KRÄFTE VERSCHIEBUNG IM KFZ AFTERMARKET - Neue Kundenstruktur erfordert neue Vertriebsmethoden - Roland Berger

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KRÄFTE VERSCHIEBUNG IM KFZ AFTERMARKET - Neue Kundenstruktur erfordert neue Vertriebsmethoden - Roland Berger
KRÄFTE­
VERSCHIEBUNG
   IM KFZ-­
AFTERMARKET
  Neue Kundenstruktur erfordert
    neue Vertriebsmethoden
Über uns
Roland Berger, 1967 gegründet, ist die einzige der weltweit
führenden Unter­nehmensberatungen mit deutscher Herkunft
und europäischen Wurzeln. Mit rund 2.400 Mitarbeitern in
34 Ländern ist das Unternehmen in allen global wichtigen Märkten
erfolgreich aktiv. Die 50 Büros von Roland Berger befinden sich
an zentralen Wirtschaftsstandorten weltweit. Das Beratungsunter-
nehmen ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen
Eigentum von rund 220 Partnern.

HSH Nordbank steht als „Bank für Unternehmer“, für Menschen
mit Weit­sicht, Leidenschaft und Initiative. Insbesondere für
mittelständische Un­ter­nehmer ist sie ein kompetenter Partner –
und fokussiert auf die Branchen Energie & Infrastruktur, Handel &
Ernährung, Industrie & Dienstleistungen sowie Gesundheit.
Sie ist führend in der gewerblichen Immobilienfinanzierung in
Deutschland. In der maritimen Wirtschaft ist die Bank gut verankert
und überzeugt Unternehmen weltweit.
VORWORT

                                                                           Der Kfz-Aftermarket ist im Umbruch. Zahlreiche Übernahmen verändern die Branche. In
                                                                           Verbindung mit dem Megatrend Digitalisierung ist diese Konsolidierung der Katalysator für
                                                                           ­einen tiefgreifenden Strukturwandel. Unsere Studienreihe analysiert die Rahmenbedingun-
                                                                           gen und Spielregeln der neuen Wettbewerbslandschaft.
                                                                           → Den Auftakt machte im April 2018 die Leitstudie „Konsolidierung im europäischen
                                                                               ­Kfz-Aftermarket“. Sie bietet einen Überblick, welche Trends die Branche aktuell bewegen.
                                                                           → Im Juni erschien die Publikation „Survival of the Fittest“. Darin standen Mergers & Acqui-
                                                                                sitions im Mittelpunkt.
                                                                           → Die vorliegende Teilstudie „Kräfteverschiebung im Kfz-Aftermarket“ stellt die Trends auf
                                                                                der Nachfrageseite des Kfz-Aftermarket in den Fokus und beschreibt die Veränderungen
                                                                                der Kundenlandschaft.
                                                                           → Anfang November wird die vierte – und vorerst letzte – Teilstudie erscheinen. Sie befasst
                                                                                sich detailliert mit den Entwicklungen im Reifenhandel.
                                                                           Um sich im Verdrängungswettbewerb des Independent Aftermarket (IAM) zu behaupten, ist
                                                                            eine konsequente Kundenorientierung entscheidend. Dabei müssen grundlegende Fragen
                                                                           geklärt werden: Wer sind unsere Hauptkunden – Werkstätten, Fahrzeugflotten oder Privat-
                                                                           leute? Welche Bedürfnisse haben sie? Und wie verändert der Strukturwandel der Branche
                                                                           diese Bedürfnisse?
                                                                           Auch die Gewichte auf der Nachfrageseite verschieben sich. Das Feeder-Business, also die Be-
Coverfoto: kiri / Adobe Stock Fotos: Roland Berger GmbH, HSH Nordbank AG

                                                                           lieferung kleiner, regional agierender Teilegroßhändler durch große Branchen-Akteure, wird
                                                                           langfristig an Bedeutung einbüßen. Dagegen wächst die Relevanz von Intermediären wie Ver-
                                                                           sicherungen, Kfz-Schadensdienstleistern und Online-Serviceportalen.
                                                                           Der Teilegroßhandel steht vor der Herausforderung, diese neuen Akteure in das Geflecht
                                                                           seiner ohnehin schon heterogenen Kundenbeziehungen einzubinden durch eine stark indivi-
                                                                           dualisierte Ansprache. Der Schlüssel zum Erfolg liegt perspektivisch im Micromarketing und
                                                                           in differenzierten Vertriebsansätzen. Für die meisten Teilegroßhändler sind diese Strategien
                                                                           Neuland. Doch eine systematische Auswertung des Daten-Pools gibt – selbstverständlich im
                                                                           Rahmen einschlägiger Datenschutzbestimmungen – wertvolle Hinweise auf die Bedürfnisse
                                                                           und Präferenzen von Kundengruppen. Hier besteht zusätzliches Potenzial, durch Kooperatio-
                                                                           nen in Einkaufsverbänden die verfügbare Datenbasis zu erweitern und somit die Aussagekraft
                                                                            von Analysen zu schärfen.

                                                                           Alexander C. Brenner    Patrick Heinemann         Jens Thiele            Julian-Kaya Bagbasi, MBA
                                                                           Roland Berger           Roland Berger             HSH Nordbank           HSH Nordbank

                                                                                                                                                                               3
NAHAUFNAHME:
                           1
DIE WICHTIGSTEN
    AKTEURE
IN DER KUNDEN­
  LANDSCHAFT
Aktuell sind die Belieferung von Werkstätten und das Feeder-Business
      die wichtigsten Einnahmequellen für den Teilegroßhandel.
     Doch andere Kundengruppen werden wichtiger: Intermediäre
wie Versicherungen, Leasing-Gesellschaften und Online-­Serviceportale
  sowie private Teilekäufer sind gerade dabei, die Kräfteverhältnisse
      auf der Nachfrageseite des Kfz-Aftermarket zu verändern.
Nahaufnahme: Die wichtigsten Akteure in der Kundenlandschaft

In der Wertschöpfungskette des Kfz-Aftermarket fällt            für die Geschäftsaufgabe. Auch die demografische Ent-
dem Teilegroßhandel eine wesentliche Rolle zu. Seine            wicklung spielt eine Rolle. Der Sog der Ballungszentren
Kernkompetenzen liegen in der Logistik, in der Sorti­           lässt die Bevölkerungszahl im ländlichen Raum zurück-
ments­politik sowie in der Belieferung und Beratung der         gehen; entsprechend sinkt die Nachfrage nach Dienst-
Werkstätten, die er durch lange Zahlungsziele in­direkt         leistungen. So grassiert das „Werkstattsterben“ gerade
auch bei der Finanzierung unterstützt. Neben den                in ländlichen Regionen.
Werkstätten gibt es im mehrstufigen Vertriebssystem             Anders als bei den freien Werkstätten soll die Zahl der
des Independent Aftermarket weitere Akteure auf der             OEM-Werkstätten bis 2020 geringfügig um 3–5% zu-
Nachfrage­seite, die von Teilegroßhändlern direkt oder          nehmen. In dieser Prognose spiegelt sich die Strategie
indirekt beliefert werden.                                      der Autohersteller wider, ihre Kunden nach dem Fahr-
Aus der Perspektive der großen (>400 Millionen Euro             zeugkauf durch Serviceangebote langfristig zu binden.
Umsatz) und mittleren Teilegroßhändler (mit 100–400             Voraussetzung dafür ist ein engmaschiges Netz marken-
Millionen Euro Umsatz) zeigt Abbildung → A die ver-             gebundener Werkstätten.
schiedenen Spieler in der Kundenlandschaft. Aktuell             Während in Europa die OEM-Werkstätten einen Anteil
sind Werkstätten und kleine Teilegroßhändler die wich-          von knapp 20% stellen, sind in Deutschland 35% aller
tigsten Direkt-Abnehmer. Auch reine Online-Shops, die           Kfz-Werkstätten markengebunden. Auch künftig wer-
Werkstätten und private Endkunden zählen zu den                 den die deutschen OEM-Werkstätten ihren besonderen
Kunden der großen Teilegroßhändler. Zwischen Inter­             Status behalten. Ein Grund dafür ist ein hoher Anteil
mediären und Endkunden auf der einen und dem Teile­             an Premium-Marken im Fahrzeugbestand. Außerdem
großhandel auf der anderen Seite bestehen derzeit               sind viele Autohersteller am Standort Deutschland ver-
kaum unmittelbare Geschäftsbeziehungen. Dies wird               ankert, was sich am relativ dicht geknüpften Netz der
sich jedoch perspektivisch verändern. Schon heute üben          OEM-Werkstätten bemerkbar macht.
Intermediäre und Endkunden mittelbar einen starken              Typischerweise warten und reparieren OEM-Werkstät-
Einfluss auf die Kräfteverhältnisse im Teilehandel aus.         ten Fahrzeuge, die nicht älter als vier Jahre sind. Bis
In diesem Kapitel beschreiben wir die wichtigsten Merk-         zu dieser Marke sind für die Werkstattwahl häufig die
male und Bedürfnisse der einzelnen Kundengruppen.               Garantievereinbarungen und Servicepakete der Herstel-
                                                                ler ausschlaggebend, die markenabhängige Werkstät-
                    Werkstätten                                 ten vorschreiben. So stehen bei herstellergebundenen
                                                                Werkstätten grundsätzlich die Instandhaltung sowie der
Betrachtet man die Gesamtzahl der Kfz-Werkstätten in            Austausch von Originalteilen und komplexe Karosserie-­
34 europäischen Ländern, zeigt sich seit 2013 ein leicht        Arbeiten im Fokus. In der Klientel der freien IAM-Werk-
rückläufiger Trend → B. Diese Entwicklung wird sich in          stätten dominieren hingegen ältere Fahrzeuge. Das
den nächsten Jahren fortsetzen, wobei deutliche Unter­          Leistungsspektrum reicht von kleineren Ausbesserungs-
schiede zwischen Original Equipment Manufacturer                arbeiten bis zu aufwendigen Reparaturen – je nach der
(OEM)-Werkstätten und den unabhängig von Autoher-               personellen und technischen Ausstattung eines Anbie-
stellern agierenden Werkstätten bestehen. Zwischen              ters. Abbildung → C gibt einen Überblick über das Leis-
2015 und 2020 wird die Zahl dieser freien Werkstätten           tungsspektrum von Kfz-Werkstätten.
voraussichtlich um rd. 7% von ca. 360.000 auf 336.000           Nach wie vor ist die Wettbewerbslandschaft im freien
sinken. Dieser Trend hat Ursachen: Manche freien Werk-          Kfz-Aftermarket in Deutschland stark fragmentiert.
stätten schließen weil sich kein Nachfolger findet. In ei-      Spieler mit geballter Marktmacht finden sich vor allem
nigen Fällen ist auch mangelnde Profitabilität der Grund        bei den Glas-Spezialisten und den Fast Fittern → D.

                                                                                                                       5
A
                                         Kundenlandschaft der
                                  großen und mittleren Teilegroßhändler

                       →                                             ↙→
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                            Online Shops                                          Kleinere                                 Werkstätten

                                                   ↗
                                                                             Teilegroßhändler

                                                          Intermediäre 1, 2

                                                                                                                        Volumen
                                                                                                                      → Zukünftige Bedeutung

     Indirekt
                 ↗Niedrig
                         Endkunden 1

                                                                                                       Häufigkeit des Einkaufs
                                                                                                                                         Hoch

    1 Aktuelle Volumen; Zusatzpotential ist nicht abgebildet
    2 Umfasst Versicherungen, Leasingunternehmen und Service-Provider für Versicherer/Werkstätten und Online Service Portale

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank
B
                                Entwicklungen der Werkstätten in Europa
                                    und Deutschland [Anzahl in Tsd.]

                     Europa1
          480
                                                      –2,0%
                            +8,3%                                                        –5,0%
                                             455
                                                                 445
                                                                                                           Werkstätten gesamt
                     421                                                                            425
          400
                                                      –2,7%
                            +10,3%                                                       –6,7%
                                             370
                                                                  360
                                                                                                           IAM Werkstätten
          320        336                                                                            336
                                             Deutschland
                                                       Werkstätten gesamt 2015
                                                  Reifenspezialisten 9%
                                                   Sonstige 6%
          240                                 Autoglaser 3%                               35% OEM
                                              Fast Fitter 1%
                                              Karo/Lack 7%
                                                                          49

           160

                                                              39% Freie Werkstätten – Universal

                              +0,4%                    0,0%                             +3–5%
                                                                                                           OEM Werkstätten
            80                                                                                      89
                      85                     85                    85

                                                                   49

              0
                    2011                     2013                2015                               2020

      1 34 europäische Länder inkl. Türkei

Quelle: Wolk, Euromonitor, Roland Berger, HSH Nordbank
Kleine Teilegroßhändler                                vereinfacht es den Logistikaufwand der mittleren und
                                                                         größeren Teilegroßhändler. Diese müssen bei der Zustel-
Für mittlere und große Teilegroßhändler stellen die klei-                lung solcher Premiumartikel nicht einzelne Werkstätten
neren Branchen-Akteure eine wichtige Kundengruppe                        anfahren, sondern können die Mühen der letzten Meile
dar. Mit einem Jahresumsatz von in der Regel weniger                     den kleinen Teilegroßhändlern überlassen.
als 100 Millionen EUR beschränkt sich ihr Aktions­
radius meist auf die Belieferung von Werkstätten oder                                              Endkunden
Endkunden in der jeweiligen Region.
Um die Kosten für die Lagerhaltung möglichst gering                      Zwischen Teilegroßhändlern und den Haltern oder Nut-
zu halten und gleichzeitig ein breites Produktspek-                      zern von Fahrzeugen als Endkunden bestehen in der
trum anbieten zu können, lassen sich die kleinen                         Regel keine unmittelbaren Geschäftsbeziehungen. Den-
von den großen Branchenakteuren beliefern. Mit                           noch haben die veränderten Bedürfnisse dieser Kunden-
diesem sogenannten Feeder-Geschäft erwirtschaften                        gruppe mittelbar erheblichen Einfluss auf die Geschäfts-
große Teilegroßhändler zwischen 15 und 30% ihres                         modelle des Teilegroßhandels.
Gesamtgewinns. Ein großer Teilegroßhändler kann                          Die Endkunden, die den Teilekauf in Eigenregie bestrei-
durch Branchen-Konsolidierung erwarten, dass das                         ten, bilden zwei Gruppen: zum einen die Do-it-yourself
Feeder-­Geschäft kurzfristig ein Umsatzplus von circa                    (DIY)-Kunden, zum anderen die Do-it-for-me (DIFM)-­
5% einspielt. In einigen stark fragmentierten europä-                    Kunden.
ischen Märkten ist dieses Potenzial sogar noch höher,                    Bei den DIY-Kunden lassen sich Profis und Amateure
beispielsweise in Südeuropa. Auf lange Sicht hingegen                    unterschieden: Es gibt Mechaniker, die außerhalb ihrer
wird die zunehmende Konzentration in der Branche zu                      Arbeitszeit gern am eigenen Fahrzeug herumschrauben.
Rückgängen im Feeder-Geschäft führen.                                    Dann gibt es die leidenschaftlichen Autodidakten un-
Eine Erfolgsstrategie kleiner Teilegroßhändler besteht                   ter den DIY-Kunden, die in der Freizeit ihr Fahrzeug in
in der Profilierung als „local champion“. Ein wichtiges                  Stand halten und in der Lage sind, kleinere Reparaturen
Element dieser Strategie ist der Exklusiv-Vertrieb von                   durchzuführen.
Premiumartikeln auch an kleine Werkstätten. Zugleich                     DIFM-Kunden kaufen zwar die Teile selbst, nehmen aber

    Reifenspezialisten                                                   Die Reifenspezialisten stellen an den Werkstätten im d  ­ eutschen
                                                                         Kfz-Aftermarket einen Anteil von 9%. In ­absoluten Zahlen
                                                                         heißt das: Über 4.400 Betriebe ­kümmern sich ausschließlich darum,
     Der Reifenmarkt ist zwar ein wichtiger Teil des Kfz-After­market,   dass PKW und N  ­ utzfahrzeuge auf den richtigen Rädern rollen.
    funktioniert jedoch anders als der Teilehandel. W ­ ährend das       Etwa 70% der auf Reifen spezialisierten Werkstätten gehören
    Gesamtspektrum an Ersatz- und Verschleiß­teilen ein sehr             zu einer Kette. Dennoch ist der Markt für Reifen­spezialisten frag-
     ­hetero­genes Portfolio darstellt, sind Reifen weniger komplex.     mentiert. In Deutschland bringen es die Top-4-Ketten zusammen
    Viele Endkunden bestellen die Reifen selbst und montieren            auf einen Marktanteil von 24%. Zu diesem ­Spitzen-­Quartett
    sie eigenhändig. Dementsprechend spielt das Online-Geschäft          zählen HMI, Point S, Vergölst und Euro­master.
      im Reifenhandel eine große Rolle. Im Unterschied zu den an­        Im Detail werden die Akteure, Strukturen und Trends auf dem
    deren Segmenten des Kfz-Aftermarket hat im Reifenhandel der          Reifenmarkt in der vierten Teilstudie vorgestellt, die im N­ ovember
    ­Direkt­vertrieb durch die Hersteller einen hohen Stellenwert.       2018 erscheint.

8
Nahaufnahme: Die wichtigsten Akteure in der Kundenlandschaft

keinen Schraubenschlüssel in die Hand. Den Einbau der
Teile übernehmen professionelle Kfz-Mechaniker, wobei
                                                              Intermediäre ­schmälern
es mehrere Spielarten gibt: Der private DIFM hat einen
Freund, der ihm das Teil einbaut. Beim Werkstatt-DIFM
                                                               die Marktmacht der
bringt der Kunde die selbst organisierten Teile mit; die
Profis in der Werkstatt berechnen nur die Arbeitsleis-
                                                              ­traditionellen Akteure und
tung. Beim Privater-Werkstatt-DIFM kaufen Werkstatt
und Fahrzeugbesitzer die Teile gemeinsam online, der
                                                               entwickeln sich zu einem
Fahrzeugbesitzer bezahlt aber. Hierdurch umgeht die
Werkstatt das Problem einer falschen Bestellung durch
                                                              bedeutenden Segment im
den Fahrzeugbesitzer. Den Einbau erledigt die Werkstatt,
der Kunde bezahlt die Servicestunden. Beim Servicepor-
                                                              B2B-Kunden­spektrum.
tal-DIFM wird die Reparatur über eine Online-Plattform
gebucht. Was dann die Beschaffung der Teile anbelangt,
existieren gemischte Optionen: Der Fahrzeugbesitzer
kann die Teile selbst besorgen und in die Werkstatt mit-      erungsinstanz treffen Intermediäre die Entscheidung,
bringen, die Teile können über das Buchungsportal oder        welche Werkstatt die Instandhaltung oder die Reparatur
direkt von der Werkstatt beschafft werden.                    eines Fahrzeugs übernimmt. Auf diese Weise verändert
Bei der Werkstattauswahl sind für den Endkunden ne-           sich das Beziehungsgeflecht zwischen dem Teilegroß-
ben dem Preis-Leistungsverhältnis Faktoren wie Freund-        handel und den Endkunden. Intermediäre schmälern
lichkeit des Personals und Beratungsqualität wichtig.         die Marktmacht der traditionellen Akteure in der Wert-
Dagegen spielen Marken und deren Bekanntheitsgrad             schöpfungskette des Kfz-Aftermarket und entwickeln
als Auswahlkriterien eine untergeordnete Rolle, wich-         sich zu einem bedeutenden Segment im B2B-Kundens-
tiger sind Erfahrungswerte und Empfehlungen. Die              pektrum. 2015 wurde der Anteil des „steered value“ am
Werkstattwahl ist offensichtlich vor allem Vertrauenssa-      Volumen des Kfz-Aftermarket auf bis zu 20% geschätzt.
che. Entscheidendes Kriterium für die Kundenbindung           Bis 2030 wird der Marktanteil der von Intermediären
ist bei freien Werkstätten in der Regel die langjährige       gesteuerten Nachfrage basierend auf einer Analyse von
Beziehung zwischen dem Inhaber bzw. Kfz-Meister und           Roland Berger bei rund 40% liegen.
dem Fahrzeugbesitzer.                                         Abbildung → E zeigt, wie „Intermediaries“ die einzelnen
                                                              Schritte eines typischen Serviceprozesses übernehmen –
                    Intermediäre                              zum Missfallen der etablierten Spieler des Kfz-Aftermar-
                                                              ket. „Da balgen sich immer mehr hungrige Katzen um den
Auf der Nachfrageseite des Kfz-Aftermarket haben sich         Milchtopf“, kommentierte der Bundesinnungsmeister
in den letzten Jahren neue Akteure etabliert: die soge-       des Kfz-Handwerks, Wilhelm Hülsdonk, das zunehmen-
nannten Intermediäre („Intermediaries“). Zu ihnen             de Engagement der Intermediäre im Werkstattgeschäft.
gehören Versicherungen, Leasing- und Carsharing-An-           Eine wesentliche Zutat zum Erfolgsrezept der Intermedi-
bieter, Automobilclubs und Online-Serviceportale. So          äre ist deren Fähigkeit, ihren Kunden individuell maßge-
unterschiedlich diese Spieler auch sind, sie haben eine       schneiderte Lösungen in einem komplexen Markt anzu-
Gemeinsamkeit: Sie besetzen die Kundenschnittstelle           bieten. Die Intermediäre lassen sich – leicht vereinfacht – in
zwischen Teilegroßhandel auf der einen und Werkstät-          verschiedene Gruppen unterteilen, deren Kundenfokus
ten sowie Privatkunden auf der anderen Seite. Als Steu-       und Geschäftsmodelle sich jeweils unterscheiden.

                                                                                                                         9
C
             Werkstatttypen und ausgewählte Beispiele Deutschland

               OEM                                                                 IAM
       OEM                                Autoglaser /       Karo-Lack /                       Reifen­               Freie
       eigene Werkstätten                 Andere             Smart Repair     Fast Fitter      spezialisten          Werkstätten

       Daimler                            Carglass           Fivestar         A.T.U            Point S               Auto-Profi
       Renault                            National                            Kwik Fit         Euromaster            Meisterhaft
       Fiat                               Windscreens                                                                Lienau

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank

Quelle: XX
                                                                        D
                                           Das Angebot der Werkstätten
                                      Service und Wartung, Fehlerreparaturen, Unfallreparaturen

                                                                                 MECH.
                                                                                                                BODY & PAINT
       SMART REPAIR                            QUICK-FIX                     REPARATUREN
                                                                                                                (KARO/LACK)
                                                                               & ANDERE

     → Spot Reparaturen                    → Inspektion                     → Komplexere Arbeiten:            → Body Lackierungen
     → Dellenreparaturen                   → Basis Service, z.B.            → Antriebsstrang                  → Body Teileaustausch
       (ohne Farbe)                          Ölwechsel,                       Reparaturen
                                             Wisch­wasserwechsel                                              → Chassis Schweißen
     → Alufelgen Aufbereitung                                               → Chassis Reparaturen
                                           → Check-ups, z.B. Winter                                           → Chassis Ausrichten
     → Material für den                      Check                          → Komplexe Elektronik
       Innenraum und                                                          Reparaturen, z.B.
       Farbenanpassung                     → Bremsen Instandhaltung           Austausch der
                                                                              Control Unit
     → Windschutz­-                        → Austausch Batterie
       scheiben­reparaturen
                                           → Auspuffersatz
                                           → Austausch Federungen
                                           → Klima Service

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank
Nahaufnahme: Die wichtigsten Akteure in der Kundenlandschaft

          Versicherungsgesellschaften                         gen über ein Netzwerk an Partnerwerkstätten und bie-
             und Leasing-Anbieter                             ten darüber hinaus Service-Pakete wie Fahrzeugverleih
                                                              oder die Abholung kaputter Fahrzeuge an.
Als Intermediäre haben Versicherer und Leasing-Unter­         Das Geschäftsmodell dieser Service-Provider gründet
nehmen direkten Kontakt zum Endkunden. Die Werk-              ebenfalls auf Skaleneffekten, da mit den Werkstätten
stattwahl des Fahrzeugbesitzers steuern Versicherun-          günstige Konditionen ausgehandelt werden können.
gen durch die Gestaltung ihrer Tarife. Sie gewähren           Eine wichtige Ertragsquelle für Service-Provider sind die
beispielsweise Boni auf die Kaskoversicherung, wenn           Entwicklung und Implementierung von Software, mit
der Kunde im Schadensfall eine Partnerwerkstatt des           deren Hilfe Versicherungen die Schadensabwicklung
Versicherers ansteuert. Das Geschäftsmodell dieser            optimieren können.
Inter­mediäre basiert darauf, dass Versicherer mit ihren
Partnerwerkstätten für Reparaturen fixe Preise mit rela-              Service-Provider für Werkstätten
tiv hohen Abschlägen aushandeln. Auf diese Konditio-
nen lassen sich die Werkstätten ein, weil sie im Gegen-       Dieser Typus des Intermediärs hat sich aus dem Kfz-Ge-
zug die Perspektive auf eine hohe Auslastung haben.           werbe heraus entwickelt. Ein Beispiel dafür ist die Euro-
Analog gestaltet sich die Rolle von Leasing-Unterneh-         garant AutoService AG, die auf Initiative des Zentralver-
men: Im Schadensfall schicken sie den Leasing-Nehmer          bands Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) gegründet
zu einer Werkstatt, mit welcher der Leasing-Geber einen       wurde. Die Grundidee ist auch hier, dem Kunden Zeit
Rahmenvertrag abgeschlossen hat. Eine andere ­Variante        und Mühe zu ersparen. Im Schadensfall kontaktiert der
ist, dass das Leasing-Unternehmen an eine Werkstatt           Fahrzeugbesitzer entweder direkt den Intermediär oder
verweist, die zum Partner-Netzwerk seiner Versicherung        eine Werkstatt. Die kümmert sich um das Abschleppen
gehört.                                                       des liegengebliebenen Autos und informiert den In-
Die Versicherer verfolgen mit dieser Strategie zum ei-        termediär, der bei Bedarf einen Leihwagen bereitstellt.
nen das Ziel, den eigenen Kunden einen guten Service          Außerdem veranlasst der Intermediär – wie im Fall von
zu bieten. Zum anderen geht es um Kostensenkung.              Eurogarant – ein Gutachten eines unabhängigen Sach-
Autoersatzteile sind zwischen Januar 2013 und August          verständigen über die Schadenshöhe. Mit diesem Doku-
2017 durchschnittlich um ein Fünftel teurer geworden,         ment holt er sich dann bei der Versicherung des Fahr-
so der Gesamtverband der Deutschen Versicherungs-             zeughalters „grünes Licht“ für die Reparatur, die dann
wirtschaft (GDV). 2013 schlug ein Pkw-Sachschaden im          im Mitgliedsbetrieb ausgeführt wird.
Durchschnitt mit 2.400 Euro zu Buche, 2017 mit circa          Die tragende Säule dieses Geschäftsmodells ist das
2.700 Euro. Mit ihrer Rolle als Intermediäre wollen die       eng geknüpfte und vertrauensvolle Beziehungsgeflecht
Versicherer gegensteuern.                                     zu Werkstätten. Die Ertragsquelle ist in der Regel eine
                                                              Service­gebühr, die pro Schadensfall erhoben wird.
         Service-Provider für Versicherer
                                                                             Online-Serviceportale
Diese Gruppe hat keinen unmittelbaren Kontakt zu
Fahrzeugbesitzern, sondern fungiert als „Dienstleister“       Exemplarisch werden hier die Online-Portale Caroobi
für Versicherungen. Diese lagern den Serviceprozess           und Fairgarage beschrieben. Caroobi wurde 2015 ge-
nach einem Schadensfall an Intermediäre aus. Beispie-         gründet. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen rund
le dafür sind die Kfz-Schadendienstleister Innovation         60 Mitarbeiter. In der letzten Finanzierungsrunde betei-
Group und die riparo GmbH. Diese Unternehmen verfü-           ligte sich BMWi Ventures an dem Berliner Unternehmen.

                                                                                                                     11
E
                                           Service-Wertschöpfungskette
                                             und neue Herausforderer

                                                    Versicherungen        Versicherungen                    Versicherungen
                                                    und Leasing­-         und Leasing­-                     und Leasing­-
                                                    anbieter              anbieter                          anbieter
                             Versicherungen
                             und Leasing­-          Service-Provider      Service-Provider                  Service-Provider
                             anbieter               für Versicher­ungen   für Versicher­ungen               für Versicher­ungen

                             Service-Provider       Service-Provider      Service-Provider                  Service-Provider
                             für Versicher­ungen    für Werkstätten       für Werkstätten                   für Werkstätten

     Service-Provider        Service-Provider       Online-­              Online-­                          Online-­
     für Werkstätten         für Werkstätten        Service­portale       Service­portale                   Service­portale

    Service /        Werkstatt-                    Angebots­              Service /             Reparatur   Rechnungs­check
    Reparatur­­      Steering                      erstellung             Reparatur-                        und Bezahlung
    benachrichtigung                                                      Zustimmung

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank
Nahaufnahme: Die wichtigsten Akteure in der Kundenlandschaft

Caroobi verspricht „garantierte Qualität zum Festpreis“.       gen Preisen. Zu den Spezialisten, zählen beispielsweise
Kunden können auf der Homepage verschiedene Dienst-            ­rameder, scheibenwischer.de, motoroel-direkt, brem-
leistungen rund ums Auto buchen, von A wie „Austausch          sen.com oder reifen.de. Bei den Generalisten mit eige-
Automatikgetriebe“ bis Z wie „Zylinderkopfdichtung“.            ner Domain finden sich kfzteile24, ATP, autodoc oder
Das Portal hat ein Netzwerk aus 750 Werkstätten in              ­mister auto. Online-Plattformen hingegen bieten nur
Deutschland und ist neuerdings auch im Teilehandel             den Marktplatz und bringen Nachfrage und Angebot zu-
­aktiv. Auf Wunsch besorgt Caroobi generalüberholte            sammen. Unter den Beispielen finden sich die Giganten
oder gebrauchte Kfz-Aggregate wie Motoren, Getriebe            des Internet-Handels wie amazon und ebay mit einem
und Turbolader und liefert sie direkt in die mit dem Ein-      Fokus auf den B2C Bereich, im B2B Bereich gibt es zum
bau beauftragte Werkstatt.                                     Beispiel tyre24.
Das deutsche Werkstattportal Fairgarage wurde 2011             In Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-­
 vom Startup-Unternehmen United Vehicles gegründet             Region) beträgt der Anteil der Online-Player am IAM-
und 2013 mehrheitlich von der Deutschen Automobil              Teile­handel ca. 15% (Teile und Reifen), in Großbritan-
Treuhand übernommen. Nach eigenen Angaben ist                    nien rund 20% inklusive Reifen. Die Präferenz für den
Fairgarage mit über 16.000 Betrieben das Portal mit den        Online-Vertriebskanal ist unterschiedlich ausgeprägt.
 meisten gelisteten Werkstätten. Auch bei Fairgarage gibt      Private Endkunden zieht es beim Teilekauf eher an die
der Kunde sein Fahrzeugmodell, seinen Service-Wunsch             virtuelle Ladentheke, DIY- und DIFM-Kunden nutzen im-
und die Region ein; auf dieser Basis wird der Preis kal-         mer stärker die reinen Online-Shops. Privatleute shoppen
kuliert. Dass verbesserte Service-Angebote die Bindung         im Internet vor allem Lowtech-Artikel wie Wischblätter,
bestehender und die Gewinnung neuer Kunden fördert,            Glühbirnen, Batterien und Filter, die leicht einzubauen
haben auch Werkstattketten längst erkannt. Zum Bei-            sind. Für komplexere Wartungs- und Reparaturarbeiten
spiel bieten A.T.U und Pitstop ebenfalls die Möglichkeit,      inkl. der Teilebestellung bringt der typische Endkunde
Termine online zu buchen. Für solche Werkstattkon-             sein Auto in die Werkstatt. Tendenziell nimmt jedoch im
 zepte sind diese Buchungsoptionen zusätzliche Kom-            B2C-Geschäft die Bedeutung von Online-Shops zu.
fort-Funktionen. Für Online-Serviceportale stellen sie         In den Geschäftsbeziehungen zwischen Teilegroßhänd-
dagegen den Kern ihres Geschäftsmodells dar.                   lern und Werkstätten spielen unabhängige Online-Platt-
                                                               formen oder Online-Shops mit eigener Domain derzeit
                    Online-Shops                                 noch eine kleinere Rolle. Deren Expansion stößt im
                                                               B2B-Segment auf Hindernisse, denn die Profi-Kund-
Während Online-Serviceportale die Schnittstelle zwi-           schaft hat spezielle Anforderungen, insbesondere an
schen Endkunden und Werkstatt besetzen und deren               Liefer­fristen und Lieferfrequenz. Diese Service-Mess­latte
Dienstleistungen vermitteln, haben Online-Shops ein            liegt für viele Online-Player (speziell die Online-Shops
anderes Geschäftsmodell: Sie verkaufen über Inter-               mit eigener Domain) noch zu hoch. Hinzu kommt, dass
net-Portale Kfz-Teile an Werkstätten und Endkunden.              viele Werkstätten eher dem Service-Versprechen ihres
Etablierte Teilegroßhändler haben in der Regel eigene          langjährigen Teilegroßhändlers vertrauen als einer
Online Bestellsysteme für Ihre Kunden entwickelt, um             nicht persönlich bekannten Online-Plattform oder ei-
Online-Bestellungen zu ermöglichen. Ihre Wettbewer-              nem Online-Shop.
ber, hier als Online-Shops bezeichnet, sind dagegen              Spannend bleibt zu beobachten, ob und wie die Gigan-
ausschließlich als Online-Player aktiv. Als Spezialisten         ten amazon oder ebay den Teilehandel im B2C- als auch
oder Generalisten unter eigener Domain locken sie              im B2B-Segment als interessant erachten und hier wei-
die Kundschaft mit Transparenz und aggressiv niedri-             ter Zeit und Geld investieren.

                                                                                                                      13
MACHTKÄMPFE:
                      2
VERÄNDERUNGEN
     IN DER
 KUNDENLAND­
    SCHAFT
  Die Kundenlandschaft für Teilegroßhändler durchläuft einen
        ­Strukturwandel: Werkstätten reagieren auf den
 verschärften ­Wettbewerb, kleine Teilegroßhändler trotzen der
   Konsolidierungswelle, Intermediäre greifen als neue Spieler
in den Markt ein, und Endkunden wollen sowohl günstige Preise
                 als auch hochwertige Qualität.
Machtkämpfe: Veränderungen in der Kundenlandschaft

Die Kräfteverhältnisse im Beziehungsgeflecht des
Kfz-Aftermarket verschieben sich. Die Teilegroßhändler
                                                            Diese Neu-Akzen­tuierung
stehen vor der Herausforderung, ihren Platz in der neu-
en Kundenlandschaft zu behaupten. Die hier skizzierten
                                                            der Kundenwünsche
Trends beeinflussen die Positionierung und die Markt-
macht der einzelnen Akteure maßgeblich → F.
                                                            bietet Chancen für den
                    Werkstätten:
                                                            Teile­großhandel, wenn er
                    Unter Druck                             sich als kompetenter und
Die Zahl der Werkstätten geht zurück. Diese Entwicklung
beschleunigt den Konzentrationsprozess und trägt zur
                                                            verlässlicher Partner der
Professionalisierung der im Markt verbleibenden An-
bieter bei. Dabei sind die Werkstätten in einer unbeque-
                                                            Werkstätten profiliert.
men „Sandwichposition“, da sie verschiedene Trends im
Kfz-Aftermarket zu spüren bekommen: Grundsätzlich
steigt die Preissensitivität der Kunden; zugleich schrei-
tet der Konsolidierungsprozess im Teilegroßhandel fort,
und Intermediäre drängen in das Beziehungsgefüge zwi-
schen Werkstätten und ihren Kunden.
Diese Gemengelage verschärft den Wettbewerbsdruck
unter den Werkstätten und fördert deren Tendenz, sich       Der Teilegroßhandel selbst hat ebenfalls erfolgreiche
Werkstattkonzepten anzuschließen. Solche Kooperatio-        Werkstattkonzepte initiiert, unter anderem 1a Auto-
nen werden von einem zentralen Dienstleister gesteuert.     service (Coler, Knoll, Küblbeck, Lorch, WM SE/Trost),
Der unterstützt die Werkstattpartner im „Überbau“ des       Auto­fit (PV) und Meisterhaft (Handelskooperation ATR).
operativen Betriebs, unter anderem mit IT-Lösungen,         Mithilfe solcher Werkstattkonzepte fördert der Teile-
Marketing-Hilfen sowie überbetrieblichen Aus- und           großhandel die Professionalisierung der Werkstätten.
Weiter­bildungsmaßnahmen. Im Gegenzug verpflich-            Unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Werkstatt-
ten sich die Werkstätten zur Einhaltung von Qualitäts-      system verändert die fortschreitende Professionalisie-
standards und entrichten eine Systemgebühr. Nach der        rung der IAM-Werkstätten deren Anforderungen an den
Devise „gemeinsam sind wir stärker“ haben die Werk-         Teilegroßhandel. Preis- und mengengetriebene Anforde-
stattkonzepte mehr Gewicht, um Preise und Konditi-          rungen sind nach wie vor wichtig, aber Faktoren wie fach-
onen am Markt durchzusetzen. Auch gegenüber dem             liche Unterstützung, Service und Qualität bekommen
Teilegroßhandel sind Werkstattsysteme in einer besse-       mehr Gewicht. Diese Neu-Akzentuierung der Kunden­
ren Verhandlungsposition als Einzelkämpfer. Offenbar        wünsche bietet Chancen für den Teilegroßhandel, wenn
überzeugen diese Vorteile: In Deutschland gehörten          er sich als kompetenter und verlässlicher Partner der
2010 circa 60% der freien Werkstätten einem Werkstatt-      Werkstätten profiliert. Im Zuge einer Professionalisie-
konzept an; fünf Jahre später waren es bereits 80%. In      rung sind häufig Anpassungen an technische Anforde-
Europa gibt es über 800, teilweise multinational aktive,    rungen sowie das Erreichen einer bestimmten Betriebs-
Werkstattkonzepte mit insgesamt knapp 110.000 ange-         größe erforderlich – und damit Investitionen. Aber vielen
schlossenen ­Werkstätten.                                   Werkstätten fehlen die notwendigen Mittel. Insofern

                                                                                                                  15
F
                                     Wertschöpfungskette IAM-Teilemarkt

           Schematische Darstellung (vereinfacht)

             HERSTELLER                 DISTRIBUTION        WERKSTATT                                KUNDEN

                   OEM                        OEM-            OEM-                                Private Kunden
             (Original Equipment             Netzwerk       Werkstätten
                Manufacturer)                                                                        Amateur
                                                                OEM-           „INTERMEDIARIES“
                                                               Händler                                  DIY
                                                                                    OEM
                                                                                                   (Do it yourself)
                                                            Multimarken-           Captives
                                                             Händler                                   DIFM
 Offline

                                                                                                    (Do it for me)

                   IAM                         IAM-          IAM-               Versicherungen
                (Independent                 Netzwerk      Werkstätten
                Aftermarket)                                                     Leasingfirmen
                                             Einkaufs-         Ketten
                                             verbände                           Automobilclubs
                                                              Freie                                 Geschäfts-
                                            Großhändler     Werkstätten         Routing-Portale      kunden

                                                                Andere                                Flotten
                                                             IAM-Spieler                            (>50 Fzg.)
                                                          (z.B. Tankstellen)
                                                                                                      Firmen

                                                                                                  Autovermietung

                                              Online           Online               Online

             Fokuskanäle für diese Studie

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank
Machtkämpfe: Veränderungen in der Kundenlandschaft

könnte aus Sicht des Teilegroßhandels die Unterstüt-         Fehlerdiagnose zu betreiben, und können dann direkt
zung der Werkstätten bei kapitalintensiven Anschaffun-       eine Werkstatt empfehlen. Diese „digitale Nachrüstung“
gen ein Instrument der Kundenbindung darstellen.             können die freien Werkstätten jedoch nicht im Allein-
                                                             gang stemmen. Die Unterstützung seitens des Teilegroß-
               Schärfere Rivalität                           handels hätte deshalb großes Potenzial bei der Kunden-
        zwischen markengebundenen und                        bindung. Ein Beispiel liefert der Automobilzulieferer
           unabhängigen Werkstätten                          Bosch mit „Drivelog Connect“: Ein spezieller Stecker, der
                                                             Drivelog Connector, wird in die OBD2-Diagnoseschnitt-
 Der Wettbewerb zwischen OEM- und IAM-Werkstätten            stelle einer Fahrzeugs gesteckt. Via Bluetooth werden
 spitzt sich zu und wird teilweise mit harten Bandagen       alle wichtigen Daten zum Zustand des Fahrzeugs an die
 ausgefochten. In einem Werbespot zeigte ein deutscher       Drivelog Connect App auf dem Smartphone übertragen.
 Premium-Hersteller, wie eine Masse ölverschmierter          Diese App meldet, wann der nächste Fahrzeug-Check
 Zombies ein Coupé jagt, das sich gerade noch hinter die     fällig ist; auch Werkstatttermine können über diese An-
 Tore einer Markenwerkstatt retten kann. Die Botschaft:      wendung gebucht werden.
„Damit Ihr XXX nicht in falsche Hände gerät“. Im Gegen-
 zug attackierte die Kampagne einer Handelskooperati-                 Multi-Sourcing weit verbreitet
 on die OEM-Markenwerkstätten mit dem Claim „#Wir
 befreien Autofahrer“.                                       In den Beziehungen zwischen Werkstätten und ihren
 Nicht nur mit Marketing-Maßnahmen bemühen sich              Teilelieferanten ist das monogame Zeitalter vorbei.
 Autohersteller, die Fahrzeugbesitzer auf direktem Weg       Multi-­Sourcing hat sich als Standard etabliert; fast 90%
 in OEM-Werkstätten zu manövrieren. Komplexe Teile,          der IAM-Werkstätten nutzen mehrere Quellen, um Teile
 deren Einbau OE-Werkzeuge erfordert, erschweren bzw.        zu bestellen. In der Regel verteilt sich das Geschäft auf
 verhindern, dass IAM-Werkstätten Hand an die Autos          zwei Hauptlieferanten sowie eine oder zwei weitere Be-
 legen. Außerdem fürchten Endkunden den Verfall der          zugsquellen für spezielle oder besonders günstige Teile.
 Garantieansprüche, wenn Teile nicht korrekt eingebaut       Haben sich Werkstätten für ihre Top-Lieferanten ent-
 werden. So bauen Autohersteller Hürden für die auto-        schieden, ist die Wechselbereitschaft eher geringer.
 nome Werkstattwahl. Hinzu kommt die Rolle von Au-           Wenn Teilegroßhändler ihren Status als Top-Lieferan-
 tohändlern mit angeschlossenem Werkstatt-Service: Ei-       ten eingebüßt haben, liegt das vor allem an verzögerten
 nige gewähren ihren Kunden Rabatte auf den Kaufpreis,       Lieferungen. Es ist extrem mühsam und kostspielig, ver-
 wenn sich der Besitzer verpflichtet, Wartung und Ser-       lorenes Terrain zurückzuerobern.
 vice beim Verkäufer vornehmen zu lassen. Schließlich        Neben der Zuverlässigkeit ist auch die Frequenz der
 tragen auch Konnektivitätslösungen der OEM dazu bei,        Lieferung für die Festigung und den Ausbau der Kun-
 dass Autofahrer für Instandhaltungs- oder Reparaturar-      denbeziehungen entscheidend. Kleine Werkstätten er-
 beiten direkt in die markengebundene Werkstatt gelotst      warten auch in der Fläche die prompte Zustellung der
 werden. Hier versuchen die IAM-Werkstätten mit OBD-         georderten Teile, um Aufträge schnell abarbeiten zu
 Dongles gegenzusteuern.                                     können. Die Tourenfrequenz muss mindestens drei Mal
 Diese App-basierten Nachrüstlösungen verwandeln             am Tag möglich sein. Der Großteil der Teilegroßhändler
 auch ältere Fahrzeuge in „smart cars“ und bereiten In-      kann bis zu acht Mal täglich liefern. Größere Werkstät-
 formationen (etwa Benzinverbrauch, Batteriespannung,        ten haben häufig kleine Lager, sodass sie bei regelmäßig
 Serviceintervalle) für die Darstellung auf Handy oder       verwendeten Teilen nicht zwingend auf derart häufige
 Tablet nutzerfreundlich auf. Viele Apps sind in der Lage,   Lieferfrequenzen angewiesen sind.

                                                                                                                   17
Die meisten Werkstätten zeigen sich durchaus preis-        von Werkstatt-Profis erfordert. Zum anderen lässt die
sensitiv. Dennoch ist der Preis allein kein ausschlagge-   Begeisterung für Do-it-yourself-Reparaturen am Fahr-
bender Grund, sich von einem Lieferanten zu trennen.       zeug gerade in den jüngeren Generationen nach. Gleich-
Stattdessen tendieren die meisten Werkstätten dazu, ihr    zeitig fördern die im Online-Zeitalter größer gewordene
Lieferantennetz um eine günstige Bezugsquelle zu erwei-    Kostentransparenz und die zunehmende Preis­sensi­
tern. In einer Befragung, die Roland Berger unter rund     tivität der Konsumenten deren Aufgeschlossenheit für
100 deutschen Werkstätten durchgeführt hat, erklärte       DIFM-Modelle. Hinzu kommt, dass private Endkun-
fast die Hälfte der Werkstätten, sie würden dann einen     den nicht mehr so stark auf bestimmte Marken fokus-
Wechsel ihrer Top-Lieferanten erwägen, wenn die Preise     siert sind.
des Konkurrenten mindestens 10% günstiger lägen.           Bei der Ansprache von Endkunden spielen Online-Ver-
                                                           triebskanäle eine Schlüsselrolle. Das Internet hat sich
            Kleine Teilegroßhändler:                       für Endkunden zu einer unverzichtbaren Recherche-
          Chancen als „local champions“                    quelle entwickelt. Insbesondere DIY- und DIFM-­Kunden
                                                           nutzen immer häufiger Online-Plattformen, um sich
Im Konzentrationsprozess der Branche laufen kleine         über Service- und Reparaturarbeiten sowie deren Prei-
Teilegroßhändler unterhalb einer Umsatzschwelle von        se und Konditionen zu informieren. Etwa ein Drittel
100 Millionen Euro Gefahr, von größeren Wettbewer-         dieser Kundengruppe ist bereit, online einen Termin
bern aus dem Markt gedrängt zu werden. Um diesem           in der Werkstatt zu vereinbaren. Künftig wird ein weite-
Los zu entgehen, bleibt den kleinen Spielern vor allem     rer Anstieg der Nutzerzahlen solcher Online-Angebote
die Strategie, sich als „local champion“ zu profilieren.   erwartet.
Wer diese Rolle ausfüllen will, muss bei seiner regio-     Aus diesen Trends ergeben sich Ansätze für den Teile-
nalen Kundschaft höchste Anforderungen an Qualität,        großhandel, die direkten Geschäftsbeziehungen zu den
Zuverlässigkeit und Service erfüllen. Um in diesen Dis-    Endkunden auszubauen. Optionen sind beispielsweise,
ziplinen zu punkten, ist der kleine Teilegroßhandel auf    die Entwicklung von Eigenmarkenkonzepten sowie der
perfekt funktionierende Lieferketten angewiesen. Hier      Einstieg ins Endkundenmarketing.
ist der im Feeder-Business aktive Teilegroßhandel gefor-
dert, der über seine Stärken in der Logistik langfristig                    Intermediäre:
die Kundenbindung festigen kann.                                          Wachsender Einfluss
Es gibt auch kleine Teilegroßhändler, die eine Fusion
mit einem größeren Akteur in Erwägung ziehen. Solche       Intermediäre wie Versicherer werden die Kräftever-
Pläne könnten sich als Chance für mittlere und größere     hältnisse im Kfz-Aftermarket nachhaltig verändern. Es
Teilegroßhändler darstellen, einen führenden Part in       zeichnet sich ab, dass Intermediäre nicht nur indirekt
der betreffenden Region einzunehmen.                       über Vorgaben zur Werkstattauswahl die Geschäfte des
                                                           Teilegroßhandels beeinflussen. Einige Versicherer pla-
            Endkunden: Preisbewusst                        nen, den Teilekauf in Eigenregie zu übernehmen – sehr
                und online-affin                           zum Missfallen der Werkstätten. Der Zentralverband
                                                           für Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) kritisierte
Die Gruppe der Do-it-for-me-Kunden wird mittelfristig      diese Taktik: „Die ertragsarme, aber know-how-inten-
zunehmen. Diese Entwicklung hat mehrere Gründe:            sive Reparatur-Dienstleistung an immer komplexer
Zum einen wird der Einbau von Teilen immer komple-         werdenden Fahrzeugkonzepten sollen die Werkstätten
xer – was sowohl das Know-how als auch das Equipment       zu den zu niedrig vereinbarten Stundenverrechnungs-

18
Machtkämpfe: Veränderungen in der Kundenlandschaft

sätzen erbringen, während Versicherer den Zukauf von
Ersatzteilen möglicherweise übernehmen möchten“, so
                                                            Bei der Ansprache
ZKF-Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm. Er warnte,
dass damit ein weiterer überlebensnotwendiger Teil der
                                                            von Endkunden ­spielen
heutigen Erträge in den Karosserie- und Lackier­fach­
betrieben wegbreche.
                                                            Online-Vertriebs­kanäle
Der Anteil der von Intermediären gesteuerten Nachfrage
am Volumen des Kfz-Aftermarket wird in den nächsten
                                                            eine Schlüsselrolle.
Jahren deutlich zunehmen. Angesichts dieser wachsen-
den Marktmacht sollten Teilegroßhändler die Aktivi-
                                                            Das Internet hat sich für
täten der Intermediäre sehr ernst nehmen und genau
analysieren. Aufgrund hoher Volumina kann es überaus
                                                            Endkunden zu ­einer un-
lukrativ sein, einen Intermediär als Direkt-Abnehmer zu
gewinnen. Andererseits stellen diese hohen Volumina
                                                            verzichtbaren Recherche­
auch ein Risiko dar: Diese kann der Intermediär näm-
lich nutzen, um seine Teile direkt beim Hersteller zu be-
                                                            quelle ­entwickelt.
ziehen. In diesem Fall geht der Teilegroßhandel leer aus.

                Online-Handel:
           Mehr Transparenz im Markt

Neben den Intermediären beeinflusst der Online-Ver-         ten liegt dieser Wert in Deutschland nur bei rund 20% –
trieb die Kräfteverhältnisse und das Beziehungsgeflecht     ­ äufig sind diese aber auch Mitglied eines Konzepts.
                                                            h
zwischen den Akteuren des Kfz-Aftermarket. Das Inter-       Grundsätzlich gewinnen B2B-Plattformen im Teilegroß-
net als großes, globales Schaufenster verspricht, mehr      handel an Bedeutung. Plattformen wie beispielsweise
Klarheit in die unübersichtliche Gestaltung von Preisen     Tyre24 bieten kleinen Teilegroßhändlern die ­Chance,
und Konditionen zu bringen, die das mehrstufige Ver-        ohne großen Aufwand im Online-Geschäft mit­zu­­
triebssystem im IAM prägen.                                 mischen.
Mit dieser neuen Übersichtlichkeit der Angebote und         Den etablierten Teilegroßhändlern begegnen Online-­
Konditionen sorgt der Online-Handel für einen Kultur­       Shops in einer Doppelrolle, die Risiken und Chancen
wandel im Teilevertrieb: Die Preissensitivität der Kunden   bietet: Einerseits sind sie Wettbewerber, die Kunden auf
steigt. Außerdem verändert sich die Wettbewerbsland-        einen anderen Vertriebskanal locken. Andererseits sind
schaft, weil Angebot und Nachfrage auf den virtuellen       die reinen Online-Shops auch eine neue Kundengrup-
Marktplätzen und in den Online-Shops nicht mehr regi-       pe. Die meisten Online-Akteure beziehen nämlich Teile
onal gebunden sind. Diese geografische Entkoppelung         und Inventar vom Teilegroßhandel. Über diese Liefer­
schafft neue Auswahl-Optionen für Käufer.                   beziehung erschließt sich dem Teilegroßhandel die
Je nach Werkstattgröße ist die Aufgeschlossenheit für       Chance, indirekt am wachsenden Umsatz der Online-­
das Online-Shopping von Teilen unterschiedlich ausge-       Plattformen zu partizipieren.
prägt. Ein Drittel aller kleinen Werkstätten mit bis zu
fünf Mitarbeitern nutzt Online-Anbieter, um Teile zu be-
stellen. Bei Werkstätten mit mehr als zehn Beschäftig-

                                                                                                                19
Exkurs

              EINBLICKE:
       DER MARKT FÜR WERKSTATT­
            AUSRÜSTUNGEN
Zum Kfz-Aftermarket gehört auch das Segment Werk-          2. OEM-Werkstätten sind auch die Zielgruppe von
 stattausrüstung mit der Hauptzielgruppe Geschäfts-        Dienstleistern wie AMN Garage Services & Equipment.
kunden. In den letzten Jahren haben immer mehr Tei-        Unternehmen dieses Typs definieren sich als reine Ser-
legroßhändler das Ausrüstungsgeschäft entdeckt. Zum        vice-Anbieter mit nationalem Fokus.
 einen um den Werkstätten eine möglichst umfassende        3. Hersteller können über ihren Direktvertrieb eben-
Betreuung zu bieten. Zum anderen sind bei der Werk-        falls als Bezugsquelle für Werkstattausrüstung dienen.
 stattausrüstung in der Regel üppigere Margen zu erzie-    Der Direktvertrieb ist jedoch eher die Ausnahme.
len als im Teilegeschäft.                                  4. Überregional oder international agierende Teilegroß-
Zum Markt für Werkstattausrüstungen gehören An-            händler (unter anderem Stahlgruber, Groupauto inter-
lagen und Gerätschaften für Arbeiten am Fahrzeug,          national, WM, Autodistribution) sind ebenfalls im Ver-
 etwa Hebebühnen, Achsmessgeräte, Bremsprüfstände,         trieb von Werkstattausrüstung aktiv. Ihr Schwerpunkt
Reifen­montier- und Reifenwuchtmaschinen und Prüf-         liegt in der Belieferung von IAM-Werkstätten, wobei die
 straßen. Ein weiterer Bereich sind Diagnose-Tools zur     Produkte hauptsächlich aus dem mittleren und unteren
Auswertung von Motor, Elektronik, Fahrverhalten etc.       Preissegment stammen. Hier spielen Importe aus China
Die Wertschöpfungskette im Segment Werkstattausrüs-        eine zunehmend wichtigere Rolle.
 tung ist mit drei Stufen weniger komplex als im Teile-    5. Die sogenannten Preisbrecher haben in erster Linie
 verkauf → F, G.                                           kleinere freie Werkstätten sowie Privatleute als Zielgrup-
Bei den Herstellern lassen sich europäische (high-end)     pen. Unternehmen wie Twin Busch, RP Tools, ATA und
 und chinesische (low-/medium-end) Anbieter unter-         Fog Automotive importieren Werkstatt-Equipment aus
 scheiden. Letztere produzieren zum Teil auch „Private     China.
Label“-Artikel für Werkstattausrüster und den Teilegroß-   Der Kauf neuer Werkstattausrüstung ist ein großer
handel. Auf der Stufe der Vertriebsorganisation agieren    Ausgabenposten und in der Regel eine langfristige In-
 verschiedene nationale und internationale ­Player, die    vestition. Deshalb sind Entscheidungen über solche
 sich in fünf Gruppen unterteilen.                         Anschaffungen normalerweise „Chefsache“. Die meis-
1. Werkstattausrüster (zum Beispiel WHB Autohaus           ten Teilegroßhändler haben gute, langjährig gewachse-
­Profi Service, Gemco Sales & Service, Uhl Werkstatt-­     ne Beziehungen zu Inhabern und Meistern von Werk­
Technik, Explora X) sind Spezialisten mit regionalem       stätten. Solche Kontakte können sich als sehr wertvoll
Fokus. Sie beziehen ihre Produkte von EU-Herstellern       erweisen, wenn mittlere und große Teilegroßhändler
 und beliefern vor allem OEM-Werkstätten.                  ins Segment Werkstattausrüstung expandieren wollen.
G
                                            Wertschöpfungskette
                                       im Segment Werkstattausrüstung

    Schematische Darstellung (vereinfacht)

        HERSTELLER                                                       KUNDE

                                               Werkstatt­
                                               ausrüster

          HIGH-/
                                                                          OEM
        MEDIUM-END
                                                                        NETZWERK
           (EU)

                                              Dienstleister

                                                         Teile-
                                                      großhändler
           MEDIUM-/
                                                                           IAM
           LOW-END
                                                                        NETZWERK
            (CHINA)

                                                     Preisbrecher

              häufiger Verkauf
              gelegentlicher Verkauf

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank
                                                                                   21
HANDLUNGS­
                        3
        FELDER:
       WAS JETZT
       ZU TUN IST
 In der alten Ordnung des Kfz-Aftermarket konnten sich mittlere
        und große Teilegroßhändler auf die Belieferung der
       Werkstätten und das Feeder-Business konzentrieren.
Diese Zielgruppen waren ihnen bestens vertraut und lieferten den
   Großteil der Umsätze. Doch diese Berechenbarkeit ist passé.
      Die Kundenlandschaft heute ist weniger übersichtlich.
  Langfristig müssen die Teilegroßhändler die unterschiedlichen
  Anforderungen der verschiedenen Abnehmergruppen erfüllen.
    Dies erfordert ein Fine-Tuning in der Kundenansprache und
         die Bereitschaft zu einer Omni-­Channel-Strategie.
Handlungs­felder: Was jetzt zu tun ist

                        1                                                          2
     Mehr Kunden                                                Service-Partner
   ­erreichen durch                                           der Kunden werden
­Omni-Channel-Vertrieb                                    Mit der Komplexität der Fahrzeugtechnik und dem zu-
                                                          nehmenden Konkurrenzdruck steigen die Anforderun-
Das Kundenspektrum des Teilegroßhandels besteht           gen der Werkstätten an Beratung und professionelle
 aus verschiedenen Akteuren, die jedoch alle einen re-    Unterstützung. Diese Entwicklung kann der Teilegroß-
levanten Beitrag zum Geschäftserfolg leisten. Nur eine    handel nutzen, um die Kundenbindung zu stärken. Auch
 differenzierte Marketing- und Vertriebsstrategie kann    markengebundene Werkstätten kommen als Abnehmer
 den Bedürfnissen einzelner Kundengruppen gerecht         des IAM-Teilegroßhandels in Frage. Diese Zielgruppe
 werden. Die Neigung, Online-Kanäle zu nutzen, ist un-    lässt sich zum Beispiel über die Teileversorgung für äl-
 terschiedlich ausgeprägt. Deshalb sollten mittlere und   tere Fahrzeuge ansprechen; insbesondere Eigenmarken
 große Teilegroßhändler einen Omni-Channel-Ansatz         haben hier Potenzial. Grundsätzlich gilt es, die Lieferan-
 wählen. So stellen sie sicher, über verschiedene Ver-    tenbeziehung als Partnerschaft zu gestalten. Ein viel-
 triebskanäle das gesamte Kundenspektrum zu erreichen.    versprechender Ansatz sind dabei Werkstatt­konzepte,
Die B2B-Kunden (Werkstätten, kleine Teilegroßhändler,     um die Konsolidierung und Professionalisierung von
Online-Shops) sowie die Endkunden sollten in die Lage     IAM-Werkstätten zu fördern.
 versetzt werden, zwischen den verschiedenen Kanälen
 (online, mobil, Callcenter und gegebenenfalls auch
­Katalog) zu wählen.

                                                                                                                   23
3                                                           4
   Intermediäre als                                              Privatkunden ins
 ­Kunden akzeptieren                                           Visier nehmen – und
und gezielt ansprechen                                           online erreichen
Die Intermediäre spielen eine zunehmend wichtige             Der Teilegroßhandel sollte künftig stärker auf das
­Rolle im IAM. Gerade Versicherer bauen ihre Markt-          B2C-Geschäft setzen. Die Endkunden haben sich zu ei-
 macht aus, weil sie an den Hebeln der Werkstattauswahl      ner relevanten Kundengruppe im Kfz-Aftermarket entwi-
 sitzen und perspektivisch auch die Regie beim Teilekauf     ckelt. Insofern tut der Teilegroßhandel gut daran, neue
 übernehmen wollen. Vor diesem Hintergrund sollte der        Ideen zu entwickeln, wie er mit privaten Abnehmern di-
Teilegroßhandel unbedingt den Beziehungsaufbau zu            rekt ins Geschäft kommen könnte. Dieser unmittelbare
 dieser Kundengruppe forcieren. Dazu bedarf es zum ei-       Kontakt brächte außerdem wertvolle Erkenntnisse über
 nen der Bereitschaft, sich auf das (noch) nicht vertraute   die Präferenzen und Verhaltensweise der End­kunden.
 Parkett einer neuen Kundengruppe zu begeben. Zum            Dieses Know-how würde auch frische Impulse für die
 anderen müssen die Vertriebsstrukturen entsprechend         Geschäftsbeziehungen mit Werkstätten und kleinen
 angepasst werden. Während das Vertriebsnetz und die         Teilegroßhändlern liefern. Immerhin beeinflussen die
 Kontaktpflege mit Werkstätten seit Jahrzehnten ein-         Endkunden maßgeblich die Entwicklung dieser Akteure.
 gespielt sind, erfordert das Key-Account-Management         Um direkte Geschäftskontakte mit dem B2C-Segment
 von Versicherungs- oder Leasinggesellschaften andere        anzubahnen, gibt es für Teilegroßhändler verschiedene
 Heran­gehensweisen.                                         Optionen. Der Online-Vertrieb ist der wichtigste Kanal,
                                                             um die Endkunden anzusprechen. Dementsprechend
                                                             führt ein vielversprechender Weg zum Endkunden über
                                                             Service-Plattformen oder Online-Shops. Dabei bietet
                                                             sich die Möglichkeit, durch Kooperation oder Akqui-
                                                             sition in eine Service-Plattform einzusteigen oder in
                                                             Eigen­regie einen digitalen Vertriebskanal aufzubauen.
                                                             Online-­Shops bieten auch die Chance für Teilegroß-
                                                             händler Eigenmarken an den Endkunden zu bringen,
                                                             die höhere Margen garantieren und die Abhängigkeit
                                                             von den traditionellen Zulieferern reduzieren. Somit
                                                             kann auch eine Abwanderung zu den OEM-Werkstätten
                                                             vermieden werden. Umgekehrt ist es für Online-Shops
                                                             interessant durch den Aufbau eines stationären Ver-
                                                             triebs am traditionellen Offline-Geschäft teilzunehmen.

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Handlungs­felder: Was jetzt zu tun ist

                       5                                                         6
       Durch Big Data                                      Kundenbedürfnisse
         ­versteckte                                      analysieren und Ange-
      Potenziale nutzen                                   bote maßschneidern
Gerade kleine und mittlere Teilegroßhändler haben       Vielen Teilegroßhändlern ist noch nicht klar, welche
häufig nicht die personellen und materiellen Ressour-   Schätze in ihren Datenarchiven verborgen sind. Aus
cen, um das Kundenmanagement durch IT-Lösungen          der Sammlung, Aufbereitung und Nutzung von Kun-
und gezielte Marketing-Aktivitäten systematisch vor-    dendaten lassen sich wesentliche Erkenntnisse für eine
anzutreiben. So bleiben viele Chancen ungenutzt. Um     gezielte, individualisierte Kundenansprache gewinnen.
diese Potenziale zu heben, sollte die Kooperation in    Die systematische Auswertung des Daten-Pools mit-
Einkaufsverbänden über das Sourcing hinaus intensi-     hilfe einer CRM-Software oder anderer IT-Instrumente
viert werden. Die Entwicklung gemeinsamer Big-Data-­    kann die Bedürfnisse und Präferenzen verschiedener
Lösungen ist dabei eine Option, auch eine gemeinsame    Kundengruppen offenbaren. Auf dieser Basis lassen
Kunden­ansprache ist eine Möglichkeit.                  sich maßgeschneiderte Angebote entwickeln, um eine
                                                        Micromarketing-Strategie zu verwirklichen. Mögliche
                                                        Maßnahmen sind individualisierte Rabatt-Angebote
                                                        für häufig gekaufte Teile, besondere Lieferkonditionen,
                                                        Newsletter mit individuell angepassten Inhalten etc.
                                                        Bestenfalls lassen sich auf diesem Weg auch Pull-­Effekte
                                                        für Eigenmarken generieren. Wer die Bestellmuster sei-
                                                        ner Kunden mittels Daten-Analyse entschlüsselt, kann
                                                        beispielsweise die Routenplanung für Lieferungen ver-
                                                        bessern. So ermöglicht die Auswertung der Kundenda-
                                                        ten auch Rückschlüsse für die Optimierung interner Pro-
                                                        zesse, beispielsweise in Hinblick auf Lagerhaltung und
                                                        effiziente Logistikplanung.

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