Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung im Groß- und Einzelhandel - Zu gut für die Tonne

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Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung im Groß- und Einzelhandel - Zu gut für die Tonne
Maßnahmen zur Reduzierung                       von
Lebensmittelverschwendung im
Groß- und Einzelhandel
Leitfaden und Inspiration

                       In Zusammenarbeit mit:
Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung im Groß- und Einzelhandel - Zu gut für die Tonne
Projektförderung

Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Die
Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im
Rahmen des Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger
Landwirtschaft.

Herausgeber

Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production gGmbH (CSCP)
Hagenauer Str. 30 | 42107 Wuppertal
www.scp-centre.org

Autorinnen

Lea Leimann, Jana Brauer

Ansprechpartnerin

Nora Brüggemann (Projektkoordinatorin)
Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production gGmbH (CSCP)
Hagenauer Str. 30 | 42107 Wuppertal
Telefon: +49 (0)202 / 459 58 – 25
E-Mail: handelsforum-rlv@scp-centre.org

Wuppertal, Dezember 2020

                                                                                           2
Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung im Groß- und Einzelhandel - Zu gut für die Tonne
Inhaltsverzeichnis

1.      EINLEITUNG ............................................................................................................... 4

2.      VERBINDLICHE MAßNAHMEN...................................................................................... 8

2.1.         Weitergabe von verkehrsfähigen Lebensmitteln ............................................................................. 9

2.2.         Erfassung von Lebensmittelabfalldaten und Verbesserung der Datenlage ...................................... 10

3.      WAHLPFLICHTMAßNAHMEN ..................................................................................... 11

3.1.    Maßnahmen an den Schnittstellen zu Ihren Lieferanten................................................................ 12
   3.1.1.    Verkauf von Obst und Gemüse mit "Schönheitsfehlern" .............................................. 12
   3.1.2.    Verbesserung der Zusammenarbeit im Umgang mit Retouren .................................. 13
   3.1.3.    Förderung von Verpackungsinnovationen zur Verbesserung der Haltbarkeit von
   Produkten........................................................................................................................................................ 14
   3.1.4.    Optimierung der Prozess-, Logistik- und Kühlkette, beispielsweise durch
   (verstärkte) Einbindung von Lieferanten in Warenwirtschaftssysteme ........................................ 16

3.2.    Interne Markt-Maßnahmen ......................................................................................................... 18
   3.2.1.     Preisreduzierter Verkauf von Waren mit knappem MHD und von Ultrafrischwaren
   (Brot, Obst und Gemüse) zum Ladenschluss ....................................................................................... 18
   3.2.2.     Nachfrageorientierte Auffüllung des Frischwarenangebots besonders zu
   frequenzschwachen Tageszeiten ............................................................................................................ 19
   3.2.3.     Integration des Themas "Reduzierung von Lebensmittelverschwendung" in
   Schulungen bzw. sonstigen Informationen für Mitarbeitende ....................................................... 20
   3.2.4.     Maßnahmen zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für die Reduzierung
   von Lebensmittelabfällen in der Kundenkommunikation................................................................ 21

3.3.    Verbesserung der Weitergabe...................................................................................................... 23
   3.3.1.    Innovative Demonstrations- und Modellvorhaben mit Start-Ups zur besseren
   Verwertung von Lebensmitteln ................................................................................................................ 23
   3.3.2.    Etablierung und Weiterentwicklung von Prozessroutinen bei der Bereitstellung
   und Abholung von Produkten, beispielsweise mit Hilfe digitaler Technologien...................... 25
   3.3.3.    Finanzielle Unterstützung zum Aufbau bzw. zur Verbesserung der Infrastruktur
   der sozialen Einrichtungen ........................................................................................................................ 26
   3.3.4.    Verbesserung der Qualitätssichtung von Produkten ..................................................... 27
   3.3.5.    Weitere denkbare Maßnahmen ............................................................................................. 28

4.      QUELLENANGABEN................................................................................................... 29

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Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung im Groß- und Einzelhandel - Zu gut für die Tonne
1. Einleitung

                4
Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung im Groß- und Einzelhandel - Zu gut für die Tonne
Dieser Handlungsleitfaden richtet sich an Groß- und Einzelhändler*innen, um mit konkreten
Beispielen und Inspirationen die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung in Deutschland
zu unterstützen.

Hintergrund
In Deutschland entstehen rund 12 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle im Jahr (Schmidt et
al.,  2019).      Daher    zielt   die    „Nationale Strategie   zur    Reduzierung    der
Lebensmittelverschwendung“     zur    Erreichung von     Nachhaltigkeitsziel  (Sustainable
Development Goal, SDG) 2.3. darauf ab, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung in
Deutschland pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren und die entlang
der Produktions- und Lieferkette entstehenden Lebensmittelabfälle einschließlich
Nachernteverlusten1 zu verringern. Das würde auch bedeuten, gleichzeitig aktiven
Ressourcen- und Klimaschutz zu betreiben, u.a. durch positive Landnutzungsänderungen in
Form von Umwandlung möglicherweise nicht mehr benötigter Ackerflächen in Grünflächen
(WBAE 2016).
Die Unternehmen des Groß- und Einzelhandels arbeiten bereits seit Jahren erfolgreich daran,
Lebensmittelverschwendung im eigenen Verantwortungsbereich möglichst gering zu halten.
Darüber hinaus kann der Groß- und Einzelhandel zudem einen wichtigen Beitrag zur
Reduzierung der Lebensmittelverschwendung entlang der Lebensmittelversorgungskette
leisten.
Mit der Beteiligungserklärung 2020–2022 am Dialogforum Groß- und Einzelhandel gehen
Unternehmen des Groß- und Einzelhandels mit einem guten Beispiel voran, indem sie neben
zwei verpflichtenden Maßnahmen auch mindestens vier weitere Wahlpflichtmaßnahmen
umsetzen. Dabei geht es zum einen darum, das bestehende Optimierungspotenzial in den
eigenen Betrieben und Märkten noch weiter auszuschöpfen. Zum anderen können
Handelsunternehmen      an   den  Schnittstellen  zu   Verbraucher*innen    sowie   zur
Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung auf Verbesserungen hinwirken.

Zielsetzung
Dieser    Handlungsleitfaden      ist   dazu gedacht,       die Umsetzung der in der
Beteiligungserklärung erwähnten Maßnahmen zu unterstützen. Dabei richtet sich der
Leitfaden sowohl an den Groß- als auch den Einzelhandel und differenziert nicht zwischen der
Umsetzbarkeit in der Zentrale oder in der Filiale (eine entsprechende Aufschlüsselung findet
sich allerdings in der Tabelle auf der nächsten Seite, um eine Übersicht zu geben). Maßnahmen
werden jeweils an der Schnittstelle zu Lieferanten, intern im Markt und an der Schnittstelle zu
Konsument*innen, sowie bei der Weitergabe von Lebensmitteln betrachtet.
Ziel des Dokumentes ist es, mit Bezug zur Beteiligungserklärung sowohl bestehende und
bereits im deutschen sowie ausländischen Handel etablierte Maßnahmen, als auch
innovative Ideen aus der Nische aufzuzeigen. Mit einer Rakete   wird dargestellt, welche
Maßnahmen innovativ sind und bisher noch von wenigen Handelsunternehmen durchgeführt
werden. Der erklommene Wipfel    zeigt die Maßnahmen, die schon von vielen Unternehmen
umgesetzt werden. Weiterführende Informationen können per Hyperlink auf den jeweiligen
Umsetzungsbeispielen aufgerufen werden.
Die exemplarisch aufgelisteten Ansatzpunkte und Lösungsbeispiele zur Reduzierung von
Lebensmittelabfällen auf Unternehmensebene können selbstverständlich (vor allem aus
Platzgründen) nur einen kleinen, unvollständigen Ausschnitt des bisherigen Engagements
darstellen – werden Sie weiterhin darüber hinaus selbst kreativ!
Des Weiteren soll darauf hingewiesen sein, dass trotz der deutlich positiven Auswirkungen auf
die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung berücksichtigt werden muss, dass die

1
 Als Nachernteverluste gelten Reinigungs- und Trocknungsverluste oder Schädlings- und Krankheitsbefall während des Transports
oder im Lager. Nicht inbegriffen sind gar nicht erst in den Lebensmittelkreislauf gelangende Agrarprodukte, die z.B. als Futtermittel
oder zur Energieerzeugung genutzt werden oder von vornherein als Dünger auf dem Feld bleiben, sowie Produkte, die wegen
Anforderungen des Handels nicht in den Verkauf gelangen (WWF 2015).

                                                                                                                                        5
aufgelisteten Lösungsansätze unterschiedliche Wirkungen haben, zu denen aber im Rahmen
dieses Leitfadens keine Aussage getroffen wird. Bei zukünftigen Überlegungen sollte in die
Entscheidungsfindung aber neben dem kurz-, mittel- sowie langfristigen Einsatz auch folgende
Prämisse der im Rahmen des REFRESH Projekts propagierten „Food Use Hierarchy“ mit
einbezogen werden: der vorsorglichen Vermeidung von Nahrungsmittelüberschüssen
bereits an der Quelle sollte Priorität vor Weiterverteilung, Weiterverarbeitung und
thermischer Verwertung zukommen.

                        Sichere und nährstoffreiche Lebensmittel für die menschliche Ernährung

                            Vermeidung und Reduzierung von Lebensmittelüberschüssen
                                                an der Quelle
 Abnehmende Priorität

                                      Weitergabe und Weiterverarbeitung von
                                     Überschüssen für die menschliche Ernährung

                                             Verwendung als Tierfutter

                                                    Recycling und               Kompostierung, Haustierfutter, Biomaterial
                                                   Rückgewinnung                und andere industrielle Nutzungen,
                                                  (Kontextabhängig)             Energieproduktion, Biogas, Verbrennung
                                                                                inkl. Energiegewinnung

                                                     Entsorgung       Deponie, Abwasser, Verbrennung
                                                                      ohne Energiegewinnung

Abbildung 1: The food use hierarchy nach Wunder et al., (2018) übersetzt und bearbeitet

Dieser Handlungsleitfaden soll Groß- und Einzelhändler*innen dabei unterstützen, die
Lebensmittelverschwendung in ihren Unternehmen weiter zu reduzieren und dazu
inspirieren, noch weitere wirkungsvolle Maßnahmen erfolgreich umzusetzen.

                                                                                                                       6
Differenzierung der Maßnahmen in Zentrale und Filiale
Die folgende Tabelle stellt dar, welche Akteure bei der Umsetzung einer Maßnahme vor allem
gefragt sind. Die meisten der Maßnahmen müssen vermutlich durch die Firmenzentrale
angeordnet werden, gleichzeitig erfolgt die Umsetzung vieler der Maßnahmen eher in den
Filialen. Ein Kreuz in Klammern bedeutet, dass eine Einbeziehung notwendig ist, aber die
Hauptverantwortung der Umsetzung an anderer Stelle liegt.

 Maßnahme                                                                       Zentrale   Filiale

 Verbindliche Maßnahmen

 Weitergabe von verkehrsfähigen Lebensmitteln                                   (X)        X

 Erfassung von Lebensmittelabfalldaten und Verbesserung der Datenlage           X          X

 Wahlpflichtmaßnahmen

 Maßnahmen an den Schnittstellen zu Ihren Lieferanten

 Verkauf von Obst und Gemüse mit "Schönheitsfehlern"                            X          (X)

 Verbesserung der Zusammenarbeit im Umgang mit Retouren                         X          X

 Förderung von Verpackungsinnovationen zur Verbesserung der Haltbarkeit
                                                                                X
 von Produkten

 Optimierung der Prozess-, Logistik- und Kühlkette, beispielsweise durch
                                                                                X
 (verstärkte) Einbindung von Lieferanten in Warenwirtschaftssysteme

 Interne Markt-Maßnahmen

 Preisreduzierter Verkauf von Waren mit knappem MHD                und   von
                                                                                (X)        X
 Ultrafrischwaren (Brot, Obst und Gemüse) zum Ladenschluss

 Nachfrageorientierte Auffüllung des Frischwarenangebots besonders zu
                                                                                           X
 frequenzschwachen Tageszeiten

 Integration des Themas "Reduzierung von Lebensmittelverschwendung" in
                                                                                X          (X)
 Schulungen bzw. sonstigen Informationen für Mitarbeitende

 Maßnahmen zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für              die
                                                                                X          X
 Reduzierung von Lebensmittelabfällen in der Kundenkommunikation

 Verbesserung der Weitergabe

 Innovative Demonstrations- und Modellvorhaben mit Start-Ups zur besseren
                                                                                X          (X)
 Verwertung von Lebensmitteln

 Etablierung und Weiterentwicklung von Prozessroutinen bei der Bereitstellung
                                                                                X          (X)
 und Abholung von Produkten, beispielsweise mit Hilfe digitaler Technologien

 Finanzielle Unterstützung zum Aufbau        bzw.   zur   Verbesserung   der
                                                                                X
 Infrastruktur der sozialen Einrichtungen

 Verbesserung der Qualitätssichtung von Produkten                               X          X

                                                                                                     7
2. Verbindliche Maßnahmen

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2.1. Weitergabe von verkehrsfähigen Lebensmitteln

Überschüssige Lebensmittel werden in Deutschland in erster Linie über soziale Einrichtungen
wie z.B. die Tafeln sowie andere inverkehrbringende Einrichtungen, wie z.B. durch die
Organisationen im Bündnis Lebensmittelrettung, weitergegeben.
Sehr viele Handelsunternehmen kooperieren bereits mit den Tafeln oder anderen
Inverkehrbringern – bisweilen ist jedoch aus verschiedenen Gründen selbst bei einer formellen
Kooperation die Durchführung in allen Filialen nicht zwangsläufig garantiert. In Kapitel 3.3
finden Sie Anregungen, wie Sie mögliche Hürden überwinden und die Weitergabeprozesse
optimieren können.

Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Beteiligungserklärung sieht eine flächendeckende Umsetzung der Weitergabe vor, konkret
einen Abdeckungsgrad von 80% der Lebensmittelgeschäftsstandorte.
Die lokale Verfügbarkeit von inverkehrbringenden Einrichtungen ist für das Gelingen der
Weitergabe essentiell, was insbesondere im ländlichen Raum bisweilen schwierig sein kann.
In manchen Regionen ist daher der Punkt „Finanzielle Unterstützung zum Aufbau bzw. zur
Verbesserung der Infrastruktur der sozialen Einrichtungen“ (siehe Kapitel 3.3.3) der
Wahlpflichtmaßnahmen eine nötige Voraussetzung.
Auch ist zu beachten, dass die Herausforderungen für Großhandelsunternehmen sich in der
Praxis vom Einzelhandel unterscheiden. So können beim Großhandel Großgebinde eines
Produkts anfallen, deren logistische Handhabung (Stichwort Transport und mögliche
Portionierung) neben der Suche nach entsprechenden Abnehmern komplex ist. Das
Dialogforum arbeitet gemeinsam mit Inverkehrbringern an der Verbesserung der
Weitergabemöglichkeiten.
Obwohl Lebensmittel rechtlich gesehen generell auch über das Mindesthaltbarkeitsdatum
(MHD) hinaus in den Verkehr gebracht werden dürfen, herrscht bei lebensmittelspendenden
Unternehmen oft Unsicherheit über den Umgang mit sogenannter MHD-Ware. Das Dialogforum
arbeitet gemeinsam mit Inverkehrbringern an der Aufklärung von Unsicherheiten bezüglich
der    Produkthaftung insgesamt und der Übernahme der               Verantwortung bei
Lebensmittelspenden.

Maßnahmen und Umsetzungsbeispiele

 Kooperation mit sozialen oder „Lebensmittel-rettenden“ Organisationen

 Die Tafeln sind eine gemeinnützige und spendenfinanzierte Organisation, die
 überschüssige Lebensmittel, welche noch genießbar sind, aber im Müll gelandet
 wären, sammelt und kostengünstig an benachteiligte Menschen verteilt.
 (Zusammenarbeit mit ALDI Nord, ALDI Süd, Alnatura, Edeka, Kaufland, Lidl,         Etablierte
 Marktkauf, METRO, Netto Marken-Discount, PENNY, Real, Spar, tegut, Wasgau,        Maßnahme
 u.v.m.)

 foodsharing e.V. ist eine Internetplattform zum Verteilen von überschüssigen
 Lebensmitteln in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mitglieder des
 Vereins holen ehrenamtlich bei den kooperierenden Unternehmen nach
 Ladenschluss diese Lebensmittel ab und verteilen sie weiter. (Kooperation mit
 Alnatura, METRO, Vollcorner, u.v.m.)
 Mit der Lebensmittelretter-App von Too Good To Go können Kund*innen
 überschüssige Lebensmittel vor der Entsorgung retten. App-Nutzer*innen kaufen
 z.B. als eine vom Handel mit unverkauften Lebensmitteln gefüllte
 Überraschungstüte. (Kooperation mit Alnatura, Bio Company, Denn’s Biomarkt,
 Kaufland, Lidl, PENNY, Real, Tegut, u.a.)

                                                                                                9
2.2. Erfassung von Lebensmittelabfalldaten und Verbesserung der
   Datenlage

Lebensmittelabfalldaten waren bisher im deutschen Groß- und Einzelhandel auf
Unternehmensebene noch lückenhaft aufbereitet. Um effiziente Lösungen mit großem
Vermeidungspotenzial zu entwickeln, sind diese Daten von Bedeutung.
Daher beteiligten sich die Mitglieder des Dialogforums daran, im Rahmen ihrer technischen
Ressourcen aussagekräftige Lebensmittelabfalldaten zu erfassen und streben eine
Verbesserung der Datenlage an. Mit der Aggregation, Anonymisierung und Weitergabe der
Daten an das Thünen-Institut können die Unterzeichner*innen Dienstleister wie beispielsweise
das EHI Retail Institute betrauen. Vor einer Veröffentlichung werden die aggregierten und
anonymisierten Ergebnisse den Unterzeichner*innen der Beteiligungserklärung vorgestellt
und erläutert. Die unterzeichnenden Unternehmen beteiligen sich an den im Dialogforum
geplanten Diskussionen und Modellvorhaben zu Datenerhebungsmethoden, sowie an der
entsprechenden Analyse.

Herausforderungen und Lösungsansätze
Auf Abschriftenbasis werden Lebensmittelabfalldaten bereits dokumentiert, doch die genaue
Datenerhebung sowie Datenanalyse wird im Rahmen des Dialogforums diskutiert. Verbesserte
Kenntnisse über Abfälle im Unternehmen ermöglichen es, diese effizienter zu reduzieren und
mögliche Hotspots anzugehen. Die Unterzeichner*innen der Beteiligungserklärung schaffen
durch die Zusammenstellung ihrer Daten dafür die Voraussetzung. Durch die perspektivische
Zurverfügungstellung der Daten können auch weitere Lösungen mit großem
Vermeidungspotenzial entwickelt werden.

                                                                                         10
3. Wahlpflichtmaßnahmen

                          11
3.1. Maßnahmen an den Schnittstellen zu Ihren Lieferanten

3.1.1. Verkauf von Obst und Gemüse mit "Schönheitsfehlern"
Sowohl Politik, Handel als auch die Verbraucher*innen stellen über Vermarktungsnormen und
Qualitätsstandards Ansprüche an Produktqualität und -sicherheit sowie Ästhetik von Obst und
Gemüse. Dabei gehen freiwillige Standards von einzelnen Handelsketten bisweilen noch über
die gesetzlichen Vermarktungsnormen hinaus.

Herausforderungen und Lösungsansätze
In der Anpassung der Vermarktungspraktiken besteht Potenzial zur weiteren Reduzierung der
Verschwendung von geschmacklich und gesundheitlich einwandfreien Lebensmitteln (dbu,
2020). Zwei Herausforderungen sind dafür zu beachten: So besteht zum einen die
Befürchtung, dass viele Verbraucher*innen Produkte nicht kaufen, welche ihren eigenen
ästhetischen Ansprüchen nicht genügen. Das führt zum anderen dazu, dass der Handel
bisweilen sehr wählerisch ist und den Produzenten nicht alle Produkte abnimmt.
Trotz vielfacher Diskussion und Thematisierung auch in neueren Forschungsarbeiten (Schmidt
et al., 2019; Runge und Lang, 2016) scheinen valide und flächendeckende Zahlen und
Untersuchungen speziell zum Einfluss der Vermarktungsnormen und der Rolle des Handels
noch zu fehlen. Allerdings wird angenommen, dass Abweichungen der Unternehmen von
festgelegten Normen/ Standards auch die Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse ohne
jegliche Mängel hinsichtlich Ernährungsqualität und -hygiene erschweren bzw. verhindern.
Zudem wird in der Praxis ein vermehrter Einsatz von klima-und umweltschädigenden
Maßnahmen beobachtet, um den ästhetischen Ansprüchen gerecht zu werden (Ebert et al.,
2020).
Um Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ist bei alledem ein Dialog zwischen den
Interessengruppen unerlässlich, in dem die Verwendung und die Notwendigkeit von
Standards,    Regeln,   Qualitätsvorgaben  und Gewohnheiten        sowie Aspekte       des
Verbraucher*innenschutzes und der Lebensmittelsicherheit kritisch diskutiert werden (Göbel
et al., 2015). Gleichzeitig könnten so auch umwelt- und klimarelevante Aspekte besser
verdeutlicht werden.

Maßnahmen und Lösungsansätze in Handelsunternehmen

 Lockerung der Vorgaben an Lieferanten von Seiten des LEH

 Seit April 2016 vermarktet PENNY deutschlandweit Bio-Obst und -Gemüse, das
 äußerlich nicht immer makellos ist, als „Naturgut Bio-Helden“. Die Bio-Helden
 werden beigemischt und nicht separat verkauft. ALDI SÜD bietet seit Herbst
 2017 Äpfel und Karotten der Klasse II als „Krumme Dinger“ an; HOFER, Teil der
 ALDI SÜD-Gruppe, seit 2018 auch Feldgurken, Zucchini, Tomaten- und Paprika-
 Raritäten. Bei Kaufland werden Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern als "die
 etwas Anderen" extra beworben und präsentiert; bei Netto Nord als "Keiner ist
 Perfekt" verkauft.

 In einem aktuell laufenden Projekt mit der Landwirtschaftskammer Niedersachen
 untersucht    Edeka-Minden-Hannover        mögliche     Einsparpotenziale von
 Lebensmittelverschwendung sowie Stichstoffdünger bei Verzicht auf eigene        Innovative
 Qualitätskriterien für Kohlrabi, Brokkoli, Salat und Blumenkohl.                Maßnahme

 In  store-Tests  werden     2020/21     mit   Vollcorner unterschiedliche
 Vermarktungsoptionen in Verbindung mit kommunikationspolitischen
 Maßnahmen für Äpfel mit Schönheitsfehlern getestet.

                                                                                          12
Verkauf von Produkten aus Permakultur

 Real bietet Obst und Gemüse aus Permakultur ("ungenormt und unperfekt")
 während ihrer natürlichen Erntezeit an. Zunächst hat real eine kleine Auswahl
 aus Produkten aus Permakultur ins Sortiment aufgenommen und erweitert diese
 nun stetig.

 Neue Handelskonzepte, die bereits bei der Ernte aussortiertes Obst und Gemüse
 anbieten

 Der Querfeld.bio Großhandel liefert reines Bio-Obst und Gemüse, das bereits
 aus ästhetischen Erwägungen bei der Ernte aussortiert wird. Sofern die Qualität
 stimmt, geschieht dies unabhängig von II. Wahl, Ausschuss, Verarbeitungs-,
 Industrie- oder B-Ware.

3.1.2. Verbesserung der Zusammenarbeit im Umgang mit Retouren
Im Lebensmittelgroß- und -einzelhandel werden Waren eingekauft, gelagert und
wiederverkauft. Bei der Warenübernahme und der Qualitätskontrolle (aber auch beim
Warenoutput durch Reklamationen der Verbraucher*innen (Hietler und Pladerer, 2019) kann
es dabei zu Retouren kommen. So dient z.B. die genaue Kontrolle bei der Warenübernahme
dazu, auszuschließen, dass beschädigte oder bereits verdorbene Ware übernommen wird.
Allerdings kann es auch vorkommen, dass die Standards über die Annahme und Nicht-
Annahme von Waren nicht ausreichend definiert, kommuniziert und vereinheitlicht sind und
daher Prozessfehler zur Nicht-Annahme führen. Manchmal unterscheiden sich aber auch die
Kriterien zwischen einzelnen Filialen oder Lagern, wenn es darum geht, ob eine Lieferung
angenommen oder zurückgewiesen wird. Auch Warenrückrufe wegen eines Verstoßes gegen
lebensmittelrechtliche Vorschriften sind möglich. Die Rückverfolgbarkeit (sowohl bei der
Überführung als auch in der Lieferkette) eines bestimmten Produkts ist seit 2005 gesetzlich
vorgeschrieben und erfordert gute und schnelle Kommunikation mit allen Partnern in der Kette
(Grunow und Piramuthu, 2013; Gardas et al., 2017).
Auch Praktiken, die grob von den Grundsätzen des guten Geschäftsgebarens abweichen und
einseitig von einem Handelspartner seiner Gegenpartei auferlegt werden (EC 2016, S. 2)
können direkt oder indirekt Lebensmittelabfälle bedingen (Piras et al., 2018). So können
beispielsweise unvorhersehbare Änderungen der Vertragsbedingungen zu einer
Überproduktion führen und unnötige Lebensmittelabfälle verursachen (EC 2016b, S. 4).

Herausforderungen und Lösungsansätze
Wie anhand der Food Use Hierarchy eingangs beschrieben und ganz im Sinne des
Kreislaufwirtschaftsgesetzes, sollte das primäre Ziel sein, Retouren gar nicht erst entstehen
zu lassen, um aufwendigere (Zweit-)Verwertung oder Vernichtung zu vermeiden.
Falls Retouren doch entstehen, können die an die Produzenten zurückgehenden Waren meist
nicht weiterverwendet werden (z.B. wegen mangelnder Frische, abgelaufenem MHD oder aus
lizenzrechtlichen Gründen) und werden daher häufig vom Groß- und Einzelhändler entsorgt.
Mit Retouren muss daher effizient und nachhaltig umgegangen werden. Gute
Lieferbeziehungen und schnelle Prozesse ermöglichen z.B. auch nach einer Retoure die
Weitergabe oder anderweitige Verwendung der Produkte. Der Schlüssel für den Erfolg liegt
darin, die Kooperations-, Koordinations- und Informationsaktivitäten entlang der
Versorgungskette besser zu verzahnen und die jeweiligen Akteure in den Dialog darüber
einzubinden (Gadde und Amani, 2016; Gardas et al., 2017; Muriana, 2017). In diesem
Zusammenhang wird auch zunehmend politisch gefordert, in der Produktions- und
Versorgungskette noch besser zusammenzuarbeiten und damit auch die Wirkungen von
Politiken zu unterstützen, die speziell auf die Reduzierung von Lebensmittelabfällen abzielen
(Piras et al., 2018).
Maßnahmen und Umsetzungsbeispiele

 Verbesserte Kollaboration, Kommunikation mit allen Mitgliedern der Lieferkette und
 effektive Koordinationsmechanismen

 Da Kund*innen der Hello Fresh Kochboxen ihre Mahlzeiten (und damit die jeweiligen
 Zutaten) im Voraus bestellen, kann Hello Fresh gleichfalls von den Lieferanten
 bedarfsgerecht bestellen.

3.1.3. Förderung von Verpackungsinnovationen                    zur   Verbesserung       der
       Haltbarkeit von Produkten
Optimale Verpackungen können die Produktfrische erhalten und die Haltbarkeit verlängern.
Ungeeignete      sowie   beschädigte    Verpackungen       hingegen      können      zu
Lebensmittelverschwendung führen.

Herausforderungen und Lösungsansätze
Eine große Herausforderung liegt hier im Zielkonflikt zwischen dem Anspruch, Verpackungen
– vor allem aus Kunststoff – zu reduzieren, und den Erfordernissen im Hinblick auf Hygiene,
Verbraucher*innen- und Produktschutz. Bei notwendigem Verpackungsbedarf sollten daher
nachhaltigere Alternativen (z.B. erdöl- oder erdgasfrei hergestellt, aus nachwachsenden oder
sekundären Rohstoffen bestehend, rückstandsarm, leichter kompostierbar oder essbar)
(Engelhardt, Brüdern und Deppe 2020) umweltschädlichere Kunststoffe ersetzen. Genaue
Prüfungen    und    Abwägungen        sind    jedoch    notwendig,     auch   da   alternative
Verpackungsmaterialien nur begrenzt und zeitweise verfügbar sein könnten und teilweise im
Anbau auch zu Nutzungskonflikten mit der Nahrungs- oder Futtermittelproduktion führen
könnten.
Der verbesserten Haltbarkeit von Produkten zuträglich können grundsätzlich (wieder-)
verschließbare Verpackungen, luftdichte Verpackungen mit angepasster geschützter
Atmosphäre, aktive Verpackungen, die eine ideale Produktatmosphäre schaffen, und
intelligente Verpackungen sein.
Intelligente Verpackungen geben Auskunft darüber (zum Beispiel durch Farbänderung), ob
sich Fremdsubstanzen in den Lebensmitteln befinden, wenn die Temperatur nicht adäquat ist
(Raak et al., 2017; Verghese et al., 2015) oder ob die bisherige Lagerung optimal verlief. Zur
entsprechenden Kontrolle stehen Technologien und Sensoren zur Verfügung, die für die
Qualitätskontrolle von Lebensmitteln und thermische Kontrolle in Verpackungen und/oder
Anlagen angewendet werden können.
Bei der Weiterverarbeitung im eigenen Betrieb kann unter modifizierter Atmosphäre die
Verwendung von Verpackungen vorteilhaft sein, welche die atmosphärischen Bedingungen der
betreffenden Lebensmittel aufrechterhalten oder kontrollieren können (Jedermann et al.,
2014; Verghese et al., 2015). Fleischwaren sollten zentral unter Schutzgasatmosphäre
abgepackt werden (Kreyenschmidt et al. 2013).
Zudem können kleinere Portionen dazu beitragen, dass Konsument*innen eine
bedarfsgerechte Produktmenge kaufen. Optimiertes Design und Verpackungen mit separaten
Fächern oder Mini-Portionen können sich ebenfalls vorteilhaft auswirken.
Eine wachsende Zahl an Unverpacktläden bieten besonders bei Trockenwaren mit
Abfüllmöglichkeiten eine Alternative zu Verpackungen an. Durch bedarfsorientiertes Abfüllen
von Lebensmitteln tragen sie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung bei
(Smarticular, 2020). Das Konzept kann auch bei Frischwaren verhindern, dass der Inhalt einer
zu großen Packung nicht rechtzeitig verbraucht wird (DUH, 2018). Inzwischen finden sich
Unverpackt-Regale auch in einigen Filialen des Einzelhandels, so dass die Kund*innen
unverpackte Ware zusätzlich zum verpackten Angebot einkaufen können (Tegut, 2020).

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Maßnahmen und Umsetzungsbeispiele

Coating = "zweite Haut"

Das Coating von AgriCoat NatureSeal besteht aus natürlichen Zuckerresten,
Zellulose sowie pflanzlichen Ölen und reduziert die Zellatmung und hält Früchte
länger frisch. Früchte werden mit dem dünnen essbaren Bezug besprüht oder
eingetaucht. (Die REWE Group testet den dünnen essbaren Überzug für Früchte)

Apeel Sciences bildet eine dünne Haut aus essbarem Pflanzenmaterial auf der Schale
oder Oberfläche von Obst. Damit wird Wasserverlust und Oxidation verlangsamt, und
die Haltbarkeit des Produkts verlängert. Die Schutzschicht aus pflanzlichen Fetten
(Lipide) wird aus pflanzlichem Material aus Abfällen der Lebensmittelproduktion
gewonnen. (Kooperation mit Edeka und Netto als deutschen Partnern)

Mehrweg statt Einweg zum Schutz der Produkte

Mehrwegbehälter von IFCO Deutschland aus Kunststoff (Reusable Plastic Containers,
RPCs) für Frischprodukte wie Obst und Gemüse, Fleisch, Fisch, Brot, Eier und
Fertigprodukte können durch eine optimierte Belüftung und ein stabiles Design
zur längeren Haltbarkeit von frischen Lebensmitteln beitragen.

Aktive Verpackungen können das Wachstum von Keimen reduzieren oder unangenehme
Aromen verhindern - und so die Haltbarkeit verpackter Lebensmittel verlängern.

Fraunhofer Institut und SCA Packaging haben mit Fresh fruit+ eine Ethylen
absorbierende Wellpappe zur Lagerung und Verlangsamung des Reifeprozesses
von Obst entwickelt.

Eine   Anti-Feuchtigkeits-Schale,      Verpackungsfolien    und    absorbierende
Technologie bilden das Verpackungssystem Life+. Für geschnittenes Obst oder
Beeren verringert die antibakterielle Verpackung auch den Ethylen-Gehalt.

Intelligente Verpackungen mit Frischeindikatoren

Insigniatechnologies bietet intelligente Etiketten an, die mit Hilfe einer
Farbwechseltechnologie Zeit-Temperatur-Indikatoren zur Verbesserung der Frische
und Qualität von Lebensmitteln hervorheben.

Der Keep-it® Indikator überwacht ständig die Temperaturen, denen ein Produkt
ausgesetzt ist und simuliert speziell für das jeweilige Produkt die Verringerung der
Resthaltbarkeit im Laufe der Zeit. Wenn das Produkt dort gelagert wird, wo es warm
ist, bewegt sich der Indikator schnell, bei kalter Lagerung langsam. Wenn der
Indikator Null anzeigt, ist das Produkt nicht mehr genießbar.

Der Aufkleber U4Food der Firma Polytaksys wird auf Lebensmittelverpackungen
angebracht und reagiert auf Feuchte, Temperatur und Zeit. Eine zuerst
undurchsichtige Folie gibt nach und nach Bild oder Text frei, zum Beispiel
«geöffnet», dann «Genieß mich», dann «Rette mich».

Tools und Verfahren zur Kontrolle und Beeinflussung von Umgebungsveränderungen

Save    Foods      Inc.   verwendet   Wasserstoffperoxid  zusammen   mit
lebensmitteltauglichen Säuren, um die Haltbarkeit von Obst und Gemüse zu

                                                                                       15
verlängern und es zudem zu desinfizieren. Die Produkte können nach der Ernte auf
 die Früchte oder auf frische Fertigsalate aufgebracht werden.

3.1.4. Optimierung der Prozess-, Logistik- und Kühlkette, beispielsweise
       durch     (verstärkte)  Einbindung     von     Lieferanten     in
       Warenwirtschaftssysteme
Das Potenzial für Abfallvermeidung durch geschlossene Kühlketten ist groß: 35 % aller leicht
verderblichen Lebensmittel weltweit landen wegen mangelhafter Kühlung auf dem Müll
(Waskow et al., 2016). Ursachen können fehlerhaftes Transportequipment, aber auch
Platzgründe oder veraltete und mangelnde Kühltechnik im Lager sein. Zudem kann an der
Schnittstelle zu Kund*innen die Kühlkette unterbrochen werden, wenn als sogenannte „Falsch-
Platzierung“ Ware aus dem Einkaufswagen wieder im Regal landet und dort nicht gekühlt wird.
Auf die schwankende, schwer einschätzbare Kundennachfrage und aktionsbedingte
Nachfragespitzen reagiert der Handel mit hohen Lager(rest-)beständen und es ergeben sich
längere Verweildauern, welche jedoch eine weitere Ursache für den Verlust und Verderb von
Lebensmitteln sein können. Auch, weil sogenannte Kannibalisierungseffekte durch
Aktionsware auftreten können: Die Kund*innen greifen zur Aktionsware und andere Produkte
bleiben dafür links liegen (Wyman, 2014). Eine Verringerung von Sicherheitsbeständen, also
der Menge an Produkten, die im Lager vorgehalten werden, um flexibel auf
Nachfrageschwankungen reagieren zu können, eine verbesserte Anpassung der Artikel an die
Bedürfnisse und eine verbesserte Prognose der Nachfrage der Verbraucher*innen kann zur
weiteren Reduzierung von Lebensmittelverschwendung beitragen (Derqui et al., 2016).

Herausforderungen und Lösungsansätze
Auch hier sind Kommunikation und die organisatorische Verzahnung an den Schnittstellen
beim Warentransport durch Zusammenarbeit mit den Logistikpartnern und mit den Lieferanten
notwendig. Zentral sind dabei eine effiziente Nachfrageplanung und eine verbesserte
Prognosegenauigkeit. Digitale Lösungen vereinfachen den Austausch notwendiger Daten
(Wyman, 2014).
Zur Überprüfung der Frische und optimalen Lagerbedingungen von Produkten und der
Gewährleistung der Kühlkette sind der Einsatz von indirekten Frischeindikatoren wie ein
Kühlkettenlabel, mikrobiologische Modellansätze zur Prognostizierung der Entwicklung von
pathogenen Keimen sowie spektroskopische Methoden zur Bestimmung von Keimen und
Keimzahlen möglich (Raab et al. 2008, Kreyenschmidt et al. 2013, Kreyenschmidt 2013,
Kreyenschmidt 2014). Zudem sind "Technologie und Sensoren für die Qualitätskontrolle von
Lebensmitteln" und "Anwendung der thermischen Kontrolle in Verpackungen und/oder
Anlagen" häufig zitierte Praktiken zur Überprüfung von möglichen Unterbrechungen der
Kühlkette. Eine Straffung des Sortiments, um den Frischegrad zu steigern und um die Listung
von Dubletten zu reduzieren, sowie die Erhörung der Umschlaggeschwindigkeit trägt auch zur
Reduzierung von Lebensmittelverschwendung bei (Wyman, 2014). Gute bauliche Planung der
Lager- und Kühlräume in Kombination mit Investitionen in Technologien, welche die genau
benötigten Kühltemperaturen für jedes Produkt individuell, sowie den genauen Warenbestand
(In & Out) wiedergeben können, sind hilfreich, um Lebensmittelverschwendung aufzuzeichnen
und zu verringern.

Maßnahmen und Umsetzungsbeispiele

 Zusammenarbeit mit Lieferanten

 Durch das Marks & Spencer (M&S) Silberfabrik-Programm werden Zulieferer ermutigt,
 Abfall zu reduzieren, wiederzuverwenden und zu recyceln, wo immer dies möglich
 ist, und alternative Verwendungsmöglichkeiten für nicht verwendbare
 Nebenprodukte zu finden. Durch das Lieferantenaustauschprogramm (bei dem
 Gruppen von Zulieferern zusammenkommen, um Wissen auszutauschen) hat das
 Unternehmen die Abfallerfassung erleichtert und Tools zur Verfügung gestellt sowie
 eine Reihe von Umverteilungspartnern eingeführt (Eurocommerce, 2020).

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Verbesserte Zusammenarbeit entlang der Kette

Danone praktiziert gemeinsame Mengenplanung („Joint Forecasting“) mit
Handelspartnern, unter anderem um die Produktfrische zu verlängern, aber auch um
MHD-bedingte Abschriften zu reduzieren. (Kooperation u.a. mit: Coop, REWE)

NORMA      testete  ein   optimiertes     Prognose-Verfahren,   zwecks   höherer
Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage. Je nach MHD der Artikel fanden
nach erfolgter Prognose drei unterschiedliche Dispositionsmodelle Anwendung.

Odyn misst die Dynamik der Lieferkette mit einer Palettenverfolgungslösung, um
Verschwendung zu finden, die Leistung zu verbessern und Variabilität zu reduzieren.
Durch Kombination mit anderen Daten von Drittanbietern wird Kund*innen durch
End-to-End-Sichtbarkeit das Entscheidungsmanagement vereinfacht.

Die OPAL Prognoselösung für Bäckereien und Handel basiert auf KI und
maschinellen Lernverfahren und ist vollständig in den Verkaufs- und
Produktionsprozess integriert. Der BakePlanner hilft Mitarbeitenden durch fertige,
adaptierbare Handlungsempfehlungen. Der Ansatz ist generisch und funktioniert auf
allen Stufen der Lieferkette, ebenso domänen- und branchenübergreifend.

Das REIF-Projekt strebt Minimierung von Überproduktion und Vermeidung von
Ausschuss mit Hilfe von künstlicher Intelligenz an. Tegut ist ein Praxispartner.

Durch Tracking werden Lebensmittel in Echtzeit überwacht – während der Lagerung,
des Transports und im Handel. Dank proaktiver Benachrichtigungen durch
Sensefinity können die Nutzer*innen handeln, bevor ein Lebensmittel verdirbt.

Xsense®-System von BT9 bietet einen ganzheitlichen Ansatz für das
Kühlkettenmanagement. Es überwacht, analysiert und verbreitet proaktiv relevante
Qualitätsdaten und Empfehlungen über die gesamte Kühlkette und vermittelt den
Beteiligten Einblick. Automatisierte Analysen und Berichte befähigen Nutzer*innen,
Kühlkettenprobleme zu erkennen und Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.

Verbesserte Lagerbedingungen

Die Trockennebel-Technologie ‚Dry misting‘ von Contronics erhöht simultan
Feuchtigkeit und Kälte durch Benebelung von Obst und Gemüse und hält damit die
Produkte länger frisch.

It's Fresh! ist ein Ethylenabsorber für Obst und Gemüse, der dazu beiträgt, den
Reifeprozess zu verlangsamen und damit die Haltbarkeit verlängert.

Das italienische Unternehmen Natural Misting für Nebel- und Befeuchtungssysteme
für Frischprodukte bietet Lösungen zur Kontrolle des Gewichtsverlusts, der
Feuchtigkeit, des Ethylen- und Luftkeimgehalts in Supermärkten und Lagerhäusern
an.

PureSpace ist ein Verfahren zur umfassenden Reinigung der Luft, in der Lebensmittel
gelagert werden. Ethylen und Schimmel in der Luft werden zersetzt und so ohne
chemische Behandlung die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängert.

Technische Ermittlung der Frische von Lebensmitteln

Anstelle des MHDs ist die Vision von Tsenso „Fresh-Index“ Lebensmittelscanner ein
dynamisches Echtzeit-Haltbarkeits-Datum, mit dem die Lebensmittelversorgung
wirtschaftlich und ökologisch optimiert werden soll. Ein mobiler Scanner bestimmt
den Reifegrad und die Haltbarkeit des jeweiligen Lebensmittels und dessen

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Inhaltsstoffe. Er erkennt Qualitätsveränderungen frühzeitig und eröffnet alternative
 Verwertungswege für Lebensmittel – bevor sie in der Tonne landen.

3.2. Interne Markt-Maßnahmen

3.2.1. Preisreduzierter Verkauf von Waren mit knappem MHD und von
       Ultrafrischwaren (Brot, Obst und Gemüse) zum Ladenschluss

Unerwartete Nachfrageschwankungen können dazu führen, dass Produkte mit baldigem
Ablauf des MHD, aber auch Ultrafrischwaren, wie Brot, Obst und Gemüse nicht rechtzeitig
verkauft werden. Viele Betriebe bewerben diese Waren rechtzeitig und sorgen mit einer
Preisreduzierung z.B. zu Ladenschluss dafür, dass sie doch noch gekauft und verzehrt werden.

In   Deutschland     obliegt   die   Festlegung   des    MHD      den   verantwortlichen
Lebensmittelunternehmen. Sie bestimmen es nach bestem Wissen und Gewissen anhand von
sachverständiger Expertise selbst (Bundestag, 2019). Zur Gewährleistung einer möglichst
langen Haltbarkeit ohne Beeinträchtigung der Sicherheit oder Qualität und unter
Berücksichtigung von Innovationen (z.B. Strichcodes, dynamische Haltbarkeitsdaten) wird
auch auf europäischer Ebene eine einheitliche Datumskennzeichnung diskutiert. Die EU
Kommission prüft mögliche Optionen zur Vereinfachung der Datumskennzeichnung auf
Lebensmitteln und zur Förderung eines besseren Verständnisses und einer besseren
Verwendung der Datumskennzeichnung seitens aller betroffenen Akteure. Eine spezielle
Untergruppe der EU-Plattform für Lebensmittelverluste und Lebensmittelabfälle zur
Datumskennzeichnung wurde eingerichtet, um mögliche Optionen zu erörtern und die
gesamte Arbeit in diesem Bereich unter Einbeziehung aller betroffenen Akteure zu lenken:
Behörden in den EU-Mitgliedstaaten, Lebensmittelunternehmen, Verbraucherorganisationen
und andere NGOs (EC, 2020).

Herausforderungen und Lösungsansätze

Durch eine ansprechende Warenpräsentation und positive Ansprache der Kund*innen (z.B.
Bananen „Ich bin Single, nimm mich mit“ oder „Ich bin noch gut – 50%“, „Super günstig und
immer noch super lecker“, „Preisvorteil aufgrund begrenzter Haltbarkeit“, „Kurze Haltbarkeit
-30%“ sowie „Zum sofortigen Verzehr reduziert“) kann der Absatz entsprechender Produkte
gefördert werden. Verbraucherorganisationen empfehlen die Lebensmittel am üblichen
Regalplatz sowie nach Produktgruppen sortiert in übersichtlichen Kisten anzubieten, sowie
den reduzierten Preis der Waren nicht erst an der Kasse auszuweisen (VZHH, 2020).
Erforderlich sind dafür jedoch ein rechtzeitiges Aussortieren, personelle Kapazitäten sowie die
entsprechenden infrastrukturellen Gegebenheiten.

Maßnahmen und Umsetzungsbeispiele

 Rabatte für Produkte mit baldigem Ablauf des MHD und für Backwaren vom Vortag

 Rabatte für Produkte mit baldigem Ablauf des MHD und für Backwaren vom
 Vortag werden bereits von zahlreichen Handelsunternehmen angewandt.

 Prognosetools einiger Handelsunternehmen

 Durch ein eigenes Prognosetool in Bäckereien sowie die Weitergabe nicht-
 verkaufter Produkte an lebensmittelrettende Organisationen erreicht Alnatura eine
 nach eigenen Angaben vollkommene Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.
 Bei Produkten mit längerem MHD werden diese rechtzeitig in eine dafür eingerichtete
 Rettungszone im Supermarkt gegeben.

 Lidl hat Vorhersagen zur benötigten Warenmenge optimiert, die u. a. auf
 historischen Abverkaufsdaten beruhen. Für einzelne Artikel wurden Zeitfenster

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definiert, in denen die Artikel nicht mehr vorrätig sein müssen, um gegen
 Ladenschluss nachfrageorientiert verfügbar zu sein.

 Computergesteuerte, dynamische Preisreduzierung

 Die datengestützte Lösung des schwedischen Start-ups Whywaste hilft
 Mitarbeitenden, Produkte, die sich ihrem Verkaufsdatum nähern, zu identifizieren,
 so dass sie markiert und rechtzeitig verkauft werden können. Das digitale,
 speicherbasierte Verfallsdatumsverwaltungssystem wird bisher in acht Ländern
 eingesetzt und hat zu einer 30%igen Abfallreduzierung geführt.

 Die niederländische Supermarktkette Albert Heijn testet eine computergesteuerte,
 dynamische Preisreduzierung und ein elektronisches Preisschild am Regal zur
 Ausweisung des jeweils optimalen Preisnachlasses, mit dem Ziel, am Ende des Tages
 keine unverkäuflichen Waren im Regal zu haben, deren MHD abgelaufen ist. Ein
 Algorithmus berücksichtigt nicht alleine das MDH, sondern auch das Wetter, den
 Vorrat im Geschäft, den bisherigen Verkaufsverlauf des Produktes und andere
 Sonderangebote. Je kürzer die Haltbarkeit, desto höher ist der Rabatt.

 Weitere technische Lösungen zur Preisdifferenzierung bei Angebot von verschiedenen
 Qualitäts- sowie Frischestufen

 Commerso bietet u.a. mobile Online-Lösungen im Laden an für den schnelleren
 Verkauf von Produkten mit kurzer Haltbarkeit, indem diese mit einem mobilen
 Gerät gescannt und mit einem Aufkleber markiert werden.

 Die Foodloop App ermöglicht, Produkte mit baldigem MDH-Ablauf automatisch zu
 rabattieren. Sie informiert außerdem Verbraucher*innen über reduzierte
 Lebensmittel mit baldigem Ablauf des MHD in Supermärkten in der Nähe.

 Die Wasteless Pricing Engine wurde entwickelt, um sich mit Hilfe künstlicher
 Intelligenz an die Kaufgewohnheiten der Kund*innen anzupassen, z.B. durch eine
 dynamische Preisgestaltung von Artikeln mit kürzerem Verfallsdatum.

 Weitere technische Lösungen zum vereinfachten Abverkauf von Produkten mit kurzem MHD

 Die EasyFill GmbH entwickelt, produziert und vertreibt Regalsysteme mit einem
 sogenannten „First-In-First-Out-Abverkaufs-Prinzip“: Das sorgt dafür, dass zuerst
 die Produkte mit der kürzesten Mindesthaltbarkeit verkauft werden.

3.2.2. Nachfrageorientierte Auffüllung des Frischwarenangebots besonders
       zu frequenzschwachen Tageszeiten

Das große Produktangebot gerade im Einzelhandel erschwert bisweilen die optimale Lagerung
insbesondere    von    Frischwaren.      Durch    nachfrageorientierte   Auffüllung     des
Frischwarenangebots – d.h. nicht nur zur Ladenöffnung, sondern über den Tag verteilt - kann
zu Zeiten in denen die Märkte weniger stark besucht werden auch das Angebot reduziert
werden, so dass Produkte länger in der Kühlung bleiben können.

Herausforderungen und Lösungsansätze
Ein nachfrageorientiertes Auffüllen des Frischwarenangebots erfordert entsprechende
personelle Ressourcen. Ein großes Angebot verschiedener, aber auch ähnlicher Produkte
erschwert diesen Prozess. Dieser Warendruck kann durch eine Verkleinerung des Sortiments,
z.B. durch Fokussierung auf sich gut verkaufende Produkte, Aussortierung sich doppelnder
Produkte, aber auch durch die Entscheidung, Bäckereiauslagen kurz vor Ladenschluss nicht

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mehr aufzufüllen verringert werden. Technische Lösungen können helfen das Angebot
bestmöglich an die prognostizierten Verkäufe anzupassen.

Maßnahmen und Umsetzungsbeispiele

 Technische Lösungen zur besseren Prognoseplanung

 Eine Software zeigt automatisch empfohlene Entscheidungen und Analysen in einem
 spezialisierten Cockpit, um den Controlling-Prozess in Bäckereien zu verbessern. Die
 FoodTracks Analyse basiert auf Milliarden von Daten aus Scheckregistern, ERP-
 Systemen       (Systeme    zur    Unternehmensressourcenplanung)         und     der
 Personalverwaltung in Kombination mit externen Faktoren und innovativen
 intelligenten Datenalgorithmen.

 Ein Algorithmus zum maschinellen Lernen prognostiziert den Verkauf von
 Frischprodukten. Der Algorithmus von Foresightsee wird derzeit im Einzelhandel und
 bei einem Lebensmittelhersteller in Belgien und der Schweiz getestet.

 Die Prognoselösung von OPAL für Bäckereien und Handel basiert auf KI und
 maschinellen Lernverfahren und ist vollständig in den Verkaufs- und
 Produktionsprozess integriert. Der BakePlanner hilft Mitarbeitenden durch fertige,
 adaptierbare Handlungsempfehlungen. Der Ansatz ist generisch und funktioniert auf
 allen Stufen der Lieferkette, ebenso domänen- und branchenübergreifend.

3.2.3. Integration       des        Themas       "Reduzierung       von
       Lebensmittelverschwendung"      in Schulungen   bzw.   sonstigen
       Informationen für Mitarbeitende

Die Mitarbeitenden können einen erheblichen Beitrag zu weniger Lebensmittelverschwendung
im Groß- und Einzelhandel leisten (Canali et al., 2016). Gute Kenntnisse über die verschiedenen
Produkte, ihre optimalen Lagerbedingungen und auch über eine adäquate Platzierung und
Darstellung im Laden können die Haltbarkeit verbessern und den Verkauf fördern.

Herausforderungen und Lösungsansätze
Nicht nur fachliche Kenntnisse, auch die Sensibilisierung, das Engagement und
Selbstverständnis der Mitarbeitenden sind wichtig. Schulungen können dies fördern und
zugleich die wahrgenommene Attraktivität des eigenen Arbeitsplatzes steigern, z.B. durch die
empfundene Sinnhaftigkeit der Tätigkeit.

Grundsätzlich ist es sinnvoll, die Vermeidung und Reduzierung von Lebensmittelabfällen zu
einer Unternehmenspriorität zu machen, und eine Betriebskultur zu schaffen, in der die
Mitarbeitenden zu Wort kommen und sich einbringen möchten und können.

Herausforderungen bestehen im Betriebsalltag, der die Einbindung der Mitarbeitenden in die
Schulungsmodule erschwert. Zusätzlich gibt es eine Fülle unterschiedlichster Themen, mit
denen sich Mitarbeitende vertraut machen müssen.

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Maßnahmen und Lösungsansätze

 Schulungen der Mitarbeitenden

 Bei PENNY wurden zum Thema Lebensmittelverschwendung nach REFRESH/CSCP
 train-the-trainer-Konzept Azubi-Schulungen durchgeführt. Daran angelehnt gab es
 2018 einen Ideenwettbewerb mit Azubis zu Tipps gegen Lebensmittelverschwendung
 für Kund*innen. Es gab zudem Schulungen zur MHD-Kontrolle.

 Initiativen zu Reduzierung von Lebensmittelabfällen

 Im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche 2016 hat Metro Cash & Carry Deutschland seine
 Mitarbeitenden     zu    einem    Ideenwettbewerb       zur    Reduzierung  von
 Lebensmittelabfällen aufgerufen und die besten Ideen prämiert.

 Weitere Ideen externer Anbieter

 Das Bündnis Lebensmittelrettung bietet dem Handel Schulungen für Mitarbeitende
 an, damit oft noch genießbare Lebensmittel erfolgreich weitergegeben werden
 können.

 Mitarbeitende können über eine Keynote oder einen Workshop durch Restlos
 Glücklich e.V. zum Thema Lebensmittelverschwendung & -wertschätzung und den
 Einfluss unserer Ernährung auf das Klima sensibilisiert werden, sowie zu den
 Möglichkeiten der Reduzierung von Lebensmittelabfällen im Groß- und Einzelhandel.

 Diese kurzen Handlungsleitfäden für den Handel von WRAP aus Großbritannien bieten
 Einzelhändlern     maßgeschneiderte     Anleitungen   zur    Reduzierung     von
 Lebensmittelverwendung einschließlich der Einbeziehung der Mitarbeitenden,
 Kolleg*innen, Kund*innen und Lieferanten und zeigen, wie die Reduzierung von
 Lebensmittelabfällen den Unternehmen nützen kann.

3.2.4. Maßnahmen zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für die
       Reduzierung von Lebensmittelabfällen in der Kundenkommunikation

In der Bevölkerung besteht Unsicherheit über das MHD und die gesundheitliche
Unbedenklichkeit von Produkten, bei denen das MHD überschritten ist. Hierzu wird bereits an
mehreren Stellen Aufklärungsarbeit geleistet, wie zum Beispiel durch die Label „Oft länger gut“
sowie „Ich halte oft länger als man denkt“ oder „Kostbares retten – riechen, probieren,
genießen“. Auch die Initiative „Zu gut für die Tonne“ der Bundesregierung informiert zu dem
Thema. Um die Lebensmittelverschwendung an der Schnittstelle zu Kund*innen zu reduzieren,
ist teilweise noch weitere Aufklärungsarbeit nötig. Zum Beispiel um zu verhindern, dass
Kund*innen zuerst diejenigen Produkte wählen, die das längste MHD haben. Eine andere
Problematik stellt der Kauf von Portionsgrößen dar, die nicht an die Haushaltsgröße angepasst
sind. Promotionen dieser großen Portionsgrößen seitens der Handelsunternehmen können so
zur Verschwendung im Haushalt beitragen.

Herausforderungen und Lösungsansätze
Eine Herausforderung ist auch die Sensibilisierung der Kund*innen hinsichtlich der
Erwartungshaltungen, das nicht jedes Lebensmittel zu jeder Tageszeit zur Verfügung steht,
um Lebensmittelverschwendung am Ende des Tages zu vermeiden. Interventionen zur
Lebensmittelreduzierung, die auf der reinen Vermittlung von Informationen beruhen, führen
nur bedingt, wenn überhaupt zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung (Cornish, et al., 2019,
Wunder, S. 2019). Sowohl eine Veränderung der Ernährungs- oder Einkaufsumgebung als auch
soziale Normen sollten in das Design der Interventionen integriert werden, damit sie größeren
Einfluss auf die Verhaltensveränderung haben (WBAE, 2020).
Kommunikation an Kund*innen durch Kennzeichnung „Zur Verarbeitung bestimmt“ - eine
Möglichkeit die speziellen Vermarktungsnormen, insbesondere für Äpfel und Birnen, zu
umgehen, ergibt sich durch diese Kennzeichnung. Unter diesem Zusatz kann B-Ware im Handel
angeboten werden, die so nur den allgemeinen Vermarktungsnormen entsprechen muss.

Maßnahmen und Umsetzungsbeispiele

 Kampagnen zur Verbraucher*innen-Aufklärung

 Die "Oft länger gut"-Kampagne von Too Good To Go ermutigt Verbraucher*innen,
 ihre Sinne zur Beurteilung der Haltbarkeit von Produkten einzusetzen (u.a. Bio
 Company, Netto). Auch mit den Hinweisen "Riech mich! Probier mich! Ich bin häufig
 länger gut!" (ALDI Süd), „Ich halte oft länger als man denkt“ (Lidl) und „Kostbares
 retten“ (PENNY) auf Milch- und Molkereiproduktverpackungen regt Konsument*innen
 an, die Haltbarkeit des Produktes zusätzlich subjektiv zu beurteilen.

 In Zeiten eines ausufernden Konsums ruft die Bio Company Kund*innen mit der
 Kampagne „Kauf weniger“ dazu auf, weniger und damit bewusster zu konsumieren
 - für mehr Nachhaltigkeit.

 Förderung des Verbraucher*- und Kund*innen-Wissens

 Verbraucher*innensensibilisierung zu Abfallreduzierung und Tipps für bessere
 Planung beim Kochen, Portionieren, Einkaufen und Lagern von Lebensmitteln, die
 kreative Reste-Küche sowie den richtigen Umgang über soziale oder Print-Medien, am
 Point of Sale oder über (Instore-)Radio und Film ist bereits Standard bei der Mehrheit
 der Unternehmen.

 Über    Kundenseminare     werden   Ideen    und    Ansätze   zur  nachhaltigen
 Betriebsoptimierung an Kund*innen der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung
 weitergegeben    (Chefs   Culinar), konkret    z.B.   zu   Küchenplanung    und
 Prozessoptimierung oder zu einem entwickelten Tool für die Menüplanung
 (Transgourmet).

 Mitmach- und Aufklärungsaktionen

 Restlos Glücklich e.V. bietet als Mitmach-/Aufklärungsaktion eine „Markt der
 Lebensmittelwertschätzung“-Roadshow auf dem Supermarkt-Parkplatz an, um
 Endverbraucher*innen aktiv in die Herstellung von kleinen Gerichten einzubinden und
 interaktiv Wissen zu nachhaltiger Ernährung zu vermitteln.

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