KVJS Aktuell - Mit neuen Geschäftsideen Corona trotzen Den Landes-rahmenvertrag mit Leben füllen
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KVJS Aktuell 04/20 Integration Mit neuen Geschäftsideen Corona trotzen Seite 14 KVJS Soziales Fortbildung Den Landes- KVJS unterstützt Neues Design rahmenvertrag Kreise bei der und viele mit Leben füllen Sozialplanung Highlights Seite 4 Seite 10 Seite 25
Impressum KVJS aktuell Oktober 2020 Herausgeber: Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg Öffentlichkeitsarbeit Lindenspürstraße 39 70176 Stuttgart www.kvjs.de Verantwortlich: Kristina Reisinger Redaktion: Monika Kleusch Titelfoto: Thomas Brenner Layout: www.mees-zacke.de Bestellungen und Adressänderungen: Telefon 0711 6375-208 publikationen@kvjs.de Druck: Texdat-Service gGmbH, Weinheim Redaktioneller Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass aus Gründen der Lesbarkeit auf eine durch- gängige Nennung der weiblichen und männlichen Bezeichnungen verzichtet wird. Selbstverständlich beziehen sich die Texte in gleicher Weise auf Frauen, Männer und Diverse. 2 KVJS aktuell 4/2020
KVJS Inhaltsverzeichnis KVJS 4 Landesrahmenvertrag: KVJS unterstützt mit Infoveranstaltungen 5 Im Gespräch mit dem Ministerium: Verbandsleitung sucht gemeinsame Wege 6 Netzwerken. Teilhabe stärken. 7 Quartiersakademie: Erste Fortbildungsangebote 7 Nichts verpassen mit „Mein KVJS“ HABILA 8 Tannenhof Ulm optimiert Umgang mit schwierigen Klienten SOZIALES 10 KVJS unterstützt Kreise bei der Sozialplanung 12 Online-Besichtigungen in der „Werkstatt Wohnen“ INTEGRATION 13 Das Integrationsamt und die Auswirkungen von Corona 14 Zwei Inklusionsunternehmen entwickeln zeitgemäße Geschäftsideen 16 Behindertenfreundlicher Arbeitgeber: Oftersheim verwaltet inklusiv 17 Lohnsicherung für Beschäftigte der Werkstätten für behinderte Menschen 18 Neue Info-App für Schwerbehindertenvertretungen 18 Neuer Referatsleiter in Karlsruhe JUGEND 19 Neue Pandemieregeln sichern Qualität in der Kindertagesbetreuung 20 FASD-Hilfe Stuttgart informiert und klärt auf FORSCHUNG 22 Forschungsprojekt belegt Wirksamkeit von Wohnangeboten der Sozialpsychiatrie 23 Kurzzeitpflege: Neues KVJS-Forschungsvorhaben untersucht Bedarf FORTBILDUNG 25 KVJS-Fortbildung in neuem Design und mit vielen Highlights NEU ERSCHIENEN 27 Beim KVJS erschienen 4/2020 KVJS aktuell 3
KVJS ©Alex from the Rock - stock.adobe.com Den Landesrahmenvertrag mit Leben füllen KVJS unterstützt mit Infoveranstaltungen Die Verhandlungen zum Landesrahmenvertrag SGB IX sind abgeschlossen. Jetzt hat der KVJS mit einer ersten Informationsveranstaltung den Grundstein gelegt für einen regelmäßigen Austausch mit den Kreisen. Der Landesrahmenvertrag SGB IX ist ein bedeu- noch unsichere Schätzung der Mehrkosten sowie tender Schritt in der Umsetzung der dritten die komplexe Umstellung der sozialen Teilhabe. Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Eva Dargel und Rouven Wrtal sprachen über zen- Er soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. In einer trale Aspekte der Sozialen Teilhabe, der Teilhabe ersten Informationsveranstaltung haben Fachleute am Arbeitsleben und über Grundsätze der Vergü- des KVJS sowie des Städte- und Landkreistags den tung. Auch die Wirtschaftlichkeits- und Qualitäts- Sozialdezernenten der Landkreise und Sozial- prüfung, Steuerungsmöglichkeiten vor Ort und amtsleitungen der Stadtkreise die wichtigsten neue Strukturen zur Umsetzung in den Kreisen Eckpunkte erläutert. Die vereinbarten Eckpunkte waren Thema. Die Tagungsunterlagen finden Sie müssen nun noch in den Gremien der Verhand- als Download im Mitgliederbereich. lungspartner beschlossen werden. Gezielte Infoveranstaltungen Trotz Corona konnte die Veranstaltung mit Rück- Um die Träger der Eingliederungshilfe zu unter- sicht auf die aktuellen Abstands- und Hygiene- stützen, finden seit September Informationsrun- vorschriften in Gültstein stattfinden und bildete den auf unterschiedlichen Ebenen statt. Diese sind sowohl mit den Vorträgen im Tagungsraum als nach Zielgruppen oder Themenschwerpunkten auch beim Essen im Freien Gelegenheit zum aufgebaut und bieten die Möglichkeit, konkrete persönlichen Austausch. Die Veranstaltung ist der Details, praktische Fragestellungen sowie das Auftakt zu regelmäßigen crossmedialen Info-Ver- Zusammenspiel von Teilhabeplanung und Finan- anstaltungen. zierung zu besprechen. Dazu werden Empfeh- lungen und Handreichungen für die Umsetzung Sozialdezernent Frank Stahl gab zusammen mit vor Ort zur Verfügung gestellt. Außerdem sollen Mitarbeitern der Dezernate einen Überblick und künftig regelmäßig digitale Live-Chats über die erste finanzielle Einschätzungen zum neuen Rah- KVJS-Homepage für Leitungskräfte angeboten menvertrag. Stahl verdeutlichte insbesondere die werden. 4 KVJS aktuell 4/2020
KVJS Wie auch im Rahmen des bisherigen Verhand- kreistag, KVJS, der Landesbehindertenbeauftrag- lungsprozesses wird das Dezernat Soziales des ten sowie Vertretern der Leistungserbringer hatte KVJS dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Als sich zuvor auf Eckpunkte eines Vertrags geeinigt, Kompetenz- und Dienstleistungszentrum steht Nun müssen diese den Gremien der Verhand- der Verband den 44 Stadt- und Landkreisen auch lungspartner beschlossen werden. Der Landesrah- weiterhin mit fachlicher Expertise zur Seite. menvertrag bildet die Grundlage für die künftigen Leistungen für Menschen mit Behinderungen Die Dokumentation der Infoveranstaltungen ist nach dem BTHG. Im Mittelpunkt steht deren im KVJS-Mitgliederbereich unter www.kvjs.de/ individueller Bedarf für ein gleichberechtigtes und KVJS-SPW2 abrufbar. Loggen Sie sich vor Abruf mit selbstbestimmtes Leben durch personenzentrierte Ihrem Benutzernamen und Kennwort ein. Leistungen. Hintergrund Autor Kristina Reisinger / Eva Dargel Eine vom Ministerium für Soziales und Integration moderierte Arbeitsgruppe aus Städtetag, Land- In eine Richtung laufen Im Gespräch mit dem Ministerium: Verbandsleitung sucht gemeinsame Wege Regelmäßig tauscht sich die KVJS Verbandsleitung Karl-Friedrich Ernst. Durch die Corona Pandemie mit dem Ministerium für Soziales und Integration seien die zuletzt bereits rückläufigen Einnahmen aus. Im Juli standen insbesondere der Landesrah- erneut stark eingebrochen. Dem stünden höhere menvertrag BTHG, die Quartiersakademie und die Ausgaben als Nothilfen entgegen, weshalb man problematische Entwicklung der Ausgleichsab- jetzt die Ausgaben besonders im Blick haben gabe im Fokus. muss. „Auch das Programm ‚Arbeit inklusiv‘ sowie die institutionelle Förderung von Werkstätten Die langen Verhandlungen zum Landesrahmen- müssen auf den Prüfstand“, forderte er. Dem vertrag BTHG waren zentrales Thema des letzten pflichteten die Vertreter des Ministeriums bei, Treffens: „Wir wollten immer ein gemeinsames allerdings müsse man diskutieren, wie es im Detail Ergebnis“, sagte Frank Stahl. „Dafür haben wir aussehen könne. zuletzt viele Dinge zu lange diskutiert.“ Ende Juli hatten sich die Vertragspartner endlich geeinigt Für die Jugendhilfekosten für UMA hat der KVJS (siehe dazu S. 4). Auch müsse bald Klarheit erzielt kürzlich eine Kostenprognose erstellt: Noch immer werden, inwieweit sich die höheren Einkommens- stehen politische Zusagen im Raum, dass das Land und Vermögensgrenzen auf die Inanspruchnahme sie vollumfänglich übernimmt. Doch erneut wollte von EGH-Leistungen auswirken und welche Mehr- das Ministerium keine Zusagen machen. Für die kosten durch diese gesetzliche Regelung entste- Übernahme der Landesweiten Ombudsstelle hen, ergänzte Verbandsidirektorin Kristin Schwarz. dankten und lobten die Vertreter des Ministeriums das Engagement des KVJS. Über Entwicklungen der Ausgleichsabgabe berichtete der Leiter des KVJS Integrationsamtes Autor Kristina Reisinger 4/2020 KVJS aktuell 5
KVJS Fachlicher Austausch für die Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Fotos: Julia Holzwarth Netzwerken. Teilhabe stärken. KVJS mit kommunalen Behindertenbeauftragten im Gespräch Verbandsdirektorin Kristin Schwarz begrüßte im Juli die kommunalen Behinderten- beauftragten der Region Stuttgart. Gemeinsam mit Fachkräften des KVJS informierte sie über die Rolle und Aufgabe des Verbands bei der Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Christian Gerle vom KVJS stellte die aktuellen För- wirke, sei momentan noch nicht absehbar, so Ernst. derprogramme in der Behindertenhilfe vor und wies Die Krise deutlich zu spüren bekämen ebenfalls die auf die neuen Schwerpunkte hin. Kristin Schwarz 92 Inklusionsbetriebe in Baden-Württemberg. Der betonte in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit Leiter des Integrationsamts betonte in dem Zusam- dezentraler Kooperationen. Die Beteiligten identi- menhang die Wichtigkeit der finanziellen Unterstüt- fizierten den dringenden Bedarf spezieller Wohn- zung während der Pandemie. Betroffen sind auch bauprogramme, die sich gezielt an Menschen mit Beschäftigte in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung richten und gesellschaftliche Teilhabe Behinderung. Eine kurzfristige Fördermaßnahme soll fördern. das Absinken der Löhne soweit als möglich kompen- sieren. Hierfür hat das Team innerhalb kürzester Zeit Dezernent Karl-Friedrich Ernst informierte über die Voraussetzungen der Antragstellung geschaffen, Unterstützung des Integrationsamts für Arbeitge- die bis 31. August möglich war. ber und Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung. Auch die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Dr. Andrea Keller richtete den Blick auf das Thema Ausgleichsabgabe waren Thema. Diese Abgabe Fortbildung zur Förderung der Quartiersentwick- leisten Betriebe, die die vorgeschriebene Zahl von lung. Die Leiterin der KVJS-Koordinierungsstelle schwerbehinderten Menschen nicht beschäftigen. stellte die Quartiersakademie als Baustein der Lan- Bereits vor Corona überstiegen die Ausgaben die desstrategie „Quartier 2030 – Gemeinsam.Gestalten“ Einnahmen in der Ausgleichsabgabe. Mehraufwen- dungen wurden seitdem durch die noch vorhandenen Rücklagen gedeckt. Inwieweit sich die aktuelle Situation auf die weitere Kos- tenentwicklung aus- Karl-Friedrich Ernst Dr. Andrea Keller 6 KVJS aktuell 4/2020
KVJS vor und fasste Aufgaben und Ziele der Koordinie- dertenbeauftragten planen, sich in Kürze als Landes- rungsstelle zusammen. arbeitsgemeinschaft beim Städte- und Landkreistag zu konstituieren. Auch in Zukunft ist eine fachliche Expertise gewünscht Zusammenarbeit gewünscht: Der KVJS bot an, An dem Austausch beteiligten sich Dr. Eckart Bohn, sich mit Inputs zu Fachthemen einzubringen. Die Behindertenbeauftragter aus dem Landkreis Lud- Interessenvertreter begrüßten die Beteiligung und wigsburg sowie Marlis Haller (Landkreis Esslingen), sahen dies als Chance für die Weiterentwicklung des Reinhard Hackl (Landkreis Böblingen) und Roland Arbeitsfeldes. Noller (Rems-Murr-Kreis). Die kommunalen Behin- Autor Julia Holzwarth Qualifiziert ins Quartier: Erste Fortbildungsangebote Die Koordinierungsstelle der Quartiersakademie Der KVJS hat Anfang des Jahres die Koordinierung beim KVJS bietet auf ihrer Website die ersten Ver- der Quartiersakademie im Auftrag des Landes anstaltungshinweise und Qualifizierungsmöglich- übernommen. Die Koordinierungsstelle bringt keiten für das Themenfeld Quartiersentwicklung bereits existierende Angebote im Land zusammen an. Sie können sich zu Veranstaltungen anmelden und entwickelt sie weiter. sowie finanzielle Förderung aus Mitteln des Minis- teriums für Soziales und Integration des Landes Kontakt für Fragen und Informationen: Baden-Württemberg beantragen. Andrea Keller E-Mail: Andrea.Keller@kvjs.de oder Wir freuen uns auf Ihren Besuch unserer Website info@quartiersakademie.de www.quartiersakademie.de. Telefon: 0711 6375-317 Sie wollen nichts verpassen? Seit Anfang des Jahres können Sie mit dem Ange- bot „Mein KVJS“ Ihre persönliche KVJS-Website selbst zusammenstellen. Einzelne Themenberei- che und Unterthemen lassen sich nach individuel- len Wünschen mit wenigen Klicks hinzufügen oder entfernen. So ist es möglich, schneller zu den für Sie relevanten Informationen zu gelangen. Neu: Benachrichtigungs-Service Profitieren Sie ab sofort auch vom Benachrichti- gungs-Service. Sie werden per E-Mail informiert, wenn neue Inhalte aus Ihren gewählten Themen- bereichen zur Verfügung stehen. Registrieren Sie sich unter www.kvjs.de/mein-kvjs. Foto: Mees+Zacke 4/2020 KVJS aktuell 7
HABILA Positive Verhaltensunterstützung: „Why not“? Tannenhof Ulm optimiert Umgang mit schwierigen Klienten In einer mehrtägigen Fortbildung zeigte Prof. Dr. Georg Theunissen den Mitarbeitenden des Tannenhofs Ulm (Habila) Ideen und Methoden zur Verbesserung der Lebensqualität. „Schwerwiegend herausfordernde Verhaltens- denen auch Teile des Tannenhofs zählen. Prof. weisen“: In der Vergangenheit wurden sie häufig Theunissen hat an der Entwicklung des Konzepts, als unvermeidliche Begleiterscheinungen einer das in der internationalen Fachwelt als „Positive Behinderung oder Erkrankung betrachtet. Prof. Behavioural Support (PBS)“ bekannt ist, entschei- Georg Theunissen, einer der führenden Heil- und dend mitgewirkt. Inhaltlicher Kern ist die Feststel- Sonderpädagogen im deutschsprachigen Raum, lung, dass sich herausforderndes Verhalten deut- setzt dieser Sichtweise das Konzept der „Positiven lich vermindern lässt, wenn die Lebensqualität der Verhaltensunterstützung (PVU)“ entgegen. Betroffenen verbessert wird. Sie widmet sich dem Umgang mit Menschen in Es gehe also darum, so Prof. Theunissen, andere intensiv betreuten Unterbringungsformen, zu Wege zu eröffnen, auf denen Betroffenen ihre Prof. Dr. Georg Theunissen zu Besuch im Tannenhof in Ulm. Foto: Klaus Günthner 8 KVJS aktuell 4/2020
HABILA Bedürfnisse befriedigen können. Um die genann- ten Ziele zu erreichen, schlägt der Experte Bau- steine für eine entsprechende Konzeption vor: • In den Wohnungen sollten nicht mehr als sechs Personen zusammenwohnen, besser weniger • Wahlmöglichkeiten, wo immer es geht: Beim Arbeitsgruppe mit Habila-Mitarbeitenden. Foto: Patrizia Franz Essen, bei der Kleidung, im Tagesablauf und bei der Auswahl der Beschäftigungsmöglichkeiten • Prinzip der persönlichen Assistenz • Nutzung des Sozialraums für den alltäglichen • Mitwirkung der Klienten bei der häuslichen Bedarf, beim gemeinsamen Einkauf fürs Haus Selbstversorgung, der Versorgung der Haus- wie auch beim begleiteten Einkauf von Gegen- tiere, der Pflege der Gartenanlage und damit ständen des persönlichen Bedarfs gleichzeitig das Angebot sinnvoller Beschäfti- gungsmöglichkeiten Einige Bausteine sind im Konzept der Habila bereits realisiert, wie eine Wohnumgebung, in der die Bewohner ihren individuellen Lebensstil ver- Tannenhof-Gebäudeensemble (oben) und Eingang zum Bauerngarten. Fotos: Klaus Günthner wirklichen können. Auf dieser Grundlage kommen dann Ideen für gruppenbezogene und individu- elle Interventionen zum Tragen. Mit einem geeigneten Wohn- und Gruppenkon- zept könnten die weitaus meisten Menschen mit herausfordernden Verhaltensweisen erreicht wer- den, dennoch werde es auch Bedarf an pädagogi- scher Einzelhilfe geben, sagte Theunissen. Dabei gehe es vor allem um die Erstellung eines Unter- stützungsplans, für den Angehörige, Assistenzleis- tende, Fachdienste und ehrenamtliche Helfer ein Netzwerk bilden und den gesamten Alltag mit sei- nen Aufgaben, Anforderungen, Personen, Umge- bungsbedingungen und körperlichen Befindlich- keiten in Bezug setzen zu den Bedingungen und Folgen des herausfordernden Verhaltens. Mit dem anvisierten Neubau in Ulm, in dem wesentlich kleinere Wohnungen für jeweils vier Personen vorgesehen sind, würde der Tannenhof einen großen Schritt vorankommen, um die Vor- aussetzungen für eine erfolgreiche Anwendung der positiven Verhaltensunterstützung zu schaf- fen. Doch auch jetzt schon werden zumindest ein- zelne Elemente dieses Konzepts in der täglichen Praxis erprobt. Autor Klaus Bühler 4/2020 KVJS aktuell 9
Soziales Lebenswelten zukunftsfähig gestalten KVJS unterstützt Kreise bei der Sozialplanung Um Senioren und Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, sollten Angebote auf individuelle Bedarfe zugeschnittenen sein und flächendeckend zur Verfügung stehen. Die Kommunale Teilhabeplanung und Senio- renplanung unterstützt bei der Weiterentwicklung der Angebotslandschaft. Der KVJS begleitet die Stadt- und Landkreise in für Menschen mit Behinderung des Alb-Donau- Baden-Württemberg bereits seit mehr als zehn Kreises sowie des Landkreises Konstanz. Jahren bei dieser Aufgabe. Auf Wunsch unter- stützt er bei der Erstellung von Teilhabeplänen für Je nach Bedarf begleitet der KVJS einzelne Teilbe- Menschen mit geistiger Behinderung, psychischer reiche oder die komplette kommunale Teilhabe- Erkrankung sowie bei der Entwicklung von Senio- planung. Sie gilt als zentrales Instrument, das mit renplänen. Die Kernkompetenz des Verbands ist Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonven- die empirische Erhebung, Auswertung und Inter- tion noch stärker an Bedeutung gewonnen hat: pretation der Daten sowie die fachliche Expertise. „Um Inklusion von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen mit Leben zu füllen, Durch eine breite Beteiligung an diesem Prozess müssen die Angebote der Behinderten- und Ein- werden alle Interessen und Ideen berücksich- gliederungshilfe stetig weiterentwickelt werden. tigt. Daher sind neben zahlreichen Akteuren Die Teilhabeplanung ist hierfür ein wichtiger auch Betroffene und Angehörige involviert. Um Baustein und schafft die Basis für eine verlässliche die kommunale Versorgungs- und Infrastruktur und aktuelle Sozialplanung“, fasst Julia Linden- weiterentwickeln zu können, beinhalten die Pläne maier, Leiterin des Referats „Teilhabe und Soziales“, neben Ist- und Bedarfsanalysen auch konkrete zusammen. Handlungsempfehlungen: Ausgehend von der Situation im jeweiligen Kreis entwickeln die Pro- Im Rahmen der Teilhabepläne für Menschen mit jektbeteiligten konkrete Vorschläge als Entschei- geistiger und mehrfacher Behinderung werden dungsgrundlage für Politik und Verwaltung. Das zunächst bestehende Angebote aus allen wich- Angebot des KVJS wird stark nachgefragt. tigen Lebensbereichen erfasst. Dazu zählen das Leben im Alter sowie Frühförderung, Kindertages- Inklusion fördern betreuung und Schule, Wohnen, Arbeit, Freizeit Nahezu die Hälfte der Kreise hat mit Unterstüt- und Mobilität. Für die Bestandserhebung und zung des Verbands Teilhabepläne für geistig Vorausberechnung zukünftiger Bedarfe verfügt behinderte Menschen sowie für Menschen mit der KVJS über fundierte Instrumente, die er an die psychischer Erkrankung umgesetzt. Jüngstes individuellen Bedingungen des jeweiligen Kreises Beispiel für letztere Personengruppe ist der anpasst. Anschließend werden die Ergebnisse Teilhabeplan des Ortenaukreises, der im Mai 2020 fachlich eingeordnet und mit landesweiten Daten veröffentlicht wurde. Einige Kreise haben die verglichen. ersten Pläne bereits aktualisiert. Fortschreibungen ermöglichen es, die aktuelle Situation und die Die Teilhabepläne für Menschen mit psychischer Umsetzung von Maßnahmen mit der Entwicklung Erkrankung und wesentlicher seelischer Behinde- der letzten Jahre zu vergleichen und zu analysie- rung fokussieren Angebote der Eingliederungs- ren. Dazu zählen beispielsweise die Teilhabepläne hilfe und Hilfe zur Pflege. Auch die Dienstleistun- 10 KVJS aktuell 4/2020
Soziales gen des Gemeindepsychiatrischen Verbundes Jeder Stadt- und Landkreis hat eigene Anforde- sowie der medizinisch-psychiatrische Bereich und rungen und Vorstellungen. Für die Ausgestal- das Umfeld der Eingliederungshilfe werden ein- tung kommunaler Seniorenpläne stehen daher bezogen. Schnittstellen zur Wohnungslosenhilfe verschiedene Module zur Verfügung, die je nach und der Jugendhilfeplanung werden ebenfalls Schwerpunkt frei wählbar sind. Der Landkreis aufgegriffen. Tübingen konzentrierte sich unter anderem auf das Wohnen zu Hause, die örtliche Infrastruktur, Leben im Alter gestalten Mobilität, Gesundheitsversorgung sowie auf das Weiter deutlich an Fahrt nimmt auch die kom- Thema der Quartiersentwicklung. Auch Pflege munale Seniorenplanung auf: „Aktuell erreichen stand hinsichtlich steigender Betreuungs- und uns sehr viele Anfragen“, stellt Dr. Alexandra Klein Pflegebedarfe im Mittelpunkt: Auf Grundlage der fest. „Das hängt insbesondere mit der demogra- Bevölkerungsvorausberechnung und der Pflege- fischen Entwicklung zusammen: Die Stadt- und statistik hat der KVJS den voraussichtlichen Bedarf Landkreise bereiten sich auf eine zunehmend älter an Pflegeleistungen im Landkreis Tübingen und werdende Gesellschaft vor“, sagt die Leiterin des in den kreisangehörigen Gemeinden berechnet. KVJS-Referats „Pflege und Alter“. Zurzeit unter- Durch den Abgleich mit den bereits vorhandenen stützt der KVJS den Stadtkreis Pforzheim sowie die und zukünftig geplanten Angeboten wird ersicht- Landkreise Esslingen, Schwäbisch Hall und den lich, ob weitere Angebote benötigt werden. Rhein-Neckar-Kreis. Jüngst ist der Kreissenioren- plan für den Landkreis Tübingen verabschiedet Autor Julia Holzwarth worden. ©pressmaster - stock.adobe.com 4/2020 KVJS aktuell 11
Soziales Virtuelle Tour mit Wohnexperten für Barrierefreiheit Online-Besichtigungen in der „Werkstatt Wohnen“ In Kooperation mit den Wohnberatern des DRK-Kreisverbands Stuttgart e.V. bietet der KVJS in seiner barrierefreien Musterwohnung nun virtuelle Live-Führungen an. Offene Sprechstunden und Gruppenführun- gen vor Ort sind in den letzten Wochen nicht möglich gewesen, aber die Nachfrage nach Beratung war nach wie vor groß. Die Lösung: Wohnungsbesichtigung in Form eines Web- Seminars. Grundlage der virtuel- len Besichtigung ist ein 360-Grad-Rundgang, der jeden Winkel der Werk- statt Wohnen online Rundgang mal anders. Zahlreiche Info-Buttons liefern zusätzliche Erklärungen zu den Hilfsmitteln. Grafik: Mees+Zacke abbildet. Wohnberater des Deutschen Roten Kreuzes Stuttgart führen die Lösungen zu vermitteln, beschreiben die Experten Interessierten durch alle Räume und informieren die Funktionsweisen bedarfsorientiert und gehen zu den technischen Hilfsmitteln sowie baulichen individuell auf die Wünsche der Teilnehmer ein. Möglichkeiten. Auch Interaktion ist möglich und Die Online-Besichtigung wird auf Anfrage angebo- Fragen können unmittelbar gestellt werden. „Das ten. Seit September finden auch zusätzlich wieder Angebot ist eine gute Alternative zu den Vor-Ort- Vor-Ort-Sprechstunden statt. Eine Anmeldung ist Besichtigungen. Es ist uns wichtig, auch jetzt für unter 0711/6375-237 oder werkstatt-wohnen@ die Menschen da zu sein und sie zu informieren, kvjs.de erforderlich. wie sich Wohnraum alters- und behindertenge- recht gestalten lässt“, so Barbara Steiner-Karatas, Die Werkstatt Wohnen kann auch eigenständig Leiterin der Werkstatt Wohnen. erkundet werden: Unter www.barrierefrei-woh- nen.kvjs.de steht der virtuelle Rundgang mit allen Die DRK-Wohnberaterinnen Ruthild Gohla und Infos zur Verfügung. Die Website berücksich- Britta Schippel haben im August die erste Online- tigt zudem individuelle Lebenssituationen und Veranstaltung absolviert: „Zwar fehlen uns die Bedürfnisse. In der Rubrik „Lebenswelten“ sind spontanen Reaktionen der Teilnehmer, aber wir Hilfsmittel und Lösungen gezielt nach einzelnen freuen uns, die Interessierten auch zu Zeiten von Themenschwerpunkten wie „Hören“, „Demenz“ Corona mit dem neuen Angebot zu erreichen“. Um oder „Mobilität“ aufbereitet und zusammenge- den Teilnehmern einen umfangreichen und mög- fasst. lichst realistischen Eindruck zu den barrierefreien Autor Julia Holzwarth 12 KVJS aktuell 4/2020
Integration „Arbeitgeber versuchen Mitarbeiter zu halten“ Das Integrationsamt und die Auswirkungen von Corona Die Corona-Pandemie hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Karl-Friedrich Ernst, Leiter des KVJS-Integrationsamtes im Gespräch über die aktuelle Situation bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen und die Lage beim Integrationsamt. Herr Ernst, wie ist die Lage für schwerbehinderte Mit einem Teil der Ausgleichsabgabe werden die Beschäftigte? Rollt eine Kündigungswelle auf sie zu? Löhne der Beschäftigten in Werkstätten für behin- Beim besonderen Kündigungsschutz für schwer- derte Menschen subventioniert. Eine sinnvolle behinderte Menschen spüren wir derzeit keine Maßnahme? großen Auswirkungen. Die Anträge auf Zustim- Die Werkstattbeschäftigten bekommen kein mung zur Kündigung bewegen sich im üblichen Kurzarbeitergeld, von daher ist es ein wirksamer Rahmen. Wir führen das auf die Maßnahmen der Beitrag, um die ohnehin geringen Löhne dieser Politik zurück: Die Kurzarbeit ist ein wirksames Personengruppe zu stabilisieren. Der Bund hat Mittel, Arbeitsplätze zu sichern. Wir haben den dafür Ausgleichsabgabe in Höhe von 8,6 Millionen Eindruck, dass die Arbeitgeber bestrebt sind, ihre Euro aus seinen eigenen Mitteln zur Verfügung bewährten Mitarbeiter zu halten. gestellt, die wir dafür verwenden können. 60 von 83 Werkstätten in Baden-Württemberg haben Machen sich die wegen Corona geänderten diese Coronahilfe beim KVJS-Integrationsamt Arbeitsbedingungen bei den Anträgen auf Leis- beantragt. Die Förderung kommt rund 20.000 tungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben Personen zu Gute, die sonst große Einkommens- bemerkbar? einbußen gehabt hätten. Auch hier ist keine signifikante Änderung zu erkennen. Es gibt einzelne Anfragen zum Home- Wie ist die Situation der Inklusionsbetriebe? office von schwerbehinderten Arbeitnehmern. Hier haben wir große Sorgen. Inklusionsbetriebe Mehr nicht. Unsere Leistungen sind aber auch müssen sich am Markt behaupten und sind in nicht dafür gedacht, speziell Pandemiefolgen zu vielen Branchen tätig. Besonders diejenigen, bewältigen. die Hotels und Gaststätten betreiben oder die Catering für Schulen und Kindergärten anbieten, Wie sieht es bei der Ausgleichsabgabe aus? Ist das hat es ganz schwer getroffen. Nur sehr wenige Aufkommen zurückgegangen? Inklusionsbetriebe spüren keine wirtschaftlichen Einige Arbeitgeber haben einen Antrag auf Stun- Folgen. Hier unterstützt das KVJS-Integrationsamt dung der Ausgleichsabgabe gestellt. Doch entge- sehr massiv, damit keine Arbeitsplätze für schwer- gen unseren Befürchtungen erreicht die Höhe der behinderte Menschen verloren gehen. Wir hoffen bei uns eingegangenen Ausgleichsabgabe fast auch auf ein Programm des Bundes, das angekün- den gewohnten Umfang. Das hat natürlich damit digt, aber bisher noch nicht realisiert wurde. zu tun, dass in diesem Jahr die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2019 zu zahlen ist– da war die Welt Die Fragen stellte Monika Kleusch noch in Ordnung. Wir befürchten aber, dass die Einnahmen im kommenden Jahr wegen eines Arbeitsplatzabbaus spürbar zurückgehen werden, denn dann ist 2020 das Bezugsjahr. 4/2020 KVJS aktuell 13
Integration Schneiderin Nadine Feist und Geschäftsführer Daniel Kowalewski von Wasni haben derzeit gut lachen. Foto: Thomas Brenner Mit Erfolg Corona trotzen Zwei Inklusionsunternehmen entwickeln zeitgemäße Geschäftsideen In der Krise hat die kleine Textilmanufaktur WASNI auf Masken umgestellt – mit über- raschend großem Erfolg. Der Metallbetrieb AIZ nutzte mit einem selbst entwickelten Desinfektionsständer die Gunst der Stunde. Schon Anfang März ging bei WASNI der Absatz Überwältigende Resonanz deutlich zurück. Zwei Wochen später kam der Das neue Angebot wurde zunächst nur per „Shutdown“: Auch die kleine Bekleidungsma- Newsletter beworben. Die Resonanz war über- nufaktur musste ihren Laden in der Esslinger wältigend. Innerhalb von zwei Stunden gingen Innenstadt schließen. „Noch am gleichen Tag online so viele Bestellungen ein, wie für das ganze haben wir Kurzarbeit angemeldet“, erinnert sich Wochenende erwartet wurden. „Seitdem machen der Geschäftsführer Daniel Kowalewski. Das war wir Überstunden statt Kurzarbeit! Das war krass, auch der Plan für die nächsten Monate. Doch es damit haben wir nicht gerechnet“, berichtet Daniel sollte anders kommen. Das Team von WASNI hatte Kowalewski immer noch begeistert. WASNI ist das nämlich die Idee, Mund- Nasen-Masken zu nähen. erste Inklusionsunternehmen, das in Deutschland „Das haben wir in einer Hauruckaktion innerhalb Kleidung herstellt. Nur den Stoff aus Biobaum- weniger Tage auf die Beine gestellt.“ wolle kauft der Betrieb ein – den Rest macht das siebenköpfige Mitarbeiterinnenteam selbst: vom Entwurf über das Zuschneiden bis zum Nähen. 14 KVJS aktuell 4/2020
Integration Mittlerweile konzentriert sich der Betrieb vor allem auf sein Hauptgeschäft: Sweatshirts, Kapu- zenpullover – sogenannte Hoodies – und Jacken. Mit dem „WASNI-Konfigurator“ im Onlineshop können sich Kunden ihr individuelles Exemplar kreieren. „Dass wir den Onlineshop haben, das ist unser Glück!“, sagt Daniel Kowalewski, der das Bis hin zur Verpackung selbst entwickelt: Der Desinfektionsspender der AIZ. Foto: AIZ Inklusionsunternehmen 2015 mit Unterstützung des KVJS-Integrationsamtes gegründet hat. Die schwäbischen Tüftler Als sich um die Faschingszeit herum „Dadurch erzielen wir eine sehr das neuartige Coronavirus immer hohe Wertschöpfung“, erklärt stärker ausbreitete, haben viele Einrich- AIZ- Geschäftsführer Holger Klein. tungen zusätzliche Hygienemaßnah- Denn der „Desi2go“ wird nicht nur men wie die Desinfektion der Hände für den Eigenbedarf produziert, eingeführt. Auch in den Werkstätten und sondern inzwischen auch tausend- Betrieben der Stiftung Lebenshilfe fach in ganz Deutschland vertrie- Zollernalb in Baden-Württemberg. Dort ben. Über den wirtschaftlichen stellte man sich die Frage: Desinfektions- Erfolg freuen sich nicht zuletzt die ständer kaufen oder selbst bauen? 52 Beschäftigten von AIZ, mit und ohne Behinderung, deren Arbeits- Der Ehrgeiz von Daniel Gonser, Betriebs- platz auch in Corona-Krisenzeiten leiter beim Inklusionsunternehmen AIZ gesichert ist. „Dies war nur mög- gGmbH, war geweckt. In schwäbischer lich, weil wir in den zurückliegen- Tüftlermanier wurde umgehend mit den Jahren gezielt Kompetenzen der Konstruktion begonnen. Schon eine aufgebaut und neue Technologien Woche später ging die Produktion in Serie. eingeführt haben“, ist sich Holger Klein sicher. „Beides hat das KVJS- Bei AIZ werden die einzelnen Bauteile aus Integrationsamt vorbildlich unter- Edelstahl im Laserverfahren geschnitten, stützt und damit die Voraussetzun- weiterverarbeitet und die Verpackungs- gen geschaffen.“ materialien hergestellt. Die restlichen Arbeitsschritte übernehmen andere Autor Elly Lämmlen Betriebe und Werkstätten innerhalb der Lebenshilfe Zollernalb. 4/2020 KVJS aktuell 15
Integration Oftersheim verwaltet inklusiv Ein beispielhaft behindertenfreundlicher Arbeitgeber „Immer mittendrin“ – so stellt sich Oftersheim auf seiner Homepage vor. Ob Bauhof oder Bücherei: Immer mittendrin sind auch die Mitarbeiter mit Behinderungen der Gemeindeverwaltung. Für Bürgermeister Jens Gemeinsam stark Geiß ist es mehr als Dass in der Oftersheimer Verwaltung bei der eine Pflichtaufgabe: Beschäftigung von Mitarbeitern mit Handicap „Die Rathausverwal- alles rund läuft, hat auch damit zu tun, dass die tung ist seit Jahren ein Schwerbehindertenvertretung regelmäßig mit behindertenfreundli- einbezogen wird. „Die Zusammenarbeit zwischen cher Arbeitgeber. Die Verwaltung, Bürgermeister und der Schwerbe- Quote der schwerbe- hindertenvertretung ist wirklich gut, wir kom- hinderten Mitarbeiter munizieren auf Augenhöhe“, erklärt Michael liegt mit 12,22 Prozent Fischer, Vorsitzender deutlich über dem der Schwerbehinder- Bürgermeister Jens Geiß geforderten Pflicht- tenvertretung und wert, darauf können Gesamtpersonalrats- wir stolz sein. Das zeigt, behindertenfreundliches vorsitzender. „Wir Arbeiten ist bei uns möglich und funktioniert werden regelmäßig auch.“ vom Personalamt infor- miert, der Austausch In Oftersheim versucht man auch stärker einge- ist lobenswert. Die schränkte, bewährte Mitarbeiter zu halten. Bera- Verzahnung von allen ten und unterstützt wird die Gemeindeverwaltung Beteiligten funktio- dabei vom KVJS-Integrationsamt und seinen niert, man spricht sich Michael Fischer Fachdiensten wie dem Integrationsfachdienst ab und berät sich.“ oder dem Technischen Beratungsdienst. Die gute Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber „Egal welche Einschränkungen bestehen, gemein- und Schwerbehindertenvertretung ist eines der sam versuchen wir Lösungen zu finden“, erklärt Kriterien für die Auszeichnung als beispielhaft Bürgermeister Geiß. „Einer körperlich einge- behindertenfreundlicher Arbeitgeber durch schränkten Mitarbeiterin in der Bücherei fällt das den KVJS. Unter anderem. Die weit übertroffene Tragen schwer, wir haben ihr eine Aushilfskraft mit gesetzliche Pflichtquote für schwerbehinderte Hilfe des Integrationsamtes zur Seite gestellt.“ Für Beschäftigte und die Bereitschaft, auch stärker zwei schwerbehinderte Mitarbeiter des Bauhofs eingeschränkte Mitarbeiter zu beschäftigen, tra- wurden mit Förderung des KVJS-Integrationsam- gen zum positiven Gesamtbild bei. tes spezielle Fahrzeuge angeschafft. Nun sind sie wieder voll einsatzfähig. 16 KVJS aktuell 4/2020
Integration Inklusive Verwaltung. Eines der geförderten Fahrzeuge. Fotos: Gemeindeverwaltung Oftersheim Karl-Friedrich Ernst, Leiter des KVJS-Integrati- Dabei ist das Geheimnis des Erfolgs eigentlich kei- onsamtes, über den Preisträger Oftersheim: „Das nes: „Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Inklusion Bürgermeisteramt Oftersheim ist ein vorbildlicher liegt bei der individuellen Anpassung von Arbeits- behindertenfreundlicher Arbeitgeber im Bereich platz und Arbeitsumfeld“, erklärt Bürgermeister der Öffentlichen Verwaltung, der aufgrund seines Jens Geiß. „Ich kann nur dafür werben, sich aktiv großen sozialen Engagements seine Vorbildfunk- mit Inklusion und Integration zu beschäftigen – tion in herausragender Weise wahrnimmt.“ die Dankbarkeit, die man hier erleben kann, ist auf vielen Ebenen mehr als zufriedenstellend.“ Autor Monika Kleusch Nicht im Regen stehen lassen Lohnsicherung für Beschäftigte der Werkstätten für behinderte Menschen Auch die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) haben unter den Auswirkungen der Coronakrise gelitten. Doch die Menschen mit Behinderungen, die in den Werkstätten arbeiten, haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Daher subventioniert das KVJS- Integrationsamt im Auftrag des Bundes nun ihre Löhne. Zahlreiche Werkstätten für behinderte Menschen die Werkstätten für behinderte Menschen die (WfbM) mussten in der Zeit des Lockdowns Lohn-Unterstützung für ihre Mitarbeiter bean- coronabedingt ihre Beschäftigten nach Hause tragen. Vier Wochen nach Ende der Antragsfrist schicken, was bei diesen zu erheblichen Lohnein- verschickte das KVJS-Integrationsamt bereits die bußen führte. Denn anders als Arbeitnehmer auf Zuwendungsbescheide. dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekommen sie kein Kurzarbeitergeld. Der Bund hat deshalb Mit- „Die eingesetzten Mittel sind ein wirksamer tel zur Verfügung gestellt, um die Lohnkürzungen Beitrag, um die ohnehin geringen Löhne dieser abzumildern. Für Baden-Württemberg sind dies Personengruppe zu stabilisieren“, sagt Berthold 8,6 Millionen Euro. Deusch, beim KVJS für das Programm zuständig. „Den Menschen mit Behinderung stehen für ihre Betroffen sind in Baden-Württemberg über 28.000 Tätigkeit normalerweise im Durchschnitt cirka Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten 240 Euro im Monat zur Verfügung. Mit den jetzt arbeiten. 60 von den 83 WfbM‘s im Land, in denen eingesetzten Mitteln konnten wir erreichen, dass rund 20.000 Menschen arbeiten, hatten die Lohn- rund 80 Prozent des Werkstatt-Lohns erhalten unterstützung für ihre Mitarbeiter beantragt. bleiben“. Verteilt wird dieses Geld durch das KVJS-Integra- Autor Monika Kleusch tionsamt. Vom 1. bis zum 31. August konnten 4/2020 KVJS aktuell 17
Integration Neue Info-App für Schwerbehindertenvertretungen Mit der neuen Web-App „SBV aktiv“ sind Browsern können Darstellung und Funktionsum- Schwerbehindertenvertretungen fang eingeschränkt sein. Grundsätzlich ist die App jetzt stets gut informiert. Sie steht ohne Registrierung zugänglich. Mit der Registrie- ab sofort kostenlos zum Herun- rung kann die App auf die persönlichen Bedürf- terladen zur Verfügung. nisse angepasst werden mit eigenen Listen und Notizfunktion. „SBV aktiv“ bietet neben allen Autor Monika Kleusch 350 Stich- worten aus dem ABC ©Production Perig - stock.adobe.com Fachlexikon viele zusätzliche Informationen über die App gibt es auch in Funktionen, eine Feedback-Möglichkeit sowie Deutscher Gebärdensprache. Videos geben Erklärvideos zu wichtigen Inhalten. Auf der einen Einblick in Inhalt und Funktionen der App Startseite kommt man direkt zum Lexikon und zu „SBV aktiv“ und führen durch die Navigation. weiteren Anwendungen wie dem „Leistungs-NAVI“ und dem „Wahl-NAVI“. Hier geht es zur App: https://sbvaktiv.integrationsaemter.de Die barrierefreie Web-App kann mit allen moder- Hier geht es zum Erklärfilm: nen Browsern genutzt werden: am PC, auf dem https://youtu.be/Iusmk-6EL-g Tablet oder mit dem Smartphone. Bei älteren Neuer Referatsleiter in Karlsruhe Marco Hirsch ist neuer Leiter des Referats Kündi- Verwaltung Bereiche gungsschutz und Begleitende Hilfen in Karlsruhe. findet, in denen man Bereits seit 2017 war er stellvertretender Leiter des so viel gestalten kann. Referates. Marco Hirsch studierte an der Verwal- Unser Job ist es, Prob- tungshochschule in Kehl und kam nach seinem leme und Konflikte in Abschluss als Verwaltungsfachwirt 1999 zum den Betrieben zu lösen. damaligen Landeswohlfahrtsverband Baden in die Das geht nicht allein Zweigstelle Freiburg. „Ich wohne zwischen Frei- mit Geld.“ Zur aktuel- burg und Karlsruhe und habe auch nach meinem len Corona-Krise sagt Wechsel nach Karlsruhe immer wieder in Freiburg Hirsch: „Wir sind froh, ausgeholfen“, erklärt der erfahrene Praktiker. dass wir in Karlsruhe als Marco Hirsch, Foto: Monika Kleusch Dadurch hat er einen guten Überblick über den Erste im KVJS die E-Akte gesamten badischen Teil des Verbandsgebietes. eingeführt haben. Das hat die Arbeit im Homeof- fice sehr erleichtert. Wir bleiben in den Betrieben Die Arbeit im KVJS-Integrationsamt betrachtet präsent, müssen aber jeden Besuch abwägen.“ Hirsch als spannende Herausforderung: „Man muss lange suchen, bis man in der öffentlichen Autor Monika Kleusch 18 KVJS aktuell 4/2020
Jugend Alle Kinder dürfen wieder in die KiTa. Foto: Gabriele Addow Alle Kinder sind zurück Neue Pandemieregeln sollen die Qualität in der Kindertagesbetreuung sichern Seit Ende Juni sind die Kindertageseinrichtungen wieder als Regelbetrieb unter Pande- miebedingungen geöffnet. Hierfür gibt es neue Bestimmungen, die bis zum Ende des Kindergartenjahres 2020/2021 gelten sollen. Trotz pandemiebedingt eingeschränkter personel- Kommunale Landesverbände, kirchliche und freie ler Ressourcen sollen die Regelungen zur besseren Trägerverbände sowie der KVJS haben gemeinsame Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen und Orientierungshinweise zu den gesetzlichen Vorga- auch unter erschwerten Bedingungen wieder für ben entwickelt. „Wichtig war allen Beteiligten, dass alle Kinder eine qualifizierte Kindertagesbetreuung sie einfach, schnell und unbürokratisch umsetzbar ermöglichen. sind. Das ist gelungen“, zieht Evelyn Samara vom KVJS-Landesjugendamt Bilanz. „Damit der Regel- Die Regeln bringen aktuell und voraussichtlich betrieb funktioniert, begleiten wir die Umsetzung auch im Kindergartenjahr (Stand: 19.10.2020) intensiv mit entsprechenden Beratungsangeboten.“ die nötige Handlungssicherheit und Transparenz für alle beteiligten Stellen, vor allem aber für Autor Gabriele Addow die Kinder und deren Eltern. Kultusministerium, Die aktuellen Regelungen auf einen Blick: • Der Betrieb von Teilen der Einrichtung ist in • Die Träger können den Mindestpersonalschlüs- anderen als den im Antrag auf Erteilung der sel bei pandemiebedingten Personalausfällen Betriebserlaubnis genannten Räumen zulässig, um bis zu 20 Prozent unterschreiten, sofern die sofern der Träger gegenüber dem KVJS erklärt, Wahrnehmung der Aufsichtspflicht dennoch dass von den baulichen Gegebenheiten und der uneingeschränkt möglich ist. Wird die Mindest- Ausstattung keine Gefährdungen für die Kinder personalzahl um mehr als 20 Prozent unterschrit- ausgehen. ten, ist insoweit Ersatz durch eine geeignete • Die gemeinsamen Schutzhinweise des KVJS, Betreuungs- und Erziehungsperson erforderlich. der Unfallkasse Baden-Württemberg und des • Die Unterschreitung des Mindestpersonalschlüs- Landesgesundheitsamts für die Betreuung in sels ist dem KVJS anzuzeigen. Darüber hinaus Kindertagespflege und Kindertageseinrichtun- kann mit Zustimmung des KVJS von den Höchst- gen (www.kvjs.de/jugend/kindertageseinrich- gruppengrößen abgewichen werden. tungen/aktuelle-gesetzliche-vorgaben-und- empfehlungen/#c26613) sind während der Corona-Pandemie umzusetzen. 4/2020 KVJS aktuell 19
Jugend Schwanger? Finger weg vom Alkohol! FASD-Hilfe Stuttgart informiert und klärt auf In Deutschland kommen jedes Jahr etwa 10.000 Babys mit dem fetalen Alkoholsyndrom (FASD) auf die Welt. Sie sind ein Leben lang körperlich, seelisch oder geistig schwerbehindert. Wie diesen Kindern und ihren Angehörigen geholfen werden kann, erprobt die FAZIT Gesellschaft für lösungs- orientierte Jugendhilfe mbH in Stuttgart in einem dreijährigen vom KVJS geförder- ten Modellvorhaben. Hierzu ein Interview mit Erziehungsleiterin Christiane Schute. Frau Schute, viele Frauen trinken in der Schwan- waren damals schon mit dem KVJS in Kontakt, gerschaft, weil sie nicht wissen, dass ihr Baby mit 2017 startete dann das Modellvorhaben. Schädigungen zur Welt kommen kann. Seit wann begleitet Sie dieses Thema? Was will FAZIT mit dem Modellvorhaben erreichen? Schon seit nunmehr über zehn Jahren. FAZIT Unser Ziel ist es, durch präventive Projekte, bietet ein breites Leistungsspektrum für Kinder, Öffentlichkeitsarbeit und direkte und umfassende Jugendliche, junge Volljährige und deren Familien. Beratung von Betroffenen, Angehörigen und Fach- Das reicht von ambulanten sozialpädagogischen kräften über das FASD zu informieren und aufzu- Angeboten bis hin zu unterschiedlich ausgestal- klären. Es ist uns ein wesentliches Anliegen, die teten stationären Maßnahmen. Kolleginnen und Nöte von Menschen mit FASD zu verstehen und Kollegen haben mir damals von Kindern und für sie oder mit ihnen Perspektiven zu entwickeln. Jugendlichen berich- tet, die trotz intensiver Welche Hilfsmöglichkeiten und Strategien bieten Förderung und Beglei- Sie an, mit FASD umzugehen? tung immer wieder Was die Prävention angeht, sind das insbesondere an die Grenzen ihrer Vorträge, Supervisionsgruppen, Pressemitteilun- Möglichkeiten stoßen. gen, Workshops, Arbeitskreise und Kooperati- So bin ich auf FASD onsgespräche in den Bereichen Medizin, Soziale aufmerksam geworden. Arbeit und Selbsthilfegruppen. In unserer Bera- Später habe ich eine tung geht es uns darum, die Menschen dabei zu Zusatzqualifikation als unterstützen, sich zu orientieren und die beste- FASD-Beraterin absol- hende Situation vor dem Hintergrund des neuen viert und damit begon- Wissens einordnen zu können. Auch während der nen, Eltern zu beraten, Diagnostik steht FAZIT als Ansprechpartner zur deren Kinder stationär Verfügung. untergebracht sind. Ihre bisher wichtigsten Erkenntnisse? 2015 hat unser Team Betroffene und Helfer fühlen sich durch die Bera- eine Konzeption für tung und Unterstützung deutlich entlastet, sie FASD-Wohngruppen fühlen sich motivierter und arbeiten an gemein- erarbeitet, die aber samen Zukunftsperspektiven. Auch werden die aus verschiedenen Eltern bei weitem nicht mehr in diesem Ausmaß Christiane Schute von der FASD-Hilfe Stuttgart Gründen leider nicht stigmatisiert wie früher, als ihnen die Verhaltens Foto: Gabriele Addow umgesetzt wurde. Wir auffälligkeiten ihrer Kinder als Erziehungsfehler 20 KVJS aktuell 4/2020
Jugend Der fatale Griff zur Flasche Alle Formen vorgeburtlicher Schädigungen durch mütterlichen Alko- holkonsum während der Schwangerschaft werden unter dem Begriff FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorder) zusammengefasst. FASD kann sich in seiner Ausprägung sehr unterschiedlich darstellen, was die Diagnostik erschwert. Merkmale sind Minderwuchs, Störungen des zentralen Nervensystems, typische Gesichtsmerkmale, Lern- und Verhaltensauffälligkeiten sowie psychische und physische Beeinträch- tigungen. Die größten Probleme von Kindern mit FASD liegen oft in der Bewäl- tigung des Alltags. Ein normales Leben in der Gesellschaft ist nur den wenigsten Jugendlichen und Erwachsenen mit FASD möglich. Intensive Begleitungen, Beratungen und Entlastungen des Helfersystems können dazu beitragen, die Kinder in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Abschlussbericht des Modellvorhabens „FASD-Hilfe“ Foto: Gabriele Addow Am 18. Mai 2021 werden die Ergebnisse und der Abschlussbericht des Modellvorhabens „FASD-Hilfe“ auf einer Veranstaltung des KVJS in Gültstein präsentiert. angekreidet wurden bis hin zu der Drohung, sie aus der Familie herauszunehmen. Zur Homepage von FAZIT geht es hier: https://fazit-jugendhilfe.de/ Aber: Es braucht dringend mehr Diagnostiker in Baden-Württemberg und es braucht noch sehr viel mehr Aufklärung auf allen Ebenen. Jugendämter, Innovative Jugendhilfe Eingliederungshilfe, gesetzliche Betreuer, Justiz, Auf den ständigen Wandel der Lebenslagen Krankenversicherung, Versorgungsämter, Betreu- junger Menschen und ihrer Familien muss ungsgerichte und Pflegedienste brauchen Wissen, die Jugendhilfe mit neuen Angeboten und Verstehen und Handlungsideen. Methoden reagieren. „Gefragt sind innovative und effektive Angebotsformen und Hilfen, Der KVJS fördert das Projekt noch bis März 2021. die Eltern, Kinder und Jugendliche sowie das Wie geht es danach weiter? Gemeinwesen einbeziehen“, sagt Ulrike Gfrörer Fest steht, dass wir auf jeden Fall an einem Tag vom KVJS-Landesjugendamt. in der Woche mit unserer FASD-Hilfe weiter- machen werden. Leider können wir auf keinen Das KVJS-Landesjugendamt unterstützt des- Finanzierungstopf zugreifen, so dass über dieses halb Modellprojekte zur Weiterentwicklung begrenzte Angebot hinaus derzeit noch keine der Jugendhilfe. Die Förderung ist auf grö- weiteren Planungen möglich sind. ßere Vorhaben mit überregionaler Bedeutung beschränkt. Weitere Infos im Internet unter Die Fragen stellte Gabriele Addow www.kvjs.de/jugend/modellvorhaben 4/2020 KVJS aktuell 21
Forschung Unterstütztes Wohnen fördert psychische Stabilität Forschungsprojekt belegt Wirksamkeit von Wohnangeboten der Sozialpsychiatrie Das Bundesteilhabegesetz erfordert von den Stadt- und Landkreisen, die Wirksamkeit von Unterstützungsleistungen noch stärker in den Blick zu nehmen. Das KVJS-Forschungs- vorhaben WieWohnen-BW liefert dazu zentrale empirische Erkenntnisse. Im Bereich des unterstützten Wohnens für Men- Unterstützte Wohnformen helfen schen mit seelischer Behinderung war die Wirk- Die Ergebnisse aus dem Forschungsvorhaben zei- samkeit von Angeboten bisher kaum erforscht. gen, dass personenzentrierte und flexibel ausge- Der KVJS hat daher in Kooperation mit der Univer- staltete Angebote wirksam sind: Das Forschungs- sität Ulm ein darauf abzielendes Forschungsvor- vorhaben identifizierte messbare positive Effekte haben umgesetzt. An den Untersuchungen, die im des unterstützen Wohnens bei der Mehrzahl der Frühjahr 2020 abgeschlossen wurden, beteiligten teilnehmenden Menschen mit seelischer Behinde- sich die Stadt Heidelberg, der Rhein-Neckar-Kreis, rung. Im Gesamtergebnis ließ sich zudem fest- der Landkreis Ravensburg sowie der Bodensee- stellen, dass sich die meisten Personen im Verlauf kreis. der Untersuchung psychisch stabilisieren konnten und die Angebotsformen als hilfreich bewertet Neben einer Analyse zu bestehenden Leis- wurden. tungsangeboten und den Personen, die sie in Anspruch nehmen, zeigte eine Verlaufsstudie, Video mit zentralen Ergebnissen wie unterstütztes Wohnen wirkt. Diese wurde In einem Video hat der KVJS konkrete Ergebnisse mit Neueinsteigern in unterstützte Wohnformen und zentrale Erkenntnisse aus dem Forschungs- und Wohnformwechslern umgesetzt. Ein weite- projekt zusammengefasst. Es beinhaltet State- res Teilprojekt nahm die Frage in den Blick, was ments der Forscher Professor Tilman Steinert und beim unterstützten Wohnen wirkt. Um relevante Dr. Susanne Jaeger sowie des KVJS-Projektleiters Kriterien innerhalb der Angebote identifizieren Dr. Gerrit Grünes. zu können, wurden Interviews mit Experten aus den Bereichen Sozialplanung und Teilhabema- Rufen Sie das Video auf dem KVJS- nagement durchgeführt. Ebenfalls befragt wurden Youtube-Kanal „KVJS Medien“ ab Betroffene sowie Mitarbeitende in betreuenden www.youtube.com/ Einrichtungen. watch?v=PWVPpabwH2o Die Ergebnisse stehen den Stadt- und Landkreisen mit dem Abschlussbericht und als Handreichung zur Verfügung. Diese sollen empirisch begründete Mehr Infos zum KVJS-Forschungsvorhaben Qualitätsstandards für Angebote liefern und die „Wirksamkeit verschiedener Formen des unter- Kreise dabei unterstützen, Transparenz und Ver- stützten Wohnens für Menschen mit seelischer gleichbarkeit zu schaffen. Behinderung im Rahmen der Eingliederungs- hilfe in Baden-Württemberg“ finden Sie unter Autor Julia Holzwarth www.kvjs.de/forschung/aktuelle- forschungsvorhaben/unterstuetztes-wohnen/ 22 KVJS aktuell 4/2020
Forschung Kzenon – www.istockphoto.com Fokus auf die Kurzzeitpflege Neues KVJS-Forschungsvorhaben entwickelt neue Ideen Kurzzeitpflege soll einen wesentlichen Beitrag zur häuslichen Pflege leisten. Doch das Ange- bot ist knapp, die Suche nach einem Platz oft schwierig. Das neue KVJS-Forschungsvorhaben will Lösungen zu Ausbau und Weiterentwicklung der Kurzzeitpflege in Baden-Württemberg suchen. Dazu ein Gespräch mit der Projektleiterin Bettina Ghiorghita Frau Ghiorghita, welche Notwendigkeit besteht für nahe Versorgung sei in den meisten F ällen nicht ein Forschungsvorhaben zur Kurzzeitpflege? Wo möglich. liegen die Probleme? In den letzten Jahren hat die Nutzung von Kurz- Kurzzeitpflege wird in den Einrichtungen häufig zeitpflege zugenommen. Unabhängig von den als eingestreute Kurzzeitpflege vorgehalten. Diese steigenden Nutzerzahlen in der Pflegestatistik Plätze können sowohl für die Dauer- als auch für wird uns bei Fachgesprächen im Rahmen der Seni- die Kurzzeitpflege genutzt werden. Bei entspre- orenplanungen der Stadt- und Landkreise bestä- chender Nachfrage wird einer Dauerbelegung tigt, dass es nicht genügend Plätze gibt. Die Suche üblicherweise der Vorzug gegeben. Es fehlen vor nach einem Kurzzeitpflegeplatz wird als beson- allem Plätze, die ausschließlich für die Kurzzeit- ders herausfordernd beschrieben. Eine wohnort- pflege zur Verfügung stehen. 4/2020 KVJS aktuell 23
Forschung Welche Zielrichtung verfolgt das neue Forschungs- vorhaben? Das Forschungsprojekt soll Anregungen und Empfehlungen zum Ausbau und zur Weiterent- wicklung der Kurzzeitpflege in Baden-Württem- berg geben. Ziel sollte sein, die Kurzzeitpflege in Baden-Württemberg so auszugestalten und weiterzuentwickeln, dass die häusliche Pflege dadurch gestärkt wird. Was genau soll jetzt untersucht werden? Zu Beginn des Forschungsvorhabens soll der aktu- elle Stand der fachlichen Diskussion zur Kurzzeit- pflege kurz skizziert und die vorhandenen Ange- bote in Baden-Württemberg dargestellt werden. Dies stellt die Grundlage für den Ausbau und eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Kurzzeit- pflege dar. Dabei werden wir auf die regionalen Besonderheiten eingehen. Am Ende sollen vor allem Empfehlungen zum Ausbau und zur Weiter- entwicklung der Kurzzeitpflege stehen. Wie sieht der Zeitrahmen aus? Das Forschungsvorhaben zur Kurzzeitpflege wird voraussichtlich gegen Ende des Jahres starten. Als Projektzeitraum sind 24 Monate vorgesehen. Was sind jetzt die ersten Schritte? Die möglichen Partnerhochschulen werden sich Bettina Ghiorghita ist stellvertretende Leiterin des Referats Pflege und Alter. Foto: Monika Kleusch demnächst im KVJS vorstellen. Danach wird der KVJS entscheiden, welche Hochschule mit dem Forschungsprojekt beauftragt wird. Diese wird das Hat da niemand genauere Zahlen? Forschungsdesign entwickeln und um Partner für Das Ministerium für Soziales und Integration hat die wissenschaftlich Erhebung werben. Es sollen im Jahr 2017 das Aktionsbündnis Kurzzeitpflege die Stadt- und Landkreise befragt werden, sowie ins Leben gerufen. Hierbei wurde für Baden-Würt- die Pflegekassen und Einrichtungsträger. Die temberg eine Versorgungslücke in der Kurzzeit- KVJS-Forschung soll der Praxis – und hierbei ins- pflege festgestellt. Es gelang jedoch nicht, die besondere den Stadt- und Landkreisen – zugute- Nachfrage zu quantifizieren. kommen. Daher ist sie auch praxisnah konzipiert. Eine Recherche des KVJS ergab, dass es bundes- Die Fragen stellte Monika Kleusch weit nur vereinzelt Studien zur Kurzzeitpflege gibt. Weder ist bekannt, wie viele Angebote es aktuell und zukünftig braucht, noch wie viele Menschen einen Platz in der Kurzzeitpflege suchen und nicht finden. 24 KVJS aktuell 4/2020
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