"Lernen für das Leben" - Praxisausbildung als Selbstbestimmungs- und Teilhaberessource gestalten Erkenntnisse aus einem Projekt zur Verbesserung ...

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„Lernen für das Leben“ – Praxisausbildung als
Selbstbestimmungs- und Teilhaberessource
gestalten
Erkenntnisse aus einem Projekt zur Verbesserung
der Ausbildung von Heilerziehungspfleger*innen
am Lernort Praxis
Völz, Silke; Radunovic, Chiara; Cramer, Henning; Overkamp, Ulrike;
Hilbert, Josef (2022): „Lernen für das Leben“ – Praxisausbildung als
Selbstbestimmungs- und Teilhaberessource gestalten. Erkenntnisse
aus einem Projekt zur Verbesserung der Ausbildung von Heilerzie-
hungspfleger*innen am Lernort Praxis. IAT Discussion Papers, 22/02,
Mai 2022.
Abstract
Die Heilerziehungspflege (HEP) ist in einem ehrgeizigen Prozess der Erneuerung und Verbesse-
rung. Durch veränderte rechtliche Rahmenbedingungen, aber auch durch die (wissenschaftlich
fundierte) Weiterentwicklung des eigenen professionellen Selbstverständnisses will sie einen
deutlichen Fortschritt, einen Quantensprung bei der Förderung von Selbstbestimmung und Teil-
habe von Menschen mit Assistenzbedarf ermöglichen. Damit dies gelingen kann, sind zielfüh-
rende Veränderungen in der Berufsausbildung der Heilerziehungspfleger*innen unerlässlich.
Bei der Weiterentwicklung der fachschulischen Berufsausbildung der Heilerziehungspfleger*in-
nen kommt Erneuerungen bei den praktischen Ausbildungsphasen eine große Bedeutung zu. Wie
in vielen Bereichen anderer Berufsausbildungen auch sollte es hier gelingen, Praxis nicht als Ort
des Übens und Eingewöhnens, sondern als Lernort mit systematisch strukturierten Lernarrange-
ments zu gestalten.
Diese Zielsetzung verfolgte das Projekt „Lernen für das Leben“. Im Mittelpunkt stand eine Hand-
reichung zu entwickeln, die die praktische Ausbildung systematisiert, strukturiert und standardi-
siert. Dafür wurden zahlreiche Instrumente entwickelt. Das bedeutsamste sind Lernaufgaben, die
sowohl der Kompetenzentwicklung der Auszubildenden dienen als auch positive Auswirkungen
für die Selbstbestimmungs- und Teilhabemöglichkeiten der Klient*innen haben sollen. Ebenso
sind die darüber hinaus entstandenen zusätzlichen Orientierungen für die Gestaltung der berufs-
praktischen Ausbildung nicht nur kurzfristig ausbildungsstrukturierend hilfreich, sondern auch
für die weitere Entwicklung und Profilierung des gemeinsamen Bildungs- und Kompetenzver-
ständnisses der Heilerziehungspflege gewinnbringend.
Die wissenschaftliche Evaluation des Projektes zeigte, dass der beschrittene innovative Weg im
Grundsatz funktioniert, seine Nachhaltigkeit jedoch davon abhängt, dass Strukturen und Ressour-
cen dafür vorhanden sind, sich vor Ort in Teams über eine kreative Anwendung und Weiterent-
wicklung verständigen zu können.

       Keywords:      Heilerziehungspflege, Lernaufgaben, Kompetenzorientierung, Lernort Praxis,
                      Berufsausbildung

* Institut Arbeit und Technik, Munscheidstr. 14, 45886 Gelsenkirchen, 0209-1707 131, voelz@iat.eu
† Institut Arbeit und Technik, Munscheidstr. 14, 45886 Gelsenkirchen, radunovic@iat.eu
‡ Alters-Institut, Wittekindstraße 100a, 44139 Dortmund, henning.cramer@alters-institut.de
§ Alters-Institut, Schildescher Str. 101, 33611 Bielefeld, ulrike.overkamp@johanneswerk.de
** Institut Arbeit und Technik, Munscheidstr. 14, 45886 Gelsenkirchen, hilbert@iat.eu
1     Hintergrund .......................................................................................................................................................................... 1
    1.1        Normative Grundlagen der Heilerziehungspflege ..................................................................................... 1
    1.2        Ausbildung in der Heilerziehungspflege ....................................................................................................... 3
    1.3        Kompetenzorientierung in der beruflichen Bildung ................................................................................ 4
2     Das Projekt „Lernen für das Leben“ ........................................................................................................................... 5
    2.1        Projektprodukt: Lernaufgaben .......................................................................................................................... 6
    2.2        Weitere Projektprodukte ..................................................................................................................................... 8
3     Evaluation .............................................................................................................................................................................. 9
    3.1        Evaluations-Methoden .......................................................................................................................................... 9
    3.2        Pandemiebedingte Veränderungen ...............................................................................................................12
4     Ergebnisse ...........................................................................................................................................................................12
    4.1        Allgemeine Bewertung der Lernaufgaben ..................................................................................................12
    4.2        Nutzungsprozess....................................................................................................................................................13
    4.3        Auswirkungen der Nutzung von Lernaufgaben .......................................................................................14
5     Diskussion ...........................................................................................................................................................................18
    5.1        Diskussion der Ergebnisse.................................................................................................................................18
    5.2        Konsequenzen der Pilotierung der Lernaufgaben für die Entwicklungen im Projekt .............19
6     Ausblick ................................................................................................................................................................................20
7     Literatur ...............................................................................................................................................................................22
„als zu integrierende Minderheit, sondern als
                                                  integraler Teil von Kultur, Gesellschaft und
                                                  kulturelle Bereicherung verstanden” (BAG
Menschen mit Assistenzbedarf stehen im Fo-
                                                  HEP 2018, S. 5). Die Heilerziehungspflege
kus des professionellen Handelns aller agie-
                                                  wird seither nicht mehr als fürsorgende Be-
renden Personen der Behindertenhilfe. Ihre
                                                  treuung, sondern als Begleitung, Unterstüt-
Lebensqualität, ihre Selbstbestimmung und
                                                  zung und qualifizierte Assistenz betrachtet
ihre Teilhabe sind Ziel assistiver Dienstleis-
                                                  (vgl. a.a.O., S. 6).
tungen professioneller Fachkräfte. Die Heil-
erziehungspflege (HEP) definiert sich selbst
als „Menschenrechtsprofession“ (BAG HEP
2018, S. 6). Dieses Berufsbild zeichnet sich
dadurch aus, „dass durch professionelles
Tun ‚entrechtete’ Menschen in behindernden        Dieser Paradigmenwechsel hat inzwischen
Lebenssituationen in ihrem Recht und ihrem        die      (Weiter-)Entwicklung      normativer
Willen nach Zugang zu und Teilhabe an allen       Grundlagen beeinflusst. Basis für die heiler-
Lebensbereichen unterstützt werden.” (BAG         ziehungspflegerische Praxis sind die (neuen)
HEP 2018, S. 8). Nach den KMK-Rahmenver-          Grundlagen der UN-Behindertenrechtskon-
einbarungen sollen Heilerziehungspfle-            vention (UN-BRK) und des Bundesteilhabe-
ger*innen nach der Ausbildung somit in der        gesetzes (BTHG). Die Anforderungen an die
Lage sein, Menschen mit Beeinträchtigungen        Fachkräfte in der Eingliederungshilfe, die
oder Behinderungen zu begleiten, zu be-           Heilerziehungspfleger*innen, sind durch das
treuen, zu pflegen sowie ihnen zur Persön-        Rollout des „Gesetzes zur Stärkung der Teil-
lichkeitsentwicklung und Bildung zu verhel-       habe und Selbstbestimmung von Menschen
fen (vgl. Zöller 2021, S. 14). Dabei zieht sich   mit Behinderung“ neu und enger definiert
der Leitgedanke der Inklusion wie ein roter       worden. Der Gesetzgeber benennt bundes-
Faden durch die fachpraktische Ausbildung         weit in § 78 SGB IX die Aufgaben der Fach-
(vgl. BAG HEP 2018, S. 6). So geht es in der      kräfte überwiegend als zu erbringende qua-
Praxis der Heilerziehungspflege primär um         lifizierte Assistenz mit dem Ziel der „Befähi-
den Menschen und seine Würde sowie um             gung der Leistungsberechtigten zu einer ei-
die Auseinandersetzung mit Diversität (vgl.       genständigen Alltagsbewältigung“. Die Leis-
ebd.).                                            tungssystematik des Landes Nordrhein-
In der Praxis verändert sich schon seit Jahren    Westfalen, das BEI_NRW (Bedarfsermitt-
die Sichtweise auf Menschen mit Assistenz-        lungsinstrument), setzt die Anforderungen
bedarf, die in ihrer gesellschaftlichen, kultu-   des SGB IX um und verlangt neben der indi-
rellen und politischen Teilhabe behindert         viduellen Bedarfsermittlung eine konkrete
werden (vgl. a.a.O., S. 5). Es erfolgte ein Pa-   Ziel- und Leistungsplanung unter Einbezie-
radigmenwechsel für Menschen mit Assis-           hung der Teilhabebereiche der Internationa-
tenzbedarf weg vom Objekt der Fürsorge hin        len Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Be-
zum Subjekt der Selbstbestimmung, wobei           hinderung und Gesundheit (ICF).
die Sonderstellung von Menschen mit Behin-        Ausgehend von der Zentrierung aller profes-
derungen im gesamtgesellschaftlichen Kon-         sionellen Aktivitäten und Dienstleistungen
text weiterhin berücksichtigt wurde (vgl. So-     auf diesen normativen Grundlagen muss sich
zialgesetzbuch (SGB IX) 2021). Menschen           Fachkräfte-Bildung in ihrer Orientierung auf
mit Assistenzbedarf werden nun nicht mehr

                                                                                              1
die dort beschriebenen Werte und Leitge-          Zwar sind im Bildungskontext vornehmlich
danken messen lassen. Beispielsweise in der       die aktiv Beteiligten in den Blick zu nehmen,
Präambel des Landesrahmenvertrages nach           die die professionellen Dienstleistungen er-
§131 SGB IX wird der leistungsberechtigte         bringen – nie aber ohne die aus dem Blick zu
Mensch als im Mittelpunkt stehend aller Be-       verlieren, um die es eigentlich geht: Men-
mühungen der Parteien sowie als „Träger           schen mit Assistenzberechtigung.
universeller und unteilbarer Menschen-
rechte“ beschrieben (Landesrahmenvertrag          Die Ausbildung in der Heilerziehungspflege
nach §131 SGB IX Nordrhein-Westfalen              findet an den Lernorten Schule und Praxis
2021, S. 6). §1 Abs. 2 definiert das Selbstver-   statt. Für den Lernort Praxis kann davon aus-
ständnis eindeutig: „Die Vertragsparteien         gegangen werden, dass sowohl Studierende
verstehen die Leistungen zur Teilhabe für         der Heilerziehungspflege als auch die Kli-
Menschen mit Behinderungen […] ausdrück-          ent*innen in der Behindertenhilfe verschie-
lich als Konkretisierung der Verpflichtungen      denartigen Motivlagen und Milieus entstam-
aus der seit dem 26.03.2009 bundesgesetz-         men. Ein schlüssiges didaktisches Gesamt-
lich uneingeschränkt geltenden UN-Behin-          konzept für die Ausbildung mit einem ent-
dertenrechtskonvention. Diese völkerrecht-        sprechenden Curriculum am Lernort Schule
lichen Verpflichtungen sind in jedem Einzel-      und einem Ausbildungsplan am Lernort Pra-
fall […] zu beachten.“ (ebd.)                     xis muss auf der Zielebene den normativen
Durch die geltenden Richtlinien und Lehr-         Grundlagen des Bundesteilhabegesetzes ge-
pläne für Berufskollegs in Nordrhein-West-        nauso entsprechen wie den Werten und Leit-
falen und im Besonderen für die Fachschulen       bildern der unterschiedlichen Träger der
für Sozialwesen Fachrichtung Heilerzie-           praktischen Ausbildung. Bildung in diesem
hungspflege sind diese verpflichtet, berufli-     Kontext geht von einem emanzipatorischen,
che Fähigkeiten und Kenntnisse für Fach-          die jeweilige Autonomie und die Authentizi-
kräfte in der beruflichen Praxis zu vermit-       tät fördernden Verständnis auf der Grund-
teln: „Studierende qualifizieren sich für         lage eines am § 1 des Grundgesetzes orien-
übergreifende oder spezielle Aufgaben koor-       tierten Menschenbildes aus. Darmann-Fink
dinierender, gestaltender, anleitender oder       beschreibt, dass sich die (Pflege-)Didaktik an
pädagogischer Art. Gelernt wird, komplexe         dem „bildenden Subjekt und seinem/ihrem
Arbeiten selbstständig zu bewältigen, Ent-        biografischen Vorverständnis“ orientieren
scheidungen zu treffen, ihre Umsetzung zu         muss (Darmann-Fink 2009, S. 3). Das bedeu-
planen, sie durchzuführen und zu reflektie-       tet, dass die Lernenden in der Gruppe als mit
ren, verantwortlich in aufgaben- und pro-         divergierenden Interessen ausgestattet
jektbezogenen Teams tätig zu werden, Füh-         wahrgenommen werden müssen. Dies ist
rungsaufgaben in definierten Funktionsbe-         grundlegend, um die Kompetenzentwicklung
reichen zu übernehmen.“ (Ministerium für          (s.u.) entsprechend zu fördern. Allerdings
Schule und Weiterbildung des Landes Nord-         muss es neben individualisierten Anforde-
rhein-Westfalen 2014, S. 7). Die Richtlinien      rungen zu einer Vergleichbarkeit des Lern-
verpflichten die Schulen zu einer an der Pra-     prozesses am Lernort Praxis kommen, um
xis orientierten Ausbildung, diese wiederum       ein höheres Maß an Handlungssicherheit für
orientiert sich in ihrer Dienstleistungsaus-      die Praxis und die Fachschulen zu erzeugen.
richtung an den normativen Grundlagen des
Landesrahmenvertrages nach § 131 SGB IX
Nordrhein-Westfalen von 2021.
                                                                                              2
rhein-Westfalen Erkenntnisse zur Verbesse-
                                                 rung der HEP-Ausbildung am Lernort Praxis,
                                                 die u.a. mithilfe des von der Stiftung Wohl-
Die Ausbildung zum/zur Heilerziehungspfle-       fahrtspflege NRW geförderten Projekts „Ler-
ger*in folgt landesrechtlichen Regelungen        nen für das Leben” gewonnen werden sollen.
und orientiert sich an den Rahmenvereinba-       Auch die Rahmenbedingungen der Ausbil-
rungen der Kultusministerkonferenz (KMK)         dung erfordern wesentliche Verbesserun-
sowie an den (Fach-)Schulverordnungen,           gen. Inzwischen sind diese auch in den Fokus
Schulgesetzen und ggf. Richtlinien der jewei-    gewerkschaftlicher Kampagnen gerückt. So
ligen Bundesländer (vgl. Zöller 2021, S. 14).    stellt z.B. ver.di im Rahmen ihrer aktuellen
Auch die Ausbildungsdauer der Heilerzie-         Aufwertungskampagne klare Forderungen
hungspflege hängt somit von den Regelun-         zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
gen der einzelnen Bundesländer sowie von         und zur Aufwertung der Tätigkeit in der Be-
gegebenen Vorbildungen der Auszubilden-          hindertenhilfe (vgl. ver.di o.J.). Dabei hat ins-
den ab (vgl. a.a.O., S. 15). Im Schuljahr        besondere die Ausbildung in der Heilerzie-
2018/2019 lag die Anzahl der Auszubilden-        hungspflege Einzug in die gewerkschaftliche
den bundesweit bei etwa 19.000, wovon die        Debatte gefunden. Hier wird für eine Reform
Mehrheit Frauen mit 71,4 Prozent ausma-          der Ausbildung in der Heilerziehungspflege
chen (vgl. Zöller 2021, S. 17). Die Entwick-     plädiert (vgl. ver.di 2021, S. 1). Begründet
lungen der einzelnen Bundesländer in den         wird dies insbesondere mit Ergebnissen ei-
Jahren 2012/2013 bis 2018/2019 zeigen,           ner mit rund 900 angehenden Heilerzie-
dass die Auszubildendenanzahl in der Heil-       hungspfleger*innen durchgeführten Befra-
erziehungspflege größtenteils rückläufig ist.    gung aus dem Jahr 2019 (vgl. a.a.O., S. 2). Die
Lediglich vereinzelt kommt es in wenigen         Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich die
Bundesländern zu einer Zunahme der Aus-          HEP-Auszubildenden bundesweit einheitli-
zubildenden (vgl. ebd.). Dabei ist zu erken-     che Standards, eine kostenfreie Ausbildung,
nen, dass im Schuljahr 2018/2019 mehr als        eine angemessene Ausbildungsvergütung
ein Viertel der Auszubildenden in Deutsch-       und eine hohe Ausbildungsqualität erhoffen
land die HEP-Ausbildung in Nordrhein-            (vgl. ebd.).
Westfalen durchführen (vgl. Zöller 2021, S.
55.).                                            Wie bei anderen Ausbildungen auch ist die
Charakteristisch für diese Ausbildung ist der    Didaktik der schulisch geprägten Ausbildung
starke Theorie-Praxis-Bezug. Entsprechend        in der Heilerziehung vor allem am Niveau 6
müssen die Auszubildenden neben dem The-         des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR)
orieteil, der mindestens aus 2.400 Stunden       ausgerichtet. Die Entwicklung eines gemein-
besteht, eine hohe Stundenanzahl in der Pra-     samen Kompetenzverständnisses dieses Be-
xis absolvieren (vgl. BAG HEP 2018, S. 5).       rufes war die Grundlage für die Entwicklung
Diese beläuft sich auf mindestens 1.200 Pra-     der unterschiedlichen Instrumente, z.B. der
xisstunden in unterschiedlichen Bereichen        Lernaufgaben, im Projekt „Lernen für das Le-
der Heilerziehungspflege (vgl. Zöller 2021, S.   ben“.
15).
Aufgrund des hohen Praxisanteils und der
zunehmenden Entwicklung der Auszubil-
dendenzahl bedarf es insbesondere in Nord-

                                                                                                3
privaten Situationen sachgerecht durch-
                                                dacht sowie individuell und sozial verant-
                                                wortlich zu verhalten“ (KMK 2018, S. 15). Be-
Der Einfluss der Kompetenzorientierung in       rufliche Handlungskompetenz wird haupt-
der Berufsbildung ist heute didaktische Pra-    sächlich durch die drei Merkmale Abge-
xis. Es handelt sich hierbei um eine beson-     grenztheit, Mehrdimensionalität sowie
dere Perspektive auf das Lehren und Lernen,     Wertoffenheit definiert. Handlungskompe-
die deutlich über die reine Vermittlung iso-    tenz wird somit 1.) dadurch beschrieben,
lierter Wissensbestände oder Fertigkeiten       dass sie stabiles Handeln in bestimmten, ab-
hinausgeht. Vielmehr bezieht die Orientie-      gegrenzten Situationstypen ermöglicht, ohne
rung auf die Kompetenzentwicklung der Ler-      dass dabei aber auf einzelne erlernte Verhal-
nenden die Verknüpfung „von Wissen und          tensweisen zurückgegriffen werden muss
Tun, von Reflexion und Aktion, von Einsicht     (vgl. Euler 2020, S. 208). Die berufliche
und Umsetzung“ (Euler 2020, S. 206) ein. Da-    Handlungskompetenz kann 2.) in mehrere
bei strebt die Kompetenzorientierung eine       Dimensionen aufgeteilt werden: Sach- bzw.
individuelle Entwicklung der Lernenden an,      Fach-, Sozial-, Selbstkompetenz werden hier-
die insbesondere durch prozessorientiertes      bei häufig angebracht (vgl. z.B. KMK 2018, S.
Lehren und Lernen realisiert werden kann        15; Euler 2020, S. 208). Diese Kompetenzdi-
(vgl. Frohn 2019, S. 15).                       mensionen wiederum können unterteilt
Der Kompetenzbegriff hat eine lange Ge-         werden in kognitive, wertende sowie gestal-
schichte. Im deutschen Sprachgebrauch ist er    tende Schwerpunkte (vgl. Euler 2020, S.
durch Max Weber eingeführt worden, der          208f.). Das dreidimensionale Konstrukt
Kompetenz als „abgegrenzte sachliche Zu-        (Fach-, Sozial-, Selbstkompetenz) ist häufig
ständigkeit“ bezeichnete, die hier jedoch mit   in neuen didaktischen Konzepten beruflicher
einer juristisch-militärischen Konnotation in   Bildung wiederzufinden und basiert auf der
Verbindung stand (vgl. Kobelt 2008, S. 10).     Kompetenzdefinition von Heinrich Roth aus
Trotz seiner weiten Verbreitung ist der Kom-    dem Jahr 1971 (vgl. Nickolaus/Walker 2016,
petenzbegriff noch immer nicht eindeutig        S. 9). Grundlage für dieses Konstrukt bildet
definiert. Das Verständnis hat sich jedoch –    die Annahme, dass die Entwicklung berufli-
vor allem in bildungswissenschaftlichen         cher Kompetenzen durch gestaltete Lehr-
Kontexten – stark weiterentwickelt. Erpen-      Lernprozesse deutlich besser gefördert wird
beck, von Rosenstiel, Grote und Sauter          als durch traditionale Lehr-Lernverfahren
(2017) verstehen Kompetenzen beispiels-         (vgl. ebd.). Kompetenzorientierung ist hier
weise als subjektzentrierte Dispositionen,      somit nicht nur ein didaktisches Prinzip, son-
die eine kreative und schöpferische Prob-       dern prozessdidaktisch zu begreifen (vgl.
lemlösung fördern. In deutschsprachiger Li-     Frank/Iller 2013, S. 40). Für die kompetenz-
teratur im Bereich der Berufsbildung findet     orientierte Lehre stellt daher der Transfer
der Terminus der beruflichen Handlungs-         zwischen Theorie und Praxis ein entschei-
kompetenz häufig Verwendung (vgl. Euler         dendes Element in Lehr-Lernprozessen dar
2020, S. 207). Die Grundlage hierfür bilden     (vgl. a.a.O., S. 39). Das der Handlungskompe-
vor allem handlungstheoretische Ansätze.        tenz immanente 3. Merkmal ist die Wertof-
Die Kultusministerkonferenz definiert sie als   fenheit: Zu lehrende und lernende Hand-
„Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen,     lungskompetenzen sind zunächst wertoffen.
sich in beruflichen, gesellschaftlichen und     Eine auf Kriterien und Werten basierende

                                                                                            4
Beurteilung wird dennoch als notwendig be-                       Auszubildenden berufspraktische Erfahrun-
trachtet: Kompetenzen seien daher „norma-                        gen, die sie selbst dokumentieren und angelei-
tiv begründungs- und bestimmungsbedürf-                          tet reflektieren, wodurch ihnen die Verzah-
tig“ (Euler 2020, S. 210).                                       nung von schulischen und praktischen Ausbil-
Auch wenn das Erlernen von Handlungs-                            dungselementen erleichtert wird.
kompetenz als anspruchsvoll bezeichnet                           Um diesem Anspruch gerecht zu werden,
wird, so gilt es insbesondere vor dem Hinter-                    wurde ein Projektteam aus Lehrenden von
grund der Entwicklungen in Wirtschaft und                        fünf nordrhein-westfälischen Berufskollegs
Gesellschaft als unverzichtbar (vgl. Euler                       sowie ebenso vielen Vertreter*innen von
2020, S. 216).                                                   Trägern unterschiedlicher Einrichtungen
                                                                 der Behindertenhilfe zusammengesetzt.
Die in den Kompetenzanforderungen be-                            Durch die Vielfalt der Lernorte (bezogen auf
schriebenen Merkmale sollen daher einen                          praktisches wie schulisches Lernen), aus de-
hohen Stellenwert innerhalb der Ausbildung                       nen die Mitglieder der Projektgruppe rekru-
in Schule und Praxis einnehmen.                                  tiert wurden, wurde sichergestellt, dass auf-
                                                                 grund unterschiedlicher Rahmenbedingun-
                                                                 gen verschiedene Perspektiven auf das Ler-
                                                                 nen in der heilerziehungspflegerischen Pra-
                                                                 xis in die Projektarbeit einfließen.
                                                                 Das Projektteam wurde über den gesamten
Heilerziehungspfleger*innen müssen über                          dreijährigen Projektzeitraum methodisch
eine hohe Reflexionskompetenz verfügen                           und organisatorisch begleitet durch For-
und zwischen ihren eigenen Bedürfnissen,                         scher*innen des Alters-Instituts. Im Projekt-
denen der Institution und denen der Men-                         verlauf wurde von diesen Projektbeteiligten
schen, die sie in ihrem Alltag begleiten, un-                    ein detaillierter Problemaufriss sowie eine
terscheiden können. Auszubildende müssen                         Übersicht über vorhandene Lösungsansätze
befähigt werden, situative Entscheidungen                        (Ausbildungspläne und Curricula, Konzepte,
im Sinne von Menschen mit Assistenzan-                           Instrumente und Verfahren der praktischen
spruch treffen zu können. Ausbilder*innen in                     Ausbildung in der Heilerziehungspflege und
Schulen und in Einrichtungen muss ein In-                        verwandten Berufen, Best-practice-Erfah-
strumentarium zur Verfügung gestellt wer-                        rungen etc.) erstellt. Dies erfolgte auf Basis
den, mit dem sie die Auszubildenden verläss-                       - der Expertise der Mitglieder der Pro-
lich auf dem Prozess zur verantwortlichen                             jektgruppe,
Berufsausübung im Sinne der Menschen, die                          - von Recherchen des Alters-Instituts so-
sie begleiten, unterstützen können. Vor die-                          wie
sem Hintergrund war es das Ziel des Projekts                       - der Ergebnisse der Begleitforschung
„Lernen für das Leben“, strukturierte Ange-                           (s.u.),
bote in Form von Lernaufgaben zu entwickeln,
die die berufliche Handlungskompetenz in der                     insbesondere aber auch der Konsultation
Ausbildung prozessorientiert fördern sollen.                     von Expert*innen aus Wissenschaft, Recht
Die zu realisierenden Lernaufgaben bieten den                    und Politik, aus Praxis und Ausbildung.6

6   Besonders herauszuheben ist hier Prof. Gertrud Hunden-          mäßig konsultiert wurde und die den Projektverant-
      born (Deutsches Institut für angewandte Pflegefor-            wortlichen mehrfach richtungsweisende Hinweise ge-
      schung e.V., Köln), die als Expertin für Didaktik regel-      geben hat.
                                                                                                                    5
Besonderes Merkmal des Projektes war die                   Projekts maßgeblichen Entwicklungserfor-
systematische Integration von Expert*innen                 dernisse abgeleitet und so eine im Projekt-
„in eigener Sache“, und hier sowohl von Aus-               verlauf stetig wachsende Palette von „Pro-
zubildenden als auch von Menschen mit Un-                  jektprodukten“ erstellt, welche wiederum
terstützungsbedarf. Im Rahmen der Ex-                      erneut von Expert*innen aus den bereits ge-
pert*innen-Konsultation wurden verschie-                   nannten Bereichen kommentiert und bewer-
dene Formate angewendet. Neben Einzel-                     tet wurden. Für dermaßen validierte Ent-
und Gruppengesprächen, -diskussionen und                   wicklungsvorhaben wurden, überwiegend
-interviews, die zu verschiedenen Anlässen                 wieder durch die Projekt-Tandems, Ent-
insbesondere mit Vertreter*innen von Wis-                  würfe erstellt, die von den anderen Projekt-
senschaft, Recht und Politik sowie von Aus-                gruppen-Mitgliedern gesichtet und kom-
bildungs- und Praxis-Trägern geführt wur-                  mentiert und daraufhin verfeinert wurden.
den, waren dies insbesondere Fachtage und                  So wurde als Projekt-Gesamtergebnis ein
Konferenzen. Diese wurden vom Projekt ini-                 fachlich abgesichertes, umfangreiches Port-
tiiert, um unter Anwendung vielfältiger In-                folio von Projektprodukten aus der Praxis
formationssammlungs- und Moderations-                      und für die Praxis entwickelt, das sich für Bil-
methoden die Perspektive der Praktiker*in-                 dungszwecke in der Schule und in der Praxis
nen, der Lehrenden, der Auszubildenden und                 nutzen lässt.
der Menschen mit Assistenzberechtigung –
also der Expert*innen in eigener Sache – zu                Die Projektarbeit orientierte sich streng am
erfassen. Insbesondere Menschen mit Unter-                 heilerziehungspflegerischen Auftrag der
stützungsbedarf standen bspw. im Fokus                     Teilhabeförderung für Menschen mit Unter-
zweier Teilhabe-Workshops7, in denen Ver-                  stützungsbedarf. Eine der ersten Aufgaben
treter*innen der Zielgruppe in Arbeitsgrup-                der besagten Tandems war es daher, Alltags-
pen dazu diskutierten, wie Teilhabe in ver-                situationen zu analysieren, die qualifizierte
schiedenen Bereichen des Lebens gelingen                   heilerziehungspflegerische Tätigkeiten und
kann. Neben zentralen Ergebnissen für das                  Dienstleistungen für Menschen mit Assis-
Projekt waren diese Veranstaltungen selbst                 tenzanspruch abbilden. Diese „Handlungssi-
ein Beitrag zum Empowerment der teilneh-                   tuationen“ der professionellen Praxis wur-
menden Expert*innen (was u.a. der in die-                  den sodann didaktisch so aufbereitet, dass
sem Rahmen erstellte Film eindrucksvoll be-                Lernaufgaben daraus entstanden sind.
legt, der auf der Homepage des Alters-Insti-
tuts hinterlegte ist8).
Die so sukzessiv gesammelte, umfangreiche
Datenbasis wurde wiederum von Projekt-                     Lernaufgaben sollen Lernende der Heilerzie-
team teilweise von Teilgruppen (für viele                  hungspflege dabei unterstützen, berufliche
Schritte im Projekt wurde in „Tandems“, d.h.               Fähigkeiten zu entwickeln und praxisrele-
in Zweiergruppen bestehend aus je einer/m                  vante Kompetenzen zu erwerben. Gleichzei-
Vertreter*in von Praxis und von Ausbildung                 tig unterstützen sie dabei, wenn es darum
gearbeitet), teilweise vom gesamten Projekt-               geht, zentrale Prinzipien des Berufs sowie
team gesichtet, in Synopsen und Zusammen-                  Merkmale einer professionellen heilerzie-
fassungen gebündelt und bewertet. Darauf                   hungspflegerischen Haltung nachzuvollzie-
basierend wurden die für die Zielsetzung des               hen und zu verinnerlichen.

7   vgl. www.alters-institut.de/lernen-fuer-das-leben-3/   8   www.alters-institut.de/filme-zum-projekt/ (Film 1)
                                                                                                                    6
Die Lernaufgaben haben sich aus unter-           Die ersten Abschnitte jeder Lernaufgabe die-
schiedlichen Gründen als Kernstück der Pro-      nen der Information: Der Titel beschreibt,
jektarbeit erwiesen. Vorteile liegen unter an-   um welche vollständige Handlung es in der
derem darin, dass sie sich auf direkte Hand-     Lernaufgabe geht. Danach sind solche ICF-
lungen der Praxis beziehen. Ergänzt sind sie     Bereiche aus der Domäne der „Teilhabe und
durch theorie- und wissenschaftsgeleitete        Aktivitäten“ aufgeführt, auf die die Assis-
Qualitätsanforderungen sowie durch Anfor-        tenzleistung, die Inhalt der Handlung ist, in
derungen der Aufsichtsbehörden und Anfor-        erster Linie abzielt. Anschließend wird die
derungen aus den bereits beschriebenen           Relevanz der Handlung, um die es gehen soll,
normativen Grundlagen. Sie sind somit an         für Menschen mit Unterstützungsbedarf und
die Praxis und die Praktiker*innen an-           für die heilerziehungspflegerische Profes-
schlussfähig, da sie deren Wirklichkeit wi-      sion erläutert. Der Abschnitt „Kompetenzen“
derspiegeln und gleichzeitig den Paradig-        zählt auf, was Studierende der Heilerzie-
menwechsel der Teilhabe und Partizipation        hungspflege lernen können, wenn sie die
in Gänze aufnehmen. Ihr didaktischer Aufbau      Aufgabe bearbeiten.
berücksichtigt die vollständige Subjektorien-    Im Abschnitt „Eigene Erfahrung“ werden die
tierung sowohl bei den Lernenden als auch        Studierenden dann aufgefordert, sich Gedan-
bei den leistungsberechtigten Menschen. Da-      ken zu Situationen zu machen, die sie schon
mit entsprechen sie den Werteorientierun-        einmal erlebt haben und die der Situation,
gen und sind sowohl für die Ausbildung als       die sie in der Lernaufgabe einüben sollen, auf
auch für Fort- und Weiterbildung im schuli-      gewisse Weise ähneln. Dies ist hilfreich, um
schen wie in praxisorientierten Lernsettings     sich in die Situation des Menschen einfühlen
anwendbar.                                       zu können.
Die Lernaufgaben sind nach folgender Struk-      Im Abschnitt „Durchführung“ sind die einzel-
tur aufgebaut:                                   nen Schritte der Handlung aufgeführt. Diese
  1. Titel der Lernaufgabe;                      werden sukzessiv abgearbeitet. Die „Durch-
  2. ICF-Bereiche, die von der thematisier-      führung“ ist in Unterabschnitte unterteilt.
     ten Handlung berührt werden (ICF: In-       Diese sind nach den Teilen einer vollständi-
     ternationale Klassifikation der Funkti-     gen Handlung gegliedert, sie repräsentieren
     onsfähigkeit, Behinderung und Gesund-       aber gleichzeitig auch die Schritte des Teilha-
     heit);                                      beplanverfahrens im Rahmen von BEI_NRW.
  3. Relevanz der Lernaufgabe für die heiler-    An BEI_NRW orientiert ist insbesondere
     ziehungspflegerische Praxis;                auch der Unterabschnitt „Ziel- und Leis-
  4. Kompetenzen, die durch die Bearbei-         tungsplanung“.
     tung der Lernaufgabe erworben oder          Für die „Reflexion“ gibt es eine umfangreiche
     verbessert werden können;                   Liste allgemeiner Fragen, die bei den meisten
  5. eine Reflexion eigener Erfahrungen, die     Lernaufgaben bearbeitet werden können.
     mit der von der Lernaufgabe behandel-       Wenn eine Lernaufgabe ausgewählt wird,
     ten Handlung in Zusammenhang stehen;        müssen Studierende und Praxisanleitung ge-
  6. die konkrete Durchführung der Lernauf-      meinsam auch die allgemeinen Fragen aus-
     gabe;                                       wählen, die in der Reflexion beantwortet
  7. Reflexion der bei der Bearbeitung ge-       werden sollen. Darüber hinaus gibt es solche
     machten Erfahrungen.                        Fragen, die sich speziell auf die einzelne
                                                 Lernaufgabe beziehen und die immer voll-
                                                 ständig bearbeitet werden müssen.
                                                                                               7
Die Lernaufgaben waren nicht nur das im                    Für den Lernprozess in der Praxis und für die
Projektverlauf erste zumindest auf „Protoyp-               Verzahnung der Lernorte Schule und Praxis
Niveau“ fertiggestellte Produkt (das auf-                  ist so im Laufe der dreijährigen Projektlauf-
grund dieser frühzeitigen Fertigstellung als               zeit ein Manual erstellt worden, das die we-
einziges einer empirischen Testung in der                  sentlichen Aspekte guter Ausbildung enthält.
Ausbildungspraxis unterzogen werden                        Praxisanleitungen und Studierende erhalten
konnte - s.u. -, weshalb sie hier auch umfäng-             Instrumente, die ihnen helfen, die praktische
lich beschrieben werden9). Sie sind darüber                Ausbildung zu planen und zu strukturieren.
hinaus gewissermaßen auch das Kernstück                    Auf der Grundlage eines gemeinsamen Bil-
des Portfolios, nicht zuletzt deshalb, weil sie            dungs- und Kompetenzverständnisses sind
neben dem „Handwerk“ auch die „Haltung“                    neben den Lernaufgaben entstanden:
professioneller heilerziehungspflegerischer                  • ein Kompetenzprofil auf DQR-6-Niveau,
Praxis vermitteln. Sie folgen dabei in ihrer                 • ein Evaluationstool zur Einschätzung
Gliederung den Anforderungen des SGB IX                         der eigenen Lern- und Kompetenzent-
und des BEI_NRW. Sie sollen die Ausbildung                      wicklung,
insbesondere in den ersten beiden Ausbil-                     Beispiele für einen idealtypischen Aus-
dungsjahren strukturieren.                                      bildungsverlauf, der verschiedene Aus-
                                                                bildungssettings berücksichtigt,
                                                             • Planungstools wie beispielhafte Jah-
                                                                reskalender und Praxislerntage,
Die insgesamt 36 Lernaufgaben wurden in                      • Anleitungen für die Strukturierung von
einen Lernprozess integriert, der die not-                      Praxislerntagen mit und ohne Praxisan-
wendige Kompetenzentwicklung auf DQR-6-                         leitung,
Niveau im Zusammenspiel mit dem Lernort                      • Anleitungen für die Arbeit mit komple-
Schule absichert. Auf Basis der Lernaufgaben                    xen Fällen und für die Eigenentwicklung
wurde ein Kompetenzprofil erstellt, das Ori-                    von Lernaufgaben im 3. Ausbildungs-
entierung für die Lernentwicklung der Stu-                      jahr,
dierenden in der Praxis bieten kann. Weitere                 • Beurteilungsbögen für die Praxisein-
Produkte des Projekts sind durch den Aus-                       sätze,
tausch mit Fachpersonen und Expert*innen                     • ein Curriculum für die Praxisanleitung
entstanden. Auf Fachtagen und in Work-                          mit einem Umfang von 140 Stunden,
shops wurde insbesondere mit Menschen                        • ein heilerziehungspflegefachliches
mit Behinderungen als Expert*innen in eige-                     Glossar,
ner Sache, aber auch mit Studierenden, Pra-                  • ein beispielhaftes hybrides Lernformat
xisvertreter*innen und Lehrenden in Praxis                      (Moodle und analoges Lernen) mit ent-
und Schule nach Kriterien für die Umsetzung                     sprechendem Lernpfad.
von Teilhabe und nach bestmöglichen Aus-
bildungsbedingungen gesucht, um weitere                    Die Projektprodukte (gebündelt als „Hand-
Anregungen für das Portfolio zu erhalten.                  reichung“ sowie einzeln) und die Microsoft-
Auch die Lernaufgaben konnten so durch                     Excel-basierten Tools stehen auf der Home-
Hinweise, Reflexionsfragen und fachliches                  page des Alters-Instituts zum Download zur
Wissen noch einmal angereichert werden.

9   Beschreibungen aller Projektprodukte sind auf der
     Homepage des Alters-Instituts unter https://alters-
     institut.de/lernen-fuer-das-leben zu finden.
                                                                                                      8
Verfügung (https://alters-institut.de/lernen    schätzungen unterschiedlicher in die Ausbil-
-fuer-das-leben/).                              dung involvierter Akteure einzubinden. Fol-
                                                gende Perspektiven wurden daher einbezo-
                                                gen:
                                                  - die HEP-Studierenden als die Lernen-
                                                     den,
Die Evaluation wurde realisiert durch For-
                                                  - die Menschen mit Unterstützungsbedarf
schende des Instituts Arbeit und Technik
                                                     als diejenigen, die die Leistungen der
(IAT), einem von den Projekteinrichtungen
                                                     Heilerziehungspfleger*innen in An-
unabhängigen Institut. Sie wurde im Schwer-
                                                     spruch nehmen,
punkt als Begleitforschung in enger Abstim-
                                                  - Angehörige von Menschen mit Unter-
mung mit Projektmitarbeitenden durchge-
                                                     stützungsbedarf als Fürsprecher*innen
führt, da das Ziel darin lag, das Projekt und
                                                     ihrer hilfsbedürftigen Angehörigen so-
dessen Produkte noch im Prozess der Ent-
                                                     wie als erweiterte Klient*innen,
wicklung und Weiterentwicklung im Sinne
                                                  - die Praxisanleiter*innen der HEP-Stu-
einer formativen Evaluation zu unterstüt-
                                                     dierenden als die Lehrenden im Praxis-
zen.
                                                     alltag,
                                                  - die Lehrer*innen des Berufskollegs als
                                                     die Lehrenden in der Theorie,
                                                  - die Mitarbeiter*innenvertretung als ein-
Die Daten wurden mithilfe eines Mixed-Me-
                                                     richtungsinterne     Fürsprecher*innen
thods-Ansatzes erhoben und ausgewertet.
                                                     der Belegschaft.
Zum Einsatz kamen hierbei Teilnehmende
Beobachtungen in beteiligten Einrichtungen,
                                                Die Daten wurden in zwei aufeinander fol-
leitfadengestützte Einzelinterviews sowie
                                                genden Wellen erhoben. Zwischen beiden
Gruppendiskussionen.
                                                Wellen erfolgte die Pilotierung der ersten
Der Forschungsansatz verfolgte zudem das
                                                Projektergebnisse.
Ziel der Multiperspektivität, um die Ein-

                                                                                          9
Abbildung 1: Ablauf der Evaluation (eigene Darstellung)

In Abbildung 1 ist der methodische Verlauf                Heilerziehungspflege am Lernort Praxis zu
der Evaluationsaktivitäten dargestellt, wel-              analysieren. Dazu kamen verschiedene Erhe-
che sich in zwei Wellen unterteilen lassen. In            bungsmethoden zum Einsatz: Teilnehmende
der ersten Welle war es das Ziel, den aktuel-             Beobachtungen, Qualitative Leitfadeninter-
len Stand und Rahmenbedingungen des All-                  views sowie eine Gruppendiskussion.
tags in der praktischen Ausbildung in der

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Zunächst wurden Teilnehmende Beobach-            wurde der qualitative Inhalt in visualisierter
tungen im Arbeitsalltag von Heilerziehungs-      Form mittels der Mind-Mapping-Technik
pfleger*innen und Studierenden der Heiler-       (auch Knowledge Mapping genannt) zusam-
ziehungspflege, die den praktischen Teil ih-     mengefasst und strukturiert. Es handelt sich
rer Ausbildung absolvieren, durchge-             dabei um eine inhaltsanalytische Auswer-
führt. Diese Methode zeichnet sich insbeson-     tung, die schrittweise und regelgeleitet
dere durch die persönliche Teilnahme             durch eine nachvollziehbare Verdichtung
der Forschenden am zu beobachtenden Ge-          des Ausgangsmaterials umgesetzt wird (vgl.
schehen aus (vgl. Schönhagen 2008, S. 305).      Pelz et al. 2004, S. 2). Die zentralen Themen
Die Ergebnisse aus den Teilnehmenden Be-         und ihre Verbindung zu anderen Themenbe-
obachtungen dienten als Grundlage für die        reichen werden graphisch, ohne wesentli-
Umsetzung qualitativer Leitfadeninter-           chen Informationsverlust, in Form von Mind-
views, die zur Verifizierung und Vertie-         Maps dargestellt (vgl. a.a.O., S. 4).
fung der Kernthemen durchgeführt wurden.         Die zusammengefassten und aufbereiteten
Insgesamt konnten acht Interviews reali-         Ergebnisse der ersten Erhebungswelle dien-
siert werden mit Personen, die bezogen auf       ten als Grundlage für die Entwicklung der
die HEP-Ausbildung am Lernort Praxis aus-        Projektprodukte, indem die spezifischen
sagefähig sind. Demzufolge handelt es sich       Rahmenbedingungen des Ausbildungsalltags
um Personen, „die, um diese Auskünfte ge-        am Lernort Praxis sowie die besonderen
ben zu können, sich selbst (oder andere For-     Herausforderungen und Möglichkeiten be-
schungsgegenstände) kognitiv beobachtet          rücksichtigt werden konnten.
haben müssen und dies als kommunikative
Selbstbeschreibung zur Verfügung stellen“        Anfang des Jahres 2020 wurden die im Pro-
(Loosen et al. 2002, S. 41f.). Entsprechend      jekt entwickelten Lernaufgaben in die Praxis
konnten Leitfadeninterviews mit HEP-Stu-         implementiert: Acht Studierende wurden ge-
dierenden, Praxisanleitungen, Mitarbei-          beten – nach kurzer Einführung durch Pro-
ter*innenvertretungen sowie Klient*innen         jektmitarbeitende – jeweils drei Lernaufga-
(Menschen mit Assistenzbedarf bzw. ihre          ben durchzuführen. Die Aufgaben des Pro-
Angehörigen) geführt werden.                     jekts waren zusätzlich (zu denen der Lern-
In einem letzten Schritt wurden die Ergeb-       orte Schule und Praxis) von den Studieren-
nisse der Teilnehmenden Beobachtungen            den zu erledigen.
und der Leitfadeninterviews um diejenigen
einer Gruppendiskussion mit Lehrenden            In der zweiten Welle ging es daher vielmehr
an Berufskollegs für Heilerziehungspflege        um den Umgang der Beteiligten und Be-
ergänzt (siehe Abbildung 1). Die Gruppen-        troffenen mit dem entwickelten Material zur
diskussion charakterisiert sich durch die In-    Verbesserung der praktischen Ausbil-
teraktion der Teilnehmenden untereinander        dung. Um zu erfahren, inwiefern die Studie-
im Rahmen einer geplanten Diskussion, die        renden die Lernaufgaben als adäquates und
jedoch auf Offenheit, Kommunikation und          sinnvolles Instrument am Lernort Praxis be-
Natürlichkeit zielt, wodurch sie einem alltäg-   werten, wurden qualitative Leitfadenin-
lichen Gespräch sehr nahekommt (vgl. Vogl        terviews mit ihnen durchgeführt (siehe Ab-
2014, S. 581).                                   bildung 1). Ergänzend befragt wurden zwei
Um das in den Einzelinterviews und in            Praxisanleitungen, die die Durchführung der
der Gruppendiskussion erhobene sprachli-         Lernaufgaben begleitet hatten. Die Ergeb-
che Material zu verdichten und zu ordnen,
                                                                                            11
nisse dieser Interviews dienen der Erweite-     und zahlreiche Beschränkungen in Tagesak-
rung und Vertiefung der Ergebnisse aus den      tivitäten. So waren beispielsweise zum Teil
Interviews mit den Lernenden. Die Auswer-       Aktivitäten außerhalb des Wohnraums der
tung der qualitativen Leitfadeninterviews       Menschen mit Unterstützungsbedarf nicht
erfolgte in Anlehnung an die Zusammenfas-       erlaubt, aber auch Kontakte unter den Kli-
sende Inhaltsanalyse nach Mayring. Ziel die-    ent*innen waren teilweise beschränkt.
ser Methode ist es, das Ausgangsmaterial so     Diese Veränderungen führten dazu, dass
zu reduzieren, dass die zentralen Inhalte in    auch die Durchführungen der Lernaufgaben
Form eines abstrakten Kategoriensystems         zum Teil angepasst werden mussten. Einige
erhalten bleiben (vgl. Mayring 1991, S. 211).   geplante Aufgaben mussten komplett durch
                                                andere ersetzt werden, da die Aktivitäten
                                                nicht möglich waren (z.B. Einkaufen), andere
                                                mussten mit großen Veränderungen (z.B. an-
Aufgrund der Covid-19-Pandemie und den          dere Klient*innen, andere Settings, neue
damit zusammenhängenden besonderen Re-          Schwerpunkte, veränderte Kommunikati-
gelungen des Gesundheitsschutzes mussten        onswege mit Praxisanleitungen) realisiert
die Lernaufgaben zum Teil an die veränder-      werden.
ten allgemeinen Rahmenbedingungen ange-         Die Anpassung an die neue Situation gelang
passt werden. Für Lernaufgaben-Bearbei-         allerdings in den meisten Fällen erfolgreich.
tungen, die nicht vor dem Beginn der Pande-     Hilfreich war hierbei auch, dass die Lernen-
mie abgeschlossen waren, bedeutete der Zu-      den frei waren in der Auswahl der zu bear-
stand der Corona-Krise zum großen Teil          beitenden Lernaufgaben. Zudem wurde der
komplexe Veränderungen: Da einige betreu-       Bearbeitungszeitraum deutlich verlängert.
ende Einrichtungen z.T. komplett geschlos-
sen waren (z.B. Werkstätten, Tagesbetreu-
ung), blieben viele Menschen mit Unterstüt-
zungsbedarf in ihrem häuslichen Umfeld und
wurden entweder nicht (bei privater Unter-      Im Folgenden werden die Ergebnisse der
bringung, z.B. bei der eigenen Familie) oder    zweiten Welle der Datenerhebungen zusam-
in anderem Setting (bei Unterbringung in be-    menfassend dargestellt. Die Ergebnisse der
treuter Wohnumgebung) betreut. Diese            ersten Welle flossen in diese Erhebung mit
Maßnahmen zogen auch notwendige Verän-          ein, sie werden daher nicht explizit darge-
derungen bei den Mitarbeitenden nach sich:      stellt.
Einige HEP-Studierende wurden in anderen
Settings beschäftigt – zum Teil mit anderen
Klient*innen, in manchen Fällen in veränder-
ten Teams. Teilweise folgte daraus, dass die
Lernenden nicht mehr mit ihren Praxisanlei-     Insgesamt werden in allen Interviews zahl-
tungen zusammenarbeiteten – und auch die        reiche allgemeine positive Rückmeldungen
Möglichkeiten der Begleitung bei der Bewäl-     zu den Lernaufgaben formuliert. Vielfach
tigung der Lernaufgaben durch reduzierte        wird der Wunsch geäußert, auch nach Ende
Kommunikationsmöglichkeiten           einge-    des Projektes diese weiter im Ausbildungs-
schränkt waren. Allgemein herrschten in vie-    alltag zu nutzen, um von deren Vorteilen
len Einrichtungen veränderte Alltagsregeln

                                                                                          12
weiterhin profitieren zu können. Diese Aus-      möglicht, benennen die Befragten insbeson-
sage treffen sowohl befragte Studierende als     dere Zeit. Es sei von großer Bedeutung, von
auch Praxisanleitungen.                          alltäglichen Arbeitsaufgaben befreit zu sein
Zum Teil werden differenziertere Rückmel-        oder zusätzliche Zeit zu erhalten, in der Auf-
dungen zu den Lernaufgaben gegeben, die          gaben erledigt werden könnten. Damit
sich auf den allgemeinen Aufbau der Lern-        könne die Integration der Bearbeitung der
aufgaben beziehen.                               Aufgaben in den Arbeits- und Lernalltag der
In den Interviews werden jeweils die einzel-     Studierenden besser gelingen. Einige der be-
nen Abschnitte, in die die Lernaufgaben un-      fragten HEP-Studierenden geben jedoch
tergliedert sind (z.B. Relevanz, Kompeten-       auch an, dass die Durchführung der in den
zen, Eigene Erfahrungen), kritisch reflek-       Aufgaben angedachten Aktivitäten meist all-
tiert. Dabei wird betont, dass alle Abschnitte   tägliche Aufgaben seien. Lediglich das Vor-
sowohl für die Lernenden als auch für die        und Nachbereiten, das oft zeitaufwändig sei,
Praxisanleitungen Relevanz besitzen. Insge-      würden sie als eine zusätzliche Aufgabe se-
samt werden auch das allgemeine Format,          hen. Diese führe – wenn es von Seiten der In-
das Layout sowie die Offenheit der Nut-          stitution keine Unterstützung gebe – zu einer
zungsmöglichkeiten (z.B. Platz für Notizen,      zusätzlichen Belastung im ohnehin belasten-
Ankreuzoptionen, digitale oder analoge Be-       den Alltag.
arbeitung) positiv bewertet. Der Aufbau
biete so die Möglichkeit, die Lernaufgaben       Anpassungen im Nutzungsprozess
entsprechend den eigenen Bedingungen im
Lernen einzusetzen. Einzelne Befragte ma-        Besonders wichtig sei bei der Nutzung der
chen hier Einschränkungen und Verbesse-          Lernaufgaben deren Anpassung an die Rah-
rungsvorschläge (z.B. klare Anleitung, wie       menbedingungen, in denen die Lernenden
Ankreuzoptionen einzusetzen sind, sowie          tätig sind, an die Voraussetzungen und Res-
einzelne Schwierigkeiten im Verständnis),        sourcen der Menschen mit Unterstützungs-
die alle an das Projektteam zurückgespiegelt     bedarf sowie an den Lernstand der/des Stu-
wurden und zu Korrekturen führten.               dierenden. Bei den vielfältigen Anpassungen
                                                 benötigten die Befragten häufig Unterstüt-
                                                 zung durch die Praxisanleiter*innen, einige
                                                 Fragen blieben trotzdem unbeantwortet. Sie
Die Lernenden nutzten die Lernaufgaben           wünschten sich daher erläuternde Begleit-
entsprechend ihren individuellen Situatio-       texte (z.B. in welcher Form Anpassungen
nen, passend zu den aktuellen Lernvoraus-        vorgenommen werden können) oder erklä-
setzungen und zum individuellen Lernstand.       rende Beispiele (z.B. für Anpassungsmög-
Auch die Art, wie die Lernaufgaben einge-        lichkeiten für besondere Klient*innen).
setzt wurden, unterschieden sich in Abhän-
gigkeit von den Lernpräferenzen. So mach-        Im Prozess der Nutzung der Lernaufgaben
ten sich beispielsweise einige Lernende No-      übernähmen die Praxisanleitungen eine
tizen in digitaler, andere in analoger Form,     wichtige Rolle. Die Aufgaben, die von den
andere machten sich gar keine Vermerke.          Praxisanleitungen bei der Bearbeitung der
                                                 Lernaufgaben übernommen werden sollten,
Als wichtige Rahmenbedingung, die eine er-       werden von den Praxisanleitungen selbst so-
folgreiche Bearbeitung der Lernaufgaben er-      wie von den Lernenden übereinstimmend

                                                                                            13
beschrieben. Demzufolge wirkten diese Per-        wird ja dann immer ein bisschen selbstsiche-
sonen vor allem begleitend und beratend. So       rer. Dass man einfach selbstständiger wird
beginne die Beratung bereits bei der Aus-         und nicht immer guckt, ‚was machen die an-
wahl der geeigneten Aufgabe und sei bei der       deren?‘” Dadurch, dass selbstständig eine
Vorbereitung von großer Bedeutung. Hier           (durch die Lernaufgabe angeleitete) profes-
kämen viele Fragen auf, bei der die Lernen-       sionelle Aktivität durchgeführt werden
den Begleitung benötigten. Bei Reflexionsge-      könne, werde das Gefühl der Selbstwirksam-
sprächen nähmen sie als aktive Gesprächs-         keit gestärkt: Die Lernenden erlebten sich
partner*innen eine besonders wichtige Rolle       selbst in professionellen Tätigkeiten aktiv,
ein, um den gesamten Verlauf als Lernpro-         selbstständig in Vorbereitung und Durchfüh-
zess erfolgreich zu gestalten. Insgesamt be-      rung – und dadurch effektiv im Handeln. Dies
nötige die Praxisanleitung für diese Aufga-       wiederum habe einen positiven Einfluss auf
ben wiederum Zeit: Sowohl eine Regelmä-           die Selbstsicherheit in der alltäglichen Pra-
ßigkeit als auch eine ausreichende Dauer für      xis.
Absprachen und Rückfragen seien hier von          Aber auch für Menschen mit Unterstützungs-
großer Bedeutung. Um diesem Anspruch ge-          bedarf würde die Umsetzung der Lernaufga-
recht werden zu können, böten einige Praxis-      ben das Gefühl von Selbstwirksamkeit för-
anleitungen sogar an, außerhalb ihrer             dern. Die Ausführung der Lernaufgaben gehe
Dienstzeiten für die Lernenden ansprechbar        häufig mit „kleinen Erfolgen” einher, durch
zu sein bzw. Reflexionsgespräche zu realisie-     die die Menschen mit Unterstützungsbedarf
ren. Die reine Arbeitszeit reiche in den meis-    selbstsicherer und selbstbewusster werden
ten Fällen aufgrund des hohen Arbeitsauf-         könnten. So betonte eine Lernende: „Es ist ja
kommens nicht aus.                                genauso für mich als auch für die Menschen
                                                  mit Einschränkungen, die es durchführen,
                                                  immer ein Erfolgserlebnis.” Durch die positi-
                                                  ven Erlebnisse während der Ausführung der
                                                  Lernaufgaben würde somit das Selbstwirk-
Der Einsatz von Lernaufgaben zog subjektive       samkeitsgefühl der Menschen mit Unterstüt-
Auswirkungen bei den HEP-Studierenden             zungsbedarf entscheidend gesteigert.
selbst, bei den Praxisanleitungen sowie bei
Klient*innen nach sich. Im Folgenden soll ein     Eine weitere Studierende erläuterte in Hin-
Überblick über Wahrnehmungen zentraler            blick auf die von ihr gewählte Lernaufgabe
Auswirkungen auf die verschiedenen Agie-          ‚Umgang mit Geld’, inwiefern diese Lernauf-
renden am Lernort Praxis gegeben werden.          gabe die Selbstständigkeit der Klient*innen
                                                  stärken kann: „[…] Umgang mit Geld ist ein
Steigerung des Selbstwirksamkeitsgefühls –        wesentlicher Bestandteil für Teilhabe, […]
mit Auswirkungen auf die Teilhabeförderung        weil das auch Selbstständigkeit ermöglicht.
                                                  Und deswegen ist es auch für die Klient*in-
Die HEP-Studierenden berichten, dass ihre         nen unglaublich relevant, wenn sie selbst-
Selbstsicherheit insgesamt aufgrund ihrer         ständig mit Geld umgehen können, können
selbstständigen Ausführung der Lernaufga-         sie auch selbst entscheiden, was sie, wie viel,
ben gestärkt würde. Hierzu erklärt eine Be-       wo ausgeben.” Die Steigerung von Selbst-
fragte: „Man fängt ja dann an, selbst in diesen   ständigkeit und Selbstwirksamkeit stehe
Lernaufgaben zu arbeiten, und man macht ja        hier im engen Zusammenhang mit der För-
auch immer ein bisschen mehr, also man            derung der Teilhabe.
                                                                                              14
Anstoß zur Einnahme neuer Perspektiven           noch ausgebaut, was kann hier neu gemacht
                                                 werden? Was sind eigentlich für Ressourcen
Die Lernaufgaben könnten zudem helfen, ei-       da?‘, statt nur die Schwächen zu sehen. Also
nen Perspektivwechsel zu eröffnen. Dazu ge-      einfach auch die Menschen und deren Tätig-
höre insbesondere, sich tiefer in die Kli-       keiten noch einmal richtig zu hinterfragen
ent*innen hineinzuversetzen und diese            und zu beobachten.” Vorhandene Schwächen
ganzheitlicher zu betrachten. Die befragten      – aber vor allem die Stärken – würden so re-
Studierenden beschreiben, dass es durch die      gelmäßig neu analysiert, bereits vorhandene
Bearbeitung der Lernaufgaben alltäglich          Wahrnehmungen erneuert. Die Perspektive
würde, sich regelmäßig selbst zu reflektie-      zur Ressourcenorientierung würde zudem
ren. So würden in alltäglichen Situationen in-   gestärkt.
nerlich Fragen aufkommen wie: „Was hätte
ich jetzt noch besser machen können? Hätte       Zum Teil würden ebenso – initiiert durch die
ich den Bewohner in der Situation vielleicht     Lernaufgaben – Klient*innen bei der Durch-
noch besser bestärken müssen?“ Dies sei ein      führung gänzlich neuer Alltagsaktivitäten
Prozess, der vor der Bearbeitung von Lern-       begleitet oder angeregt, ihre alltäglichen Tä-
aufgaben in dem Ausmaß nicht aufgefallen         tigkeiten zu verändern. So musizierte bei-
sei.                                             spielsweise eine Studierende gemeinsam mit
                                                 einer Gruppe von Klient*innen, was eine
Darüber hinaus heben die befragten Studie-       neue Betätigung für alle Beteiligten war. Da-
renden insbesondere hervor, dass sich ihre       bei beobachtete sie, „[…] dass man sich wirk-
Perspektive ändere. Dabei würden sie vor al-     lich noch einmal Gedanken macht, wie man
lem mithilfe der neuen Lernmethode einen         die richtig mit einbringen kann. Dass ich
neuen Blickwinkel auf ihre Klient*innen ein-     mich nicht nur einfach vor die setze und sage
nehmen, der wiederum zu einem veränder-          ‚ich spiele euch jetzt mal etwas vor‘. Dass
ten Umgang führe. Auch für die Menschen          man wirklich auch überlegt: ‚Können die das
mit Unterstützungsbedarf, die von den Stu-       mitsingen? Können die den Text? Kennen die
dierenden begleitet werden, würden sich          das Lied? Haben die Lust vielleicht auch ein
dadurch Veränderungen ergeben. So würden         bisschen mit aktiv zu werden?‘ […] Dass man
beispielsweise bisherige Einstellungen oder      die auch richtig mit einbezieht und dass die
Wahrnehmungen zu vorhandenen Ressour-            auch richtig mitmachen können.” Dieses ver-
cen der Menschen mit Assistenzbedarf             tiefte reflexive Hineinversetzen der Lernen-
grundsätzlich hinterfragt und überdacht. Die     den in die Menschen mit Unterstützungsbe-
Lernaufgaben gäben den Studierenden einen        darf führe somit zum einen zu einer verän-
Anstoß, die Ressourcen der Klient*innen in       derten Sicht auf vorhandene Ressourcen und
anderer Weise einzusetzen als bisher. Zu-        Interessen, zum anderen aber auch zu grund-
dem spiele die Auseinandersetzung mit den        sätzlichen Veränderungen in deren All-
individuellen Bedürfnissen und Wünschen          tagstätigkeiten.
der Klient*innen nun eine deutlich größere
Rolle. Dies habe wiederum Auswirkungen
für die Menschen mit Unterstützungsbedarf
und ihren Lebensalltag. Laut einer befragten
Studierenden würden die Lernaufgaben
dazu anregen „[…] noch einmal genauer hin-
zugucken und zu überlegen: ‚Was kann hier
                                                                                            15
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