Können Tiere Helden sein? Anthropozentrischer und zoozentrischer Anthropo-morphismus in Gabriela Cowperthwaites Blackfish

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DOI 10.6094/helden.heroes.heros./2018/A/08

Claudia Lillge                                                                                             71

Können Tiere Helden sein?
Anthropozentrischer und zoozentrischer Anthropo-
morphismus in Gabriela Cowperthwaites Blackfish
   Im Ozean herrscht der Wal allein, ein Kö-          Rytchëu und Sólveig Pálsdottir – finden sich Wale
   nig hoch und hehr. Ein Riese an Macht,             immer wieder mit der auch bei Garde auszu-
   und Macht gibt Recht in seinem Reich,              machenden, zwischen Faszination und Ehrfurcht
   dem Meer. (Walfanglied)                            changierenden Diktion dargestellt. Gedichte,
                                                      Dramen, Romane, Reiseberichte und Natur-
In den „Beiträge[n] eines Hilfsunterbibliothekars“,
                                                      kunden inszenieren die Meeressäuger dabei
die Herman Melville seiner bekannten Wal-Odys-
                                                      zumeist als ‚Gefäß‘ variierender menschlicher
see Moby Dick (1851) voranstellt und die mit
                                                      Projektionen, gleichzeitig profilieren sie das Er-
einem „flüchtigen Blick aus der Vogelschau“ das
                                                      habene, Prächtige und Schöne der Tiere und
zusammentragen, „was von vielen Völkern und
                                                      verleihen auf dieser Weise u.a. dem Wunsch
Geschlechtern [...] über den Leviathan gesagt,
                                                      Kontur, sich die Meeresgiganten in eine der Be-
gedacht, geträumt und gesungen worden ist“,
                                                      wältigung des ‚Unbekannten‘ und ‚Unermess-
findet sich die Strophe eines Walfangliedes, das
                                                      lichen‘ zuträgliche ‚Nahperspektive‘ zu rücken.
‚den‘ Wal mit verehrendem Gestus als unange-
                                                      Eine solche Nahperspektive, die eine künst-
fochtenen Herrscher des Meeres preist (Melville
                                                      lerische, wissenschaftliche oder auch schau-
9 u. 24). Mythos und Biologie verschränken sich
                                                      lustige Beobachtung von Meerestieren in be-
in dieser Preisung mit größtmöglicher Evidenz,
                                                      sonderer Weise möglich macht, bieten vor
denn Wale (als reale Tiere) sind für den ihnen
                                                      allem Aquarien, die in der zweiten Hälfte des
zugeschriebenen symbolischen Platz, nämlich
                                                      19. Jahrhunderts begannen, zu den „Attrak-
‚Könige der Meere‘ zu sein, vor allem deshalb
                                                      tionen der Metropolen“ zu zählen, dabei aber
prädestiniert, weil sie nicht nur an der Spitze
                                                      zunächst nur für kleinere Fische und Mollusken
der Nahrungspyramide stehende Prädatoren,
                                                      ausgelegt waren (Harter 7). Seit Mitte des 20.
sondern zudem auch regelrechte ‚Rekordtiere‘
                                                      Jahrhunderts kennen wir eine Spielart des
sind. Blauwale (Balaenoptera musculus) etwa
                                                      Aquariums, die sogenannten Delfinarien, auch
sind die größten, schwersten und längsten
                                                      für Wale. Sie finden sich im Kontext von Tier-
Tiere der Welt. Sie seien, wie François Garde
                                                      shows und Eventindustrie, sie ökonomisieren
in seinem Essay Das Lachen der Wale schreibt,
                                                      das Erhabene, Prächtige und Schöne und kom-
„buchstäblich maßlos“ und „überst[iegen] unser
                                                      merzialisieren den Glauben an eine quasi para-
Verständnis“. Die Faszination der Menschen, so
                                                      diesische Harmonie zwischen Menschen und
führt Garde weiter aus, würden Wale aber nicht
                                                      ‚wilden‘ Tieren. Die bekanntesten dieser Tier-
nur mit ihrer „Masse“ und mit ihrer „Kraft“ bin-
                                                      gefängnisse sind die marinen Themenparks von
den, sondern dezidiert auch mit ihrer „Anmut“
                                                      SeaWorld in den USA, mit Dependancen in San
(Garde 26). Bei demjenigen, der sie beobachtet,
                                                      Diego, San Antonio und Orlando.1 Einer der dort
lösten sie daher meist „eine spontane Empathie“
                                                      gehaltenen Tiergefangenen, ein Orca (Orcinus
aus, „das Bild von etwas Undeutlichem, aber
                                                      orca) und Superstar der „Dine with Shamu“-
Sanftem, Friedlichem, Umhüllendem“, denn der
                                                      Shows,2 steht im Zentrum der nachfolgenden
Wal sei
                                                      Untersuchung. An seinem Beispiel soll gezeigt
   kein Riese der Meere, empfindungslos               werden, wie aus einem realen ein diegetisches
   gegenüber dem Leben der Menschen,                  und anschließend ein politisches Tier wurde.
   sondern das Gegenteil von einer Bedro-
   hung, ein Wohlbehagen, ein Kokon, eine
   gewaltige beruhigende Anwesenheit.
   (ebd. 15-16)                                       Können Tiere Helden sein?
In den Literaturen der Welt – z.B. bei Shake-         Am 6. Januar 2017 verstarb einer der größten in
speare, Rabelais, Edmund Burke bis hin zu Juri        Gefangenschaft gehaltenen Schwertwalbullen.

helden. heroes. héros.
Claudia Lillge

72   Tilikum, so der Name des zu den Hauptattrak-         Kulturverständnisses aufsucht, wäre dazu nach
     tionen von SeaWorld Orlando zählenden ‚Killer-       Beispielen zu befragen.7 Orcas etwa sind in den
     wals‘,3 erlag im Alter von 36 Jahren einer Lungen-   indigenen Kulturen Nordamerikas bekannte
     infektion. Obwohl Tilikum während seiner Zeit        ‚Totemtiere‘. ‚Totemtiere‘ teilen mit ‚Heldentieren‘,
     als Tiermanegenstar drei Menschen tötete, war        dass sie wegen bestimmter (tatsächlicher und/
     der Orca bis kurz vor seinem Tod in den Tier-        oder zugeschriebener) Eigenschaften (zum Bei-
     shows von SeaWorld zu sehen.4 2013 erschien          spiel Kraft, Ausdauer und Weisheit) verehrt wer-
     mit Blackfish eine hoch gelobte Filmdokumen-         den. Im Gegensatz zum Tierhelden werden beim
     tation von Gabriela Cowperthwaite, die nicht nur     Totemtier allerdings keine menschlichen Helden-
     versuchte, die genauen Umstände der Todes-           vorstellungen auf Tiere übertragen, sondern
     fälle in SeaWorld zu erkunden, sondern die zu-       Menschen abstrahieren aus den (wiederum tat-
     gleich eine Tierbiografie Tilikums entwarf, die      sächlichen oder zugeschriebenen) Eigenschaf-
     weltweit eine Diskussion über tierethische Fra-      ten der Tiere, was Menschen als ‚vorbildlich‘
     gen, genauer: über den Einsatz von Tieren in         gelten und eine individuelle oder eine Gruppen-
     der internationalen Entertainment-Industrie aus-     identität stiften soll.8
     löste.5 Cowperthwaite verfolgt mit ihrem Film ein         Besieht man das Feld des ästhetischen Hero-
     Anliegen, das im Kern an Positionen der Critical     ismus, fallen auch hier immer wieder wechsel-
     Animal Studies anschließt. Pointiert gesagt,         seitige Durchformungen von Menschen und Tie-
     führt sie vor, wie sich Orcas, d.h. Tiere, von       ren auf. Zu denken wäre etwa an Konzeptionen
     denen bis heute nicht bekannt ist, dass sie in       fiktiver menschlicher Helden, an denen Tiere
     freier Wildbahn jemals einen Menschen ange-          partizipieren. So gibt beispielsweise die Enzyklo-
     griffen hätten, in Gefangenschaft und als Fol-       pädie des Märchens an, dass der „Held im My-
     ge bestimmter Haltungsbedingungen allererst          thos oft als göttliches Wesen, Schamane oder
     zu ‚aggressiven Menschenkillern‘ entwickeln.         Tier“ erscheint, zudem werde er oft „von Tieren
     Ihre Position, die auf eine grundlegende Refle-      gesäugt und aufgezogen, ist tiersprachen-
     xion von Mensch-Tier-Verhältnissen zielt, trans-     kundig oder kann sich in ein Tier verwandeln“
     portiert Cowperthwaite mittels einer hybriden        (Horn 727, 728). Demgegenüber stehen fiktive
     Kombination an filmischen Darstellungsformen,        Tierhelden (wie Bambi, Cap und Capper, Officer
     welche die Viktimisierung Tilikums in ein Narrativ   Judy Hopps), die anthropomorph gestaltet sind,
     überleiten, im Zuge dessen sukzessive ein tra-       sprich: die wie Menschen denken, fühlen und
     gischer Tierheros entsteht.                          leiden, Heldenreisen unternehmen (Nemo) oder
         Inwiefern aber kann in Bezug auf Tiere           Heldentragödien nach weltliterarischen Vorbil-
     überhaupt von Helden und einem Prozess der           dern erleben (Simba als König der Löwen und
     Heldenschöpfung gesprochen werden? Schließ-          transformierter Hamlet).
     lich sind nahezu alle gängigen Heldendefini-              Über Tierhelden in kulturellen Artefakten
     tionen und -typologien europäischer und neo-         nachzudenken, kann daher im Wesentlichen auf
     europäischer Kulturen, seien sie soziologischer      zwei unterschiedliche Weisen erfolgen. Erstens:
     oder ästhetischer Provenienz, zunächst einmal        Es kann überprüft werden, inwiefern mensch-
     auf Menschen bezogen.6 Schreiben wir gängigen        liche Heldenvorstellungen und -typologien auf
     Anwärtern für Tierheroismus, wie Kriegspferden       diegetische Tiere anwendbar sind. Zweitens: Es
     oder Lawinenhunden, einen Heldenstatus zu,           kann nachvollzogen werden, inwiefern mensch-
     dann geschieht dies, indem wir Vorstellungen         liche Heldenvorstellungen respektive ihre diege-
     menschlichen Heldentums – insbesondere die           tischen Modulierungen von realen Tieren ge-
     außergewöhnliche und mutige Heldentat – auf          stützt werden, d.h., ob und in welcher Weise
     Tiere übertragen. Eine vergleichbare Vielfalt        Tiere an einer Heroisierung ‚mitarbeiten‘. Letz-
     an Heroismen, wie sie Menschen zugestanden           teres erscheint vor allem dann angezeigt, wenn
     wird, findet auf Tiere indes meist keine Anwen-      Tiere, wie im Medium des Films, des TV-Films
     dung, denn wir verehren Bienen in der Regel          oder der TV-Serie – u.a. (Free) Willy, Lassie,
     nicht als ‚Helden der Arbeit‘, Geparden nicht ‚als   Flipper – nicht allein re-präsentiert werden, son-
     Helden des Sports‘ und auch Haustiere, die eine      dern substanziell auch mit und durch ihre Prä-
     Vielzahl von Funktionen im Leben ihrer Besitzer      senz wirken.
     erfüllen können, nicht als ‚Helden des Alltags‘.
     Damit sei freilich nicht gesagt, dass Tiere in
     diesen oder ähnlichen Formen nicht als Helden
     verehrt werden könnten. Schließlich erfolgen
                                                          Tilikums Heldenreise
     Prozesse der Heldenschöpfung nach kultur-
     spezifisch und intersubjektiv variablen Vorga-       „Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?“ Diese
     ben. Eine komparatistische Perspektive, die ver-     Frage, die der Primatenforscher Frans de Waal
     stärkt Positionen jenseits des eurozentrischen       in seiner Studie Der Affe und der Sushimeister

                                                                                         helden. heroes. héros.
Können Tiere Helden sein?

an den Anfang seiner Betrachtungen über Spiel-        den Vorderflossen des Orcas abstößt und mit         73
arten des Anthropomorphismus stellt, benennt in       elegantem Kopfsprung neben ihm ins Becken
etwa das gleiche Erkenntnisinteresse, das auch        eintaucht.
Cowperthwaites Film verfolgt (de Waal 75). „Wie           Diese Eingangsszene mit ihrer prononciert-
ist es, ein Orca zu sein?“ Oder noch genauer          en Unterwasser-Überwasser-Dramaturgie erfüllt
formuliert: „Wie ist es, ein in SeaWorld lebender     mehrere Funktionen im Rahmen der filmischen
Orca zu sein?“ Ob die Frage Fledermaus oder           Exposition. Sie führt in die Welt von SeaWorld
Orca in das Zentrum der Wissensgewinnung              ein und verweist den Betrachter unmittelbar
stellt, ist zunächst von sekundärer Bedeutung.        auf die perfide Doppelgesichtigkeit des Unter-
Vielmehr steht im Vordergrund, wie und in wel-        nehmens. Zum einen gewährt sie Einblick in
cher Weise der jeweils Fragende Tiere, die er         seine atemberaubenden Tiershows mit ihren
zu ‚Objekten des Wissens‘ macht, in den Blick         Visionen des vermeintlich perfekten Zusammen-
bekommt. Wie begegnet Cowperthwaite dem               spiels von Menschen und Tieren. Zum anderen
realen Orca Tilikum, wie erzählt sie von ihm,         destruiert sie dieses Bild zugleich auf erschüt-
und wie operiert ihr Film im Rahmen des tier-         ternde Weise, indem sie von einer Tiertrainerin
ethischen Anliegens eines speaking for animals,       berichtet, die soeben von einem Orca getötet
sprich: einer in diesem Fall auf Orcas bezoge-        wurde. Mit diesem Gegensatz ist eine für die
nen Fürsprache?                                       weitere Filmhandlung entscheidende Thematik,
    Eine Bildunterschrift markiert als Datumsan-      nämlich die Dichotomie von ‚Sichtbarkeit und
gabe den 24. Februar 2010. Eine Unterwasser-          Unsichtbarkeit‘, etabliert. Was, so formuliert es
kamera erkundet ein Wasserbecken. Das tiefe           die Filmrhetorik quasi als implizite Frage, regu-
Blau des Wassers, das immer wieder durch              liert den Blick von jährlich mehreren Millionen
schwarze Blenden durchbrochen wird, erzeugt           SeaWorld-Besuchern, die sich von den Tier-
eine unwirkliche Atmosphäre. Am oberen Bild-          shows begeistern lassen, gleichzeitig aber nicht
rand sind die sich im Wasser bewegenden               unter die Oberfläche ‚des schönen Scheins‘ bli-
Beine eines Schwimmers zu sehen. Außer dem            cken respektive sich möglicherweise nicht einmal
Schwimmer befindet sich ein Orca im Wasser, der       fragen, unter welchen Bedingungen Orcas, aber
im Becken hin und her kreuzt. Zeitgleich hört der     auch Delphine und Seelöwen für SeaWorld ge-
Zuschauer aus dem Off ein Telefongespräch mit         fangen oder gezüchtet, wie sie gehalten und wie
an. Ein Notruf wird abgesetzt. Eine der Tiertraine-   sie dressiert werden und welche Folgen diese
rinnen von SeaWorld, so heißt es, sei von einem       Zurichtungen sowohl für Tiere als auch für
Orca gefressen worden. Kurz kehrt Stille ein,         Menschen haben. Cowperthwaites Film leistet
bevor sich die weibliche Stimme aus der Notruf-       diesbezüglich ebenso Aufklärungs- wie Agita-
zentrale über das Gehörte rückversichert: „A          tionsarbeit. Letzteres gelingt der Regisseurin
whale ate one of the trainers?“ (00:00:55). Immer     vor allem deshalb, weil ihr Film keineswegs ‚nur‘
noch ist die Kamera auf das Unterwasser-              dokumentiert, sondern eine Geschichte erzählt:
geschehen im Pool gerichtet, in dem Schwim-           Diese Geschichte ist die Geschichte von Tilikum.
mer und Orca sich fast tänzerisch umkreisen               Heldenbiografien werden in Literatur und
und aufeinander zu bewegen. Zeitlupen-Einstel-        Film häufig entlang einer Raum-Zeit-Achse in
lungen sowie aufsteigende Sauerstoffblasen, die       Form eines hero pattern oder auch einer so-
das Bild verwirbeln, bekräftigen die unwirkliche      genannten ‚Heldenreise‘ erzählt. Verschiedene
Anmutung der Szene. Kurz darauf wird deutlich,        Philologen von Johann Georg von Hahn (Sag-
dass es sich bei dieser jedoch nicht um Aufnah-       wissenschaftliche Studien 1876) über Otto Rank
men des eben vermeldeten Todesfalls handelt.          (Der Mythus von der Geburt des Helden 1909),
Denn plötzlich folgt auf einen harten Schnitt         Joseph Campbell (The Hero with a Thousand
eine Einstellung, mittels derer dem Unter-            Faces 1949) bis hin zu Jan de Vries (Heldenlied
wasserareal eine Arena von SeaWorld kon-              und Heldensage 1961) und, mit Blick auf jün-
trastiert wird. Begleitet von einer musikalischen     gere filmwissenschaftliche Forschung, Micha-
Fanfare und mittels eines schnellen Kamera-           ela Krützen (Dramaturgie des Films. Wie Holly-
schwenks wird der Filmrezipient zum Zuschauer         wood erzählt 2004) haben diese Reise als eine
einer der Höhepunkte der SeaWorld-Shows. In           Abfolge verschiedener Stationen und Sequen-
einem waterwork act, dem sogenannten rocket           zen beschrieben, die sich mit leichten Varia-
hop, trägt und balanciert der Orca den Tiertrai-      tionen durchaus gattungs- und medienüber-
ner auf seinen Vorderflossen, taucht mit ihm          greifend wiederholt. In einem ersten Entwurf
aus dem Wasser auf und springt mit ihm weit           untergliedert Hahn das Lebensschema eines
über die Wasseroberfläche hinaus, um dann mit         Helden beispielsweise in 16 Phasen, die kristal-
einem gewaltigen Aufschlag zurück ins Wasser          line Merkmale der Heldenbiografie markieren.
zu stürzen, während der Trainer sich bei Errei-       Zu den wesentlichen Kennzeichen, die auch in
chen des höchsten Punktes der Flugkurve von           späteren Forschungsbeiträgen immer wieder als

helden. heroes. héros.
Claudia Lillge

74   Charakteristika eines Heldenlebens hervorgeho-         „Dienst in der Fremde“. Zudem erfährt der Rezi-
     ben werden, zählen vor allem die „hohe Abstam-         pient, dass Tilikum als zweijähriger Jungbulle
     mung“ des Helden, sein „Dienst in der Fremde“,         nahe der Küstenregion Islands gefangen wurde.
     seine „siegreiche Rückkehr“ sowie sein „außer-         Dieser Umstand verbürgt zwar im eigentlichen
     ordentlicher Tod“ (Hahn 340-341).                      Sinne keine „hohe Abstammung“, unterstreicht
     Tatsächlich gibt es in Literatur und Film Tierprota-   aber Tilikums Status als ‚Wildfang‘, der ihn zu-
     gonisten (z.B. Black Beauty), die ein solches, an      mal von in Gefangenschaft geborenen Walen
     menschlichen Heldenfiguren entwickeltes Sta-           unterscheidet. An dieser Stelle soll die Frage
     tionenschema ebenfalls durchlaufen und u.a. auf        zunächst einmal unberührt bleiben, inwiefern
     diese Weise zu Helden geformt werden. Auch             dieser Unterschied tatsächlich ein Unterschied
     Cowperthwaites Film erzählt die biografischen          ist, der auch von Tieren als solcher empfunden
     Stationen Tilikums, bei dem es sich allerdings         wird, was in diesem Zusammenhang gleich eine
     um einen realen Orca handelt, so, dass sie mit         weitere Frage aufwerfen würde, nämlich ob
     den Mustern und Stationen einer Heldenreise            Wale, die vormals in den Weltmeeren lebten, in
     korrelierbar sind: Wie bereits erwähnt, erlag Tili-    Gefangenschaft mehr leiden als Wale, die bereits
     kum Anfang des Jahres 2017 einer Infektion. Bei        in Gefangenschaft geboren wurden und ihr na-
     Walen, die in ihrem natürlichen Habitat leben,         türliches Habitat niemals kennengelernt haben.
     lässt sich bei dieser Todesursache durchaus von        Für das Filmnarrativ aber, das aus einem realen
     einem „außergewöhnliche[n] Tod“ sprechen. Bei          Tier ein erzähltes Tier macht, ist die Tatsache,
     Walen, die in Gefangenschaft gehalten werden,          dass Tilikum vormals ein freilebender Orca war,
     sind Infektionserkrankungen indes eine der häu-        insofern von Bedeutung, als sie eine regel-
     figsten Todesursachen (Hargrove 86-87). Um             rechte Treibkraft für verschiedene Anthropomor-
     dieser Diskrepanz filmisch Kontur zu verleihen,        phismen bildet, die im Sinne der agitatorischen
     reiht Cowperthwaite in ihrem Film mehrere Sze-         Stoßkraft von Cowperthwaites Film stehen. Um
     nen in Form von Kontrast- oder auch Kollisions-        dies näher auszuführen, komme ich auf die ein-
     montagen aneinander, die exakt die Frage der           gangs bereits zitierte Frage von Frans de Waal
     Lebensdauer von Walen verhandeln. Wäh-                 zurück: „Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?“,
     rend Handkameras verschiedene SeaWorld-                die innerhalb dieses Argumentationsgangs lau-
     Mitarbeiterinnen dabei aufnehmen, wie sie den          ten müsste: „Wie ist es, ein in SeaWorld leben-
     Tiershowbesuchern versichern, dass Orcas in            der Orca zu sein, der früher in Freiheit gelebt
     SeaWorld gegenüber freilebenden Orcas eine             hat?“
     längere Lebenserwartung, nämlich von ca. 25                Zum Erinnerungsrepertoire des Menschen
     bis 35 Jahren, hätten, demontieren andere              gehört es, Menschen, Tiere, Dinge, Orte oder
     Szenen diese Aussage insofern, als sie aus             auch Tätigkeiten vermissen zu können. Je-
     Interview-Sequenzen bestehen, in denen ein             manden oder etwas zu ‚vermissen‘ gibt der Erin-
     Meeresbiologe berichtet, dass Orcas eine ähn-          nerungsleistung dabei eine emotional schmerz-
     liche Lebenserwartung hätten wie Menschen              hafte Färbung, die sogar körperlich empfunden
     (00:38:54-00:39:36). Außer der Tatsache, dass          werden kann. Wenn Menschen eben diesen
     der Film an dieser Stelle einen durch die Monta-       Umstand unreflektiert auf Tiere projizieren,
     ge generierten Widerspruch, und zwar zwischen          dann sprechen de Waal und andere Verhaltens-
     den ‚Handlungswelten‘ SeaWorld und Wissen-             forscher von einem anthropozentrischen (naiven)
     schaft, in Szene setzt, mittels dessen der Film-       Anthropomorphismus, weil diese Schlussfolge-
     rezipient dazu gebracht werden soll, quasi ‚selbst‘    rung einer einfachen Übertragung von Menschen
     zu erkennen, wie Besucher von SeaWorld im              auf Tieren geschuldet ist (de Waal 78). Wenn
     Sinne des Unternehmenskonzeptes manipuliert            Menschen jedoch den „Standpunkt“ von Tieren
     werden, arbeitet der Film mit dieser Szenenfolge       beziehen – etwa, indem sie fragen: „Wie ist es,
     nicht zuletzt auch dem Narrativ der Heldenreise        eine Fledermaus zu sein?“ –, dann ändert der
     zu. Denn als „außergewöhnlich“ gilt im Zusam-          menschliche Betrachter seine Perspektive in ent-
     menhang mit Heldenbiografien nicht nur ein             scheidender Weise und wechselt in den Modus
     durch „Unverwundbarkeit“ gewonnenes „un-               eines sogenannten zoozentrischen Anthropo-
     natürlich langes Leben“‚ d.h. ein ‚später‘, son-       morphismus (vgl. ebd.).9 Zu dieser Unterschei-
     dern – zu denken wäre beispielsweise an Sieg-          dung führt de Waal erläuternd aus:
     fried oder Hamlet – auch ein durch tragische
     Umstände bedingter zu „früher Tod“ (Horn 728).            Der zoozentrische Anthropomorphismus
                                                               muß klar vom anthropozentrischen
         Eine andere narrative Konvention der Hel-
                                                               Anthropomorphismus unterschieden wer-
     denreise, und zwar die „siegreiche Rückkehr“              den. Der erstere betrachtet die Dinge vom
     an seinen Herkunftsort, ist auf Tilikums Biografie        Standpunkt des Tieres, der letztere von
     nicht übertragbar, dafür aber leistete der Orca           unserem eigenen Standpunkt aus. Es ist
     als Tiermanegenstar einen fast lebenslangen               ein wenig wie bei Menschen, wie wir sie

                                                                                        helden. heroes. héros.
Können Tiere Helden sein?

   alle kennen, die für uns Geschenke aus-            In ihrer Dokumentation lässt Cowperthwaite u.a.       75
   suchen, von denen sie glauben, daß wir             Tierforscher (zwei Meeresbiologen und eine
   Freude daran haben werden, während                 Neurowissenschaftlerin) zu Wort kommen, die
   andere uns Dinge schenken, die ihnen               auf ethologischer und neuroanatomischer Basis
   gefallen. Die letzteren haben noch kein            betonen, dass Orcas Tiere mit einem hoch ent-
   reifes Stadium der Empathie erreicht und           wickelten Gefühlsleben sind und Menschen
   werden es vielleicht auch nie. Um vom
                                                      darin ähneln, dass sie erfahrene Verluste als
   Anthropomorphismus einen sinnvollen
   Gebrauch zu machen, müssen wir ihn als             schmerzlich empfinden. Nachweisbar ist, dass
   Mittel und nicht als Zweck betrachten. Es          Orcas beispielsweise darunter leiden, wenn
   sollte nicht unser Ziel sein, an einem Tier        sie oder ein anderes Tier aus ihrer Herde ent-
   eine Eigenschaft zu finden, die exakt ei-          fernt, sprich: gefangen oder getötet wird oder
   nem Aspekt unseres eigenen Innenlebens             aber alters- oder krankheitsbedingt stirbt. Diese
   entspricht. Wir sollten uns vielmehr den           Aussage wiederum geht mit dem Narrativ der
   Umstand zunutze machen, daß wir Tiere              Heldenreise, das in ihrer Anwendung auf Tiere
   sind, die – von uns selbst überprüfbare            selbstredend eine Variante und Ausdrucksform
   – Ideen entwickeln. Dieser heuristische            des anthropozentrischen Anthropomorphis-
   Gebrauch des Anthropomorphismus hat                mus darstellt, eine, und zwar speziell für Cow-
   viel Ähnlichkeit mit der Rolle der Institu-
                                                      perthwaites Anliegen, ausgesprochen ‚pass-
   tion überall in der Wissenschaft. Sie regt
   uns an, Vorhersagen zu machen und uns              genaue‘ Allianz ein. Letztere nämlich befördert
   zu fragen, wie man sie überprüfen kann,            und sorgt dafür, dass Tilikum in einem zugleich
   wie wir also beweisen können, daß unse-            tiergestützten und imaginären Schwellenraum
   re Vermutungen zutreffend sind. So wird            von dem adressierten Filmpublikum nicht nur als
   Spekulation zur Herausforderung. (de               Held rezipiert werden kann, sondern zugleich in
   Waal 77-78)                                        einen Assoziationsraum mit der Tradition mythi-
                                                      scher Heldenfiguren eintritt, die wir, ob ihrer so-
Wiewohl de Waal explizit zwischen anthropo-           zialen Doppelfunktion als Ideal- und Protestfigur
zentrischem und zoozentrischem Anthropomor-           (vgl. Horn 722), meist als an ihrer Welt leidende
phismus unterscheidet, weil Verhaltensforscher        und tragisch endende Helden kennen.
vornehmlich den zoozentrischen Anthropomor-
phismus als tool, d.h. als „heuristisches Werk-
zeug“ nutzen, um „überprüfbare Ideen“ über
Tiere hervorzubringen (de Waal 78), ist diese         Ein Tierheld von trauriger Gestalt
einseitige Parteilichkeit für eine Regisseurin, die
mit ihrem Film gegen Haltung und Kommerziali-         Speziell die Dichte an Analogiebildungen, die
sierung von Tieren in SeaWorld aufbegehrt und         sich für die Schöpfung eines tragischen Tier-
für diese Position ein Massenpublikum gewinnen        helden als höchst dienstbar erweisen, hat Cow-
möchte, keineswegs bindend. Hier gehen Tier-          perthwaites Dokumentation allerdings nicht
forschung und dokumentarischer Tierfilm, die          nur positive Kritiken eingebracht. Vor allem die
durchaus beide Prämissen des Tierschutzes und         Diskussion und Aufarbeitung von zwei thema-
Tierwohls verfolgen können, vergleichsweise           tischen Diskursen, in deren Zentrum einerseits
unterschiedliche Wege bzw. hier markiert der          das ,soziale‘ und andererseits das ‚aggressive‘
Film seine ästhetische Differenz. Während Ver-        Verhalten von Orcas steht, haben bei manchem
haltensforscher Erkenntnisse über Tiere jenseits      Betrachter den Eindruck erweckt, dass der Film
einer „vermenschlichenden (anthropozentri-            nicht allein über Tiere spreche, sondern über
schen) Form“ zu gewinnen beabsichtigen (ebd.          und mit Tieren menschenbezogene Themen
78), scheut sich Cowperthwaite keineswegs, ihr        verhandle. Fraglos kann Letzteres als ein häufig
Publikum auch über diese ‚einfache‘ Form der          zu beobachtender ‚Zugriff‘ auf Tiere beschrieben
Analogiebildung zwischen Menschen und Tieren          werden. „People”, so führt u.a. Donna Haraway
zu einem „emotionale[n], mitfühlende[n] Ver-          aus,
stehen eines anderen Lebewesens“ anzuregen
respektive die „moralische Vorstellungskraft“ zu         like to look at animals, even to learn from
„reaktivieren“ (Donovan 114), die – im Sinne der         them about human beings and human
                                                         society. [...] We polish an animal mirror to
Mitleids- und Mitgefühlsethik – Voraussetzung
                                                         look for ourselves. (Haraway, Simians 21)
einer „leidenschaftlichen Sorge um das Wohl-
ergehen der Tiere“ ist (ebd. 120). Insofern ver-      Diese Perspektive nehmen auch Loretta Row-
schränken sich zoozentrische und anthropozen-         ley und Kevin A. Johnson ein. Ihrer Ansicht
trische Argumentationsmuster in Blackfish auf         nach würde die Dokumentation Blackfish, und
vielfache Weise und stärken einander hinsicht-        zwar mittels der Art und Weise wie sie das So-
lich des Ziels, ein Plädoyer gegen Orca-Shows         zialverhalten von Orcas darstellt, z.B. einem
filmisch zu formulieren.

helden. heroes. héros.
Claudia Lillge

76   normativen Familienbild das Wort reden, dem            vernachlässigen, denn im Feld des ästhetischen
     eine ebenso wertkonservative wie biologistische        Heroismus sind „Helden“ zuvorderst „medial
     Signatur eignet:10                                     konstruierte Figuren“ (Immer/van Marwyck 23).
                                                                Blackfish, der dem Genre des Dokumentar-
        Blackfish stresses the importance of ma-            films zugeordnet werden kann, ist als eine Mon-
        triarchal family structures, which may re-
                                                            tage konzipiert, die sich aus höchst heterogenen
        flect humans’ perceptions that mothers
        are favoured over fathers in court custody          Materialien zusammensetzt: In einer Vielzahl
        battles. While many argue that custody              von Interviewsequenzen kommen ein vormaliger
        decisions do not result from biased gender          Walfänger, verschiedene Tiertrainer und Show-
        preferences, others emphasize how so-               besucher mit ihren jeweiligen Erinnerungs- und
        cial gender norms portray women to be               Erfahrungsberichten sowie Zeugenaussagen zu
        inherently warm and nurturing – perspec-            Wort. Ferner stellen zwei Meeresbiologen und
        tives that are reified in Blackfish. (Rowley/       eine Neurowissenschaftlerin Expertenwissen
        Johnson 11-12)                                      über Anatomie, Physiologie, Fortpflanzung,
                                                            Verhalten und Umweltbeziehungen von Orcas
     Ein zweiter Aspekt, auf den sich die Kritik richtet,
                                                            zur Verfügung. Für alle Interviews gilt, dass die
     bezieht sich auf die argumentative Form, mit der
                                                            Kamera ausschließlich den Befragten ins Bild
     Cowperthwaites Film die tödlichen Angriffe von
                                                            rückt, mit dem nach der Interviewmethode der
     Tilikum zu erklären bzw. zu plausibilisieren ver-
                                                            Oral History, wie sie u.a. bei Zeitzeugen in den
     sucht. Auch hier beanstanden Rowley und John-
                                                            Geschichtswissenschaften oder der Ethnologie
     son, dass Cowperthwaite einen menschlichen
                                                            angewandt wird, ein ‚Sprechenlassen‘ praktiziert
     Diskurs aufgreife und diesen mit allen seinen
                                                            wird. Diese Interviewsequenzen wiederum sind
     ungeklärten und strittigen Fragen ins Tierreich
                                                            eingelassen in SeaWorld-Commercials, diverse
     verschiebe:
                                                            Mitschnitte (aus Shows, Trainingseinheiten und
        Blackfish may reflect human discourses              Besucherführungen) sowie tierfilmartige Se-
        about criminality. As the documentary talks         quenzen von freilebenden Orcaherden, in Me-
        about the motives for Tilikum’s aggressive          dienberichte über SeaWorld und Auszüge aus
        acts and murder, we get a narrative tra-            Gerichtsverhandlungen, Nachrichtensendungen
        jectory suggesting that his aggression is           und Prozessprotokollen sowie Fotos und (zum
        a product of biology and/or social condi-           Teil animierte) On-Screen-Grafiken. Mit der An-
        tions. That is, Blackfish considers the age-        einanderreihung dieses zunächst einmal frag-
        old nature/nurture hypotheses to describe
                                                            mentarisch vorliegenden Bildmaterials bringt
        Tilikum’s criminality. Did Tilikum commit
        the act of murder because of genetic pre-           Cowperthwaite unterschiedliche Formen der
        disposition, or because he was the prod-            Montagetechnik – wie die oben bereits erwähnte
        uct of an environment different from what           Kontrast- oder Kollisionsmontage, aber auch die
        he was previously accustomed to? Are                durch Sergej Eisenstein maßgeblich entwickelte
        people born evil, or are they encouraged            Assoziationsmontage – in Anschlag, die in das
        to commit criminal acts? Anthropomorphic            Mosaik an Szenen, Informationen und Bildern
        anthropocentrism suggests that Blackfish            nicht nur eine dramaturgische Ordnung und Mo-
        is as much a story about orca crimes as             mente der thematischen Verdichtung implemen-
        it is about the way we talk about human             tieren, sondern den Filmrezipienten von einem
        crimes. (ebd. 13)                                   affektiven zu einem intellektuellen Erfassen, von
     Zweifellos kann Rowley und Johnson zugestimmt          einer empathischen hin zu einer politischen Per-
     werden, dass sich Cowperthwaites Dokumenta-            spektive führen.
     tion zuweilen in ein argumentatives Fahrwasser             Wiewohl Tilikum im Zentrum der Dokumenta-
     hinein bewegt, dessen anthropozentrische Per-          tion steht, weil er die Trainerin Dawn Brancheau
     spektive nicht durchgängig reflektiert erscheint.      am 24. Februar 2010 tötete und somit den An-
     Die gleiche Kritik wiederum lässt sich jedoch          lass dafür gab, über die Haltung von Orcas in
     auch an den Beitrag von Rowley und Johnson             SeaWorld zu recherchieren und einen Film über
     herantragen, dessen Rhetorik, wie in dem oben          diese zu machen, wird seine Tierbiografie stets
     angeführten Zitat deutlich wird, partiell von einer    von denen anderer Orcas, die für SeaWorld ge-
     durchaus bemerkenswerten anthropozentri-               fangen oder dort gezogen wurden, umstellt. Dies
     schen Semantik (Tilikums „criminality“ und „act        wiederum stärkt Tilikums Rolle in Blackfish als
     of murder“) durchzogen ist. Ferner fällt auf, dass     herausgehobenes Tier, das, wie es für Helden
     in der Analyse von Rowely und Johnson das              üblich ist, gewissermaßen zum exzeptionellen
     Medium Film sowie dessen medienspezifische             „Vertreter“ einer „Gruppe“ avanciert (Horn 726).
     Valeurs keinerlei Berücksichtigung finden. Spe-        Im Zuge dessen zeigt sich, wie aus einem re-
     ziell mit Blick auf die Frage, wie Tiere zu Hel-       alen Tier zunächst ein erzähltes Tier – und zwar
     den werden, ist dieser Aspekt indes nicht zu           in diesem Fall ein tragischer Tierheld – werden

                                                                                        helden. heroes. héros.
Können Tiere Helden sein?

muss, um überhaupt die Funktion eines politi-        Gleichwohl brauchen Tiere Helden, weil Tier-         77
schen Tieres erfüllen zu können.                     helden dazu beitragen können, Menschen
   Befragt man die Heroismusforschung, so            kognitiv und emotional dafür bereit zu machen,
herrscht weitgehend Konsens darüber, dass            sich für Tierwohl und Tierschutz einzusetzen und
„Heldenbilder konkrete gesellschaftspolitische       Orte wie SeaWorld zu verändern. Abschließend
und soziale Funktionen“ zu „erfüllen“ haben,         soll der Frage nachgegangen werden, inwie-
die u.a. der „ethischen Orientierung [dienen]“       fern das making of a hero, dem Tilikum in Cow-
(Immer/van Marwyck 11). Nikolas Immer und            perthwaites Film unterzogen wird, sich allein
Mareen van Marwyck schreiben dazu:                   mittels der filmisch-narrativen Überformung des
                                                     Orcas vollzieht, oder ob und inwiefern Tilikum
   Als dominante Orientierungsgröße trägt            selbst an diesem Prozess partizipierte.
   er [der Held] zur Identitätsbildung einer
                                                         Über Helden wird gesagt, dass sie häufig
   Gemeinschaft bei und verkörpert ihr prä-
   gendes Wertverständnis. Während sich              „auffallend schön oder im Gegenteil furchter-
   der Held auf diese Weise auch als ab-             regend“ seien, manchmal sogar wären sie
   schreckendes Gegenbild einsetzen lässt,           „tier- und riesenhaft“ sowie „begabt mit außer-
   um ex negativo auf die ethische Aus-              gewöhnlicher Stärke“ (Horn 728). Tilikum, der
   bildung einer Gruppe hinzuarbeiten, bleibt        zur Zeit seines Angriffs auf Dawn Brancheau
   er gleichfalls für die Umsetzung ideolo-          sechs Tonnen wog und ungefähr sieben Meter
   gischer und demagogischer Wirkungs-               lang war, erfüllt insofern dieses körperliche
   ziele instrumentalisierbar. (ebd. 22)             Heldenmerkmal, als er der größte Bulle war, der
                                                     jemals in SeaWorld gehalten wurde. Rückt Tili-
Ergänzend dazu lässt sich die Position Josef
                                                     kum in Blackfish ins Bild, dann wird der Eindruck
Früchtls anführen, der konstatiert:
                                                     einer „auffallenden“ Schönheit und „außer-
   Ein Held ist nicht nur, wer einer neuen           gewöhnlichen Stärke“ indes auf irritierende
   Welt, einer neuen Lebens- und Denk-               Weise gestört. Auch Millionen von SeaWorld-
   form zum Durchbruch verhilft, sondern             Besuchern wird Tilikum vermutlich nicht als der
   auch, wer dies in unversöhnlicher und             größte und imposanteste Orca in Erinnerung
   aussichtsloser Konfrontation mit der alten        bleiben, sondern als ein Schwertwal mit promi-
   Welt tut, bereit, dafür mit seinem Tod ein-       nent eingeknickter Rückenflosse, sprich: als ein
   zustehen. (Früchtl 76)                            Tier von ausnehmend trauriger Gestalt.
Helden, so lassen sich die oben zitierten Funk-          Eine eingeknickte Finne nämlich ist ein cha-
tionsbestimmungen folglich zusammenfassen,           rakteristisches Zeichen von in Gefangenschaft
sind Agenten eines politischen und kulturellen       lebenden Orcabullen, deren Rückenflosse ob der
Imaginären, an dessen Durchsetzung sie ar-           fehlenden Beanspruchung des Muskelgewebes
beiten und für das sie gegebenenfalls ihr Leben      zur Seite fällt. Eben durch diese abgeknickte
opfern. Lässt sich diese Perspektive auch auf        Flosse, die Tilikum als Filmtier gewissermaßen
Tiere, lässt sie sich konkret auf Tilikum über-      ‚mitbringt‘, entsteht ein Assoziationsrahmen, der
tragen?                                              von ihm ‚mitgestaltet‘ wird. So lässt die ‚hän-
    Drei Menschen starben, weil sich ein Orca sei-   gende Finne‘ leicht an den sprichwörtlich ‚hän-
ner Umwelt widersetzte. Seit dem Tod von Dawn        genden Kopf‘ des Menschen denken, der ein
Brancheau regelt eine neue Bestimmung, dass          Bild von Traurigkeit aufruft (01:12:43-01:13:53).
sich die Tiertrainer von SeaWorld den Walen          Auch wenn sich mit dieser Assoziation erneut
nur noch vom Beckenrand aus nähern, aber             eine anthropozentrische Analogiebildung an der
nicht mehr mit ihnen im Wasser arbeiten dürfen       Physiognomie des Tieres festmacht, wird das
(Hargrove 7). Erst Cowperthwaites Dokumenta-         Bild von der tatsächlichen Degeneration der
tion, die drei Jahre nach dem Tod Brancheaus         Finne hervorgerufen und zugleich durch diese
sowie nach ca. 80 dokumentierten Übergriffen         gestützt. Insofern ist der Orca Tilikum zwar nicht
von Orcas auf Tiertrainer in die Kinos kam und       an seinem making of a hero beteiligt, aber er ‚ar-
ein breites Publikum erreichte, löste nachhaltige    beitet‘ – im Sinne eines „materiell-semiotischen
Proteste gegen die Tierhaltung in SeaWorld aus,      Akteurs“ (Haraway, Situiertes Wissen 96) –
infolge derer das Unternehmen, wie das Time          substanziell daran mit, ob er als strahlender oder
Magazine im August 2015 berichtete, Einbußen         als tragischer Held respektive als Schwertwal
von Besucherzahlen in Höhe von 84% zu ver-           mit ‚zerbrochenem Schwert‘ im Sinne des Film-
zeichnen hat (Rhoden o.S.). Seit 2016 wurde          narrativs wirkt. Wiederum operiert der Film auch
das Orca-Zuchtprogramm eingestellt, zu einer         in diesem Kontext mit effektvollen Kontrasten,
Auswilderung oder Entlassung der Tiere in Frei-      zumal wenn Cowperthwaites den Betrachter
gehege war SeaWorld bisher nicht bereit. Diese       in der Schlussszene ihrer Dokumentation auf
Entwicklung zeigt: Das Tierreich kennt, soweit       eine Walsichtungsfahrt mitnimmt und ihm über
wir derzeit wissen, keine Heldenschöpfung.           eindringliche euphorisch gestimmte Aufnahmen

helden. heroes. héros.
Claudia Lillge

78   zeigt, wie Orcas in freilebenden Herden den                     trainer’s jaw, fractured part of her vertebra and dislocated
     Pazifik durchwandern, ihre aufrechten Rücken-                   one of her elbows and a knee while thrashing her around its
                                                                     pool, according to an autopsy released today. The autopsy
     flossen die Wellen teilen und die ‚Blackfishs‘ das              determined that Dawn Brancheau died of blunt force trauma
     erhabene Bild der Wale als ‚Könige der Meere‘                   to the head, neck and torso, and drowning when the giant
     wiedergewinnen.                                                 orca yanked her into SeaWorld’s pool Feb. 24. The orca was
                                                                     so violent with Brancheau that part of her scalp was ‚forcibly
     PD Dr. Claudia Lillge ist Privatdozentin für                    torn from the head‘, the autopsy said. The 40-year-old trainer
     Komparatistik und Anglistik an der Universität                  was at ease with the killer whale and had just petted him on
                                                                     the nose. However, in a scene that horrified SeaWorld visi-
     Paderborn. Zu ihren Forschungsschwerpunkten                     tors, Tilikum grabbed her long ponytail when she turned her
     zählen komparatistische und medienkompara-                      back, pulled her into the pool and began swinging her around
     tistische Fragestellungen sowie Themen und                      in its mouth. SeaWorld patrons quickly were ushered out of
     Theorien der Cultural Studies. Derzeit ist sie                  the area and workers tried to corral Tilikum, but by the time
                                                                     they retrieved Brancheau’s body she was dead.“ (Mooney
     Vertretungsprofessorin an der Goethe-Universi-                  o. S.)
     tät Frankfurt am Main im Fach Neuere deutsche
                                                                     5 Über den eminenten Erfolg des Films schreibt Samantha
     Literaturwissenschaft mit einem Schwerpunkt im                  Lipman: „Whether you believe it is a revolutionary conserva-
     Bereich der Cultural and Literary Animal Studies                tion documentary or, like SeaWorld, are calling it propagan-
     (Poetiken und Ästhetiken der Jagd, das Meer als                 da, it cannot be denied that the ‚Blackfish Effect‘ has forced
     Natur- und Kulturraum, Welt(en)komparatistik                    us to closely examine all that we know about whales and dol-
                                                                     phins. Widespread and still gaining momentum, Blackfish first
     der Tiere).                                                     premiered in January 2013 at the Sundance Film Festival.
                                                                       That year it became the highest ranking CNN film of the
     1 Nach einer im August 2017 publizierten Statistik der          year, reaching over a million people in its debut broadcast
     britischen Arten- und Tierschutzorganisation WDC (Wale          and 26.4 million total viewers over 24 showings. This resulted
     and Dolphin Conservation) wurden seit 1961 insgesamt 156          in the film trending on Twitter, with enthusiastic support
     Orcas für Tiershows gefangen. Von den derzeit weltweit          from a whole host of celebrities who joined the social me-
     noch 60 Tieren, die in Gefangenschaft leben, befinden sich      dia frenzy, urging their fans to watch Blackfish. The film was
     allein 22 Orcas in den marinen Themenparks von SeaWorld         nominated for a 2014 BAFTA Award and has since inspired
     (Wale and Dolphin Conservation o.S.).                           the proposal of legislative bills that could affect the display
     2 „Shamu“ war der Name eines weiblichen Orcas, der in           of captive orcas in two American states. The clear message
     den 1960er Jahren in SeaWorld auftrat. Zugleich war Shamu       delivered by Blackfish is that cetaceans do not belong in cap-
     der erste Orca, der dezidiert mit dem Ziel gefangen wurde,      tivity. This message is spreading like wildfire, with recent de-
     ihn für eine Tiershow einzusetzen. Um diesen Orca, der nur      clines in attendance to SeaWorld parks credited to the film.
     6 Jahre in Gefangenschaft überlebte, baut SeaWorld sei-         Our perceptions of cetaceans – and the parks holding them
     nen eigenen Mythos auf. Die Orca-Arenen in den drei Parks       captive – are changing.“ (Lipman o.S., vgl. auch Allen o.S.,
     von SeaWorld heißen „Shamu Stadium“. Ebenso wird jeder          Kaufman o.S.)
     Orca, der in einer der Shows auftritt, als „Shamu“ (wahlweise   6 Vgl. dazu etwa die Definition bei Johann Heinrich Zedler:
     als „Baby Shamu“, „Grandbaby Shamu“, „Great-Grandbaby           „Held. Lat. Heros, ist einer, der von der Natur mit einer an-
     Shamu“) angesprochen, obwohl es sich hier nicht um tat-         sehnlichen Gestalt und ausnehmender Leibes-Stärcke be-
     sächliche Verwandtschaftsbeziehungen zu dem Orca, der           gabet, durch tapffere Thaten Ruhm erlanget, und sich über
     diesen Namen trug, handelt. John Hargrove, ein vorma-           den gemeinen Stand derer Menschen erhoben.“ (Zedler
     liger Tiertrainer aus SeaWorld, sieht in diesem Vorgehen        1214-1215) Auch bei Klaus von See heißt es: „Es scheint,
     eine Form des Brand-Marketings, mittels dessen aus vielen       daß der Held die Möglichkeiten dessen absteckt, was der
     Orcas mit jeweils eigenen Namen (Tilikum, Corky, Takara         Mensch in extremen Äußerungsformen wollen und tun kann.
     usw.) immer nur ein Orca erzeugt wird, der sich in der Er-      Er ist [...] eine der Urformen menschlicher Selbstdarstel-
     innerung der Besucher ‚hält‘ (Hargrove 26-27). Später wird      lung.“ (von See 38) Zu jüngeren Entwicklungen der Helden-
     zu zeigen sein, dass eine derartige Vereinnahmung mit dem       forschung vgl. u.a. die Einleitung des kürzlich erschienenen
     Orca Tilikum nicht zu realisieren war und er sich gewisser-     Bandes von Barbara Korte und Stefanie Lethbridge (Korte/
     maßen seinen ‚eigenen Namen‘ machte.                            Lethbridge 1-29).
     3 Umgangssprachlich werden Schwertwale häufig auch              7 Vgl. hierzu das Plädoyer von Michael Butter für einen
     als ‚Killerwale’ bezeichnet, da sie sich von anderen Meeres-    ‚dynamischen‘, sprich: historischen und kulturspezifischen
     säugetieren, wie Robben und Schweinswalen sowie von Kal-        ‚Heldenbegriff‘ sowie für die Notwendigkeit einer verstärkt
     maren, Pinguinen und Seevögeln ernähren.                        komparatistischen Perspektive: „Das Heroische erweist
     4 Beachtlich ist, dass diese Serie an Todesfällen erst mit      sich dabei als ein in hohem Maße und in mehrfacher Hin-
     dem tödlichen Übergriff Tilikums auf die SeaWorld-Trainerin     sicht dynamisches Phänomen: So kann beispielsweise jede
     Dawn Brancheau im Februar 2010 einer breiten Öffentlich-        erfolgreiche und wirkmächtige Heroisierung die Definition
     keit bekannt wurde. Auch dieser Übergriff drohte, zunächst      des Heroischen verändern. Und wer als Heldin bzw. Held,
     von Seiten des Unternehmens, dadurch ‚verharmlost‘ zu           was als heldenhaft gelten kann, ist in aller Regel Gegen-
     werden, dass man der Trainerin schlicht ein Fehlverhalten       stand massiver Deutungskämpfe. Vor diesem Hintergrund
     im Umgang mit dem Orca unterstellte. Brancheau nämlich          sind essentialistische Nominaldefinitionen für die theore-
     hätte während der Arbeit mit Tilikum ihre Haare nicht zu        tische Durchdringung des Heroischen nicht zielführend. […]
     einem Pferdeschwanz binden dürfen, weil es eben dieser          Grundsätzlich handelt es sich um ein unübersichtliches For-
     Pferdeschwanz war, den sich das Tier griff und die Trainerin    schungsfeld: Zum einen wird es in vielen Disziplinen (von der
     daran ins Wasser zog. Mit dieser Erklärung des Angriffs         Archäologie bis zur Psychologie) in den Blick genommen,
     versuchte man von dem für das Unternehmen selbstredend          zum anderen wird das Heroische im Zusammenhang mit
     höchst imageschädlichen Umstand abzulenken, dass die in         einer großen Vielfalt an Figuren, Epochen und kulturellen
     den Shows vorgeführten Wale aus haltungsbedingten Grün-         Räumen untersucht. Es fehlt zudem eine themaspezifische
     den aggressiv und für die Tiertrainer gefährlich werden kön-    Methodik und Theorie (geschweige denn das Potenzial
     nen. Nach Abschluss des Autopsieberichts gaben die ABC          zu einem ‚turn‘). Die Grenzen zu anderen Forschungsge-
     News bekannt: „SeaWorld’s killer whale Tilikum broke its        genständen wie Opfer, Ehre und Ruhm, Religion, Krieg,
                                                                     Gender, Identitäten oder Emotionen – um nur einige zu

                                                                                                          helden. heroes. héros.
Können Tiere Helden sein?

nennen – sind offen. […] Angesichts dieser Vielfalt und Brei-    Früchtl, Josef. Das unverschämte Ich. Eine Heldengeschichte     79
te der Forschung zum Heroischen überrascht es nicht, dass         der Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2004.
es an Synthesen und an einem komparativen Blick mangelt,
                                                                 Garde, François. Das Lachen der Wale. Eine ozeanische
insbesondere an einem komparativen Blick, der über Europa
                                                                  Reise. München: C. H. Beck, 2016.
und europäisch geprägte Räume hinausgeht. Außerdem
lässt sich feststellen, dass die medialen Erscheinungsformen     Hahn, Johann Georg von. Sagwissenschaftliche Studien.
des Heroischen, sein imaginativer Charakter und seine aura-       Jena: Mauke, 1876.
tisch-charismatische Wirkung noch nicht konsequent genug         Haraway, Donna. Simians, Cyborgs, and Women. The Rein-
berücksichtigt werden. Voraussetzung für eine adäquate            vention of Nature. New York: Routledge, 1991.
theoretische Durchdringung des Heroischen ist die Über-
windung disziplinärer, epochaler und kultureller Grenzen in      Haraway, Donna. „Situiertes Wissen. Die Wissenschafts-
inter- und transdisziplinären Ansätzen. Durch ihre Offenheit,     frage im Feminismus und das Privileg einer partialen Per-
Multiperspektivität und ungebrochene Aktualität kann die          spektive.“ Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs
‚Herologie‘ zum Experimentierfeld kulturwissenschaftlicher        und Frauen. Hg. Carmen Hammer und Immanuel Stieß.
Interdisziplinarität werden.“ (Butter 107)                        Frankfurt am Main und New York: Campus, 1995: 73-97.

8 Vgl. hierzu etwa die Definition des Totemtieres in Sig-        Hargrove, John. Beneath the Surface. Killer Whales, Sea-
mund Freuds Totem und Tabu (1913): „Was ist nun der               World, and the Truth Beyond ‚Blackfish´. New York: St. Mar-
Totem? In der Regel ein Tier, ein essbares, harmloses oder        tin’s Griffin, 2016.
gefährliches, gefürchtetes, seltener eine Pflanze oder eine      Harter, Ursula. Aquaria in Kunst, Literatur und Wissenschaft.
Naturkraft (Regen, Wasser), welches in einem besonderen           Heidelberg: Kehrer, 2014.
Verhältnis zu der ganzen Sippe steht. Der Totem ist erstens
der Stammvater der Sippe, dann aber auch ihr Schutzgeist         Horn, Katalin. „Held, Heldin.“ Enzyklopädie des Märchens.
und Helfer, der ihnen Orakel sendet, und wenn er sonst ge-        Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Er-
fährlich ist, seine Kinder kennt und verschont. Die Totem-        zählforschung. Berlin: De Gruyter, 1990: 721-745.
genossen stehen dafür unter der heiligen, sich selbstwirkend     Immer, Nikolas und Mareen van Marwyck. „Helden gestal-
strafenden Verpflichtung, ihren Totem nicht zu töten (vernich-    ten. Zur Präsenz und Performanz des Heroischen.“ Äs-
ten) und sich seines Fleisches (oder des Genusses, den er         thetischer Heroismus. Konzeptionelle und figurative Para-
sonst bietet) zu enthalten. Der Totemcharakter haftet nicht       digmen des Helden. Hg. Nikolas Immer und Mareen van
an einem Einzeltier oder Einzelwesen, sondern an allen Indi-      Marwyck. Bielefeld: Transcript, 2013: 11-147.
viduen der Gattung. Von Zeit zu Zeit werden Feste gefeiert,
                                                                 Kaufman, Amy. „Blackfish Director on Oscar Snub, Sea-
bei denen die Totemgenossen in zeremoniösen Tänzen die
                                                                  World’s New PR Offensive.“ Los Angeles Times. 2014.
Bewegungen und Eigenheiten ihres Totem darstellen oder
                                                                  10. März 2018 .
Ziel, Tiere von innen her zu verstehen, als naiv bezeichnen,
                                                                 Korte, Barbara und Stefanie Lethbridge. „Introduction.
aber es ist auf jeden Fall nicht anthropozentrisch. Im Ideal-
                                                                  Heroes and Heroism in British Fiction. Concepts and Con-
fall verstehen wir Tiere auf der Grundlage dessen, was wir
                                                                  junctures.“ Heroes and Heroism in British Fiction since
von ihrer ‚Umwelt‘ wissen, ein Begriff, den Jakob von Uexküll
                                                                  1800. Hg. Barbara Korte und Stefanie Lethbridge. Bas-
1909 für die Umgebung einer Tierart, wie sie von dieser
                                                                  ingstoke: Palgrave Macmillan, 2017: 1-29.
wahrgenommen wird, eingeführt hat. Ähnlich wie Eltern ler-
nen, mit den Augen ihrer Kinder zu sehen, so lernt der ein-      Lipman, Samantha. „How Blackfish Has Changed our Per-
fühlsame Beobachter, was für ‚seine‘ Tiere wichtig ist, wovor     ceptions of Whales and Dolphins.“ One Green Planet. 2014.
sie Angst haben oder unter welchen Bedingungen sie sich           10. März 2018 .
10 Den Hinweis zu diesem Aufsatz verdanke ich Michaela           Melville, Herman. Moby Dick oder Der Wal. München: Win-
Castellanos (Mid Sweden University Sundsvall).                    kler, 1978.
                                                                 Mooney, Mark. „SeaWorld Trainer Killed by Whale Had
                                                                  Fractured Jaw and Dislocated Joints.“ ABC News. 2010.
                                                                  10. März 2018 .
Allen, Greg. „Months After Blackfish Release, Controversy over
                                                                 Rhodan, Maya. „SeaWorld’s Profits Drop 84% after Black-
 SeaWorld Grows.“ National Public Radio. 2014. 10. März
                                                                  fish Documentary.“ Time Magazine 2015. 10. März 2018
 2018 .
Butter, Michael. „Superhelden, Populärkultur, Film.“ Das
                                                                 Rowley, Loretta und Kevin A. Johnson. „Anthropomorphic
 Heroische in der neueren kulturhistorischen Forschung:
                                                                  Anthropocentrism and the Rhetoric of Blackfish.“ Environ-
 Ein kritischer Bericht. Hg. Ralf von den Hoff u.a. H-Soz-Kult
                                                                  mental Communication (April 2016): 1-15.
 2015: 101-107. 10. März 2018 .                                           Heldendichtung. Hg. Klaus von See. Darmstadt: Wissen-
                                                                  schaftliche Buchgesellschaft, 1987: 1-38.
Cowperthwaite, Gabriela. Blackfish. New York: Magnolia
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                                                                  relle Leben der Tiere. München: Deutscher Taschenbuch-
Donovan, Josephine. „Aufmerksamkeit für das Leiden. Mit-
                                                                  verlag, 2005.
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 clam, 2008: 105-120.                                             cas.“ 10. März 2018 .
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 mungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker.            Zedler, Johann Heinrich. „Held.“ Grosses vollständiges Uni-
 Frankfurt am Main: Fischer, 1999.                                versal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. Halle und
                                                                  Leipzig: Johann Heinrich Zedler, 1732-1754.

helden. heroes. héros.
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