Elise 21 - Vereinszeitung der Freinetgruppe Wien und Kooperative Freinet Österreich - Kooperative Freinet Österreich
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Liebe Leserin, lieber Leser! Hoffentlich ist euch zwischen Ninjapässen und Barcodes etwas von dem kämpferischen Elan erhalten geblieben, mit dem das vergangene Schuljahr (in Wien) geendet hat! Das war eine große schöne Demonstration, ganz kurz vor den Sommerferien! Mehrere Tausend Eltern, Kinder und LehrerInnen waren gekommen. (Die apfl-UG war die einzige gewerkschaftliche Gruppe, die anwesend war, ihr Flugblatt dokumentieren wir; wie auch die Grußbotschaft der Basisgruppe der BIM). Die Proteste richteten sich gegen die Ankündigung massiver Einspa- rungen in den Wiener Pflichtschulen - unter dem Deckmantel einer angeblich „gerechteren und transparenteren Verteilung“ sollten massiv Stunden gekürzt werden - und gerade Klas- sen und Schulen, in denen reformpädagogisch und inklusiv gearbeitet wird, wären davon be- troffen. Spätestens mit dem Brief der Favoritner SchuldirektorInnen, die sich gegen das Pa- ket richteten, musste eigentlich allen Interessierten klar sein, dass Herr Wiederkehr nicht nur keine Ahnung hat, sondern auch einfach ein dreister neoliberaler Lügner ist. (Anm.: Favo- riten ist ein Wiener Bezirk, wo sich sehr viele, sogenannte Brennpunktschulen befinden, de- nen die angebliche Umverteilung zugute kommen sollte, was aber augenscheinlich nicht der Fall war). Wir brauchen: „Viel mehr statt fast nichts für niemand“ - gute Bedingungen, ausrei- chend Ressourcen! Auf Seite 14 dieser Elise gibt es die Petition zum (online)Unterschreiben (falls wer noch nicht hat). Wir dokumentieren die Proteste und bringen eine politische Ein- schätzung von Eva Neureiter. Wofür es sich zu kämpfen lohnt, was wir schon seit langem ausprobieren und möglich ma- chen, und was möglich sein könnte... Was wir wollen und warum wir gern in die Schule ge- hen, darum geht es in den folgenden Beiträgen. Dagmar Schöberl („Wenn ein Schnittlauch in die Schule geht“) gibt Einblicke in ihre Arbeit in einer Mehrstufenklasse mit Integration und macht deutlich, wie die geplanten Kürzungen der UN Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung, die Österreich unterzeichnet hat, dem Inklusionsgedanken entgegen stehen. Der Text von Andi Chvatal („Inklusion - was könnte das sein?“) behandelt den aktuellen tat- sächlichen Umgang mit Integration / Inklusion und meint dass der Begriff Inklusion eigent- lich wegen Sinnentleertheit boykottiert werden müsste. Eva Neureiter berichtet in ihren „Fragen an die Welt“ von einem kooperativen Radio-Projekt einer Kindergartengruppe mit ihrer Klasse, bei dem es um Kinderfragen und deren Beant- wortung ging. Beate Klement-Dempseys „Youtopia“ ist ein Plädoyer gegen Entmutigung - für die Freude an der Arbeit mit den Kindern; nebst einer Buchempfehlung und einem Spielvorschlag. Außerdem gibt es einen kurzen Bericht vom Treffen der französischen Freinet-Bewegung ICEM in Reims. Und dann einen Beitrag, den Andi Honegger aus der Schweiz geschickt hat, der auch ein Auf- ruf zum Mitmachen ist (nachdem speedy wieder mal entschlafen ist): Die Kinderzeitung Kin- derwelt ist schon 122 Mal erschienen und das Archiv ist übersiedelt. Die freinetgruppe Wien trifft sich zu monatlichen Stammtischen und die Kooperative Frei- net Österreich bereitet eine Fachtagung vor! Und dieses Jahr wird sie statfinden! - Ankündi- gungen zu beidem finden sich am Ende der Elise. Viel Spaß und gute Nerven wünscht euch Wanda Grünwald
Wenn ein Schnittlauch in die Schule geht… 30 Minuten am 2. Schultag in unserer Mehrstufenklasse mit Integration – und ich weiß sofort wieder, warum ich diese Art zu arbeiten so mag! Erste Schulwoche in der Mehrstufen- (ein Bub mit Hörbehinderung, einer Integrationsklasse: Dienstag 2. Stunde mit Entwicklungsverzögerung und mo- Alle Kinder sitzen im Kreis – ein Bil- torischer Beeinträchtigung). Die Kinder derbuch wird vorgelesen: „Wenn ein machen Vorschläge, ich moderiere hin Löwe in die Schule geht“ von Friedl und wieder ein bisschen. Die älteren Hofbauer. Es ist ein einfaches Bilder- Kinder bringen sich aktiv ein, die jün- buch – aber alle, auch die Großen hö- geren hören zu. Nach ein paar Minuten ren interessiert zu, alle haben Spaß an steht das Konzept. Ein Kind liest den der Geschichte. Es handelt von Tieren, Text des Bilderbuches vor, die Kinder Pflanzen und Gegenständen, die in die teilen ein, wer welche Rollen spielen Schule gehen. Anschließend teilen wir mag und die erste Probe beginnt. Ich den Text des Buches aus – wer mag, beobachte die neuen Kinder am 2. kann einen Abschnitt vorlesen. Viele Schultag ihres Lebens und die Kinder Kinder melden sich und lesen vor, mit Behinderungen. Sie sind mitten manche langsam, manche fließend mit drin im Geschehen. Es ist, als hätten toller Betonung, manche leise, man- sie schon oft miteinander Theater ge- che bekommen Hilfe vom Kind, das spielt. Sie gehen wertschätzend mitei- neben ihnen sitzt. Allen wird zugehört. nander um. Niemand wird gezwungen Alle wissen, dass es Mut braucht, et- oder überredet etwas zu tun. Ein Bub was vor allen vorzulesen. Jedes ältere sagt zuerst, er will keine Rolle spielen. Kind kann sich noch erinnern, wie es Die andere kommentieren es nicht, es war lesen zu lernen und dass man am ist Ok. Dann will er doch der Schnitt- Anfang langsam liest und noch nicht lauch sein. Auch Ok, die Rolle ist noch alle Buchstaben kennt. Niemand lacht, frei. Als der Schnittlauch an der Reihe es fällt kein abschätziger Kommentar. ist, meint er, nein, er will nicht spielen. Danach sollen sich die Kinder kreativ Ein Kind meint, Ok, dann lassen wir die mit dem Text auseinandersetzen. Un- Stelle mit dem Schnittlauch aus. Meine gefähr die Hälfte der Klasse entschei- Kollegin fragt, ob er den Schnittlauch det sich, eine Zeichnung gemeinsam mit zu machen. Eine Lehrerin einem anderen stellt eine Zeichentechnik Kind spielen will. vor, die verwendet werden Einer der Buben kann und betreut dann ruft sofort, ich die Kinder, die zeichnen. spiel den Schnitt- Die andere Hälfte möchte lauch mit dir. Kur- Theater spielen. Wir gehen ze Nachdenkpau- in den Zusatzraum, der se: Ok, es gibt uns als Integrationsklas- 2 Schnittlauch- se zur Verfügung steht. halme in unserem Ich bitte sie, sich am Bo- Theaterstück. Die den in den Kreis zu setzen Probe geht wei- und abzusprechen, wie sie ter, manche Rol- das Theaterspielen organi- len ändern sich. sieren wollen. 10 Kinder, Die Kollegin gibt ein 6 bis 10 Jahre alt, davon paar Tipps an die zwei Kinder mit sonderpä- dagogischem Förderbedarf
Schauspieler*innen. Es wird fest- So eine Schule hätte ich mir als Kind gelegt, welcher Teil des Raumes die auch gewünscht. Bühne ist. Sofort wol- len die Kinder den Rest In meiner bisherigen der Klasse holen und ihr Sonderschullehrer*in Stück vorführen. Wir ei- nenlaufbahn habe ich nigen uns auf einen wei- schon in verschiedenen teren Probendurchlauf. Bundesländern und Ich gehe in die Klasse Schulformen gearbeitet und spreche mit der Kol- – immer in Integrati- legin ab, wann die Vor- onsklassen. In all die- führung zeitlich passt. In sen Klassen hatte ich der Klasse herrscht lei- den Eindruck, dass es ser Arbeitslärm. Alle sit- für die Kinder mit Be- zen an den Tischen und hinderung Sinn macht, zeichnen eifrig. Sie sind in eine Integrationsklas- sofort bereit ihre Arbeit se zu gehen. Dass sie zu unterbrechen und sich vieles selbstverständlich das Stück anzuschauen. lernen, einfach dadurch, Das Publikum setzt dass sie im Klassenver- sich auf die vorbereiteten Ses- band mit Kindern ohne Behinderung sel und es kann losgehen. sind. Was allerdings für mich als Son- Es ist leise im Publikum, dann wird derpädagogin in der Arbeit in der In- viel gelacht. Der Bub, der den Text tegrationsklasse schwierig war, ist die liest, wartet bis das Lachen ver- Tatsache, dass mit zunehmendem Al- stummt und liest dann weiter. Pu- ter die Möglichkeiten gleichwertig ge- blikum und Schauspieler*innen ha- meinsam zu arbeiten immer weniger ben Spaß am Stück. Am Schluss ver- werden. Der zweite schwierige Punkt beugen sich die Schauspieler*innen war, dass es immer viele gab, die die stolz und der Applaus ist groß. gleichen Inhalte lernen und ein paar, Und auch ich bin stolz auf die- die etwas anderes brauchen. Die Kon- se Klasse, auf die Arbeit, die wir als sequenz daraus war sehr oft, dass ich Lehrer*innenteam bisher geleistet ha- mit meinen Integrationskindern „drau- ben. Dass die Kinder wertschätzend ßen“ etwas anderes machte oder, wenn miteinander umgehen, dass die Kin- wir drinnen bleiben, ich die Integrati- der sich selbst organisieren können, onskinder ruhig beschäftigen musste. dass neue Kinder von der bestehen- Wenn es die vielen, die das Gleiche ler- den Gruppe selbstverständlich aufge- nen müssen, nicht gibt, löst sich das nommen werden, dass Kinder mit sehr Problem. Der einzige Ort, wo das in unterschiedlichen Voraussetzungen meiner Zeit als Lehrerin der Fall war, (Behinderungen, Sprachkenntnis- ist die Mehrstufenklasse. Hier gilt für sen, belastendes familiäres Umfeld …) alle, dass sie ihrem Lernstand gemäß ohne Vorbehalte miteinander arbeiten. lernen. Nicht: alle sollten das gleiche lernen, nur die Integrationskinder sind auf einer anderen Entwicklungsstufe. Hier wird beispielsweise im gleichen Klassenraum schriftlich dividiert, bis 5 gezählt, Zahlen bis 100 gelegt, Plus- rechnen bis 10 geübt. Am nächsten Tag geht die Teamlehre- rin mit den Kindern der ersten Schul- stufe in den Zusatzraum. Alle dürfen ihr Federpennal herzeigen und sie be- arbeiten stolz ihr erstes Arbeitsblatt. Ein Kind, das letztes Schuljahr auf der Vorschulstufe unterrichtet wurde und einen Förderbedarf in Sprache hat ist
auch dabei und kann ohne Scheu er- Lehrerin Zeit, mit ihm zu lesen. Oder es zählen, weil er sich schon sicher fühlt. liest einem einzelnen anderen Kind vor. Die anderen schreiben Geschichten zum Bilderbuch. Jedes Kind sucht sich ei- Das aktuelle Reformpaket für Wiener nen Platz und beginnt zu schreiben. Es Pflichtschulen sieht vor, dass Mehrstu- entstehen sehr unterschiedliche Texte fenklassen mit Integration keine Stun- – je nach Lernstand der Kinder. Manche den für Teamlehrer*innen mehr bekom- brauchen Hilfe, manche nicht – unab- men. Bisher unterrichteten in so einer hängig von ihrem Alter. Hilfe bekommen Klasse ein/e Volksschullehrer*in und sie von ihren Sitznachbar*innen oder ein/e Sonderschullehrer*in wie in jeder von der Lehrerin. Das Kind mit Entwick- anderen Integrationsklasse auch. Zu- lungsverzögerung zeichnet, was es sich sätzlich gab es 11 zusätzliche Stunden ausgedacht hat. Danach tippen wir ge- für ein/e Teamlehrer*in wie in anderen meinsam den Text am Computer „Wenn Mehrstufenklasse auch. Diese sind not- die Schleimdose in die Schule geht, lernt wendig, weil ja der Lernstoff von 4 oder sie Kinder erschrecken.“ Schreiben mit 5 Schulstufen für Kinder mit Volks- und der Hand ist aufgrund der Körperbehin- Sonderschullehrplan vermittelt werden derung nicht möglich. muss. Wenn die gleiche Arbeit ab jetzt mit 11 Lehrer*innenstunden pro Woche Ein kleiner, schöner Ausschnitt aus der weniger erledigt werden muss, geht das Arbeit in der Mehrstufenklasse – es läuft auf Kosten der Qualität des Unterrichts. natürlich nicht immer so harmonisch – aber genau diese Momente zeigen die Abgesehen davon hat die Schulleitung Vorteile dieses Konzepts – und genau durch die Umstellung der Berechnung von deshalb, darf diese Form des Unterrich- Lehrer*innenstunden, die einer Klasse tens nicht kaputtgespart werden. zur Verfügung stehen, keine Möglichkeit mehr, kleinere Klassen zu führen. Also Solche Lerntechniken sind schon am 2. müssen auch in Integrationsklassen zu- und 3. Schultag möglich, weil es hier ei- künftig mindestens 25 Kinder sitzen. Es nige Kinder gibt, die diese Art zu arbeiten gibt keine Möglichkeit mehr, auf Kinder schon kennen. Die neuen Kinder können mit Behinderung Rücksicht zu nehmen, ohne langatmige Erklärungen hinein- die sehr viel Betreuung brauchen und für wachsen und einfach mitmachen. Kinder die eine Gruppe von 25 oder mehr Kin- mit Behinderungen haben nicht das Ge- dern zu groß ist. fühl, sie sind die einzigen, die noch nicht so gut lesen können. Die Lehrerin geht Zur Erinnerung: Österreich hat die mit allen neuen Kindern UN Konvention für die Rechte von in den Zusatzraum, um Menschen mit Behin- ihnen was zu erklären. derung unterschrieben Es sind nicht immer die und sich damit ver- Kinder mit Behinderung, pflichtet die Inklusion die in der Kleingruppe auch im Schulsystem lernen. voranzutreiben! Es ist Alltag, dass nicht Diese Reform lässt sich alle am gleichen Lern- nicht mit einem Inklu- stand sind. Es ist nor- sionsgedanken verein- mal, dass jedes Kind baren! dort weiterlernt, wo es gerade steht. Jedes Kind bekommt die Zeit, die es Dagmar Schöberl braucht um etwas vorzu- lesen. Und wer nicht vor allen lesen will, muss nicht. Wenn das Kind so weit ist, wird es sich auch trauen. Bis dahin hat immer wieder eine
Inklusion, was könnte das sein? Eine Vermutung von A. Chvatal Auszug aus der UNO Resolution Das wird ebenso wenig zu erfahren Artikel 24 - Bildung sein, wie eine Begriffsklärung von „In- klusion“ in Österreich und welche Maß- (1) Die Vertragsstaaten anerken- nahmen in dieser Hinsicht zu erwarten nen das Recht von Menschen mit Be- sind. Die diesbezügliche Verschwiegen- hinderungen auf Bildung. Um dieses heit der Zuständigen verheißt nichts Recht ohne Diskriminierung und auf Gutes. der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Schon vor Jahren wurde die UNO Re- Vertragsstaaten ein integratives Bil- solution in Österreich als Auftrag inter- dungssystem auf allen Ebenen… pretiert, sämtliche SuS, die nicht in der Regelschule unterrichtet werden, in (2) Bei der Verwirklichung dieses diese zu - inkludieren. Seien alle Son- Rechts stellen die Vertragsstaaten si- derschulen abgeschafft, sei Inklusion cher, dass erreicht! a) Menschen mit Behinderungen nicht Wenn dies die für Österreich gültige aufgrund von Behinderung vom allge- Definition des Begriffes „Inklusion“ ist, meinen Bildungssystem ausgeschlos- ergeben sich daraus einige Fragen. sen werden und dass Kinder mit Be- In der UNO Resolution wird die Be- hinderungen nicht aufgrund von Behin- zeichnung „Menschen mit Behinde- derung vom unentgeltlichen und obli- rung“ verwendet. Diese ist auf zwei gatorischen Grundschulunterricht oder Gruppen von SuS, die in Österreich vom Besuch weiterführender Schulen außerhalb der Regelschule unterrichtet ausgeschlossen werden; werden, nicht anwendbar, nämlich auf die sozial-emotional Benachteiligten b) Menschen mit Behinderungen gleich- (disziplinär schwierig) und auf die klas- berechtigt mit anderen in der Gemein- sischen Sonderschüler*innen. Diese schaft, in der sie leben, Zugang zu haben keine Behinderung im Sinne der einem integrativen, hochwertigen und Resolution. Erstere werden aus gutem unentgeltlichen Unterricht an Grund- Grund außerhalb der Regelschule un- schulen und weiterführenden Schulen terrichtet, wobei das Ziel der Reinte- haben; gration auf realistische Weise verfolgt wird. Speziell geschulte Pädagog*innen Im Weiteren werden eine Verbesserung verrichten an ihnen Unterrichts und der Ausbildung in Braille Schrift und in Betreuungsarbeit, die sowohl in sozial- der Gebärdensprache erwähnt. pädagogischer als auch hinsichtlich der Ressourcen hochwertig ist und deshalb Die Bezeichnung „integratives Bil- mit der UNO Resolution in Einklang dungssystem“ wird von betroffenen steht. Die Sonderform der Schule ist Gruppen im deutschen Sprachraum aus dem Zeugnis nicht ersichtlich. Dem kritisiert und einem Übersetzungsfeh- Vernehmen nach, scheint in Bezug ler zugeschrieben. Angebrachter sei auf diese Gruppe Vernunft einzukeh- „inklusives Bildungssystem“. ren. Jedenfalls ist seit längerem nichts ans Tageslicht gedrungen, was auf die Die Frage ist, was genau bedeutet „in- selbstzweckorientierte Überführung tegratives/inklusives Bildungssystem“? einer großen Zahl extrem schwieriger
SuS in die Pflichtschule – und nur in Im Gegensatz dazu ist die Frage der In- diese – hinweist. klusion von SuS, die mit einer Behinde- Gänzlich anders gelagert ist der Fall rung leben müssen, eine sehr einfache. der Sonderschüler*innen, also jener Kann das Ausbildungsniveau, welches Kinder, die aufgrund eines sonder- diesen Schülern derzeit in Sonderein- pädagogischen Gutachtens, welches richtungen für ihre speziellen Bedürf- Lernschwierigkeiten attestiert, mit Ein- nisse erreichen, auch erzielt werden, willigung der Eltern entweder als eines wenn sie im Regelschulwesen inklu- von mehreren Integrationskinder in diert wären? Zum Beispiel: Ist sicher einer Integrationsklasse, als Einzelin- gestellt, dass die Gebärdensprache in tegrationskind in einer ganz normalen der Inklusion ebenso gut erlernt wird, Volks- oder Mittelschulklasse oder in wie in der Schule für Gehörbehinderte? einer Allgemeinen Sonderschule sitzen. Wenn ja, inkludieren, wenn nein, Reso- Dies hängt ausschließlich davon ab, in lution hin, UNO her – sinnlos! welchem Bundesland ein Kind lebt. Im BGLD, in K, OÖ und in Wien sind Inte- Zu guter Letzt sei noch auf einen Pfer- grationsklassen der Standard. Diese in- defuß verwiesen, der von Inklusions- tegrieren den Großteil der SPF-Kinder. befürworter*innen mit Brachialgewalt Fast könnte man meinen, Letztere seien ignoriert wird, nämlich die Tatsache, im Sinne der UNO Resolution inkludiert, dass die AHS bei der Inklusion nicht besuchen sie doch eindeutig eine Re- vorkommt. Man würde auf der Sekun- gelschulklasse, wo ihnen hochwertige darstufe I schnurgerade an 36% der Betreuung durch Sondepädagog*innen SuS - nämlich jene der AHS Unterstufe und Fachlehrer*innen angedeiht. Aber - vorbei inkludieren. Das Ziel der Inklu- nur fast, denn in ihren Zeugnissen sion, wie auch immer diese beschaffen werden diese Unglücklichen unzwei- sein mag, ist ausschließlich die Pflicht- felhaft als nach dem Lehrplan der All- schule. Es würde also in ein belastetes, gemeinen Sonderschule Unterrichtete oft überlastetes System hineininklu- gebrandmarkt. Dies wäre mit einmal diert und dessen Rahmenbedingungen Handerlheben im Parlament rasch zu weiter erschwert. Selbst wenn alle hier ändern, doch das Hohe Haus, delegier- gestellten Fragen zum Thema Inklusion te die Entscheidungskompetenz über in Österreich befriedigend beantwortet Wohl und Wehe der der sonderpäda- würden – woran offenbar in keinster gogisch Förderbedürftigen an weniger Weise gedacht ist – bliebe das Problem eminente Ebenen. des getrennten österreichischen Schul- systems unbeachtet, was einen Wider- Im Zuge der allgemeinen Verheimli- spruch zur UNO Resolution darstellt, chungspraxis den Begriff „Inklusion“ die die Inklusion auch auf die weiter- betreffend, breiten diese zuständigen führenden Schulen bezieht, welchselbe Ebenen über ihre Aktivitäten den Man- aus der Pflichtschule ungleich schwerer tel des Schweigens, wobei ihnen ein als aus der AHS zu erreichen sind. leak unterlief, durch welches folgende inklusionsbezogene Weisheit ans Ta- Der Begriff „Inklusion“ ist derzeit in geslicht kam: „Alle SPF-Kinder seien Österreich völlig gehaltlos. Seine Ver- gleichmäßig auf alle Klassen aufzutei- wendung kann nur zu Missverständnis- len. Die Sonderpädagog*innen würden sen führen und ist somit abzulehnen. die Kinder turnusmäßig besuchen und Solang die Verhinderung einer ernst- hätten nur noch beratende Funktion.“ haften, auf Fakten basierenden und of- Die Inklusion begegnet uns hier in ih- fenen Diskussion darüber anhält, sollte rer Eigenschaft als Einsparungsvehikel. der Begriff boykottiert werden. Er be- Das am wenigsten aufwändige Modell, deutet – nichts! die Einzelintegration mit turnusmä- ßiger sonderpädagogischer Beratung, Andreas Chvatal würde zum Vorbild der Inklusion. Ein apfl-Personalvertreter Rückschritt par excellence. und Mittelschullehrer
Wir lieben unsre Schule und wir brauchen sie sehr! (aus dem Protestlied der OVS 14., Zennerstraße 1) Rund 2000 Kinder, Eltern und Leh- Was war da los in diesen letz- rer:innen versammelten sich am ten 3 Schulwochen am Ende ei- Montag, den 28.6.2021 beim Rat- nes besonders anstrengenden haus, um gegen die neue Vergabe Schuljahres? Der Versuch einer von Lehrer*innen-Stunden zu de- Einordnung unserer Proteste... monstrieren. Der Protest richtete sich gegen Am 2.6.2021 (4 Wochen vor Schul- Stadtrat Wiederkehr und die Bil- schluss) erfuhren die Direktor:in- dungsdirektion Wien, die unter nen, dass es ein neues, transparen- den Schlagwörtern „Reform“ und tes Vergabeverfahren der Lehrer: „Transparenz“ ein großes Sparpa- innenstunden (Kontingente) geben ket umsetzen. wird. Jede Schule bekommt künftig Die neue Vergabe von Lehrer:in- ein Grundkontingent und kann zu- nenstunden erfolgte so knapp, dass sätzliche Stunden für Projekte be- an Schulen nicht einmal die stun- antragen. Davor war die neue Kon- denplanmäßigen Unterrichtsstun- tingentvergabe weder für die Direk- den abgedeckt werden können. tor:innen, die Lehrer:innen oder die Förderstunden werden gestrichen, Personalvertretung ein Thema. Projekte wie die Mehrstufenklas- Bis zum 8.6.2021 konnten Projekte sen drohen aufgelöst zu werden, eingereicht werden, am 14.6.2021 Integrationsklassen wird die Arbeit sollten Rückmeldungen kommen, erschwert, künftig sollen bis zu 20 die sich allerdings bis 17.6.2021 Kinder in einer Deutschförderklasse verzögerten. sitzen. Weder der Bildungsdirektor Dann begannen wir die Proteste. Himmer noch der Stadtrat Wieder- Schon am selben Abend informier- kehr wollten mit den jungen De- ten wir die Elternvertreter.innen un- monstrant:innen sprechen. serer integrativen Mehrstufenklas- (Radio Orange, WiderstandsChro- sen und den Elternverein, ein Offe- nologie vom 3.7.2021, 20:00) ner Brief „Zenneraufschrei“ wurde
geschrieben (auf den folgte prompt die Wir wurden zum Spielball der Poli- Rüge an die Fr. Direktorin, sie hätte ihre tik „Lehrerinnen nicht im Griff!“), ein grö- Eine der ersten Antworten auf unseren ßeres Elterntreffen mit über 50 Eltern offenen Brief war ein Anruf aus dem - teilweise auch aus anderen Schulen - Ministerium (ÖVP) in der Direktion. beschloss 4 Tage später eine Bildungs- Das Ministerium ließ ausrichten, dass demonstration, Medienvertreter:innen die Kontingente, die das Ministerium an wurden kontaktiert, Mails und Protest- Wien vergeben hat, im Vergleich zum briefe geschrieben, etc. Vorjahr gleich geblieben sind. Die Bildungsdirektion Wien (über- Im Offenen Brief und unseren Protesten wiegend SPÖ) und Bildungsdirekti- ging es um folgende Inhalte: on Himmer redeten sich auf den Bund * alle 2.0-Förderstunden (von der Stadt (das Ministerium = ÖVP) raus (quasi: Wien bezahlte Förderstunden, 2 pro „Die geben uns nicht mehr!“). Dazu sei Klasse) werden gestrichen, angemerkt, dass die Stadt Wien die zu- * bis zu 20 Kinder werden in der Deutsch- sätzlichen Förderstunden, die sie in den förderklasse sitzen, Vorjahren zusätzlich finanziert hatten * Höchstzahl von 25 Kindern wird zur (Förderung 2.0), gestrichen hat. Mindestzahl (damit stundenplanmäßiger Unterricht besetzt werden kann), * den Mehrstufenklassen mit Integration werden alle Teamstunden gestrichen, * unsere Schule bekommt 20% weniger Stunden bei mehr Klassen und Schüler: innen, * der Zeitpunkt der Information war schlecht gewählt. Die Demo war für alle Beteiligten ein wichtiges Zeichen und für so manche Schüler:In die erste ihrer Art! Was ist die neue Kontingentverga- be? Die neue Kontingentvergabe berechnet nur mehr 55% der bisherigen Stunden als „Basiskontingent“ (https://www. wien.gv.at/presse/hintergrund/lehrerzu- teilung). Gerechnet wurde in der Bildungsdirekti- on Wien mit alten Schüler:innen-Zahlen, da Wien eine wachsende Stadt ist, ha- ben viele Schulen im kommenden Schul- jahr aber MEHR Schüler:innen/Klassen als in vergangenen Jahren. Außerdem wird das Kontingent mit Klassen von 25 Schüler:innen berechnet - also, nur eine Klasse mit 25 Kindern bekommt genü- gend Stunden, damit alle 21 oder 22 Un- terrichtstunden (Volksschule) mit einer Lehrerin abgedeckt sind. Unsere Schule bekam nicht ausreichend Stunden zur Besetzung des stunden- planmäßigen Unterrichts, da wir 1 Klasse Die NEOS stellen in Wien seit den letz- mehr eröffnen und einige Integrations- ten Wahlen vor einem 3/4-Jahr den Bil- klassen derzeit „nur“ 21 oder 22 Schü- dungsstadtrat, Bildung war ihnen im ler:innen haben. Wahlkampf ein wichtiges Thema, „Trans-
parenz“ ein wichtiges Schlagwort. deten sich noch im Juni Direktor: Nun „verkauft“ der neue Stadtrat innen des 10. Bezirks (Favoriten), Wiederkehr eine Reform. Hat er denen 1400 Stunden (rund 70 Leh- wirklich Ahnung, was er hier tut? rerinnen) „fehlen“ würden (VS und Wir wissen jetzt, wie NEOS-Politi- NMS). ker:innen agieren, wenn sie Regie- Unsere Schule (VS, 14 Klassen im rungsverantwortung übernehmen: kommenden Jahr) sollte 20% der neoliberal; sollte uns nicht weiter Pädagog:innen verlieren, das sind überraschen. 5 Lehrer:innen (einige Stunden Die GRÜNEN haben in dieser Ange- konnten bis Schulschluss „nach- legenheit nichts zu verlieren und in- gebessert“ werden, somit kann teressieren sich für die Anliegen der die neue 1. Klasse besetzt werden Eltern und Pädagog:innen. Aber ob und 2 Junglehrer können doch am uns das weiterhelfen kann, wissen Standort gehalten werden). Unsere wir nicht. Klassenlehrerinnen rechnen damit Die FPÖ brauchte gar nicht in Er- im kommenden Schuljahr fast ohne scheinung zu treten, denn die an- Teamlehrerinnen in den Klassen mit deren arbeiten in ihre bildungspoli- 25 Kindern zu arbeiten . tische Richtung: Stadtrat Wiederkehr versprach noch - mehr Kinder in der Deutschförder- vor der Demonstration 2200 zusätz- klasse bedeutet weniger Integrati- liche Lehrer:innenstunden für ganz on/ Förderung dieser Kinder, da sie Wien, bei 450 Pflichtschulen ein weniger Deutsch lernen können; Tropfen auf den heißen Stein (und - die Förderung für sozial benach- wie schon erwähnt fehlen alleine an teiligte Kinder ist gestrichen, den „Brennpunktschulen“ in Favori- - Integration von Kindern mit Be- ten 1400 Stunden). hinderung in der VS und NMS wird Außerdem schmückt sich die Stadt erschwert, Wien (und Stadtrat Wiederkehr) mit - reformpädagogische Projekte 200 zusätzlichen Freizeitpädagog: werden beendet (z.B.: integrative innen, die nicht statt Lehrer:innen Mehrstufenklassen) eingesetzt werden können, weil ihre Arbeit die Freizeitpädagogik am Wer profitiert jetzt von der „neu- Nachmittag ist und sie an neu er- en, transparenten“ Vergabe? öffneten Schulstandorten gebraucht Das konnten wir nicht herausfin- werden. den. Auch bei den mobilen Lehrer:innen Eine Zeit lang konnten die Politiker wurde „gespart“: es wird bedeutend den Schein wahren, dass „Brenn- weniger Stunden für Sprachheilpäd- punktschulen“ mehr Stunden be- agog:innen, Stützlehrer:innen und kommen würden. Doch dann mel- Beratungslehrer:innen geben. An manchen Schulen mit bilin- gualem Schwerpunkt wurden die Nativ-Speaker gestrichen. Mehrstufenklassen (1.-4. Schul- stufe in einer Klasse) stehen zwar im Papier der Bildungsdi- rektion unter „zusätzliche Pro- jekte“ und erhalten damit 10 Teamstunden, dies gilt aber nur für Mehrstufenklassen ohne In- tegration (von Kindern mit be- sonderen Bedürfnissen). Denn laut Beamtin in der Bildungs- direktion sind „in der Integra- tionsklasse schon 2 Lehrerin- nen“ (1 Volksschullehrerin, 1 Sonderpädagogin). Dass die 10
Sonderpädagogin auch einen anderen den „für besondere Herausforderung“ Arbeitsbereich hat als mit Volksschul- von der Bildungsdirektion und Förder- kindern Unterricht zu machen, dürfte stunden wegen Covid vom Ministerium. sich nicht bis in die Bildungsdirektion Aber das gilt jetzt nur für 1 Jahr. An herumgesprochen haben. anderen Standorten waren im Herbst Immer wieder wird von der Bildungs- plötzliche weniger Lehrer:innenstunden direktion betont, dass kein:e Lehrer: vorhanden als im Juni zugeteilt. in ihre/seine Arbeit verliert. Mein Ar- Eine Gruppe an Eltern und Pädagog: beitsplatz ist nicht gefährdet, es geht innen hat sich gebildet und wird wei- darum, wie ich arbeiten werde. Aber ter kämpfen, damit diese Verschlechte- es geht auch um 21 Kinder (teilwei- rungen nicht so stattfinden; außerdem se mit schweren Beeinträchtigungen), fürchten wir um die Inklusion in Wien. ihre über 40 Eltern und ihre Familien. Dafür werden wir uns stark machen! Diesen Kindern und Familien hätte zu Wir haben es mit einer „Reform mit Schulschluss zugesagt werden können, Transparenz“ zu tun: alle bekommen in welche Klasse sie im Herbst kommen weniger, viele zu wenig und keineR werden. In ganz Wien gab es viele Kin- kann den Durchblick behalten. Inter- der, Klassen (und Eltern und Familien), essant ist, dass unter Führung der SPÖ die im Sommer im Unklaren waren. und der NEOS gut funktionierende Sy- steme für besseres Marketing zerschla- Haben unsere Proteste schlussend- gen werden. Ob das „unseren Kindern lich etwas bewirkt? Flügel“ verleihen wird, wie die NEOS es Zu Schulbeginn 2021/22 können wir plakatiert haben? jetzt doch unsere 3 Mehrstufenklassen Eva Neureiter am Standort für das kommende Jahr be- Pädagogin in einer Mehrstufenklasse mit halten. Da gab es dann doch noch Stun- Integration, OVS 14., Zennerstraße 1 Und dann gibt es zum Nachhören die Sendung von Ende August: Radio Widerhall/ Orange 94,00 https://cba.fro.at/515494 1) WiderstandsChronologie (Sonderausgabe) 2) Einsparungen im Wiener Pflichtschulbereich: Der Schulschluss im Juni in Wien war heuer für viele Lehrer*innen, Eltern und Kinder sehr anstrengend. Nicht nur, dass eineinhalb Jahre Corona-Schule sehr an den Kräf- ten zehrten, haben die Bildungsdirektion* Wien (SPÖ) und Bildungsstadtrat* Wie- derkehr (NEOS) Anfang Juni ein neues System der Lehrer*innen-Stunden-Verga- be vorgestellt, das für viele ein großes Sparpaket darstellt und die bisherige Arbeit (Integration, Mehrstufenklassen, Deutschförderung, Teamarbeit…) verunmöglicht. Wir sprechen in diese Sendung mit Eltern, die den ganzen Sommer über mit Verantwortlichen gesprochen und geschrieben haben. Weiters kommt eine betroffene Pädagogin zu Wort. Wir fragen unsere Gäste, warum die neue “transparente” Stundenvergabe kritisiert werden muss und “gerecht” nicht unbedingt besser sein muss. Danke an Familie Rigele, Sabine Kampmüller, Marcel Kneuer und Gabriele Starkl für eure Beiträge und Statements! 11
Kommentar eines Vaters: „Jetzt haben wir ein gerechteres, einfacheres Modell eingeführt, was ganz klar jene Schu- len bevorzugt, die größere Klassen und mehr Schüler haben“ sagt Christoph Wiederkehr, der Wiener Bildungsstadtrat. Ich glaube, wir haben noch gar nicht begriffen, welchen historischen Moment wir gerade in Wien erleben. Fast genau hundert Jahre nach- dem Otto Glöckel sein reformpädagogisches Werk für das Rote Wien begonnen hat, wird es von einem jungen NEOS-Politiker beendet. Nicht nur dass hunderte reformpädagogi- sche Projekte mit einem Schlag beendet werden müssen (alleine bei uns in der Schu- le wären es 3 Mehrstufenklassen), es wird auch die „große Klasse“ wieder zum Dog- ma erhoben. Jahrzehntelang haben wir für niedrigere Klassenschülerhöchstzahlen, für bessere Betreuungsverhältnisse gekämpft, mit einem Satz ist das alles beendet. Besonders perfide ist in diesem Zusammenhang das Zauberwort „Gerechtigkeit“, das ein neoliberales trojanisches Pferd ist, weil es so gut klingt und so schwer dagegen zu ar- gumentieren ist. Wer aber Werte durch Gerechtigkeit ersetzt, verhindert den Fortschritt. Warum spricht eigentlich niemand von einer gerechten Klimapolitik? Weil hier sehr schnell deutlich würde wie pervers das ist. Eine gerechte Klimapolitik würde bedeuten, alle 500m EINEN neuen Baum zu pflanzen, weil mehr Geld haben wir nicht. Dann hätten alle Wie- ner:innen zumindest einen Baum in 500m Umkreis. Die Wirkung wäre zwar null, weil Bäume erst in Gruppen ein wenig Verbesserung des lokalen Klimas bringen, aber es wäre gerecht. Und wenn ich nur Geld habe um 10.000 Bäume die in den letzten Jah- ren neu gesetzt wurden regelmäßig zu gießen, ich aber weitere 2.000 neue setze weil Wien größer wird, werden jetzt 2.000 andere Bäume dafür wieder eingehen. Gerecht? Hier würde die Politik natürlich sofort mehr Geld bereitstellen, und nicht mit Ge- rechtigkeit argumentieren damit auch die zusätzlichen 2000 Bäume gegossen wer- den können. Wenn es aber nicht um Klimapolitik geht, sondern um Bildungspo- litik gibt es kein zusätzliches Geld sondern die 2000 schon früher gepflanzten Bäume - in dem Fall die hunderten reformädagogischen Projekte - müssen wieder sterben. Christoph Wiederkehr hat es geschafft in die Geschichte einzugehen und ei- nen zentralen Teil des Roten Wien zu zerstören und durch Gerechtigkeit zu ersetzen. Die konservative Wende ist geschafft ohne dass irgendwer in der SPÖ aufmuckt. Ein trauriger Tag. Marcel Kneuer, Vater und Historiker 1
Grußbotschaft der Basisgruppe der FreizeitpädagogInnen der Bildung im Mittel- punkt GmBH an die Sparpaket Demonstration vom 28.6.2021 Liebe mutige DemonstrationsteilnehmerInnen, die Basisgruppe der FreizeitpädagogInnen der BiM GmBH ist in Gedanken bei euch, da wir die Nachmittagsbetreuung an den Wiener Volksschulen über haben. Auch wir protestieren aufs Schärfste gegen die angekündigten Sparmaßnahmen im Bildungs- bereich! Diese sogenannte Reform im Wiener Bildungswesen ist keine Reform, sondern ein wieder- kehrendes, großes Sparpaket. Dem österreichischen Bildungssystem wird „kein Pflaster runtergerissen“, um „nachhaltige Verbesserungen“ zu erreichen, das österreichische Bildungssystem leidet unter einer Jahr- hunderte alten Erbkrankheit, die sozialen Aufstieg durch Bildung quasi verunmöglicht. Es ist blanker Zynismus von sozialer Gerechtigkeit und „größerer Transparenz“ zu sprechen, … Wenn gleichzeitig Fördern 2.0. ersatzlos gestrichen wird; … Wenn bis zu 20 Kinder, die kein Deutsch können, in Deutschklassen abgeschoben werden. Diese Kinder brauchen deutschsprachige Buddies, keine Segregationsklassen. … Wenn Mehrstufen- und Integrationsklassen aufgelöst werden müssen, weil nicht genug LehrerInnen-Stunden da sind, um diese Klassen pädagogisch sinnvoll zu führen. … Wenn KlassenschülerInnenhöchstzahlen von derzeit 25 auf nach oben offen erhöht und zusätzlich BegleitlehrerInnenstunden gestrichen werden. Alle Pädagoginnen sind sich einig: zur besseren Förderung braucht es kleinere Gruppen, nicht größere! Wir stellen klar: FreizeitpädagogInnen sind kein Ersatz für SonderpädagogInnen, für LehrerInnen in Lernzeiten und zur Hausübungsbetreuung, für TeamlehrerInnen in Mehrstufenklassen und I-Klassen, nur weil sie weniger bezahlt be- kommen! Aber, wir werden die LehrerInnen gerne unterstützen, einen Notbetrieb aufrecht zu erhalten, wenn sie streiken! Wir fordern: Eine massive Aufstockung des Bildungs- und Sozialbudgets, um die Coronaschäden unserer Gesellschaft zu lindern! Mehr Förderung, mehr SchulpsychologInnen, BeratungslehrerInnen, Stützlehrerinnen, Mut- tersprachen- und Fremdsprachenförderung, mehr SchulsozialarbeiterInnen, nicht weniger! Kleinere Gruppen und mehr PädagogInnen in der Schule, damit alle Kinder echte Chancen haben! Kämpft weiter, wir sind an eurer Seite, die Basisgruppe der BiM 1
Unterschreibt für mehr Mittel im Wiener Pflichtschulbereich für ALLE Schulen! https://www.openpetition.eu/at/petition/blog/sos-schule- mehr-mittel-im-wiener-pflichtschulbereich-fuer-alle- schulen Stopp dem KAHLSCHLAG in der Schule: Kürzungen in der Bildung – Sollen wir mit unserer Schule zurück ins letzte Jahrtausend? Chancengleichheit sieht anders aus! Funktionierende gelebte Diversität und Inklusion in der Schule werden zerstört. • Die 2.0 Förderstunden für Kinder mit Lernschwierigkeiten wurden ersatzlos gestrichen. • Mit 20 statt bisher höchstens 15 Schüler*innen in den Deutschförderklassen ist auch dort eine individuelle Betreuung und damit echte Sprachförderung unmöglich. • Der Einsatz der „native speaker“ ist nicht mehr möglich. • Das seit 25 Jahren bewährte Modell der Mehrstufenklassen, in dem Kinder verschiedener Altersgruppen, mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf, in einem harmonischen, friedvollen, anregenden, gleichberechtigten und fördernden Umfeld zusammen lernen, steht vor dem Aus. Es wird dazu kommen, dass Kinder aus ihrem bestehenden Klassenverband herausgerissen werden. Das ist ein nicht akzeptabler Eingriff in die Schullaufbahn unserer Kinder - gerade bei Kindern mit Förderbedarf werden hier Schulkarrieren zerstört. Es hilft niemandem, wenn erfolgreiche Konzepte, die ohnehin schon unterdotiert sind, aber dennoch sehr gut funktionieren, zerstört werden. Damit werden diese Schulen zu Brennpunktschulen der Zukunft! Nach all den Hindernissen, Sorgen und Mühen während der Corona-Pandemie ist ein derartiger Einschnitt für unsere Kinder nicht zumutbar! Die Kürzungen sind ein Schlag ins Gesicht unserer Kinder! Daher fordern wir von der Politik auf Bundes- UND Landesebene: • STOPP dem Stundenabbau – ausreichend Teamstunden in ALLEN Schulen • MAXIMAL 15 Kinder in Deutschförderklassen • MAXIMAL 21 Kinder in der Integrationsklasse • KEIN Zerreißen bestehender Klassenverbände • ERHÖHUNG der Stunden, sodass Supplierungen gewährleistet werden können. • ZUSATZBUDGET für Förderstunden • TRANSPARENZ, welche Schulen NICHT von Einsparungen betroffen sind. • ECHTE AUTONOMIE der Schulleitungen Verleiht den Kindern Flügel und keine Plexiglaswand, gegen die sie fliegen! Beteilige dich bei unserer Initiative: bessereschule@gmail.com #BildungbrauchtRessourcen #future4kids 1
apfl-ug aktive pflichtschullehrer*innen - unabhängige gewerkschafter*innen Von der Umsetzung, die Zuteilung von Lehrer*innen in der APS Wien nach einem Chancen-Index transparenter und fairer zu gestalten, ist nur die Frage geblieben: WER BEKOMMT DIE STUNDEN? NICHT DIE BRENNPUNKTSCHULEN Die Klassenschüler*innenzahlen steigen! Die Stunden nach dem Mini- Chancenindex gleichen nicht aus, was durch die Neuberechnung des Basiskontingents verloren geht. Individuelle Fördermaßnahmen und Projekte können nicht aufrechterhalten werden. NICHT DIE SPARTE SONDERPÄDAGOGISCHER BEREICH Nicht einmal der ZA wurde über die Vergaberichtlinien informiert! Es gibt somit keine Transparenz in der Vergabe der mobilen Betreuung und der Intensivbetreuung. In I-Klassen müssen in Zukunft 25 Schüler*innen sitzen! Sprachheilschule: „Minus 100 Stunden“ Stützlehrer*innen: „Seit 18/19 wurden 260 Stunden eingespart.“ Es kommt zu Kürzungen im Bereich des mobilen Unterrichts für emotional und sozial beeinträchtigte Kinder und Jugendliche! NICHT DIE MEHRSTUFENKLASSEN Zusätzliche Stunden für die Mehrstufenklassen wurden gestrichen! NICHT DIE 220 ZUSÄTZLICHEN DIENSTPOSTEN Es handelt sich um jene Dienstposten, die von der Gemeinde Wien als 2.0 Förderung auch bisher schon finanziert wurden. Allerdings fließen diese Stunden jetzt zu einem großen Teil in den Mini-Chancenindex! UND Wie kann es sein, dass Schulen mit gleichbleibender Schüler*innenzahl weniger Lehrer*innen haben werden? Die Schüler*innenzahlen sind seit 2012/13 am Steigen. Die Bekanntgabe des Kontingents am 16. JUNI ist eine Zumutung! FÜR EINEN TRANSPARENTEN FAIREN AUSGLEICH DER NACHTEILE DURCH DIE PANDEMIE – BILDUNG KOSTET! engagiert – parteiunabhängig – solidarisch www.apflug.at ist Dachorganisation http://www.oeliug.at 15
AUS DER PRAXIS Podcast Fragen an die Welt Im Rahmen eines Ausbildungslehr- gangs zur Digitalen Grundbildung ha- ben die Kindergartenpädagogin Ute und ich einen Podcast mit Kinderfragen erstellt. Wir nannten den Podcast „Fra- gen an die Welt“. Zu hören sind 12 Fra- gen von Kindergartenkindern und die Antworten darauf, die Volksschulkinder verfasst haben. Hier in der Elise sei festgehalten: die Sprachentwicklung fördern. Sie sam- Idee ist natürlich nicht neu. Vor über melten ihre Fragen wie: „Was ist ein 20 Jahren ging Uschi.R. (damals noch Reptil?“ , „Warum ändert sich das Wet- Lehrerin in Wien) mit den Kindern raus ter in den Jahreszeiten?“ oder auch auf die Straße, sie notierten was ihnen „Warum sind manche Kinder groß und einfiel und nannten ihre Arbeit „Fragen manche Kinder klein?“ an die Welt“. Zurück in der Klasse ver- suchten sie Antworten auf die Fragen Die aufgenommenen Fragen schickte zu finden. Christian B. entwickelte in Ute an mich, ich spielte unseren Kin- einem Gespräch die Idee, dass Kinder dern (3. und 4. Klasse) die Fragen vor, Fragen aufnehmen können und diese wir verteilten die Fragen, und die Schul- Aufnahmen an andere schicken, die die kinder begannen Antworten zu den Antworten dazu finden. Fragen zu recherchieren. Sie suchten Diese Ideen haben wir umgesetzt und in Büchern, der Bibliothek, im Inter- es war ein echt nettes Projekt, das ich net, in Filmen, in Audiobeiträgen und weiterempfehlen kann! Es ist sicherlich fragten Expert*innen. Die Antworten auch in anderen Altersgruppen um- mussten so formuliert und so einfach setzbar und eine Form der Korrespon- gestaltet werden, dass die Kindergar- denz, die wir Freinetpädagog*innen tenkinder diese auch verstehen kön- schätzen. nen. Die Schulkinder mussten lesen, suchen, nachfragen, formulieren, auf- Was haben wir gemacht? schreiben und einige waren sehr gefor- dert damit! Die Kindergartenkin- der aus einem Kinder- Die fertigen Antworten garten mit vielen un- haben wir aufgenom- terschiedlichen Spra- men und wieder zu- chen in Wien stellten rückgeschickt an Ute Fragen, die ihnen und die Kindergarten- wichtig sind; diese kinder. Sie haben sich wurden gesammelt sehr gefreut und beim und aufgenommen. Anhören sollen sie Die Kinder waren teil- sehr aufmerksam ge- weise noch sehr jung wesen sein (und län- (3 Jahre) und dieses ger zugehört haben Projekt konnte ihre als normalerweise)! 16
das ihre Frage gestellt oder die Ant- wort zu ihrer Frage gefunden hat. Zum Schulschluss sendeten wir den Podcast im Rahmen einer Radiosendung der Wiener RadioBande bei Radio Orange (Freies Radio Wien). Aber alle Beschreibung nutzt wenig, den Podcast musst du einfach gehört haben: https://medienarchiv.phwien.ac.at/ fragen-an-die-welt/ Wir (Ute und ich) fanden beide, dass die Kinder motivierter als normal an diese Arbeit gingen (die Schulkinder waren nicht nur entzückt von den Stim- men der Kleinen sondern auch echt be- müht, alles richtig und gut zu machen). Eine von mir als Lehrerin gestellte Fra- ge würde nicht so ernsthaft bearbeitet werden. Ute erzählte, dass die Kinder- gartenkinder voller Freude ihre Namen einsprachen, weil sie das Aufnehmen schon kannten und als „schön“ in Erin- nerung hatten. Diese Freude lässt sich hören. Als Freinetpädagogin möchte Die Kindergartenkinder sprachen noch ich auch unterstreichen, dass Ute die ihre Namen ein und einen Trailer „Wer- Kinder wirklich „ihre“ Fragen formulie- WieWasWarum?“. Wir Pädagoginnen ren ließ (und nicht als Pädagogin „len- schnitten aus allen Teilen einen Pod- kend“ eingriff); das macht den Podcast cast. lebendig. Wir schickten uns gegenseitig Fotos von den Kindern, damit sie die anderen Eva Neureiter, VS-Lehrerin, Wien sehen konnten: wie das Kind aussieht, 17
Youtopia Missverständnisse können manchmal werden, weil sie nicht da sein können. Quellen für neue Erkenntnisse bilden, Sie bleiben Sehnsuchtsorte, an die wir die dann manchmal zu Bächen in Flüs- selbst gern gelangen möchten, bilden se und Meere werden ... und Wolken, die Planungsgrundlage für die näch- und dann auf uns niederregnen und uns sten Schritte. Wir fürchten noch die wieder aufwecken. Zum Beispiel wenn Monster, die uns hinter dem Tellerrand ich mich nicht erinnern kann, was ganz nach unserem Leben trachten, bilden genau ich gelesen oder gehört habe, Klümpchen statt überzukochen und und das Evidenzträgergerät sich au- versuchen glücklos als Eingebranntes ßerhalb des verfügbaren Bewusstseins mit dem Grund des Topfes zu ver- befindet. Mixen sich diese verrinnerten schmelzen. Gegessen werden, sich auf- Fragmente fremden Wissens im emp- nehmen lassen, uns selbst und andere fangenden Gehirn neu, entstehen ge- durch Begegnung zu verwandeln, wäre meinsam mit eigenen Vorerfahrungen eine andere Möglichkeit. Sicher er- Zutaten für das, was ich zu wissen scheint mir, dass unsere Schüler*innen glauben will. Gerald Hüther sagt, das ihre Vorstellungskräfte in einer men- Gehirn wird zu dem, wofür wir es be- schenwürdigen Qualität trainieren kön- nützen. Joachim Bauer spricht davon, nen sollen, und die Schule, diese Räu- dass das Wesen des Menschen auf Ko- me zur Verfügung zu stellen hat. Da operation und Resonanz ausgerichtet sich die Freinetpädagogik mit dem was sei, versus Egoismus und Konkurrenz. da ist praktisch und theoretisch aus- Maslow sieht in den emotionalen, ko- einandersetzt, und Ideen im Tun und gnitiven, expressiven und ästhetischen aus dem Tun entstehen, geht es uns Bedürfnissen des Menschen die Ur- finde ich pädagogisch unheimlich gut, sprünge für die Wissenschaft und ihre selbst in der Vuca-Welt und ihren Zie- Zielsetzungen. Diese Gedanken führen len. Bedürfnisse von Kindern stellen mich zu einer Konzentration auf den keine Störfaktoren dar, sondern ihre Zustand, den ich mir für meine Schul- Erfüllung leitet uns durch den Schulall- klasse wünsche: ein Raum in dem Er- tag, gibt Orientierung und macht Freu- fahrungen stattfinden, Haltungen wei- de auf gemeinsames Überwinden von terentwickelt werden, und das einzige Herausforderungen. Zwischendurch was schiefgehen kann, ist, außer der führen wir Tests durch und lesen am Realität, dass meine Vorstellungskraft Abstand zur Norm die Iststände ab, sich etwas nicht genug gut vorstellen von denen aus wir weiter wandern, in kann. Ich habe einmal eine Geschichte die Schule, in die wir selbst am liebsten von Emanuel Swedenborg gelesen, in gehen würden. der, zumindest in meiner Erinnerung, jemand nach dem Tod in einer erbärm- lichen Hütte hausen musste, obwohl er im Paradies war. Sein Problem: Er konn- te sich nichts Schöneres vorstellen, als das, was er kannte, wodurch seine Idee Mere facts or data are dead, as far vom Paradies/Himmel so mangelhaft as mind is concerned, unless they are ausfiel. Hier könnte die Schulentwick- used to suggest and test some idea, lung ansetzen. Aber Probleme können some way out of a difficulty. Ideas, nicht mit derselben Denkweise gelöst on the other hand, are mere ideas, werden, unter der sie entstanden sind, idle speculations, fantasies, dreams, und die Ingredienzen zur Lösung fin- unless they are used to guide new den sich im Problem, sagt man, das observations of, and reflections upon, wiederum mehr ist, als die Summe sei- actual situations, past, present, or ner Teile. Wie etwas suchen, wovon wir future nicht wissen, wie es aussieht? Utopien (John Dewey, 1933) können logischerweise nicht umgesetzt 18
Buchempfehlung und Spielidee Ein netter Einstieg zum Trainieren der men der Kinder die Wand bevölkern. Vorstellungskraft war heuer das Buch Das was bereits da war, bestimmte von der fliegenden Schere. Es handelt mit, wo die eigene Form hin sollte. Ich von einem älteren Mann, dem es ge- ließ also jeweils ein Kind mit der Hand sundheitlich nicht gut geht. Nach einer hinzeigen, wohin ich die Leiter stellen Operation findet er sich in einem wei- sollte, dann bekam ich Anweisungen ßen Zimmer wieder. Aus einem brau- wie „nach oben/nach unten/nach links/ nen Papiersackerl, in dem ein Croissant nach rechts“. Mathematik also. verpackt war, schneidet er sich eine Taube aus. Mit anderen bunten Formen Die Formenlandschaft wächst weiter, geht es weiter. An die Wand gelangen und die Kinder hängen ihre weiteren diese, indem Monsieur Matisse seiner Formen selbst auf. Einige taten sich Assistentin zeigt, wohin sie gehängt anfangs schwer, eine Form auszu- werden sollen, und sie das für ihn er- schneiden, auf die sie nicht zusätzlich ledigt. etwas zeichnen sollten, aber ich blieb konsequent und kündigte an, die Form Das habe ich mit den Kindern so umge- so aufzuhängen, dass ihre Zeichnung setzt, dass sie mit einer ausgeschnit- nach innen schauen würde. Da ich tenen Form in der Hand nebeneinan- sonst gern Dinge ausverhandle, nah- der vor der weißen Pinnwand saßen. men sie diese strikte Anweisung sehr Damit es so richtig leise und feierlich ernst. werden konnte, habe ich den ungefähr 300 Jahre alten Ein weiterführende Idee war, das Pachelbel-Ca- Pommes, das ein Schüler ausgeschnit- non in D Major ten hatte, zu einem Kipferl zu falten. am Handy lau- fen lassen. In Am ersten Schultag waren wir nämlich diesem Stück ein Lieblingsessen: Beate-Burrito, Ben- kommen eben- Mohnnudel, Mate-Pommes, Franziska- so immer wei- Fischstäbchen usw. In einer unruhigen tere Stimmen Minute bat ich die Kinder, ihre Augen und Variationen zu schließen und sich ein Buffet vor- dazu, nur nicht zustellen, bei dem wir alle da waren. für die Augen Es wurde ganz still. „Es gibt zwei Mal sondern für die Lasagne“, sagte jemand, und ich war Ohren. Die Assi- auch so froh darüber, dass alle da wa- stentin war ich. ren. Nacheinander Beate Klement-Dempsey, Lehrerin in der Mehrstufenklasse sollten die For- in St. Pölten Literatur: Maslow, A. (1987). Motivation und Persönlichkeit. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Hüther, G. (2010). Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. 9. Auflage. Vandenhoeck & Ru- precht. Bauer, J. (2006). Prinzip Menschlichkeit. Munchen: Wilhem Heyne Verlag. Van Haeringen, A. (2015). Monsieur Matisse und seine fliegende Schere. Ilja Trojanow und Renata Schmidtkunz, 2.9.2021, Ö1. Utopien sind lebensnotwendig. Allione, T. (2009). Den Dämonen Nahrung geben. Buddhistische Techniken zur Konfliktlösung. Arkana 19
Endlich wieder ein Freinet-Kongress! Kurzer Bericht aus Reims Keine Rückkehr nach Reims, es war ein Erstbesuch, denn vom 17. bis 20 August 2021 hielt dort die französische Bewegung ICEM ihren 55. Kongress ab. Und nachdem ausdrücklich in- ternationale Gäste eingeladen waren, sind wir (zu zweit) hingefahren und wurden herzlich begrüßt und aufgenommen. Vielen Dank dafür! Die französische Bewegung machte einen sehr lebendigen und vielfältigen Eindruck auf uns - bei weitem nicht (fast) nur Pflichtschul- lehrer:innen, sondern Unterrichtende und Pädagog:innen aus verschiedenen Formen - von Kindergartenpädagog:innen bis zu Erwachsenenbildner:innen waren vertreten. Tatsächlich war es mutig von der ICEM, einen so großen Kongress zu organisieren - trotz der Beschrän- kungen wegen Corona. Beinahe 400 Personen, davon über 100 aus Belgien, einige aus Spa- nien, zwei aus Österreich! Es gab ein umfangreiches Programm voller Kurzzeitateliers, run- den Tischen, Prodiumsdiskussionen und Kulturveranstaltungen. Unser Französisch ist leider nur rudimentär vorhanden… und natürlich hatten wir Sprachprobleme, oder/bzw. die Orga- nisatorInnen Übersetzungsprobleme. Das hat dazu geführt, dass manchmal die Auswahl an Ateliers, bei denen Sprache nicht im Vordergrund stand, schwierig war... Aber es hat gut ge- tan einander zu treffen, sich auszutauschen, voneinander zu lernen! Wanda Grünwald In unserer Grußbotschaft für die Abschluss- veranstaltung haben wir geschrieben: 0
«Kinderwelt» - Sammlung von Freien Texten Heidi Bosshard, heibo@swissonline.ch Ein Grundpfeiler der Freinet-Pädagogik ist der Austausch – zwischen Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, unter den Klassen – zwischen Stadt und Land. Aus diesem Interesse aneinander entstand ein Austausch in Form von Briefkontakten, Treffen, Klassenkorrespondenzen und eben auch Sammlungen von Freien Texten. So gab es in Frankreich über Jahre hinweg «la Gerbe» und in der französischen Schweiz die «Strabouille». Nach ein paar misslungenen Anläufen gelang es in der Deutschschweiz im Frühling 1986 einigen Teilnehmer/innen eines Schuldruckereikurses, Begeisterung für eine solche Textsammlung auszulösen. Gleich bei der ersten Nummer, die noch vor den Sommerferien herauskam, machten 17 Klassen mit. Es wurde ein «richtiges Buch». Nachdem allen Beteiligten klar war, dass das Projekt weitergeführt werden sollte, trafen sich anfangs September zehn beteiligte Lehrer/innen zu einem Arbeitstreffen, um das weitere Vorgehen zu diskutieren. Um die Arbeit zu erleichtern und zu koordinieren, wurden eine ganze Reihe von Vereinbarungen getroffen. Diese werden nun laufend angepasst – zum letzten Mal am 13. Mai 2021 anlässlich der Werktagung light auf dem Herzberg (siehe Anhang). Wichtig ist es zum Beispiel, dass jedes Mal eine andere Klasse die Redaktion übernimmt, und dass man die „Kinderwelt“ weder kaufen noch abonnieren kann. Nur wer mitmacht, bekommt ein Exemplar. Die mit Goldglitter verzierte 50 auf der Nummer, die im März 2000 herausgegeben werden konnte, zeugt von (berechtigtem!) Stolz. Andi hat damals dazu ein Wortspiel gemacht: Andi Honegger bei der Übergabe des Archivs an Katharina Fuhrer, Mai 2021 auf dem Herzberg 1
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