 2), gestützt durch die BIP-Wachstum (rechte Skala) PMI Industrie PMI Dienstleistungen positive Entwicklung des Arbeitsmarktes. Die jüngsten Quellen: SECO, CS/Procure Anstiege der Konsumentenpreise dämpfen zwar die Kaufkraft der Bevölkerung, doch die Entwicklung der Ar- International war das 3. Quartal durch Engpässe bei Vor- beitseinkommen war bis zuletzt positiv. Allerdings ist die produkten und Transportkapazitäten geprägt. Diese Unsicherheit im Zusammenhang mit der internationalen bremsen die Konjunkturerholung und tragen global zu Entwicklung der Pandemie und den damit assoziierten Preisanstiegen bei.1 Auch in der Schweiz beklagen Indust- gesundheitspolitischen Massnahmen stark angestiegen. rieunternehmen fehlende Vorleistungsgüter, steigende 1 Vgl. die Exkurse « Auswirkungen der Lieferengpässe auf die Schweiz und den Euroraum » sowie « Inflationsrisiken nehmen international zu – in der Schweiz aber bislang keine Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale » in der vorliegenden Ausgabe der Konjunkturtendenzen. 2 1. Lockdown: ausserordentliche Lage ab Kalenderwoche (KW) 12 2020; Lockerung: Wiederöffnung gewisser Betriebe in KW 18; Verschärfung: erste Ver- schärfung in KW 43; 2. Lockdown: Ladenschliessungen in KW 3 2021; Lockerung (Handel): erster Lockerungsschritt, u. a. Wiederöffnung von Läden, in KW 9; Lockerung (Gastronomie): weiterer Lockerungsschritt, u. a. Wiederöffnung der Innenräume von Restaurants, KW 22. Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 1
BRUTTOINLANDPRODUKT Bruttoinlandprodukt Produktion Vom Dienstleistungssektor kam auch im 3. Quartal ein Im 3. Quartal 2021 wurde das robuste BIP-Wachstum deutlich überdurchschnittlicher Beitrag in der Höhe von von 1,7 % (Sportevent-bereinigt: +1,5 %) insbesondere 1,2 Prozentpunkten. Nach den Öffnungsschritten im vom Dienstleistungssektor im Zuge der gelockerten Frühling kam es im Gastgewerbe (+110,6 %) zu einer wei- Corona-Massnahmen getragen. Auch von der Industrie teren ausserordentlich kräftigen Zunahme der Wirt- kam ein positiver, wenn auch geringerer Impuls. schaftsaktivität im 3. Quartal (Abbildung 4). Dank dem Wegfall der Kapazitätsbeschränkungen in den Restau- Die Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes ver- rants, der Aufhebung der Homeoffice-Pflicht sowie einer zeichnete ein Wachstum von 2,0 % und kam somit gut erhöhten Reiseaktivität erfreuten sich die Gastronomie 7,6 % über dem Vorkrisenniveau zu liegen. Im Zuge dyna- und die Hotellerie einer zügigen Erholung. Im Zuge des- mischer Exporte wuchs die chemisch-pharmazeutische sen bildete sich auch die beanspruchte Kurzarbeit merk- Industrie abermals stark (+4,2 %). Ihre Wertschöpfung lich zurück: Nachdem im 2. Quartal noch knapp 30 % des übersteigt das Vorkrisenniveau bereits um knapp 14 % Arbeitsvolumens ausgefallen waren, waren es Ende Sep- (Abbildung 3). Die übrigen Industriebranchen entwickel- tember nur noch rund 5 %. Auch die gestiegene interna- ten sich hingegen verhalten. Die Unternehmen berichten tionale Mobilität kam der einheimischen Hotellerie zu- weiterhin von ausserordentlich langen Lieferfristen und gute. Die Logiernächte nahmen zwischen Juli und Sep- hohen Einkaufspreisen, die auf der Produktion lasten. Die tember gegenüber den drei Monaten zuvor saisonberei- entsprechenden Indizes aus der PMI-Umfrage bewegten nigt um 30 % zu. Dennoch ist die internationale Reisetä- sich in den Sommermonaten nahe ihren historischen tigkeit noch nicht wieder zurück auf ihrem alten Niveau. Höchstständen. Die Situation dürfte bis mindestens zum Dies spiegelt sich auch darin, dass die Wertschöpfung im Jahresende angespannt bleiben: Gemäss Umfragen der Gastgewerbe im 3. Quartal insgesamt noch immer rund KOF und bei den Einkaufsmanagern in der Industrie ha- 17 % unter dem Vorkrisenniveau lag. ben sich die Erwartungen zur Geschäftslage, zur Produk- tion und zu den Exporten im Oktober eingetrübt. Abbildung 4: Wertschöpfung Dienstleistungsbranchen Real, saisonbereinigt, in % Abbildung 3: Wertschöpfung im Industriesektor Gesundheit, Soziales Real, saisonbereinigt, in % Unternehmens- nahe Dienste Energie Finanzdienste Bau Gastgewerbe Transport, Kommunikation Chemie, Pharma Handel übriges verarb. -20 0 20 40 60 80 100 120 Gewerbe Wachstum im 3. Quartal 2021 Abweichung zum Vorkrisenniveau -3 0 3 6 9 12 15 Quelle: SECO Wachstum im 3. Quartal 2021 Abweichung zum Vorkrisenniveau Quelle: SECO Von der erhöhten Mobilität der Schweizer Bevölkerung profitierte auch die Transport- und Kommunikationsbran- Die Wertschöpfung in der Energiebranche stieg deutlich che (+4,4 %). Sowohl der inländische öffentliche Verkehr (+4,3 %), liegt aber weiterhin unter dem Vorkrisenni- als auch die Passagierzahlen an den Schweizer Flughäfen veau. Aufgrund des nassen Sommers waren die Stauseen haben sich merklich erholt. Ein gemischtes Bild kommt gut gefüllt, und es konnte dementsprechend viel Strom hingegen vom Warenverkehr: Während das per Schiene erzeugt und exportiert werden. Im Baugewerbe setzte und Flugzeug transportierte Gütervolumen das Vorkri- sich die Seitwärtsbewegung indessen auf hohem Niveau senniveau bereits überschritten hat und eine positive Dy- fort. Im 2. Quartal resultierte ein leichtes Wachstum der namik aufweist, verzeichnete der Landverkehr im Zuge Wertschöpfung (+0,2 %). In der Summe lieferte der der gedämpften Entwicklung des internationalen Han- 2. Sektor einen Beitrag zum BIP-Wachstum von 0,5 Pro- dels zuletzt einen Rückgang. zentpunkten, was leicht über dem historischen Mittel- wert liegt. Sowohl die unternehmensnahen Dienstleistun- gen (+1,6 %) als auch die sonstigen Dienstleistungen 2 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ (+2,0 %) entwickelten sich positiv. Im Gesundheits- und Gebremst wurde die Erholung zum einen von den Finanz- Sozialwesen (+1,6 %) nahm die Wertschöpfung ebenfalls diensten- und Versicherungsdiensten (−1,2 %). Die Wert- zu. Bei den Spitälern hat sich die Situation im Sommer schöpfung der Branche liegt gut 3 % über dem Stand von weitgehend normalisiert. Das Sozialwesen entwickelte Ende 2019. sich zudem stabil. Damit lag die Wertschöpfung des Ge- sundheits- und Sozialwesens insgesamt gut 4 % über Abbildung 6: Detailhandelsumsätze dem Vorkrisenniveau. Index, real, saisonbereinigt 140 Mit der Aufhebung der Kapazitätsbeschränkungen bei 130 Grossveranstaltungen per Ende Juni setzte sich die Erho- 120 lung im 3. Quartal auch in der Branche Kunst, Unterhal- 110 tung und Erholung fort (+24,9 %, Sportevent-berei- 100 nigt: +9,4 %). Der Arbeitsausfall aufgrund von Kurzarbeit 90 ging im Quartalsmittel deutlich auf nur noch 3 % zurück. 80 Die Aktivitäten im Zusammenhang mit den Olympischen 70 Sommerspielen erhöhten die Wertschöpfung der Bran- 2017 2018 2019 2020 2021 che zusätzlich. Entsprechend war das BIP-Wachstum et- Nahrungsmittel, Getränke, Tabak was schwächer (+1,5 %), wenn es um Sportevent-Effekte übrige Warengruppen (ohne Treibstoffe) bereinigt wird (Abbildung 5). Quelle: BFS Abbildung 5: BIP und internationale Sportgrossanlässe Zum anderen bildete sich die Wertschöpfung im Handel Real, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorquartal in % deutlich zurück. Der Detailhandel verzeichnete nach ei- 8 nem überdurchschnittlich starken 2. Quartal eine Kom- 6 pensation auf hohem Niveau (−4,1 %). Die Umsätze mit 4 Nahrungsmitteln waren angesichts Öffnungsschritte 2 beim Gastgewerbe weiter rückläufig. Auch im Non-Food- 0 Bereich sanken die Umsätze, liegen allerdings noch über -2 dem Niveau von 2019 (Abbildung 6). Zwar wird die Ge- -4 schäftslage nicht mehr so positiv eingeschätzt wie noch -6 im Sommer, die Unternehmen rechnen aber weiterhin -8 mit steigenden Umsätzen. Im Zuge des schwachen De- 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 tailhandels und der Lieferschwierigkeiten in der Industrie BIP BIP Sportevent-bereinigt ging die Wertschöpfung im übrigen Handel im 3. Quartal Quelle: SECO ebenfalls stark zurück (−3,9 %), getrieben insbesondere vom Grosshandel. Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 3
BRUTTOINLANDPRODUKT Verwendung Abbildung 8: Konsumentenstimmung Konsum Saisonbereinigt, Mittelwert ab 1972 = 0 Der private Konsum nahm im 3. Quartal wiederum kräftig 40 zu (+2.7 %, Abbildung 7 sowie S. 9 f.)3 und überstieg erst- 30 20 mals seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder das 10 Vorkrisenniveau. Mit den weitgehenden Lockerungen 0 der Corona-Massnahmen bis Ende Juni stiegen die Aus- -10 gaben insbesondere im Gastgewerbe und im Freizeitbe- -20 reich noch einmal deutlich an. Auch die Ausgaben für -30 Auslandreisen erhöhten sich spürbar, ausgehend von ei- -40 nem tiefen Niveau. Die Aufhebung der Homeoffice- -50 Pflicht führte zudem zu deutlich gesteigerten Mobilitäts- 2017 2018 2019 2020 2021 Konsumentenstimmung Anschaffungsneigung ausgaben. Besonders der inländische öffentliche Verkehr Erwartete Wirtschaftsentwicklung (rechte Skala) verzeichnete ein hohes Wachstum. Im stationären De- Quelle: SECO tailhandel entwickelten sich die Ausgaben hingegen rück- läufig, nach einem starken Anstieg im Vorquartal. Die Die Konsumausgaben des Staates verzeichneten im Ausgaben für Nahrungsmittel normalisierten sich im 3. Quartal einen Rückgang (−1,5 %; Abbildung 9), nach- Zuge der Lockerungen. Zudem wurden Einrichtungsge- dem sie in der ersten Jahreshälfte 2021 pandemiebe- genstände, Elektronik und neue Personenfahrzeuge we- dingt stark angestiegen waren. Insbesondere gingen die niger stark nachgefragt. Ausgaben des Bundes in Zusammenhang mit den Corona-Impfungen zurück: Im 3. Quartal wurden etwa Abbildung 7: Privater Konsum halb so viele Impfdosen verabreicht wie im Vorquartal. Real, saisonbereinigt, Niveau in Mrd. Franken 12 98 Abbildung 9: Staatskonsum 9 95 Real, saisonbereinigt, Niveau in Mrd. Franken 6 92 6 22.5 3 89 5 22.0 4 21.5 0 86 3 21.0 -3 83 2 20.5 -6 80 1 20.0 0 19.5 -9 77 -1 19.0 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 -2 18.5 Veränderung zum Vorquartal in % Niveau (rechte Skala) -3 18.0 Quelle: SECO 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Veränderung zum Vorquartal in % Niveau (rechte Skala) Die jüngsten Ergebnisse zur Konsumentenstimmung be- Quelle: SECO stätigen eine gewisse Zurückhaltung der Konsumenten bei grösseren Anschaffungen. Der Index zur Anschaf- fungsneigung notiert weiterhin unter dem langjährigen Investitionen Mittelwert (Abbildung 8). Dabei machen sich die höhe- Die Bauinvestitionen legten im 3. Quartal um +0,1 % zu, ren Konsumentenpreise, die auf den Haushaltsbudgets nach +0,3 % im Vorquartal. Damit lagen sie leicht über lasten, allmählich bemerkbar. Die vergangene und die er- dem Vorkrisenniveau (Abbildung 10). Die verhaltene Ent- wartete Preisentwicklung werden von den befragten wicklung dürfte unter anderem auf einen Mangel an Vor- Konsumentinnen und Konsumenten so hoch einge- leistungsgütern zurückzuführen sein. Die mit dem knap- schätzt wie zuletzt im Jahr 2008. Insgesamt stimmen die pen Angebot einhergehende Verteuerung der Vorleis- Umfrageergebnisse aber sehr positiv. Die Schweizer tungsgüter resultierte zudem in einem kräftigen Anstieg Haushalte blicken weiterhin sehr optimistisch auf die der Baupreise. Belastend wirkte ausserdem ein zuneh- Entwicklung der Wirtschaft, und auch die Lage am Ar- mender Mangel an Fachkräften in der Bauwirtschaft. beitsmarkt wird merklich besser eingeschätzt als noch im Juli. 3 Inkl. Konsum der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck. 4 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Abbildung 10: Bauinvestitionen auch diverse kleinere Investitionsrubriken, die besonders Real, saisonbereinigt, Niveau in Mrd. Franken von den globalen Lieferengpässen betroffen waren. Zu- 6 17.5 dem waren die Investitionen in Forschung und Entwick- 4 17.0 lung nach einem robusten 2. Quartal rückläufig. Positive Impulse kamen von den Investitionen in Maschinen, je- 2 16.5 doch hat sich die Dynamik dort seit Jahresbeginn abge- 0 16.0 schwächt. Weiterhin kräftig legten die Investitionen in EDV-Dienstleistungen zu. -2 15.5 -4 15.0 Abbildung 12: Ausrüstungsinvestitionen -6 14.5 Real, saisonbereinigt, Niveau in Mrd. Franken 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 12 33 10 32 Veränderung zum Vorquartal in % Niveau (rechte Skala) 8 31 Quelle: SECO 6 30 4 29 2 28 Die Stimmungsindikatoren für das Baugewerbe haben 0 27 sich zuletzt weiter verbessert (Abbildung 11). So haben -2 26 sich die Auftragsbestände auf einem hohen Niveau stabi- -4 25 -6 24 lisiert und die Erwartungen für die Bauaktivität in den -8 23 kommenden Monaten haben sich weiter aufgehellt. -10 22 Während die Unternehmen im Tiefbau zunehmend pes- 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 simistisch sind, wird die Auftragslage vor allem im Hoch- Veränderung zum Vorquartal in % Niveau (rechte Skala) bau- und Ausbaugewerbe positiv bewertet. Auch sind die Quelle: SECO Finanzierungsbedingungen weiterhin sehr günstig. Die Nachfrage nach Wohneigentum hat sich während der Zwar dürften die globalen Lieferengpässe die Investiti- Corona-Krise verstärkt, was auch in den gestiegenen onsdynamik in der Schweiz aktuell etwas gebremst ha- Preisen für Wohneigentum zum Ausdruck kommt. An- ben, die fundamentale Lage gestaltet sich aber noch sehr ders sieht es für den Mietwohnungsmarkt aus: In gewis- günstig. (Abbildung 13). Im 3. Quartal erreichte die Kapa- sen Regionen bestehen beträchtliche Leerstände, die zitätsauslastung in der Industrie einen Höchststand, und nach der starken Bautätigkeit der letzten Jahre ein Über- die Erwartungen für den Auftragseingang bei Produzen- angebot an Mietwohnungen signalisieren. Entsprechend ten von Investitionsgütern lagen nur leicht darunter. sind die Angebotsmieten, d. h. die Mieten von öffentlich Schliesslich ging der Anteil der Unternehmen mit Finan- ausgeschriebenen Wohnungen, im 3. Quartal das zierungsschwierigkeiten im 3. Quartal weiter zurück. 18. Quartal in Folge gesunken und erreichten das tiefste Niveau seit Anfang 2011. Abbildung 13: Indikatoren, Industrie Saisonbereinigt Abbildung 11: Stimmung im Baugewerbe 36 87 Saldo, saisonbereinigt; Nachfrage, Bauaktivität: Erwartungen 27 85 für die nächsten 3 Monate 18 83 20 9 81 10 0 0 79 -10 -9 77 -20 -18 75 -30 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 -40 Erwarteter Auftragseingang Investitionsgüter, Saldo -50 Unternehmen mit Finanzierungsschwierigkeiten, Anteil in % -60 Kapazitätsauslastung in % (rechte Skala) -70 Quelle: KOF 2017 2018 2019 2020 2021 Nachfrage Bauaktivität Auftragsbestand Quelle: KOF Aussenhandel Insgesamt lieferte der Aussenhandel im 3. Quartal 2021 Die Ausrüstungsinvestitionen gingen im 3. Quartal um einen leicht negativen Beitrag zum BIP-Wachstum (s. 1,3 % zurück (Abbildung 12). Rückläufig waren dabei un- ter anderem die Investitionen in Autos und Möbel, aber Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 5
BRUTTOINLANDPRODUKT auch S. 9 f.). Während der Warenhandel einen unbedeu- Abbildung 15: Warenexporte, ausgewählte Rubriken tenden Wachstumsimpuls lieferte, trug der Dienstleis- Real, saisonbereinigt, Jahresmittel 2019 = 100, tungshandel negativ zu diesem Resultat bei. Anteile 2020 in Klammern 130 120 Die Warenexporte (ohne Wertsachen und Transithandel, 110 +3,4 %) wuchsen das 5. Quartal in Folge klar überdurch- 100 90 schnittlich und kamen somit 10 % über dem Vorkrisenni- 80 veau zu liegen (Abbildung 14).4 Die dynamische Wirt- 70 60 schaftsentwicklung bei wichtigen Handelspartnern seit 50 einigen Quartalen stützte die Nachfrage nach Schweizer 40 30 Exportgütern. Besonders stark wuchsen die Exporte in 2019 2020 2021 den Euroraum und in die USA, welche ihr Vorkrisenni- Chemie, Pharma (54%) Metalle (5%) veau um 22 % beziehungsweise 11 % übertrafen. Maschinen (13%) Präzisionsinstr., Uhren (16%) Übrige (11%) Abbildung 14: Aussenhandel mit Waren Quelle: SECO Real, saisonbereinigt, Jahresmittel 2012 = 100 150 Bei den Warenimporten präsentiert sich eine ähnliche 140 130 Entwicklung: Seit den Sommermonaten zeigen die Im- 120 porte von Metallen, Fahrzeugen und Maschinen eine 110 rückläufige Tendenz bei gleichzeitig anziehenden Import- 100 preisen. Insgesamt stiegen die Warenimporte im 90 3. Quartal jedoch klar überdurchschnittlich mit +3,2 %, 80 wobei die Rubrik der chemisch-pharmazeutischen Pro- 70 60 dukte den weitaus grössten Wachstumsbeitrag lieferte. 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Damit erreichten die Warenimporte erstmals seit Aus- bruch der Corona-Pandemie das Vorkrisenniveau wieder Exporte Total Importe Total ohne Chemie-Pharma ohne Chemie-Pharma (Abbildung 14). Quelle: SECO Abbildung 16: Deflatoren des Warenhandels Insbesondere die zwei grössten Rubriken, jene der che- Saison- und mittelwertbereinigt mischen und pharmazeutischen Erzeugnisse sowie jene 110 der Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie, trugen 105 zum Quartalswachstum bei. Hingegen gingen die Exporte von Metallen zurück. Auch bei anderen Industriegütern 100 wie Maschinen, Apparaten, Elektronik zeichnet sich seit 95 einigen Monaten eine Abschwächung ab (Abbildung 15). Dies dürfte insbesondere mit den Lieferschwierigkeiten 90 bei Vorprodukten und den bereits stark ausgelasteten 85 Kapazitäten zusammenhängen. Die Engpässe führen 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 dazu, dass es für viele Exportunternehmen immer Exporte Total Importe Total schwieriger wird, die hohe Nachfrage zu befriedigen. In ohne Chemie-Pharma ohne Chemie-Pharma Kombination mit den hohen Rohstoffpreisen führt dies Quelle: SECO zu Preisanstiegen bei den betroffenen Exportgütern, was sich im Deflator der Warenexporte widerspiegelt (Abbil- Die Dienstleistungsexporte gingen im 3. Quartal um 2,2 % dung 16). Insbesondere unter Ausschluss der chemi- zurück, nach einem recht starken Anstieg im Vorquartal schen und pharmazeutischen Erzeugnisse stieg dieser in (Abbildung 18). Dies ist hauptsächlich auf einen Rück- den letzten drei Quartalen stark an und erreichte im gang von Lizenzeinnahmen im Zusammenhang mit inter- 3. Quartal das höchste Niveau seit mehr als zehn Jahren. nationalen Sportanlässen zurückzuführen, die im 2. Quartal im Zuge der Fussballeuropameisterschaft hoch ausgefallen waren. Auch die Exporte an Finanz- diensten gingen deutlich zurück. Dagegen wurde im 4 Um die konjunkturelle Interpretation zu erleichtern, werden im Folgenden die Warenexporte und -importe ohne Wertsachen und Transithandel kom- mentiert. Aufgrund unterschiedlicher Definitionen und einer unterschiedlichen Deflationierung weichen die hier präsentierten Zahlen von denjenigen der Eidgenössischen Zollverwaltung ab. In den Abbildungen werden die folgenden Kurzformen verwendet: Chemie, Pharma: Produkte der chemisch- pharmazeutischen Industrie; Maschinen: Maschinen, Apparate, Elektronik; Präzisionsinstr., Uhren: Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie. 6 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Fremdenverkehr und beim Personentransport eine deut- Die Dienstleistungsimporte nahmen im 3. Quartal um liche Erholung verzeichnet. Die Zahl der Logiernächte weitere 2,9 % zu. Zur positiven Entwicklung trugen insbe- ausländischer Gäste stieg saisonbereinigt stark an. Erst- sondere der Fremdenverkehr und die Transportdienste mals seit Ausbruch der Corona-Pandemie erreichten die bei, die sich über die Sommermonate deutlich erholen Übernachtungszahlen deutscher Gäste das Vorkrisenni- konnten, auch wenn das Vorkrisenniveau noch nicht wie- veau, die Anzahl Gäste aus den USA stieg immerhin auf der erreicht wurde. Von den meisten übrigen Rubriken über 60 % des Vorkrisenniveaus (Abbildung 17). Hinge- kamen nur wenige Impulse. gen blieben die Gäste aus Südostasien weiterhin nahezu aus. Abbildung 18: Aussenhandel mit Dienstleistungen Real, saisonbereinigt, in Mrd. Franken Abbildung 17: Logiernächte nach Herkunft der Gäste 36 Saisonbereinigt, Jahresmittel 2019 = 100 34 120 32 100 30 28 80 26 60 24 40 22 20 20 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 0 Exporte Importe 2019 2020 2021 Quelle: SECO Ausland Total Deutschland USA Südostasien Quelle: BFS (Saisonbereinigung: SECO) Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 7
BRUTTOINLANDPRODUKT Tabelle 1: Bruttoinlandprodukt gemäss Produktionsansatz Real, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorquartal in % 2020:4 2021:1 2021:2 2021:3 Verarbeitendes Gewerbe 1.8 5.1 1.7 2.0 Baugewerbe -0.4 -0.1 0.2 0.2 Handel -0.4 -3.1 3.3 -3.9 Gastgewerbe -22.7 -45.5 37.5 110.6 Finanz, Versicherung 0.6 0.1 0.6 -1.2 Unternehmensnahe Dienstleistungen 0.0 -0.8 1.1 1.6 Öffentliche Verwaltung 0.4 0.7 0.0 0.5 Gesundheit, Soziales 0.8 -0.4 0.3 1.6 Kunst, Unterhaltung, Erholung -10.9 -2.6 52.8 24.9 Übrige -1.1 -0.3 1.4 3.2 Bruttoinlandprodukt -0.1 -0.1 1.8 1.7 Bruttoinlandprodukt Sportevent-bereinigt -0.1 -0.1 1.6 1.5 Quelle: SECO Abbildung 19: Beiträge der Branchen zum BIP-Wachstum Real, saisonbereinigt, gegenüber dem Vorquartal, in Prozentpunkten 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 2017 2018 2019 2020 2021 Verarbeitendes Gewerbe Handel Finanz, Versicherung Öff. Verwaltung, Gesundheit, Soziales Unternehmensnahe Dienstl. Kunst, Unterhaltung, Erholung Übrige BIP (Veränderung in %) Quelle: SECO Verarbeitendes Gewerbe: « Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren », Noga 10–33; Baugewerbe: « Baugewerbe/Bau », Noga 41–43; Handel: « Handel; Instandhaltung und Reparatur von Motorfahrzeugen », Noga 45–47; Gastgewerbe: « Gastgewerbe/Beherbergung und Gastronomie », Noga 55–56; Finanz, Versicherung: « Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen », Noga 64–66; Unternehmensnahe Dienstleistungen: « Grundstücks- und Wohnungswesen » sowie « Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen » und « Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen », Noga 68–82; Öffentliche Verwaltung: « Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung », Noga 84; Gesundheit, Soziales: « Gesundheits- und Sozialwesen », Noga 86–88; Kunst, Unterhaltung, Erholung: « Kunst, Unterhaltung und Erholung », Noga 90–93. 8 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Tabelle 2: Bruttoinlandprodukt gemäss Verwendungsansatz Real, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorquartal in % 2020:4 2021:1 2021:2 2021:3 Privater Konsum -1.6 -3.1 4.0 2.7 Staatskonsum 2.7 0.9 4.1 -1.5 Bauinvestitionen -0.1 0.0 0.3 0.1 Ausrüstungsinvestitionen 1.1 -1.5 3.2 -1.3 Warenexporte ohne Wertsachen 0.0 2.8 3.5 2.3 Warenexporte ohne Wertsachen und Transithandel 3.8 5.0 2.1 3.4 Dienstleistungsexporte 12.2 -2.8 6.9 -2.2 Warenimporte ohne Wertsachen 0.1 1.2 -0.2 3.2 Dienstleistungsimporte 7.6 -3.6 5.9 2.9 Bruttoinlandprodukt -0.1 -0.1 1.8 1.7 Quelle: SECO Tabelle 3: Beiträge zum BIP-Wachstum Real, saisonbereinigt, gegenüber dem Vorquartal, in Prozentpunkten 2020:4 2021:1 2021:2 2021:3 Inländische Endnachfrage -0.3 -1.7 3.0 1.0 Vorratsveränderungen inkl. statistischer Diskrepanz -0.4 0.8 -2.9 1.5 Handelsbilanz ohne Wertsachen 0.7 0.8 1.6 -0.8 Quelle: SECO Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 9
BRUTTOINLANDPRODUKT Abbildung 20: Komponenten der inländischen Endnachfrage Beiträge zum BIP-Wachstum gegenüber dem Vorquartal in Prozentpunkten, real, saisonbereinigt 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 2017 2018 2019 2020 2021 Privater Konsum Staatskonsum Bauinvestitionen Ausrüstungsinvestitionen Inländische Endnachfrage Quelle: SECO Abbildung 21: Komponenten der Handelsbilanz Beiträge zum BIP-Wachstum gegenüber dem Vorquartal in Prozentpunkten, real, saisonbereinigt, Warenexporte und -importe ohne Wertsachen 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 2017 2018 2019 2020 2021 Warenexporte Dienstleistungsexporte Warenimporte Dienstleistungsimporte Handelsbilanz Quelle: SECO 10 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Exkurs: Auswirkungen der Lieferengpässe auf die Schweiz und den Euroraum Globale Lieferengpässe belasten die Konjunkturerholung positiv beurteilt (rote Linie). Dies dürfte massgeblich auf weltweit. Mit der wirtschaftlichen Erholung vom Einbruch die Lieferengpässe und die Preissteigerungen für Vorleis- der ersten Jahreshälfte 2020 stieg die Nachfrage nach Kon- tungsgüter zurückzuführen sein. Zwar sind die Vorleis- sumgütern stark an, während der Konsum von Dienstlei- tungslager seit einigen Monaten zunehmend aufgestockt tungen pandemiebedingt weiter eingeschränkt war. Damit worden (schwarze Linie); allerdings meldeten noch immer konnten die Produktionskapazitäten insbesondere in asia- sehr viele Unternehmen längere Lieferfristen und stei- tischen Ländern nicht mithalten. Auch im Seeverkehr – gende Einkaufspreise (grüne respektive gelbe Linie). Ent- Schiffe, Container, Abfertigung in den Häfen – sind die Ka- sprechend wurde die starke Nachfrage in den vergangenen pazitäten überlastet. Die Frachtkosten sind dementspre- Monaten auch durch einen sukzessiven Abbau der Fertig- chend massiv gestiegen (Abbildung 22). Das widerspiegelt warenlager befriedigt (gepunktete Linie). sich – neben den stark gestiegenen Energiepreisen – in entsprechenden Erhöhungen der Einkaufspreise für die Abbildung 23: Einkaufsmanagerindex Industrie, Schweiz Unternehmen. Teilindizes, saisonbereinigt, Wachstumsschwelle = 50 100 Abbildung 22: Transportkosten in der Containerschifffahrt 90 Durchschnittliche Charterkosten in US-Dollar 80 4500 70 4000 60 3500 50 40 3000 30 2500 20 2000 2017 2018 2019 2020 2021 1500 Produktion Auftragsbestand Einkaufspreise 1000 Lieferfristen Vorleistungslager Fertigwarenlager 500 Quelle: CS/Procure 0 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Im Oktober gaben 48 % der Industrieunternehmen an, dass die Produktion durch fehlende Rohstoffe und Vorleis- Quelle: Harper Petersen & Co tungsgüter begrenzt wurde (Abbildung 24).6 Die einzelnen Industriebranchen sind unterschiedlich von Engpässen bei Die pandemiebedingte zeitweise Schliessung grosser chi- Vorprodukten betroffen. Besonders beeinträchtigt war der nesischer Häfen im Sommer verschärfte diese Situation Fahrzeugbau, wo alle befragten Unternehmen Produkti- deutlich. Hinzu kommen Stromengpässe durch Umwelt- onshemmnisse beklagten. Doch auch in der Elektroindust- vorgaben in China, die zu Produktionsausfällen führten und rie, der Gummi- und Kunststofferzeugung sowie dem Ma- wiederum die Lieferengpässe verschiedener Vorprodukte schinenbau wurden vermehrt Engpässe gemeldet. Die Be- verstärkten.5 International sehen sich die Unternehmen im troffenheit ist somit ähnlich wie bei den europäischen verarbeitenden Gewerbe Engpässen vor allem bei der Be- Nachbarn. schaffung von Metallen und Holz, aber auch von elektroni- schen Bauteilen und Kunststoffen sowie chemischen und So ist auch im Euroraum die Auftragslage im verarbeiten- pharmazeutischen Erzeugnissen gegenüber. den Gewerbe aktuell noch immer sehr gut. Allerdings ha- ben auch dort Produktionshemmnisse aufgrund von Mate- Die Lieferengpässe dämpfen aktuell die konjunkturelle Er- rialmangel Rekordniveaus erreicht: Im Oktober gaben 51 % holung in der Schweiz. Zwar ist die Auftragslage noch im- der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe an, dass mer sehr gut. Der entsprechende Teilindex des Einkaufs- ihre Produktion durch fehlende Rohstoffe und Vorleis- managerindex befand sich im Oktober auf einem sehr ho- tungsgüter beeinträchtigt sei. Besonders stark betroffen hen Niveau, obwohl er seit dem historischen Hoch im Mai sind Unternehmen im Fahrzeugbau, gefolgt von den Pro- etwas zurückgegangen ist (Abbildung 23, blaue Linie). Hin- duzenten von elektrischen Ausrüstungen und Elektronik gegen wurde die Entwicklung der Produktion nicht ganz so (Abbildung 25). Die Industrie in Deutschland ist aufgrund 5 So fiel zum Beispiel ein Teil der Magnesiumproduktion in China aus. Magnesium ist wiederum ein wichtiges Vorprodukt für die Aluminiumproduktion und China der grösste Produzent weltweit. Branchenvertreter in Europa befürchten baldige Ausfälle bei der heimischen Aluminiumproduktion. 6 Diese spezifische Frage wird von der KOF erst seit dem Frühjahr 2021 erhoben. Ein historischer Vergleich ist damit nicht möglich. Das «übliche» Niveau der Produktionshemmnisse dürfte aber deutlich geringer sein (vergleiche hierzu den Euroraum in Abbildung 25). Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 11
EXKURS: AUSWIRKUNGEN DER LIEFERENGPÄSSE AUF DIE SCHWEIZ UND DEN EURORAUM ihrer Branchenstruktur besonders stark davon betroffen Jahr 1991. Besonders ausgeprägt ist der negative Saldo bei (86 %), während in Österreich (49 %), Frankreich (43 %), den Automobilherstellern (–31 %) sowie den Herstellern Spanien (27 %) und Italien (18 %) in geringerem Ausmass von pharmazeutischen Produkten (–17 %) und elektri- von Schwierigkeiten berichtet wird. schen Ausrüstungen (–14 %). Abbildung 24: Produktionshemmnisse durch fehlende Abbildung 26: Umfragen im verarbeitenden Gewerbe im Rohstoffe und Vorleistungsgüter in der Schweiz Euroraum Ausgewählte Branchen, in % der befragten Unternehmen Saldi, saisonbereinigt, in % 50 Total 40 Möbel 30 Elektronik 20 10 Metallerzeugnisse 0 Metallerzeugung -10 Maschinen -20 -30 Gummi und Kunststoff -40 Elektrische Ausrüstungen -50 Kraftfahrzeuge 2017 2018 2019 2020 2021 0 20 40 60 80 100 Entwicklung der Produktion Preiserwartungen Mai 2021 Oktober 2021 Fertigwarenlager Quelle: DG ECFIN Quelle: KOF Sowohl in der Schweiz als auch im Euroraum ist mit einer Abbildung 25: Produktionshemmnisse im Euroraum gewissen Weitergabe der Preissteigerungen durch die In- durch fehlende Vorleistungsgüter und Kapazitäten dustrieunternehmen zu rechnen. In der Schweiz beabsich- Ausgewählte Branchen, in % der befragten Unternehmen tigt ein sehr hoher Anteil der Unternehmen, in den kom- Pharmazeutische Industrie menden Monaten die Verkaufspreise zu erhöhen: Der Metallerzeugnisse Saldo dieser KOF-Umfrage stieg im Oktober auf den höchs- Total ten Stand seit 20 Jahren. Laut einer Umfrage von Econo- Sonstiger Fahrzeugbau miesuisse vom Oktober planten dies fast 60 % der befrag- Maschinen ten Unternehmen und Verbände.7 Dies widerspiegelt sich Gummi und Kunststoff bereits in der Entwicklung der Produzentenpreise: Gegen- Elektronik über Oktober 2020 sind diese um 3,1 % angestiegen, so Elektrische Ausrüstungen stark wie seit der Grossen Rezession nicht mehr. Besonders Kraftfahrzeuge ausgeprägt waren die Anstiege bei Vorleistungs- und Inves- titionsgütern, doch auch die Konsumgüter waren betrof- 0 20 40 60 80 Mittelwert 1990−2019 Oktober 2021 fen. Entsprechend lag die Inflation für dauerhafte Konsum- Quelle: DG ECFIN güter (z. B. Möbel, Haushaltsgeräte, Autos, Computer) ge- mäss dem Landesindex der Konsumentenpreise in den ver- Ungeachtet der aktuellen Engpässe konnten die meisten gangenen Monaten so hoch wie seit 1990 nicht mehr. Auch Unternehmen im Euroraum in den vergangenen Monaten im Euroraum planen bereits über 40 % der befragten Un- die Produktion noch weiter erhöhen, wenn auch verlang- ternehmen im verarbeitenden Gewerbe, in den kommen- samt (Abbildung 26). Eine deutliche Ausnahme bildet der den Monaten die Preise noch weiter zu erhöhen. Der Saldo Fahrzeugbau: Vor dem Hintergrund fehlender Vorpro- dieser Umfrage erreichte zuletzt einen historischen dukte wie Chips und Halbleiter wurde die Produktion in Höchststand (Abbildung 26). In den vergangenen Monaten dieser Industriebranche recht deutlich gedrosselt. sind die Produzentenpreise bereits erheblich angestiegen. Wie kräftig die Preissteigerungen in den kommenden Mo- Trotz Produktionszuwächsen musste die kräftige Nach- naten sein werden und wie viel davon an die Kundschaft frage im verarbeitenden Gewerbe teilweise aus den Fertig- weitergegeben werden kann, dürfte sich von Branche zu warenlagern bedient werden. Rund 17 % der Unterneh- Branche unterscheiden. Insgesamt dürfte aber der Preis- men im Euroraum bewerten die aktuellen Lagerbestände druck in den kommenden Monaten international hoch als zu klein. Der Saldo dieser Umfrage (Differenz zwischen bleiben. positiven und negativen Antworten) lag mit –8 % nahe dem historischen Tiefstand seit Einführung der Befragung im 7 https://www.economiesuisse.ch/de/artikel/lieferengpaesse-werden-zum-konjunkturrisiko . 12 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Dies auch, weil die Lieferengpässe insgesamt noch einige neuen Kapazitäten ist erst für das Jahr 2023 zu rechnen. Zeit anhalten dürften. So schätzen Reedereien, dass die Wie Umfrageergebnisse von Economiesuisse zeigen, ver- Störungen in der Containerschifffahrt erst in einem Jahr suchen viele Unternehmen ihre Lieferketten zu diversifizie- komplett abgebaut werden können. Zum einen dürften die ren bzw. zu regionalisieren. Dies dürfte aber erst in mehre- Hygienemassnahmen und damit verbunden die geringere ren Quartalen zu einer spürbaren Entspannung führen. Produktivität an vielen Häfen noch einige Zeit andauern. Gleichzeitig besteht ein Bedürfnis, die geringen Lagerbe- Zum anderen braucht es Zeit, bis « feststeckende » Contai- stände wieder aufzufüllen, was die Nachfrage und damit ner wieder an den gewünschten Häfen ankommen, da die die Preise weiter hoch halten dürfte. Transportkapazitäten überlastet sind. Mit massgeblichen Autor: Stefan Neuwirth (SECO, Ressort Konjunktur) Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 13
ARBEITSMARKT Arbeitsmarkt Nach einem leichten Anstieg zu Jahresbeginn bildete sich zenstellung ein, aber der absolute Abstand (in Prozent- die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen (AL) von punkten) zu den übrigen Branchen hatte sich schon stark Ende Februar 2021 bis Ende Oktober 2021 um durch- verringert. schnittlich rund 3 900 pro Monat zurück und kam Ende Oktober noch bei 123 200 zu liegen. Die Arbeitslo- Abbildung 28: Arbeitslosenquote, einzelne Branchen senquote (ALQ) sank in diesem Zeitraum von 3,3 % auf Saisonbereinigt, in % der Erwerbstätigen, Noga-Codes der 2,7 %. Zwei Drittel des krisenbedingten Anstiegs waren Branchen in Klammern damit wieder wettgemacht. Die Stellensuchendenquote 10 9.8 (STQ8) ging von Ende Februar bis Ende Oktober 2021 von 8 7.6 6.1 5,4 % auf 4,5 % zurück. Die saisonbereinigte Zahl der 6 5.2 5.7 5.9 4.7 4.8 4.7 4.2 Stellensuchenden (STS) lag Ende Oktober 2021 bei 4.3 4.2 4.2 4 4.9 4.8 3.6 3.5 3.3 2.9 210 300 (Abbildung 27), womit 58 % des in der Krise be- 3.9 2.8 3.7 3.4 2 3.1 2.9 2.7 2.6 obachteten Anstiegs wieder abgebaut waren. 0 Gastgewerbe Unterhaltung Uhren (2652) Metall (24-25) Fahrzeugbau Dienste (77-82) Bau (41-43) Elektro, Optik Handel (45-47) Sonst. wirtsch. (29-30) Abbildung 27: Stellensuchenden- und Arbeitslosenquote (55-56) (90-93) (26-27) Saisonbereinigt, in % der Erwerbspersonen 5.5 5.0 Ende Feb 20 Ende Okt 21 Maximum Ende Feb 20 - Ende Okt 21 4.5 Quelle: SECO 4.0 3.5 Abbildung 29: Arbeitslosenquote nach Branchen Saisonbereinigt, in % der Erwerbstätigen 3.0 11 2.5 9 2.0 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 7 Stellensuchendenquote Arbeitslosenquote 5 Quelle: SECO 3 In der Tendenz wiesen Branchen, in denen die ALQ be- 1 reits Ende Februar 2020 höher war, im Zuge der Corona- 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Krise zunächst einen stärkeren Anstieg der ALQ (in Pro- Verarb. Gewerbe (Noga 10-33) Gastgewerbe (Noga 55-56) zentpunkten) auf, konnten dann aber auch eine umso Baugewerbe (Noga 41-43) Handel (Noga 45-47) Gesundheit, Soziales (Noga 86-88) stärkere Erholung verzeichnen (Abbildung 28, Abbil- Quelle: SECO dung 29). Die Branchen wurden zwar ungleich heftig ge- troffen, doch seit rund zwei Quartalen schreitet die An- Gegenüber dem Höchststand in der Corona-Krise näherung an die Vorkrisenwerte in praktisch allen Bran- verringerte sich die saisonbereinigte ALQ chen zügig voran. Besonders negativ betroffen ist nach Ende Oktober 2021 in allen beobachtbaren Subgruppen wie vor das Gastgewerbe, das nicht nur absolut, sondern um deutlich über 50 %. Einzig in der Gruppe der 50- bis auch relativ zum Ausgangsniveau zwischenzeitlich einen 64-Jährigen fiel der Rückgang geringer aus, der viel stärkeren Anstieg als alle anderen Branchen in Kauf vorangegangene Anstieg der ALQ in dieser Altersgruppe nehmen musste. Im Februar 2021 war die saisonberei- war allerdings ebenfalls bereits schwächer ausgefallen. nigte ALQ im Gastgewerbe mit 9,8 % mehr als doppelt so Damit kam die ALQ, wie die der Altersgruppe der 25- bis hoch wie im Februar 2020 mit 4,8 %. Doch registrierte 49-Jährigen, bei 2,8 % zu liegen. Mit Abstand am diese Branche dann auch den kräftigsten Rückgang. Bis stärksten war die Erholung in der Gruppe der 15- bis 24- Ende Oktober 2021 sank die ALQ auf 5,7 %; sie nahm da- Jährigen, wo die saisonbereinigte ALQ mit zwar im Branchenquervergleich noch immer die Spit- 8 Zu den Stellensuchenden (STS) zählen die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum gemeldeten Arbeitslosen – genauer: die arbeitslosen Stellen- suchenden – sowie die nicht arbeitslosen Stellensuchenden. Zu Letzteren zählen u. a. Personen, die noch in einer gekündigten Stelle beschäftigt sind, einen Zwischenverdienst haben, sich in einer aktiven arbeitsmarktlichen Massnahme befinden (z. B. an einem Programm zur vorübergehenden Beschäfti- gung teilnehmen oder eine Weiterbildung besuchen) oder bspw. aufgrund einer Krankheit nicht sofort vermittelbar sind. 14 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Ende Oktober 2021 (2,1 %) bereits wieder leicht unter Abbildung 31: Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten das Vorkrisenniveau gesunken ist. Saisonbereinigt 1.2 4.6 1.0 4.5 Nachdem im Zuge der zweiten Corona-Welle die Bean- 0.8 4.4 spruchung der Kurzarbeit wieder etwas zugenommen 0.6 4.3 hat (im Januar und Februar 2021 bezogen knapp 10 % 0.4 4.2 0.2 4.1 der Beschäftigten in der Schweiz KAE), nimmt die Zahl 0.0 4.0 der Arbeitnehmenden in Kurzarbeit seither kontinuier- -0.2 3.9 lich ab (Abbildung 30). Ende August 2021 betrug sie noch -0.4 3.8 -0.6 3.7 knapp 60 000, was 1,2 % der Beschäftigten entsprach. -0.8 3.6 Der aktuell noch nicht vollständig erfasste Wert für Au- 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 gust 2021 wird noch etwas ansteigen, doch dürfte der Veränderung zum Vorquartal in % definitive Wert voraussichtlich unter dem Vormonats- Vollzeitäquivalente Beschäftigung in Mio. (rechte Skala) wert von Juli 2021 von knapp 90 000 bleiben. Ob der Quelle: BFS (Saisonbereinigung: SECO) KAE-Bezug in der sich abzeichnenden vierten Welle ab Oktober 2021 wieder zunehmen wird, hängt vom Pande- Im 3. Sektor legte die Beschäftigung besonders stark zu mieverlauf ab bzw. von der Frage, ob und allenfalls wel- (1,1 %), aber auch der 2. Sektor verzeichnete eine che Massnahmen zur Eindämmung der Inzidenzen ge- deutlich positive Entwicklung (+0,8 %) (Abbildung 32). troffen werden. Allerdings zeichnet sich eine solche Ent- Die Beschäftigungszunahme im 3. Sektor war vor allem wicklung in den bis anhin verfügbaren Daten nicht ab. So vom Gastgewerbe getrieben, das von den Lockerungen weisen bspw. die Voranmeldungen zur KAE bis und mit der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie November eine anhaltend rückläufige Tendenz auf. profitierte. Saisonbereinigt stieg die Zahl der Beschäftigten im Gastgewerbe um rund 8 % an, lag damit Abbildung 30: Abgerechnete Kurzarbeit seit 2020 allerdings immer noch rund 13 % unter dem Anzahl Arbeitnehmende in Tausend Vorkrisenniveau. 1400 1200 Abbildung 32: Vollzeitäquivalente im 2. und im 3. Sektor 1000 Gegenüber dem Vorquartal in %; saisonbereinigt 800 1.5 600 1.0 400 0.5 200 0.0 0 2020 2021 -0.5 übrige Gastgewerbe (Noga 55-56) Handel (Noga 45-47) Verarb. Gewerbe (Noga 10-33) -1.0 Quelle: SECO -1.5 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Im 3. Quartal 2021 nahm die vollzeitäquivalente Beschäf- 2. Sektor 3. Sektor tigung gegenüber dem Vorquartal um 1,0 % zu und kam Quelle: BFS (Saisonbereinigung: SECO) damit rund 0,7 % über dem Vorkrisenniveau zu liegen (Abbildung 31). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ange- Die gängigen Arbeitsmarktindikatoren deuten für das stellte in Kurzarbeit gemäss ihrem vertraglichen Status 4. Quartal auf eine weitere Beschäftigungszunahme hin als « Beschäftigte » erfasst werden. Der weitere Abbau (Abbildung 33). Der Adecco-Stellenmarktindex und die von Kurzarbeit zugunsten regulärer Arbeitseinsätze im Besta-Beschäftigungsaussichten nahmen nochmals 3. Quartal bedeutet demnach, dass der effektive Arbeits- deutlich zu. Der KOF-Beschäftigungsindikator des einsatz noch stärker gestiegen ist. 4. Quartals verbesserte sich ebenfalls. Einzig der saisonbereinigte Subindex des Einkaufsmanagerindex der Industrie (PMI) zur Beschäftigung verzeichnete seit August eine leichte Abnahme. Allerdings lag der Index im Oktober mit 60,1 Punkten immer noch deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 15
PREISE Abbildung 33: Arbeitsmarktaussichten PMI monatlicher Wert; übrige Indizes: Quartalswerte standar- disiert 80 3 70 2 60 1 50 0 40 -1 30 -2 20 -3 10 -4 2017 2018 2019 2020 2021 PMI Beschäftigung (linke Skala) Adecco-Stellenmarktindex Besta-Beschäftigungsaussichten KOF-Beschäftigungsindikator Quellen: Adecco, BFS, KOF, CS/Procure Preise Die Inflation ist in der Schweiz, wie auch im Ausland, in So sind in den vergangenen Monaten neben den Energie- den vergangenen Monaten weiter angestiegen und er- preisen auch die Preise für Gebrauchtwagen und Hausrat reichte im Oktober mit 1,2 % eine für die Schweiz über- (insbesondere Möbel) deutlich angestiegen. Daneben durchschnittliche Teuerungsrate (Durchschnitt seit 1995: tragen die Mieten wieder mehr zur Inflation bei. Der Bei- 0,5 %). Dabei geht allerdings mehr als die Hälfte der Vor- trag importierter Güter (ohne Erdölprodukte) blieb dage- jahresteuerung auf die Preise der Erdölprodukte zurück gen bis zuletzt negativ (Abbildung 34), obwohl die Im- (Abbildung 34). Vor allem für Heizöl und Benzin musste portpreise auch in der Schweiz deutlich angestiegen sind. im Oktober nochmals deutlich mehr bezahlt werden. Ge- Für den Preisschub der Importe sind, neben den hohen genüber Oktober 2020 lagen die Preise für Benzin 24 % Energiepreisen, die Preise der Vorleistungsgüter verant- höher, beim Heizöl betrug der Preisaufschlag gar 50 %. wortlich, die wegen der global gestörten Lieferketten Die Kerninflation, welche neben den Energiepreisen auch und der erhöhten Transportkosten in den vergangenen die Lebensmittelpreise ausschliesst, stieg in den vergan- Monaten stark gestiegen sind. (Abbildung 35). Werden genen Monaten moderat an und lag im Oktober bei diese höheren Kosten angesichts einer soliden Nachfrage 0,6 %. von den Unternehmen zunehmend auf die Kunden über- wälzt, dürfte die Inflation auch in der Schweiz in den Abbildung 34: Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) kommenden Monaten zunächst noch weiter ansteigen. Beiträge zur Inflation gegenüber dem Vorjahresmonat, in Pro- zentpunkten Abbildung 35: Produzenten- und Importpreise 1.5 Veränderung zum Vorjahresmonat in % 1.0 10 8 0.5 6 0.0 4 2 -0.5 0 -2 -1.0 -4 -1.5 -6 2017 2018 2019 2020 2021 -8 -10 Erdölprodukte Importgüter ohne Erdölprodukte Inlandgüter LIK (Veränderung in %) 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: BFS Gesamtindex Importpreise Produzentenpreise Quelle: BFS 16 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
WIRTSCHAFTSLAGE SCHWEIZ Exkurs: Inflationsrisiken nehmen international zu – in der Schweiz aber bislang keine Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale Die Inflation ist weltweit seit Anfang Jahr spürbar angestie- Rückgängen von 2020 wieder in Richtung des Vorkrisenni- gen. Inzwischen bewegt sie sich vielerorts auf Niveaus ähn- veaus normalisiert, so z. B. im Luftverkehr. Dies führt rech- lich jenen, die letztmals in der Boomphase vor Ausbruch nerisch zu hohen Inflationsraten im Vorjahresvergleich. der Finanzkrise erreicht wurden. In den USA liegt die Infla- Zweitens ist pandemiebedingt die Nachfrage nach gewis- tion bereits seit Mai bei 5 % und darüber, im Oktober hat sen Gütern, u. a. Gebrauchtwagen, Elektronik, Möbeln, ge- sie dort die Marke von 6 % und im Euroraum die Marke von stiegen. Daraus folgen entsprechende Preisanstiege. Im 4 % überschritten. Auch in der Schweiz ist die Inflation an- Euroraum schliesslich wirkt sich die temporäre Mehrwert- gestiegen, im internationalen Vergleich bleibt sie mit 1,2 % steuersenkung in der zweiten Jahreshälfte 2020 in im Oktober aber immer noch moderat (Abbildung 36). Deutschland aus: Die Rückkehr zum üblichen Steuersatz bewirkt vorübergehend höhere Vorjahresraten. Abbildung 36: Inflation Schweiz, Euroraum und USA Gegenüber dem Vorjahresmonat, in % In den nächsten Monaten dürfte der Preisdruck internati- 7 onal zunächst noch hoch bleiben. So haben die global ge- 6 störten Lieferketten via erhöhte Transportkosten und Lie- 5 ferfristen die Preise für Vorleistungen in die Höhe getrie- 4 ben, z. B. für Industriemetalle (Abbildung 37, vgl. auch Ex- 3 2 kurs zu den Lieferengpässen). Entsprechend sind die Ein- 1 kaufspreise insbesondere für importierte Waren in vielen 0 Ländern stark gestiegen (Abbildung 38). Die höheren Pro- -1 duktionskosten dürften sich mit etwas Verzögerung auch -2 in den Konsumentenpreisen widerspiegeln. 2017 2018 2019 2020 2021 Schweiz Euroraum USA Abbildung 38: Importpreise Schweiz Kerninfl. Euroraum Kerninfl. USA Kerninflation Gegenüber dem Vorjahresmonat, in % Quellen: BFS, Eurostat, U.S. BLS 20 Ein erheblicher Teil des globalen Inflationsanstiegs geht auf 15 die Entwicklung der Energiepreise zurück. Diese haben den 10 pandemiebedingten Einbruch von 2020 hinter sich gelas- 5 sen und zuletzt ein Dreijahreshoch markiert (Abbil- 0 dung 37). -5 Abbildung 37: Rohwarenpreise -10 Indizes in US-Dollar, Mittelwert Januar 2017 = 100 2017 2018 2019 2020 2021 180 Schweiz Deutschland USA 160 Kernrate ohne Energie ohne Brennstoffe 140 Quellen: BFS, Destatis, U.S. BLS 120 100 So deuten entsprechende Umfragen in der Schweiz darauf 80 hin, dass die Unternehmen die höheren Kosten angesichts 60 einer soliden Nachfrage zunehmend auf die Kunden über- 40 wälzen könnten, v. a. in der Industrie und beim Grosshan- 20 del (Abbildung 39). 2017 2018 2019 2020 2021 Vieles spricht dennoch dafür, dass der globale Inflationsan- Rohöl Industriemetalle Landwirtschaftsprodukte stieg lediglich temporärer Natur ist, insbesondere, wenn Quellen: Energy Information Administration, S&P Dow Jones sich die Lieferengpässe in den kommenden Quartalen in- ternational wie erwartet allmählich lösen. Allerdings kann Zusätzlich ist seit Anfang Jahr aber auch die Kerninflation die Inflation selbst dann die wirtschaftliche Erholung in den meisten Ländern gestiegen, in den USA sogar deut- dämpfen, wenn sie nur vorübergehend höher ist, da sie die lich. Allerdings ist auch dieser Anstieg primär auf Sonderef- Kaufkraft der Konsumenten reduziert. Die jüngsten BIP- fekte im Zusammenhang mit der Pandemie zurückzufüh- Zahlen deuten darauf hin, dass dies in den USA bereits eine ren. Erstens haben sich gewisse Preise nach den starken Konjunkturtendenzen SECO │Winter 2021/2022 17
EXKURS: INFLATIONSRISIKEN NEHMEN INTERNATIONAL ZU – IN DER SCHWEIZ ABER BISLANG KEINE ANZEICHEN EINER LOHN-PREIS-SPIRALE Rolle spielen könnte. So stieg der Konsum im 3. Quartal ins- wiederum auf die Verbraucher überwälzt werden, wäre gesamt kaum an, der Konsum von Waren ging sogar deut- eine Lohn-Preis-Spirale denkbar, sodass die Inflation länger lich zurück. Letzteres dürfte zwar grösstenteils eine Korrek- hoch bliebe. Damit könnten im Endeffekt auch die langfris- tur der mit teilweise fiskalischen Transfers finanzierten, tigen Inflationserwartungen steigen. Eine in so einem Um- umfangreichen Warenkäufe im 2. Quartal darstellen. Aller- feld angezeigte geldpolitische Straffung könnte die wirt- dings deutet der im historischen Vergleich deutliche Rück- schaftliche Erholung insgesamt infrage stellen. gang der Realeinkommen und Reallöhne darauf hin, dass die Preisentwicklung den Konsum zusätzlich gedämpft hat. In der Schweiz lässt die jüngste Lohnumfrage der UBS da- gegen keine Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale erkennen; Abbildung 39: Erwartete Preisentwicklung nach Branche, sie zeigt für 2022 einen moderaten Anstieg der Löhne von Schweiz 0,8 % an.9 Zudem dürfte die jüngste Aufwertung des Fran- Saldi, saisonbereinigt kens die Auswirkungen des internationalen Preisdrucks auf 100 die Schweiz begrenzen. Allerdings berichten auch in der 75 Schweiz die Unternehmen vermehrt von Rekrutierungs- schwierigkeiten, was zumindest bei Neueinstellungen hö- 50 here Löhne zur Folge haben könnte. Zudem sind die Infla- 25 tionserwartungen der Unternehmen für die kurze und die 0 mittlere Frist im Herbst weiter gestiegen (Abbildung 40). -25 Insgesamt bewegen sich damit auch in der Schweiz die Ri- siken bezüglich Inflation etwas nach oben, aber ausgehend -50 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 von einem sehr tiefen Niveau. Detailhandel Industrie, Einkauf Industrie Hotellerie Grosshandel, Einkauf Grosshandel Abbildung 40: Erwartete Inflation Schweiz Gegenüber dem Vorjahr, in % Quelle: KOF 2.0 Für die Geldpolitik ist hingegen zentral, ob auch mittelfris- 1.5 tig mit höheren Inflationsraten zu rechnen ist. Derzeit 1.0 scheinen die langfristigen Inflationserwartungen auch in- 0.5 ternational weiterhin gut verankert zu sein. Dennoch neh- 0.0 men die Inflationsrisiken allmählich zu, zumindest in den -0.5 USA. Dort stiegen aufgrund der hohen Arbeitsnachfrage die Löhne und Gehälter im 3. Quartal so stark an wie letzt- -1.0 mals zu Beginn der 1990er-Jahre. In der Privatwirtschaft -1.5 wurde eine Lohnsteigerung von 4,6 % im Vergleich zum 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Vorjahr erreicht. Sollten die höheren Arbeitskosten dann In 6 bis 12 Monaten In 3 bis 5 Jahren Quelle: SNB Autorin: Caroline Schmidt (SECO, Ressort Konjunktur) 9 UBS-Lohnumfrage: Löhne steigen 2022 um 0,8 Prozent | UBS Globale Themen 18 Konjunkturtendenzen SECO │ Winter 2021/2022
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