MITTEILUNGEN WEIHNACHTEN 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
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Liebe Leserinnen, liebe Leser, dieses Heft und damit auch dieses Editorial sind im Herbst entstanden, in der Zeitspanne zwischen Michaeli und Weihnachten. In einer Zeit, in einem Jahr, in dem wohl mehr denn je vor uns als Anthroposophischer Gesellschaft und letztlich doch vor allen Men- schen die Frage nach neuen Begegnungsformen steht. Begegnungsformen, die die derzeit prägende Sicht überwinden, dass wir Menschen uns gegenseitig gefährden. Räume der Begegnung, die das Aufhalten an der Oberfläche nicht mehr dulden mögen, die die Suche nach dem Wesentlichen ermöglichen. Gemeinsam nach Wahrheit und Wirklichkeitsver- ständnis strebend im offenen Gespräch, jenseits der Aufspaltung von „richtig oder falsch“. Begegnungsräume, die die Verschiebung unserer Schwerpunkte befördern hin zur inneren und damit zur äußeren Transformation. Ein Michael-Fest als INHALT sozial-künstlerischer Akt 4 Auch der Rückzug der Natur im Herbst öffnet neue Räume. Die Empfindungskraft für Zukunftsperspektiven 8 die Sphäre der Verstorbenen beginnt sich im Übergang vom Oktober zum November zu Karma-Erkenntnis – eine individuelle weiten, wenn man sich dafür zu sensibilisieren vermag. Die von uns Gegangenen leiten und eine Menschheitsaufgabe 11 uns hinüber zum Advent, dem Empfindungsraum für das Ungeborene, hin zur Erwartung Gestaltungswille für die AGiD 14 der Geburt. Aus diesem dreifachen Zusammenklang gilt es, dem nachzuspüren, was heute in dieser Tiefwinterzeit individuell geboren werden will. Was sind die Bausteine für das Weihnachten 16 Neue? Es gibt immer Wege und Möglichkeiten, weitere Potenziale freizulegen und uns Erkenntnisgrenzen und darin wechselseitig zu befördern und zu bestärken. persönliche Grenzen 18 In diesem Sinne wünschen wir eine lichtvolle Weihnacht und viele gute Bausteine für das Forschungsforum Spirituelle Ökologie 22 neue Jahr. Anpassung der Beiträge 24 Für die Redaktion, Monika Elbert Innere und äußere Begegnungen – Weiterbildung und Konferenz der Vermittler 26 Berichte aus den Zweigen 28 Einladung zu einer Konferenz 31 Bestand hat nur der Wandel Die Künstlerin Martha Materna baute nach der Rückkehr von einer Reise durch Mali mit einem sehr existenziellen Grenzerlebnis ein Lehmhaus in der Kunsthalle Kleinschönach. In, um und auf dem Ge- Impressum: ›Mitteilungen‹ der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland e. V., bäude, mit einer Fläche von 2 m x 2 m und 2,20 m Höhe, fanden verschiedenste künstlerische Aktionen Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart mit Klang, Sprache und Bewegung statt. In der Folgezeit erfuhr das Lehmhaus mehrere Verwandlungen. Redaktion: Arbeitskollegium der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland e. V. Zunächst wurde es zum Blauen Haus, später nach dem Abbau auferstand es als Wand mit schmalem Verantwortlich: Monika Elbert, Tel. 0171-7980610, anthroposophie@mercurial.de Durchgang in dem langen Flur der Kunsthalle. Die Künstlerin war in diesem Schritt stark inspiriert Grafische Gestaltung: Sabine Gasser • Gestaltung, Hamburg durch das Johannes-Evangelium Kap. 10, 9: «Ich Bin die Türe. Wer durch mich den Zugang findet, dem Titel: Martha Materna, Rauminstallation Kunsthalle Kleinschönach, Foto: Wolf Lang wird das Heil zuteil. Er lernt die Schwelle zu überschreiten von hier nach dort und von dort nach hier …». Adressverwaltung: leserservice@mercurial.de Die trennende Wand und verbindende Öffnung als Schwelle wurde durch verschiedene Kunstaktionen Versand mit der Vierteljahrsschrift „Anthroposophie“ an alle Mitglieder befragt, belebt und innerlich von vielen Menschen bewegt. Schließlich wurde die Wand abgebaut und der Digital auf der Internetseite der AGiD unter „Publikationen“ Erde vor der Kunsthalle Kleinschönach als Terrassenbefestigung zurückgegeben. 2 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 3
Rückblick auf einen Versuch, der gewagt werden wollte Ein Michael-Fest als sozial-künstlerischer Akt Es war das Ansinnen, mit allen, die teilneh- ge dazwischen gestalteten sich aus freier Initia- men wollten, letztlich waren es dann um die tive der Beteiligten. War es gelungen? Wer mag 80 Menschen, gemeinsam ein Michael-Fest das beurteilen? Bei den breitgefächerten Bei- zu gestalten, ohne im Vorfeld die Elemente trägen war eine sehr festlich-ernste Stimmung oder Inhalte festgelegt zu haben. „Situativ und aufgekommen. Der vorgesehene Zeitrahmen kreativ“ lautete die Überschrift. Teilnahme- wurde deutlich überdehnt und dennoch konn- bedingung war einzig die vorbereitende Aus- ten nicht mehr alle Beiträge Platz finden, man- einandersetzung mit der Frage: Was verbinde che wurden auf den Folgetag verschoben. ich mit der Wesenheit Michaels? Welche Be- deutung hat sie für mich persönlich? Aus die- Nach dem Festabend war am Sonntagmorgen ser Beschäftigung sollte ein schriftlich formu- Zeit für zwei spannende inhaltliche Beiträge lierter Michael-Gedanke mitgebracht werden. mit einer Blickweitung in den europäischen Diese Zeilen bildeten die Grundlage für ver- Raum. Wolfgang Tomaschitz (Generalsekre- schiedenste inhaltliche Arbeitsschritte: In klei- tär aus Österreich) beschrieb, wie michaelische ner Gruppe zu vertiefen, in größerer Gruppe Zeitgeist-Wirkkraft sich in unserer gesamt- zu erarbeiten, in künstlerischen Gruppen ge- gesellschaftlichen Kultur auf verschiedensten meinsam zu gestalten. Das Gesamtgeschehen Ebenen beobachten und entwickeln lasse, und die Arbeitsprozesse wurden umrahmt und trotz vieler widriger Kräfte und Ereignisse. Ins getragen von musikalischen Improvisationen Verhältnis dazu stellte er die wachsende sozial- mit ganz unterschiedlichen Klanginstrumen- ökologische Bewegung und den ihr innewoh- ten und Musikern, die für die Suche nach neu- nenden Veränderungswillen sowie die anth- en musikalischen Wegen stehen. In künstleri- roposophische Bewegung. Im engeren Sinne schen Gruppen ging es darum, Ohr und Herz nahm er Bezug auf die als Michaelschüler sich für neue Räume zu öffnen und eigene Gestal- verstehenden Menschen im Sinne der Freien tungskraft in das Gemeinsame einzubringen. Hochschule für Geisteswissenschaft. © Hermann Aleff Das Ganze zielte dahin, aus dem seit Freitag- Rik ten Kate (Generalsekretär in den Nieder- abend gemeinsam Erarbeiteten am Samstag- landen) gab Einblick in die holländischen Be- abend eine Feier zu gestalten. Lediglich die mühungen um ein Michael-Fest. Er zeigte auf, künstlerische Eröffnung und der Abschluss wie im Umfeld der Anthroposophie im Um- waren angelegt. Der Raum und die Reihenfol- gang mit Geldprozessen neue Sozialformen Dünnschliff schwarzer Turmalin aus Sambia (Foto von Hermann Aleff ) 4 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 5
sich im öffentlichen Kulturgeschehen etablie- So wie wir die Tagung mit einem mitgebrach- Lichte mit goldenen Kräften – freilassende Ein weltoffenes Fest mit Werkstattcharakter. ren. Beide Beiträge weiteten den Horizont hin ten schriftlichen Beitrag eröffnet hatten, so Tagung. Jeder Einzelne hat seinen Teil in das Es wurde zu einer wundervollen Begegnungs- zu einer verabredeten Aufgabe, im Jahr 2024 haben wir zum Ausklang am Sonntag viele Gesamtwerk gegossen. Danke! möglichkeit unter den Menschen. in Dornach unter der Beteiligung mehrerer Stimmen in Form von kleinen schriftlichen Länder und Kontinente ein Michael-Fest zu Beiträgen eingefangen und werden somit hier Was mich im Vorfeld angezogen hat: Das Berührt hat mich die Intensität der Mitgestal- gestalten. Wolfgang Tomaschitz, Rik ten Kate die Teilnehmer selbst sprechen lassen. Aufgefordertsein, mit eigenen Gedanken und tung, jeder hatte sich eingebracht. Das Indi- und Michael Schmock gehören zur Prozess- Fragestellungen zu kommen. Viel Aktivität viduelle wurde Gemeinschaftswerk. Ein Mi- Monika Elbert, Markdorf am Bodensee, Mitglied des Gestaltungsgruppe. So war das Michael-Fest Arbeitskollegiums der AGiD. der Teilnehmer einzubringen, ist ein positives chael-Zukunfts-Geschehen. in München auch ein Auftakt zu einem erwei- Erlebnis für diese Art von Tagungsgestaltung terten Vorhaben in drei Jahren. geworden. Berührt haben mich die vielen beitragenden Menschen, die vielen Momente des Lauschens, Ein wunderbares Fest. Ich habe das freilassen- die Tatsache, dass jeder einbezogen war durch Rückmeldungen der Teilnehmer/-innen de Element im Ablauf staunend erlebt. Auch seinen mitgebrachten schriftlichen Beitrag, der die Offenheit aller und im Miteinander. Die dann in den Gesprächsgruppen aufgegriffen Allein die Begegnung für sich gesehen, in dem Besonders die individuell zusammengetrof- Gesprächsgruppen im Großen oder zu dritt. und zur Grundlage wurde. Anspruch eines Michaelfestes, in der Auffor- fenen Kleingruppen stellten für mich einen Die künstlerischen Gruppen und ihre Präsen- derung, mittätig und aufgerufen zu sein zum enormen Austausch und ein Eintauchen dar. tation haben eine gute Entschleunigung mit Schön war die Mischung von Gruppen: Ge- Sich-Zeigen, war sehr sehr gut. Die Musik in Dankeschön! sich gebracht. spräch, Tun, Darstellung; der Abschluss mit der Improvisationsform von den Könnern und dem Soziologie-Vortrag und der Michaelschu- im Selbst-Versuchen war ein großes Geschenk. Das Wochenende zum Michael-Fest war stark. Gut, dass jeder einen individuellen Gedanken le. Vielen Dank, es war ein gelungenes Fest. Die Gespräche: wunderschöne Offenheit und Wir können darauf vertrauen, dass wir als Mit- im Vorfeld schon mitgebracht hat. Schwer- Zuneigung. glieder der AG solche Treffen in Würde hinbe- punkt von gedanklichem Austausch und Wichtig für die Zukunft: über die Anthropo- kommen – bei allen Hemmnissen und Quer- künstlerischem Gestalten habe ich als ausge- sophische Gesellschaft und Zweige hinaus ein- Besonders wertvoll waren die beiden Übgrup- schlägen. glichen erlebt und auch die offene Form als laden: junge Leute und interessierte Menschen pen, die positive und offenherzige Atmosphäre, sehr zeitgemäß empfunden. Wesenhaftes war im weiteren Umfeld, um Öffnung zu erzeugen. die Auswahl an künstlerischen Tätigkeiten und Danke für die Freiheit gewährende Form des durchaus erlebbar. Ein guter Anfang und Im- die aktive Mitgestaltung. Diesen Versuch über- Festes. Initiative und Kreativität haben die puls für die Zukunft. haupt gewagt zu haben, finde ich großartig. Tage erfüllt. Reich beschenkt geht man von dannen. Jeder Moment war eine Erfahrung, Bereiche- rung: Großes Lernen als Michaelserlebnis. 6 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 7
Michael Schmock Zukunftsperspektiven Allianz der Anthroposophischen Bewegung trifft sich in Stuttgart Herausforderung Kommunikation in Coronazeiten Am 11. Oktober versammelten sich zum ers- entstandene Kritik an der Anthroposophie, ten Mal seit Beginn der Coronazeit die Vertre- die sich an der „Querdenker-Bewegung“ ent- Im Bereich Öffentlichkeitsarbeit sind wir derzeit intensiv mit Krisenkommunikation beschäf- ter*innen der anthroposophischen Verbände. zündet und zu einer Vielzahl an Artikeln in tigt und dabei auch stark im Austausch mit der Allianz der Verbände. Wie sicherlich jeder Mit dabei waren Demeter, das Nikodemus- der öffentlichen Medienlandschaft geführt mitbekommen hat, nimmt die Medienlandschaft die Anthroposophische Bewegung derzeit Werk der Altenwohnstätten, der Bund der hatte. Daraufhin wurde mit den Öffentlich- übermäßig stark in Blick und fordert uns auf verschiedensten Ebenen heraus. Es bedarf Freien Waldorfschulen, die Freunde der Er- keitsarbeiter*innen der Verbände zu Beginn hier eines überaus sorgfältigen Umgangs und einer guten Abstimmung. Nehmen Sie gerne ziehungskunst, die Vereinigung der Waldorf- des Jahres 2021 eine Strategie im Umgang mit uns Kontakt auf, wenn Sie in den örtlichen Verhältnissen diesbezüglich zu reagieren kindergärten, Anthropoi Bundesverband der mit öffentlichen Verlautbarungen entwickelt, haben und dafür das Gespräch suchen oder sich beraten und abstimmen möchten. Heilpädagogen, die Gesellschaft anthroposo- die zunächst eine Zurückhaltung praktizierte, Kontakt: Sebastian Knust phischer Ärzte in Deutschland, Gesundheit ak- dann aber auch dezidierte Klarstellungen pub- s.knust@anthroposophische-gesellschaft.org tiv sowie die AGiD als Gastgeber. Aus Termin- lizierte sowie eine kontinuierliche Vernetzung gründen konnten die Christengemeinschaft, im Bereich Öffentlichkeitsarbeit ermöglichte. Info3 und die GLS-Bank nicht teilnehmen. Bei diesem Treffen der Allianz ging es um die Frage, welche weiteren Schritte in den nächs- Seit etwa sieben Jahren existiert diese Zusam- ten Jahren verfolgt werden sollen. pektiven entstanden aus dem Duktus, dass die Aufgaben im 21. Jahrhundert gewandelt ha- menarbeit der anthroposophischen Bewegung. Anthroposophie auch nach 100 Jahren wesent- ben: Ergänzend zum obligatorischen Studium Sie hatte sich zunächst mit der Perspektive ge- In diesem Sinne entstand jetzt der Tenor, wie- liche Beiträge zu den gesamtgesellschaftlichen der Steiner-Werke (Pflege der Anthroposophie) bildet, gemeinsam das Kongress-Festival „So- der offensiv die substanziellen Anliegen der Fragen leistet und sich keinesfalls verstecken sind gegenwärtig die gesamtgesellschaftlichen ziale Zukunft“ auszurichten (2017). Der zweite anthroposophischen Bewegung öffentlich zu sollte. Der Tenor war, dezidiert das zu vertre- Probleme und Herausforderungen ein ent- Kongress dieser Art in 2020 (wegen Corona vertreten. Besprochen wurden die Vorschläge, ten, was uns wichtig ist und dafür die richtige scheidendes Thema, dem sich eine solche Ge- verschoben auf 2021) konnte aufgrund der Pan- zunächst Kolloquien zu den kritischen Fragen Sprache zu finden, die auch von Außenstehen- sellschaft stellen soll und muss. In der anteil- demie nicht stattfinden. Bei diesem Treffen zu veranstalten (Rassismus-Vorwurf, Esoterik- den verstanden werden kann. nehmenden Aussprache und Nachfrage wurde wurde auch die Endabrechnung der Kongress- Vorwurf, Verschwörungs-Vorwurf etc.), dann deutlich, wie sehr die Teilnehmer*innen in der Anlaufkosten angeschaut und ein Rest-Defizit im Jahr 2023 das Thema „Zukunftsfähige Zu Beginn der Allianz-Treffen wird stets eine Allianz nach sieben Jahren zu einem vertrau- von 7.000 € (von insg. ca. 140.000 €, die bereits Bildung“ in einem Kongress mit möglichst der beteiligten Organisationen detaillierter ensvollen, freien, herzlichen, aber auch aktiven durch Stiftungen, Verbände und Firmen gedeckt allen anthroposophischen Ausbildungsstätten dargestellt und mit ihren aktuellen Aufgaben Miteinander zusammengewachsen sind. Das werden konnten) gemeinsam aufgearbeitet. gemeinsam auszurichten sowie das Jahr 2025 und Fragen gemeinsam besprochen. Dieses verspricht, eine gute Grundlage für die nächs- (100. Todestag Rudolf Steiners) durch eine Mal gab es eine ausführlichere Schilderung ten Jahre zu sein. Ein entscheidendes Thema war die in Zu- größere, öffentlich wahrnehmbare „Aktion“ zur Tätigkeit der Anthroposophischen Ge- Michael Schmock, Mitglied des Arbeitskollegiums sammenhang mit den Corona-Maßnahmen (auch medial sichtbar) anzugehen. Diese Pers- sellschaft. Dabei wurde deutlich, wie sich ihre und Generalsekretär der Landesgesellschaft. 8 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 9
„Woraus ist eigentlich unserer Erdenentwicklung diese Wohltat entsprungen, dass es ein Karma gibt? Von keiner anderen Kraft kommt das Karma in der ganzen Entwicklung als von Christus.“ Rudolf Steiner, GA 107, Seite 250 DAS ICH Michael Schmock „Das Ich ist der Reichtum inmitten Karma-Erkenntnis – eine individuelle und der Armut; es ist das Interesse, wenn eine Menschheitsaufgabe Über das „Projekt“ Karma-Tagung 2022 alles um uns herum sich langweilt. Es ist die Hoffnung, auch wenn alle objek- Die gegenwärtige Zeit macht uns deutlich, was Möglichkeit, die Folgen meiner Handlungen Menschheits-Karma ist. Das sehen wir in der selbst zu übernehmen und in meinem Seelen- tiven Chancen zu hoffen verschwunden Corona-Pandemie, das sehen wir in den erup- leben die Schichten ins Bewusstsein zu brin- tiven Klima-Flut-Katastrophen, das sehen wir gen, die eben bislang unterschwellig gewirkt sind. Aus ihm stammt die ganze Erfindungs- auch in den vielen Vulkanausbrüchen. Immer haben. Hier liegen zentrale menschliche Er- sind individuelle Menschen betroffen, verlie- kenntnis- und Handlungsaufgaben, die auch welt der Menschen. Und schließlich ist es das, was ren ihre Gesundheit, ihre Häuser, ihr Hab und mit Heilung, mit Zukunftsfähigkeiten oder Gut. Es sind Vorgänge, die menschheitlich „Wiedergutmachung“ zu tun haben. Hier liegt uns übrigbleibt, wenn uns alles andere entzogen ist, wenn wirken, die Menschheits-Karma aufzeigen, ein Schlüssel zur sozialen Zukunftskompetenz auch wenn es dann einzelne, konkrete Men- von individuellen Menschen, Menschengrup- uns gar nichts mehr von außen zukommt und unsere Kräfte doch schen betrifft. pen oder auch der Menschheit. genügend groß sind, um diese Leere zu überwinden.“ Eine etwas andere Qualität hat das persönli- Ein erster Schritt ist es, überhaupt zu sehen und che Karma. Hier geht es um individuell ver- zu akzeptieren, dass durch mich an dieser oder Jacques Lusseyran, 1924 - 1971 ursachte Folgen bestimmter Begegnungen, be- jener Stelle ein Problem, eine Verletzung, ein stimmter Taten, um Glück und Leid einzelner Schaden entstanden ist. Entweder bringen wir Menschen, mit denen ich etwas zu tun habe. das noch in unserem Leben ins „Reine“ oder Hier stellt sich die Frage nach Ursache und wir nehmen es mit in den nachtodlichen Be- Folgen des individuellen Handelns, nach mei- reich. Dann aber begegnen wir – so Rudolf ner eigenen Fähigkeit oder Fehlbarkeit, nach Steiner – den Menschen, mit denen wir im meiner seelischen Disposition, vielleicht auch Leben etwas zu tun hatten, was eben einen nach den nicht gewollten Schmerzen, die ich Ausgleich fordert, was im Welten-Geschehen anderen zugefügt habe, aber auch nach der so nicht stehen bleiben kann. Viele Menschen 10 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 11
© Joseph Beuys: Unbetitelt 1974 „1.7.1974 für Volker Harlan“ sehen das heute auch im Bereich des Gesamt- und letztlich nach der verzeihenden und hei- Menschheitlichen. Was wir hier in Europa lenden Geste im Zwischenmenschlichen. durch unser Kaufverhalten bewirken, das be- trifft Menschen in anderen Kontinenten. Wir Aufgrund der aktuellen Zeitsituation, aber sind Verursacher der Not in vielen Ländern der auch aufgrund der zunehmenden Fragen nach sogenannten dritten Welt. Eine Initiative in ehrlicher Substanz im Miteinander und nach Deutschland nennt das „Karma-Konsum“ und dem Ernst-Nehmen der Anthroposophie ha- spielt damit auf unsere Verantwortung für die ben wir uns entschlossen, das Thema Karma Folgen unserer Taten an. Mit dem Klima ist in diesem kommenden Jahr ins Zentrum unse- es ähnlich. Erst wenn ich eingestehe, dass die rer Arbeit zu stellen. Es geht uns um konkrete, damit verbundenen Katastrophen menschen- praktische, übende Zugänge im Verständnis gemacht sind, und ich mich mitverantwortlich der Karma-Frage. Es geht uns auch um einen fühle, ändert die Menschheit ihren Kurs. originären Beitrag, den die Anthroposophie in der heutigen Kulturwelt leisten kann – gerade der Menschenbetrachtung als Grundlage für throposophischen Gesellschaft in Deutschland Unsere Überlegungen im Vorstand der AGiD angesichts der Fragen und Probleme, die wir Karma-Erkenntnis, Jaak Hillen (plastischer vom 24. bis zum 26. Juni 2022 zur Verfügung. gehen dahin, dass das Thema Karma innerhalb als Menschheit miteinander teilen. Wie ist das Künstler aus Belgien) mit Schicksals-Erfahrun- Gegenwärtig entsteht ein erstes Tagungspro- der Anthroposophischen Gesellschaft und im karmisch zu verstehen? Was kann ich konkret gen in künstlerischen Prozessen, Nothart Rohlfs gramm. Ab Februar 2022 wird dann die voll- Umfeld auf die Tagesordnung gehört, dass es tun, um selbst Erkenntnisschritte auf diesem (Dozent und Berater aus Berlin) mit biografisch ständige Einladung veröffentlicht. Wir haben besprechbar, erfahrbar und handhabbar wer- Felde zu gehen? Was kann ich in dem Zusam- auftretenden übersinnlichen Erfahrungen, bisher schon viel auf diesem Felde gelernt und den kann. Immerhin ist es mitunter das zen- menhang von anderen Menschen lernen? Wie Katja Schultz (Sozialkünstlerin aus Bochum) den Eindruck gewonnen, dass ein solches – mit- trale Thema der Anthroposophie und macht kann ich dadurch die Welt, mich selbst und mit Begegnungsfähigkeit als Tor zur Karma- unter auch sehr sensibles und persönliches The- in Steiners Werk einen großen Umfang aus. den anderen Menschen besser verstehen? Was Erkenntnis, Andre Bartoniczek (Waldorflehrer ma – durchaus in einem größeren Konferenz- Nun ist es eine wichtige Voraussetzung, dass kann ich beitragen zur Heilung der sozialen und historische Forschungen, Tübingen) mit Tagungskreis erschlossen werden kann. Die es gründlich studiert wird. So sind die Karma- Konflikte im persönlichen Leben, in Gemein- Karma-Erkenntnissen in geschichtlichen Ereig- Tagung wird in Stuttgart oder in Kassel stattfin- Vorträge nach meiner Einschätzung die meist- schaften und in der Welt? nissen, Hans Supenkämper (Landwirtschaftsbe- den. Wir laden hiermit schon einmal alle Kar- gelesenen Vorträge in den Zweigen der Anth- rater und Dozent) mit Schicksalslernen, Corin- ma-Interessierten sehr herzlich ein und freuen roposophischen Gesellschaft. Noch konkreter Wir haben damit begonnen, Menschen in der na Gleide (Dozentin und Beraterin, Heidelberg) uns, wenn Sie an diesem Ereignis teilnehmen wird es aber, wenn wir nach einem möglichen anthroposophischen „Landschaft“ zu suchen, mit dem Doppelgänger-Wesen, Eva Kleber (Lei- wollen. Irgendwie ist es eine individuelle, aber Schulungsweg suchen, um dieses Thema in- um mit ihnen in ein gemeinsames „Karma- terin der Akademie Vaihingen) mit der Heilung gleichzeitig auch eine Menschheitsaufgabe, nerlich zu durchleben, und einen übenden Forschungs-Erfahrungsfeld“ einzusteigen. durch Karma-Erkenntnis und Steffen Hart- die da zum Thema gemacht wird. Letztlich ist Zugang entwickeln wollen. Es entsteht die In bereits fünf Kolloquien sind die Zugänge mann (Musiker und Dozent aus Hamburg) mit hier ein Lern- und Entwicklungsschritt in der Frage nach meiner innerseelischen und geisti- einzelner Menschen sichtbarer und deutlicher Metamorphosen der Entwicklung der Anthro- Menschheit veranlagt, der durch das Christus- gen Disposition, nach meinem Schatten- bzw. geworden. Martin Schlüter (Dozent am Leh- posophen im 20. und 21. Jahrhundert. wesen möglich wurde. Wir alle sind Lernende Doppelgänger-Wesen, nach meinem Verhält- rerinstitut in Witten-Annen) beschäftigt sich auf diesem Karma-Erkenntnis-Praxis-Feld und nis zu anderen Menschen in Konflikten, nach mit der Erweiterung des Ich-Begriffs und dem Diese konkreten Menschen und noch viele wei- laden Mit-Lernende herzlich ein. meiner Möglichkeit zu verzeihen, nach der Ursache-Wirkungs-Prinzip, Alexander Schau- tere stellen ihren Zugang zur Karma-Erkennt- Michael Schmock, Mitglied des Arbeitskollegiums inneren Verbindung mit meinem Gegenüber mann (Künstler und Dozent aus Bochum) mit nis in einer geplanten Karma-Tagung der An- und Generalsekretär der Landesgesellschaft. 12 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 13
Monika Elbert Gestaltungswille für die AGiD Einblicke in die jährliche Klausur des Arbeitskollegiums Mitte September begaben sich die sieben Mit- unserer Gesellschaft. Ausführlicher beschäftigt glieder des Arbeitskollegiums zusammen mit hat uns die Neuverteilung von Aufgabenfel- Alexander Thiersch, dem Geschäftsführer der dern und die Benennung eines weiteren Gene- Landesgeschäftsstelle, an den Haftelhof in der ralsekretärs aus unserem Kreis für die kom- Südpfalz in Klausur. Der Haftelhof, eine ehe- mende Mitgliederversammlung. Es wird sich malige Klosteranlage, liegt inmitten der Natur hierbei zunächst um eine Ergänzung zu Mi- sehr schön im Grenzgebiet zum Elsass an der chael Schmock handeln, der sich in absehbarer südlichen Weinstraße und eignet sich in seiner Zeit von dieser Aufgabe zurückziehen möchte Abgeschiedenheit hervorragend für ein vertief- und für den im zweiten Schritt dann ein Ersatz tes Begegnen und Arbeiten. gefunden werden will. Die Rückkehr hin zur Doppelspitze für diese Aufgabe, wie es vorher Unser Programm der monatlichen Vorstands- üblich war, bietet dann die Möglichkeit, mehr sitzungen ist in der Regel sehr gedrängt und noch die Weiterentwicklung unseres Gesamt- Das Arbeitskollegium in Klausur oftmals noch umrahmt von Sonderterminen. organismus Anthroposophische Gesellschaft Daher stellen die drei Klausurtage, die jährlich längerfristig in den Blick zu nehmen. Was die um die Michaelizeit stattfinden, eine besonde- Aufgabenfelder betrifft, dürften wir der Zahl Ein weiterer zentraler Punkt, der uns beschäf- Wohl wissend, dass die Annäherung an Wahr- re Möglichkeit der Vertiefung und Besinnung nach durchaus doppelt so viele Mitglieder im tigt, ist die Entwicklung der Freien Hoch- heiten im Zeitalter der Bewusstseinsseele im- auf Wesentliches dar. Verstehen wir uns doch Arbeitskollegium sein. So bewegen wir uns schule für Geisteswissenschaft und der ihr mer einen sozialen Akt darstellt, getragen von als Initiativ-Vorstand, der nicht nur die Anthro- einerseits stetig an der Grenze des Machbaren gemäße Umgang mit den Klassenstunden, die individueller Bewusstseinskraft, sind wir sehr posophische Gesellschaft organisatorisch und und erfahren andererseits die Notwendigkeit, Verbindung zu den in diesem Bereich aktiven um ein gemeinsames Ringen diesbezüglich be- verwaltungstechnisch zu verantworten, son- über uns hinauszuwachsen. und vorausschauenden Menschen und zur All- müht und wollen uns auf diesem Weg keine dern sie auch lebendig weiterzuentwickeln hat. gemeinen Sektion in Dornach. Im Gegensatz Abkürzungen erlauben. Alles in allem hätten Die Weiterentwicklung des im letzten Jahr zu den zahlreichen medialen Entwertungsver- die drei Tage deutlich mehr als 72 Stunden Zum Auftakt führten wir ein Rundgespräch, zentral gewordenen Bereichs der Öffentlich- suchen des Begriffs der Esoterik sind wir davon haben dürfen. Wir hoffen sehr, dass wir mit in dem wir einen differenzierten selbstkriti- keitsarbeit hat uns gleichfalls beschäftigt und überzeugt, dass es noch deutlich mehr Esoterik den Beratungen, Entscheidungen, getroffenen schen Blick auf unsere Zusammenarbeit war- forderte uns weitere Richtungsentscheidungen für allgemeine Menschlichkeit braucht. Wie Verabredungen und Intentionen eine fruchtba- fen, die in bestimmten Bereichen zu verbessern ab. Es wird angestrebt, eine PR-Plattform ge- finden suchende Menschen heute den Zugang re Grundlage für unsere weitere Arbeit in den ist, sowie auf die weitere Entwicklung unserer meinsam mit den anthroposophischen Ver- zu den entsprechenden Inhalten und Arbeits- kommenden Monaten legen konnten. laufenden Arbeits- und Initiativprojekte. Eine bänden aufzubauen, mit den Schwerpunkten formen? Monika Elbert, Markdorf am Bodensee, Mitglied des inhaltliche Arbeit zum Thema Reinkarnation Krisenkommunikation und proaktives Han- Arbeitskollegiums der AGiD. und Karma war uns gleichermaßen wichtig deln, was nur auf der Grundlage von vernetz- wie der Blick nach vorne auf Zukunftsprozesse ten Strukturen möglich sein wird. 14 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 15
Was ist Wahrheit? Goethe beantwortete diese Martin Basfeld, der kürzlich verstorbene und Frage auf beschreibende Weise in seinen Sprü- von mir sehr geschätzte naturwissenschaft- chen in Prosa: „Kenne ich mein Verhältnis zu liche Denker, holte diese Sicht ganz in unse- mir selbst und zur Außenwelt, so heiß ich’s re Gegenwart mit den Worten: „Es gibt die Martin Schlüter Wahrheit, und so kann jeder seine eigene ha- Wahrheit. Man kann sie nicht haben, aber Weihnachten ben, und es ist doch immer dieselbige.“ (Goe- the: Sprüche in Prosa, 1. Abt.: Das Erkennen) in ihr leben. Es gibt nicht viele Wahrheiten im Sinne von unterschiedlichen voneinan- Rudolf Steiner kommentierte dazu: „Wahrheit der isolierten Wahrheiten, sondern unendlich ist nichts an und für sich selbst. Sie entwickelt viele Teilansichten von ihr.“ (Martin Basfeld, Die herbstliche Michaeli-Stimmung hat sich Ich fühle wie entzaubert sich im Menschen, wenn dieser die Welt auf 10.11.2019, aus seinen Notizen) in eine erwartungsfrohe vorweihnachtliche Das Geisteskind im Seelenschoß, seine Sinne und auf seinen Geist einwirken Stimmung verwandelt. Im Seelenkalender Ru- lässt. Je nach seiner Organisation hat jeder Jeder Mensch kann das Weihnachtslicht in Es hat in Herzenshelligkeit dolf Steiners wird zu Michaeli der menschli- Mensch seine eigene Wahrheit, die nur er in sich selbst entzünden. Es kann sich aus dem che Geist in derjenigen Lage gedacht, in der er Gezeugt das heil’ge Weltenwort ihren intimen Zügen verstehen kann. Wer eine warmen Interesse an der Welt ergeben, indem das eigene Seelenweben als Umschmelzungs-, Der Hoffnung Himmelsfrucht, allgemeingültige Wahrheit verlangt, versteht dieses sich zur je individuellen Sicht steigert. als Reinigungs-, als Läuterungsprozess an den Die jubelnd wächst in Weltenfernen sich selbst nicht.“ Martin Schlüter, Witten, Mitglied des Arbeitskolle- Bildern der Natur erleben kann: Aus Eisenerz giums der AGiD. Aus meines Wesens Gottesgrund. wird Stahl. Die unsere Zivilisation mittragen- Noch deutlicher wird R. Steiner wenige Jahre de Stahlerzeugung wird Bild für einen seeli- später in der Zusammenfassung der Resultate schen Prozess zu Michaeli: Die Verwandlung, ja Steigerung von Wärme seiner Dissertation über „Wahrheit und Wis- zu Licht im seelischen Erleben steht für den senschaft“: „Das Resultat dieser Untersuchun- Natur, dein mütterliches Sein, Weg von Michaeli zu Weihnachten. Dieser gen ist, dass die Wahrheit nicht, wie man ge- Ich trage es in meinem Willenswesen; Weg lässt sich wiederfinden in dem von Wär- wöhnlich annimmt, die ideelle Abspiegelung me getragenen Weltinteresse des Menschen. von irgendeinem Realen ist, sondern ein freies Und meines Willens Feuermacht, Aber kann dies, angesichts der vielschichtigen Erzeugnis des Menschengeistes, das überhaupt Sie stählet meines Geistes Triebe, Fragen, die etwa die Corona-Pandemie hervor- nirgends existierte, wenn wir es nicht selbst Dass sie gebären Selbstgefühl, gerufen hat, zu klarer Einsicht in die Zusam- hervorbrächten.“ (GA 3) Zu tragen mich in mir. menhänge führen? In verwandelter Form stellt sich diese Frage auch beim Klimawandel und Dieser glutengetragene Umschmelzungspro- bei anderen Entwicklungsfeldern der Mensch- zess verwandelt sich in ein lichtvolles Gesche- heit. Ist es dem Menschen möglich, zur Wahr- hen zu Weihnachten: heit, zur Wirklichkeit durchzudringen? 16 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 17
David Richardoz Erkenntnisgrenzen und persönliche Grenzen Ein Bericht zu den Forschungstagen junger Menschen in München Wie gehen wir als forschende Menschen mit intensiver zu beschäftigen. Umgekehrt kann Erkenntnisgrenzen und persönlichen Grenzen dieser Schritt einen wesentlichen Formprozess um? Im Ringen um diese Frage und bereit, aus- der eigenen Biografie mit sich bringen. Die gehend von den jeweiligen individuellen For- Selbstentwicklung, die mit der intensiven Aus- schungsfragen und -projekten in gegenseitige einandersetzung am eigenen Thema entsteht, Wahrnehmung und Austausch zu gehen, kam und der Mut, den es dazu braucht, kamen in Mitte Oktober eine Gruppe junger Menschen den Tagen vielfach zum Ausdruck. So versteht © Foto: AGiD zu den „Forschungstagen Anthroposophie“ Forschen als bewusst intensivierte Tätigkeit nach München zusammen. Dort wurden Ge- sich auch tief mit beruflichen Praxen und mit sprächs- und Übungsräume gestaltet, welche dem Alltagsleben sowie mit der Entwicklung Beitrag zum Thema Willensfreiheit und Gehirn die gegenseitige Teilnahme an den mitgeteil- der Mitwelt verbunden. ten Forschungsprozessen ermöglichen sollten. Das Interesse füreinander, und zwar am kon- Was für eine Rolle spielt das Denken in die- Weise begegnen können und woraus neue Le- Seelenrätseln, Anthropologie und Seelenwis- kreten Streben und Stolpern des Einzelnen mit sem Vertiefungsprozess? Schon Aristoteles be- bensgestaltung entspringen kann. senschaft, S. 20 ff.) wurde am nächsten Vor- seinem Thema und mit sich selbst, führte zum schreibt das Denken als eine Fähigkeit, stim- mittag versucht, den Übergang zu erkunden, Erleben und Miterleben der persönlichen exis- mige Verhältnisse zu bilden. So können wir Am ersten Abend der Forschungstage eröffne- von der sinnlich-orientierten Vorstellung tenziellen Grenzen sowie auch an die Grenze sagen, dass im individuellen Denkprozess, und ten gleich zwei Projekte die Frage nach einer ausgehend hin zu einer Tasterfahrung an der des erforschten Themas und somit an die Er- im Forschungsbestreben verschärft, eine Tä- Erweiterung der Wahrnehmung und des Den- Grenze zum Übersinnlichen. kenntnisgrenze, an der sich die Forschungsbe- tigkeit liegt, die eben das Erfassen, aber auch kens. Anhand der Naturwahrnehmung wur- strebung reibt und entwickelt. die Entwicklung von Lebenszusammenhängen de, auch übend, bewegt, wie eine bewusstere, Über die Tage kristallisierte sich ein Grenzbe- ermöglicht. Im je individuellen Forschungs- vertiefte Wahrnehmungstätigkeit in der Natur reich heraus, der von vielen als eine Spannung, Forschen muss sich nicht auf die Tätigkeit prozess suchen eine Lebensentwicklung und eine Erweiterung der individuellen Weltbezie- manchmal als eine schmerzliche Unmöglich- ausgewählter Spezialisten beschränken, son- die Denkbemühung des Einzelnen eine Be- hung und auch der Wissenschaft überhaupt er- keit erlebt wurde: Zwischen dem individuellen dern taucht überall dort im Leben auf, wo rührungsstelle, wo eine neue Wirklichkeit, möglichen kann. In einer Auseinandersetzung Erleben einerseits, insbesondere von seelischen ein menschliches Vertiefungs- und Weiter- eben durch den Menschen, entstehen kann. mit Kants „endlicher Vernunft“ wurde ins Ge- und geistigen Zusammenhängen, und der entwicklungsbedürfnis entsteht, welches selbst Der forschende Mensch bildet einen von ihm spräch gebracht, ob und wie, ausgehend vom objektiveren Vermittlung bzw. der Wissen- zur Grundlage einer forschenden Bestrebung selbst intendierten Durchgangsort, wo die menschlichen Verstand, eine Denkfähigkeit schaftlichkeit andererseits. Dies zeigte sich werden kann. Ein Kernmoment zeichnet sich Wahrnehmung von Lebenszusammenhängen erschlossen werden kann für Gesetzmäßig- individuell unterschiedlich, und innerhalb ab in dem Willen oder genauer in dem Voll- und die Denkaktivität sich in je einzigartiger keiten und geistige Zusammenhänge. Anhand der einzelnen Projekte konnte der ringende zug, ein Thema zu ergreifen und sich damit einer gemeinsamen Textarbeit (Steiner: Von Versuch zutage treten, beide Qualitäten zu- 18 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 19
Noch zu früh sammenzubringen. Ein komplementäres Mo- als Mitgestaltender der Umwelt und als zu- kann, sowie auch andererseits als inhaltlicher tiv dazu war die Frage danach, wie das, was sammenhangbildende Kraft des Forschungs- Beitrag zur Weiterentwicklung der Anthropo- Es ist noch zu früh, gedanklich erarbeitet wird, losgelassen werden vorhabens. So kann gesagt werden, dass die sophie als eine künstlerische Wissenschaft des mich einzurichten. kann und, ohne die Verbindung zur Sache zu erarbeitete Anthroposophie weder dogmatisch Menschen. Ich will mich nicht verlieren, in einen Lebensprozess übergehen noch emotional oder esoterisch zu suchen war, in bunte Gewohnheiten kleiden, kann. sondern vielmehr als dieser konkrete, individu- Ein herzliches Dankeschön geht ans Rudolf- zu leicht könnte ich meinen, ell gegriffene, menschliche Aspekt in den For- Steiner-Haus in München, das seine Räum- ich sei diese selbst. Die Forschungstage waren gekennzeichnet schungsfragen zu erörtern war. lichkeiten zur Verfügung stellte, sowie an die durch die Möglichkeit, in kleinerer Gruppen- Forschungsförderung der AGiD für die finan- Groß ist die Versuchung, größe einzelnen Projekten genügend Zeit und An den Tagen war zu spüren, wie die Grenzfra- zielle und weitere Unterstützung. die Sehnsucht nach Heimat zu stillen. Aufmerksamkeit zu widmen. So gestaltete ge sowohl die anwesenden Menschen zusam- sich der Samstag durch den Einstieg in den mengeführt hatte als auch einen anregenden Bei Interesse an zukünftigen Forschungsta- Unzählige Male Formprozess eines menschlichen Mittelpunk- Faden für die gemeinsame Arbeit ermöglichen gen und an einem Austausch im Umkreis der muss ich noch schweigen tes durch Eurythmie sowie in einen persön- konnte. Es zeigte sich im Austausch mit Monika jungen Forschenden steht ein Verteiler zur verzichten lichen Eindruck in Heinrich Barths Biografie Elbert, wie wichtig die Unterstützung junger Verfügung: junge-forschung@anthroposo- lauschen anhand des Fundus seiner wenigen Gedichte. Menschen ist, die sich mit forschenden An- phische-gesellschaft.org warten Von der naturwissenschaftlichen Richtung liegen einer Sache widmen wollen. Einerseits auf das Land, David Richardoz, Alfter (verantwortlich für die Or- kam ein Beitrag zum Thema Willensfreiheit im Hinblick auf den individuellen Lebensweg, das aus der Dunkelheit aufsteigt. ganisation der Forschungstage) und Gehirn, mit dem Versuch einer Erwei- der dadurch in eine Konkretisierung kommen Dort will ich wohnen: terung naturwissenschaftlicher Methoden. Ich bin dann unsichtbar, An dem Aspekt der Digitalisierung wurde lebe im Leben thematisiert, was für eine Stellung ebendiese wie in Kleidern, in der Bewusstseins- und Wissenschaftsent- nirgends zu fassen, wicklung einnimmt und wie davon eine freie Schon gewusst? – Bitte weitersagen! immer präsent und im Wandel. (und unsichere) Menschenbildung ausgehen Es gibt eine vergünstigte Jugendmitgliedschaft kann. In einem Beitrag am Sonntag zur Angst Und nichts als Schwellenmotiv der menschlichen Indivi- Junge Menschen während ihrer Ausbildungs- oder Orientierungs- kann mich glauben lassen, dualität wurde thematisiert, wie innerhalb der zeit bis zum Berufseinstieg, in der Regel bis zum Alter von 28 Jah- ich sei meine Einrichtung. Angst ein Erwachen für den Eigenwillen liegt. ren, können für 7,- Euro im Monat Mitglied bei der AGiD werden. Fiona (Stipendiatin) Selbstverständlich ist davon unabhängig auch die Teilnahme und In den mitgebrachten Forschungsthemen war das Mitwirken bei den verschiedensten Jugendinitiativen möglich. stets in verschiedenen Ausprägungen zu be- Ansprechpartner: merken, wie sowohl in künstlerischen als auch Sebastian Knust: in natur- oder geisteswissenschaftlichen Gebie- s.knust@anthroposophische-gesellschaft.org ten eine Frage nach dem Menschen bzw. nach Matthias Niedermann: matthias.niedermann@anthroposophische-gesellschaft.org dem Menschlichen anwesend war: der Mensch Weiteres unter: www.anthroposophische-gesellschaft.org/mitglied-werden als individuell Werdender, als Erkennender, 20 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 21
Monika Elbert Forschungsforum Spirituelle Ökologie Hierfür braucht es Forschungshaltung, konse- quente Bewusstseinsarbeit, vielfältigste kreati- Es gilt hier also, neue Forschungsfelder zu er- schließen, sie in ihrer Tiefe und spirituellen Di- Die Stiftung zur Forschungsförderung richtet ihren Schwerpunkt aus ve Ansätze und Umsetzungsmodelle und vor mension freizulegen und forschungserfahrene allem Austausch der Erfahrungen. Denn die Menschen dafür zu gewinnen. Gerne würden aus der Anthroposophie entwickelten Werte wir auch junge Menschen nach ihrem Hoch- Welche Beiträge können aus der Anthropo- ihrem geisteswissenschaftlichen Blick auf den müssen an dieser Schwelle wieder grundsätz- schulabschluss oder nach ihrer Ausbildung sophie zu den vor uns liegenden Transfor- tiefen Sinnzusammenhang von Mensch und lich und neu befragt, bearbeitet und metamor- durch Vergabe von Stipendien dafür begeis- mationsherausforderungen geleistet werden? Welt eine unerlässliche Zukunftskraft in die- phosiert werden, für eine Zukunft, die wir alle tern, sich mit entsprechenden Fragestellungen Es wird eine Vielfalt von Ansätzen für Neu- sem Grenzgebiet. Ohne die Veränderung der noch nicht kennen. vertieft in die Anthroposophie einzuarbeiten. gestaltung auf allen Ebenen gebraucht. Tech- inneren Haltung und ohne neue Beziehungs- Begleitend braucht es dafür Mentoren/Mento- nische Lösungen und Geoengineering alleine fähigkeit zur Welt kann äußerer Wandel kaum All dies gibt Anlass, dass wir von der Stiftung rinnen, die wir gerne vermitteln wollen. Da- werden die Probleme nicht beheben. Vielmehr gelingen. zur Forschungsförderung innerhalb der Anth- rüber hinaus möchten wir auch Forschungs- stellt sich die Frage: Ergreifen wir Initiati- roposophischen Gesellschaft in Deutschland gemeinschaften anregen und die Bildung von ve oder werden wir von Resignation ergrif- Wie kommt der Mensch durch das Ergreifen uns zukünftig mehr in dem Bereich der Trans- Netzwerken für den Erfahrungsaustausch er- fen? Der Beitrag aus der Anthroposophie, als von Selbstverantwortung in eine tiefere Ver- formationsforschung engagieren möchten. möglichen. einem letzten Nebenstrom des dominanten bindung mit seiner Lebenswelt? Wie kann da- Auftaktveranstaltung dazu war ein Klima-For- naturwissenschaftlichen Hauptstroms, ist mit für ein Erwachen in tieferer Schicht gelingen? schungstag (Klima ist hier im weitesten Sinne Der Publikationsbereich sollte aus diesen Fel- atmosphärisch zu verstehen), der am 20. Sep- dern weiter gestärkt und ausgebaut werden, tember in Stuttgart stattfand. Jungforscher, damit mehr Beiträge aus der Anthroposophie erfahrene Forscher, potenzielle Projektpartner, in den öffentlichen Diskurs einfließen können. Veränderungsakteure, Unternehmer und Stif- Auch wäre es sinnvoll, eine Plattform zu bil- tungsverantwortliche waren dazu eingeladen. den, bei der die Forschungs- und Umsetzungs- Initiativträger sind Monika Elbert, Stefan Ruf aktivitäten zusammenlaufen. Hier könnte ein und Meinhard Simon. Die Überschrift des Ta- Schulterschluss mit der World Goetheanum ges lautete: Welchen Beitrag kann anthropo- Association (WGA) gelingen, die an ähnlichen sophische Forschung zu den vor uns liegenden Fragen und Angeboten für die anlaufenden gesamtgesellschaftlichen Transformationsauf- Praxisprojekte und Initiativen arbeitet. Aus der gaben leisten? Was würde fehlen, wenn wir interaktiven Zusammenarbeit könnten sich diesen geisteswissenschaftlichen Beitrag nicht gut weitere Potenziale erschließen. Verschie- erbringen würden? Oder anders gefragt: Wie denste Schritte in diese Richtung und weitere entwickelt sich Anthroposophie angesichts der Treffen sind bereits geplant. Herausforderungen der Zeit? Monika Elbert, Mitglied im Arbeitskollegium und Vorstand Stiftung zur Forschungsförderung © Foto: AGiD 22 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 23
Anpassung der Beiträge für die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland schriftenwesen, haben in den letzten Jahren dennoch zu merklichen Einsparungen geführt. Trotz ver- schiedenster Anstrengungen und damit erreichter Kosteneinsparungen wird aufgrund der gesunkenen Mitgliederzahl derzeit für die Bewältigung der initiativen Aufgaben im Arbeitskollegium und der verwaltenden Aufgaben der Landesgeschäftsstelle ein Betrag von 44 € pro Mitglied und Jahr benötigt, in früheren Jahren genügten 36 €. So ergibt sich ein Mehrbedarf von jährlich 8 € pro Mitglied. Liebe Mitglieder, Aus diesen beiden Teilsummen (Währungsausgleich und steigende Verwaltungskosten) ergibt sich liebe Freundinnen und Freunde aktuell die jährliche Deckungslücke von rund 42 € pro Mitglied. Dieser Betrag wird sich in den der Anthroposophischen Gesellschaft, nächsten Jahren vermutlich noch etwas erhöhen, da die Kosten nicht parallel zur abnehmenden Mitgliederzahl gesenkt werden können. Diesem Fehlbetrag von 42 € pro Mitglied und Jahr (oder die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland wird seit 100 Jahren durch Menschen getragen, 3,50 € im Monat) stehen Bemühungen um zusätzliche Einnahmen entgegen. Es sind ernsthafte An- denen das Werk Rudolf Steiners am Herzen liegt. Wir blicken heute auf großartige Leistungen in der strengungen angelaufen, Fördermitgliedschaften für anthroposophisch orientierte Einrichtungen und anthroposophischen Landschaft aus dieser Kraft und hoffen sehr, dass dieser Entwicklungsstrom auch Unternehmen anzubieten. Hierüber rechnen wir mittel- und langfristig mit einem Beitragszuwachs. weiter in die Zukunft führt. Auch der „Goetheanum-Impuls 125“ ist hier zu nennen, an dem sich immer mehr Mitglieder mit einem regelmäßigen Förderbeitrag beteiligen – diese Quelle darf weiter und mehr noch sprudeln. Alle Mit den Mitgliederbeiträgen werden vor allem anthroposophische Initiativen und Vorhaben ge- engagierten Mitglieder sind eingeladen, sich mit einem frei zu wählenden Beitrag zu beteiligen. Die fördert, die Verwaltung der Gesellschaft ermöglicht und die ihr gleichermaßen wichtige Verpflichtung kleine Informationsschrift dazu senden wir Ihnen bei Bedarf gerne zu! Darüber hinaus ist auch den gegenüber der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach erfüllt. Letztere erwartet Zweigen und Arbeitszentren herzlich zu danken, die aufgrund der schlechten Wechselparität zwi- nach den vereinbarten Statuten der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, dass die Deutsche schen Schweizer Franken und Euro teils schon seit Jahren auch ganz namhafte Beiträge zur Deckung Landesgesellschaft einen Beitrag von 125 Schweizer Franken (CHF) pro Mitglied und Jahr leistet, dieser Lücke beisteuern. ganz unabhängig davon, ob das Mitglied einen angemessenen Beitrag an die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland zahlt. In der Satzung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutsch- Was sollte also derzeit im Gespräch in den vielen Kreisen und auch in Ihrem Gemüt intensiv bewegt land heißt es dazu in § 15.1: „Die Höhe des Mitgliedsbeitrages wird von der Mitgliederversammlung werden? festgesetzt. Der Mitgliedsbeitrag soll der Höhe nach so bemessen sein, dass damit die Aufwendungen Von jedem Mitglied wird – Stand heute – eine Beitragserhöhung um 2,50 € pro Monat bzw. 30 € der Landesgeschäftsstelle für den Strukturhaushalt getragen werden können und die Gesellschaft in pro Jahr für die Landesgeschäftsstelle erbeten. Den darüber hinaus „fehlenden“ einen Euro pro Mit- der Lage ist, ihre Beitragspflichten gegenüber der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft zu glied und Monat hoffen wir, über die beiden o. g. Quellen (institutionelle Mitgliedschaft und Goe- erfüllen (Mindestbeitrag).“ theanum-Impuls 125) decken zu können. Sollten durch das Beitragsengagement der Mitglieder mehr Aufgrund der im Jahre 2015 plötzlich ausgefallenen Stützung des Schweizer Frankens durch die Mittel zusammenkommen, als für die Verpflichtungen der Landesgeschäftsstelle benötigt werden, so Schweizer Nationalbank und auch durch die anhaltenden Kostensteigerungen sind die schon seit ca. könnten in Beratung und Absprache mit den Arbeitszentren weitere Initiativen gefördert werden. Im 20 Jahren unverändert geltenden Beitragssätze pro Mitglied und Jahr ans Goetheanum nicht mehr Januar 2022 wollen wir in der Gesamtkonferenz (Gremium aus Arbeitskollegium und den Vertretern auskömmlich: Während bis 2015 pro Mitglied 84 € für 125 Schweizer Franken an die Allgemeine der Arbeitszentren) diese Anpassungsvorschläge weiter besprechen. Wir wären für Ihre Mitberatung in Anthroposophische Gesellschaft nach Dornach zu überweisen waren, sind dies nach aktuellem Wech- Ihren Zweigen sehr dankbar und nehmen Ihre Ergebnisse und Anregungen gerne entgegen! Über die selkurs 118 € – also ganze 34 € mehr pro Mitglied. weitere Entwicklung werden wir im Sonderheft zur Mitgliederversammlung ausführlich berichten. Hinzu kommt noch folgende Entwicklung: Durch immer differenzierter werdende Vorgaben der Das ist die Stelle, an der wir Ihnen ganz persönlich und einmal mehr aus tiefem Herzen für Ihre Gesetzgeber sind die Verwaltungsaufgaben für die Mitarbeitenden in der Landesgeschäftsstelle von langjährige Treue und großzügige Unterstützung danken wollen! Jahr zu Jahr anspruchsvoller geworden. Der anvisierte Abbau an Mitarbeitenden entsprechend der Julian Schily rückläufigen Mitgliederzahlen ist so nicht möglich. Strukturelle Anpassungen, wie z. B. im Zeit- Vorstand/Schatzmeister 24 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. 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Aktuelle Fragen zur Hochschularbeit Innere und äußere Begegnungen – Weiterbildung und Konferenz der Vermittler Eine Weiterbildung für Vermittler, die am chaelschule und die innere Durchdringung Goetheanum schon eine gewisse Tradition der Mantren versucht wird. Als zentral erwies hat und einen regen Zuspruch erfährt, fand sich die Wahl der beiden frei gehaltenen Klas- im Oktober zum zweiten Mal in Kassel statt senstunden (siebte Klassenstunde und sechste (Freitagnachmittag bis Samstagabend). Diese Wiederholungsstunde), da viele Gedanken Veranstaltungsform bietet die Möglichkeit, die sich auf den Schwellenübertritt bezogen. Die Vorbereitung von Klassenstunden und aktu- besondere Stellung dieser Stunden wurde auch elle Fragen der Hochschularbeit in vertiefter in der eurythmischen Übungsarbeit erfahrbar Weise zu behandeln. An diesem Wochenende und die gemeinsame Arbeit an und mit der Bildnachweis: standen verschiedene Themen auf der Tages- Sprache stellte eine große Bereicherung dar. Rudolf Steiner, Wandtafelzeichnung vom 19.10.1923 zum Thema „Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes“, GA-Nr. 230, Rudolf Steiner Archiv, Dornach, Schweiz. ordnung: Es wurde auf die hundertjährige Eine Vertiefung dieses Zusammenhanges wur- Geschichte der Hochschule geblickt, die vie- de mit einem Beitrag über den neuen Charak- les enthält, was darauf verweist, dass Rudolf ter der Wiederholungsstunden vorgenommen. Steiners Intentionen der Weihnachtstagung tete insbesondere von der neuen Ausgabe der te Konsolidierungsarbeit wirkt sich bis in die aus der gegenwärtigen Zeitlage neu erschlos- Die Vermittlerkonferenz am Sonntag (derzeit Klassenstunden in einem Band sowie von den Gegenwart aus. In der Regel nehmen zwischen sen werden müssen. Und es wurde an einer ers- findet sie zweimal jährlich statt) ist 1992 in Mühen der englischen Übersetzung. Er sprach 30 und 50 Vermittler teil. Nun hat Hartwig ten Begriffsbestimmung des Aufgabengebietes den Auseinandersetzungen um die Veröffent- sehr offen über die „ungebundenen“ Gruppen Schiller seine Tätigkeiten auf eigenen Wunsch „Geistige Forschung“ gearbeitet. lichung der Hochschultexte aus einer Oppo- und ermutigte die Vermittler, vor Ort die akti- in die Hände des Vorbereitungskreises über- sitionshaltung gegenüber dem Goetheanum ven Hochschulmitglieder im Umkreis mehr in geben. Für seine verantwortlich durchgeführte In den Gesprächskreisen wurden die Arbeits- eingerichtet worden. In den Jahren nach der die Klassenarbeit einzubeziehen. Die erwähn- Arbeit wurde ihm sehr herzlich gedankt. erfahrungen der Anwesenden unmittelbar Jahrtausendwende wuchs dann wieder die Zu- ausgetauscht. Was über lange Zeiten selbst- sammenarbeit mit der Goetheanum-Leitung. Zurzeit arbeiten im Vorbereitungskreis mit: Irmela Bardt, Wolfgang Kilthau, Antje Putzke, verständlich erschien, verlangt heute nach er- Daran hatte auch Hartwig Schiller einen maß- Martin Schlüter, Florian Zebhauser neuerten Herangehensweisen (z. B. die Frage geblichen Anteil, der in einer Krisensituation der Erweiterung von Vermittler-Aufgaben auf mit anderen zusammen eine Aufbauarbeit in aktive Hochschulmitglieder oder der Wunsch die Wege leitete. Neben der inhaltlichen Ver- nach Einführungsmöglichkeiten neuer Hoch- tiefung der mantrischen Sprüche und Betrach- schulmitglieder). Ein weiteres Gespräch diente tungen der jeweiligen Hochschulsituation der inneren Vorbereitung der Klassenstunden. sind die Berichte aus der Allgemeinen Anth- Dabei zeigte sich eine individuelle Vielfalt, in roposophischen Sektion fester Bestandteil der der die Einstimmung auf die Inhalte der Mi- Treffen geworden. Claus-Peter Röh berich- 26 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 27
Anknüpfend an das Michaeli-Heft weitere Berichte aus den Zweigen Berichte aus den Zweigen kreis zusammen, besorgt dabei die Verwaltung zusammen mit einer neuen Mitarbeiterin und sie fand und findet weiter ihre Wege, so wie der iroschottische Wandermönch Columban hat die Zeit, in der coronabedingt keine größe- seinen Weg von Irland nach Italien fand und ren Veranstaltungen organisiert werden konn- dabei am Bodensee wichtige Impulse setzte. ten, genutzt, um sich intensiv mit den Fragen Für den Initiativkreis des Columban-Zweiges, nen fast 50 Jahren in unterschiedlicher Weise zu beschäftigen, die vermutlich alle Zweige Julia Kienitz, Überlingen ZWEIG ÜBERLINGEN stattgefunden. Von regelmäßigen, monatli- bewegen: Wie wollen wir zusammenarbeiten? chen Treffen von Vertretern der Gruppen, dem Welche Themen interessieren die Mitglieder? gemeinsamen Feiern der Jahresfeste, Ausflü- Wie kommen wir in Kontakt mit jüngeren gen in die umliegenden Einrichtungen des Menschen und der Öffentlichkeit? Welche Ele- NIKODEMUS-ZWEIG Aus dem Leben des Columban-Zweiges in Bodenseeraumes, die auf anthroposophischer mente machen ein Fest, eine Veranstaltung le- GROSS-UMSTADT Überlingen am Bodensee Grundlage arbeiten, bis zu den jährlichen bendig? Welche Formen und Wege können wir Mitgliedertreffen: Die Bemühung, bei allen finden, um Orientierung und Nahrung für die Wenige Tage nach Himmelfahrt, am 17. Mai, Durststrecken, die durchzumachen waren, gegenwärtige Zeitsituation zu ermöglichen? ist in diesem Jahr Manfred Hahn, einer der sich gegenseitig trotz dieser Struktur wahrzu- prägenden Begründer des Columban-Zweiges nehmen, ist immer neu unternommen worden. Mit dem Wunsch, möglichst viele Gruppen zu Unser bescheidener Zweig arbeitet seit seiner Überlingen, über die Schwelle gegangen. Im besuchen und in ihrer Arbeit wahrzunehmen, Gründung 2010 sehr bewusst aus den Ur- Zugehen auf die Gründung der Freien Wal- Maßgeblich mit dazu beigetragen hat der soge- haben wir als Initiativkreis unsere ersten täti- sprungsimpulsen anthroposophischen Zweig- dorfschule Überlingen 1972, die sehr auch nannte Initiativkreis, der sich am Anfang aus gen Schritte getan und sind in regen Austausch lebens. Darunter verstehen wir im Substanz dem tatkräftigen Impuls von Manfred und Vertretern einiger Gruppen zusammensetzte. mit vielen Mitgliedern gekommen. Ebenso bildenden Erkenntnisstreben die ernste Pflege Cornelia Hahn zu verdanken ist, lebte in der Später waren es Menschen, denen es ein großes konnten wir trotz der widrigen Umstände gut des Wesens Anthroposophia und im sozialen Gründergruppe die Frage: Wer ist der Genius Anliegen war, die anthroposophische Arbeit besuchte Oster- und Johannifeiern durchfüh- Miteinander das tiefe Interesse an individu- Loci dieses Ortes? Manfred Hahn war vertraut als Veranstalter von Vorträgen, Seminaren, ren und dabei spüren, wie kostbar die gegen- ellen Fragen, die heute Menschen geistig-see- und geschult mit den Gesetzen der geistig-so- Ausstellungen und künstlerischen Aufführun- seitigen Begegnungen geworden sind. lisch bewegen. Da beides wohl allen Zweigen zialen Gemeinschaftsbildung. So griff er diese gen öffentlich sichtbar zu machen und zugleich ein allgemeines Bestreben ist, berichten wir Frage auf und fand durch einen Hinweis Ru- die Begegnung der Mitglieder bei diesen An- Auch wenn es für uns als neue Gruppe zu An- nur kurz, wie wir unsere Zweigaufgabe erfül- dolf Steiners die geistige Gestalt des Christus- lässen zu ermöglichen. Viel wertvolle Arbeit fang nicht einfach war, die dezentrale Struktur len und was uns dabei hilft, dem Charakter Eingeweihten Columban, dessen Impuls das wurde hier über viele Jahre hin geleistet, von unseres Zweiglebens zu überschauen, so hat- unseres Zweig-Selbstverständnisses gerecht zu Apostelprinzip war: Wenn mehr als 12 Men- einigen Menschen in großer Treue und mit ten wir doch den Eindruck, dass der Impuls werden (siehe auch: https://nikodemuszweig. schen zusammenwirkten, wurde eine neue großem Engagement über einen langen Zeit- von Manfred Hahn in den bewegten Zeiten, de/nikodemuszweig/wie-tun-wir-anthroposo- Gruppe gebildet. Insofern sind wir zwar ein raum hinweg. Im März 2020 bat dann bei in denen wir leben, seine Tragfähigkeit erwie- phie). Dazu drei Blickwinkel: Zweig mit momentan ca. 255 Mitgliedern, ar- einem außerordentlichen Mitgliedertreffen der sen hat. Kleine Gruppen bleiben in Zeiten von beiten jedoch in vielen einzelnen Gruppen an bisherige Initiativkreis um neue Mitarbeiter Verordnungsfluten beweglich und arbeitsfähig, Namensgebung den unterschiedlichsten Themen und Inhalten. für die Gestaltung des Zweiglebens. und auch wenn der Wunsch nach gegenseitiger Nikodemus ist der erste, der nach dem Mys- Wahrnehmung und Begegnung groß bei uns terium einer „Wiedergeburt aus dem Geiste“ Die gegenseitige Wahrnehmung der Arbeits- Seit Juni 2020 arbeitet der neu gebildete Kreis allen ist: Das wichtigste Anliegen ist die le- fragt und – als erster Meditant in der Chris- gruppen untereinander hat in den vergange- von inzwischen sechs Menschen im Initiativ- bendige Arbeit mit der Anthroposophie, und tussphäre – eine radikale Lebenswende voll- 28 ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. MIT TEILUNGEN – WEIHNACHTEN 2021 29
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