Lebens..WeltWelt - GEMEINSAM FÜRS GEMEINWOHL - Lebenshilfe Tirol
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22-2 Lebens..Welt Lebens Zeitschrift der Lebenshilfe Tirol LEBENS.WELT MÄRZ 2022 ÖSTERREICHISCHE POST AG SPONSORING POST GZ 02Z031792 S GEMEINSAM FÜRS GEMEINWOHL SEITE 7-10
Mehr Beschäftigung at Arbeitsminister Martin Kocher möchte die Regeln Foto: pr iv Die Lebenshilfe und... für Beschäftigung verändern. Lebenshilfe-General sekretär Markus Neuherz sprach mit ihm über Möglichkeiten, die Jobchancen von Menschen Rosanna Göhlert mit Behinderungen zu verbessern. „Gehalt statt war fast 30 Jah- Taschengeld“ soll außerdem für finanzielle Ab- re lang für Menschen in der sicherung sorgen. Lebenshilfe tätig. Auch jetzt in der Pension gibt sie ihr Wissen regelmä- ßig an Frühförderinnen und Freizeit- assistent/innen weiter. Wann immer Kolleg/innen eine Frage haben, teilt sie ihre Erfahrungen und vermit- Foto: Lebenshilfe Österreich telt ihnen damit Wissen und Sicherheit. Politik geht nur gemeinsam Im Einsatz für Gleichberechtigung von Men- schen mit Behinderungen sucht die Lebenshilfe das Gespräch mit den gesetzgebenden Parteien. Mit Fiona Fiedler, Abgeordnete und Behinder- tensprecherin der NEOS, sprach die Lebenshilfe über nötige Verbesserungen in Österreich. Einig war man sich vor allem beim Thema Inklusion im Bildungsbereich. Damals & heute 1976 gründete Ellen Mayr-Vons ( 2022) die Lebenshilfe in Absam. Wenig später eröffnete sie dort die erste Frühförderstelle für Kinder und legte außerdem den Grundstein für die „ambulante Familienhilfe“. Heute begleitet die Lebenshilfe in ganz Tirol 500 Kinder und Fami- lien daheim in ihrer vertrauten Umgebung. 2 LEBENS.WELT 22-2
4,9 % Foto: BKA/Christopher Dunker der Mitarbeiter/innen waren zu Spitzenzeiten während der Omikron- -Welle gleichzeitig in ganz Tirol erkrankt. Weitere Mitarbeiter/innen konnten nicht arbeiten, weil sie in Quarantäne waren. Um sie zu ersetzen, sprangen gesunde Assistent/innen ein, leis- teten Extra-Dienste und halfen an anderen Standorten aus. Mit Erfolg: Gemeinsam gelang es bis auf wenige Ausnahmen, die Begleitung und Unterstützung für Klient/innen verlässlich aufrechtzuerhalten. Foto: Manfred Lechner Mitsprache in der Lebenshilfe Seit 2014 werden an allen Standorten Sprecher/ innen gewählt. Sie verleihen den Anliegen von Klient/innen eine Stimme und sind bei Entschei- dungen der Lebenshilfe Tirol eingebunden. Ende März wählen Klient/innen ihre Vertretung Fans und Follower in den Bereichen Arbeit und Wohnen. In der Folge Immer mehr Fans folgen der Lebenshilfe Tirol online wird eine Vertretung für jede Region und eine für und unterstützen den Einsatz für Menschenrechte: Tirol ermittelt. 7.500 auf Facebook und über 1.000 auf Instagram. Gedruckt nach der Richt- linie „Druckerzeugnisse“ des österreichischen Umweltzeichens, Gutenberg-Werbering GmbH, UW-Nr. 844 Lebenshilfe Tirol gem. GmbH // Ing.-Etzel-Straße 11, 6020 Innsbruck // T 050-434-0 // W lebenshilfe.tirol // M office@lebenshilfe.tirol // Redaktion Peter Schafferer, Manfred Lechner, Ulli Pizzignacco-Widerhofer // Grafik Andreas Focke // Titelfoto Manfred Lechner // Druck Gutenberg-Werbering // Auflage 16.400 Stück 3
Christine traut sich was zu 36 Jahre lang wurde Christine Wiedmayr vieles abgenommen. Nach dem Tod ihrer Mutter ist sie viel selbständiger, als alle gedacht hätten. „Ich hätte nie geglaubt, dass mein Schwes- ihr die Socken anzieht. Heute geht sie selbst ter Christine einmal alleine mit dem Postbus einkaufen, erledigt ihre Wäsche und bügelt. fährt“, sagt Helga Salvenmoser. „Nach dem Bei ihren Besuchen im Freizeitpark Pillersee Tod unserer Mutter musste sie sich auf die sieht sie eine Achterbahn. Sie will verste- eigenen Füße stellen.“ Als älteste Schwester hen, warum die Menschen dort so kreischen, fühlt sie sich verantwortlich und organisiert steigt mehrmals die Treppen bis zum Start ihr Mobile Begleitung für daheim. Christine hinauf. Als sie schließlich eine Fahrt wagt, ist Wiedmayrs dringendster Wunsch: Sie möchte sie stolz, weiß aber gleich: „Das ist nichts für lernen, eigenständig mit dem Bus zur Arbeit mich.“ zu fahren, so wie einige Arbeitskolleg/innen auch. Sie sagt jetzt, was sie will Als große Schwes- Mit Begleitung beginnt sie ein Training. Schon am zweiten Tag fühlt sie sich sehr Seit dem Tod ihrer Mutter sagt Christine ter bin ich wahnsin- sicher. In der Trainingsphase soll sie einmal Wiedmayr öfter, was sie will – und was nicht. nig stolz, zu sehen, um 9 Uhr abgeholt werden, um zum Corona- Einen Monat nach dem Bustraining verkün- test zu fahren. Doch darauf wartet sie nicht. det sie in der Arbeit: „Ich will nicht um zwei dass sie selber Sie steigt – wie sie es gelernt hat – mor- Uhr gehen. Ich will mit dem Bus um vier einkaufen geht, ihre gens in den Bus und fährt an diesem Tag fahren und länger hierbleiben.“ Die Assis- zum ersten Mal allein zur Arbeit. „Wir waren tentinnen sehen das als Kompliment. Das Wäsche bügelt. Sie alle baff, dass sie auf dem Weg von Jochberg bestärkt die Frau. Heute arbeitet sie oft kann so vieles, was nach St. Johann in Kitzbühel in den richti- länger oder fährt früher heim, wenn sie gen Bus umgestiegen ist“, erinnert sich eine erschöpft ist. ihr früher abge- Assistentin. Christine Wiedmayr genießt die nommen wurde. Bewunderung und spricht gern davon. Haushaltsarbeiten planen „Christine hat einen großen Sprung Helga Salvenmoser gemacht“, bestätigt die große Schwester. Beim Besuch in der Wohnung einer Freun- älteste Schwester „Sie ist richtig süchtig und fährt jetzt auch din entdeckt Christine Wiedmayr einen privat Bus.“ Nach Freizeitaktivitäten will sie „Wochenplan“ mit Symbolen fürs Wäschewa- nicht mehr nach Hause gefahren werden, schen, Duschen, Kochen und mehr. „So eine sondern erklärt: „Bring mich nur zur Halte- Tafel möchte ich auch“, erklärt sie und kauft stelle. Ich möchte alleine heimfahren.“ sich eine Magnettafel. Mit einer Assistentin Zwei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter überlegt sie sich passende Bilder fürs Ein- braucht die 38-Jährige niemanden mehr, der kaufen, Waschen, Spazierengehen, für die 4 LEBENS.WELT 22-2
Menschen aus der Nähe Ein eigenständiges Leben – das traute Christine Wied- Foto: Natalie Obwaller mayr lange niemand zu. Heute fährt sie mit dem Postbus durchs Land und organisiert ihren Alltag großteils selbst. 5
Reittherapie oder Arztbesuche. So lernt sie, Beim Wechselgeld ist sie aber unsicher und die Woche im Voraus zu planen und wich- fragt lieber eine Assistentin, welchen Betrag tige Aufgaben im Auge zu behalten. Bei der sie herausgeben muss. Trotz wiederholter Einnahme der Medikamente steht ihr die Trainings fällt ihr das Lesen und Rechnen Mobile Begleitung noch zur Seite. Doch die schwer. Dafür merkt sie sich viel auswendig Apotheke betritt die Frau allein und weiß und hat eine gute Beobachtungsgabe. auch schon, was sie täglich braucht. „Das ist heute ein Selbstläufer“, bestätigt eine Assis- „Kennst du Otto?“ tentin die neue Eigenständigkeit. Perfekt imitiert sie den Komiker „Otto“. Sie macht seine Sprechweise, Körperhaltung Sich selbst verwöhnen und Grimassen nach, erzählt seine Ostfrie- Mit ihren Assistentinnen macht Christine sen-Witze und unterhält damit Fremde wie Wiedmayr den Mittwoch zum „Beauty-Tag“. Stammkund/innen. Über die Frage „Kennst Dabei verbindet sie die Körperpflege meist du Otto?“ kommt sie mit ihnen ins Plaudern mit einem Besuch im Erlebnisbad – dort und Lachen. gönnt sie sich gelegentlich eine Portion Ich traue ihr zu, Als großer Otto-Fan wünscht sich Chris- Pommes. Das liebt sie und fragt die Assis- tine Wiedmayr, ihr Idol einmal persönlich zu dass sie eines Tages tentinnen stets gespannt, was diesmal am treffen. Eine Assistentin ermutigt sie, ihm „Beauty-Tag“ gemacht wird. Seither achtet allein und selbstän- Fanpost zu schicken. Drei lange Wochen war- sie verstärkt auf ihr Erscheinungsbild, pflegt tet sie auf Antwort und ist täglich gefordert, dig wohnt – ohne ihre Haare und die Arbeitskleidung und sich in Geduld zu üben. Als endlich Post ein- kauft sich eine neue Hose. Vollzeitbegleitung. trudelt, ist sie so glücklich und bestärkt, dass sie einen zweiten Brief verfasst. Darin lädt sie ihn ein, eine Kunstgalerie in St. Grenzen und Strategien Assistentin Sabina Herfurtner Johann zu besuchen. Denn sie hat entdeckt, Ihren Arbeitstag beginnt Christine Wied- dass dort ein Bild von ihm hängt. Wenn sie mayr im Naturtalent-Laden in St. Johann, diesmal allen davon erzählt, ergänzt sie wo sie Brot, Gemüse und Produkte aus der selbst: „Ich muss Geduld haben.“ Region verkauft. An der Kassa drückt sie die Tasten mit den Produkt-Symbolen und Mit der Mutter verbunden sagt den Kund/innen, was zu zahlen ist. Christine Wiedmayr mag es, gesehen und gehört zu werden. Wenn sie im Gespräch oder beim Spazierengehen ungeteilte Auf- merksamkeit erhält, merkt sie, sie wird ernst genommen und geschätzt. Und die- ses Gefühl teilt auch sie großzügig aus, wenn sie ihre Assistentin anstrahlt, umarmt und erklärt: „Schön, dass du wieder da bist!“ Wenn etwas passiert, das sie trau- rig macht, oder wenn sie beim Reiten allein aufs Pferd steigt, sagt sie oft: „Die Mama, da oben, schaut auf mich.“ Gelegentlich besucht Foto: Madlen José sie mit ihrer Assistentin das Grab der Mutter. Sie berührt den Grabstein, verweilt schwei- gend und fühlt sich in dem Augenblick mit ihrer Mutter verbunden. Dann blickt sie auf, Seit Christine Wiedmayr mit Mobiler Begleitung unterwegs ist, lächelt und meint: „Jetzt langts – lass uns übernimmt sie auch immer öfter das Ruder. wieder gehen!“ 6 LEBENS.WELT 22-2
Impulse für die Zukunft erkennen und handeln Für Unternehmen gehört es zum Alltag, regelmäßig eine Herzen nehmen? Wir hätten langfristig ein Problem, wenn Bilanz zu erstellen und zu berechnen, was unterm Strich wir uns nicht mit zentralen Werten auseinandersetzen herauskommt. Einige Unternehmen geben sich allerdings würden: Demokratische Mitbestimmung und Transpa- nicht mehr damit zufrieden, finanziell gut dazustehen. Ihnen renz, Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit, soziale geht es um mehr: um zufriedene Kund/innen, motivierte Gerechtigkeit und Solidarität – all das ist unser Auftrag als und vitale Mitarbeiter/innen, faire Arbeitsbedingungen in beherzte Wegbegleiterin von Menschen mit Behinderun- der Zulieferkette, ökologisches Wirtschaften und nach- gen. In diese Richtung entwickeln wir uns weiter. Der doch haltige Geldanlage. Die Lebenshilfe ist eine von 18 Tiroler recht aufwendige Prozess eines Gemeinwohlbilanz-Audits, Firmen und Organisationen, die eine Gemeinwohlbilanz also eines Prüfungsverfahrens, hilft uns zu erkennen, wo erstellen, um zu messen, wo man in diesen Punkten steht. wir Handlungsbedarf haben“, bringt es Georg Willeit auf den Punkt. Warum eine Gemeinwohlbilanz? Die Inhalte der Gemeinwohlbilanz „Das Gemeinwohl im Auge zu haben und möglichst kli- maschonend zu handeln, gehört für uns mittlerweile zum Der Bericht ist in sechs Kapitel unterteilt: Menschen- Alltag. Es macht uns als Lebenshilfe Tirol aus. Die Gemein- würde in der Zulieferkette, Haltung im Umgang mit Geld- wohlbilanz zeigt uns Entwicklungspotenziale und gibt uns mitteln, Menschenwürde am Arbeitsplatz, ethische Kunden- Impulse, wie wir unserer sozialen und ökologischen Ver- beziehungen, Sinn und gesellschaftliche Wirkung sowie antwortung in Zukunft noch besser nachkommen können“, Ausblick. so Georg Willeit. Der Geschäftsführer der Lebenshilfe Tirol Insgesamt geht die Bewertungsskala von -3.600 Punk- ist überzeugt: „Wer, wenn nicht die Lebenshilfe Tirol als ten (existenzgefährdend) bis zu 1.000 Punkten (vorbildlich). große soziale Organisation, muss sich das Gemeinwohl zu Pro Kapitel werden Punkte bzw. Prozente vergeben. Die Lebenshilfe Tirol erhielt nach dem Audit 312 Punkte. Laut Raster der Gemeinwohlbilanz ist dies die dritthöchste Stufe 8 und bedeutet „fortgeschritten“.
Besonders positiv bewertet Zwei externe Auditor/innen, also unabhängige Prüfer/in- Ehrgeizige Ziele für die Zukunft nen, haben die Lebenshilfe Tirol in Dutzenden Punkten untersucht. Was die beiden besonders positiv bewertet Fahrdienste für Klient/innen und Wege im Rahmen der haben: Mobilen Begleitung, Frühförderung und Freizeitassistenz wurden bisher vorwiegend mit Autos und Kleinbussen y Klare und durchdachte Handlungsgrundsätze im Umgang zurückgelegt. Im Schnitt entfielen in den letzten Jahren mit Klient/innen. rund 25 Prozent des Gesamt-Energieverbrauchs der Lebens- y Kommunikation auf Augenhöhe. Das zeigt sich besonders hilfe Tirol auf Dienstwege (ohne Fahrten durch Drittanbieter; deutlich in den regelmäßigen Gesprächen mit Bewoh- ohne Wege der Mitarbeiter/innen zur Arbeitsstelle). ner/innen eines Wohnstandortes über ihre Zufriedenheit Gerade deshalb hat sich die Lebenshilfe Tirol im mit der Wohnsituation oder etwaige Änderungswünsche. Bereich Mobilität ambitionierte Ziele gesetzt: Barrieren y Diverse Kooperationen mit Betrieben, um Menschen mit für Klient/innen abbauen, die Anzahl der Wege verringern, Behinderungen ins Alltagsleben zu inkludieren und so Klient/innen zu einer selbstbestimmten und inklusiven ihre Lebensqualität zu verbessern. Mobilität befähigen, Mitarbeiter/innen zur Nutzung von Bus und Bahn motivieren und Emissionen reduzieren. „Wir Die Auditor/innen heben ebenso hervor, dass die Mög- stehen für eine Mobilität, die alle Menschen bewegt. Eine lichkeit, sich einzubringen und mitzuwirken, positive Auswir- Mobilität, die Barrieren überwindet und Selbstbestimmung kungen auf die Motivation der 1.561 Mitarbeiter/innen hat. fördert. Mit nachhaltiger Mobilität wollen wir auch einen Beitrag für unsere Umwelt und unsere Gesundheit leisten“, so Georg Willeit. Stichwort Gesundheit: In diesem Bereich bietet die Lebenshilfe Mitarbeiter/innen im Rahmen des Pro- gramms Gsund&Achtsam mittlerweile diverse Maßnahmen (Rückenfit-Programme, Massage-Gutscheine, Rad-Aktion, psychologische Beratung etc.). „Um unseren Beitrag für das Gemeinwohl weiter zu steigern, wollen wir in Zukunft ethische und ökologische Aspekte in einer neuen Beschaffungsrichtlinie stärker ver- ankern“, erklärt Georg Willeit. „Letztendlich muss jedes Unternehmen investieren, um später Erfolge zu ernten. Die Gemeinwohl- Wir investieren in Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit, Inklusion, Selbstbestimmung und ökologische Nachhaltig- bilanz gibt uns keit in der Überzeugung, dass diese Werte unsere Zukunft wichtige Impulse, bestimmen.“ wie wir unserer sozialen und öko- logischen Verant- wortung künftig noch besser nach- kommen können. Georg Willeit 9
17 Pilotprojekte für eine inklusive, selbstbestimmte und nachhaltige Mobilität startet die Lebenshilfe Tirol heuer. Darunter fallen z.B. Mobilitätstrainings für Klient/innen, die verstärkte Nutzung von verschiedenen Fahrrädern, E-Bikes oder Bus und Bahn. 460 Ich trenne Laub- und Nadelbäume wurden im Rahmen der Müll. Aktion Bunter Lebenshilfe Wald bereits gepflanzt. Im Juni 2022 gehts weiter. Dann nehmen Klient/innen, Mitarbeiter/innen und Forstspezialist/innen wie- der den Spaten in die Hand, um Löcher zu graben und noch mehr Bäume zu pflan- zen. AUF EINEN BLICK Was ist die Gemeinwohlbilanz? Die Gemeinwohl- bilanz ist ein Bewertungsverfahren, durch das mit externer Unterstützung geprüft wird, wie weit die Organisation gemeinwohlorientierte Werte (Men- 121 schenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltig- keit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung und Transparenz) in die Organi- sationskultur integriert hat und sich danach aus- Mitarbeiter/innen der Lebenshilfe Tirol absolvieren richtet. derzeit berufsbegleitend eine facheinschlägige Aus- Wie bewerten die Auditor/innen die Lebens- bildung. Das eröffnet Neu- oder Umsteiger/innen hilfe Tirol? Besonders im sozialen Bereich ist die die Chance, sich höher zu qualifizieren. Vor dem Hin- Lebenshilfe Tirol sehr gut aufgestellt. Im ökolo- tergrund des Mangels an ausgebildeten Fachkräften gischen Bereich und im Beschaffungswesen gibt ist es der Lebenshilfe Tirol als große Organisation es noch Potenzial, das im Zuge des Audits bespro- ein Anliegen, damit einen Beitrag für das Gemein- chen wurde und wofür die Lebenshilfe Tirol schon wohl zu leisten. Weichen gestellt hat. Unterm Strich wird der Le- benshilfe Tirol ein „Fortgeschritten“ attestiert. Die aktuelle Gemeinwohlbilanz (Gültigkeit bis Feb- ruar 2023) ist bereits die zweite, die die Lebenshilfe Tirol erstellt hat. Sie ist unter www.lebenshilfe.tirol 10 veröffentlicht.
Unsere Mission Hohe Zufriedenheit mit Unterstützung Lockdowns, eingeschränkte soziale Kontakte oder die Einstufung als Angehörige einer Hochrisikogruppe belasteten Menschen mit Behinderungen während der Pandemie stark. Lob gibt es nun von Angehörigen für die unterstützende Arbeit der Lebenshilfe Tirol, wie eine IMAD Befragung ergab. „Die Zufriedenheit mit der Unterstützung und Studie bestätigt auch Sicherheitsgefühl Begleitung durch die Lebenshilfe Tirol wäh- und Vertrauen rend der Corona-Pandemie lag bei 95 Prozent“, Im Hinblick auf die Schutzmaßnahmen, die so Barbara Traweger-Ravanelli vom IMAD getroffen wurden, um Ansteckungen mit sehr zufrieden Institut in Innsbruck. Insgesamt 305 Eltern zufrieden dem Corona-Virus zu vermeiden, bewerten und Erwachsenenvertreter/innen wurden weniger zufrieden 83 Prozent der Befragten das Sicherheits- nicht zufrieden telefonisch zu ihren Erfahrungen mit allen keine Angabe gefühl und das Vertrauen mit „sehr gut“, Lebenshilfe-Angeboten befragt. Lob gab es zehn Prozent mit „eher gut“. Das hohe Ver- etwa für die regelmäßigen Informationen, die trauen in die Lebenshilfe bestätigen die Erreichbarkeit der Mitarbeiter/innen und für Befragten nicht nur im Hinblick auf die Pan- die Besuchsregelungen. demie, sondern auch allgemein. Assistent/ Zufriedenheit mit der Unter- innen und Leitungen würden sich generell Proaktives Handeln entscheidend stützung durch die Lebenshilfe sehr um das Wohlbefinden der begleiteten Für Geschäftsführer Georg Willeit ist dieses während der Corona-Pandemie Person bemühen, mögliche Probleme könn- Lob auf das proaktive Handeln der Lebens- ten offen und direkt angesprochen werden, hilfe zurückzuführen. Die Pandemie brachte und über wichtige Belange werde man zeit- große Herausforderungen in der täglichen nah und ausreichend informiert. Begleitung mit sich. Details der IMAD-Studie sind auf der Website der Lebenshilfe Tirol unter www.lebenshilfe.tirol zu finden. Rasche Informationen schaffen Vertrauen Als Menschenrechtsorganisation haben wir zu Beginn der Sicherheit zu geben und die Begleitung in allen Lebensbe- Corona-Krise vor mittlerweile zwei Jahren schnell erkannt, reichen zu garantieren. Dass 93 Prozent der Angehörigen dass wir nicht auf Entscheidungen anderer warten kön- und Erwachsenenvertretungen die Zusammenarbeit mit nen, sondern selbst Vorgaben machen und konsequent der Lebenshilfe als vertrauensvoll, respektvoll und part- handeln müssen: Wir haben frühzeitig ein eigenes Krisen- nerschaftlich bezeichnen, bestätigt unsere Linie. Wir sehen team eingerichtet, die Kommunikation mit den Angehörigen dennoch Verbesserungsmöglichkeiten, indem wir noch verstärkt und umfangreiche Schutzmaßnahmen getrof- rascher handeln und Informationen weitergeben sowie fen, um Ansteckungen zu vermeiden. Gerade in dieser für Angehörige und Erwachsenenvertretungen noch mehr ein- alle herausfordernden Zeit war es uns wichtig, Menschen binden. Darauf wollen wir in Zukunft setzen, um weiterhin mit Behinderungen und Angehörigen ein hohes Maß an die bestmögliche Begleitung sicherzustellen. 11
Prominente im Interview Foto: Peter Schafferer Das trau ich mich auch Die gelernte Krankenpflegerin Sonja Ledl-Ross- Muss man als Politikerin viele Menschen kennen? mann ging vor 14 Jahren in die Landes- und Was heißt müssen? Man muss gern mit Menschen Bundespolitik. Mit Roswitha Rief sprach sie zusammen sein. Nur so erfährt man, welche The- über ihren Werdegang, über Frauen in der Poli- men den Menschen am Herzen liegen, was im tik und ihre Rolle als Brückenbauerin. Land gut läuft und was nicht so gut. Aber jede Begegnung hat etwas ganz Besonderes. Roswitha Rief: Gab es einen Moment, in dem Sie Wenn mehr Kann ich auch Politikerin werden? dachten: „Ich werde Politikerin“? Jeder Mensch kann Politiker oder Politikerin Menschen aus Sonja Ledl-Rossmann: Nein, eigentlich hatte werden. Aber ich denke, das fängt im Klei- ich gar nicht vor, in die Politik zu gehen. Man dem Sozial- nen an – dass man sich für Themen einsetzt, hat mich 2008 bei der Wahl auf die Landesliste so wie ihr in der Lebenshilfe das macht. Es ist bereich in die gesetzt. Als ich in der Zeitung las, dass ich auf wichtig, dass ihr euch für eure Bedürfnisse ein- Platz drei ein fixes Landtagsmandat habe, ist Politik gehen, setzt. Auch Politiker/innen sind froh, wenn ihr mir fast die Kaffeetasse aus der Hand gefallen. eure Anliegen als Sprecher/innen einbringt. bekommen Wenn ich damals Bedenkzeit gehabt hätte – ich Ihr wisst am besten, was für euch gut ist. hätte zu 99 Prozent Nein gesagt. Ich war gerade diese Anliegen Frauen bestimmen mit. Was ist Ihnen da beson- Heimleiterin im Haus Ehrenberg und hätte mich ders wichtig? auch mehr gefragt, kann ich das und schaffe ich das? Dass mehr Frauen in Entscheidungspositio- Heute bin ich aber auch sehr dankbar dafür, Gewicht. nen kommen, und dass sie mehr mitbestimmen weil ich meine Erfahrung aus dem Sozialbereich in können. Es braucht uns Frauen, weil wir andere die Landes- und Bundespolitik einbringen kann. Sonja Ledl-Rossmann Einstellungen zu den Themen haben. Seit März 12 LEBENS.WELT 22-2
haben wir ja im Außerfern fünf Bürgermeiste- (ÖVP-Behindertensprecher im Nationalrat, Anm.) rinnen. Es werden immer mehr! Aber da gibt es Veranstaltungen gemacht und ich durfte viele durchaus noch Luft nach oben und da müssen Menschen kennenlernen: Die Frauenrechtle- wir Frauen uns gegenseitig unterstützen und rin Waris Dirie, Prinz Charles und Camilla oder zusammenhelfen. Papst Franziskus, der mich sehr beeindruckt hat. Außerdem braucht es immer Vorbilder, auf Auch der Moment, als ich als Vorsitzende unse- der Ebene der Sprecher/innen genauso wie bei ren Bundespräsidenten angeloben durfte: er aus mir. Damit dann noch mehr Frauen sagen: Das Tirol und ich aus Tirol. Das war für Österreich traue ich mich auch! Vorbilder braucht man einmalig. immer und überall. 2018 habe ich mich gefreut, als Land- Die Lebenshilfe im Außerfern hat 2012 ein Wohn- tagspräsidentin nach Tirol zurückzukommen. haus in Einzelwohnungen umgebaut. Kann sich Das passt zu mir. Ich brauche nicht das Hick- diese Wohnform in ganz Österreich durchsetzen? Als ich aus der hack zwischen den Parteien und sehe mich als Das hoffe ich. Als Vorstandsmitglied der Brückenbauerin. Ob als Präsidentin oder Vor- Zeitung erfuhr, Lebenshilfe Reutte bin ich stolz, was es hier standsmitglied im Lebenshilfe-Verein: Ich bin an Pilotprojekten und Angeboten gibt. Aber wir dass ich einen kein Regierungsmitglied, ich habe kein Ressort, müssen noch an vielen Themen weiterarbeiten: aber ich kann immer schauen, dass ich die Men- fixen Platz im Wohnformen, das Thema Familie und vor allem schen zusammenbringe. die Unterstützung von Menschen mit Behinde- Landtag habe, In dieser Funktion werde ich oft zum rungen im Alter. Bei letzterem sind wir in der Gespräch eingeladen. Und wenn ich mit Einrich- wäre mir fast Lebenshilfe und im Bezirk dran und suchen nach tungen und Behindertenvertretern regelmäßig neuen Wegen. Gleichzeitig muss man immer die Kaffeetasse an einem Tisch sitze, schauen wir auf die Lage wieder auf das Thema aufmerksam machen. von Menschen mit Behinderungen. Was läuft gut aus der Hand Denn Menschen mit Behinderungen und ihre in Tirol? Wo haben wir Lücken? Wie kann es bei Zukunftsvisionen werden oft nicht ausreichend gefallen. dem Thema weitergehen? Da spüre ich Einigkeit: wahrgenommen. Wir müssen zusammenhalten, damit wir etwas Sie waren Krankenpflegerin und Heimleiterin. Sonja Ledl-Rossmann erreichen können. Wie kann für Menschen mit Behinderungen die Dieses Zusammenarbeiten haben wir im Begleitung im Alter verbessert werden? Außerfern – so ab vom Schuss – früh gelernt. Das ist für die Zukunft schon ein großes Thema. Und ich glaube, da haben wir schon ein bisschen Die angemessene Begleitung von Menschen mit eine Vorreiterrolle. Also, man spürt: Ich bin eine Behinderungen ist in einem Alters- und Pflege- leidenschaftliche Außerfernerin. Ich freue mich, heim oft nicht möglich. Bei uns im Bezirk gibt dass ich so viel in Innsbruck sein darf, aber leben es eine sogenannte Pflege-Drehscheibe, wo alle möchte ich in keinem anderen Bezirk. Pflegeeinrichtungen und auch die Lebenshilfe sich treffen. Da haben wir darüber geredet, wie wir in Reutte ein Angebot schaffen können, das für Menschen mit Behinderungen im Alter passt. Wir sammeln jetzt alle Ideen und Informationen, IM GESPRÄCH die Erfahrungen der Lebenshilfe und hören auch Roswitha Rief war Regionalsprecherin in Reutte. Als denen zu, die schon einmal im Pflegeheim waren. Gesamtsprecherin für den Wohnbereich setzt sie sich Wenn das alle gemeinsam verfolgen, kann künf- nun für die Anliegen der Bewohner/innen aus ganz tig etwas Besonderes entstehen. Tirol ein. Welche politischen Ereignisse haben Sie geprägt? Sonja Ledl-Rossmann ist Dipl. Krankenpflegerin und Nach fünf Jahren im Landtag konnte ich nach war Pflegeheimleiterin im Haus Ehrenberg in Reutte. Wien in den Bundesrat wechseln und hatte Ab 2008 war sie ÖVP-Landtagsabgeordnete und später das große Glück, ein halbes Jahr den Vorsitz im Bundesrat, wo sie ein halbes Jahr den Vorsitz führte. zu führen. Als Bundesratspräsidentin habe Seit 2018 wacht sie als Landtagspräsidentin über den ich damals die Zukunft der Pflege zum Thema guten Ton im Tiroler Landtag. gemacht. Wir haben mit Franz-Joseph Huainigg 13
Lebenshilfe vor Ort Marie‘s Rezeptur wird Partner im Klimabündnis Absam Marie‘s Rezeptur ist als drit- ter Lebenshilfe-Standort Mitglied im Klimabündnis Österreich. Der 2018 eröffnete Betrieb übernimmt soziale Verantwortung im gesellschaftlichen Wandel. „Gemeinsam versuchen wir, eine barrierefreie, gerechte und sozial- ökologische Welt zu gestalten“, erklärt Geschäftsführer Georg Willeit: „Wir machen die Welt menschengerech- Foto: Carolin Keikavoussi ter. Nur so ist Inklusion möglich!“ So leisten Klient/innen und Mitarbeiter/ innen einen aktiven Beitrag zu Nach- haltigkeit, Ressourcenoptimierung und Regionalität. Mit der sichtbaren Auszeichnung fördern sie das Umwelt- Das Team von Marie‘s Rezeptur achtet auf den Klimaschutz und macht das sichtbar.. bewusstsein anderer Menschen und setzen ein Zeichen für die Umsetzung Verwendung sparsamer LED-Beleuch- sind gemeinsame Schulungen für Mit- der Nachhaltigkeitsziele. tung. Das Team der Vitalbar kauft arbeiter/innen und Klient/innen zum Zu den bisherigen Leistungen für regionale und saisonale Produkte wie Umgang mit Abfällen und Energie, den Klimaschutz zählen eine schad- Karotten und Dinkel von Biobauern die Schaffung eines Insektenhotels stofffreie Heizung mit Wärmepumpe und verwendet plastikfreie Verpa- als Beitrag zur Biodiversität und die und Wärmerückgewinnung, Stromer- ckungen. Künftig will das Team noch Verringerung von Autofahrten durch zeugung mittels Photovoltaik und die mehr für den Klimaschutz tun. Geplant nachhaltige Mobilität. Baumwolle statt Plastik binden sie zu kleinen Paketen. Alle Arbeitsschritte und Handgriffe sind so Mieders So wie die Lebenshilfe ist angelegt, dass jede Person ihren Teil auch das Rote Kreuz Stubaital „Klima- beitragen kann. So organisieren die bündnis-Betrieb“. Um Plastikmüll zu Mitarbeiter/innen sich ihre Arbeit größ- vermeiden, wird das Verbandsmaterial tenteils selbst und freuen sich, einen Am Arbeitstempo erkennt für Erste-Hilfe-Kurse seit Herbst 2021 in Beitrag für die Umwelt und die Ers- man, dass alle diesen Auf- Baumwollsäckchen verpackt. Die Arbeit te-Hilfe-Ausbildung im Tal leisten zu erledigen Klient/innen in Mieders in können. Beim Ausliefern der fertigen trag ernst nehmen. Teamarbeit: Die Männer und Frauen Pakete begegnen sie regelmäßig den zählen und sortieren die nötigen Pflas- Rettungskräften und erfahren einiges Anna Kirschner, Arbeitsassistentin ter, Verbände und Dreieckstücher und über die Einsätze in der Region. 14 LEBENS.WELT 22-2
Nachhaltig nutzen Vorfreude Tamara gehört dazu Landeck 107 alte Computer mit Mieming „Ich möchte das schaf- Bildschirmen und Kabeln aus fen“, sagte sich Tamara Scharmer, als der Lebenshilfe werden in Lan- sie ihr Training im lebensM in Mötz deck sinnvoll weiterverwendet. begann. Nach neun Monaten Aus- Foto: Stefan Moser Der Verein Altes für Gutes bildung kennt sie ihre Aufgaben im setzt die Computer kos- Lebensmittelhandel. tenlos instand und gibt sie Seit 1. Februar ist sie im MPREIS in an Arbeitslose oder Fami- ihrer Heimatgemeinde angestellt und lien weiter, die sich keinen Neue Räume ermöglichen in Landeck bald ist eine von 20 Mitarbeiter/innen im Computer leisten können. mehr Kultur und Begegnung. Team. „Natürlich waren einige anfangs Zwei junge Informatiker kümmern skeptisch“, gesteht eine Kollegin. „Aber sich ehrenamtlich darum und geben Landeck Die Lebenshilfe begibt sich Tamara arbeitet tadellos, entlastet auch Kurse, in denen Menschen lernen, Schritt für Schritt dorthin, wo andere uns und ist ein Geschenk fürs Team!“ Computer zu reparieren. „Wenn unsere Menschen wohnen, leben und arbei- Tamara Scharmer geht nämlich derart alten Geräte wieder verwendet wer- ten. Nachdem Wohnmöglichkeiten stolz und froh an die Arbeit, dass die den, leisten wir einen Beitrag für das in Gemeindewohnungen geschaffen gute Laune auf andere überspringt. Gemeinwohl. Das ist nachhaltig!“, sagt wurden, rückt der Arbeitsbereich „Kul- Michaela Hummel von der Lebenshilfe tur und Begegnung“ näher in die Stadt. Perjen. Sie hat bei einem „Unterneh- Während die Bauarbeiten laufen, knüp- mer-Frühstück“ von der Idee erfahren fen alle Beteiligten schon Kontakte und eine Zusammenarbeit begonnen, mit Unternehmer/innen und Nachbar/ die allen nützt. innen, um sich einzubringen. Ziemlich eigenständig Gemeinsam gestärkt Foto: JCT Anna Gstrein Wipptal „Was brauchen Menschen an Pflege- und Sozialangeboten?“ Das fragten sich die Gemeinden im Foto: Manfred Lechner Wipptal und starteten 2021 das Pro- jekt Wippcare. Die Leitung des Projekts „Alle haben gesagt, dass ich das schaffe.“ übergaben sie der Lebenshilfe, „wegen Tamara Scharmer hat eine Anstellung. ihrer guten Vernetzung in der Region“ und weil sie sich „für eine inklusive und Damit das so klappt, hat die 36-Jährige Die eigene Ausstellung zu organisieren, respektvolle Gesellschaft einsetzt.“ daheim geübt, Zahlen und Ablauf- macht um wichtige Erfahrungen reicher. Nun liegen Antworten und Ergeb- daten rasch zu erfassen sowie Müll nisse auf dem Tisch: 200 Personen und Wertstoffe richtig zu sortieren. Innsbruck Zwei Männer bereiten sich waren zu einem Bürgerrat eingela- Ihre Job. Chance-Assistentin, ihr Vater im Job Inn auf einen Arbeitsplatz vor, den und konnten dort ihre Nöte und und die Kolleg/innen ermutigten sie. der zu ihnen passt. Bei einem Kunst- Erfahrungen schildern. Künftig wird es „Sie haben mir auch gesagt, wenn ich projekt lernen die beiden, grafische regelmäßig Austauschtreffen der Pfle- Fehler mache. Das war wichtig, weil Ideen am Computer umzusetzen und gedienste geben. Eine Netzwerkkarte es mich gefordert hat“, erklärt Tamara ihre Werke in einer Ausstellung einem Wipptal bietet Hilfe und Orientie- Scharmer heute. In der Arbeit erhält breiteren Publikum näherzubringen. rung über Pflege- und Sozialangebote. sie Anleitungen und den Dienstvertrag Die vielen Vorbereitungen, Handgriffe Im März 2022 nimmt eine zentrale in einfacher Sprache. „Das macht die und Entscheidungen machen sie siche- Anlaufstelle für Pflege, Soziales und Verständigung für alle leichter“, erklärt rer und mutiger, auch beruflich mehr zu Generationen im Wipptal ihre Arbeit auf. Anna Mölk von MPREIS und freut sich wagen. Mehr auf www.wippcare.com über die Verstärkung in der Filiale. 15
In seinen Fähigkeiten bestärkt: Nikola hat seinen Traumjob gefunden treten und freut sich jedes Mal, wenn will auch andere Firmen ermutigen, er in die Arbeit kommt. Das steckt Menschen mit Behinderungen eine an“, beschreibt Filialleiterin Gabriele Chance zu geben. „Ich bin froh, dass Brunner. Um sich zwischen den vielen wir uns für Nikola entschieden haben. Regalen zurechtzufinden, hat Nikola Den geben wir nicht mehr her.“ Foto: Manfred Lechner Veljkovic immer einen Plan von der Filiale dabei, den seine Chefin für ihn gezeichnet hat. So behält er den Über- blick und kann den Kund/innen sagen, wo sie welche Produkte finden. Das gibt Mit Leidenschaft bei der Arbeit: Nach der ihm Sicherheit. Heute geht der junge Arbeitssuchende und Lehre fand Nikola Veljkovic eine Anstellung. Mann offen auf Kund/innen zu und Unternehmer/innen sind bietet seine Hilfe an. Das kommt bei Schlitters „Das ist ein wunderbarer diesen sehr gut an. oft unsicher. Aber wer Arbeitsplatz“, beschreibt Nikola Vel- Am Beginn seiner Laufbahn stand offen ist, entdeckt viele jkovic seine Halbtagsstelle im BIPA. eine verlängerte Lehre im Lebenshil- Seit fast einem Jahr holt der 23-Jährige fe-Dorfladen. Später unterstützte ihn Fähigkeiten und Stärken. Seifen, Shampoos und Haartönungen die Lebenshilfe bei der Arbeitssuche Wer motiviert ist, schafft aus dem Lager, räumt die Regale ein und beim Start. „Die Lebenshilfe hat und sorgt dafür, dass alles ordent- uns geholfen, den Arbeitsplatz so zu auch den Rest. lich präsentiert wird. „Nikola bringt gestalten, dass er für Nikola und für Ruhe ins Team. Er hat ein gutes Auf- uns passt“, erklärt die Filialleiterin. Sie Anna Plattner, Job-Coach Den Garten gestalten Meine Motivation – Mein Job Kufstein Martin Kofler arbeitet schon Vermittlungsversuch ohne Anstellung lange bei der Lebenshilfe Tirol. Der endet, erklärt die Assistentin der Job. 39-Jährige half bei der Montage von Chance: „Jetzt fällt uns nichts mehr ein.“ Fahrzeugteilen oder im Schulbuffet Wenige Wochen später kommt Martin des örtlichen Gymnasiums. Weil er Kofler mit einer Telefonnummer zu ihr Foto: Maria Strasser sich eine richtige Arbeit wünscht, ver- und ruft: „Der hat einen Job für mich!“ mittelte man ihm mehrere Praktika, die Der Chef vom CBC Color Beschichtungs- alle nicht passten. Nachdem der letzte center sucht Personal und ist bereit, ihm eine Chance zu geben. In der Freizeit gestalteten Martin Kofler macht sich im Betrieb Bewohner/innen ihre Grünflächen. mit den Aufgaben vertraut, lernt, den Anordnungen des Chefs Folge zu leis- Sillian 2021 legten Bewohner/innen ten, und erhält nach einem Monat eine zu Hause ein Blumenbeet und einen Halbtagsanstellung. In dem Industrie- „Barfußweg“ an. Michael Duregger betrieb fühlt er sich wohl. Hier kann Foto: Sabine Schwaiger packte an und entfernte den Rasen, er so sein, wie er ist. Vor schmutzigen während andere Moos, Rinde, Tan- Arbeiten hat der tatkräftige Mann keine nenzapfen und -nadeln aus dem Wald Scheu. Die Assistentin staunt und freut holten. Gemeinsam gestalteten die sich sehr: „Erst als er verstand, dass Heimwerker/innen einen Weg, auf dem es auf ihn ankommt, hat Martin sich man barfuß unterschiedliche Eindrü- Martin Kofler (re.) fand Arbeit als auf die Füße gestellt und selber etwas cke sammeln kann. Beschichter und ist hier voll motiviert. gefunden!“ 16 LEBENS.WELT 22-2
Therapiehühner sind Lauras beste Freunde Polling Laura hat immer schon den Kontakt zu Tieren gesucht und war daher oft am Bauernhof des Nachbarn. „Weil viele Menschen bei ihren Ausbrü- chen erschrecken, waren Tiere stets ihre besten Freunde“, berichtet ihre Mutter. Seit Kurzem kümmert sich Laura um elf eigene Hühner aus der Lebens- Foto: Dagmar Prantl hilfe-Zucht in Reutte. Die Zehnjährige weiß, was ihre Tiere brauchen, und übernimmt Verantwortung: Sie füttert und tränkt sie, reinigt den Stall und holt die Eier. Und sie treibt die Hühner jeden Wenn Laura sich um ihre Hühner kümmert, ist sie ausgeglichen und glücklich. Abend in den Stall, wo sie vor Fuchs und Marder in Sicherheit sind. Sie spielt sie für die Eier bekommt, zählt sie allein berichtet die Mutter. „Doch wenn sie ihnen auf der Gitarre etwas vor oder und kauft davon beim Nachbarn das zu den Therapiehennen geht, ist die wiegt sie im Arm, bis sie schlafen. nötige Futter. So wird sie schrittweise Spannung wieder draußen.“ Auch die In der Schule lernt Laura lesen, schrei- selbständiger. drei Assistenzstunden der Lebenshilfe ben und auch schon bis zehn rechnen. Noch passiert es immer wieder, erlebt die Mutter als wichtige Entlas- „Laura wird nie ganz eigenständig sein“, dass „die Kleine unerwartet ausrastet tung. „Und die Ausbrüche sind schon erklärt die Mutter. Doch das Geld, das und Dinge durch die Gegend schmeißt“, viel seltener geworden!“ .. . Endlich selbst über sein Geld bestimmen n o r m a l is t da s de nn W ie Richterin, seine Lage neu zu beurtei- len. Die Assistentinnen unterstützen Netter Umgang wirkt ihn, alle Argumente vorzubringen. Das überzeugt die Richterin, ein Gutachten Zwei Jahre lang kommt Hanna meist Foto: Magdalena Chmielak in Auftrag zu geben. Dieses erklärt Gott- schlecht gelaunt in ihre Schulklasse: hard Lutz für fähig, sein Geld selbst zu Die kleine Rollstuhlfahrerin beteiligt verwalten, „wenn er dabei Unterstüt- sich ungern am Unterricht und schlägt zung erhält“. Heute achtet er darauf, auch auf andere Kinder ein. Einer auf- Briefe zu öffnen, Rechnungen zu zahlen merksamen Mutter fällt auf, dass die und wichtige Papiere zu ordnen. „Das Zehnjährige jeden Morgen vom Behin- Gemeinsam durchgesetzt: Gotthard Lutz ist für ihn und uns mehr Arbeit, aber dertenfahrdienst sehr unfreundlich darf über sein Geld selbst entscheiden. Gotthard ist glücklich darüber, es jetzt behandelt wird. Sie schlägt vor, zum selbst zu machen“, bemerkt die Assis- Johanniter-Fahr- Reutte Vor einigen Jahren machte tentin. Mit ihr bespricht er, wie man dienst zu wechseln, Gotthard Lutz eine Erbschaft. Ein günstig die Wände streichen lässt oder den ihre eigene Toch- Erwachsenenvertreter wurde bestellt. den alten Boden im Eingang erneuert. ter nutzt: „Mein Mädl Bis dahin konnte der 66-Jährige über Gotthard Lutz weiß, dass man nicht freut sich jeden Morgen auf die Fahrt alltägliche Anschaffungen selbst ent- alles auf einmal machen kann. Doch mit den jungen Fahrern und Zivis.“ scheiden, doch das war nun vorbei. einen Wunsch möchte sich der Besitzer Heute fährt Hanna mit freundlichen Weil er im Denken fit ist, fühlt er eines Traktorführerscheins heuer noch Fahrern in die Schule. „Seither ist sie sich bevormundet. Bei einer gericht- erfüllen: ein Moped-Auto, mit dem er wie ausgewechselt“, schildert ihre Leh- lichen Überprüfung bittet er die selbst fahren kann. rerin. 17
Mit Ihrer Hilfe Eigenständig unterwegs Die Lebenshilfe ermutigt Menschen, für den Weg zur Arbeit Zug, Bus oder Fahrrad zu nutzen oder zu Fuß zu gehen. Wer sich mit dem öffentlichen Verkehr auskennt, bewegt sich auch privat eigenständiger. Wer sich bewegt, lebt gesünder. Und wer Öffis nutzt, hilft, den Verkehr auf unseren Straßen zu verringern. Nachhaltig. Um dreimal in der Woche zu einer Außenstelle zu pen- deln, lernt Patrik Hangl, mit dem Postbus zu fahren. Anfangs begleitet ihn die Lebenshilfe. Doch schon bald legt er die Strecke allein zurück. Einige Wochen später fällt auf: Er kommt auch früher in seine angestammte Arbeitsstelle, weil er den Bus auch für diese Strecke nutzt. „Er hat uns nicht davon erzählt und ist einfach früher aus dem Haus gegan- gen“, staunt seine Mutter über die neue Eigenständigkeit. „Die neue Buskarte ist sein Heiligtum.“ So wie Patrik Hangl versuchen immer mehr Klient/ innen, mit Bus oder Bahn zur Arbeit zu fahren. „Wenn es noch mehr werden, können wir sogar eine Bus-Runde am Tag einsparen“, beschreibt ein Regionalleiter die Mobilitätsvision. Nachhaltig Die Lebenshilfe möchte nun Jahreskarten, Roller und E-Bikes finanzieren, um Menschen zu ermutigen, kurze Stre- cken mit dem Roller oder dem Fahrrad zu bewältigen. Auch MEINE START-HILFE kleinere Lasten oder Spielmaterial für die Frühförderung Für heuer stehen einige Anschaffungen auf der sollen bald so transportiert werden. Wunschliste. 200,-- Tret-Roller 400,-- E-Roller 519,-- Öffi-Jahresticket Tirol 2.850,-- Dreirad mit Elektro-Antrieb 5.000,-- Lastenrad Spendenkonto Lebenshilfe Tirol, Hypo Tirol, IBAN AT50 5700 0002 0007 4229 18 LEBENS.WELT 22-2
Warum Menschen helfen Weil Teilen Freude bereitet Zu Weihnachten erhält die Lebenshilfe eine Spende aus Amsterdam. Was den Spender bewegt, von Holland aus nach Tirol zu spenden, erzählt er hier. Stefan Obexer stammt aus Hopfgarten. Vor sieben Jahren nahm er einen guten Job in den Niederlanden an und über- siedelte vom Brixental nach Amsterdam. „Natürlich zieht es mich immer wieder mal zurück nach Tirol“, erzählt der 29-Jährige. 2020 muss er Corona-bedingt Weihnachten im Norden ohne seine Lieben feiern und bedauert das sehr. Im Herbst 2021 kann er zu einem Klassentreffen reisen und trifft dort auch eine Schulfreundin, die inzwischen bei der Lebenshilfe arbeitet. Als die ehemalige Klassenkolle- gin am 25. Dezember ein Foto auf ihrer Facebook-Seite teilt, entschließt sich der Büroangestellte, an die Lebenshilfe zu spenden. „Wie für die Menschen auf dem Foto, war diese Weih- nachtszeit auch für mich etwas Besonderes, da ich wieder in Österreich sein konnte“, erklärt er seine Motivation, „die Lebenshilfe bei ihrer Mission zu unterstützen.“ In Amsterdam ist Stefan Obexer es gewohnt, an jeder Ecke um Spenden gebeten zu werden. Doch lieber als die „zahl- reichen Spendenaktionen auf globalem Level“ sind ihm „Spenden bedeutet für mich Teilen. Organisationen, die lokal ansässig sind oder die ihm durch Die Freude, die man damit bereiten kann, einen Kontakt vertraut sind. „Bei der Lebenshilfe Tirol kann ich sicher sein, dass die Spende die Menschen erreicht, die ist unbezahlbar!“ sie erreichen soll.“ Stefan Obexer DANKE Vier Männern aus Lienz konnten dank Spenden dem Fuß- ballspiel Red Bull gegen Sturm Graz beiwohnen, von dem sie noch heute schwärmen. Foto: Bergbahnen S-F-L Die Musikgruppe The Officers unterstützte mit 1.663 EUR aus ihrem Internet-Auftritt das Bildungsangebot für Men- schen in Kufstein. SPAR unterstützte mit dem Erlös von Licht ins Dunkel Pro- dukten (5.000 EUR) die Schaffung von Kleinwohnungen in Landeck. Die Bergbahnen Serfaus-Fiss-Ladis unterstützen mit Die Firma innbike unterstützte den Lebenshilfe-Radverleih 12.000 Euro die Angebote für Kinder/Familien. in Kufstein mit Waren und Gutscheinen über 1.000 EUR. 19
Lebens.Welten r chaffere ter S Foto: Pe Foto: Peter Schafferer Menschen mit und ohne Behinderungen fühlen sich mit Menschen in der Ukraine verbunden und organisieren Hilfe für Bianca Kahler pflanzte Geflüchtete. 2021 Bäume im ersten Lebenshilfe-Wald. Jetzt ist sie eines der Gesichter der Gemeinwohl-Kampagne. Junge Leute schätzen den er Zivildienst in der Lebenshilfe Foto: Manfred Lechn oft wegen der Nähe zum Wohnort. Doch auch das gute Betriebsklima und das Wissen, etwas Sinnvolles zu tun, wirken motivierend. Durch die Berufvorbereitung im JobInn fand Marius Dorobantu eine Anstellung. Die Klient/innen der Tagesbegleitung für Ältere (TABEA) verteilten Valentinsgrüße an ihre Nachbar/innen. ell K retz Foto: Isab r chaffere Lechner ter S fred Bei der Wahl der Sprecher/innen Foto: Pe gab es landesweit eine hohe Foto: Man Wahlbeteiligung.. Computerkurse helfen Assistent/innen und Klient/innen, die neuen Technologien besser zu nutzen.
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