LANDES-WETTBEWERB 2016 ZUSAMMEN GEBAUT - WOHNEN: BEZAHLBAR VIELFÄLTIG ATTRAKTIV - Redaktions Netzwerk Hessen Agentur
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INHALTSVERZEICHNIS VORWORT Wettbewerb 2016 der Landesinitiative +Baukultur in Hessen.........................................4 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser, Baukultur in das öffentliche Bewusstsein zu bringen, das ist das Anliegen Standorte Wettbewerbsbeiträge.......................................................................................... 6 der Landesinitiative +Baukultur in Hessen seit ihrer Gründung vor mittlerweile 10 Jahren. Die Wettbewerbsbeiträge 2. Runde............................................................................................8 Wettbewerbe der Reihe ZUSAMMEN GEBAUT sind dabei ein wesentliches Format, um die Fachleute des Planens und Bauens in Hessen zu erreichen und gute Beispiele an die Öffentlichkeit zu bringen. Das Thema des Wett- Preisverleihung..................................................................................................................... 11 bewerbs 2016 ist der Wohnungsbau. Mit dem Untertitel „bezahlbar, vielfäl- tig, attraktiv“ wurde der Fächer aufgespannt, der heute beim Thema Woh- Grußworte.............................................................................................................................12 nen wichtig ist: Die Menschen müssen sich die Wohnungen leisten können, der Wohnraum muss unterschiedlichen Lebensentwürfen und -phasen ge- recht werden und die Wohngebäude stehen in wahrnehmbarer Beziehung Anerkennungen....................................................................................................................14 zu ihrer Umgebung. Sie prägen über viele Jahre das Erscheinungsbild der Städte und Dörfer und damit das Lebensumfeld der Menschen. Es sollte K76, Darmstadt.....................................................................................................................15 uns also nicht gleichgültig sein, wie sie aussehen. Ich bin mir sicher, dass Sie bei der Durchsicht dieser Broschüre auf Wohn- CUBITY, Frankfurt am Main..................................................................................................16 bauten stoßen, die Sie berühren und neugierig machen. Wir hoffen, Ihnen dabei weiterführende Informationen und Ansprechpartner an die Hand geben zu können. Auszeichnungen................................................................................................................... 17 So richtig lebendig werden Wohngebäude erst durch ihre Bewohner und die Nachbarschaft. Bei Neubauten braucht diese Lebendigkeit häufig ein Goethestraße 154, Kassel....................................................................................................18 wenig Zeit. Im Bestand eines gewachsenen Viertels ist dies oft wesentlich einfacher zu erreichen – ein Plädoyer für das Weiterbauen im Bestand. Die Friedrich-List-Straße, Frankfurt am Main............................................................................22 Beispiele zeigen aber auch: Im Neubau wird mutig experimentiert. Neue Kooperationen bei Planung und Bau oder Modelle gemeinschaftlichen Wohnens bieten übertragbare Lösungsansätze für die heute dringend an- Horasbrücke, Fulda..............................................................................................................26 stehenden Aufgaben beim Wohnungsbau. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Wettbewerbsteilneh- Rhönhof, Tann.......................................................................................................................30 merinnen und Wettbewerbsteilnehmern, die uns mit ihren engagierten Pro- jekten zeigen, wie vielfältig man mit der Aufgabe Wohnraum zu schaffen Kasseler Modell, Kassel........................................................................................................34 umgehen kann, aber auch welche hohe Verantwortung für das Wohl der Menschen darin liegt. Auch der Jury möchte ich meinen Dank aussprechen. Die Herausforderung, allen Beiträgen gleichermaßen gerecht zu werden, Dank.......................................................................................................................................38 wurde von allen Beteiligten sehr ernst genommen. Die Arbeiten in ihrem jeweiligen Kontext zu vergleichen – hier reichte das Spektrum von der Die Landesinitiative +Baukultur in Hessen........................................................................39 Frankfurter Innenstadt bis zum Fachwerkhaus in der ländlichen Rhön – war nicht einfach. Am Ende kristallisierte sich eindeutig heraus, worin die Jury zukunftsweisende Konzepte, nachahmenswerte Beispiele oder mutige Ex- Impressum............................................................................................................................. 41 perimente sieht, die für Baukultur in Hessen stehen. Ich wünsche anregende Lektüre und möchte Sie ermuntern, die Wohnbau- Bildnachweise....................................................................................................................... 41 ten vor Ort in Augenschein zu nehmen und ihrer Wirkung nachzugehen. Denn: Mit Architektur und Baukultur verhält es sich ähnlich wie mit Sprache. Sie prägt uns, bevor wir darüber nachdenken. Dr. Thomas Schäfer Hessischer Minister der Finanzen
oder im Umbau des Bestandes. Ziel des dass sich die Wettbewerbsbeiträge nicht nur vierten Wettbewerbs in der Reihe ZUSAM- auf die großen Städte in Hessen beschrän- MEN GEBAUT war es daher, beispielhafte ken. Auch im kleinstädtischen Kontext sind und innovative Wohnbauten in Hessen Konzepte gefragt, die mit der demografi- auszuzeichnen, welche die o. g. Themen schen Entwicklung umgehen und die aufgreifen. Dabei geht es einerseits um Lebensbedingungen fern der Metropolen übertragbare Lösungen, andererseits um verbessern. Insgesamt beeindruckte das mutige Experimente. Der Aspekt der weite Spektrum der Beispiele vom dörflichen Kosteneinsparung wurde dabei auf unter- Fachwerkhaus bis zu hochverdichteten schiedliche Weise eingelöst: Einfache, aber großstädtischen Projekten. Jedes ist dabei dauerhafte Bauweisen, kluge und anpassbare auf seine eigene Art und Weise komplex. Grundrisslösungen, sparsame Flächeninan- Gestartet wurde der Wettbewerb im zeitigen spruchnahme, aber auch neue Modelle des Frühjahr 2016. Die Firmen RINN Beton- und Mitanpackens und weitsichtige energetische Hessens Umweltministerin Priska Hinz: „Woh- Naturstein GmbH & Co. KG und Dyckerhoff Ertüchtigung spielten dabei eine Rolle. Es nungsbau soll unterschiedlichen Lebensentwür- GmbH unterstützten das Verfahren, indem wurde deutlich, dass die meisten Beiträge fen Raum geben und zentrale Themen wie den sie Räumlichkeiten für die Jurysitzungen und eher auf dauerhaft tragfähige Lösungen Klimawandel und die demografische Entwicklung Geldmittel für Preise zur Verfügung stellten. setzen, als der Kostenersparnis um jeden berücksichtigen. Die Preisträger zeigen hierfür Mit Ende der Abgabefrist im April wurden 37 Preis den Vorrang zu geben. Deutlich wurde wegweisende Beispiele auf.“ Wettbewerbsbeiträge eingereicht. Die Jury auch, dass das Wohnumfeld, die Einbindung aus Vertreterinnen und Vertretern der in das Quartier, die Anbindung an soziale Initiatoren der Landesinitiative +Baukultur in Infrastruktur, die Versorgung und die Hessen und weiteren Fachexperten (vgl. Mobilität der Bewohnerinnen und Bewohner Seite 38) tagte am 1. Juni 2016 in den weit oben in der Aufmerksamkeit der Planer Räumlichkeiten der historischen Werkskantine und Bauherren stand. Erfreulich ist dabei, der Firma Dyckerhoff. 4 5 Wettbewerb 2016 der Landesinitiative +Baukultur in Hessen Dabei wurden neun Beiträge für die 2. Phase des Wettbewerbs zugelassen. Im Fokus der die Plaketten und Urkunden. Mitglieder der Jury hielten jeweils eine Laudatio zu den fünf Preisgerichtssitzung standen die fünf folgen- Preisträgern. Alle neun Finalisten sind in „ZUSAMMEN GEBAUT – WOHNEN: BEZAHLBAR VIELFÄLTIG ATTRAKTIV“ den Bewertungskriterien: dieser Dokumentation ab Seite 8 dargestellt. · Qualität von Städtebau und Architektur Eine Übersicht über alle 37 eingereichten Der vierte Wettbewerb der Reihe Heute sind die Fragen nach bezahlbarem · Strategien und Maßnahmen zur Projekte bieten Karte und Liste auf den ZUSAMMEN GEBAUT der Landesinitiative und hochwertigem Wohnraum, die demo- Bezahlbarkeit von Wohnraum Seiten 6 und 7. +Baukultur in Hessen widmete sich dem grafische Entwicklung und der Klimawandel · Umgang mit Ressourcen in Planung Das Bemühen um guten, bedarfsgerechten Wohnen und damit unseren Lebens zentrale Herausforderungen unserer und Umsetzung und bezahlbaren Wohnungsneu- und umbau räumen der Zukunft. Gesellschaft. Baukultur ist dabei ein Schlüs- · Berücksichtigung demografischer ist eine Daueraufgabe. Lokal angepasste sel, um eine Umwelt zu schaffen, die als Entwicklungen und sozialer Aspekte Das Wohnen prägt auf vielfältige Weise Lösungen, bei der alle Akteure zusammen lebenswert empfunden wird. Dabei geht es · Formen der Kooperation unsere gesellschaftliche Kultur und arbeiten, führen zu langfristig tragfähigen nicht nur um die ästhetische Dimension der Lebenswelt. Aus immobilienwirtschaftlicher Ergebnissen mit gut nutzbaren Wohnungen Wohnungen, der Häuser und des Wohnum- Sicht ist eine Wohnung ein Wirtschaftsgut. In der darauffolgenden Überarbeitungs in einem lebenswerten Wohnumfeld. Der feldes – auch die emotionale, die soziale und Eine Wohnung zu haben, bedeutet aber phase erstellten die neun Finalisten Poster Wettbewerb der Landesinitiative +Baukultur die ökologische Dimension sind elementar auch geschützt und sesshaft zu sein und mit den wesentlichen Daten, ergänzt um in Hessen gewährt einen Einblick in die für einen gesellschaftlichen und ökonomi- ist Teil unserer Identität. Die Schaffung von textliche Erläuterungen und eine Kosten Bandbreite der Möglichkeiten, aber auch schen Mehrwert der Bauwerke. Gelungene Wohnraum ist ein vielschichtiges Thema aufstellung. Am 13. Juli 2016 tagte die Jury der Herausforderungen. Hierfür sei allen Wohngebäude und ihr Umfeld leisten einen mit langfristigen Wirkungen. Die vergan- erneut und kürte fünf Auszeichnungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr entscheidenden Beitrag zur Lebensqualität, genen Epochen der Siedlungsgeschichte (Plakette und Urkunde, S. 18ff.) und zwei herzlich gedankt. zur Unverwechselbarkeit unserer Städte und zeigen – mit unterschiedlichen Schwerpunk- Anerkennungen (Urkunde, S. 15ff.). Die Dörfer und zu ihrem Erscheinungsbild. ten – deutlich die engen Verflechtungen Preisverleihung fand am 18. Oktober 2016 im von Wohnraumversorgung, Infrastruktur, Das Land Hessen steht vor der Herausforde- Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt Die Initiatoren der Landesinitiative Mobilität, Freiraum und Stadtgestalt. rung, in Stadt und Land mehr bezahlbaren am Main statt. Priska Hinz, Hessische +Baukultur in Hessen Wohnraum zu schaffen, sei es im Neubau Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz, ü berreichte
AUSZEICHNUNGEN KASSEL Sanierung des Mehrfamilienhauses Goethestraße 154 Das Kasseler Modell – von der Flüchtlingsunterkunft zur Mietwohnung von morgen FRANKFURT AM MAIN Friedrich-List-Straße – Riederwald- Siedlung FULDA Neubau Wohnbebauung Horasbrücke 2x TANN (RHÖN) Rhönhof Tann – innovatives Wohnen im ländlichen Raum KASSEL ANERKENNUNGEN DARMSTADT K76 – Gemeinsam Wohnen am Park FRANKFURT AM MAIN CUBITY – Energy Plus and 1x Modular Future Student Living SCHWALMSTADT 3x 2. RUNDE MARBURG FRANKFURT AM MAIN Wohnen auf Naxos HANAU Günstiges Wohnen im denkmalgeschützten Hafen 1x HERBORN 1x LAUTERBACH 2x TANN WEITERE TEILNEHMER FULDA 1x FRANKFURT AM MAIN “LADY DI`S LOVE AFFAIR” FamilienSinn – 7 innerstädtische Nachverdichtung Riedberg 02 Wohnbebauung im Quartierszentrum Heinrich-Lübke-Siedlung Wohn- und Geschäftshaus „Oskar 3“ Neubau mit Kindertagesstätte und Studierendenwohnheim Sanierung eines Reihenmittelhauses (May-Siedlung) (Ffm Praunheim) Studierenden- und Zollbedienstetenwohnheime Hansaallee Wesner – 1x Revitalisierung ehemaliger Gewerbeflächen (Ffm Höchst) Neubau von 13x 4x HANAU 2 Mehrfamilienhäusern mit 27 Wohneinheiten (Ffm Kalbach) MAINZ FRANKFURT AM MAIN 1x KOSTHEIM Punkthäuser Gartenstadt-Siedlung Kostheim OFFENBACH GWH Wohnanlage Rhönstraße SCHWALMSTADT steingasse29plus WIESBADEN OFFENBACH WIESBADEN Hausgruppe Christian-Morgenstern-Straße Quartiersentwicklung Neubau Dantestraße Studentenwohnheim 6X Sonnenblumenweg HERBORN Neubau von 57 Wohnungen und 2 Büro- DARMSTADT und Gewerbeeinheiten LAUTERBACH Nutzungsänderung Kaufhaus in ein Wohn- und Geschäftsgebäude FULDA Gartenhäuser MARBURG 1x Umbau und Sanierung des Studentenwohnheimes „Ritterstraße 13“ ERBACH Umbau und Sanierung des Studentenwohnheimes „Dr.-Carl-Duisberg- Haus“ Neubau von 24 Wohnungen, barrierefrei und errichtet im Rahmen des öffentlich geförderten Wohnungsneubaus DARMSTADT WohnArt3 Generationen übergreifendes Mieterprojekt Wohnhaus Rüdesheimer Straße 98 NachDenkHaus Studentenwohnanlage mit Kindertagesstätte Karlshof Umbau und Sanierung eines denkmalgeschützten Scheunen-/Stallgebäudes zum Wohnhaus ERBACH Mümlingquartier Residieren am Fluss
Wohnen auf Naxos, Frankfurt am Main WETTBEWERBSBEITRÄGE 2. RUNDE Lage: zentral im Nordend Auf den folgenden Seiten werden die neun Finalisten des Wettbewerbs ZUSAMMEN Fertigstellung: 2013 GEBAUT – Wohnen: bezahlbar, vielfältig, attraktiv in Steckbriefen beschrieben. Dabei wird den fünf ausgezeichneten Beiträgen etwas mehr Raum gegeben. Dies kann jedoch Bauherr: ABG Frankfurt Holding, Frankfurt am Main einen Besuch vor Ort nicht ersetzen, so dass die Landesinitiative +Baukultur in Hessen Entwurf: Stefan Forster Architekten, Frankfurt am Main ausdrücklich dazu einladen möchte, die Projekte vor Ort in Augenschein zu nehmen. Der Wettbewerb richtete sich an private und öffentliche Bauherren, Architektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieure, Planerinnen und Planer sowie an Unternehmen. Inmitten des Frankfurter Nordends ist auf dem ehemaligen Eingereicht wurden sowohl Neubau- als auch Umbau- und Modernisierungsprojekte mit Fabrikgelände der Naxos-Union ein neues Wohnquartier im Miet- oder Eigentumswohnungen, darunter Mehrfamilienhäuser im Geschosswohnungsbau, Passivhausstandard entstanden. Das Wohnungsbau-Projekt der Häusergruppen in Siedlungen, Wohn- und Geschäftshäuser mit gemischter Nutzung sowie ABG mit insgesamt 116 Wohnungen trägt dem prägenden Wohnprojekte in bislang gewerblich genutzten oder in ehemals leer stehenden Gebäuden. Baumbestand entlang der Wingertstraße Rechnung. Zum Erhalt dieser Bäume wurde die Kammstruktur der Anlage mit ihrer Beteiligt haben sich Architekturbüros, öffentliche Wohnungsbaugesellschaften, gemeinschaft- breiten Vorgartenzone entwickelt. In den fünf Höfen sind jeweils liche Wohnprojekte, Genossenschaften, Studentenwerke, Bauträger, Privatleute und Stiftungen. die Privatgärten der Erdgeschosswohnungen angeordnet. Die Rückseite der Anlage orientiert Die Bewerbungen stammen aus allen hessischen Landesteilen, und zwar nicht nur aus großen, sich zur denkmalgeschützten Naxoshalle, einer ehemaligen Schleifmittelfabrik, die seit dem sondern auch aus kleineren Städten. Ende der 1980er Jahre außer Betrieb ist und heute das Theater Willy Praml beherbergt. An der Ecke von Wingertstraße und Wittelsbacherallee wird der Block mit einem Eckhaus konventionell geschlossen. In dem Gebäudeensemble vereinen sich nun historische Industrie fläche, gewachsenes Wohnviertel und moderne Wohnarchitektur. Es entstand ein Ensemble, welches sich an traditionellen Stadträumen orientiert. Das zertifizierte Passivhaus reduziert Wärmeverluste auf ein Minimum durch Dämmstoffstärken von mindestens 30 cm und 3-Scheiben-Wärmeschutzverglasung. Außerdem wird durch Geo thermie Wärmegewinn erzielt, eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe sorgt für die Beheizung. 8 9 Die Wettbewerbsreihe ZUSAMMEN GEBAUT thematisiert in ihren Wettbewerben – die alle zwei Jahre von der Landesinitiative +Baukultur in Hessen durchgeführt werden – nicht allein Günstiges Wohnen im denkmalgeschützten Hafen, das fertiggestellte Bauvorhaben, sondern immer auch den Prozess sowie die Akteurinnen und Hanau Akteure beim Planen und Bauen. „Dialogorientierte Herangehensweisen ab Beginn der Planungen und Kooperationen, die einerseits gute Architektur ermöglichen und andererseits Lage: zwischen Industriegebiet am Main und Innenstadt den komplexen sozialen, ökologischen und ökonomischen Zusammenhängen in den Quartie- Fertigstellung: 1925/1926 ren gerecht werden, sind von besonderem Interesse für die Lösung der aktuellen Bauaufga- ben“, sagte die hessische Umweltministerin Priska Hinz bei der Preisverleihung. Bauherr und Konzepterarbeitung: Baugesellschaft Hanau mbH Beworben hatten sich insgesamt 37 Projekte. Fünf von ihnen erhielten anlässlich der Preisver- leihung am 16. Oktober 2016 im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main eine Plakette, die am Bauwerk befestigt werden kann, und ein Preisgeld, das den ausgezeichneten Das in den 1920er Jahren errichtete Gebäude am Hanauer Mainhafen liegt südöstlich des Projekten zu Gute kommen soll. Zwei weitere Projekte erhielten eine Anerkennung in Form Stadtkerns und nahe des Mains. Durch die Barrierewirkung der vielbefahrenen B43 und einer Urkunde. Das Preisgeld in Höhe von insgesamt 5.000 Euro wurde von den Firmen RINN der Bahntrasse entstand eine Insellage, die zudem stark von Verkehrslärm betroffen ist. Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG und Dyckerhoff GmbH zur Verfügung gestellt. Beide Unternehmen setzen sich für nachhaltiges Bauen ein. Der unter Denkmalschutz stehende monumentale Hafenkomplex wurde in den 1920er Jah- ren als Wohnort für Arbeiter, Angestellte und Beamte des Hanauer Mainhafens erbaut. Die Wettbewerbsbeiträge, die es nach der fachkundigen Auswahl der Jury in die zweite Runde Das Ensemble aus drei- bis fünfgeschossigen Gebäuden beherbergte 24 Zweizimmer-, 67 geschafft hatten, wurden von einzelnen Jurymitgliedern in der Überarbeitungsphase vor Ort Dreizimmer- und acht Vierzimmerwohnungen, nur teilweise mit eigenen Bädern. Die Woh- besichtigt, so dass dieser Eindruck in die Bewertung der Jurysitzung einfließen konnte. nungen entsprechen nicht mehr den heutigen Standards. Durch den großen Sanierungs- stau und die dezentrale Lage ist in den letzten Jahren ein hoher Leerstand entstanden. Die Baugesellschaft Hanau möchte mit einem neuartigen Konzept am Hafenplatz wieder eine Immobilie mit zeitgemäßen Wohnstandards und anderen Nutzungen schaffen. Das Konzept wurde in einer Arbeitsgruppe erarbeitet, die auf der Grundlage einer gründli- chen Bestandsaufnahme unterschiedliche Szenarien entwarf. Verschiedene Umbau- und Sanierungsarbeiten wurden daraufhin von der Baugesellschaft Hanau ausgeführt. Die Wohnungen werden nun in unterschiedlichen Stufen zu günstigen Preisen zum Selbst- ausbauen vermietet. Ein wichtiges Element ist das Einbeziehen bestehender Kunst- und Kulturinitiativen, die den Standort mitgestalten und dauerhaft beleben werden.
PREISVERLEIHUNG IM DEUTSCHEN ARCHITEKTUR- MUSEUM 10 LANDES- 11 WETTBEWERB 2016 ZUSAMMEN GEBAUT – WOHNEN: BEZAHLBAR VIELFÄLTIG ATTRAKTIV
GRUSSWORTE Landesinitiative +Baukultur in Hessen Preisverleihung im Deutschen Architekturmuseum Priska Hinz, Hessische Ministerin innovative Herangehensweisen, konkrete für Umwelt, Klimaschutz, Landwirt und praktikable Lösungsmöglichkeiten und schaft und Verbraucherschutz nachahmenswerte Beispiele. So kann eine gute Wohnqualität gewährleistet werden Der Wettbewerb „WOHNEN – bezahlbar, für die Menschen, die in Hessen leben vielfältig, attraktiv“ ist nunmehr der vier- und leben möchten. Solche Ideen hat der te Wettbewerb in der Reihe ZUSAMMEN Wettbewerb „WOHNEN: bezahlbar, vielfäl- GEBAUT der Landesinitiative +Baukultur in tig und attraktiv“ gesucht und gefunden: Hessen. Alle zwei Jahre haben wir bisher ei- nen Wettbewerb durchgeführt und Beispiele Ich freue mich, dass 37 Wettbewerbsbei- guter Baukultur in Hessen ausgezeichnet. träge eingegangen sind, die übertragbare Lösungen und auch mutige Experimente Der Begriff „ZUSAMMEN GEBAUT“ ver- zeigen. Der Jury war es ein großes Anliegen, körpert das Anliegen der Landesinitiative: allen Arbeiten gleichermaßen gerecht zu Sie thematisiert nicht allein das fertigge- werden. Das war keine leichte Aufgabe. stellte Bauvorhaben, sondern immer auch Wichtig waren dabei die Fragen: Stellt das den Prozess des Bauens und die Einbin- Projekt einen relevanten Beitrag zur Lösung dung der verschiedenen Akteurinnen und Akteure beim Planen und Bauen. des aktuellen Engpasses an bezahlbarem 13 Mietraum dar? Welche Lösung weist in die Hier sind einerseits die Fachdisziplinen zu Zukunft? Welches Projekt setzt Innova nennen, andererseits auch die Behörden tionen um – bautechnisch oder in Bezug auf und Bauherren, aber vor allem die Nut- die Wohnform? Welche Lösungen sollten zerinnen und Nutzer der Bauwerke. Alle in Hessen häufiger angewendet werden? haben eigene Interessen und unterliegen Die Preisträger zeigen wegweisende bestimmten Zwängen: ökonomische Vor- Beispiele für den künftigen Wohnungsbau gaben, rechtlicher Rahmen, ökologische in Hessen auf. Lassen Sie sich von diesen Anforderungen und soziale Bedürfnisse. Lösungen inspirieren und setzen Sie sich für noch mehr vorbildliche Projekte zur Dialogorientierte Herangehensweisen ab Lösung der Wohnungsfrage in Hessen ein! Beginn der Planungen und effektive Ko- operationen im gesamten Prozess machen Dabei ist es uns nicht egal, wie unsere es möglich, diese Aspekte zu berücksich- Wohnungen und Häuser aussehen! Sie tigen und nachhaltige, architektonisch sind das Gesicht unserer Städte und Dörfer, gute Lösungen zu entwickeln. Aber was ist und wir wollen uns darin wohl fühlen! „architektonisch gut“? Gute Räume geben Dass Qualität nicht teuer sein muss – das Dr. Annette Becker, uns Geborgenheit, in guten Räumen fühlen beweisen die Preisträger-Projekte, die nun Kuratorin im Deutschen Architekturmuseum wir uns wohl. Schlechte Räume belasten vorgestellt werden. in Frankfurt am Main und Mitglied der Jury uns oder machen uns Angst. „Räume“ sind Baukultur ist kein Luxus, und sie entsteht dabei nicht immer von Wänden umgeben. nicht zufällig. Die Landesinitiative +Bau- Auch die Freiräume und das Wohnumfeld „Der Preis der Landesinitiative +Baukultur in Hessen kultur in Hessen – deren Federführung im sind entscheidend für die Lebensqualität drückt Anerkennung aus. Er steht für Wertigkeit nächsten Jahr beim Hessischen Finanz in unseren Städten und Gemeinden. Das und Qualität der ausgezeichneten Projekte und ministerium liegen wird – setzt sich weiterhin müssen wir bedenken, wenn wir in Stadt gibt Anregungen für zukünftige Planungen. Die für dieses Verständnis ein. Dafür danke ich und Land mehr bezahlbaren Wohnraum Ansprüche an den Wohnungsbau sind immens, allen Initiatorinnen und Initiatoren, die seit schaffen. Wohnungsbau soll zudem unter- jedem einzelnen Wettbewerbsbeitrag gilt daher 2007 verlässliche Partner der Initiative sind. schiedlichen Lebensentwürfen Raum geben der Respekt und die Hochachtung der Jury.“ und zentrale Themen wie den Klimawandel und die demografische Entwicklung berück- sichtigen. Dafür sind neue Ideen gefragt,
ANERKENNUNGEN K76 – Gemeinsam Wohnen am Park, Darmstadt Lage: zwischen Innenstadt und Darmstadt-Bessungen Fertigstellung: 2017 Bauherr: K76 eG Entwurf: werk.um architekten, Darmstadt Die 18 Einheiten im Haus sind so konzipiert, dass sie sowohl für sich wie auch gekoppelt genutzt werden können, nebeneinander und übereinander in verschiedenen Varianten. D.h., der Wohnraum kann sich an veränderte Lebensbedingungen anpassen: Zum Einzug wird die große Wohnung mit vielen Kindern genutzt und sobald der Nachwuchs in die Welt geht, kann untervermietet oder die Wohnfläche reduziert werden. Durch den Ausbau in Leichtbauweise sind spätere Umbauten ohne großen Aufwand möglich. Die veränderbare Struktur macht eine vielfältige Nutzung möglich. Entsprechend weit gefächert ist daher auch die Struktur der ersten Bewohnerinnen und Bewohner. Aufgrund der Laubengangerschließung mit Aufzug können alle Wohnungen barrierefrei erschlos- sen werden. Die eingeschossigen Wohnungen werden zum Großteil barrierefrei geplant. Die nachzuweisenden Stellplätze werden nur zum geringen Anteil von privaten PKW belegt. Angestrebt wird eine Kooperative mit einem Car-Sharing Anbieter. Auf der erwarteten freien Fläche der Hälfte der Stellplätze werden langfristig Angebote für die Nachbarschaft geschaffen, wie z. B. Werkstätten. LANDES- 14 15 WETTBEWERB LANDES- 2016 WETTBEWERB Ungewöhnlich ist das Heizsystem: Das Haus hat zeitgemäß einen sehr geringen Heizenergie bedarf von 17 kWh/m2a. Die wenige Restenergie, die bereitgestellt werden muss, kann dezentral abgerufen werden: mit Infrarot-Stromheizung und Durchlauferhitzern. So hängt es wesentlich vom Verhalten der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer ab, wieviel Strom verbraucht wird (eine Photovol- ZUSAMMEN 2016 taik-Anlage befindet sich auf dem Dach). Dem Garten kommt eine besondere Bedeutung zu. Im dicht bebauten Stadtumfeld stellt er für die Bewohnerinnen und Bewohner (auch durch den angrenzenden Park) eine echte Oase dar, die als Erweiterung des knapp gehaltenen Wohnraums im Sommer dient. Eine Außenküche, ein ZUSAMMEN GEBAUT – GE- geplanter Kamin-Pavillon, Sitz- und Aufenthaltsmöbel laden zum Freiluftleben ein. Die Grünflächen werden gemeinschaft- lich genutzt und bewirtschaftet. Mittelfristig ist geplant, vom Garten aus im Park Impulse zu setzen. So sollen ein Spielgerä- BAUT: WOHNEN- WOHNEN: teverleih, eine Waschgelegenheit und ein WC eingerichtet werden, damit der sehr schöne und wenig genutzte Park attraktiver für Darmstadt wird. Die Rechtsform der Genossenschaft trägt die Prinzipien der BEZAHLBAR Selbstverwaltung und Selbstverantwortung in sich. D.h., die Bewohnerinnen und Bewohner in K76 wohnen, leben und finanzieren gemeinschaftlich, dabei trägt jedes Mitglied Verantwortung für sich und für die Genossenschaft. VIELFÄLTIG ATTRAKTIV
AUSZEICHNUNGEN CUBITY – „ENERGY PLUS AND MODULAR FUTURE STUDENT LIVING“, Frankfurt am Main Lage: Niederrad Fertigstellung: 2014/2016 (das Gebäude hatte seine Premiere zum European Solar Decathlon 2014 in Paris/Versailles und wurde 2016 in Frankfurt-Niederrad wiederaufgebaut) Bauherr: Nassauische Heimstätte Entwurf: Studierende des Fachbereichs Architektur der TU Darmstadt, betreut von Prof. Dipl.-Ing M. Arch. Anett- Maud Joppien und Prof. Dipl.-Ing. M. Sc. Econ. Manfred Hegger (†), TU Darmstadt Das Forschungsvorhaben „Energy Plus and Modular Future Student Living“ zielte auf die Entwicklung und die Realisierung eines innovativen Konzeptes zum Studentischen Wohnen. Die Zieldefinition, das studentische Wohnprojekt im Plus-Energiestandard planen und errich- ten zu wollen, stellte zusammen mit den Anforderungen nach Modularität, Mobilität, Flexibili- tät, Wirtschaftlichkeit und Ressourceneffizienz angesichts der wechselseitigen Abhängigkeiten eine sehr große Herausforderung dar. Die Leitidee „Dorf im Haus“ ging davon aus, dass beim studentischen Wohnen die Bedürfnisse nach Privatheit berücksichtigt werden müssen, die gemeinschaftlichen Aktivitäten aber im Mittelpunkt stehen. Die architektonische Umsetzung dieser Idee folgt einem additiven Entwurfsprinzip: Auf einer Plattform mit einer Grundfläche von 16 x 16 Meter gruppieren sich LANDES- zwölf Wohnkuben auf zwei Ebenen um einen zentralen „Marktplatz“. Die Kuben sind jeweils paarweise gestapelt, so dass sechs Kuben im Erdgeschoss und weitere sechs im Oberge- schoss erschlossen werden. 16 17 WETTBEWERB LANDES- Die transluzente, von den Wohnkuben abgelöste Fassade aus Mehrkammer-Polycarbonat paneelen umschließt die Halle. So bilden die Wohnkuben ein „Volumen im Raum“ um den zentralen Marktplatz. Zwischen Fassade und Wohnkuben bleibt Raum für halbprivate Zwi- schenzonen und kleinere Gemeinschaftsbereiche wie die Küche oder die darüberliegende Lounge auf der Empore in einer Ecke des Gebäudes. 2016 WETTBEWERB Im Vergleich zur Nettogrundfläche der Halle (ca. 225 qm) sind die privaten Wohnkuben mit jeweils 7,63 Quadratmeter klein. Sie sind jeweils mit einer vorgefertigten Sanitärzelle und Einbaumöbeln ausgestattet – ein optimierter privater Rückzugsraum. ZUSAMMEN 2016 GEBAUT ZUSAMMEN– GE- WOHNEN: BAUT: WOHNEN- BEZAHLBAR VIELFÄLTIG ATTRAKTIV
Goethestraße 154 – Energetische Sanierung und Modernisierung eines Mehrfamilien- hauses, Kassel Lage: am Rand der Innenstadt, im Stadtteil Vorderer Westen Bauherr: Vereinigte Wohnstätten 1889 eG, Kassel Fertigstellung: 1930, Modernisierung 2014 Entwurf: Clemens Kober Architekten BDA Ursprünge in den 1930er Jahren Der Wunsch nach „Licht, Luft und Sonne, nach einem freien, schönen Wohnen“ stand gleich zu Anfang in der Satzung des 1892 gegründeten Arbeiter-Bauvereins in Cassel, einer Ursprungs-Genossenschaft der Vereinigten Wohnstätten 1889. Der Verein wollte mit genossenschaftlichen Mitteln der Wohnungsnot begegnen und angemessene Heimstätten für seine Mitglieder schaffen. Das größte Bauprojekt des Vereins entstand in den 1920er Jahren an der damaligen Kaiserstraße, heute Goethestraße, als Teil einer Wohnan- lage, die die Genossenschaft sowie zwei gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften nach den Entwürfen der Ar- chitekten Fritz Catta und Otto Groth bauten. 1929 und 1930 errichtete der Arbeiter-Bauverein 225 Wohnungen in 18 19 der Goethestraße 124-154 und in der Friedrich-Ebert-Straße 215-239. Architektonisch setzten und Bewohner anzupassen. In die die fünfgeschossigen Gebäude mit ihren auffallenden Walmdächern Akzente. Der damalige Goethestraße 154 sind ältere Menschen Kasseler Stadtbaurat Erich Labes bezeichnete den Baustil als „aufgeklärten Traditionalismus“. eingezogen, die sich für ihren Lebens- abend ein überschaubares Refugium Für die Bewohner waren solche Fragen zweitrangig. Was sie anzog war der Komfort. Die Wohnun- wünschten und dafür ihre großen Woh- gen waren hell und großzügig geschnitten, ausgestattet mit Bädern, Kellern, Mansardenzimmern nungen in anderen Häusern der Vereinig- sowie Linoleum als Bodenbelag und als Novum mit zentraler Heizung und Warmwasserversor- ten Wohnstätten 1889 eG verließen. So gung. Noch heute kann man in den riesigen, etwa sieben Meter hohen Kohlebunker unter der wurde dringend benötigter Wohnraum für Erde steigen, in dem die Zentralheizung befeuert wurde. Wer hier eine Wohnung bezog, blieb Familien frei. Der Mehrwert der genossen- oft lange. schaftlichen Strategie steckt also nicht nur in der hochwertig sanierten Bausubstanz. Ältere Mitglieder und Familien bezogen Nach dem Zweiten Weltkrieg Wohnungen, die ihren Vorstellungen Bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus schwer beschädigt. Die Wohnun- entsprachen, ein altes Wohnquartier gen waren weitgehend zerstört. Fenster und Türen fehlten, die Tapeten hingen herunter. Lange bekam eine jüngere Bewohnerschaft. Zeit lagen Schutt, Steine und verkohlte Balken auf den Wohnungsdecken. Es dauerte mehrere Jahre, bis die Kriegsschäden am Haus beseitigt waren. Nach und nach wurden das Dach, die Fenster und Wohnräume erneuert. 1950 versorgte die Zentralheizung die Bewohnerinnen und Modernisierung Bewohner wieder mit Wärme und warmem Wasser. In den folgenden Jahrzehnten wurde das An den Ecken des Hauses Goethestraße Haus mit neuen Fenstern, Wasser-und Heizungsleitungen modernisiert. 154 wurden wieder die charakteristischen Sprossenfenster eingesetzt, mit denen die Planer vor gut 80 Jahren ästhetische Ak- Anpassung an heutige Bedürfnisse zente setzten. Die Belastbarkeit der alten Als in den 2010er Jahren deutlich wurde, dass erneut eine grundlegende Sanierung anstand, war Bausubstanz wurde eingehend geprüft, es das Ziel, alte Gebäude-Ensembles zu erhalten und sie den Bedürfnissen der Bewohnerinnen auch um den enormen Anforderungen
Auszug aus der Laudatio ENERGETISCHE (Peter Starfinger, Geschäftsführer der Ingenieurkammer Hessen und Mitinitiator der Landesinitiative +Baukultur in Hessen) SANIERUNG Die Sanierung des Mehrfamilienhauses Goethestraße 154 in Kassel zeigt, dass sich aktuelle Herausforderungen an das Bauen nur interdisziplinär lösen lassen. Brandschutz, Energie effizienz, Denkmalschutz oder Barrierefreiheit sind Themen, die bei diesem Projekt vorbildlich gelöst wurden. 20 21 des Brandschutzes zu genügen. Aktuellen Herausforderung für den Denkmalschutz Standards entspricht auch die Wärmedäm- Bereits in seiner Entstehungszeit entsprach das Gebäude den grundlegenden Wohnungsbau- mung. Jede Wohnung verfügt über eine kriterien„Licht, Luft und Sonne“. Für mehrere Generationen hat es diese Anforderungen sehr dezentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung. gut erfüllt. Auch heute gilt dies gleichermaßen. Darüber hinaus müssen viele weitere Anforde- Die größten Eingriffe erfolgten jedoch im In- rungen berücksichtigt werden. Insbesondere die Fenster über Eck oder die auskragenden nern des Gebäudes. Die Wohnungen wurden Balkonplatten stellten eine große Herausforderung für die energetische Sanierung dar. Die neu zugeschnitten. Auf jeder Etage befinden Balkone wurden daher thermisch mit Hilfe einer Stahlkonstruktion vom Gebäudekörper sich jetzt drei statt zwei Wohnungen, 15 ins- getrennt, so dass keine Wärmebrücke entstand. Auch vor dem Hintergrund des Denkmal- gesamt, jeweils 60 bis 70 Quadratmeter groß. schutzes ist auf diese Weise eine vorbildliche Lösung realisiert, mit der das historische Erschei- Dort, wo sich einst der Schornstein befand, nungsbild (Farben, Putze, Fenstergestaltung) wiederhergestellt und das Gebäude seiner wurde ein Aufzug eingebaut. Der Aufzug historischen Bedeutung gerecht wird. Auch die Lüftungsanlage ist komplett in das Sanierungs- gehört zu den baulichen Veränderungen, die konzept eingebettet worden, so dass ein integriertes Konzept entstanden ist, für das dieses das Haus barrierearm machen. Keine Stufen, Projekt v. a. ausgezeichnet wird. keine Schwellen, breite Durchgänge – das war Doch nicht nur ästhetisch, sondern insbesondere auch funktional kann die Anpassung an das Ziel. Die Bewohnerinnen und Bewohner heutige Erfordernisse überzeugen: Aus dem ehemaligen Zweispänner ist ein Dreispänner mit sollen sich auch dann noch problemlos in ihren Fahrstuhl geworden. Im Erdgeschoss sind die Wohnungen nun barrierefrei. In den darüberlie- Wohnungen bewegen können, wenn sie viel- genden Geschossen wurde auf Barrierearmut geachtet, so dass auch diese für ältere Men- leicht nicht mehr so mobil und möglicherweise schen besonders geeignet sind. auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Deshalb wurde barrierearm umgebaut. Es gibt offene Die Bewohnerinnen und Bewohner konnten in ihrem angestammten Quartier bleiben und sind Wohnbereiche, leichtgängige Schiebetüren heute sehr zufrieden mit ihren neuen Wohnungen und dem Wohnumfeld. und bodengleiche Duschen. Alles Dinge, die Gratulation für dieses behutsame, stimmige und vorbildliche Projekt. älteren Menschen den Alltag erleichtern.
Friedrich-List-Straße Riederwald- Alle Maßnahmen wurden in enger Zusammenarbeit mit der städtischen ABG FRANKFURT HOLDING und einem Forschungsteam des Instituts für Stadtbaukunst der TU Dortmund Siedlung – Frankfurt am Main entwickelt. Lage: Teil einer Siedlung aus den 1920er Jahren östlich der Innenstadt Städtebau und Architektur Bauherr: ABG FRANKFURT HOLDING Der heutige Zustand weist typische Defizite einer Siedlung der 1920er Jahre auf. Das ur- Fertigstellung: 1920er Jahre, Modernisierung 2016/2017 sprüngliche Gartenkonzept ist zerstört und der große Abstand der Zeilen von der Straße lässt keinen Straßenraum entstehen. Die ungenutzten Freiflächen vor und hinter den Häusern, die Entwurf: Christoph Mäckler Architekten in der Entstehungszeit der Selbstversorgung dienten, werden daher durch unterschiedliche architektonische Elemente zu ansprechenden und individuell nutzbaren Räumen umge- staltet. Straßen-, Platz- und Grünräume mit hoher Aufenthaltsqualität bilden die stadträum Ziele und Kooperation liche Grundstruktur des neuen Quartiers. Anbauten vor die bestehenden Zeilen dienen der Der Frankfurter Stadtteil Riederwald entstand zwischen 1910 Erweiterung der kleinen Wohnungen und tragen zur Verbesserung der bauphysikalischen und 1928 als Arbeitersiedlung, die bis heute in ihrer ursprüng- Eigenschaften der Außenwand bei. Neben den städtebaulichen Veränderungen im Umfeld lichen Form weitgehend unverändert erhalten geblieben stand vor allem eine Aufwertung der Häuser selbst im Fokus der Planungen. Dies gelang ist. Ziel der Sanierung von sechs Wohnzeilen mit insgesamt zunächst durch Zusammenlegung von mehreren Wohneinheiten. Dabei entstanden ver- 150 Wohneinheiten in der Friedrich-List-Straße war es, die schiedene, unterschiedlich strukturierte Wohnungen mit zwei bis fünf Zimmern und Größen, charakteristischen Defizite der Siedlung aufzulösen und ein die zwischen 50 und 95 Quadratmeter liegen. Sämtlichen Wohnungen wurde ein Freiraum modernes, attraktives Stadtquartier zu formen. Gezielte in Form eines Gartens, einer Terrasse oder eines Balkons zugeordnet. Jedes Haus erhielt so Umbaumaßnahmen in den Häusern, die Neustrukturierungen einen individuellen Charakter, der es den Bewohnerinnen und Bewohnern ermöglicht, sich der Wohnungsgrundrisse, identitätsstiftende architektoni- mit ihrem Haus zu identifizieren. Die Enden der Zeile wurden durch je zwei Anbauten erwei- sche und städtebauliche Maßnahmen und eine energetische tert und bilden mit der Zeile auf der gegenüberliegenden Straßenseite die städtebauliche Ertüchtigung steigern heute sowohl die Attraktivität der Figur. Insgesamt wurde der Anteil der gewünschten Dreizimmerwohnungen deutlich erhöht. einzelnen Wohnungen als auch des ganzen Quartiers. 22 23 Bezahlbarkeit von Wohnraum Durch immense Sparpotentiale für den Energie- verbrauch – statt 900 Euro fallen etwa für eine 50 Quadratmeter große Wohnung im Jahr nur noch Kosten von rund 200 Euro an – gelang es, die Kosten für den Wohnraum trotz gleichzeiti- ger Wohnwertverbesserung niedrig zu halten. Umgang mit Ressourcen in Planung und Umsetzung Sowohl die energetische Sanierung der Außenbau- teile als auch die Erneuerung der Gebäudetechnik sind besonders nachhaltig konzipiert. Entspre- chend der Vorgaben der EnEv 2009 bzw. darüber hinaus wurden die bestehenden Außenbauteile ertüchtigt. Dabei wurde bewusst auf den Einsatz von Verbundbaustoffen wie beim WDVS zuguns- ten einer dauerhaften Konstruktion verzichtet. Die Sanierung der Außenwände erfolgt durch die Vormauerung einer zweiten Außenmauer aus porosierten und mit Perlit gefüllten Mauerstei- nen. Die neu zu errichteten Anbauten wurden in einer massiven, einschaligen Mauerwerkskonstruk tion ausgeführt. Durch die Sanierung einer Zeile
werden laut B edarfsrechnungen ca. Auszug aus der Laudatio 60.000 kg CO2 weniger emittiert (im Vergleich zum Bestandsgebäude, (Prof. Georg Giebeler, Entwerfen im Bestand, Energieträger Gas). Für die Wär- Hochschule RheinMain, Wiesbaden) meerzeugung ist am Ende eines jeden Blocks im Kellergeschoss ein gasbetriebenes kleines Block- Man könnte fragen, worin die Bedeutung einer Sanierung von sechs Zeilen mit 150 Wohnun- heizkraftwerk vorgesehen. Alle gen im Frankfurter Osten liegt. Dieses Projekt löst jedoch beispielhaft ein Problem, das uns Anlagen werden zu einem virtuellen mengenmäßig sehr beschäftigt: Zeilenbauten der 1920er bis 1960er Jahre, die es massenhaft Kraftwerk zusammengeschlossen und geben den erzeugten Strom in das öffentliche Stromnetz ab. Berücksichtigung demografischer Entwicklungen und sozialer Aspekte Ziel des Modellprojekts Friedrich-List-Straße war es, mit der Modernisierung neue, sozialverträgli- che Grundrisse zu schaffen, die unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Dadurch wurden langjährige Bewohnerinnen und Bewohner an das Viertel gebunden, aber auch der Zuzug neuer Mieterinnen und Mieter ermöglicht. Wohnungen, die für heutige Ansprüche zu klein waren, wurden vergrößert, um die Siedlung auch für junge Familien wieder attraktiv zu machen. Nur so gelang der dauerhafte Erhalt der ehemaligen Arbeitersiedlung. 24 Stellplätze und in unseren Städten gibt und deren Sanierung ansteht. Gute Belichtung und Freiräume waren Mobilitätskonzept damals neue Qualitäten. Mieter entscheiden sich heute aber lieber für die – im Zweifel schlecht belichtete – Gründerzeitwohnung. Der Grund hierfür ist die fehlende Identität der Siedlungs- Neben dem direkten Wohnumfeld bauten. bestimmt die Erreichbarkeit eines Wohnortes dessen Attraktivität am meisten. Zugleich nehmen Umweltbe- Christoph Mäckler Architekten haben mit drei Maßnahmen zu einer neuen Identitätsbildung in wusstsein und eine kritische Distanz der Friedrich-List-Straße beigetragen: Die Eckbauten an den Köpfen der Zeilen sind ein gegenüber dem Individualverkehr in der geringfügiger Eingriff. Hiermit wird jedoch erreicht, dass der öffentliche Straßenraum eindeu- Bevölkerung zu. Das Mobilitätskonzept tig vom privaten Garten getrennt ist. Ein häufiges Manko von Zeilenbauten. Mit den Garten- trägt den unterschiedlichen Bedürfnissen häuschen wird der Raum zwischen Straße und Eingang gegliedert und sofort privater und Rechnung. Für den Zuwachs an Wohnun- geschützter. Außerdem verschwinden dort Fahrräder und Mülltonnen, so dass ein aufgeräum- gen wurden für alle sechs Zeilen zusätzli- ter Eindruck entsteht. Mit den Vorbauten und ihren Terrassen erhöht sich der Wohnwert der che Stellplätze nachgewiesen. In Koope- Wohnungen enorm. ration mit dem Carsharing-Unternehmen book-n-drive bietet die ABG FRANKFURT Die Gebäude sind phantastisch geworden. Das Projekt kann auch als vorbildlich im Einsatz von HOLDING zudem für alle Mieterinnen und ökologischen Materialien betrachtet werden, es ist nicht billig gebaut. Mieter Fahrzeuge an festen Standorten im Dank gilt also ebenso dem Bauherren, der Verständnis für städtebauliche Fragen und nach Quartier an. Diese Integration von haltige Lösungen bei der Materialwahl gezeigt hat. Wohnen und Carsharing entlastet das Wohnumfeld und schafft einen hohen Wohnwert innerhalb der Siedlung. In NACHHALTIGE Vernetzung mit dem fußläufigen, gut erreichbaren ÖPNV werden die unter- schiedlichen Mobilitätsangebote zu einem umfassenden Gesamtkonzept.
Wohnbebauung Horasbrücke, Fulda Lage: nordwestlich der Innenstadt, am Rande der Fuldaaue Bauherr: Siedlungswerk Fulda eG Fertigstellung: 2014 Entwurf: Sturm und Wartzeck, Dipperz Grundstück Das gut 10.000 Quadratmeter große Grundstück liegt knapp zwei Kilometer vom Stadtzentrum Fulda entfernt. Das Grundstück wurde nach dem Krieg zunächst als Halde für Trümmersteine genutzt, bevor es von einer Frauenberges und seiner gründerzeitlichen Villenbebauung umzugehen, ordnen sich die Gärtnerei erworben wurde. Gewächshäuser Gebäude mit ihren flachen Dächern in ihrer Höhenentwicklung unter und passen sich in ihrer und Beete bestimmten dann seit den 1950er Farbgebung der weißen Villenarchitektur an. Die städtebauliche Komposition der Baukör- Jahren das Areal. Für die bessere Nutzbarkeit per nimmt durch Vor- und Rücksprünge Bezüge zu den vor Ort befindlichen Volumina auf. der Flächen im Überschwemmungsgebiet wurde schon zu dieser Zeit eine ca. 1,5 Meter hohe Tragschicht auf den gewachsenen Boden aufgeschüttet. Nach Geschäftsauf- 26 HORASBRÜCKE 27 gabe der Gärtnerei wurde das Grundstück Verkehr und Freiflächen Anfang der 1990er Jahre veräußert und ein Das Areal ist über den Horaser Weg an das öffentliche Wegenetz angebunden. Auf dem erster Anlauf für eine Bebauung mit Doppel- Gelände erfolgt die Erschließung durch Privatstraßen, die als verkehrsberuhigte Spielstraßen häusern gestartet. Diese wurden jedoch nur gebaut sind. 34 Parkplätze werden gebündelt direkt neben der Einfahrt auf dem Gelände bis zur Bodenplatte realisiert. 2010 erwarb angeboten. Weitere 14 Stellplätze sind direkt den Häusern zugeordnet und werden bevorzugt das Siedlungswerk die Fläche samt Bauruine. an ältere oder beeinträchtigte Mieterinnen und Mieter vergeben. Das Areal wird direkt von Ausschlaggebend für die neue Investition einer Stadtbuslinie angefahren, die an den zentralen städtischen Busbahnhof anbindet. Eine an dieser Stelle waren sowohl die positi- attraktive Fahrradweganbindung in die Innenstadt durch die Grünanlagen der Fuldaaue ve Entwicklung der Stadt mit steigenden komplettiert das Angebot. Die südwestlichen Freiflächen vor den Gebäuden sind halböffentli- Einwohnerzahlen und einer regen Nachfrage che Grünflächen für die Bewohnerinnen und Bewohner der Anlage. Sie werden im Nordwesten an vermietbarem Wohnraum als auch die des Gebietes um eine Spielfläche für Kinder und eine Grillhütte ergänzt. Zur Aue hin laufen die zentrale Lage des Grundstückes und die Grünflächen in die Landschaft aus und verzahnen sich mit ihr. Spiel und Gemeinschaftsflächen vielfältigen Versorgungs- und Naherholungs- werden von den Bewohnerinnen und Bewohner gern genutzt, sowohl für private Zwecke als angebote in der direkten Nachbarschaft. auch für gemeinschaftliche Aktivitäten mit den Nachbarn. Städtebau Gebäudetypologie und Grundrisse Die Wohnsiedlung mit 44 Wohneinhei- Die gezeigten Grundrissvarianten basieren alle auf zwei Wohnungsbreiten von 5,3 und ten (Mietwohnungen) liegt am Rand der 6,7 Metern. Immer mittig befindet sich der Erschließungskern mit Aufzug und Treppe und Kernstadt Fulda, unterhalb des Frauenber- bildet einen barrierefreien Zugang zu den inneren Wohnungen. Die außen liegenden Erdge- ges. Sie wird im Nordwesten von einem schosswohnungen haben seitlich jeweils einen eigenen Eingang. Wie bei einem Baukasten hohen Bahndamm sowie im Nordosten system konnten in der Planungsphase unterschiedliche Wohnungsgrößen und Anordnungen und Südosten von bestehender Bebau- ausgewählt und kombiniert werden (Appartements, Maisonette, Reihenhaus, Penthouse). ung begrenzt. Südöstlich schließen die So wurden die Grundrisse entsprechend der Nachfrage während der drei Bauabschnitte Freiflächen der Fulda-Aue an. Um ver- angepasst. antwortungsvoll mit der Silhouette des
Auszug aus der Laudatio (Peter Bitsch, Vizepräsident Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, Wiesbaden) Im Juni 2015 war es die Nachricht im Fuldaer Immobilienmarkt: „Wohnpark Horasbrücke eingeweiht“. Im Rückblick eine erstaunliche Neuigkeit, wurde doch lange Zeit für das 10.000 Quadratmeter große Grundstück der ehemaligen Gärtnerei, gelegen am Horaser Weg zwischen Fulda-Aue und Bahnlinie, Jeweils eine 6,7 Meter breite Erdgeschoss-Einheit bietet Abstellmöglichkeiten für die Haus kein Käufer gefunden. Dreimal wurde in den Jahren 2005 und gemeinschaft (Kellerersatzräume und Fahrradabstellflächen). Auf eine Unterkellerung wurde 2006 eine Zwangsversteigerung durchgeführt. Dreimal hatte aufgrund der Hochwasserproblematik des Grundstücks verzichtet. sich kein adäquater Bieter gefunden – bis 2006. Da zog der Fuldaer Wohnungsmarkt an, das Siedlungswerk Fulda griff zu und erwarb die mittlerweile zugewucherte Brache. Ein Konstruktion und Material Glücksgriff, wie man Jahre später mit Freude feststellen kann, denn der neue Wohnpark ist äußerst attraktiv geworden, besticht durch seine einmalige Lage direkt an den Fuldaauen mit Die dreigeschossigen Gebäude sind in Massivbauweise mit Wänden aus hochgedämmten hohem Erholungswert und Natur vor der Haustür. Hochlochziegeln ausgeführt. Die monolithische Bauweise mit weiß verputzter Fassade wurde ohne Wärmedämmverbundsystem realisiert, die mechanisch stärker beanspruchten Bereiche Nach Erwerb des Grundstücks schrieb das Siedlungswerk einen städtebaulichen Wettbewerb für wie Eingang und Abfalleinhausungen wurden mit einer Vorsatzschale aus Klinker hergestellt, 44 Wohnungen aus. Die Wohnungen sollten alle barrierefrei sein, eine seniorengerechte Ausstat- sodass eine lange Lebensdauer und ein wirtschaftlicher Unterhalt der Fassaden gewährleistet tung haben, ebenerdige Duschen, barrierefreie Zugänge – und sie sollten zu einem Mietzins von sind. Die Fenster sind als Holz-Aluelemente und die großzügigen Verglasungen der Penthäuser 5,73 bis 7,64 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche zu vermieten sein. als Pfosten-Riegel-Fassade ausgeführt. Auch im Inneren wurde auf langlebige Materialien 28 29 Wert gelegt. Treppenhäuser und die Fußböden der Sturm und Wartzeck planten sechs dreigeschossige in sich versetzte Kuben, die auf Lücke gesetzt Bäder und Küchen sind mit Naturstein belegt. Die sind und sich in Proportion und Farbgebung an der weißen Villenarchitektur der nordseitigen Wohnungen verfügen sonst über geölte Eichenstab- gründerzeitlichen Hangbebauung orientieren. parkettböden. Die wesentlichen Gründe für die Auszeichnung der Jury waren: + Das behutsame, sehr selbstbewusste Einfügen der Baumasse in den Grünraum der ehemaligen Gärtnerei. Geschickt werden die Baukörper durch Vor- und Rücksprünge gegliedert und in Energie und Technik Verbindung mit den zugeordneten Frei- und Grünräumen dem Duktus der umgebenden Die Wohnanlage wird zentral über das Technikge- Gründerzeitvillen angepasst. bäude am Horaser Weg mit Nahwärme versorgt. + Die Vielfalt der angebotenen Wohnformen. Das Prinzip ermöglicht nicht nur unterschiedliche Die Energieerzeugung erfolgt über eine Holzpellet Wohnungsgrößen, sondern mit der differenzierten Wohntypologie werden sehr unterschiedli- heizung und unterstützend über Solarthermie, die che Zielgruppen angesprochen. auf den Dächern der Gebäude untergebracht wurde. Die Wärmeverteilung in den Wohnungen + A ttraktive, wohnungsnahe Außenräume, die davon profitieren, dass der Autoverkehr weitest geschieht über Fußbodenheizungen. Zusätzlich gehend aus dem Quartier herausgehalten wird und mit den Gemeinschaftsflächen wie dem wurden die Wohnungen mit einer zentralen Lüf- Grillplatz und den Spielflächen für die Kinder Gemeinschaft fördern und Identifikation mit dem tungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausge- Quartier herstellen. stattet, um Lüftungswärmeverluste zu reduzieren + Den verantwortungsbewussten Umgang mit den Themen Energie und Nachhaltigkeit durch die und ein gesundes Wohnklima zu erzeugen. umweltfreundliche Holzpelletheizung in Verbindung mit Solarthermie und – und das finde ich besonders erwähnenswert – die monolithische Bauweise, die keine weitere außenseitige Dämmung mit einem WDVS mehr braucht. + Und zu guter Letzt – und da spreche ich als Architekt – eine durchgängig hohe Gestaltqualität in allen Fachdisziplinen der Architektur, dem Städtebau, dem Freiraum, dem Hochbau und der Innenarchitektur und das in Verbindung mit wertigen und nachhaltigen Materialien. Eine tolle Wohnanlage zu erstaunlich niedrigem Mietzins. Ich gratuliere den Ausgezeichneten ganz herzlich.
Rhönhof Tann – ein lebendiges Kulturdenkmal für inklusives, Das soziale Miteinander im Haus ist intergeneratives und innovatives geprägt durch unterschiedliche Wohnfor- Wohnen im ländlichen Raum men wie Einzelwohnen, Paarwohnen und Wohnen in betreuten Kleingruppen. Das Lage: Ortskern inklusive Leben der Bewohner findet im Rhönhof in den Räumlichkeiten des Bauherr: gemeinnützige Kultur- und Geschichtsvereins statt. AKTIV STIFTUNG Gemeinsam mit den Ehrenamtlichen des Fertigstellung: 2017 Vereins arbeiten die Bewohner an Doku- mentations- und Geschichtsprojekten der Entwurf: Stephan Koch Stadt Tann. Der Rhönhof liegt zentral in Tann und ist für Kulturdenkmal Rhönhof – Leben statt alle Menschen mit und ohne Beeinträchti- Leerstand gung gut zu erreichen. Die räumliche Lage fördert die Integration der Hausbewohne- In ländlichen Regionen können Kulturdenk- rinnen und -bewohner mit den Menschen mäler aufgrund des demografischen Wandels im Umfeld. Kurze Wege zu den benachbar- von Privatpersonen oft nicht mehr Instand ten Geschäften wie Arzt, Apotheke, gehalten und mit Leben erfüllt werden. Bäckerei, Post, Optiker etc. sind sehr von Aufgrund dieser allgemein erkennbaren Vorteil. Die öffentlichen Nahverkehrsmittel Tendenz kümmert sich die gemeinnützige sind fußläufig gut zu erreichen AKTIV STIFTUNG um den Erhalt solcher Objekte. Ziel ist es u.a. die Lebensqua- Der Schwerpunkt des Projekts liegt darin, lität im ländlichen Raum zu verbessern, Menschen Wohnraum zu geben, in um damit dem Wegzug der Menschen in Gemeinschaft zu leben und mit Hilfe von die Ballungsräume entgegenzuwirken. neuen Technologien eine weitgehende 30 31 Der Rhönhof ist ein in Tann innerstädtisch Eigenständigkeit und Alltagsnormalität zu liegender Vierseithof, dessen Wohnhaus gewährleisten. aus dem Jahre 1907 zu einem innovativen Das Rhönhof-Projekt soll dabei helfen, die Kultur- und Wohnprojekt weiterentwickelt Integration und Inklusion benachteiligter wurde. Das Gebäude stand ca. fünf Jahre Personen zu fördern und gleichzeitig die leer und war dem Verfall preisgegeben. Geschichte des Hauses, der Stadt und der Das Gesamtensemble wurde im Jahr Region aufzuarbeiten und zu dokumentieren 2014 durch das Landesamt für Denkmal- sowie für zukünftige Generationen zu sichern. pflege in Hessen zum Kulturdenkmal Das Vorhaben dient dazu, das kulturelle Erbe erklärt und in die Liste denkmalgeschütz- zu schützen, das Gemeinwesen zu stärken und ter Objekte aufgenommen. Die AKTIV das bürgerschaftliche Engagement zu STIFTUNG stellt das Gebäude sozialen unterstützen. und gemeinwohlorientierten Nutzungen dauerhaft zur Verfügung. Mit der Tanner Das Rhönhof-Projekt ist gleichzeitig ein aktiver Diakonie gGmbH und dem Kultur- und Beitrag zur Stärkung der Innenentwicklung des Geschichtsverein Tann e. V. wurde im Tanner Stadtkerns und zur Förderung des Rahmen des Programms des Landkreises attraktiven Wohnens in ländlicher Region. Fulda “Wiederbelebung leerstehender Bausubstanz in den Ortskernen” eine zukunftsweisende Nachnutzung ent- Regionale Baukultur wickelt, die den Bürgerinnen und Bür- Die bauliche Umsetzung des Rhönhof- ger der Stadt Tann zu Gute kommt. Im Projekts orientierte sich an althergebrachten, Erdgeschoss sind zwei kleine barrierefreie ökologischen Techniken wie die Verwendung Single-Wohnungen sowie Räumlichkeiten atmungsaktiver Kalkputze, Holzfaserdämmun- für den örtlichen Kultur- und Geschichts- gen und natürlicher Fassadenverkleidungen verein entstanden. Im Obergeschoss mit der klassischen Rhöner Holzverschindelung. und im Dachgeschoss befinden sich Räume für je eine betreute Wohngruppe.
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