Leitfaden Allergien auf COVID-19 Impfstoffe - Information für Ärzte - In Zusammenarbeit mit: Ärzteverband ...
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Sämtliche Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen ohne vorherige schriftliche Genehmigung weder ganz noch auszugsweise kopiert, verändert, vervielfältigt oder ver- öffentlicht werden. © L. Klimek Herausgeber: Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA e.V.) Blumenstraße 14 63303 Dreieich info@aeda.de | www.aeda.de Med. Beratung: Prof. Dr. med. Ludger Klimek, Wiesbaden Prof. Dr. med. Johannes Ring, München Prof. Dr. med. Randolf Brehler, Münster Prof. Dr. med. Wolfgang Pfützner, Marburg Prof. Dr. med. Margitta Worm, Berlin Prof. Dr. med. Erika Jensen-Jarolim, Wien © 2021
Werte Leserinnen und Leser, Liebe Kolleginnen & Kollegen, in Deutschland leben und leiden ca. 25 Millionen Allergiker – somit ist fast 1/3 der Gesamt- bevölkerung von Allergien betroffen. Berichte über schwere allergische Reaktionen und Anaphylaxien direkt nach den ersten COVID-19 Impfungen in Großbritannien, Kanada und USA haben daher erhebliches Auf- sehen verursacht. Für kein anderes Thema war in den letzten Monaten der Beratungs- bedarf in den Allergiezentren und bei den niedergelassenen Allergologen so immens wie zu dieser Problematik. Erste Zahlen aus den USA zeigen, dass die Rate an Anaphylaxien für die neuen mRNA- Impfstoffe mit 2,5-11,1 Fällen pro 1 Million verabreichter Impfdosen ungefähr im Durch- schnitt aller bisherigen Impfstoffe liegt. Bei den meisten Patienten (71,4%) traten die Symptome innerhalb von 15 Minuten auf, bei 14,3% innerhalb von 15 bis 30 Minuten. Somit kann man mit einer Überwachungs- zeit von 30 Minuten fast 90% aller allergischen Reaktionen rechtzeitig erkennen. Sobald dies gegeben ist, kann die Behandlung in der Regel einen schweren Verlauf verhindern. Hierzu müssen die impfenden ÄrztInnen und alle medizinischen MitarbeiterInnen in Impfzentren und sonstigen Impfstellen die notwendigen Maßnahmen zur Anaphylaxie- Behandlung kennen. Wir haben hierzu mehrere Positionspapiere aller deutschsprachigen Allergie-Gesellschaften erarbeitet, deren wesentliche Inhalte in dieser Broschüre zusammengefasst sind. Sollten sich hierzu Fragen ergeben, stehen Ihnen die beteiligten Gesellschaften gern für weitergehende Informationen zur Verfügung. Bitte bleiben Sie gesund! Mit kollegialen Grüßen, Prof. Dr. med. Ludger Klimek Prof. Dr. med. Margitta Worm Präsident des AeDA Präsidentin der DGAKI Prof. Dr. med. Erika Jensen-Jarolim Prof. Dr. med. Stefan K. Plontke Präsidentin der ÖGAI Präsident der DGHNO-KHC Prof. Dr. med. Tilo Biedermann Präsident der DDG Einleitung Als Anaphylaxie bezeichnet man eine plötzlich auftretende Überempfindlichkeitsreaktion. Sie tritt in der Regel im Rahmen der allergischen Sofortreaktion (Typ I, IgE-vermittelt) auf und erfasst mindestens 2 Organsysteme. Allerdings sind auch nicht-IgE-vermittelte Anaphylaxien bekannt. Die Therapie der Anaphylaxie erfordert unmittelbares Handeln. Es existiert eine aktuelle deutsche Leitlinie zur Akutbehandlung der Anaphylaxie, aber auch internationale Richt- linien mit Handlungsempfehlungen. Die Häufigkeit anaphylaktischer Reaktionen hat in den letzten Jahren zugenommen.
Pathophysiologie genschwellung kann sich durch kloßige Ursächlich liegt der Anaphylaxie meist Sprache bemerkbar machen. eine immunologische Reaktion – am häu- In der Lunge treten asthmatische Sympto- figsten als Immunglobulin-E-vermittelte me als Folge der Bronchokonstriktion auf. Allergie – zugrunde. IgE aktiviert dabei Gastrointestinale Symptome manifestieren über Kreuzvernetzungen von hochaffinen sich als krampfartige Bauchschmerzen, IgE-Rezeptoren Mastzellen und basophile Übelkeit, Erbrechen und Durchfall bis hin Granulozyten, was in einer erhöhten Ex- zu unwillkürlicher Defäkation. Bei uroge- pression von Oberflächenmarkern (CD63, nitalen Manifestationen können Uterus- CD203c) auf Basophilen indirekt messbar krämpfe, Harndrang und unwillkürlicher ist. Harnabgang auftreten. Andere Antikörperklassen können eine Mediatorbedingte Permeabilitätsstörung ähnliche Symptomatik auslösen oder eine und Vasodilatation führen zu Blutdruck- IgE-vermittelte Reaktion verstärken. Hier- abfall und Pulsbeschleunigung. Im drama- bei gelten die Komplementspaltprodukte tischsten Fall ist ein Herz-Kreislauf-Still- C3a, C4a und C5a (Anaphylatoxine) als stand die Folge. besonders wichtige Mediatoren und neben Eine ZNS-Beteiligung kann in Form von Basophilen auch Neutrophile und Makro- Unruhe, Aggressivität, Kopfschmerzen und phagen als relevante Effektorzellen, die Bewusstseinsstörungen bis hin zu Krämp- über Immunkomplexrezeptoren (CD16, fen und Bewusstlosigkeit auftreten. CD32 bzw. CD64) aktiviert werden können. Da die differentialdiagnostische Abgren- Bei Patienten mit erhöhter basaler Serum- zung zur Anaphylaxie manchmal unklar tryptase und/oder Mastozytose kann die ist, ist es wichtig, die folgenden Symptome Anaphylaxie besonders schwer verlaufen. als charakteristische Kriterien für eine Ana- phylaxie zu kennen: Symptome der Anaphylaxie • plötzliches Auftreten von kutanen Charakteristischerweise betrifft die Symptomen zusammen mit plötzlichen Anaphylaxie die Haut, die Atemwege, das respiratorischen Symptomen oder Herz-Kreislauf-System und den Gastroin- plötzlichen hypovolämischen Sympto- testinaltrakt; das ZNS und der Urogenital- men trakt können ebenfalls beteiligt sein. und/oder In 5-10 % der Fälle nimmt die Anaphylaxie • plötzliches Auftreten von Symptomen einen biphasischen Verlauf, wobei erneute in zwei oder mehr Organsystemen Symptome bis zu 24 Stunden nach Abklin- (Haut, Magen-Darm-Trakt, Atmungs- gen der Sofortreaktion auftreten können. organe oder Kreislauf) nach Kontakt Nach eventuellen Prodromalzeichen mani- mit einem vermuteten Allergen oder festieren sich kutane Reaktionen in Form einem verstärkenden Faktor von Juckreiz, Rötung (‚flush’), Quaddelbil- und/oder dung und/oder Schwellungen (Angioödem) • Blutdruckabfall nach Kontakt mit einem an expositionsfernen Regionen. dem betroffenen Patienten bekannten Allergen oder einem anderen augmen- Auch die Schleimhäute können betroffen tierenden Faktor. sein. Erstes Anzeichen eines Larynxödems kann eine heisere Stimme sein, eine Zun-
Augmentationsfaktoren einer 1. Prüfung von Lebenszeichen (spontane Anaphylaxie Bewegung und Atmung). Bestimmte Faktoren können eine Anaphy- 2. Beurteilung von Puls und Blutdruck laxie verstärken. Folgende Augmentations- (Stärke, Frequenz, Regelmäßigkeit). faktoren sind bekannt: 3. Beurteilung der Atmung (Sprechdys- pnoe, inspiratorischer oder exspiratori- • Körperliche Belastung scher Stridor, Giemen; optional: • Infekte Auskultation, Bestimmung des „Peak • Medikamente flow“ mittels mechanischem Peakflow- • Alkohol Meter, Pulsoximetrie). • Mastozytose 4. Inspektion leicht einsehbarer Haut- • Psychogene Faktoren (z.B. Stress) areale sowie der Schleimhäute. • Hormonelle Faktoren (z.B. Menstruation) 5. Erfragen weiterer Beschwerden (z.B. Übelkeit, Brechreiz, Kopfschmerzen, Therapie thorakales Druckgefühl, Sehstörung, Die Akuttherapie der Anaphylaxie orientiert Pruritus). sich an der klinischen Symptomatik. Ent- 6. Erfragen bekannter Allergien. scheidend für eine erfolgreiche Behand- lung sind das frühzeitige Erkennen der Monitoring Symptome und ein umgehendes Ergreifen Um im Verlauf eine Verschlechterung des therapeutischer Maßnahmen. In größeren klinischen Zustandes eines Patienten Einrichtungen mit zahlreichen Mitarbeitern, rechtzeitig zu erkennen, ist ein kontinuierli- wie z.B. auch in Impfzentrenen, sollte eine ches Monitoring der Vitalparameter essen- adäquate Vorgehensweise durch regel- tiell. Diese umfassen Herzfrequenz (HF), mäßige Notfallschulungen aller Mitarbeiter Blutdruck (RR), Atemfrequenz (AF) sowie gewährleistet werden. im erweiterten Sinn Hautkolorit bzw. Auftre- ten von Hauterscheinungen). Ein Pulsoxi- meter erleichtert hierbei die Überwachung Basismaßnahmen der Sauerstoffsättigung im Blut. Die bedrohlichste Symptomatik bestimmt dabei die erste Therapiemaßnahme (Herz- Anfordern von Hilfe Kreislauf-Stillstand Umgehend sollten zusätzliche Helfer her- beigerufen werden. Dies kann im Einzel- → Störung des Herz-Kreislaufsystems fall entweder durch die Alarmierung einer → Störung des Atemwegssystems internen Rettungskette oder des externen → Störung des Gastrointestinaltraktes Rettungsdienstes erfolgen. → Störung des Hautorgans). Die Basisuntersuchung zur Erfassung von Leitsymptomatik und Akuität beinhaltet folgende Maßnahmen:
Lagerung Wirkung kann die Injektion alle 5-10 Minuten wiederholt werden. Die Lagerung des Patienten sollte symp- Adrenalin stellt das wichtigste Notfallmedi- tomorientiert erfolgen: bei Kreislaufdysre- kament für die Behandlung der Anaphyla- gulation ist die Flachlagerung mit erhöhten xie dar. Beinen zu bevorzugen (Trendelenburg-La- gerung), um der Hypovolämie entgegenzu- ß-Sympathomimetika wirken. Bei dyspnoeischen Beschwerden Der Einsatz von inhalativen kurzwirksamen sollte der Oberkörper hochgelagert werden ß2-Sympathomimetika (z.B. Fenoterol, (halbsitzend), bei Bewusstseinseintrübung Salbutamol) hat einen wichtigen Stellen- sollte der Patient in die stabile Seitenlage wert bei der Behandlung des allergischen gebracht werden, um einer Atemwegsver- Asthmas. Bei Vorherrschen einer Broncho- legung durch Zurückfallen der Zunge und konstriktion im Rahmen der anaphylakti- möglichem Erbrechen vorzubeugen. schen Reaktion können initial 2-4 Hübe verabreicht werden. Patienten, die ungeübt Einsatz von Notfallmedikamenten sind in der Anwendung von Asthma-Sprays (Nicht-Asthmatiker, Kinder) sollten mög- Adrenalin / Adrenalin Autoinjektor lichst mit Hilfe eines sog. Spacers inhalie- Schwere systemische allergische Re- ren. Dieser ermöglicht eine Inhalation über aktionen erfordern die zügige Gabe von die normale Atmung und steigert ggf. die Adrenalin. Effizienz der verabreichten Dosis. Adrenalin ist das einzige Medikament, welches gegen Beschwerden an allen Antihistaminika betroffenen Organsystemen wie Haut, Antihistaminika sind ein weiterer Bestand- Atemwege, Herz-Kreislauf und Gastro- teil der leitliniengerechten Anaphylaxie- intestinaltrakt wirkt. Gemäß aktueller Behandlung. Für die Akuttherapie der Leitlinie wird die Gabe von Adrenalin ab Anaphylaxie sind zur intravenösen Gabe einem Anaphylaxie-Schweregrad II (nach nur Clemastin (Tavegil®) und Dimetinden Ring und Messner) empfohlen. Bei vielen (Fenistil®) zugelassen. Die im Notfall zu anaphylaktischen Reaktionen ist die int- verabreichende Dosis beträgt 0,1 mg/kg KG ramuskuläre Applikation die Therapie der Dimetinden bzw. 0,05 mg/kg KG Clemastin. Wahl: einerseits ist eine i.m.-Applikation Sie sollte langsam intravenös (alternativ als einfach in der Anwendung, andererseits Kurzinfusion) verabreicht werden. ist das Risiko schwerer kardialer Neben- Bei oraler Gabe eines Antihistaminikums wirkungen im Vergleich zur i.v.-Gabe deut- sollte stets die Maximaldosis verabreicht lich geringer. Die empfohlene Einzeldosis werden. In der aktuellen Leitlinie wird dar- Adrenalin bei Einsatz durch Fachpersonal auf hingewiesen, dass in Einzelfällen eine beträgt, unabhängig von der Applikations- Dosissteigerung bis zur vierfachen Maxi- form, 10 μg/kg KG (= 0,01 mg/kg KG). maldosis vertretbar ist. Initial werden 300-500 μg i.m. per Es besteht keine Evidenz über den Nutzen Adrenalin-Autoinjektor oder 1:10 Verdün- einer zusätzlichen Gabe von H2-Blockern, nung einer Adrenalin-Ampulle gegeben. wobei es aus praktischen Erwägungen sinn- Die i.m.-Injektion erfolgt in die Außensei- voll erscheint, auch H2-Rezeptor-vermittelte te des Oberschenkels in einer Dosierung Effekte zu blockieren. von 0,01 mg/kg KG. Bei ausbleibender
Glukokortikosteroide (GKS) Erkennung und Behandlung schwerer aller- Aufgrund ihres verzögerten Wirkeintritts gischer Reaktionen geschult sein. spielen Glukokortikoide in der Akuttherapie der Anaphylaxie nach heutigem Stand eine Weitere Notfallmaßnahmen untergeordnete Rolle. Ein systematischer Review zum Einsatz von GKS in der Ana- Venöser Zugang phylaxie kommt zu dem Ergebnis, dass Es ist von entscheidendem Vorteil, bereits GKS keinen klaren Vorteil bringen. Da sie in der Frühphase einer Notfallsituation aber effektiv wirksam sind (insbesondere venöse Zugänge zu legen, um einer dro- zur Beseitigung der Bronchokonstriktion), henden Hypovolämie entgegenzuwirken. können sie dennoch sinnvoll eingesetzt Da schwere anaphylaktische Reaktionen werden, um protrahierten oder biphasischen oft große Flüssigkeitsmengen erfordern, Verläufen einer anaphylaktischen Reaktion sollte als Standard mindestens ein, besser vorzubeugen. zwei großlumige Zugänge von mindestens GKS wirken einerseits auf genomischer 18G gelegt werden. Intraossäre Zugänge Ebene, d.h. sie interagieren mit intrazellu- sind eine mögliche Alternative, wenn kei- lären GKS-Rezeptoren in den Zielorganen. ne venösen Zugänge vorhanden sind. Sie Ihre antiinflammatorische Wirkung beruht bleiben in der Regel Notärzten überlassen. u.a. auf einer Hemmung der Phospholipa- se 2, was eine verminderte Produktion von Volumensubstitution Prostaglandinen und Leukotrienen zur Fol- Die bereits in der Frühphase der allergi- ge hat. schen Sofortreaktion einsetzende Stei- Die nicht-genomische Wirkung andererseits gerung der Kapillarpermeabilität bewirkt findet durch Interaktion auf Zellmembran- einen massiven Volumenabstrom vom In- Ebene statt. Physikochemische Verände- travasalraum in interstitielle Kompartimen- rungen der Membraneigenschaften führen te. Aus diesem Grund stellt die frühzeitige zur Membranstabilisierung mit verminderter und ausreichende Volumensubstitution Durchlässigkeit für Kationen. Solche unspe- eine wichtige Säule in der Therapie der zifischen Effekte sollen nur bei Gabe hoher anaphylaktischen Reaktion dar. Um die- GKS-Mengen (d.h. 500-1000 mg Predni- sem Effekt schnellstmöglich entgegenzu- solon für Erwachsene) innerhalb von 10- wirken, sollten zügig innerhalb der ersten 30 Minuten nach Verabreichung auftreten, 5-10 Minuten 500-1000 ml Flüssigkeit und während genomische Wirkeffekte erst 1-2 ggf. noch mehr infundiert werden können. Stunden nach GKS-Gabe einsetzen. Bei Kindern sollte die initiale Volumenmen- Als Alternative bei fehlendem intravenösem ge 20 ml/kg KG betragen. Zugang stehen Suppositoren oder Tropf- lösungen zur oralen Applikation zur Verfü- Aufgrund fehlender Evidenz ist eine klare gung. Empfehlung zur Wahl des Volumenersatz- Um diese Therapie zu gewährleisten, wird mittels aktuell nicht möglich. Zur initialen eine Mindestausstattung an Pharmaka Volumensubstitution werden physiologi- [Tabelle 1] und medizinischem Material sche Kochsalzlösung oder balancierte benötigt [Tabelle 2], die in jeder impfenden Vollelektrolytlösungen empfohlen. Ebenso Stelle verfügbar sein sollten. können Kristalloidlösungen (Ringerlactat, Zudem muss das Impfpersonal in der Glucoselösung) verabreicht werden.
Tabelle 1: Pharmakotherapie einer Anaphylaxie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene unter ambulanten Bedingungen (nach Ring et al., 2021) Applikations- 7.5-25 (-30)4 Wirkstoff < 7.5 kg KG 30-60 kg KG > 60 kg KG weg kg KG 50 - 600 µg Adrenalin Intramuskulär (10 µg/kg KG) Nicht 1-2 x 300 µg Adrenalin Autoinjektor i.m. 150 µg 300 µg zugelassen oder 500 µg Inhalativ- Adrenalin 2 ml 2 Vernebler Adrenalin Intravenös 1 titrierend Boli 1 µg/kg KG 1 ml / 10 kg 1-2 Amp = Dimetinden Intravenös 1 ml 3 KG 3 1 Amp = 4 ml 3 4-8 ml 3 (max. 4 ml) (1 ml / 10 kg KG) Prednisolon Intravenös 50 mg 100 mg 250 mg 500-1000 mg Salbutamol 2 Hübe DA 2 Hübe DA 2 – 4 Hübe DA 2 – 4 Hübe DA Inhalativ Terbutalin per Spacer per Spacer per Spacer per Spacer Intravenös Volumen Bolus 20 ml/kg KG 20 ml/kg KG 10-20 ml/kg KG 10-20 ml/kg KG (NaCl 0,9%) Sauerstoff Inhalativ 2 bis 10 l/min 5 bis 12 l/min 5 bis 12 l/min 5 bis 12 l/min 1 Für die intravenöse Gabe wird von einer 1 mg/ml Adrenalinlösung 1 ml auf 100 ml NaCl 0,9% verdünnt (Endkonzentration 10 μg/ml); 2 Für die Inhalation wird die Stammkonzentration verwendet (1 mg/ml); 3 einer (Stamm-)Konzentration von 1 mg/ml (1ml enthält 1mg Dimetindenmaleat); 4 Unterschiedliche gewichtsabhängige Zulassungen bei unterschiedlichen Autoinjektoren
Sauerstoff Allergische Reaktionen auf Jeder Notfallpatient mit akuten respira- torischen oder Kreislaufproblemen sollte COVID-19 Impfstoffe Sauerstoff erhalten, ebenso Patienten mit Neben einer sehr selten auftretenden Ana- bekannten kardiovaskulären oder pulmo- phylaxie sind andere allergische Reak- nalen Grunderkrankungen. Es empfiehlt tionen wie z.B. verstärkte Lokalreaktionen, sich die Gabe von reinem Sauerstoff Verschlechterung der Symptome einer be- (100%) mit hoher Flussgeschwindigkeit. stehenden allergischen Erkrankung wie z. Die Verwendung von transparenten Atem- B. Asthma, Rhinokonjunktivitis, atopisches masken mit Reservoirbeutel hat sich dabei Ekzem (= Neurodermitis) möglich, aber bewährt. Die Sauerstoffapplikation über auch kontaktallergische Reaktionen und Sauerstoffbrillen oder Nasensonden ist Exantheme, die in einigen Fällen erst nach aufgrund fehlender Effektivität nicht mehr mehreren Tagen auftreten können. angebracht. Bei einer unmittelbar akut auftretenden Sicherung der Atemwege Anaphylaxie geht es um die Beantwortung Die endotracheale Intubation stellt den der folgenden Fragen: Goldstandard in der Atemwegssicherung dar. Die Durchführung allerdings ist auf- • Welche Patienten sind gefährdet? grund potentieller Fehlerquellen, die fatale Folgen für den Patienten haben können, • Wann sollte eine Allergie-Abklärung nur geübten Personen zu empfehlen. oder Prämedikation erfolgen? Als Alternative hat sich in den letzten Jah- • Was ist bei der Applikation des ren der Larynxtubus etabliert. Seine Hand- Impfstoffs zu beachten? habung ist im Vergleich zur endotrachealen Intubation einfach und schnell erlernbar. • Wie lange sollte eine Nachbeob- achtung sein? Kardiopulmonale Reanimation Bei Herz-Kreislauf-Versagen wird umge- hend mit einer Herzdruckmassage im Ver- hältnis 30:2 und mit einer Frequenz von 100 - max. 120/min begonnen. Druck- und Entlastungsdauer sollten gleich lang sein. Dabei sind die Arme des Helfers durch- gestreckt, die Kompressionskraft wird aus dem Gewicht des eigenen Körpers geschöpft. Ein verfügbarer automatischer Defibrillator ist umgehend anzulegen, im Fall von Kammerflimmern erfolgt eine Defibrillation. Kinder und Säuglinge erhal- ten initial 5 Beatmungsversuche, erst dann wird mit der Herzdruckmassage im Verhält- nis 30:2 und mit einer Frequenz von 120/ min begonnen.
Tabelle 2: Materielle Ausstattung zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen in ambulanten Einrichtungen/Impfzentren (nach Ring et al., 2021) Materielle Ausstattung zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen in ambulanten Einrichtungen/Impfzentren Stethoskop Blutdruckmessgerät Pulsoxymeter, evtl. Blutzuckermessgerät Stauschlauch, Venenverweilkanülen (in verschiedenen Größen), Spitzen, Infusionsbesteck, Pflaster zur Fixierung der Kanülen Sauerstoff und Verneblerset mit Sauerstoffmaske (verschiedene Größen) Beatmungsbeutel mit Masken (verschiedene Größen) Absaugvorrichtung ggf. Guedel-Tubus Volumen (z.B. balancierte Vollelektrolytlösung) Arzneistoffe zur Injektion: Adrenalin, Glukokortikoid, H1-Rezeptorantagonist Kurzwirksamer ß2-Adrenozeptoragonist z.B. Salbutamol zur Inhalation (bevorzugt als Inhalationslösung zur Anwendung über Verneblerset mit Maske, ggf. alternativ als Dosieraerosol mit Inhalierhilfe/Spacer/Maske, Autohaler o.ä.) Automatisierter externer Defibrillator
Welche Patienten sind gefährdet? handlung gewährleistet ist. In Abbildung 1 (siehe S.12) sind ver- Bei Mastozytose oder in Fällen unklarer schiedene allergische Krankheiten bzw. Allergie-Testergebnisse kann eine anti- Zustände dargestellt und ein damit einher- allergische Prämedikation analog zum gehendes Risikopotential für eine SARS- Vorgehen bei Vorliegen einer periope- CoV2-Impfung. rativen oder Kontrastmittel-induzierten Eine frühere schwere allergische Reaktion Anaphylaxie erwogen werden. Hierzu (Anaphylaxie) auf einen Bestandteil des werden Antihistaminika (Histamin-H1 und SARS-Cov2-Impfstoffs ist eine absolute H2-Antagonisten) und orale Glukokortiko- Kontraindikation für die Impfung, so wie ide eingesetzt. auch in der aktuellen Empfehlung der EMA Personen hingegen mit einer Allergie formuliert. Weitere risikobehaftete Patien- auf andere Allergene wie Pollen, Haus- ten sind aus allergologischer Sicht, Patien- staubmilben, Pilzsporen, Tierepithelien, ten, die eine Anaphylaxie bei Mastozytose, Nahrungsmittel, Insektengifte oder auf eine Anaphylaxie auf frühere Impfungen Arzneimittel und Hilfsstoffe, die nicht zu und eine Anaphylaxie mit unklarem Aus- den Inhaltsstoffen der Impfstoffe gehören löser erlitten haben. oder zu diesen kreuzreaktiv sind, stellen Anaphylaxie nach Insektenstichen oder keine Risiko-Population für eine Anaphyla- Nahrungsmitteln stellen keine Kontraindi- xie auf die COVID-19-Impfstoffe dar. kation zur Impfung dar. Bezogen auf allergische Krankheitsbilder Insgesamt wird deutlich, dass eine ab- weisen somit Personen kein erhöhtes Risi- solute Kontraindikation für SARS-CoV2- ko auf, die an einer atopischen Erkrankung Impfungen auch bei allergischen Patienten leiden wie Rhinokonjunktivitis allergica, sehr selten sein dürfte. Asthma bronchiale, atopisches Ekzem, allergisches Kontaktekzem oder Arznei- Es folgt daraus aber auch, dass in unklaren mittelexanthem, Urtikaria, Angioödem oder Fällen eine adäquate Allergie-Diagnostik Polyposis nasi. rechtzeitig vor der Impfung durchgeführt Ein praktikables Ampelschema zur Patien- werden sollte. Dies setzt entsprechende tenidentifikation wird in Abbildung 1 dar- Information und Aufklärung sowohl der gestellt. Impf-Teams als auch der impfwilligen Per- sonen voraus. Wann sollte eine Allergie-Abklärung oder Prämedikation erfolgen? Im Rahmen der Vorbereitungen auf die SARS-CoV-2 Impfungen sollten Hinweise auf allergologische Risiken in der Vorge- schichte erfragt werden [Abbildung 1]. So wird das Eingangsgespräch mit Anam- nese im Impfzentrum erleichtert. Jede Impfung sollte nur in einem Umfeld erfolgen, in dem eine medizinische Notfall- versorgung einschliesslich Anaphylaxiebe-
Vorgehen bei COVID-19 Impfungen und Allergien Impfung aus allergologischer Sicht Impfung unter erhöhter allergologische Abklärung Keine Impfung aus allergologischer ohne erhöhte Risikohinweise Risikobereitschaft möglich vor Impfung empfohlen Sicht (siehe Fachinformation) Möglichkeit der Impfung mit einem anderen Impfpräparat prüfen . Allergisches Asthma . Mastozytose Zustand nach Anaphylaxie bei: Zustand nach schwerer allergischer . Allergische Rhinokonjunktivitis . Impfung (auch 1ste Injektion des Reaktion/Anaphylaxie auf einen . Atopisches Ekzem (Neurodermitis) jew. COVID-19 Impfstoffes oder mehrere Inhaltsstoffe des Impf- . Nahrungsmittelallergie . Medikamenteneinnahme präparates (z.B. PEG) oder zu diesem . Insektengiftallergie . Medizinischen Eingriffen kreuzreaktive Substanzen (z.B. Poly- . Allergisches Kontaktekzem . Unklarer Genese sorbat) . Urtikaria . Arzneimittelexanthem Abbildung 1: Ampelschema zum Vorgehen bei unterschiedlichen allergologischen Erkrankungen oder anamnestischen Angaben (nach Klimek et al., 2021 und Worm et al., 2021)
Was ist bei der Applikation des Impf- Die Dosierung von 300 μg wird bei einem stoffs zu beachten? Wie lange sollte Gewicht ab 30 kg KG empfohlen, ab einem eine Nachbeobachtung sein? Gewicht über 60 kg wird eine Adrenalin- Nach Kurz-Anamnese und Ausschluss der Dosis von 300-600 μg empfohlen. Es hat Kontraindikation [Abbildung 1] kann die sich bewährt mit 300 µg zu beginnen und Injektion erfolgen. die weitere Dosierung dem klinischen Ver- Wegen möglicher Nebenwirkungen emp- lauf, der Entwicklung der klinischen Symp- fiehlt sich bei Personen mit Anaphylaxie in tomatik und dem Ansprechen auf die The- der Vorgeschichte eine Nachbeobachtung rapie anzupassen. von 30 min nach der Injektion. Eine Schulung zur korrekten Handhabung Das Impf-Team muss über die Möglich- des Autoinjektors ist unerlässlich, da sich keit einer Anaphylaxie informiert und in der die in Deutschland erhältlichen Modelle in dann notwendigen Akutbehandlung ge- ihrer Handhabung unterscheiden [Tabelle schult sein. Die dazu nötigen Medikamen- 3]. Aus diesem Grund erscheint es nicht te und Hilfsmittel müssen vor Ort verfügbar sinnvoll, einem Patienten verschiedene sein, einschließlich von Adrenalin-Autoin- Modelle zu verordnen. jektoren. Diskussion Notfallset Anaphylaktische Reaktionen nach Gefährdeten Patienten sollte ein Notfallset Arzneimittelgabe sind sehr selten verordnet werden, bestehend aus einem und bislang bei ca. 2,5-11 auf 1 Mil- Adrenalin-Autoinjektor, einem oralen Anti- lionen Injektionen bei den neuen mRNA histaminikum und Kortikoid sowie ggf. Impfstoffen berichtet worden. Ein einem Asthma-Spray (z.B. Salbutamol). pauschaler Ausschluss aller Allergiker von Der Adrenalin-Autoinjektor ermöglicht einer SARS-CoV2-Impfung ist nicht sinn- gefährdeten Patienten eine Selbstverab- voll. reichung im Notfall. In Deutschland sind Bei entsprechender Anamnese sollte mehrere Modelle zugelassen, erhältlich in eine adäquate allergologische Diagnostik den Dosierungen 150 μg [Tabelle 3]. Laut (einschließlich Bestimmung der Mastzell- deutscher Anaphylaxie-Leitlinie steht die tryptase) vor einer SARS-CoV2-Impfung Dosierung 150 μg für Kinder zwischen 15- durchgeführt werden. Dies sollte am bes- 30 kg zur Verfügung, wobei der Fastjekt® ten bereits vor Wahrnehmung eines Impf- junior bereits ab 7,5 kg KG zugelassen ist termins erfolgen. entsprechend den Dosierungsempfehlun- In unklaren Fällen und bei Mastozytose gen der europäischen Anaphylaxieleitlinie. kann eine pharmakologische Prämedika- tion mit Histamin-H1 und H2-Antagonisten (evtl. auch Glukokortikosteroiden) am Tag der Impfung erwogen werden. Personen mit Vorgeschichte einer Anaphy- laxie sollen nach der Impfung 30 Minuten nachbeobachtet werden.
Abbildung 2: Graduierung anaphylaktischer Reaktionen nach Ring 2021: nicht alle Symptome müssen vorhanden sein, das weitreichendste Symptom bestimmt die Einteilung Haut Gastrointestinaltrakt Respirationstrakt Herz-Kreislauf-System Grad I leichte Allgemeinreaktion Juckreiz – – – Flush Urtikaria Angioödem Grad II ausgeprägte Allgemeinreaktion Juckreiz Übelkeit Rhinorrhoe Tachykardie (Anstieg > 20/min.) Flush Krämpfe Heiserkeit Blutdruckabfall (> 20 mmHg Urtikaria Dyspnoe syst.) Angioödem Arrhythmie Grad III bedrohliche Allgemeinreaktion Juckreiz Erbrechen Larynxödem Schock Flush Defäkation Bronchospasmus Bewußtlosigkeit Urtikaria Zyanose Angioödem Grad IV vitale gefährdende Allgemeinreaktion Juckreiz Erbrechen Atemstillstand Herz-Kreislaufstillstand Flush Defäkation Urtikaria Angioödem Tabelle 3: Übersicht der Charakterisitika der in Deutschland zugelassenen Autoinjektoren nach aktuellen Fachinformationen; * keine Kinderzulassung; **abhängig von klinischer Beurteilung: Emerade 300 oder 500 Charakteristika Anapen® Junior 150/ Emerade® FastJekt® Junior 150 Jext® 150/300 Anapen® 300/500 150/300/500 * FastJekt® 300 Dosierung nach ab 15 kg/ab 30 kg/ ab 15 kg/ab 30 kg/ ab 7,5 kg/ab 25 kg ab 15 kg/ab 30 kg Körpergewicht (KG) ab 60 kg ab 60 kg ** Sicherungskappe gegenüber vom vorhanden keine vorhanden vorhanden Nadelaustritt Farbliche roter Auslöseknopf, Blau: Sicherheitskappe Gelb: Sicherheitskappe keine Kennzeichnung Pfeil markiert Nadelende Orange: Nadelaustritt Schwarz: Nadelaustritt Haltedauer bei 10 s 5s 3s 10 s Injektion Nadellänge 10 mm 16/23/23 mm 13/16 mm 13/15 mm Haltbarkeit 21/24/24 Monate 18 Monate 19/24 Monate 18 Monate Sichtfenster zur Kontrolle verdeckt/ vorhanden/ der Injektion und Injek- direkt sichtbar nicht direkt offen/direkt sichtbar offen/direkt sichtbar tionslösung sichtbar Doppelpackung (N2) keine verfügbar verfügbar keine
Fazit für die Impfteams: : A. Anaphylaxien treten bei Impfungen D. Patienten mit einer Anaphylaxie ≥ Grad meist innerhalb der ersten 30 min. auf. II sollten 24 Stunden stationär überwacht B. Wichtig für den Behandlungserfolg bei werden. Anaphylaxie sind ein frühzeitiges Erken- E. Ein Notfallset für Anaphylaxie-Patien- nen der Situation und eine adäquate Be- ten enthält einen Adrenalinautoinjektor, ein handlung inklusive der Gabe von Adrenalin Antihistaminikum und ein Glukokortikoste- bei systemischen Reaktionen ab Grad II. roid sowie ggf. zusätzlich ein ß-Sympa- C. Die intramuskuläre Verabreichung von thomimetikum. Adrenalin (vorzugsweise mittels Autoin- F. Eine Ursachenabklärung nach durchge- jektor) ist unter ambulanten Bedingungen machter Anaphylaxie ist unbedingt emp- Goldstandard bei der Behandlung einer fehlenswert. Anaphylaxie ab Grad II. Weiterführende Literatur [1] Klimek L, Bergmann KC, Brehler R, Pfützner W, Worm M et al., Allergologische Diagnostik und Therapien bei COVID-19 Impfungen: Praktische Handlungsempfehlungen von AeDA, DGAKI und GPA. AllergoJournal International 2021,DOI: 10.1007/s40629-021-00165-7 [2] Klimek L, Novak N, Hamelmann E. et al. Severe allergic reactions after COVID-19-Vaccination with the Pfizer/BioNTech Vaccine in Great Britain and USA. Position Statement of the German allergological Societies AeDA, DGAKI and GPA. Allergo Journal International 2020. doi:https://doi.org/10.1007/ s40629-020-00160-4 [3] Worm M, Ring J, Klimek L, Jakob T, Lange L et al., Covid-19 vaccination and risk of anaphyla- xis-Recommendations for practical management, MMW Fortschr Med. 2021 Jan;163(1):48-51. doi: 10.1007/ s15006-021-9530-6. PMID: 33464512 [4] Ring J, Beyer K, Biedermann T, Bircher A et al., Guideline (S2k) on acute therapy and management of anaphylaxis: 2021 update. Allergo J Int. 2021 Jan 28:1-25. doi: 10.1007/s40629-020-00158-y. PMID: 33527068. [5] Klimek L, Jutel M, Akdis CA, Bousquet J et al., ARIA-EAACI statement on severe allergic reactions to COVID-19 vaccines - an EAACI-ARIA position paper. Allergy. 2020 Dec 30. doi: 10.1111/all.14726. PMID: 33378789 :
e.V. Professor Dr. med. Ludger Klimek Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen e.V. An den Quellen 10 | D-65183 Wiesbaden Tel.: +49 (0)611-308 6080 Fax: +49 (0)611-308 608 255 E-Mail: info@allergiezentrum.org www.allergiezentrum.org | www.aeda.de Registergericht: Amtsgericht Köln Vereinsregister Nr.: 43 VR 63 89
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