MIETER ECHO - ENERGIEWENDE UND ENERGETISCHE SANIERUNG WER ZAHLT? WER PROFITIERT? - BERLINER ...
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Mieterecho Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft e.v. www.bmgev.de Nr. 357 Dezember 2012 Energiewende und ENERGETISCHE SANIERUNG Wer zahlt? Wer profitiert?
■ impressum ■ Geschäftsstelle Berliner MieterGemeinschaft e.V. Herausgeber: Berliner MieterGemeinschaft e.V., Möckernstraße 92, Möckernstraße 92 (Ecke Yorckstraße), 10963 Berlin 10963 Berlin, Telefon: 030 - 216 80 01, Telefax: 030 - 216 85 15 Telefon: 030 - 216 80 01, Telefax: 030 - 216 85 15 Bankverbindung: Postbank Berlin BLZ 10010010 Konto-Nr. 830 71 109 www.bmgev.de Redaktion MieterEcho: Telefon: 030 - 21 00 25-84, E-Mail: me@bmgev.de Öffnungszeiten V. i. S. d. P.: Joachim Oellerich Mo, Di, Do 10 – 13 Uhr und 14 – 17 Uhr Mi 10 – 13 Uhr (ab 16 Uhr stehen die Räume der Kreuzberger Layout und Satz: nmp-grafik Mittwoch-Beratungsstelle zur Verfügung) Titel: Matthias Coers, Hermann Werle, Rainer Sturm/Pixelio, Vattenfall Fr 10 – 13 Uhr und 14 – 16 Uhr Belichtung und Druck: Union Druckerei Berlin Fahrverbindung: u Möckernbrücke, Mehringdamm, Yorckstraße i Yorckstraße ; M19 Redaktionsschluss: 19.10.2012 Die MieterGemeinschaft bietet ihren Mitgliedern persönliche Mietrechtsberatung © Berliner MieterGemeinschaft e.V. in den Beratungsstellen an (siehe hintere Umschlagseite). Nachdruck nur nach vorheriger Rücksprache. Der Bezugspreis ist durch den Die rollstuhlgerechten Beratungsstellen sind durch - gekennzeichnet. Mitgliedsbeitrag abgegolten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stimmen nicht notwendigerweise mit der Meinung der Redaktion überein. Für unverlangt Achtung! In unserer Geschäftsstelle und in den Vor-Ort-Büros findet eingesandte Manuskripte oder Fotos wird keine Haftung übernommen. während der Öffnungszeiten keine Rechtsberatung statt. ■ Probleme mit dem Vermieter? Bei der Berliner MieterGemeinschaft können Ratsuchende kostenlos folgende Bitte ankreuzen und mit Briefmarken im Wert von 0,95 € einfach an Informationsblätter bestellen: folgende Adresse schicken: Berliner MieterGemeinschaft e.V. B ERLINER M IETERG EMEINSCHAFT E. V. Möckernstraße 92 · 10963 Berlin · Telefon 216 80 01 jBetriebskostenabrechnung jSchönheitsreparaturen Möckernstraße 92 10963 Berlin jHeizkosten abrechnung jMängelbeseitigung jEigentümerwechsel jMieterhöhung Name jUmwandlung und jMietvertrag Vorname Wohnungsverkauf jModernisierung StraSSe jZutritt und jUntermiete Besichtigung PLZ Ort jWohnfläche jKündigung durch den Vermieter jMietsicherheit/Kaution ■ BEITRITTSERKLÄRUNG Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zur Berliner MieterGemeinschaft e.V. Der Jahresbeitrag inkl. Mietrechtsschutzversicherung beträgt 69 €. Der Kostenanteil für den Mietrechtsschutz-Gruppenversicherungsvertrag in Höhe von 26,04 € wird an die ALLRECHT Rechtsschutzversicherungen abgeführt. B ERLINER M IETERG EMEINSCHAFT E. V. Möckernstraße 92 · 10963 Berlin · Telefon 216 80 01 Name, Vorname Die Aufnahmegebühr beträgt 8 €. Sie entfällt, wenn eine Einzugsermächtigung erteilt wird. StraSSe, Nr. PLZ Berlin Ich beantrage eine Mitgliedschaft ohne Rechtsschutz zum Jahresbeitrag von 43 €, da ich bereits über eine bestehende Mietrechtsschutzversicherung verfüge. Den entsprechenden Nachweis habe ich in Kopie beigelegt. Telefon geb. am Ich beantrage eine Mitgliedschaft zum ermäßigten Jahresbeitrag von 45 €, da ich HausEigentümer/in Arbeitslosengeld II (SGB II), Sozialhilfe oder Grundsicherungsgeld (SGB XII) beziehe. Den entsprechenden Bescheid habe ich als Einkommensnachweis in Kopie beigelegt. HausVerwaltung EINZUGSERMÄCHTIGUNG Die Satzung erkenne ich hiermit an und verpflichte mich, den Jahresbeitrag bei Fälligkeit zu bezah- Ich bin damit einverstanden, dass der Beitrag bei Fälligkeit von folgendem Konto abgebucht wird: len. Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten mittels EDV gespeichert werden und zur Abwick- lung der Rechtsschutzversicherung an die ALLRECHT Rechtsschutzversicherungen übermittelt werden. Geldinstitut Berlin, den Unterschrift Konto-Nr. BLZ Bitte zahlen Sie den Jahresbeitrag zzgl. der Aufnahmegebühr von 8 € auf unser Konto: Kontoinhaber/in Postbank Berlin, BLZ 100 100 10, Konto-Nr. 830 71 109 oder erteilen Sie uns eine Einzugsermächtigung (ohne Aufnahmegebühr). Berlin, den Unterschrift
INHALT Liebe Leserinnen und LESER, TITEL 4 Energiewende treibt Wohnkosten in die Höhe dieses Jahr war kein gutes Jahr für Mieter/innen. Der Woh- Energiewende ist ökologisch zweifelhaft und sozial unverträglich nungsbestand wird immer geringer, Neubau findet nur noch Hermann Werle auf Sparflamme statt, der soziale Wohnungsbau ist faktisch 5 Energieeinsparung von 25% durch andres Nutzerverhalten Was haben Mieter/innen von energetischen Modernisierungen? abgeschafft. Eine gute Gelegenheit für die konservativ-liberale Interview mit dem Bauingenieur Martin Schultze Bundesregierung, auch das Mietrecht zugunsten der Eigen- 6 Staatliche Förderung für unsoziale Mieterhöhungen tümer, Investoren, Finanzanleger und vor allem zugunsten der Neuköllner Mieter/innen kritisieren Politik der Förderbank KfW Spekulanten, für die steigende Mieten durch die Entwicklung Jutta Blume garantiert scheinen, einschneidend zu verändern. Der Senat 8 Wer zahlt die Zeche? handelt nicht, er plant. In Arbeit ist ein Stadtentwicklungsplan „Teure erneuerbare Energie“ als Ursache steigender Strompreise? Wohnen, der irgendwann im nächsten Jahr abgeschlossen Rainer Balcerowiak werden und die Grundlage für die Beschäftigung mit der 10 Bedingt klimafreundlich Wohnungsnot bilden soll. Damit sind zwei Jahre – wie man will Fernwärme ist energieeffizient, aber nicht immer billig – gewonnen, für die Verschärfung der Wohnungsversorgung im Jutta Blume Interesse der Spekulation, oder verloren, für die Entspannung 12 Extrem hohe Heizkosten durch Contracting des Wohnungsmarkts, auf die wir Mieter/innen dringend ange- Mieter/innen der Glienicker Straße zahlen deutlich über Durchschnitt wiesen sind. Bis dahin wird weiter Sand in die Augen der Berli- Götz Autenrieth ner/innen gestreut. Ein Bündnis wurde geschlossen zwischen 13 Eine Anfrage bei Lichtblick mit Folgen dem Senat als Eigentümer und den öffentlichen Wohnungsbau- Kündigungsgrund: Erkundigung nach alternativer Beheizung unternehmen als seinem Eigentum. Eine Farce! Demnächst Peter Nowak wird Senator Müller auch mit der ihm unterstellen Verwaltung 14 „Kunststoff macht Sieger“ ein Bündnis schließen und mit seinem Dienstwagen. Chemie-Industrie präsentiert sich als problemlösender Umweltengel Das scheint alles so trostlos. Aber dennoch, es gibt Grund zum Hermann Werle Optimismus. Der Widerstand regt sich. Zuletzt gegen die 16 Dicke Pullover stricken für die Energiewende Zwangsräumung einer Familie in Kreuzberg. Wenn es denn Für wen rechnen sich energetische Modernisierungen eigentlich? nicht anders geht, dann muss es eben so gehen und vor allem Hermann Werle so weitergehen. BERLIN In diesem Sinne wünschen wir allen Leser/innen ein 17 Placebo gegen Wohnungsnot entspanntes Weihnachtsfest und ein kämpferisches neues Jahr. „Mietenbündnis“ ist bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein Rainer Balcerowiak 18 Große Pläne – nichts dahinter Ihr MieterEcho Rot-schwarzer Senat hält an fragwürdigen Großprojekten fest Benedict Ugarte Chacón Anmerkung in eigener Sache: 20 Fluglärm weg, Mieten rauf? Flughafen Tegel schließt – die Aufwertung ist absehbar Viele kennen zwar die Webseite der Berliner MieterGemein- Jörn Boewe schaft, aber vielleicht noch nicht alle. Deshalb unser Hinweis: 22 Die Lobby am Regierungstisch Unter www.bmgev.de findet sich vieles, was gebraucht wird. Politische Instinktlosigkeit der CDU durch neue Wirtschaftssenatorin Tipps zu mietrechtlichen Problemen und die eine oder andere Benedict Ugarte Chacón Information zum aktuellen Geschehen. Vor allem aber einen 23 Wohnungsnot zum Semesterbeginn Betriebskostenrechner mit Informationen, die auf ein Bera- In vielen Universitätsstädten hat sich die Lage dramatisch verschärft tungsgespräch sehr gut vorbereiten können. Bitte nutzen Sie 23 „Marktfähige Wohnkonzepte“ für Studierende? ihn und bitte geben Sie die Information weiter. Die pantera AG bietet ein „Wohnheim“ der gehobenen Preisklasse Wer an der Seite Gefallen hat, kann es uns auf unserer 24 Luxus-Loft statt Grundschule facebook-Seite mitteilen. Vielen Dank. Die Freie Schule Kreuzberg steht vor der Räumung Robert Maruschke PROJEKTE UND INITIATIVEN 25 „Hier kaufen Sie Ärger!“ HINWEIS ZUM JAHRESWECHSEL Kreuzberger Mieter/innen behaupteten sich gegen Modernisierung Vom 24. bis 31.12.2012 sind die Beratungsstellen Tobias Höpner grundsätzlich geschlossen. 26 Perspektive der Gegenwehr Mit Umfrage vernetzte eine Stadtteilinitiative in Neukölln Betroffene Für nicht aufschiebbaren Beratungsbedarf in Eilfällen sind Kiezinitiative DonauFulda die am 27. und 28.12.2012 geöffneten Beratungsstellen auf der hinteren Umschlagseite mit * gekennzeichnet. 27 RECHT UND RECHTSPRECHUNG 31 SERVICE Die Geschäftsstelle ist am 27. und 28.12.2012 wie üblich 32 RECHTSBERATUNG geöffnet und am 24. und 31.12.2012 geschlossen. ME 357 / Dezember 2012 3
TITEl Energiewende treibt stalten (Seite 15). Unter der Federführung des Wirtschaftsministeriums wurde unter der Dachmarke „Energieeffizienz – Made in Ger- Wohnkosten in die Höhe many“ eigens eine Exportinitiative eingerich- tet. Diese liefert Marktanalysen, veranstaltet „individuelle Geschäftsreisen“, die auch „po- litisch begleitet“ werden können, „um deut- „Umweltschonend und bezahlbar“ soll sie laut sche Unternehmen bei der Kontaktanbah- nung weltweit zu unterstützen“, oder bringt Angela Merkel sein – tatsächlich ist die derzeit auch „ausländische Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft in Ihr Unternehmen“, vorangetriebene Energiewende ökologisch wie dem Internetportal der Initiative zu ent- nehmen ist. zweifelhaft und sozial unverträglich Arme sollen noch mehr sparen Hermann Werle Auch die deutsche Entwicklungspolitik unter Dirk Niebel (FDP) hat sich das Thema Ener- Die Nutzung erneuerbarer Energien und Energieeinsparung sind die zentralen Elemente gieeffizienz zu eigen gemacht und wirbt für der Energiewende – das ist allgemeiner Konsens. Bei den Fragen, welches die geeig- „technische und Managementlösungen von neten Maßnahmen sind, und wie diese finanziert werden sollen, endet die Einigkeit. neuen Informations- und Kommunikations- Nach den Planungen der Bundesregierung werden neue Kohlekraftwerke ans Netz technologien bis hin zur energieeffizienten gehen und Unternehmen von weiteren Subventionen profitieren. Den Forderungen der Gebäudesanierung“ aus deutschen Landen Industrie entsprechend sollen die Kosten der Energiewende auf die Privathaushalte für den Rest der Welt. Angesichts dessen, dass abgewälzt werden. energetische Modernisierungen für viele Mie- terhaushalte in Deutschland kaum zu bezah- Neben den erneuerbaren Energien wolle die tischen Modernisierung setzt sich die Indus- len sind und dass nach Schätzungen von Ver- Bundesregierung den Gebäudebereich „als trieförderung munter fort. So wie sich der BDI braucherschutzzentralen 600.000 bis 800.000 zweite wichtige Säule der Energiewende ver- für das Mietrechtsänderungsgesetz stark Haushalte in diesem Jahr von Stromsperren ankern“, so die Bundesminister Philipp Rösler macht, agieren Lobbyverbände der Industrie betroffen sein werden, lässt sich erahnen, (FDP) und Peter Altmaier (CDU) anlässlich auf nationaler wie europäischer Ebene, um welche soziale Nachhaltigkeit deutsches Know- einer Konferenz des Bundesverbands der den politischen Rahmen für das Geschäft mit how beim Energiesparen in Schwellen- und Deutschen Industrie (BDI) im vergangenen Gebäudeeffizienz und Dämmstoffen zu ge- Entwicklungsländern entfalten wird. Hierzu- September. Die BDI-Initiative „Energieeffizi- lande werden bereits angelernte Arbeitslose ente Gebäude“ kann diese Zusicherung als als Stromspar-Helfer entsandt, um anderen Erfolg verbuchen, da ihr Ziel einzig darin be- Unterschichtlern zu zeigen, wo noch was zu steht, das Thema der energetischen Gebäude- sparen ist. Dieses Modell will Minister Altmei- sanierung „prominent in der politischen Dis- er zum Programm machen und fordert kosten- kussion zu platzieren“, wie es in einer Mittei- lose Energieberatungen für alle. lung des BDI heißt. Weit weniger prominent In Südafrika haben sich aus dem Protest ge- konnte das Forum Ökologisch-Soziale Markt- gen Privatisierungen und steigende Preise wirtschaft (FÖS) eine ganz andere Botschaft sowie Strom- und Wassersperrungen andere platzieren: „Immer wieder müssen die erneu- Modelle entwickelt. Aktive aus Basisgruppen erbaren Energien als Preistreiber herhalten, schließen die von Versorgungsunternehmen dabei sind sie schon heute günstiger als Koh- unterbrochenen Leitungen wieder an oder le und Atom.“ In der Studie „Was Strom geben in Schnellkursen praktische Anlei- wirklich kostet“ rechnet das FÖS vor, dass die tungen dazu. Soweit ist die Widerständigkeit erneuerbaren Energien nicht annähernd so in Deutschland noch nicht herangereift. viel staatliche Förderungen erhalten wie die Deshalb rät die Berliner MieterGemeinschaft konventionellen Energien (Seite 8). zur Überprüfung aller Mieterhöhungsverlan- gen und Modernisierungsankündigungen Exportmarkt Klimaschutz sowie der Betriebskostenabrechnungen. Nut- Während auf der einen Seite die Strom erzeu- zen Sie die vielfältigen Beratungsangebote genden Energiekonzerne von staatlichen För- (Seite 31) und den auf der Website der Berliner derungen profitieren, werden die Strom- MieterGemeinschaft verfügbaren Betriebsko- Großverbraucher der Industrie bei der Erneu- stenrechner sowie die Infoschriften. erbaren-Energie-Umlage finanziell begüns- Weitere Infos: tigt (Seite 9). Die Quittung bekommen Mieter/ Geht es nach der Bundesregierung, bilden die erneuer- innen mit den Strom- und Betriebskostenab- baren Energien und energetische Gebäudesanierungen www.bmgev.de/betriebskosten rechnungen serviert. Im Bereich der energe- die Schwerpunkte der Energiewende. Foto: nmp www.bmgev.de/mietrecht/infoschriften 4 ME 357 / Dezember 2012
TITEL „Durch verändertes Nutzerverhalten sind Energieeinsparungen von 25% möglich.“ Was haben Mieter/innen angesichts der hohen Mieterhöhungen von energetischen Modernisierungen? Interview mit dem Bauingenieur Martin Schultze Für Mieter/innen stellt sich die Frage, was energetische Sanierungen tatsächlich bringen, denn es folgen drastische Mieterhöhungen. Zudem ist zweifelhaft, dass die damit verbundenen Ziele der Energieeinsparung überhaupt erreicht werden. Das MieterEcho fragte Martin Schultze, der sich als Bauingenieur mit der technischen Umsetzung der energetischen Modernisierung bestehender Wohn- häuser beschäftigt hat. MieterEcho: Wie viel ist bei Miethäusern den. Problematisch ist die Entsorgung. Prinzi- Heizungsanlage. Zeitgleich sollte den Bewoh- durch eine neue Dämmung an Energieein- piell sind Wärmedämmverbundsysteme Son- ner/innen ein anderes Nutzerverhalten (Lüften sparung herauszuholen? Lohnen sich die dermüll. Der Aufwand ihrer Entsorgung hängt etc.) vermittelt werden. Eine Innendämmung Maßnahmen für Mieter/innen? von den eingesetzten Baustoffen ab. Die nor- bringt dagegen nur Probleme und ist aus male Außenwanddämmung besteht aus Kle- bauphysikalischen Gründen abzulehnen. Martin Schultze: Das Thema Wärmedäm- bestoffen, dem Dämmstoff und den äußeren mung beinhaltet verschiedene Aspekte der Schutz- und Farbschichten mit Bioziden. Der Welche Probleme können entstehen, wenn Baukonstruktion, der Bauphysik und des Nut- am meisten eingesetzte Polystyrol-Hartschaum ein Haus ordentlich eingepackt wurde? zerverhaltens, die von Objekt zu Objekt ver- (Styropor) lässt sich schwer in seine che- schieden sind. Ob die geplanten Dämmwerte mischen Bestandteile trennen. Das alles steht Die Raumluft muss öfter ausgetauscht werden, durch die Baumaßnahmen tatsächlich erreicht einer erfolgreichen Wiederverwertung entge- da sonst Schimmelbefall droht. Die Brand- und werden, steht auf einem anderen Blatt. Hohe gen. Anzumerken ist, dass nach dem Ende der Feuergefährlichkeit der Dämmung ist umstrit- Einsparpotenziale bieten industrialisierte Plat- Lebensdauer der Baustoffe in einigen Jahr- ten. Auch wenn die Fassade schwerentflamm- tenbauten der ehemaligen DDR und im Westen zehnten erhöhte Entsorgungsmengen zu er- bar ist, können kleinere Brände Giftstoffe in der Regel sehr einfach ausgeführte Häuser, warten sind. freisetzen. Bei Wärmedämmverbundsystemen bei denen Wärmedämmung keine Rolle spielte. fällt die Putztemperatur unter die Umgebungs- Auch haben allein stehende Gebäude größere Was ist von Berechnungen zu halten, die bei temperatur, Feuchtigkeit lagert sich an und es Einsparpotenziale als Geschossbauten und der Planung der energetischen Sanierung droht Algenbefall. Daher werden im Putz Bio- Reihenhäuser, da mehr Flächen an die Außen- angewendet werden? zide eingesetzt, die mit der Zeit ausgewaschen luft grenzen. Unberücksichtigt bleibt in den werden und ins Grundwasser gelangen. Bei Berechnungen das generelle Nutzerverhalten: Die aktuellen Normen versuchen, eine Bilanz nicht fachgerechter Dämmung können Wär- Menschen, die weniger Heizen und eher mal aus dem Energieverbrauch und Einflüssen aus mebrücken entstehen, die Schimmelbildung in einen Pullover anziehen, haben weniger von der Umwelt – Kälte wie auch Sonneneinstrah- den Wohnräumen fördern. Auch Balkone in all energetischen Sanierungen als diejenigen, die lung – zu erstellen. Also wird per Programm ihren unterschiedlichen Bauformen sind kon- dem statistisch ermittelten Wohnverhalten eine Liste der Bauteile und ihrer Durchgangs- struktiv sehr schwer zu behandeln. entsprechen. Letztendlich kann der Umfang werte, der verschiedenen Nutzungsflächen einer sinnvollen und für die Bewohner/innen und der Haustechnik erstellt und berechnet. Wann würden Sie von einer Fassadendäm- verträglichen Wärmedämmung nur im Einzel- Ein Test des Deutschen Ingenieurblatts vom mung abraten? fall entschieden werden. Oktober 2008 zeigte in einem Vergleichstest gebräuchlicher Programme gravierende Ab- Bei Gebäuden, die städtebaulich oder archi- Die Herstellung der Dämmung ist energie- weichungen. Auch werden Normen immer tektonisch bemerkenswert sind. Im Allgemei- intensiv. In welchem Verhältnis steht das zur weiter fortgeschrieben, was die Programm- nen auch bei komplexen Fassaden, bei denen Energieeinsparung? pflege sehr problematisch macht. durch Wärmebrücken bauphysikalische Pro- bleme entstehen können. Die am meisten eingesetzten Dämmstoffe Welche baulichen Maßnahmen lohnen sich basieren auf Erdöl. Auf dem Papier sollen sie meist und welche sind oft wenig effektiv Durch energetische Sanierungen werden sich üblichen Berechnungen zufolge in der oder einfach unverhältnismäßig teuer? Häuser technisch immer weiter aufgerüstet. angesetzten Lebensdauer von 30 Jahren Was bedeutet das für den Wartungsaufwand? amortisiert haben. Diese Berechnungen basie- Generell ist die Dämmung großer Außenflä- ren in der Regel auf projizierten Brennstoffprei- chen sinnvoll, wobei die Dachflächen kon- Mehr Technik bedeutet immer auch mehr sen und sind mit Vorsicht zu genießen. Außer- struktiv am einfachsten zu dämmen sind. Der Wartung. Diese schlägt sich nicht unbedingt in dem muss die neue Außenhaut auch mal ge- Austausch der Fenster hat oft ebenfalls großen der Energiebilanz nieder, erhöht aber die Be- strichen oder bei Vandalismus repariert wer- Wert und auch die Modernisierung einer alten triebskosten. ME 357 / Dezember 2012 5
TITEL Staatliche Förderung für Was würden Sie Mieter/innen und Vermie- tern jenseits großer Baumaßnahmen zum Zweck der Energieeinsparung raten? Miteinander Reden. Und dass Maßnahmen der Wärmedämmung sinnvoll – dem realen Nut- zerverhalten und der Bausubstanz entspre- unsoziale Mieterhöhungen chend – eingesetzt werden, damit sie nicht zu unnötigen Belastungen der Mieter/innen füh- Neuköllner Mieter/innen kritisieren die Politik der ren. Untersuchungen ergaben, dass allein durch verändertes Nutzerverhalten Energie- staatlichen Förderbank KfW einsparungen von 25% möglich sind: Neben- Jutta Blume räume und Badezimmer müssen zum Beispiel nicht unbedingt so stark beheizt werden wie Im Jahr 2011 hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 6,5 Milliarden Euro im Wohnräume. Ein kurzes Durchlüften der Woh- Bereich „Energieeffizientes Bauen und Sanieren“ finanziert. Die staatliche Förderbank nung mit weit geöffneten Fenstern ist sinn- vergibt zinsvergünstigte Darlehen sowie Tilgungszuschüsse für Hauseigentümer, die voller als lange gekippte Fenster. Letztendlich energieeffizient bauen oder energetisch modernisieren. Der Tilgungszuschuss fällt muss jeder selbst entscheiden, wie seine/ihre umso höher aus, je besser der Energiestandard ist. Viele Eigentümer von Miethäusern Toleranz gegenüber der Kälte ist. haben die Förderkredite daher in den letzten Jahren in Anspruch genommen, um einen Vielen Dank für das Gespräch. Teil der Baumaßnahmen zu finanzieren. So auch die Grundstücksgemeinschaft Weich- Das Interview führte Tobias Höpner. selplatz, die Anfang 2010 das Gebäude am Weichselplatz/ Ecke Fuldastraße in Neukölln gekauft hatte. Energieeinsparverordnung (EnEV) Die EnEV ist zentraler Baustein der Energie- und Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. Sie geht auf die EU-Richtlinie „Über die Gesamtenergie- effizienz von Gebäuden“ (Richtlinie 2002/91/ EG) zurück und fasste die vorher gültigen Hei- zungsanlagen- und Wärmeschutzverordnungen zusammen. Seit der ersten EnEV (2002) gab es drei Neufassungen, eine weitere ist für nächstes Jahr vorgesehen. Diese beruht auf einer Neufas- sung der EU-Richtlinie von 2010, die unter ande- rem vorsieht, den Energieverbrauch in der Union bis 2020 um 20% zu senken. Die EnEV definiert verbindliche Grenzwerte und Berechnungsweisen für den Primärenergiebedarf von Gebäuden. Dabei werden die Wärmedämm- fähigkeit der Gebäudehülle sowie die Energieeffi- zienz der technischen Ausstattung und dabei ins- besondere der Heizungsanlage berücksichtigt. Die Förderbank KfW verstößt gegen die eigenen Sozialleitsätze, wenn sie — wie im Eckgebäude am Weichselplatz — Daraus ergibt sich eine Gesamtbilanz des Energie- Modernisierungen fördert, die erhebliche soziale Nachteile für die betroffenen Mieter/innen zur Folge haben. verbrauchs und der CO2-Emissionen. Bereits wenige Monate nach dem Eigentü- an die Bank heranzutreten, entstand dadurch, Für bestehende Gebäude gilt, dass Energieverluste merwechsel erhielten die Mieter/innen des dass sich die Vermieter in den Verhandlungen der Gebäudehülle um 15% und der Gesamtener- Eckhauses Modernisierungsankündigungen, mit den Mieter/innen immer auf die Vorgaben gieverbrauch der Gebäude um 30% gesenkt wer- die Mieterhöhungen bis zu 89% zur Folge der finanzierenden Bank beriefen. Nur mit der den soll. Verpflichtend sind Dämmmaßnahmen, haben sollten. Die in der Initiative Fulda- vollständigen Umsetzung dieser Vorgaben wenn mehr als 10% der Fassade verändert werden, Weichsel zusammengeschlossenen Bewoh- würden sie den Kredit auch bekommen. beispielsweise bei einer Putzsanierung. Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht ner/innen des Hauses wehren sich nicht nur „Vorhaben mit voraussehbar nicht akzep- vor, dass jährlich 2% des Gebäudebestands ener- gerichtlich gegen die finanziellen Härten der tablen sozialen Nachteilen schließen wir von getisch modernisiert werden. Dies würde die Ver- energetischen Modernisierung, sondern ha- der Finanzierung aus“, heißt es dagegen in doppelung auf rund 360.000 Gebäude bedeuten. ben nun auch die staatliche Bank mit den den für alle Programmbereiche der KfW gel- Finanziell gefördert werden diese Maßnahmen mit sozialen Folgen ihrer Förderprogramme kon- tenden Umwelt- und Sozialleitsätzen. Dass die zinsgünstigen Krediten der Kreditanstalt für Wie- frontiert. „Das Vorgehen der Eigentümer ist in Modernisierung im Eckgebäude am Weichsel- deraufbau (KfW) in Höhe von derzeit 1,5 Mrd. unseren Augen nicht mit Ihren Sozial-Richtli- platz zu erheblichen sozialen Nachteilen führt, Euro pro Jahr. (hw) nien zu vereinbaren“, schrieben die Mieter/ schilderten die Mieter/innen des Hauses de- innen Anfang Juli 2012 an die KfW. Die Idee, tailliert in ihrem Brief. Dazu zählen die Mehr- 6 ME 357 / Dezember 2012
TITEL Nachbarschaftsfest vor dem Haus im Sommer 2012. Wandzeitung der FuldaWeichsel-Initiative gegen Mieterhöhung. Fotos: Matthias Coers kosten durch Modernisierungsumlage und gebaut hat. Gleichzeitig werden noch der staffelte Mieterhöhung um insgesamt 244 höhere Heizkosten, die Belastung durch die Rückbau der Gastherme und der Fernwärme- Euro und höhere Kosten für Heizung und sich über ein Jahr hinziehenden Bauarbeiten anschluss mit jährlich 11% auf die Nettokalt- Warmwasser kommen auf die Familie zu. sowie der Umgang der Eigentümer mit den miete umgelegt. „Dafür haben wir dann, was wir nicht brau- zum Teil langjährigen Mieter/innen des Hauses. Einige Mietparteien versuchen, im laufenden chen“, so Bachmaier. Dazu gehören nach Verfahren den Anschluss an die Fernwärme zu seiner Meinung weniger Licht durch die dicke verhindern. „Es wurde ein Gutachten erstellt, Dämmung, Isolierfenster anstelle der alten, Steigende Heizkosten im ob die Fernwärme wirklich effizienter ist als funktionierenden Kastendoppelfenster sowie Energie-Effizienzhaus unsere Gasetagenheizung“, erklärt Ralf Schu- der Fernwärmeanschluss anstelle der eben- Das Haus am Weichselplatz wird zum Energie- ster*. Im Gutachten wird zum einen der Pri- falls gut funktionierenden Gasetagenheizung. Effizienzhaus 85 nach dem Standard der KfW märenergiefaktor des jeweiligen Brennstoffs Auch Ralf Schuster stört sich am unnötigen umgebaut, das heißt, das Haus soll schließ- zugrunde gelegt, zum anderen die Effizienz Austausch funktionierender Haustechnik. lich maximal 85% des Primärenergiebedarfs der Heizungsanlage, in diesem Fall also der „Wenn das ganze Haus mit Gasetagenhei- eines vergleichbaren Neubaus haben. Über Wärmeübergabestation und der Gastherme. zungen ausgestattet ist, macht es keinen Sinn das Programm können beispielsweise die „Die Gutachterin hat falsche Zahlen genom- diese zu verschrotten.“ Schließlich stecken Wärmedämmung von Fassade, Dach und men“, sagt Schuster, „anstelle einer vergleich- auch in den Geräten Ressourcen und Energie. Keller und die Erneuerung von Fenstern, Türen baren Gastherme hat sie die Werte einer Mit der Wärmedämmung zeigen sich die und der Heizung gefördert werden. Die Gasaußenwandheizung eingesetzt“. meisten Mieter/innen unzufrieden. Die Woh- Grundstücksgemeinschaft Weichselplatz will In einem weiteren Gutachten wird geprüft, ob nungen würden durch die dicke Dämmschicht im Zuge der energetischen Modernisierung ein Fernwärmeanschluss in Neukölln zum dunkler, die Balkone schmaler und in einigen alle Mietparteien an Fernwärme anschließen, ortsüblichen Standard gehört. „Momentan Wohnungen hätte sich bereits Schimmel ge- hat die Fassade mit einer dicken Dämmschicht sind nur 4% der Neuköllner Haushalte an bildet. „Die Arbeiten wurden zudem häufig eingepackt und die Fenster zum Hof komplett Fernwärme angeschlossen“, so Schuster. Da- schlecht und nachlässig durchgeführt“, so die ausgetauscht. Weitere Modernisierungsmaß- mit kann eigentlich von Ortsüblichkeit keine Mieter/innen. nahmen dienen nicht der energetischen Mo- Rede sein. Dieses Gutachten ist dafür ent- Über die KfW konnten die Mieter/innen indes- dernisierung, tragen aber erheblich zur Auf- scheidend, ob die Modernisierung trotz sozi- sen nur wenig erreichen, auch wenn die Bank wertung bei, etwa der Anbau zusätzlicher aler Härte – das heißt einer Mietbelastung in ihrem Antwortschreiben beteuert, die An- Balkone und eines Aufzugs im Hof. von über 30% des Einkommens – geduldet gelegenheit sehr ernst zu nehmen. „Es ist uns Da einige Mietparteien bereits selbst Gaseta- werden muss. rechtlich nicht erlaubt einzugreifen“, erklärt genheizungen eingebaut sowie ihre Woh- Svenja Bremer aus dem Beschwerdemanage- nungen durch Mietermodernisierungen auf ment der KfW. In ihrer Antwort an die Mieter/ einen ortsüblichen Standard gebracht hatten, Nachteile der Modernisierung innen erklärt die KfW außerdem, aufgrund des zahlen sie nun zum zweiten Mal für eine Die Prozesse gegen die einzelnen Mietpar- Bankgeheimnisses keine Auskünfte geben zu Modernisierung und werden zudem voraus- teien sind sehr unterschiedlich, was eine ge- können. „Die Planung und Umsetzung von sichtlich noch mit höheren Heizkosten belastet. meinsame Strategie schwierig macht. In eini- Modernisierungsmaßnahmen sowie die Miet- „Die Heizkosten werden mindestens um ein gen Fällen wurden Vergleiche geschlossen. preisgestaltung obliegen zudem grundsätz- Drittel teurer“, sagt die Mieterin Imke Hage- „Wir haben uns auf Anraten unseres Anwalts lich dem Eigentümer“, heißt es in dem Brief dorn*, die ihre Gasetagenheizung selbst ein- auf einen, in unseren Augen erzwungenen, weiter. Was immerhin eins zeigt: Die Eigentü- Vergleich eingelassen“, schreibt Oliver Bach- mergemeinschaft kann sich nicht hinter den *) Namen geändert. maier* an die KfW. Eine über drei Jahre ge- Vorgaben der Bank verstecken. ME 357 / Dezember 2012 7
TITEl Wer zahlt die Zeche? Rainer Balcerowiak Politiker und Lobbyverbände pflegen weiter die Legende von den „teuren erneuerbaren Energien“ als Ursache explodierender Strompreise Sie hat gute Chancen, zum Unwort des Jahres zu werden. Denn von Woche zu Woche wird nebulöser, wie sie denn eigentlich genau funktionieren soll, die viel beschworene Energiewende. Eines ist allerdings schon sicher: Verbraucher/innen werden or- dentlich zur Kasse gebeten, Strom- und Wärmepreise befinden sich im Steigflug und ein Ende ist noch lange nicht abzusehen. Zusätzlich geschröpft werden Mieter/innen, in deren Häusern bauliche Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung durch- geführt werden. Dadurch mögliche Einsparungen beim Energieverbrauch stehen in der Regel in keinem Verhältnis zu den umlage- fähigen Kosten, die dauerhaft auf die Grundmiete aufgeschlagen werden. Gern wird behauptet, dass steigende Strom- men befreit werden. Zu den Nutznießern stoffen hält einer näheren Betrachtung nicht preise in erster Linie eine Folge des wachsen- dieser Regelungen gehören unter anderem stand. Eine Untersuchung des FÖS kommt den Anteils erneuerbarer Energieträger wie Golfplatzbetreiber, Geflügelmastbetriebe, Su- zum Ergebnis, dass konventionelle Energieträ- Sonne, Wind und Wasser seien. Denn die permarkt- und Bekleidungsketten. Auch Ver- ger für Verbraucher/innen letztendlich we- Einspeisung von Strom aus diesen Quellen lage, Versicherungen und sogar das Rote sentlich höhere Kosten als erneuerbare Ener- wird subventioniert, was mittels einer im Er- Kreuz stehen auf der Liste. Die Zeche für die- gien verursachen. Diese bekommen die Ver- neuerbare-Energien-Gesetz (EEG) veran- se Privilegien zahlen in erster Linie die pri- braucher/innen allerdings nicht – wie die kerten Umlage auf die Verbraucher/innen vaten Verbraucher/innen. Für einen Durch- EEG-Umlage – auf der Stromrechnung prä- umgelegt wird. Natürlich nicht auf alle, denn schnittshaushalt summieren sich die aus den sentiert, sondern sie werden direkt aus dem Unternehmen können sich von dieser Umlage Befreiungen resultierenden Mehrkosten für Steueraufkommen finanziert. befreien lassen. Was einst als Ausnahmerege- Strom im kommenden Jahr laut einer Schät- Die Liste der Fördertöpfe, aus denen sich die lung für besonders energieintensive Produk- zung des FÖS auf 57 Euro pro Jahr. Stromkonzerne seit Jahrzehnten bedienen tionsbetriebe konzipiert war, die vor „Wettbe- können, ist lang. Neben direkten Subventi- werbsnachteilen“ geschützt werden sollten, onen gibt es die Absatzbeihilfen für heimische hat sich mittlerweile zu einer Art Selbstbedie- Mär vom „billigen“ Strom Steinkohle, die Befreiung von Wasserentnah- nungsladen für Firmen aus allen möglichen Für Gegner der Energiewende ist das natür- meentgelten für Kühlkreisläufe, die kosten- Branchen entwickelt. Im kommenden Jahr lich ein gefundenes Fressen. Getarnt als lose Zuteilung von Emissionszertifikaten für wird die Zahl der von der EEG-Umlage befrei- „Verbraucherschützer“ warnen sie vor „un- Kohlekraftwerke, die Steuerbefreiung für ten Firmen sogar sprunghaft steigen, wie aus bezahlbaren Strompreisen“ und fordern eine Rücklagen der AKW-Betreiber, sowie die Be- einer Untersuchung des Forum ökologisch- Modifizierung oder gar Abschaffung des EEG. freiung von weiteren externen Kosten, bei- soziale Marktwirtschaft (FÖS) hervorgeht: von Verwiesen wird auf die Möglichkeiten kosten- spielsweise für die Beseitigung von Umwelt- 813 auf über 2.000. Doch das ist noch nicht günstiger Stromerzeugung durch neue Stein- schäden. Für den Zeitraum von 1970 bis 2012 alles. Auch von Umlagen für die Förderung des und Braunkohlekraftwerke. Ähnlich argumen- ergeben sich daraus laut der Studie Kosten in Baus von Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopp- tierte auch die Atom-Lobby, bevor ihr die Höhe von 10,2 Cent pro erzeugter Kilowatt- lung, den künftigen Haftungskosten für die Reaktorkatastrophe in Fukushima einen stunde (kWh) Strom aus fossilen Energieträ- Netzanbindung von Offshore-Windparks so- Strich durch die Rechnung machte. Doch die gern. Die derzeit in der Kritik stehende EEG- wie bei den Netzentgelten können Unterneh- Mär vom „billigen“ Strom aus fossilen Brenn- Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien beläuft sich dagegen auf 3,6 Cent. Und ohne Quelle: Was Strom wirklich kostet, August 2012, FÖS Kulminierte staatliche Förderung 1979-2012 in Milliarden Euro (real), Anteil Stromerzeugung die genannten Privilegien für bestimmte Un- ternehmen würde sie lediglich 2,4 Cent pro 200 Milliarden Euro kulminiert 187 Atomenergie kWh betragen. 177 Steinkohle 150 Steuersubvention nicht auf der 100 Stromrechnung ausgewiesen 65 Braunkohle Die Zahlen sprechen für sich. Die Steinkohle 50 54 Erneuerbare hat in dem betreffenden Zeitraum mit insge- samt 311 Milliarden Euro staatlichen Subven- 0 (1)* Erdgas tionen am meisten profitiert, gefolgt von der Atomenergie mit rund 213 und Braunkohle -50 mit 87 Milliarden Euro. Erneuerbare Energien 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2012 werden erst seit Mitte der 90er Jahre nennens- *Daten für Erdgas erst ab 2007 verfügbar. wert gefördert, bislang mit einem Gesamtvo- 8 ME 357 / Dezember 2012
TITEL lumen von 67 Milliarden Euro. Während die Die Autoren der Studie betonen, dass bei der EEG-Förderung transparent im Strompreis Aufstellung einige gesamtgesellschaftlich fi- ausgewiesen wird, erfolgen die staatlichen nanzierte Projekte, unter anderem der Rück- Subventionen von Atom und Kohle teils aus bau der ostdeutschen Atomkraftwerke, die dem öffentlichen Haushalt und teils über Sanierung des maroden Atommülllagers Asse, Regelungen, die letztlich ebenfalls den Strom- die Erkundungsarbeiten für ein Atommüll- preis erhöhen wie zum Beispiel der Emissions- Endlager oder auch die Renaturierung von handel. In beiden Fällen sind die Förderungen stillgelegten Braunkohletagebauen noch gar für Verbraucher/innen auf ihren Stromrech- nicht eingerechnet seien. Dennoch ergibt sich nungen nicht sichtbar. Dadurch entsteht der – bezogen auf das Jahr 2012 – ein klares Bild Eindruck, dass erneuerbare Energien auf- von den tatsächlichen Kosten der Stromerzeu- grund der EEG-Vergütungen die „Preistrei- gung: Der vermeintlich billige Atomstrom ber“ der Stromversorgung sind und konven- schlägt dabei mit 42,2 Cent/kWh zu Buche. Foto: E4LEngeryMap/Wikipedia tionelle Energieträger demgegenüber eine Braun- und Steinkohle kommen auf 15,6 bzw. bezahlbare Versorgung bieten. 14,8 Cent. Bei Erdgas als günstigstem fossi- len Energieträger sind es 9 Cent. Deutlich Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) besser schneiden Wind (8,1 Cent) und Wasser Das EEG trat im Jahr 2000 in Kraft und ist der (7,6 Cent) ab. entscheidende Motor für den Ausbau der Stromer- Solarstrom kommt zwar aufgrund der langfri- zeugung aus erneuerbaren Energien. Gefördert stig garantierten Einspeisevergütung für be- werden nach EEG: Wasserkraft (Wellen-, Gezeiten- reits installierte Anlagen auf den hohen Wert und Strömungsenergie), Windenergie, Solarener- von 36,7 Cent/kWh, doch dieser wird in den gie (Photovoltaik), Geothermie, Energie aus Bio- Der Umstieg auf erneuerbare Energien wird von der kommenden Jahren durch die abgesenkte Atom-Lobby für steigende Strompreise verantwortlich masse (Biogas, Deponiegas und Klärgas). Förderung deutlich verringert. So beträgt die gemacht. Der eigentliche Grund — die Befreiung vieler Dem EEG zufolge erhalten die Betreiber von Anla- Einspeisevergütung für neu installierte Anla- Unternehmen von der EEG-Umlage — wird verschwiegen. gen zur regenerativen Stromerzeugung in der gen ab Oktober 2012 nur noch zwischen 12,6 Regel über 20 Jahre eine feste Vergütung pro und 18,2 Cent/kWh. Zudem sind die Kosten- Es ist höchste Zeit, die Energieversorgung auf Kilowattstunde. Die Höhe der Vergütung richtet vorteile dezentraler Versorgungsstrukturen, eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen, sich nach der Art der Stromerzeugung, des Stand- orts und der Größe der Anlage. Die auf 20 Jahre die mit regenerativen Energieträgern wie sowohl aus ökonomischen wie auch aus garantierte Einspeisevergütung fällt umso gerin- Windrädern, Wasserkraftwerken und Photo- ökologischen Gründen. Dazu sind mittelfristig ger aus, je später eine Anlage ans Netz geht, voltaikanlagen realisiert werden können, Investitionen im hohen dreistelligen Milliar- womit ein Anreiz zu Kostenreduzierung und Inno- nicht in die Berechnung eingeflossen. denbereich notwendig. Gebraucht werden vation gegeben ist. unter anderem flexible Netze, Speicherkapa- Ein zentraler Streitpunkt in der Energiewende- zitäten und ein intelligenter Mix aus zentralen Energieversorgung als Aufgabe der Debatte ist, wer die Kosten der EEG-Förderung und dezentralen Anlagen. Ferner gibt es rie- tragen soll. Die Kosten berechnen sich aus der öffentlichen Daseinsvorsorge sigen Nachholbedarf bei der Energieeffizienz. Differenz zwischen dem Marktpreis, den der Strom Eine Betrachtung verdienen auch die reinen Dies gilt vor allem für die Wärmenutzung, aber aus erneuerbaren Energien erbringt, und der ga- Produktionskosten und Marktpreise von auch beim Strom: Alleine durch den flächen- rantierten Vergütung, die den Anlagenbetreibern Strom. Dass Strom in alten, längst abgeschrie- deckenden Austausch veralteter Heizungs- gezahlt werden. Die Summe dieser Differenz wird benen Atom- und Kohlemeilern relativ günstig und Wärmepumpen könnte der Strombedarf auf den gesamten Stromverbrauch umgelegt. Von erzeugt werden kann, ist unbestritten. Doch in der Größenordnung der Jahresproduktion dieser EEG-Umlage lassen sich immer mehr Unter- auch Anlagen für die Verstromung erneuer- von zwei Atomkraftwerken gesenkt werden. nehmen befreien, was die Kosten für die privaten barer Energieträger werden sich irgendwann Die Energiewende ist eine gesamtgesell- Haushalte in die Höhe schnellen lässt. amortisieren und haben dann den Vorteil schaftliche Aufgabe. Dennoch brüten die Po- Ziel des EEG ist, dass der Anteil erneuerbarer quasi unbegrenzt verfügbarer, kostenloser litiker derzeit in erster Linie darüber, wie man Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr „Rohstoffe“ wie Wind, Wasser und Sonne. die entstehenden Kosten den „einfachen 2020 auf mindestens 35% erhöht wird und bis 2050 auf 80%. Nach Meinung des Bundesver- Ohnehin machen die reinen Beschaffungs- Bürgern“ aufdrücken kann und die Industrie bands Windenergie ist das EEG „zur Erfolgsge- preise auf der Stromrechnung nur einen entlastet. Wenn der Strompreis aufgrund der schichte geworden: Mit Hilfe des Gesetzes hat sich Bruchteil aus. Selbst wenn man Kosten für politischen Rahmenbedingungen weiterhin in Deutschland der Anteil der Erneuerbaren Ener- Vertrieb und Service der Unternehmen ein- ungebremst steigt, wird die Versorgung mit gien am Stromverbrauch von 6,4% im Jahr 2000 rechnet, kommt man nur auf rund 35%. Den Energie sehr bald zu einer drängenden sozi- auf 25% in 2012 (1. Halbjahr) fast vervierfacht. Rest berappen Verbraucher/innen für Steuern, alen Frage werden, und das nicht nur für Bereits im Jahr 2010 konnten durch den EEG-ge- Umlagen, Abgaben und Netzentgelte. Daher Hartz-IV-Beziehende. Wenn Strom und Wär- förderten erneuerbaren Strom über 74 Millionen kann man auch von einem „politischen Preis“ me zum „ökologisch korrekten“ Luxus wer- Tonnen Treibhausgase eingespart werden. (…) sprechen. Die Grundfrage ist, ob die Energie- den, ist die soziale Barbarei in diesem Land Seit seiner Einführung hat sich das Gesetz auch im versorgung vorrangig als Aufgabe der öffent- wieder einen Schritt weiter. Vergleich zu anderen Fördersystemen als hochef- lichen Daseinsvorsorge angesehen wird oder fizientes Instrument erwiesen und ist dadurch zum – nur dezent reguliert – den Profitinteressen Weitere Infos und Download der Studie: Exportschlager geworden.“ (hw) der in diesem Sektor tätigen Konzerne dient. www.foes.de ME 357 / Dezember 2012 9
TITEl Bedingt klimafreundlich Fernwärme ist in der Regel energieeffizienter, aber nicht immer billiger Jutta Blume Rund eine Million Berliner Haushalte sind an das Fernwärmenetz von Vattenfall angeschlossen, davon etwa jeweils die Hälfte im Westen und im Osten der Stadt. In den letzten drei Jahren hat der Berliner Kraftwerksbetreiber Vattenfall das Fernwärmenetz stark ausgebaut und etwa 1.500 Liegenschaften mit 100.000 Wohneinheiten neu angeschlossen. Der weitere Ausbau mit Schwerpunkten in Spandau, Prenzlauer Berg, Moabit und Wilmersdorf ist geplant. Vorne hui, hinten pfui: Den zur Senkung der CO2-Emissionen voran getriebenen Ausbau des Fernwärmenetzes benutzt die Vattenfall Europe AG auch gern mal dazu, Kraftwerksneu- bauten zu rechtfertigen, wie zum Beispiel beim umstrittenen Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg. Foto: Florian Muhl/Wikipedia In der mit dem Land Berlin im Oktober 2009 gungsanlagen, die Nutzung Erneuerbarer maschutzvereinbarung, weil sich das Unter- geschlossenen Klimaschutzvereinbarung ver- Energien, den Einsatz biogener Stoffe sowie nehmen trotz Braunkohletagebau und -ver- pflichtete sich die Vattenfall Europe AG, ihr den Einsatz innovativer Technologien zur Er- stromung in Brandenburg mit einem sauberen Fernwärmenetz weiter auszubauen sowie ih- höhung der Energieeffizienz in der Stadt.“ Image präsentieren kann. Die Nutzung der ren Kraftwerkspark zu modernisieren: „Das Abwärme aus den Kraftwerken verbessert den Land Berlin und Vattenfall bauen mit dieser Wirkungsgrad erheblich und ist insbesondere Klimaschutzvereinbarung ihre bisherigen Ko- Mieter/innen haben keine Wahl in Ballungsräumen sinnvoll. Allerdings nutzt operationen im Klimaschutz weiter aus. Der Zwar verfügt das Land Berlin nach wie vor Vattenfall den Fernwärmebedarf auch, um Schwerpunkt liegt auf der Umsetzung von über kein Klimaschutzgesetz, hat aber Kli- Kraftwerksneubauten zu legitimieren, etwa Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emis- maschutzvereinbarungen mit großen privaten das umstrittene Kohlekraftwerk in Hamburg- sionen bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum und öffentlichen Unternehmen der Stadt ge- Moorburg. Dass der Klimaschutz nicht auf Basisjahr 1990. Dabei umfassen die Maßnah- schlossen. Auf diese Weise will der Senat reiner Freiwilligkeit beruht, zeigen die ur- men von Vattenfall die Modernisierung seines seine Ziele zur CO2-Reduktion von mehr als sprünglichen Pläne für den Ersatz des Heiz- Berliner Kraftwerkparks zur Fernwärmever- 40% bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 1990 kraftwerks Klingenberg in Berlin. Am Standort sorgung, den Ausbau dezentraler Erzeu- erreichen. Vattenfall profitiert von der Kli- des alten Braunkohlekraftwerks wollte der 10 ME 357 / Dezember 2012
TITEL Konzern mitten in der Stadt ein neues Stein- durchschnittlichen Kosten variieren geringfü- Wärmecontracting kohlekraftwerk bauen. Der Widerstand der gig entsprechend der Gebäudegröße, bei ei- Berliner Bevölkerung führte zur Änderung der Immer mehr Firmen bieten Wärmecontracting ner Gesamtfläche von 1.000 qm gelten Beträ- Pläne. In Klingenberg entstehen nun ein Gas- an, in Berlin sind derzeit etwa zehn Anbieter ge ab 16,60 Euro/qm als zu hoch. Nach Erhe- und Dampfturbinenkraftwerk sowie ein Bio- am Markt, darunter Vattenfall, Gasag und bungen des Verbands Berlin-Brandenbur- masseheizkraftwerk. Ebenfalls ein Biomasse- Lichtblick (siehe auch nachfolgende Beiträge). gischer Wohnungsunternehmen (BBU) wurde heizwerk soll ab Mitte 2013 das Märkische Beim Wärmecontracting gehört die Heizungs- Fernwärme in Berlin im vergangenen Jahr 7% Viertel mit Wärme beliefern. Doch auch die anlage im Keller nicht mehr dem Hauseigen- teurer, was im bundesweiten Schnitt liegt, Verfeuerung von Biomasse muss nicht unbe- tümer, sondern einer externen Firma, die während die Erdgaspreise mit 10% in Berlin dingt nachhaltig und klimafreundlich sein. Da dann für die Bereitstellung der Wärme verant- um das Doppelte des Bundesdurchschnitts regional nicht genügend Holz verfügbar war, wortlich ist. stiegen. Der bundesweite Preisanstieg beim plante Vattenfall zunächst den Import von Heizöl betrug dagegen 24,5%. Holzchips aus dem afrikanischen Liberia. Die Es gibt unterschiedliche Varianten des Contrac- Obwohl die Fernwärme eigentlich eine effizi- Pläne wurden von verschiedenen Organisati- tings, am häufigsten dürfte wohl sein, dass der ente Heizungsart ist, besteht die Gefahr, dass onen scharf kritisiert, zum einen aufgrund des Contractor eine neue Heizungsanlage oder ein die Anbieter aufgrund ihrer regionalen Mono- langen Transportwegs und zum anderen auf- Blockheizkraftwerk einbaut und dann be- polstellung überhöhte Preise fordern. So er- grund der ungünstigen Vertragsbedingungen treibt. Für Stromanbieter ist der Einbau von mittelt das Bundeskartellamt nach Informati- für die liberianischen Bauern. Im Mai erklärte Blockheizkraftwerken attraktiv, da sie nach- onen der Stiftung Warentest gegen die Betrei- Vattenfall schließlich in einer Pressemitteilung weisen müssen, möglichst viel Strom in Kraft- ber von elf Fernwärmenetzen. Die Ermitt- seinen Ausstieg: „Der wesentliche Grund für Wärme-Kopplung zu erzeugen. lungen beziehen sich auf die Jahre 2007 und diese Entscheidung liegt darin, dass die Erwar- 2008, in diesem Zeitraum lagen die Fernwär- Eine andere Variante des Contractings ist, dass tungen an Mengen und Preise der dort er- mepreise in einem weiten Spektrum zwischen ein externer Betreiber den Betrieb einer be- zeugten Holzhackschnitzel nicht erfüllt wer- 4 und 18 Cent pro Kilowattstunde. Die Berliner stehenden Anlage übernimmt. Hier besteht die den konnten.“ Vattenfall plant aber weiter- Preise befanden sich dabei eher im unteren hin, Holz auf internationalen Märkten einzu- Gefahr, dass den Mieter/innen Kosten doppelt Bereich des Spektrums. Weiterhin will das kaufen, und verweist dabei auf eine mit dem berechnet werden. „Der Wärmepreis enthält Bundeskartellamt die Preisentwicklung von Land Berlin geschlossene Nachhaltigkeitsver- Reparatur- und Wartungskosten, die eigent- 2009 bis 2011 überprüfen. einbarung. lich Vermietersache sind. Der Contractor müsste daher einen Teil herausrechnen“, er- klärt Birgit Holfert, Energiereferentin beim Bessere Werte für Energieausweis Kosten regional sehr verschieden Bundesverband der Verbraucherzentralen. durch Fernwärme Mieter/innen haben weder einen Einfluss Wenn der Wärmepreis mit der Umstellung auf Für Hauseigentümer ist Fernwärme attraktiv, darauf, was Vattenfall in seinen Kraftwerken Contracting stark steigt, sollte daher auf jeden weil sie bestimmte Anforderungen der Ener- verfeuert, noch, ob sie mit Fernwärme versorgt Fall Einsicht in die Unterlagen verlangt und gieeinsparverordnung erfüllt. Gebäude, die werden. Wenn sich Hauseigentümer für einen eine Beratungsstelle aufgesucht werden. verkauft, neu vermietet oder verpachtet wer- Anschluss ans Fernwärmenetz entscheiden, den, benötigen seit 2009 einen Energieaus- gibt es für Mieter/innen keine Möglichkeit Nach (noch) geltendem Mietrecht müssen weis. Gebäudeeigentümer können durch die dagegen vorzugehen, selbst wenn in der ei- Mieter/innen dem Wärmecontracting nicht in Nutzung von Fernwärme vom Nachweis des genen Wohnung bereits eine Gasetagenhei- jedem Fall zustimmen, zumindest nicht, wenn Primärenergiebedarfs befreit werden. Voraus- zung vorhanden ist. Am 24. September 2008 eine bestehende Heizungsanlage auf Contrac- setzung ist, dass die Fernwärme zu über 70% entschied der Bundesgerichtshof (AZ: VIII ZR ting umgestellt wird. Mit der Änderung des in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt wird. In 275/07), dass es sich beim Anschluss an das Mietrechts will die Bundesregierung allerdings Berlin liegt der Kraft-Wärme-Kopplung-Anteil aus Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung ge- auch das Contracting erleichtern. Vermieter nach Angaben von Vattenfall bei über 90%. speiste Fernwärmenetz (siehe unten) um eine sollen die Kosten der Wärmelieferung eines Für die Anforderung an die Dämmung der zu duldende Energiesparmaßnahme handelt. externen Lieferanten als Betriebskosten um- Gebäude ist außerdem der Primärenergiefak- Da die Fernheizung teurer als Erdgas ist, sind legen können, wenn eine neue Heizungsanla- tor der jeweiligen Heizungsart wichtig. Für die diese Mieter/innen dann in der Regel mit ge eingebaut wird, die Wärme aus einem Fernwärme von Vattenfall gilt ein sehr nied- höheren Heizkosten konfrontiert. Besonders Wärmenetz bezogen wird oder das Contrac- riger Primärenergiefaktor von 0,56. Bundes- hoch fallen die Kosten aus, wenn sich der Ei- weit gilt für Fernwärme aus Kraft-Wärme- ting zu einer Effizienzsteigerung der Hei- gentümer verkalkuliert und eine zu große Kopplung sonst pauschal ein Primärener- zungsanlage führt. Eine Umstellung auf Wär- Wärmemenge bestellt. giefaktor von 0,7 und für gas- und ölbeheizte mecontracting müssen Vermieter drei Monate Sowohl im Vergleich zu anderen Fernwärme- vorher ankündigen. Genauere Einzelheiten zu Gebäude 1,1 bis 1,3. Aufgrund des niedrigen netzen im Bundesgebiet als auch im Vergleich Primärenergiefaktors für Fernwärme von Vat- den Wärmelieferverträgen sind im Gesetzes- mit anderen Heizungsarten ist die Fernwärme tenfall können Eigentümer weniger umfang- entwurf noch nicht geregelt. Die Bundesregie- in Berlin aber in der Regel noch relativ günstig. reiche Maßnahmen an der Gebäudehülle rung wird ermächtigt, durch Rechtsverord- Laut bundesweitem Heizspiegel 2012 lagen vornehmen und dennoch gute Werte für den im Abrechnungsjahr die mittleren Kosten für nung ohne Zustimmung des Bundesrates Energieausweis erzielen. Einen direkten Rück- Fernwärme zwischen 7,10 und 12,40 Euro/ Vorschriften für Wärmelieferverträge zu er- schluss auf die zu erwartenden Heizkosten qm und Jahr inklusive Warmwasser. Diese lassen. (jb) lassen diese Energieausweise nicht zu. ME 357 / Dezember 2012 11
TITEL Extrem hohe Heizkosten Verfügung und betreibt diese. Der Eigentümer spart so die Ausgaben für die Anschaffung der Heizung. Da der Contractor auch den Betrieb durch Contracting der Heizung übernimmt, muss sich der Eigen- tümer darum nicht mehr kümmern, beispiels- weise bei einem Heizungsausfall an Weih- nachten. Auch die Instandhaltung wird meist Mieter/innen in der Glienicker Straße 49 in Berlin mit übernommen. Geworben wird damit, dass der Dienstleister immer die neueste Technik zahlen fast doppelt so viel wie der Durchschnitt zur Verfügung stellt und dadurch die Kosten für die Bewohner/innen sinken würden. Die Idee des Contractings ist grundsätzlich gut: So Götz Autenrieth können alte Heizungsanlagen gegen neue, beispielsweise ein Blockheizkraftwerk (siehe Susanne Kreimer* ist Mieterin bei der Prelios (früher Pirelli RE). Ihre Betriebskosten- Seite 13), ausgetauscht werden. Vermieter, die abrechnung für das Jahr 2010 wies eine sehr hohe Nachzahlung aus. Bei der Über- sonst durch das sogenannte „Eigentümer- prüfung fielen die extrem hohen Heiz- und Warmwasserkosten auf. Die Ausgaben für Nutzer-Dilemma“ (Eigentümer investieren in die Fernwärme betrugen fast das Doppelte des Berliner Durchschnitts. eine sparsame Heizung und Mieter/innen profitieren vom gesunkenen Verbrauch) wenig von der Erneuerung der Technik haben, wer- Die Kosten für Fernwärme sind in den meisten den so eher bewegt, umwelt- und ressourcen- Abrechnungen etwa gleich und in Berlin mit Götz Autenrieth ist Fachmann für Energie, schonende Technik einzusetzen. rund 70 bis 80 Euro/MWh deutlich günstiger Mängel und Betriebskosten in Gebäuden, Alt-Moabit 124, 10557 Berlin Allerdings handelt es sich bei einer Fernwär- als in anderen Städten. Die Mieter/innen der meübergabestation – wie im Haus Glienicker Glienicker Straße 49 im Bezirk Treptow-Köpe- www.goetzautenrieth.de Straße 49 – nur um ein Gerät zur Verteilung, nick aber müssen 129 Euro/MWh dafür be- nicht zur Produktion der Wärme. Somit sind zahlen. Die Kosten für Heizung und Warmwas- Einsparungen nur in sehr geringem Umfang ser betragen damit 2,48 Euro/qm und Monat möglich. Das ist in der Heizkostenabrechnung – der Durchschnitt liegt laut Berliner Heizkos- dann auch zu erkennen: Für Heizung und tenspiegel etwa bei der Hälfte. Die Kosten für Warmwasser werden in der Glienicker Straße Ablesen und Abrechnung durch den Mess- 49, einem wärmegedämmten Plattenbau, dienst ares e-count betragen 1,20 Euro/qm rund 150 kWh/qm pro Jahr verbraucht, was und Jahr. Eine Folge des sehr teuren Energie- etwa einem ungedämmtem Altbau entspricht. bezugs ist ein immenser Preis für Warmwasser. Zum Vergleich: Neu gebaute Häuser haben Hier werden inklusive Kaltwasseranteil 17,47 meist einen Verbrauch unter 50 kWh pro qm Euro/cbm berechnet. In den meisten Abrech- und Jahr, also ein Drittel des Verbrauchs des nungen werden dagegen nur rund 10 Euro/ Hauses Glienicker Straße 49. cbm verlangt. Warum Prelios die Fernwärme derart teuer einkauft, ließ sich bisher nicht abschließend Was tun? ermitteln. Trotz mehrmaliger Aufforderung an In Heizkostenabrechnungen können eine Prelios erhielt die Mieterin statt des ver- Menge Fehler stecken. Um Überraschungen langten Vertrags zur Energielieferung lediglich bei der Anmietung einer Wohnung zu vermei- eine Rechnung – interessanterweise von ares den, ist es sinnvoll, sich von den Vormieter/ Energiekonzept GmbH. Die Wärme kommt innen die letzte Abrechnung zeigen zu lassen also von einem Energiedienstleistungsunter- oder vom Vermieter schriftlich die Bestätigung nehmen und somit handelt es sich um einen einzuholen, dass die Vorauszahlungen ko- Fall von Wärmecontracting. Solche Energie- stendeckend sind. Dann wissen Sie, mit wel- dienstleistungsunternehmen können die Kos- chen Kosten Sie zukünftig zu rechnen haben. ten für Mieter/innen deutlich ansteigen lassen. Wenn Sie unsicher sind, ob in Ihrer Abrech- nung alles korrekt ist, lassen Sie sich in einer Warum Contracting? Beratungsstelle beraten. Bei Wärmecontracting erwirbt der Eigentü- Beim Wärmecontracting gehört die Heizungsanlage im mer der Immobilie die Heizanlage – entweder Keller nicht mehr dem Hauseigentümer, sondern einem Bei der Berliner MieterGemeinschaft können Sie Energiedienstleistungsunternehmen (Contractor). Der ihre Betriebskostenabrechnung überprüfen lassen den Heizkessel oder die Fernwärmeübergabe- Contractor ist für den Betrieb und die Lieferung der (siehe Seite 31). Außerdem finden Sie auf unserer station – nicht selbst, sondern kauft Wärme Website zahlreiche Tipps und Infos zur Heiz- und Energie verantwortlich. Wenn die Wärme wie in der ein (siehe Seite 11). Dazu stellt der Energie- Warmwasserkostenabrechnung sowie einen Be- Glienicker Straße 49 in Form von Fernwärme geliefert dienstleister (Contractor) eine Anlage zur triebskostenrechner. wird, stellt der Contractor eine Fernwärmeübergabe- *) Name geändert. station zur Verfügung. Foto: Ulrichulrich/Wikipedia www.bmgev.de/betriebskosten 12 ME 357 / Dezember 2012
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