Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...

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Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Heft 2018/2019

                                 Maschinenbau
                                 und Produktion

Kolloquium bei
NORD DRIVESYSTEMS

Hamburg:
Geschichte der HAW
Shape your ideas:
3D-space für alle

Erfolgreiche Ingenieurausbildung:
Prof. Dr.-Ing. Eckart Kottkamp

Zeitschrift des Freundeskreises Maschinenbau und Produktion Berliner Tor e.V.
Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Inhalt

 4   Aktuelles aus dem Department         22   Digitale Produktion - Die Zukunft    36   Die Welt in Bewegung setzen
                                               der Fertigungstechnik                     Studium und Ausbildung
 5   Einfach mal umformen                                                                beim Antriebspezialisten
                                          24   Methode der                               NORD DRIVESYSTEMS
 6   Prof. Dr.-Ing. Eckart Kottkamp -          grenzwertorientierten Kennzahlen
     erfolgreicher Einsatz für die
     Ingenieurausbildung                  26   FunDay 2018 am Berliner Tor

 9   1970 - 2020: 50 Jahre FH / HAW       27   Die Tribologie
     Hamburg - Eine kleine Geschichte          Themengebiet mit hoher Relevanz
     der Ingenieurausbildung in Hamburg        für die zukünftige Ausbildung

18   3Dspace                              28   Norddeutsches-Kolloquium-
                                               Schrauben-Verbindungen 2018
19   Neues aus dem Heinrich-Blasius
     Institut                             30   Rückblick auf ein bewegtes Jahr      38   Messe: all about automation
                                               im Freundeskreis                          hamburg 2019
                                          31   Freundeskreis mit modernem           40   Werner-Baensch Preis /
                                               Logo und neuer Werbung                    Franz-Herbert-Spitz-Preis /
                                                                                         Herbert-Rehn-Preis
                                          32   Ihre zukünftigen Ingenieure
                                               kennenlernen - fördern - ausbilden   40   Impressum
                                          33   Macio                                41   Studieren und Praktikum
20   Einblick in VWs größtes
                                               Neues Mitglied im Freundeskreis           im Ausland / Neu
     Getriebewerk in Deutschland
                                          34   29. Kolloquium des                   42   Im Ruhestand / Verstorben
21   Der Maschinenbau und die
                                               Freundeskreises bei
     Energie
                                               Getriebebau NORD                     43   Das Letzte

                                                                              Maschinenbau und Produktion 2018/2019
Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Editorial

Digitalisierung und Industrie 4.0,

                                                                                                                      Prof. Dr. Ulrich Stein
                                                                                                           Redaktion Freundeskreiszeitung
                                                                                                            ulrich.stein@haw-hamburg.de

das Thema hatten wir in den letzten Ausga-     So viel zur Zukunft des Maschinenbaus,            Thema ‚Ethik und Technik‘, initiiert von
ben der Zeitschrift schon öfter.               wobei wir nur einen geringen Teil der Akti-       Dipl.-Ing. Klaus Beck, einem langjährigen
                                               vitäten am Department M+P zu Digitalisie-         Mitglied im Vorstand des Freundeskreises
Bei einem Treffen mit Prof. Dr.-Ing. Eckart    rung und Industrie 4.0 darstellen können.         und bis zu seiner Pensionierung Leiter des
Kottkamp, dem Vorsitzenden des Hoch-           Wir werden in Zukunft sicher noch viel            Technikzentrums der TÜV NORD Sys-
schulrats der HAW, wurde im Sommer             darüber zu berichten haben.                       tems GmbH & Co. KG.
2018 auch dies ausführlich erörtert. Im
Heft finden sie an zentraler Stelle eine       Im Heft finden Sie aber auch einen                Das Kolloquium des Freundeskreises fand
Zusammenfassung des Gesprächs und eine         Rückblick, eine Zusammenfassung der               in diesem Jahr bei der Firma Getriebe-
Würdigung der Leistungen von Prof. Kott-       Geschichte der Ingenieurausbildung in             bau Nord in Bargteheide statt. Auch dazu
kamp, der den Freundeskreis Maschinen-         Hamburg. Dazu den Verweis auf eine                finden Sie einen Beitrag im Heft. Wann
bau und Produktion seit seiner Gründung        Internet-Seite mit Dokumenten, die ich im         und wo im Jahr 2019 das Kolloquium statt-
tatkräftig unterstützt.                        Laufe der Jahre gesammelt und z.T. einge-         finden wird, ist noch nicht geklärt. Bitte
                                               scannt habe.                                      schauen Sie dazu auf die Homepage des
Zum Thema Digitalisierung gehört eben-                                                           Freundeskreises. Diese Seite wurde im
falls der 3D-Druck. Am Berliner Tor wurde      Dies ist mein Abschiedsbeitrag, denn das          Jahr 2018 ebenfalls neu gestaltet:
am 17. April 2018 am Department M+P der        aktuelle Heft ist das letzte, das ich gestalte.
3Dspace eingeweiht. Studenten der HAW          Im Jahr 2003 hatte ich diese Aufgabe vom          www.Freundeskreis-BerlinerTor.de
können hier den 3D-Druck kennen lernen         damaligen Dekan des Fachbereichs, Prof.
und studienbezogene Objekte drucken.           Dr. Jürgen Dankert, übernommen. Die               Dort finden Sie auch den Link zu unserer
                                               Arbeit hat mir viel Spaß gemacht. Da ich          XING-Gruppe.
Als weiterer Schwerpunkt bei M+P im            jedoch in nicht allzu ferner Zeit in Ruhe-
Rahmen von Industrie 4.0 und digitaler         stand gehe, mache ich Platz für meine             Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr
Produktion wurde im Herbst 2018 im             Nachfolger. Ich bedanke mich herzlich bei
Labor für Fertigungstechnik ein Teil des       allen Personen, die mich in den 15 Jahren
Projekts „Virtuelle Werkzeugmaschine“          unterstützten und mich mit Beiträgen ver-
abgeschlossen. Dies dient dazu, Studenten      sorgten.
mit den Zukunftstrends der Fertigungs-
technik vertraut zu machen.                    Im Freundeskreis herrschte im vergan-
                                               genen Jahr eine gewisse Aufbruchs-
Digitalisierung und Industrie 4.0 war natür-   stimmung. Dipl.-Ing. Christian Gerlach
lich auch Thema auf der Fachtagung zur         berichtet in einem Beitrag über sein erstes
Umformtechnik FormUm@Nortec. Prof.             Jahr als erster Vorsitzender im Vorstand.
Dr. Enno Stöver und Prof. Dr. Thomas           Es wurden eine Reihe neuer Projekte ange-
Frischgesell stellten dort die Aktivitäten     stoßen. Geplant ist u.a. ein Workshop zum
bei M+P vor, z.B. Ideen zur Weiterent-
wicklung des Umformtechnik-Labors zu
einem „Lernort Digitale Umformtechnik“
und das interdisziplinäre Projekt „Smart
Production @ HAW Hamburg“.

Maschinenbau und Produktion 2018/2019                                                                                                     3
Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Department

Aktuelles aus dem Department
Wenn Sie demnächst unser traditions-            terstützung werden die Themen „Industrie      führung unserer drei Bachelorstudiengän-
reiches Gebäude Berliner Tor 21 besu-           4.0“, „Vernetzung von Maschinen“, „Auto-      ge zu einem einzigen Bachelorstudiengang
chen, dann bleiben Sie ruhig einmal vor         matisierung“ und „agiles Projektmanage-       „Maschinenbau und Produktion“ sinnvoll
dem Eingang stehen und betrachten das           ment“ immer sichtbarer in den Forschungs-     erscheint. Dies bietet dann die Möglich-
blaue Schild, das links vom Eingang die         themen der Kolleginnen und Kollegen und       keit einer stärkeren Differenzierung der
Geschichte dieses Fritz-Schumacher-Baus         der inhaltlichen Ausrichtung der Module.      Fachgebiete in den Studienrichtungen des
beschreibt.                                     Dieses ist immer mit dem Ziel verbunden,      Hauptstudiums mit größeren Wahlmög-
                                                unseren Studierenden die bestmögliche,        lichkeiten für die Studierenden zur Un-
Nicht nur Studierende und Lehrende der In-      praxisnahe Vorbereitung auf ihr späteres      terstützung aktueller, praxisnaher Lehrin-
genieurwissenschaften gehen hier ein und        Berufsleben zu geben. So wird das Projekt     halte. Der Prozess ist angestoßen und soll
aus, auch Architektur- und Bauinteressier-      „Smart Production @ HAW Hamburg“,             mit dem Sommersemester 2020 in einen
te kommen ganz gezielt hierher, um sich         das Digitalisierungs- und Vernetzungsan-      neuen Maschinenbau-Studiengang mün-
das denkmalgeschützte Gebäude anzuse-           sätze über die verschiedenen Fachgruppen      den, der weiterhin auch dual mit einem zu-
hen. Betreten Sie dann                                                                                            sätzlichen Praxisseme-
das Gebäude, werden                                                                                               ster angeboten wird.
Sie feststellen, dass sich
schon eine Menge getan                                                                                            Ein besonderer Dank
hat, aber auch noch eine                                                                                          gilt Prof. Dr. Wolfgang
Menge Arbeiten ge-                                                                                                Schulz, der vier Jahre
schehen. Die Brand-                                                                                               zusammen mit Prof.
schutzsanierung, wegen                                                                                            Dr. Thomas Frisch-
derer wir nun in meh-                                                                                             gesell das Depart-
reren Jahren teilweise                                                                                            ment Maschinenbau
oder komplett ausgezo-                                                                                            und Produktion gelei-
gen sind, ist nahezu ab-                                                                                          tet hat. Seine Amtszeit
geschlossen und viele                                                                                             endete im Dezember
Flure erstrahlen richtig                                                                                          2017. Sein Nachfolger
im neuen Glanz. Das be-                                                                                           als     stellvertretender
deutete in den letzten Jahren einen erheb-      des Departments und departmentsübergrei-      Departmentsleiter ist seit Januar 2018 Prof.
lichen Aufwand für alle Kolleginnen und         fend zusammenknüpft, weiterentwickelt         Dr. Enno Stöver. Seit September 2018 ist
Kollegen – der sich aber gelohnt hat, wenn      zu einer inzwischen zertifizierten Testum-    das Department im Dekanat TI durch Prof.
man die neugestrichenen Flure sieht sowie       gebung Industrie 4.0 für KMUs. Unterneh-      Dr. Anna Usbeck als Prodekanin für For-
die veränderte Darstellung mit Vitrinen,        men können im Rahmen eines Förderpro-         schung vertreten.
die zum Teil Sitzbänke integriert haben. Im     gramms Anträge für die Umsetzung von
Foyer und Eingangsbereich bleibt es aller-      Industrie 4.0-Themen stellen, bei denen       Inhaltlich und personell entwickelt sich das
dings noch ein wenig Baustelle – die Re-        die HAW Hamburg als Testumgebung und          Department Maschinenbau und Produkti-
staurierungsarbeiten, auch unter Berück-        Partner zur Verfügung steht. Instituts- und   on weiter und das auf der traditionsreichen
sichtigung des Denkmalschutzes, sind            departmentsübergreifend wurde inzwi-          Historie, die uns mit unserem Gebäude
noch nicht abgeschlossen. Danach sollte         schen eine Anlage für metallischen 3D-        Berliner Tor 21 jeden Tag ins Auge fällt.
unser Gebäude uns wieder als wertvoller         Druck am Institut für Werkstoffkunde und
und traditionsreicher Lehr- und Lernort zur     Schweißtechnik aufgebaut. Und der 3D
Verfügung stehen. So manches Fundstück          Space am Berliner Tor 21 steht allen Stu-
                      aus der Vergangen-        dierenden für den Druck ihrer Projekte im
                       heit wird sicher nicht   Rahmen der Lehre zur Verfügung – ein Be-
                       mehr integriert.         reich, der mit und für die Studierenden ge-
                                                staltet und geführt wird.
                       So alt und traditi-
                       onsreich das Ge-         Im nächsten Schritt liegt dann nach erfolg-
                        bäude auch sein         reicher Akkreditierung der Studiengän-
                        mag, so modern          ge eine curriculare Weiterentwicklung des
                sind die Themen der Lehre       Maschinenbau-Studiums vor uns. Die An-        Prof. Dr. Thomas Frischgesell (r),
und Forschung des Departments. Neben            forderungen aus der Industrie, aber auch      Prof. Dr. Enno Stöver (l),
einem zunehmenden Einsatz der Digitali-         die Entwicklung der Bewerberzahlen,           Leitung des Departments Maschinenbau
sierung in der Lehre zur methodischen Un-       geben uns Hinweise, dass die Zusammen-        und Produktion

4                                                                                       Maschinenbau und Produktion 2018/2019
Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Department

Einfach mal umformen
                                               den Austausch der Firmen der Metropol-        Die Weiterentwicklung des Umformtech-
                                               region Hamburg im Bereich Umformtech-         nik-Labors zu dem „Lernort Digitale Um-
                                               nik. Auf der nächsten NORTEC 2020 soll        formtechnik“ bildet den zweiten thema-
                                               dann das 2. FormUM@Nortec stattfinden,        tischen Schwerpunkt. In der Vision stellt
                                               im Frühjahr des kommenden Jahres lädt         der „Lernort Digitale Umformtechnik“
                                               das Institut für Produktionstechnik dann an   einen physischen Raum und eine virtu-
                                               die HAW Hamburg ein.                          elle Plattform dar, für die Lehrenden und
                                                                                             die Studierenden der HAW Hamburg, wie
                                               Mit dem agilen, modularen Werkzeug-           auch für Unternehmen der Metropolregi-
                                               bau hat Prof. Dr. Enno Stöver einen der       on Hamburg, zum Themenbereich Indus-
                                               Schwerpunkte im Fachgebiet der Umform-        trie 4.0 und Digitalisierung im Bereich der
                                               technik der HAW Hamburg vorgestellt. Im       Umformtechnik. Anwendungsbezogene
                                               Rahmen einer Bachelorarbeit wurde ein er-     Lösungen werden hier ausprobiert und ste-
Prof. Dr. Enno Stöver auf dem                  ster Ansatz für die Nutzung agiler Metho-     hen zum gemeinsamen kompetenzorien-
FormUm@Nortec (Benjamin Remmers,               den im Bereich der Entwicklung von Um-        tierten, forschungsbasierten und digital un-
CC-BY-ND 3.0)                                  formwerkzeugen aufgezeigt. Hierbei steht      terstütztem Lernen bereit. Neue Lösungen
                                               im Mittelpunkt, die Optimierungsschlei-       werden gemeinsam im Zusammenspiel
Zum ersten Mal fand im Januar 2018 im          fen in der Werkzeugentwicklung zu sy-         Praxis und Lehre entwickelt. Dabei geht es
Rahmen der Produktionstechnik-Messe            stematisieren und schneller als bisher mit    darum, Digitalisierungs- und Vernetzungs-
NORTEC eine Fachtagung zur Umform-             einem Produkt auf den Markt zu kommen,        lösungen im Umformtechnik-Labor umzu-
technik unter dem Titel FormUm@Nortec          und damit auch Feedback aus dem Seri-         setzen und im täglichen Betrieb des Labors
statt. Über 70 Teilnehmer informierten sich    enprozess und von den Nutzern / Kunden        selbst durch Studierende und Lehrende an-
über neueste Entwicklungen im Bereich          zu erhalten. Dieser Ansatz wird zurzeit       zuwenden. Ein erstes Beispiel ist die Dar-
der Servoantriebstechnik von Umformma-         im Rahmen studentischer Projekte weiter-      stellung des Geschäftsprozesses „Ferti-
schinen, vorgestellt durch Klaus Berglar-      entwickelt und mit Industriepartnern dis-     gungstechnik-Labor“, dessen Umsetzung
Bartsch (Schuler Pressen GmbH), und die        kutiert und ausprobiert, um die Praxist-      in einer PLM-Software und damit ver-
Entwicklung einer mobilen Werkzeugma-          auglichkeit nachzuweisen. An der HAW          bunden die Digitalisierung des Freigabe-
schine mit Blick auf Instandsetzungpro-        Hamburg nutzen Studierende im Rahmen          prozesses der Laborprotokolle. Außerdem
zesse im Werkzeugbau, vorgestellt durch        sogenannter Sprints diesen Ansatz zur Ent-    wird untersucht, inwieweit Smart Glasses
Dr. Dominik Brouwer (Picum MT GmbH).           wicklung eines Stanzwerkzeuges. Dieses        die Lehre durch Bereitstellung von An-
Ein weiterer Schwerpunkt galt der The-         soll am Ende den ersten Prozessschritt zur    leitungen unterstützen können. Weiterhin
matik Industrie 4.0 in der Umformtech-         Herstellung eines von Studierenden des        werden Informationen zu Werkzeugma-
nik. Florian Haug (TruConnect Consul-          2. Semesters ausgewählten Referenzbau-        schinen und Werkzeugen per QR-Code zur
ting, Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH)           teils „Handyhalter“ (Fixierung des Smart-     Verfügung gestellt. Im Rahmen einer Ba-
präsentierte Umsetzungbeispiele in der         phones während des Ladevorgangs) dar-         chelorarbeit wird nun das Lehr-Lern-Kon-
Vernetzung der Produktion blechverarbei-       stellen (siehe Abbildung). Die zusammen       zept für den Lernort Digitale Umform-
tender Betriebe. Prof. Dr. Thomas Frisch-      mit den Studierenden gemachten Erfah-         technik zusammen mit der Arbeitsstelle
gesell stellte das interdisziplinäre Projekt   rungen fließen ebenfalls in die Weiterent-    Studium und Didaktik der HAW Hamburg
„Smart Production @ HAW Hamburg“               wicklung des Konzepts „Modularer Werk-        entwickelt. Pilot ist das Modul Umform-
vor, in dem die Themen der Digitalisierung     zeugbau“ ein.                                 technik im Studiengang Produktionstech-
in den Laboren der HAW Hamburg erleb-                                                        nik und -management.
bar gemacht werden. Dr. Roald Lingbeek
(Autoliv B. V. & Co. KG) gab einen Im-                                                       Kontakt:
puls zur Notwendigkeit des systemganz-                                                       HAW Hamburg –
heitlichen Ansatzes in der Entwicklung                                                       Institut für Produktionstechnik,
komplexer Umformprozesse unter Berück-                                                       Berliner Tor 21, 20099 Hamburg
sichtigung der geforderten Bauteileigen-
schaften. Prof. Dr. Enno Stöver führte in                                                    Prof. Dr. Enno Stöver
ein Konzept zur Nutzung des aus der Soft-                                                    Tel.: 040 42875 8621,
ware-Entwicklung bekannten agilen Pro-                                                       enno.stoever@haw-hamburg.de
jektmanagements in der modularen Werk-
zeugentwicklung für Umformprozesse vor.                                                      Benjamin Remmers
Diese erste Fachtagung war ein großer Er-      Handyhalter für den Aufladevorgang            Tel.: 030 42875 8628,
folg und unterstützte die Vernetzung und                                                     benjamin.remmers@haw-hamburg.de

Maschinenbau und Produktion 2018/2019                                                                                                 5
Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Department

Prof. Dr.-Ing. Eckart Kottkamp -
erfolgreicher Einsatz für die
Ingenieurausbildung

Im Jahr 1974 wurde Prof. Dr.-Ing. Eckart      Die Ingenieurausbildung steht vor groß-        Der VDMA gab deshalb im Jahr 2017 zu-
Kottkamp Mitglied der Projektleitung des      en Herausforderungen. Stichworte sind In-      sammen mit der IMPULS-Stiftung die
europäischen Raumfahrtprojektes Space-        dustrie 4.0, Digitalisierung und eine wei-     Studie „Ingenieure für Industrie 4.0“ in
lab, bei VFW-Fokker ERNO in Bremen.           tergehende Akademisierung des Studiums,        Auftrag. Eckart Kottkamp ist als VDMA-
Dies war das erste europäische Projekt für    wie die Stärkung der praxisnahen For-          Sprecher für Ingenieurausbildung maßgeb-
die bemannte Raumfahrt, ein Beitrag der       schung und die Möglichkeit von Promo-          lich daran beteiligt. Im Gespräch erläuterte
europäischen Raumfahrtbehörde ESA zum         tionen an Fachhochschulen, wie der HAW         er u.a. wichtige Anregungen aus der ersten
NASA Shuttle-Programm.                        Hamburg.                                       Interviewphase dieser noch laufenden Stu-
                                                                                             die.
Für Eckart Kottkamp war das eine beson-       Hier gibt es bereits gute Ansatzpunkte, in
ders nachhaltige berufliche Erfahrung mit     Hamburg zum Beispiel die Einrichtung des       Da wahrscheinlich nicht alle Leser mit den
mannigfaltigen Herausforderungen, wie         Kompetenzzentrums CC4E, die Koopera-           neuen Begriffen vertraut sind, wurde auf
der Beschäftigung mit dem Konfigurati-        tionen mit Fraunhofer Aninstituten und die     der nächsten Seite eine Begriffserklärung
onsmanagement der parallelen Entwick-         Aktivitäten der Initiative Maschinenhaus       angefügt.
lungs-, Versuchs- und Fertigungsarbeiten,     des VDMA, deren erster Preis in diesem
dem System-Engineering beim Einsatz           Jahr an die HAW Hamburg ging.                  Die Studie lieferte zu Beginn die Erkennt-
neuester Technologien und bei der inter-                                                     nis, dass es aktuell keine „Lehrbuchdefi-
nationalen Zusammenarbeit. Viele dieser       Dabei darf auch die Lehre nicht aus dem        nition“ von Industrie 4.0 gibt. Grob kann
Vorgehensweisen, mit denen er bereits vor     Blickfeld geraten. Hier ist es wichtig, Qua-   man die wichtigsten Elemente von Digi-
über 40 Jahren konfrontiert wurde, sind       litätsstandards festzulegen und deren Ein-     talisierung / Industrie 4.0 wie folgt umrei-
auch heute noch bei der Einführung von        haltung zu überprüfen. Ein Weg dazu            ßen:
Industrie 4.0 relevant.                       ist der Ausbau des Qualitätssystems der
                                              Hochschulen, an der HAW Hamburg bei-           zz Smart Factory („intelligente Fabrik“):
Hier, im Hauptartikel, wollen wir jedoch      spielsweise der Übergang von der Pro-             dezentrale und hochautomatisierte Pro-
nach vorne schauen, auf die Zukunft der       gramm- zur Systemakkreditierung.                  duktion, Werkstücke mit Sensorik,
Ingenieurausbildung und speziell die des
Department M+P. Einen Blick zurück, zu        Ein weiteres Ziel neben der Qualität der       zz Smart Products: Ausstattung des Pro-
den Verdiensten von Prof. Dr. Eckart Kott-    Lehre ist es, die Abbruchquoten in den In-        dukts mit IKT-Komponenten, das Pro-
kamp, finden Sie in der nebenstehenden        genieurdisziplinen zu senken. Dies gilt           dukt denkt mit,
Vita.                                         umso mehr, da davon auszugehen ist, dass
                                              in Zukunft die Zahl der Studieninteressen-     zz Smart Operations: flexible Produkti-
Grundlage für diesen Artikel bildet ein Ge-   ten sinken wird. Um einem Ingenieurman-           onsplanung und -steuerung in der Smart
spräch, das wir mit Herrn Kottkamp im Juli    gel vorzubeugen, muss das Studium attrak-         Factory durch selbst steuernde Werk-
2018 geführt haben. Die hier vorgestellten    tiver werden.                                     stücke,
Ideen stammen aus diesem Gespräch und
wurden zum Teil erweitert durch erste An-     Dies und das Thema Industrie 4.0 (I4.0)        zz Data-driven Services: die Vernetzung
regungen der aktuell noch laufenden IM-       wird eine Neustrukturierung der Curricula         von Produkt, Hersteller und Kunde
PULS-Studie „Ingenieure für Industrie         der Ingenieurstudiengänge erfordern.              eröffnet neue Märkte für Dienstlei-
4.0“, an der Herr Kottkamp als Sprecher                                                         stungen.
des Arbeitskreises „Ingenieurausbildung“
maßgeblich beteiligt ist.

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Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Department

 Prof. Dr.-Ing. Eckart Kottkamp hat in
 seinem Leben so viel geleistet und er-
 reicht, dass eine ausführliche Würdi-
 gung seiner Verdienste dieses Format
 sprengen würde. Deshalb seien hier nur
 die wichtigsten Stationen seines Lebens
 erwähnt.
                                            Gründungsmitglieder des Freundeskreises 1987, Eckart Kottkamp, 1. von links.
 Geboren wurde Eckart Kottkamp im
 Jahr 1939. Nach einem Studium der Re-
 gelungs- und Nachrichtentechnik an         anstaltungen wurden im Werk Norderstedt       Seine Hochschulaktivitäten beschränk-
 der RWTH Aachen von 1961-66, mit           der Jungheinrich AG durchgeführt. Sie         ten sich jedoch nicht auf die HAW. Er
 dem Abschluss Dipl.-Ing., arbeitete er     verbanden Vorlesungen und Übungen mit         war Gründungsmitglied der „Hambur-
 als Versuchsingenieur bei der Boden-       dem direkten Einblick in aktuelle Projekte.   ger Gespräche“ der TUHH und ist Vor-
 versuchsanstalt VFW-Fokker, Bremen.        Für seine Verdienste verlieh ihm die Hoch-    sitzender des Industriebeirats des NIT
 1974 wechselte er in die Projektleitung    schule 1996 die Ehrenprofessur.               und Mitglied des Freundeskreises der
 des europäischen Raumfahrtprojektes        		                                            Helmut-Schmidt-Universität.
 Spacelab, bei VFW-Fokker ERNO in           1996 wurde Prof. Dr. Eckart Kottkamp
 Bremen. Parallel dazu promovierte er an    Vorsitzender der Geschäftsführung der         Ein weiterer Schwerpunkt ist seine Mit-
 der TH Hannover zum Dr.-Ing.               Claas KGaA. Von 2001 bis 2006 war er          arbeit beim VDMA, u.a. war er viele
                                            Alleingeschäftsführer der Hako Holding        Jahre Mitglied im engeren Vorstand. Er
 1979 wurde er Geschäftsleiter der Ge-      GmbH & Co, KG.                                ist Mitglied des F&E-Ausschusses und
 schäftsbereiche K3 bei der Robert Bosch                                                  Sprecher der VDMA-Initiative „Ingeni-
 GmbH. Ab 1983 bis 1995 war er in der       Im Jahr 2003 berief ihn die Behörde für       eurausbildung“. Im Hanseatischen Inge-
 Geschäftsführung der Firma Junghein-       Wissenschaft in den ersten Hochschulrat       nieursclub leitet er Projekte zum Thema
 rich in Hamburg, ab Herbst 1988 als        der HAW. Seit 2008 ist er dessen Vorsit-      Technik und Gesellschaft.
 deren Vorsitzender.                        zender. Er war Mitglied in der Findungs-
                                            kommission für den neuen Präsidenten und      Auch heute noch besitzt Eckart Kott-
 In dieser Zeit begann sein Engagement      Mitglied der Arbeitsgruppe, die einen Vor-    kamp aktive Aufsichtsratsmandate: bei
 an der FH Hamburg. Im Jahr 1987 war        schlag für die Neufassung der Grundord-       der Firma Basler AG Ahrensburg, als
 er beteiligt an der Gründung des Freun-    nung erarbeitete. Er engagierte sich bei      stellvertretender Vorsitzender, und bei
 deskreises Maschinenbau Berliner Tor       der Entwicklung des Verständnisses und        Kromi Logistik AG Hamburg.
 e.V. (nach Integration von Produkti-       Selbstverständnisses zwischen den Gre-
 onstechnik und -management umbe-           mien der HAW, Hochschulrat und Hoch-
 nannt in Freundeskreis Maschinenbau        schulsenat, unter Beachtung des Prinzips
 und Produktion Berliner Tor e.V.), den     des Checks and Balances als Strukturmerk-
 er auch heute noch ideell und finanziell   mal des Konzepts der autonomen Hoch-
 unterstützt.                               schule. In diesem Zusammenhang erfolgte
                                            auch die Benennung von Paten aus dem
 Von 1988 bis 1996 war er an der Hoch-      Hochschulrat für die Fakultäten und die
 schule Lehrbeauftragter für Projektma-     Einrichtung eines Finanzausschusses, in
 nagement und Logistik. Die Lehrver-        dem auch ein Vertreter des Hochschulse-
                                            nats vertreten ist.

Maschinenbau und Produktion 2018/2019                                                                                               7
Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Department

Aus dem Umbau der Produktion nach Ein-         Begriffserklärungen
führung von Industrie 4.0 leiten sich erwei-
terte Anforderungen an die Ingenieuraus-       Hier folgt die Erklärung einiger Be-         Hochschulrat: Der Hochschulrat be-
bildung ab:                                    griffe, die im Artikel verwendet wurden.     steht aus neun Personen, von denen je-
                                               Zum Teil stammen die Definitionen aus        weils vier von der HAW Hamburg und
zz Auch in Zukunft ist ein solides Funda-      der IMPULS-Studie.                           vier von der Behörde für Wissenschaft,
   ment in einer technischen Kerndisziplin                                                  Forschung und Gleichstellung (BWFG)
   notwendig, z.B. im Maschinenbau oder        Algorithmen: eindeutige Handlungs-           bestimmt werden. Das neunte Mitglied
   in der Elektrotechnik.                      vorschriften zur Lösung von Problemen,       wählt der Hochschulrat selbst hinzu.
                                               entweder als manuell ausführbare Ope-        Der Hochschulrat nimmt zentrale Steu-
zz Wichtig wird deshalb die Vermittlung        rationen oder in einem Computerpro-          erungsaufgaben der Hochschule wahr
   methodischer Grundlagen für eine ver-       gramm implementiert.                         und ist an der Wahl des Präsidenten und
   netzte Produktion und letztlich die Ver-                                                 des Kanzlers der Hochschule beteiligt.
   netzung aller Wertschöpfungsstufen des      Big Data: große (digitale) Datenmen-
   Geschäftsprozesses. Dies verlangt ver-      gen (Massendaten), die mittels digitaler     Hochschulsenat: Die Mitglieder der
   stärkt Kompetenzen im Prozess- und          Technologien verarbeitet werden kön-         Hochschule wählen den Hochschulse-
   Systemdenken.                               nen.                                         nat. Jede Statusgruppe (Professoren,
                                                                                            Studierende, akademische Mitarbei-
zz Ein Ingenieur benötigt außerdem wei-        Data Mining („Daten schürfen“): An-          ter, technisches Personal und Verwal-
   tergehende, querliegende fachliche          wendung computergestützter, statisti-        tungspersonal) entsendet eigene Vertre-
   Qualifikationen, insbesondere in Infor-     scher Methoden, z.B. spezielle Algo-         terinnen und Vertreter in den Senat. Der
   matik, aber auch zu ethischen Fragen        rithmen, auf große Datenbestände (Big        Hochschulsenat beschließt die Grund-
   und zu sozialen Problemstellungen, die      Data), um Strukturen und Zusammen-           ordnung der HAW und wirkt bei grund-
   im industriellen Alltag mit der Einfüh-     hänge zu erkennen.                           legenden Selbstverwaltungsangelegen-
   rung der Digitalisierung auftreten wer-                                                  heiten der HAW mit.
   den.                                        Data-driven Services: Die physischen
                                               Produkte werden mit physischer IT aus-       IKT: Informations- und Kommunika-
zz Im Studium muss es deshalb depart-          gestattet, damit sie für betriebliche Pro-   tionstechnik.
   mentsübergreifende         Lehrangebote     zesse notwendige Informationen senden,
   geben, bei denen die Nutzung der IT,        empfangen oder verarbeiten können. Die       IT: Informationstechnik, d.h. Informa-
   z.B. über die Integration von Embedded      Vernetzung von Produkt, Hersteller und       tions- und Datenverarbeitung.
   Systems, KI und die Analyse von Big         Kunde erlaubt die Auswertung und Ana-
   Data, vermittelt wird.                      lyse der aufgenommenen Daten und er-         Sensorik: Verwendung von Sensoren
                                               öffnet neue Märkte für Dienstleistungen      zur Messung und Kontrolle von Verän-
Die Studie stellt Anregungen für die Neu-      (Services).                                  derungen von Systemen.
gestaltung der Curricula zur Diskussion:
                                               Digitale Assets: intelligente Werk-          Smart Factory („intelligente Fabrik“):
zz Zu Beginn ein 1-2 Semester dauerndes,       stücke, die den Fertigungsprozess steu-      dezentrale und hochautomatisierte Pro-
   allgemeines Studium für alle tech-          ern und überwachen und sich eigenstän-       duktion, Vernetzung der physischen und
   nischen Studiengänge, dann erst die         dig durch die Fertigung lenken.              virtuellen Welt, Assets mit Sensorik aus-
   Spezialisierung, z.B. in Maschinenbau,                                                   gestattet und vernetzt, für eine erhöhte
   bei einer Dauer des Bachelors von 8 Se-     Digitalisierung: Umwandlung von ana-         Transparenz und erweiterte Planungsfä-
   mestern.                                    logen in digitale Daten und Einordnung       higkeit.
                                               in Datenstrukturen bzw. Datenformate,
zz Die immer schneller stattfindenden Ver-     die dann mit digitalen Technologien be-      Smart Operations: flexible Produkti-
   änderungen erfordern ein lebenslanges       arbeitet und analysiert werden können.       onsplanung und -steuerung in der Smart
   Lernen und dazu eine allgemeine Aus-                                                     Factory durch selbst steuernde Werk-
   bildung. „Das Lernen lernen“, die An-       E-Learning: electronic learning (elek-       stücke.
   leitung zur Eigenständigkeit, z.B. mit      tronisch unterstütztes Lernen), d.h. Ver-
   E-Learning, ist wichtiger als eine zu       wendung von elektronischen und digi-         Smart Products: Ausstattung des Pro-
   starke Spezialisierung.                     talen Medien bei der Vermittlung von         dukts mit IKT-Komponenten (z.B. Sen-
                                               Lehrstoff.                                   soren, RFID). Das Produkt denkt mit
Das Gespräch mit Prof. Dr. Eckart                                                           und steht auch nach dem Verkauf mit
Kottkamp führte Prof. Dr. Ulrich Stein.                                                     dem Hersteller in Verbindung.

8                                                                                     Maschinenbau und Produktion 2018/2019
Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Department

1970 – 2020: 50 Jahre FH / HAW Hamburg
Eine kleine Geschichte der Ingenieurausbildung in Hamburg
Im April 2020 ist Geburtstag: 50 Jahre      Der Bedarf an Ingenieuren war groß, be-       dernen Strömungslehre. Aus dieser Ko-
zuvor, am 1. April 1970, wurde die Fach-    engt jedoch der Platz für eine „Ingenieur-    operation entstanden bahnbrechende Ar-
hochschule Hamburg gegründet. Die FH        schule“ in den Räumen des heutigen Mu-        beiten zum Verständnis von Strömungen
Hamburg, die seit 2001 den Namen Hoch-      seums für Kunst und Gewerbe.                  an Grenzschichten, auch heute noch die
schule für Angewandte Wissen-                                                                                      Grundlage der
schaften (HAW) trägt. Im nächsten                                                                                  Aerodynamik
Jahr wird die HAW dieses Jubilä-                                                                                   von Autos und
um gebührend feiern.                                                                                               Flugzeugen.

Und auch wir wollen uns schon                                                                                       Im Jahr 1912
vorab an die Jahre erinnern. An                                                                                     entschied sich
Denkwürdiges, an Fortschritte in                                                                                    Heinrich Bla-
Forschung und Lehre. An neue An-                                                                                    sius bewusst
sätze, die zum Teil gegen erheb-                                                                                    gegen     einen
liche Widerstände durchgesetzt                                                                                      weiteren Ver-
werden mussten. Und auch an ei-                                                                                     bleib in der
nige Kuriositäten.                  Schumacher-Bau am Berliner Tor (um 1930)              Dr. Heinrich Blasius      Hochschul-
                                                                                                                    forschung und
Ingenieurschule Hamburg                     Am 4. Mai 1910 genehmigte die Bürger-         wurde aus Überzeugung Lehrer an den
                                            schaft der Freien und Hansestadt Hamburg      Technischen Staatslehranstalten in Ham-
Aber lassen Sie uns noch etwas früher be-   den Entwurf von Oberbaudirektor Fritz         burg. Ein paar Jahre später holte er auch
ginnen. Im Jahr 1893, zum Zeitpunkt des     Schumacher für den Neubau des Techni-         Dr. Karl Hiemenz, einen ehemaligen Kol-
Beginns der Maschinenbau-Ingenieur-         kums auf dem Lübeckertorfeld am Berliner      legen bei Prandtl, nach Hamburg ans Ber-
Ausbildung in Hamburg. Damals startete      Tor. Im Sommer 1911 begannen die Arbei-       liner Tor.
das „Staatliche Technikum“ mit einer „Hö-   ten und am 8. April 1914 wurde der Neu-
heren Maschinenbauschule“ als Teil der      bau fertiggestellt.                           Blasius war eine herausragende Persön-
Allgemeinen Gewerbeschule. Gut zehn                                                       lichkeit, ein vielseitig interessierter Hu-
Jahre später, am 1. April 1905, wurde das   Fritz Schumacher prägte in den Jahren um      manist. Näheres zu Heinrich Blasius und
Technikum aus der Gewerbeschule ausge-      1910 maßgeblich die städtebauliche Ent-       Links zu seinen Schriften, z.B. zu sei-
gliedert.                                   wicklung der Hansestadt, besonders durch      nen „Kulturphilosophischen Vorträgen zu
                                            seine Backstein-Architektur. Bedeutende       einem STUDIUM GENERALE“ aus dem
                                            Bauten aus dieser Zeit sind, neben denen      Jahr 1959, finden Sie unter:
                                            am Berliner Tor, u.a. das Holthusenbad, die   www.stein-ulrich.de/Blasius/
                                            Davidwache und das Museum für Hambur-
                                            gische Geschichte.                            Doch so weit sind wir jetzt noch nicht. Ein
                                                                                          paar Monate nach Fertigstellung des Schu-
                                            Im Jahr 1912 erfolgte die Umbenennung         macher-Baus am Berliner Tor begann der
                                            der fünf Fachschulen des Technikums in        1. Weltkrieg. Im August 1915 wurde der
                                            „Technische Staatslehranstalten Ham-          Unterrichtsbetrieb unterbrochen und der
                                            burg“. Damit verbunden war eine Ausdeh-       Schumacher-Bau ein Reservelazarett.
                                            nung des Studiums von vier auf fünf Se-
Absolventen-Jahrgang 1910 (Foto aus dem     mester. Das technische Wissen, das ein
Nachlass von Ing. Heinrich Schlieckau)      Ingenieur parat haben musste, hatte in den
                                            vorhergegangenen Jahren enorm zuge-
Dies war der Beginn einer eigenstän-        nommen. Außerdem wurde der praktische
digen Ingenieur-Ausbildung in Hamburg.      Unterricht in den Laboratorien erweitert.
Ab 1907 erhielten alle akademisch ausge-
bildeten „Oberlehrer“ am Technikum den      Und auch die Qualität des Lehrpersonals
Titel „Professor“. Für die „Höheren Fach-   erhöhte sich: 1912 kam Dr. Heinrich Blasi-
schulen“ lautete der Bildungsauftrag im     us zum Technikum. Blasius hatte von 1902
Jahr 1910: Bildet die Mitte zwischen den    bis 1906 Physik studiert. Danach wurde er
Technischen Hochschulen und den Gewer-      in Göttingen einer der ersten Doktoranden
beschulen.                                  von Ludwig Prandtl, dem Vater der mo-         Lazarett im 1. Weltkrieg

Maschinenbau und Produktion 2018/2019                                                                                              9
Maschinenbau und Produktion - Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner ...
Department

 Nach Kriegende ging die Ausbildung am
 Berliner Tor weiter. Mit der Gründung
 der Universität im Jahr 1919 entstand in
 Hamburg eine weitere akademische Aus-
 bildungsstätte - für die eine „Ingenieur-
 schule“ natürlich kein gleichwertiger Kon-
 kurrent sein konnte.

 Im Jahr 1922 wurden die „Technischen
 Staatslehranstalten“ mit der „Höheren
 Schule für Hoch- und Tiefbau“ zu den
 „Staatlichen Technischen Schulen“ zusam-
 mengefasst. Dem Direktor wurde weiter-
 hin der Titel Professor verliehen. Bei den    „Rückansicht am Lübeckerthorfeld“ (aus der Festschrift von 1931)
 Dozenten entfiel jedoch der Professorenti-
 tel, wahrscheinlich ein Zugeständnis an die   Im Jahr 1928 erfolgte die Rückbenen-         Dennoch schaffte noch im Jahr 1943 einer
 neue Universität. Bis zum 31. März 1923       nung in „Technische Staatslehranstalten“,    der berühmtesten Absolventen der Inge-
 war der Direktor in Personalunion auch        jetzt mit den Abteilungen: „Höhere Schu-     nieurschule seinen Abschluss: Georg von
 Leiter der einzelnen Abteilungen. Nach der    le für Maschinenbau, Schiffsmaschinen-       Tiesenhausen.
 Zusammenfassung bekamen die einzelnen         bau, Elektrotechnik und Schiffbau“, „Hö-
 Bereiche (Maschinenbau, Elektrotechnik,       here Schule für Hoch- und Tiefbau“ und
 Schiffbau, Flugzeugbau) einen eigenen         „Schiffsingenieur- und Seemaschinisten-
 „Schulleiter“ (später „Abteilungsleiter“),    schule“.
 der vom Lehrkörper und einem Beirat für
 jeweils drei Jahre gewählt wurde.             Und 1931 wurden die „Vereinigten Ma-
                                               schinenbauschulen Altona“ in die Tech-
 Und es wurde von der Behörde erlaubt,         nischen Staatslehranstalten aufgenommen.
 die „Schüler“ nun „Studierende“ zu nen-
 nen. Begründung in der Festschrift aus        Ab 1935 gab es auch eine Abteilung
 dem Jahr 1955: „Ältere, etwa dreißigjäh-      „Leichtbau“ mit Flugzeugbau und Kraft-
 rige, verheiratete Kriegsteilnehmer konn-     fahrzeugbau - nicht zu verwechseln mit der
 ten schlechterdings nicht mehr als ‚Schü-     „Wagenbauschule“, die separat existierte
 ler‘ bezeichnet werden.“                      und erst 1970 Teil der Fachhochschule
                                                                      Hamburg wurde.

                                                                     1938 brachte er-
                                                                     neut eine Verän-
                                                                     derung: Die Bau-       Georg von Tiesenhausen
                                                                     schule       wurde
                                                                     ausgegliedert und      Unmittelbar nach dem Examen wurde von
                                                                     der restliche Teil     Tiesenhausen in das Raketen-Entwick-
                                                                     der Staatslehran-      lungszentrum Peenemünde abkomman-
                                                                     stalten erhielt den    diert, wo er bis Kriegsende arbeitete. Seine
                                                                     Namen „Ingenieur-      große Karriere begann jedoch erst eini-
                                                                     schule“, eine An-      ge Zeit nach dem Krieg. 1953 folgte von
                                                                     gleichung an die       Tiesenhausen einem Ruf in die USA, in
                                                                     Namensgebung im        die Raketen-Entwicklungsabteilung unter
                                                                     gesamten      Deut-    Leitung von Wernher von Braun. Im Welt-
 Neubauten 1923 / 1931                                               schen Reich.           raumprogramm der NASA war er unter
                                                                                            anderem für den Haltemechanismus der
 In den Folgejahren wurde wieder viel ge-      Am 1. September 1939 begann mit Hitlers      Mondrakete Saturn V und für das Mondau-
 baut am Berliner Tor: 1923 und 1931 ent-      Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg.     to Lunar Rover zuständig. 33 Jahre arbeite-
 standen neue Laborgebäude hinter dem          Die Ausbildung am Berliner Tor wurde         te Georg von Tiesenhausen für die NASA.
 Schumacher-Bau, die bis auf das Kessel-       nun schwieriger, da etliche Dozenten für     Über seine Ausbildung an der Ingenieur-
 haus auch heute noch erhalten sind und ge-    den Krieg eingezogen wurden.                 schule Hamburg sagte er später: „Meine
 nutzt werden.                                                                              damaligen Dozenten halte ich in hohen

10                                                                                    Maschinenbau und Produktion 2018/2019
Department

Ehren, da ich ihnen fast alles verdanke,
was ich zu tun in der Lage war.“

Die Klasse von Georg von Tiesenhausen
war jedoch die letzte am Berliner Tor. Da-
nach war Schluss: Der Schumacher-Bau
wurde am 27. Juli 1943 bei einem Luft-
angriff von Bomben getroffen und brann-
te vollständig aus. Heinrich Blasius war in
dieser Nacht als Wache eingeteilt und be-
richtete ein halbes Jahr später schriftlich
über den Brand (siehe Link am Ende die-
ses Beitrags).

                                               Prof. Dr. Heinz Enneking - Foucaultsches
                                               Pendel (1961)

                                               trieb entwickelt werden, der die Reibungs-    Lang ist es her - Prof. Walter Kaspar-Si-
                                               verluste kompensiert und die Schwin-          ckermann am Bedienpult des Reaktors
                                               gungsebene stabilisiert, um so durch eine     SUR-100
                                               lange Laufzeit die Drehung der Erde zu
                                               demonstrieren. Der Antrieb des Pendels        Außerdem wurde 1965 in Bergedorf die
                                               wurde in den Folgejahren maßgeblich von       „Ingenieurschule für Produktions- und
                                               Prof. Dr. Heinz Enneking entwickelt.          Verfahrenstechnik“ gegründet, eine Erwei-
                                                                                             terung des „Tabak Technikums“ von Kurt
Heinrich Blasius l., 1950                      In den 1960er Jahren wurde der Platz im       A. Körber auf dem Gelände der Hauni Ma-
                                               Hauptgebäude langsam knapp. Es gab erste      schinenbau AG, heute Teil der HAW-Fa-
Doch gleich nach Kriegsende begann der         Überlegungen zu einem Erweiterungsbau         kultät Life Sciences.
Wiederaufbau. Heinrich Blasius, seit 1945      der Ingenieurschule. 1962 legte der Archi-
Abteilungsleiter der Ingenieurschule, war      tekt W. Kallmorgen ein Baugutachten vor,      Mitte der 1960er Jahre waren die Kriegs-
maßgeblich am Neubeginn beteiligt. Be-         das detailliert auf die Bedürfnisse der In-   schäden an den Gebäuden am Berliner Tor
reits im Wintersemester 1945/46 konnte         genieurschule einging. Am 16./17. Febru-      mehr oder minder beseitigt. Aber eine an-
der Unterricht in provisorischen Gebäu-        ar 1962 kam es jedoch in Hamburg zur          dere Kriegslast gab es noch: Ein Kollege
den auf dem Lübeckertorfeld wieder auf-        Sturmflut. Städtische Gelder benötigte man    verklagte den Direktor der Ingenieurschu-
genommen werden.                               jetzt dringend anderweitig und der Neubau     le, Dr. Werner Krone, wegen rechtsextre-
                                               der Ingenieurschule wurde gestoppt.           mer Äußerungen. Dieser trat daraufhin
In den folgenden Jahren normalisierte sich                                                   zurück. Neuer Direktor wurde 1967 Dipl.-
der Unterrichtsbetrieb. 1949 gab es das        „Ing. (grad.)“ (graduierter Ingenieur) - im   Ing. Karl Röthlein.
erste Kolloquium des Physiklabors, im          Jahr 1965 wurde dieser neue Abschluss für
Jahr 2001 geändert in „Kolloquium am           Absolventen der Ingenieurschule Hamburg       Fachhochschule (FH)
Berliner Tor“. 1951 wurde das Studium auf      eingeführt, basierend auf einem KMK-Be-
sechs Semester verlängert.                     schluss von 1964.                             Am 1. April 1970 wurde die „Fachhoch-
                                                                                             schule Hamburg“ gegründet. Die ehema-
Und im Jahr 1955 konnte die Ingenieur-         Und im selben Jahr hielt der „Fortschritt“    lige Ingenieurschule am Berliner Tor ging
schule stolz ein Jubiläum feiern: „50 Jahre    gleich zweimal Einzug am Berliner Tor:        in der FH auf, mit den technischen Fach-
Ingenieurschule Hamburg“. Zu diesem Er-        Für Leichtbau-Berechnungen wurde ein          bereichen Maschinenbau und Chemiein-
eignis erschien eine Festschrift, die im In-   Elektronenrechner „Zuse Z 23“ ange-           genieurtechnik (später umbenannt in Che-
ternet zu finden ist, s.u.                     schafft und für die Ausbildung in Kern-       mieingenieurwesen), Elektrotechnik und
                                               technik ein Siemens-Unterrichtsreaktor        Schiffsbetriebstechnik. Dazu kam als wei-
In der letzten Phase des Wiederaufbaus des     vom Typ „SUR-100“, den bis zu seinem          terer Fachbereich die Fahrzeugtechnik, als
Hauptgebäudes am Berliner Tor wurde im         Abriss im Jahr 1999 Prof. Walter Kaspar-      Zusammenfassung der „Wagenbauschu-
dritten Stock ein Foucaultsches Pendel in-     Sickermann betreute.                          le von 1896“ mit der Abteilung Flugzeug-
stalliert. Nach dem Vorbild des Pendels in                                                   und Kraftfahrzeugbau der Ingenieurschule.
der UNO in New York sollte ein Pendelan-

Maschinenbau und Produktion 2018/2019                                                                                               11
Department

                                                                   als Teil des Instituts
                                                                   für Werkstoffkunde
                                                                   und Schweißtechnik
                                                                   (IWS) im Department
                                                                   M+P.

                                                                   Auf Röthlein folgten
                                                                   als Sprecher 1972
                                                                   Dipl.-Ing. Manfred
                                                                   Skowronek und 1973
                                                                   Dipl.-Ing.    Walter
                                                                   Kaspar-Sickermann.

                                                                   1973 entstand eine
                                                                   weitere   technische
                                                                   Hochschule in Ham-
                                                                   burg: die „Universi-
                                                                   tät der Bundeswehr
                                                                   Hamburg“, 2003 um-
                                                                   benannt in „Helmut-
                                                                   Schmidt-Universität“      Dr. Rolf Dalheimer und Erhard Wiebe
                                                                   (HSU).                    (Festschrift 1980)

                                                                    Sieben Jahre nach        Beides Ingenieure, die aber auch immer
                                                                    dem Rücktritt des Di-    ein offenes Ohr für die Probleme der rest-
                                                                    rektors der Ingenieur-   lichen, nicht-technischen Fachbereiche
Weitere Fachbereiche der FH waren über        schule erwischte es 1973 auch den ersten       hatten. Erhard Wiebe, ein begeisterter Ver-
ganz Hamburg verstreut, z.B. die FB Ar-       Präsidenten der FH, Dr. H. Dietrich Haak:      fechter eines Studium-Generale: die Erzie-
chitektur, Bauingenieurwesen und Ver-         Zum Verhängnis wurde ihm die gefälsch-         hung zum allgemein gebildeten Menschen,
messung in der City Nord, die FB Bio-         te Abrechnung einer großen Modenschau-         die er aus eigener Erfahrung während sei-
Ingenieurwesen, Produktionstechnik und        Veranstaltung. Nach einer gerichtlichen        nes Studiums in Berlin erleben durfte. Und
Verfahrenstechnik und der FB Ernährung        Verurteilung, die zur Bewährung ausge-         der Präsident, der gerne auch Ideen des
und Hauswirtschaft in Bergedorf, der FB       setzt wurde, trat Dr. Haak als Präsident der   Sprechers des FB MCh aufgriff. Später,
Seefahrt in Altona, der FB Sozialpädago-      FH zurück und schied freiwillig aus dem        bei nachfolgenden Präsidenten, war das
gik in Barmbek, der FB Bibliothekswesen       Staatsdienst aus.                              Verhältnis zwischen dem größten Fachbe-
am Grindelhof und der FB Gestaltung in                                                       reich der FH und dem Präsidium nie mehr
der Armgartstraße.                            Die Startphase der FH war also recht auf-      so eng, was nicht selten zu Reibungsver-
                                              regend und turbulent. Wie würde es wei-        lusten führte.
Durch den Übergang zur FH änderte sich        tergehen?
organisatorisch einiges: An Stelle der Di-                                                   In den folgenden Jahren kam es zu einer
rektorial-Verwaltung der Ingenieurschu-       1974 wurde Dipl.-Ing. Erhard Wiebe zum         Reihe von wichtigen Veränderungen.
le trat jetzt die Akademische Selbstver-      ersten Mal zum Sprecher des FB MCh ge-
waltung. Erster Präsident der FH wurde        wählt. Und ein Jahr später bekam die FH        1974 wurden die Zugangsvoraussetzungen
Dr. H. Dietrich Haak. Die Leiter der Fach-    Hamburg einen neuen Präsidenten: Dr.           für ein Studium an der FH angehoben:
bereiche wurden in den ersten Jahren der      Rolf Dalheimer. Dieser war bereits seit        Notwendig war jetzt Abitur, FH-Reife
FH als Sprecher bezeichnet, die für jeweils   1974 als Vize-Präsident im Amt, nachdem        oder eine gleichwertige Vorbildung. Vor-
zwei Jahre vom Fachbereichsrat gewählt        Dr. Haak zurückgetreten war.                   her konnte man auch mit Mittlerer Reife,
wurden.                                                                                      Lehre und Berufserfahrung an der FH an-
                                              Dalheimer und Wiebe, ein kongeniales           fangen. Dieser Anstieg des Niveaus zeigte
Erster Sprecher des FB Maschinenbau und       Team, das in den Folgejahren viel an der       sich auch in der Prüfungsordnung 1974
Chemieingenieurtechnik (MCh) wurde der        FH umsetzte. Sie genossen beide ein sehr       von MCh, die den Übergang von der Inge-
ehemalige Direktor der Ingenieurschu-         großes Ansehen und wurden über 20 Jahre        nieurschul-Ausbildung zum akademischen
le, Dipl.-Ing Karl Röthlein. Während sei-     lang immer wieder in ihren Ämtern bestä-       Studium einläutete.
ner Amtszeit kam 1971 das Staatliche Ma-      tigt.
terialprüfamt und die Schweißtechnische                                                      1974 kam es auch zur Gründung des „In-
Lehr- und Versuchsanstalt zum FB, heute                                                      tegrierten Studiengangs Wirtschaftsingeni-

12                                                                                     Maschinenbau und Produktion 2018/2019
Department

eur“ (heute HWI) zwischen der Universi-       Stattdessen kam es im Jahr 1978 zur Grün-    in Ermangelung einer anderen, passenden
tät und der FH Hamburg und später auch        dung der „Technischen Universität Ham-       Besoldungsgruppe als „Baurat“ bzw.
der TU-HH.                                    burg-Harburg“, zuerst einmal nicht als       „Oberbaurat“ geführt. Im Gegenzug war
                                              grundständige Hochschule gedacht, son-       für eine Berufung zum Professor nun ein
Eine weitere Steigerung der Qualität der      dern eingerichtet zum Zweck der For-         abgeschlossenes Studium und eine minde-
Ausbildung erfolgte 1977 mit der Einfüh-      schung und zur zusätzlichen Qualifikation    stens 5-jährige Berufspraxis die Vorausset-
rung des Praktischen Studiensemesters,        von Studenten in einem höheren Seme-         zung.
durchgesetzt gegen zuerst sehr starke Wi-     ster. Nach einigen Querelen wurden an der
derstände von allen Seiten. Erhard Wiebe,     TU-HH ab 1982 aber auch Erstsemester         Zwei Jahre später kam eine weitere Anpas-
im Vorfeld von den Studenten als „Büt-        zugelassen und ein vollständiger Lehrbe-     sung: 1982 wurden die Professoren der FH
tel des Kapitalismus“ beschimpft, erinnert    trieb installiert.                           durch einen Beirat beurteilt. Sie konnten
sich:                                                                                      dann bei ausreichender Qualifikation - be-
„Das in den Unternehmen bestehende, ne-       Auch an der FH gab es 1979 ein neues Stu-    wertet nach einem Punktesystem, das z.B.
gativ besetzte Studentenbild jener Tage       dienangebot: das 10-semestrige Abendstu-     Promotion, wissenschaftliche Veröffentli-
veränderte sich mit der Einführung des        dium in den FB Maschinenbau und Elek-        chungen, etc. berücksichtigte - von der Be-
Praktischen Studiensemesters zum Posi-        trotechnik. Bis 1999 wurden Praktikern       soldungsgruppe C2 nach C3 hochgestuft
tiven, schließlich handelte es sich bei den   aus der Industrie damit die Möglichkeit      werden.
Studenten nicht um Störenfriede, die vor      geboten, neben der Berufstätigkeit einen
dem Werkstor Flugblätter verteilen und da-    Hochschulabschluss zu erlangen. Die Idee     1980 gab es wieder ein Jubiläum: 75 Jahre
hinter die Belegschaft aufwiegeln. Und die    zu solch einer Veranstaltung war nicht       Ingenieurausbildung in Hamburg wur-
ablehnende Haltung der Studenten kehrte       ganz neu. Bereits ab dem Jahr 1910 gab       den gefeiert. Auch diesmal erschien, wie
sich in ihr Gegenteil um, sie erkannten die   es am Technikum das „Technische Abend-       bei der 50-Jahr-Feier, eine Festschrift, die
Chance, ihr künftiges Berufsfeld kennen zu    vorlesungswesen“ als „Fortbildungswesen      maßgeblich von Erhard Wiebe gestaltet
lernen und nutzten sie.“                      für bereits in der Praxis stehende Techni-   wurde.
                                              ker“. Ab 1979 schloss das Abendstudiums
Es waren Zeiten des Umbruchs und der          jedoch mit der Verleihung des „Dipl.-Ing.“   Mit der Prüfungsordnung 1985 wurde das
Veränderungen. Nichts wurde jedoch aus        ab.                                          FH-Studium bei MCh noch anspruchs-
einer Idee der Hamburger SPD, dort eine                                                    voller. Es umfasste nun 8 Semester, in die
Zeit lang vorangetrieben vom Wissen-                                                       ein Programmierpraktikum am Computer
schaftssenator Prof. Dr. Hansjörg Sinn: Die                                                integriert war.
Pläne für eine Gesamthochschule Ham-
burg, aus Fachhochschule und Universität,                                                  Im selben Jahr wurde MCh international:
sie wurden im Jahr 1978 aufgegeben.                                                        Ein gemeinsamer Studiengang mit der
                                                                                           USST Shanghai entstand, das Joint Col-
                                                                                           lege, das seither Ingenieure für China aus-
                                                                                           bildet.

                                              Lerngruppe im Abendstudium mit den
                                              späteren Freundeskreis-Vorstandsmit-
                                              gliedern Thorsten Quast (m) und Franz
                                              Niedermeier (r)

                                              Denn das Jahr 1979 brachte eine weitere      Prof. Dr. Michael S. Wald (l) mit Wissen-
                                              Akademisierung der FH: Als Studienab-        schaftlern aus Shanghai
                                              schluss wurde der Diplom-Titel (Dipl.-
                                              Ing.) eingeführt, nach einem inzwischen      Doch auch zuhause, im Großraum Ham-
                                              6-semestrigen Studium.                       burg, wurde der FB MCh aktiv: Am 3. Juni
                                                                                           1987 gründete sich der Freundeskreis Ma-
                                              Und die Anforderungen an das Lehrper-        schinenbau Berliner Tor e.V., als Schnitt-
Senator Prof. Dr. Hansjörg Sinn (aus der      sonal wuchsen ebenfalls. 1980 bekamen        stelle zwischen Industrie und Hochschu-
Festschrift zu 75 Jahren Ingenieurausbil-     die Dozenten der FH den Titel „Profes-       le. Dies war zudem die Geburtsstunde der
dung in Hamburg)                              sor“ (C2). In den Jahren vorher wurden sie   Zeitschrift des Freundeskreises, die Prof.

Maschinenbau und Produktion 2018/2019                                                                                              13
Department

Erhard Wiebe bis 1998 redaktionell gestal-      Es war eine schwierige Zeit für M+P. Die       noch am Berliner Tor „die FH“ beheimatet
tete und prägte.                                Zahl der Studenten war stark rückläufig.       ist. „HAW“, das waren doch die „Hambur-
                                                Kaum jemand wollte noch Maschinen-             ger Aluminium Werke“.
Die nächste Prüfungsordnung bei MCh             bau studieren. Maschinenbau, das verban-
gab es 1993. Schwerpunkte waren die Ein-        den die jungen Leute mit Öl, Schmutz und       Hochschule für Angewandte
führung von CAD in der Konstruktion an          Lärm.                                          Wissenschaften (HAW)
Stelle der Zeichenbretter und eine mehr-
semestrige Informatik-Ausbildung für alle       Dankert und seine Kollegen bei M+P in-         Ein neuer Name und auch ein neues Ver-
Studenten.                                      tensivierten die Öffentlichkeitsarbeit. Man    waltungszentrum - 1970 verteilte man die
                                                ging auf Messen und schaltete Werbung in       FH auf sieben Standorte plus der Verwal-
                       1996 ging eine           der U-Bahn, um das Bild des Ingenieurs         tung, die am Winterhuder Weg residierte.
                       Ära zu Ende:             in der Öffentlichkeit zu verbessern. Dabei
                       Prof.     Erhard         half auch der neu eingerichtete Auftritt von   Das Berliner Tor sollte jetzt zum Zentrum
                       Wiebe trat in            M+P im Internet. An der Fachhochschule         werden. Im Jahr 2000 wurde für den Bau
                       den Ruhestand.           Hamburg waren dies übrigens die ersten         des neuen Verwaltungsgebäudes das alte
                       Sein Nachfolger          Internet-Seiten überhaupt.                     Kesselhaus der Maschinenbauer abgeris-
                       bei M+P, Prof.                                                          sen.
                       Dr. Peter Arndt,         Zur Öffentlichkeitsarbeit gehörte auch die
                       bekam       auch         Mitarbeit im Freundeskreis, der sich nach      Nach einigen Problemen wurde 2002 der
Prof. Erhard Wiebe     gleich eine neue         der Umwandlung in M+P jetzt Freundes-          Neubau am Berliner Tor 5, das „Blaue
                       Bezeichnung:             kreis Maschinenbau und Produktion Berli-       Haus“, eingeweiht. Die Präsidialverwal-
nicht mehr Sprecher, sondern Dekan des          ner Tor e.V. nannte. Jürgen Dankert über-      tung (aus dem Winterhuder Weg) und die
Fachbereichs.                                   nahm bei seinem Amtsantritt von Erhard         Fachbereiche Wirtschaft (aus Altona) und
                                                Wiebe die Redaktion der Freundeskreiszei-      Bibliothek und Information (vom Grindel-
Seit 1970 bestand der FB MCh aus den            tung. Und wie sein Vorgänger bemühte er        hof) fanden am Berliner Tor eine neue Hei-
beiden Studiengängen Maschinenbau und                                                          mat, zusammen mit den bereits seit langem
Chemieingenieurwesen. Ab dem Jahr 1995                                                         dort angesiedelten technischen Fachbe-
kam es zu einer größeren Umgestaltung an                                                       reichen.
der FH: Der Bereich Produktionstechnik,
der bisher in Bergedorf angesiedelt war,
wurde 1996 ans Berliner Tor verlegt. Die
Chemiker zogen vom Berliner Tor nach
Bergedorf. Der Fachbereich MCh wurde
dadurch zum Fachbereich Maschinenbau
und Produktion (M+P). Der Studiengang
Chemieingenieurwesen nahm im Winter-
semester 1997/1998 die letzten Studenten
auf. Danach wurde dieser Studiengang ge-
schlossen.                                      Prof. Dr. Jürgen Dankert, 2005 bei der
                                                Feier zu 100 Jahre Ingenieurausbildung         Im Juni 2001 stürzte die Decke über dem
In die Amtszeit von Prof. Arndt fiel die        in Hamburg                                     Eingangsbereich des Neubaus ein. Frau
M+P-Prüfungsordnung 1997, die nicht                                                            Prof. Dr. Helga Dankert von M+P nutzte
alle Kollegen zufrieden stellte. Einer der      sich um einen guten Kontakt zur Industrie.     die Situation für eine „Exkursion“ mit
schärfsten Kritiker war Prof. Dr. habil. Jür-   Im Jahr 2000, ging Wiebes Partner, Präsi-      Studenten zum Thema „Zug- und Druck-
gen Dankert. Dankert sammelte Mitstreiter       dent Prof. Dr. Rolf Dalheimer in den Ruhe-     bereiche in Kragplatten und gestützten
für eine Veränderung und wurde im Jahr          stand. Sein Nachfolger wurde der Histori-      Platten“.
1998 als Nachfolger von Arndt zum Dekan         ker Dr. Hans-Gerhard Husung.
von M+P gewählt.                                                                               Die Zusammenarbeit mit dem neuen Prä-
                                                Und auch die Zeit der „Fachhochschule“         sidenten der HAW, Dr. Hans-Gerhard Hu-
Und im Jahr 2001 gab es bereits die näch-       ging zu Ende. 2001 nannte sich die FH um       sung, erwies sich als schwierig. Nach
ste Prüfungsordnung, mit einer stärkeren        in HAW Hamburg: Hochschule für Ange-           monatelangem internen Streit über den
Berücksichtigung der „mathematischen“           wandte Wissenschaften. Für manche klingt       künftigen Kurs der Hochschule eskalierte
Fächer und mit dem neuen Studiengang            der neue Name gewichtiger, besonders die       im Jahr 2004 die Situation. Der Hoch-
„MaschinenbauInformatik“.                       englische Version „University of Applied       schulsenat der HAW lehnte ein Reform-
                                                Sciences“ - wenngleich in weiten Teilen        konzept Husungs ab. Der Präsident hatte
                                                der Hamburger Öffentlichkeit auch heute        vorgeschlagen, in den Bereichen Technik,

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Department

Naturwissenschaften und Bauen Einspa-          100 Jahre Ingenieurausbildung in Ham-
rungen vorzunehmen und hier 20 Profes-         burg - im Jahr 2005 war dieses Jubiläum.
sorenstellen zu streichen. Im Hochschulse-     Jürgen Dankert hatte die Feier noch wäh-
nat kam es auf Antrag von Jürgen Dankert       rend seiner Amtszeit als Dekan vorbereitet.
zu einem Abwahlantrag gegen Husung, der        Er hatte Kontakt aufgenommen zum VDI,
im Großen Senat jedoch knapp scheiterte.       zum VDMA, zur Handelskammer, zur Be-
Das Verhältnis zwischen Präsidium und          hörde für Wissenschaft und Gesundheit
der Selbstverwaltung der HAW war zerrüt-       und zu den anderen Hochschulen in Ham-
tet. Husung erklärte daraufhin selbst seinen   burg mit technischen Studiengängen, wie
Rücktritt.                                     TU-HH und HSU. Und er hatte Referenten        Senatsempfang im Rathaus zu 100 Jahre
                                               aus der Industrie für Vorträge gewonnen.      Ingenieurausbildung
Nachfolger als Präsident der HAW wurde         Es sollte das „große Rad“ sein, das ge-
im Jahr 2004 der Mathematiker Prof. Dr.        dreht wird - Jürgen Dankert hatte dies sei-   Am Ende der Veranstaltung gratulierten
Michael Stawicki.                              nen Mitstreitern immer wieder eingebläut.     Staatsrat Dr. Salchow und Prof. Dr. Dan-
                                                                                             kert den Herren Dipl.-Ing. Gerhard Hell-
Und 2004 gab es auch eine Änderung in          Am 2. und 3. Juni 2005 war es dann so         mann und Dipl.-Ing. Erich Hildebrandt
der Leitung von M+P. Nach sechs Jah-           weit: Schirmherr der Veranstaltung, die       zum besonderen Anlass des 65-jährigen
ren ging die „Ära Dankert“ zu Ende. Sein       über zwei Tage lief, war Bürgermeister        Examensjubiläums.
Nachfolger als Dekan von M+P wurde             Ole von Beust. An beiden Tagen gab es ein
Prof. Dr. Bernd Sankol. Die Redaktion der      Symposium mit Vorträgen und einer Aus-        Das Jahr 2006 brachte wieder einiges an
Freundeskreiszeitung hatte Jürgen Dankert      stellung im Schumacher-Bau am Berliner        Veränderungen: Durch die Gründung der
bereits im Jahr 2003 an Prof. Dr. Ulrich       Tor. Der erste Tag hatte als Schwerpunkt      HafenCity Universität (HCU) verlor die
Stein übergeben.                               die Ausbildung der Ingenieure, am zweiten     HAW die Fachbereiche Bauingenieurwe-
                                               Tag ging es um die Anwendung des Inge-        sen und Geomatik, die der HCU zugeschla-
Bereits vorher, im Jahr 2003, wurde in         nieurwissens in der Industrie.                gen wurden.
Hamburg das Gesetz zur Umsetzung des
Bologna-Beschlusses verabschiedet, mit                                                                                 Und am Freitag,
der Einführung von Bachelor und Master                                                                                 dem 13. Oktober
und der Bildung von Fakultäten an allen                                                                                2006 verabschie-
Hamburger Hochschulen. Die Fachbe-                                                                                     dete das Depart-
reiche wurden in Departments umgewan-                                                                                  ment M+P seinen
delt als Teil der neugeschaffenen Fakul-                                                                               früheren    Dekan
täten. Dies geschah auf Empfehlung der                                                                                 Jürgen Dankert in
sogenannten       „Dohnanyi-Kommission“                                                                                den Ruhestand.
(benannt nach dem ehemaligen Hambur-
ger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi).                                                                              Nach einer län-
Initiator war der Wissenschaftssenator Jörg                                                                         geren, intensiven
Dräger, Ph.D., Sohn des Alt-Kollegen Prof.                                                                          Vo r b e r e i t u n g s -
Hansjürgen Dräger.                                                                                                  zeit konnte zum
                                                                                                                    Wi n t e r s e m e s t e r
2005 wurde das Gesetz an der HAW um-           Abendveranstaltung bei LHT                                           2006/07 bei M+P
gesetzt: Aus dem Fachbereich M+P wurde                                                                              die Umstellung der
das Department M+P in der Fakultät Tech-       Am Abend des ersten Tages waren die           Studiengänge auf die Abschlüsse Bache-
nik und Informatik (TI), mit den weiteren      Hochschulen Gast bei Lufthansa Technik,       lor und Master realisiert werden. Das Ba-
Departments Fahrzeugtechnik und Flug-          in der Flugzeughalle „Hangar 7“ unter den     chelor-Studium bei M+P betrug nun sie-
zeugbau (F+F), Informations- und Elek-         Flügeln der Jumbos.                           ben Semester und durch die Mitarbeit
trotechnik (I+E) und Informatik (I). Der                                                     einer Vielzahl an Personen gelang es, einen
ehemalige Fachbereich Elektrotechnik/In-       Den Abschluss der Feiern bildete am 3.        großen Teil der alten 8-semestrigen Dipl.-
formatik hatte sich vorher in die beiden       Juni ein Senatsempfang im Großen Fest-        Ing.-Ausbildung in den Bachelor zu retten.
Departments I+E und I aufgespalten.            saal des Hamburger Rathauses. Jürgen          Dank an dieser Stelle besonders dem Leiter
                                               Dankert zog in der abschließenden Rede        des M+P-Studienreformausschusses, Prof.
Die vormaligen Dekane der Fachbereiche         ein Fazit aus 100 Jahren Ingenieurausbil-     Dr. Randolf Isenberg.
wurden zu Departmentsleitern mit einer re-     dung, einem Jahr Vorbereitung und zwei
duzierten Verwaltung und mit weniger Ein-      Tagen mit Festveranstaltungen.
fluss - was später noch zu Problemen füh-
ren sollte.

Maschinenbau und Produktion 2018/2019                                                                                                    15
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