Landwirtschaft in der Stadt 1950 bis 2050: Vom Schrebergarten zum Skyfarming
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Inhalt Einführung 3 Städtische Landwirtschaft – Herausforderungen und Potenziale 6 Landwirtschaft spielt wichtige Rolle bei Transformation der Städte 10 Urban Gardening in Berlin – am Wandel teilhaben, Wandel mitgestalten 14 Prinzessinnengarten Berlin – partizipative Stadtentwicklung im Tetrapak 17 »Urban Agriculture ist keine Nebensache« 22 Frauenpower dank Kühen, Hühnern und Gemüse 25 Voll im Trend – Community Gardening in New York City 28 Zeitvertreib oder wirtschaftliche Basis? – Anforderungen an und Herausforderungen für Urban Agriculture 29 Rooftop Farming oder: Wenn das Dach zum Garten wird 31 Reis aus dem Hochhaus – mehr als eine Utopie? 36 Wohlbefinden und Akzeptanz – die neuen Technologien treffen auf wohlwollende Skepsis 39 Für GIZ zunehmend wichtiges Thema 41 Die Videoclips 42
2 Impressum Einführung 3 Als Bundesunternehmen unterstützt die GIZ die deutsche Bundesregierung bei der Erreichung Das Symposium Landwirtschaft in der Stadt ihrer Ziele in der Internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung. von 1950 bis 2050: Vom Schrebergarten zum Skyfarming beleuchtete unterschiedliche Herausgeber Modell städtischer Landwirtschaft. Angefangen Deutsche Gesellschaft für von deutschen Schrebergärten der 1950er Jahre Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH über aktuelle Beispiele aus Entwicklungs- und Schwellenländern bis hin zu agrartechnologischen Sitz der Gesellschaft Zukunftsvisionen wurde den Teilnehmen Bonn und Eschborn die Bandbreite städtischer Landwirtschaft präsentiert. Vorträge, Präsentationen und Friedrich-Ebert-Allee 40 Interviews wechselten sich mit Videoclips ab, die 53113 Bonn Impressionen städtischer Landwirtschaft aus aller Telefon: +49 228 44 60-0 Welt zeigten. Fax: +49 228 44 60-17 66 Wie lassen sich die bisherigen Ansätze fördern Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5 und weiterentwickeln? Wie realistisch sind 65760 Eschborn »konkrete« Utopien wie das Skyfarming, bei dem Telefon: +49 61 96 79-0 sich Megastädte in Zukunft aus mehrstöckigen Fax: +49 61 96 79-11 15 Gewächshäusern mit Grundnahrungsmitteln versorgen? Dies waren die zentralen Fragen, E-Mail: info@giz.de denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Internet: www.giz.de Veranstaltung in den Diskussionen nachgingen. Verantwortlich: Abteilung Ländliche Entwicklung und Agrarwirtschaft Die vorliegende Dokumentation gibt einen (E-Mail: rural.development@giz.de) Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diskussion zu städtischer Landwirtschaft. Autor / Redaktion: Beate Wörner (Autorin), Martina Wegner, Caroline Schäfer, Sie zeigt die Herausforderungen und Oliver Hanschke (Redaktion) Chancen auf, die mit dieser Form der Nahrungsmittelproduktion verbunden sind. Fotonachweise: Und nicht zuletzt spiegelt sich in ihr auch die Umschlaginnenseiten: © GIZ / Ostermeier; Seite 4: AVRDC - The World Vegetable Center; entwicklungspolitische Auseinandersetzung mit kleines Bild: Youtube; Seite 12: Prinzessinnengärten; kleines Bild: Youtube; Seite 20: AVRDC - dem Thema. The World Vegetable Center; kleines Bild: GIZ; Seite 34: dpa; kleines Bild: Youtube; Seite 40: dpa Gestaltung: FLMH | Labor für Politik und Kommunikation. www.flmh.de Druck: sprintout. www.sprintout-berlin.de Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier, nach FSC-Standards zertifiziert Eschborn, September 2012
»Die Städte werden ländlicher werden Lidewij Edelkoort, Trendforscherin aus Paris 4 5 und die ländlichen Gebiete städtischer.«
Städtische Landwirtschaft – In Ländern, in denen die Frauen in ihrer per- sönlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit Städtische Landwirtschaft ist auch ein guter Biomüll-Verwerter. Statt auf die Mülldeponie zu 6 Herausforderungen stark eingeschränkt sind, kann städtische Land- wirtschaft zu ihrem Empowerment beitragen. Ein Beispiel dafür ist Afghanistan. Dort fördert die wandern, werden die organischen Abfälle kompostiert und als Dünger genutzt. Das spart zum einen wertvolle Ressourcen, zum anderen 7 und Potenziale GIZ in den Provinz- und Distrikthauptstädten im Norden des Landes städtische Landwirtschaft speziell für Frauen. Durch ihre wirtschaftliche Tä- gelangt so weniger klimaschädliches Methan aus den Mülldeponien in die Atmosphäre. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse. tigkeit können sie sich untereinander vernetzen, All diese positiven Umweltwirkungen im ihr Status in der Gemeinschaft steigt. Vor allem Verbund mit der Schaffung von Einkommen und aber verdienen sie Geld durch den Verkauf von Arbeit sind daher bereits für viele Stadtverwaltun- Landwirtschaft und Stadt, das ist kein Gegensatz, im eigenen Garten an. Kleingärten oder Schre- Gemüse und Milch und bessern damit das Fami- gen Grund genug, die städtische Landwirtschaft obwohl es auf den ersten Blick vielen etwas bergärten waren gerade auch nach dem Zweiten lieneinkommen auf. Diese Entwicklung brachte zu fördern. Das ist ein großer Schritt vorwärts, befremdlich erscheinen mag. Landwirtschaft und Weltkrieg heiß begehrt. Eine Familie, die einen den Frauen mehr Mitspracherechte in der Fami- denn bis in die jüngste Vergangenheit wurde Stadt sind vielerorts eine Symbiose miteinander solchen Garten hatte, konnte sicher sein, dass sie lie, aber auch in der Gemeinschaft. Die nutzen sie Landwirtschaft in der Stadt ignoriert oder besten- eingegangen, selbst wenn Städte bislang das ganze Jahr mehr zu essen hatte. und setzten sich für eine bessere Ausbildung ihrer falls toleriert. Rechtsicherheit genoss sie bislang meist nur als Ansammlung von Verbrauchern In den Schwellen- und Entwicklungsländern Töchter ein. nicht. wahrgenommen werden. Produziert werden erfüllen die Gärten und landwirtschaftlichen die Nahrungsmittel auf dem Land und dann in Flächen in und um die Stadt auch heute noch Gut für die Umwelt Integration und Teilhabe an der die Stadt transportiert, oft über tausende von diese Funktion. Die Erzeugung von zusätzlichen Stadtentwicklung Kilometern. hochwertigen Nahrungsmitteln und zusätzlichem Unbestritten ist, dass städtische Landwirtschaft Einkommen steht hier im Vordergrund der land- auch einen Umweltnutzen hat. Reduzierung der Städtische Landwirtschaft wirkt integrativ. Das Städtische Landwirtschaft ist nichts Neues wirtschaftlichen und gärtnerischen Aktivitäten. Transportwege, Speicherung von Kohlendioxid gilt sowohl für Entwicklungs- als auch für Indus- und Katastrophenvorsorge sind einige der positi- trieländer. In den Metropolen der Entwicklungs- Aber das war nicht immer so. Auch nicht in den Ernährungssicherung und zusätzliches ven Umweltaspekte. Werden Steilhänge agroforst- länder hilft sie den Menschen, die vom Land in Industrieländern. Bis weit in die zweite Hälfte des Einkommen wirtschaftlich genutzt, beugt das bei starken Re- die Stadt kommen, sich besser und schneller zu- 20. Jahrhunderts hinein bauten viele Städter auch genfällen Hangrutschen vor. Auch die Folgen von rechtzufinden und soziale Kontakte in der neuen bei uns in Deutschland ihr Obst und Gemüse Arme städtische Familien in Entwicklungsländern Überschwemmungen werden gemildert. Wird in Umgebung aufzubauen. Sie bietet den Menschen geben rund 60 Prozent ihres Einkommens für tiefer gelegenen Gebieten in der Stadt und um einen gewissen Halt. Es ist ihnen möglich, das Nahrungsmittel aus, Preissteigerungen treffen die- die Stadt Landwirtschaft oder Gartenbau betrie- zu machen, was sie am besten können, nämlich se Gruppe besonders hart. Städtische Landwirt- ben, bleiben diese Flächen frei von Besiedlung Landwirtschaft. Beispielsweise sind in Lima 90 schaft kann diese Folgen abmildern und darüber durch Häuser. So kommen im Katastrophenfall Prozent derer, die städtische Landwirtschaft be- hinaus eine wichtige Einkommensquelle sein. keine Menschen zu Schaden. Außerdem ver- treiben, zugewanderte Bauern aus dem umgeben- Vielerorts liegt der Gewinn über dem gesetzlichen bessern Grünflächen das städtische Mikroklima den Hochland. Mindestlohn. Bereits heute wird rund ein Fünftel und leisten einen Beitrag zur Resilienz gegenüber der Nahrungsmittel, die in den Städten benötigt Klimaveränderungen. Insbesondere wird so der Integration ist auch in den Industrieländern eine werden, in diesen selbst und in ihrer näheren Temperaturanstieg innerhalb der Städte etwas sehr wichtige Funktion der städtischen Landwirt- Umgebung produziert. Vor allem die städtischen gemildert. schaft und des urbanen Gärtnerns. Beispielsweise Armen erzeugen etwa drei Viertel ihrer Nah- für den Prinzessinnengarten in Berlin. Er ist 2009 rungsmittel selbst. am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg aus einer privaten Initiative heraus entstanden und hat sich innerhalb kürzester Zeit zum Mittelpunkt für die Bewohner ringsherum entwickelt. Hautfarbe, Nationalität, gärtnerisches Wissen und Können, das alles spielt keine Rolle. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Machen und Gestalten. Nicht nur des Gartens, sondern auch des Stadtviertels.
Es ist diese Teilhabe an der Stadtentwicklung, Städtische Landwirtschaft konzentriert sich der- das Mitbestimmen darüber, wie das eigene Le- zeit auf den Anbau von Gemüse und Obst sowie bensumfeld aussieht, was die »Stadtgärtner« und auf die Tierhaltung. Grundnahrungsmittel wie »Stadtbauern« in Industrieländern schätzen. So Noch ist Landwirtschaft im Allgemeinen und Weizen, Mais oder Reis werden nicht angebaut. qualitativ hochwertiges Trinkwasser verwendet 8 ziehen zum Beispiel inzwischen verstärkt junge auch städtisches Gärtnern an Boden gebunden. Noch nicht – aber wissenschaftliche Modelle wird. Inzwischen wird auch an der Nutzung von 9 Menschen nach Detroit, weil sie auf den Brach- Doch die Agrarflächen werden knapp. Seit Mitte hierfür gibt es schon, wie von der Uni Hohen- Abwässern für die Pflanzenbewässerung geforscht, flächen Landwirtschaft betreiben und gärtnern des vergangenen Jahrhunderts hat sich die welt- heim vorgestellt. Skyfarming, die Produktion denn dies wäre eine Alternative zu kostbarem und können. Und zwar so, wie sie es wollen. Die Stadt weit verfügbare Ackerfläche pro Kopf etwa hal- von Grundnahrungsmitteln in Hochhäusern, ist kostspieligem Trinkwasser. Doch die Verwendung hat genügend freie Flächen. Seit Jahren schon lei- biert, und sie wird noch weiter abnehmen. Auch ein solches. Die Flächenerträge könnten 40-mal von Brauchwasser ist problematisch, denn es ist, det sie unter Bevölkerungsschwund, die Industrie die landwirtschaftlichen Erträge steigen nur noch höher sein als die derzeitigen auf den Feldern. wenn überhaupt, meistens nur unzureichend ist teilweise abgewandert. langsam, vor allem bei Grundnahrungsmitteln. Allerdings ist der Getreideanbau im Hochhaus gereinigt und daher hygienisch bedenklich. Um Daher suchen die Wissenschaftler nach anderen noch nicht mehr als ein wissenschaftliches Modell dieses Potenzial für die städtische Landwirtschaft Die Stadtverwaltung ist froh über ihre neuen Lösungen. der Universitäten. Viele Fragen sind noch offen, zu nutzen, braucht es klare Regelungen, techni- Bürger. Von den Flächen trennen will sie sich der zusätzliche Forschungsbedarf ist immens. sche Systeme zur Aufbereitung, zuverlässige Kont- allerdings nicht, sie bleiben nach wie vor in Die Zukunft hat bereits begonnen Doch die Forscher versprechen sich ein gewaltiges rollen und vor allem auch private Investitionen. städtischem Besitz. Das ist ein Problem, mit Innovationspotenzial vom Skyfarming. dem alle leben müssen, die in Großstädten wie Rooftop Farming ist solch ein neues Modell. Auch die städtische Tierhaltung stellt Entwick- Berlin, Detroit oder auch New York städtische Dabei werden auf den Dächern bereits bestehen- Herausforderungen sind lungsplaner und Gesundheitsexperten vor Her- Landwirtschaft betreiben. Sie sind nur Zwischen- der Gebäude Gewächshäuser gebaut, in denen Wasserverbrauch und Tierhaltung ausforderungen. Die Tierhaltung ermöglicht häu- nutzer, wenn die Kommunalverwaltung eine dann Gemüse gezogen wird. Wasser- und Ener- fig vor allem Frauen ein zusätzliches Einkommen. andere, finanziell oft profitablere Verwertung für giekreisläufe sind integriert, die Gewächshäuser Ohne weitere Forschung werden die mit städ- Das enge Zusammensein von Mensch und Tier die Grundstücke findet, ist dies das Aus für die sind ressourceneffizient und umweltfreundlich tischer Landwirtschaft verknüpften besonderen wird jedoch von Verwaltungen oft kritisch gese- Gärten mitten in der Stadt. Entsprechend kurz – und sie haben Potenzial. Modellrechnungen des Herausforderungen nicht zu meistern sein. Das hen. Grund ist die erhöhte Übertragungsgefahr sind auch die Pachtzeiten, die Planungssicherheit Fraunhofer Instituts für Umwelt, Sicherheit und gilt nicht nur für Zukunftsmodelle wie Rooftop- von Tierkrankheiten auf den Menschen. ist gering. Trotzdem geht der Trend dahin, solche Energietechnologie (UMSICHT) haben ergeben, und Skyfarming. Im Blick haben Forscher und Gärten auf kommunalen Grundstücken kommer- dass die Erträge etwa 10- bis 20-mal höher liegen Praktiker den teilweise beträchtlichen Wasser- Städtische Landwirtschaft ziell zu betreiben. Das ist in New York ebenso der als bei der bodenbasierten Landwirtschaft. So las- bedarf im Gartenbau, zumal vielerorts fast nur allein reicht nicht Fall wie in Berlin. Gleichzeitig gehen die Groß- sen sich beispielsweise auf einer Fläche von 1.000 städte dazu über, das urbane Gärtnern in groben Quadratmetern pro Jahr 45.000 Kilogramm Ge- Als primäres Instrument zur Bekämpfung des Zügen zu regeln; auch, um eingreifen zu können, müse erzeugen, das entspricht dem Jahresbedarf Hungers ist städtische Landwirtschaft derzeit wenn sich hier Wildwuchs breitmacht. von 4.000 Menschen. Auch der Umwelteffekt nur eingeschränkt tauglich. Die Reduzierung der wäre beachtlich. Würden alle dafür geeigneten Nachernteverluste oder die Steigerung der klein- Städtische Landwirtschaft spart Flachdächer in Deutschland für Rooftop Farming bäuerlichen Produktion in Entwicklungsländern genutzt, würden 28 Millionen Tonnen Kohlen- dürfen nicht aus den Augen verloren werden. knappe Ressourcen dioxid gebunden. Das entspricht 18 Prozent des Beides sind Möglichkeiten, schon kurzfristig die jährlichen CO2-Ausstoßes des deutschen Straßen- verfügbare Nahrungsmittelmenge zu steigern. Städtische Landwirtschaft hat Potenzial. Das verkehrs. Hier engagiert sich die deutsche Entwicklungszu- gilt für Entwicklungs- wie für Industrieländer sammenarbeit schon seit vielen Jahren erfolgreich. gleichermaßen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts Will man die städtische Landwirtschaft wieder werden fast drei Viertel aller Menschen in Städten stärker fördern, wird es notwendig sein, die Be- leben. Die täglich benötigten Lebensmittel aus reiche Energie, Wasser und Ernährungssicherung weit entfernten Agrarregionen in die Metropolen so miteinander zu verknüpfen, dass die städtische zu bringen ist allein schon eine logistische Her- Landwirtschaft wasser- und energieeffizient pro- ausforderung. Nicht zu vernachlässigen ist auch duziert. Dies ist auch der Gedanke des neuen der Verbrauch fossiler Energie für den Transport Nexus-Ansatzes, den die Bundesregierung inter- und die Kühlung der Waren, damit diese in national stark vorantreibt. Strategische Allianzen genießbarem Zustand beim Endverbraucher an- und fachübergreifende Planungen können dabei kommen. Gerade in Entwicklungsländern ist dies helfen, das Potenzial der städtischen Landwirt- ein enormes Problem. schaft voll auszuschöpfen.
»Die Zukunft hält noch viele Entwicklungen für uns bereit, die wir heute nur teilweise absehen können«, sagte Joachim Prey zu Beginn des Sym- posiums und fuhr fort: »Die Untergangsszenari- 10 en, die sehr häufig skizziert werden in Bezug auf 11 Weltbevölkerung, Wachstum, Nahrungsmittel- knappheit oder Katastrophen müssen aber nicht eintreten.« Es gebe auch andere Zukunftsvisio- nen. Ob wir diese erreichen, hänge stark davon ab, wie wir uns bereits heute darauf vorbereiten. Städtische Landwirtschaft ist nicht neu. Sie »Die Weltbevölkerung nimmt zu und will ernährt Funktionen. So biete sie beispielsweise Raum für gewinnt aber angesichts der rasant zunehmen- werden. Insbesondere die städtische Bevölke- Naherholung oder leiste einen Beitrag zur An- rung.« Die Verstädterung nimmt zu, in 30 bis 50 passung an den Klimawandel. Doch, so betonte den Urbanisierung und der weiterhin wachsen- Jahren werden zwischen 60 und 70 Prozent der er, städtische Landwirtschaft könne noch mehr. Weltbevölkerung in Städten leben, so die Prog- Nämlich einen Lösungsbeitrag leisten zu Proble- den Weltbevölkerung neue Bedeutung. Für die nosen. Die meisten dieser Menschen werden in men, die die Städte vor große Herausforderungen Ländern leben, in denen die Ernährungssicher- stellen. Dazu gehören Transport, Wassereffizienz ärmere städtische Bevölkerung dient sie der heit ihrer Bevölkerung schon heute nicht gewähr- und Abfallverwertung. Die Integration von Mi- leistet ist.. granten ist ebenfalls ein spannendes Thema, das Ernährungssicherung und bringt zusätzliches sich in unserem eigenen Land abspielt. Städtische Landwirtschaft Einkommen. Migranten hilft sie bei der Integra- gab es schon immer Städtische Landwirtschaft und der Nexus Ernährung – Wasser – Energie tion. Sie hat ökologische Funktionen und nicht Städte würden bisher meist als Agglomerationen von Konsumenten wahrgenommen, die sich »Städte befinden sich in Transformation«, betonte zuletzt leistet sie auch einen aktiven Beitrag von dem ernähren, was auf dem Land produ- Joachim Prey. »Und sie haben, das hoffen wir, ziert und dann in die Stadt transportiert wird. die unterschiedlichen Funktionen und Beiträge zur Transformation der Städte zu mehr Nach- »Dabei wird übersehen,« so der stellvertretende verstanden, die städtische Landwirtschaft leisten Leiter des Fach- und Methodenbereichs der GIZ, kann.« Er hoffe, die Städte würden künftig die haltigkeit, wie Joachim Prey, Leiter des Fach- »dass städtische Bevölkerung weltweit und schon urbane Landwirtschaft gezielt fördern. immer Gemüseanbau und Viehhaltung in viel- und Methodenbereichs der GIZ, hervorhob. fältigsten Formen betrieben hat.« Die gängigsten »Mit dem Symposium Landwirtschaft in der Motive seien Selbstversorgung und Ernährungs- Stadt von 1950 bis 2050: Vom Schrebergarten zum sicherung. Dies treffe vor allem auf arme Bevöl- Skyfarming greifen wir den Nexus Ernährung – kerungsgruppen zu oder auf Gesellschaften in Wasser – Energie auf, den die Bundesregierung Krisensituationen. »Auch wenn es bei städtischer seit 2011 propagiert. Wie kann Nahrungsmittel- Landwirtschaft nicht um flächendeckende Pro- produktion wasser- und energieeffizient gestaltet Landwirtschaft spielt duktion von Grundnahrungsmitteln geht, so ist doch anerkannt, dass Gemüse, Fleisch und Milch einen wichtigen Beitrag zur Eiweiß- und Vita- werden?« In Städten, so Prey, biete insbesondere die Nähe von Produktion und Konsum große Chancen für die Beantwortung dieser Frage. wichtige Rolle bei Transformation minversorgung der Familien leisten.« Ein anderes Motiv sei das der Beschäftigung und der Städte [Clip 1] der Schaffung von Einkommen. Auch soziale Fak- toren spielten eine Rolle. Darüber hinaus habe, so Prey, städtische Landwirtschaft auch ökologische
12 13 »Ein Schrebergarten ist ein Rückzugsraum. Marco Clausen, Mitbegründer des Prinzessinnengartens Berlin Wir dagegen wollen den ständigen Dialog mit der uns umgebenden Stadt.«
Urban Gardening »Urbanes Gärtnern ist im Trend. Wenn wir vor zehn Jahren in Berlin gefragt hätten, was braucht diese Stadt, dann hätte jeder gesagt, wir brauchen ker. Das neue Grüne Leitbild Berlins trägt der Tatsache Rechnung, dass sich die Ansprüche und Erwartungen der Bevölkerung gewandelt haben. 14 in Berlin – am Wandel teilhaben, Grün. Heute wäre die Antwort vermutlich: wir brauchen Gärten. Und damit ist ein qualitativer Sprung verbunden, denn Gärtnern heißt, ich will Gleichzeitig trägt es den Eigenarten des Berliner Grüns Rechnung. Seinen Parks, Friedhöfen, Wäl- dern, Gartenanlagen, Baudenkmälern und Frei- 15 Wandel mitgestalten [Clips 2-5] etwas selber tun. Ich möchte in dieser Stadt zu einem Mitwirkenden werden. Das ist ein hoher partizipativer Anspruch.« Und sie wies noch auf flächen, um nur einige zu nennen. »Als neuesten Begriff haben wir das Thema produktive Land- schaft eingeführt. Damit haben wir uns auf ein eine andere Besonderheit der Urban-Gardening- gewagtes Gebiet begeben, denn unter produktiver Berlin hat eine aktive Urban-Gardening-Szene. Bewegung hin – das Gemeinschaftserlebnis. Landschaft verstehen wir vieles mehr«, erläuterte War früher der Garten ein Rückzugsort für den die Leiterin der Arbeitsgruppe Urban Open Space Das Land trägt dieser Entwicklung mit sei- Einzelnen, so ist Garten heute eine Möglichkeit, Management. »Es geht also nicht nur alleine um Gemeinschaft zu erleben, »sich selbst wahrzuneh- die Produktion von gärtnerischen Sachen.« nem neuen Grünen Leitbild Rechnung und men und in einer Gemeinschaft demokratische Prozesse neu zu finden.« Berlin gibt jährlich 50 Millionen Euro für die unterstützt auch aktiv verschiedene Projekte. Pflege und Unterhaltung seines Grüns aus. Das Vom Landschaftsprogramm sind rund 60 Cent pro Quadratmeter, rechnete Viele von ihnen sind als Zwischennutzung auf zum Grünen Leitbild die Verwaltungsfrau vor. Daher suche das Land nach neuen, innovativen Ideen, unter anderem Flächen angesiedelt, die derzeit entweder nicht Ungefähr die Hälfte der Fläche Berlins ist Wald, setze es dabei auch auf die Unterstützung durch öffentliche Grünfläche, landwirtschaftliche Fläche bürgerschaftliches Engagement. Die Urban-Gar- anderweitig nutzbar sind oder erst in näherer und Wasser. Bereits seit den 80er Jahren des ver- dening-Bewegung ist für sie solch bürgerschaft- gangenen Jahrhunderts plant Berlin systematisch liches Engagement und wird daher vom Land Zukunft anderweitig genutzt werden. Urban die Nutzung und Entwicklung seiner Grünflä- unterstützt. chen. Arten- und Naturschutz, Landschaftsbild, Gardening ist Teil des Wandlungsprozesses, Erholung und Freiraum und deren Verbesserung Zwischennutzungskultur wird standen im Mittelpunkt, die Verwaltung ging zur Massenkultur den die Stadt Berlin durchläuft. Es ist vor vom vorhandenen Bestand und der bestehen- den Struktur aus. Doch dieses Programm »trägt Im Gegensatz zu den landwirtschaftlichen Flä- allem aber auch eine neue Art der Teilhabe an nicht mehr, daher haben wir versucht, ein neues chen und den Kleingartenanlagen liegen die Ur- Leitbild für Berlin zu schaffen«, so Ursula Ren- ban-Gardening –Projekte nicht an der Peripherie Entscheidungen und bei der Mitgestaltung der der Stadt, sondern mitten drin. Das prägt auch das Miteinander von Verwaltung und den »neuen Entwicklung der Stadt. Akteuren in der Stadt«, wie Renker sie nennt. »Es geht natürlich um eine Imagebildung von Stand- orten, die wir zurzeit überhaupt nicht vermarkten können. Dann um das Entfalten ortsspezifischer Dem Land Berlin ist dieses bürgerschaftliche Qualitäten, um zu zeigen, was man überhaupt an dem Ort machen kann. Es geht um das Nutzen Engagement hoch willkommen, wie Ursula Renker deutlich machte. Sie leitet die Arbeits- gruppe Urban Open Space Management bei der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.
lokaler Ressourcen, darum, Stadtgemeinschaf- Seit Sommer 2009 hat der Moritzplatz in ten zu bilden für soziale Stadtstrukturen und die Selbstwahrnehmung des einzelnen in einer Berlin-Kreuzberg eine radikale Wandlung medialen Welt. Und nicht zuletzt geht es um die 16 Frage, wird die Zwischennutzungskultur zu einer durchgemacht. Aus einer ungenutzten Brachflä- 17 Massenkultur?« che wurde ein großer Nutzgarten mit Blumen Berlin hat inzwischen einige Urban-Gardening- Gartenpforten zugesperrt haben. Damit haben sie Projekte. Zum Beispiel die Tempelhofer Freiheit, überhaupt nicht gerechnet. Sie haben auch nicht und Gemüse. Ein lebenswerter Ort für die entstanden auf dem ehemaligen Flughafen mit- verstanden, was mit ihnen passiert. Und jetzt ten in Berlin. Das Gelände ist rund 300 Hektar müssen wir ganz vorsichtig wieder anfangen«, gesamte Nachbarschaft. Das Charakteristische: groß, hier soll einmal ein Park entstehen. Bis berichtete Ursula Renker. es soweit ist, werden Teile des Geländes ander- Der gesamte Garten ist mobil. Dafür sorgen die weitig genutzt. Unter anderem ist hier auch ein Es geht nicht ohne Regelungen Gartenprojekt entstanden. Wegen der im Boden Kisten, Säcke, Tetrapaks und andere Behälter, vorhandenen Altlasten darf nicht im Boden Der Prinzessinnengarten ist ein weiteres Projekt, direkt gegärtnert werden, die Beete müssen auf mitten in Kreuzberg, am Moritzplatz. Der Betrei- die als Pflanzgefäße dienen. Getragen wird der Unterkonstruktionen angelegt werden. Die Gär- ber ist die gemeinnützige Gesellschaft Nomadisch ten und Beete sind begehrt, auf der inzwischen Grün. Für die Senatsverwaltung, so Renker, sei Prinzessinnengarten von der gemeinnützigen geschlossenen Warteliste stehen 250 Personen. dieser Name Programm. Sie versteht ihn so, dass Bei der Verwaltung gibt es Überlegungen, das die Urban Gardener bereit sind, weiterzuziehen, GmbH Nomadisch Grün. Projekt in die Internationale Gartenausstellung wenn das Land das Grundstück verkauft, wie 2017 zu integrieren. es geplant ist. Damit verbunden ist für Ursula Ein anderes Projekt ist ein interkultureller Garten am Potsdamer Platz-Gleisdreieck. Er ist Bestand- Renker die Frage nach dem Regelungsbedarf von Urban Gardening, denn ganz ohne gehe es nicht. »Gibt es nicht doch den Wunsch, zu bleiben, Prinzessinnengarten Berlin – teil eines Parks und wurde vonFrauen aus Südost- europa, die im Laufe des Balkankriegs Anfang der 1990er als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, weil ein Garten doch Wurzeln hat? Wurzeln in die Nachbarschaft. Weil die Gärtner den Wunsch haben, das zu ernten, was sie gepflanzt haben.« So partizipative Stadtentwicklung angelegt. Da sie zum Park gehören, sollten die Gärten als Naturerlebnisraum auch öffentlich zugänglich sein. Diese Initiative wurde in der unterschiedlich Kleingärten und Urban Gardens auch sind, sie konkurrieren um die begrenzte Fläche, die ihnen in Berlin zur Verfügung steht. im Tetrapak [Clips 6-8] Öffentlichkeit bekannt und zog viele Interessierte an. »Aber als die Menschen alle kamen, haben Urban Gardening ist Teil des Wandlungspro- die Frauen so einen Schreck gekriegt, dass sie ihre zesses, den die Stadt Berlin durchläuft und mit Elena Brandes ist die Koordinatorin des Prin- »Laborprojekten« aktiv unterstützt. »Ich glaube, dass es für das Land Berlin letztendlich um einen zessinnengartens Berlin. Sie spricht mit Tanja partizipativen Ansatz geht, in der Stadtgesell- schaft wieder ein Bewusstsein für echte Teilhabe Busse über das Projekt, über seine Vorteile und zu gewinnen.« über seine Probleme.
Tanja Busse: Beispiel Milchtetrapaks. Wir kompostieren selber Tanja Busse: Und allgemein würden wir uns von der Stadt 18 Welche Idee steht denn hinter dem und wir ziehen unsere Samen selber. Wir wollen Was würde sich denn so ein Garten von der wünschen, dass sie für solche Projekte einen Rah- 19 Prinzessinnengarten? so autark wie möglich sein. Stadtverwaltung wünschen? Was braucht man men schafft, damit sie Fuß fassen können. Es gibt von der Stadtentwicklungsbehörde, die ja natürlich viele Konflikte und es ist kompliziert. Elena Brandes: Tanja Busse: grundsätzlich dem ganz offen gegenübersteht. Ich weiß, dass sie positiv gesonnen ist. Good will Wir wollen ein paar Dinge wieder selber in die Was passiert, wenn ein Investor dieses schöne Wo fehlen konkrete Hilfen oder Zusagen? ist da, aber man muss auch Hilfe bei der Umset- Hand nehmen, zum Beispiel das Gemüse anbau- Grundstück in Kreuzberg haben will? zung geben. en. Wir wollen aber auch partizipative Stadtent- und da aber ein urbaner Garten ist. Soll eine Elena Brandes: wicklung, mit darüber bestimmen, in welcher Stadt das fördern, und dann aber das Problem Wir würden uns wünschen, dass wir einen länge- Tanja Busse: Stadt wir leben. Wie sieht die aus? Was können haben, dass Leute sagen, mein Garten kann ren Mietvertrag bekommen, dass wir die Fläche Welchen Beitrag können Urban Gardening und wir da selber machen? nicht weg? für drei bis fünf Jahre mieten könnten. Damit Urban Agriculture für Städte in Transformation Der Prinzessinnengarten steht aber auch für hätten wir einfach mehr Planungssicherheit, haben? Wie schätzen Sie das anhand Ihrer Ber- Ressourcenschonung, weil wir versuchen, mög- Elena Brandes: könnten mehr Projekte auf die Beine stellen und liner Erfahrung ein? lichst viele Dinge wiederzuverwenden, wie zum Die Zwischennutzung hat Vor- und Nachteile. uns auch als Organisation weiterentwickeln. Wir Der Vorteil, den sie hat, für uns und auch für den sind ja eine sehr basisstrukturierte partizipative Elena Brandes: Stadtteil, ist, dass wir diese zugemüllte Brachflä- Organisation, da ist es nicht immer einfach, Ent- Bei uns in Berlin geht es natürlich auch um che in einen lebendigen Ort umgewandelt haben, scheidungen zu treffen. Es dauert alles sehr lange nachhaltige Stadtentwicklung, und ich glaube, da der jetzt grün und produktiv ist. Wir binden dort – bis man eine Entscheidung trifft und bis diese können solche Gärten einen sehr großen Beitrag sehr viele Menschen, indem wir soziales Engage- dann auch umgesetzt wird. leisten. In anderen Ländern tragen sie mit Sicher- ment und auch wieder die Lust des Städters an Ein günstigerer Mietvertrag wäre auch nicht heit auch noch zur Selbstversorgung bei. der Natur fördern. schlecht, wir zahlen mehrere Tausend Euro Miete Wir mieten die Fläche jährlich vom Liegen- pro Monat. Das ist für Nomadisch Grün sehr schaftsfonds. Jetzt haben wir sogar gerade einen schwierig, denn das Geld muss auch irgendwo Zweijahresmietvertrag bekommen. Diese kurzen reinkommen. Das ist gar nicht so einfach, grade Laufzeiten machen uns sehr viele Probleme bei in den Wintermonaten, wenn wir ja keine Ein- der Planung. Wir können keine Projekte beantra- nahmen haben, um diese Miete irgendwie zu gen, die drei Jahre laufen und für diese Zeit För- erwirtschaften. dergelder bekommen, wenn wir gar nicht wissen, ob es uns in einem Jahr noch geben wird oder nicht. Das ist ein großes Problem. Ein anderes Problem ist, dass wir natürlich auch an Helferin- nen und Helfer gebunden sind, an die Nachbarn und an den Stadtteil. Wenn wir umziehen, kön- nen wir das nicht mitnehmen. Denn so ein Ort lebt ja nicht nur von den Leuten, die den Garten betreiben, sondern auch vom Stadtteil und den Nachbarn, und das ist wirklich etwas, womit man nicht umziehen kann.
»Ich kann mich nicht erinnern, Kalonde Cknyati, Journalistin aus Sambia dass meine Mutter jemals Gemüse gekauft hat. 20 21 Wir bauen alles selber an.«
»Urban Agriculture ist keine ist als nur Gemüsebau. Die Viehhaltung gehöre ebenfalls dazu, auch wenn viele der Ansicht seien, Nutztiere hätten in einer Stadt nichts zu suchen. ihrer Nahrungsmittelversorgung auf die nationale Regierung verlassen und diese wiederum auf den Weltmarkt. Doch bei der Nahrungsmittelpreiskri- 22 Nebensache« Integration und Ernährungssicherheit se 2007 haben sie plötzlich gemerkt, dass dies eine unsichere Geschichte ist. Das hat die Menschen in den Städten wachgerüttelt und dafür gesorgt, 23 Die städtische Landwirtschaft wird zunehmend dass die Stadtverwaltungen Ernährungssicherheit Städtische Landwirtschaft wird zunehmend wichtiger, denn die Armut in den Metropolen jetzt sehr wohl als eine Angelegenheit betrachten, und Megacities der Entwicklungsländer wächst, die sie etwas angeht.« wichtiger. Sie ist auch in den Metropolen der gleichzeitig fehlt die soziale Integration der Menschen, die vom Land in die Stadt strömen. Arme städtische Familien in Entwicklungsländern Entwicklungsländer eine hilfreiche Möglichkeit, »Armut wird immer mehr zu einem städtischen geben rund 60 Prozent ihres Einkommens für Problem und damit wächst auch die Ernährungs- Nahrungsmittel aus. Preissteigerungen wirken neu hinzugezogene oder benachteiligte Bevöl- unsicherheit in der Stadt«, lautete Henk de Zee- sich bei ihnen sofort aus. Die Folge ist, dass ent- uws Analyse der gegenwärtigen Lage. »In vielen weder an der Nahrungsmenge oder an der Qua- kerungsgruppen in die Gesellschaft zu integrie- Ländern des Südens haben sich die Städte in lität gespart wird – oder an beidem. Städtische werden und nicht mehr auf die Mülldeponien Landwirtschaft kann diese Folgen abmildern und ren. Vor allem ist sie aber für die städtischen darüber hinaus eine wichtige Einkommensquelle kommen, wird auch weniger klimaschädliches sein. Vielerorts liege der Gewinn über dem gesetz- Armen wesentlich für ihre Ernährungssicherung lichen Mindestlohn, betonte Henk de Zeeuw. Ein Methan freigesetzt. Städtische Landwirtschaft gutes Geschäft, das wenig Input braucht. Urban und sorgt darüber hinaus für zusätzliches Agriculture ist wichtig für die Ernährungssiche- ist für die Metropolen der Entwicklungsländer rung, daran ließ er keinen Zweifel. Einkommen. Oft liegt der damit erzielte Gewinn wichtig. Wie und Warum, das erläuterte Henk Bereits heute wird rund ein Fünftel der Nah- über dem gesetzlich garantierten Mindestlohn. rungsmittel, die in den Städten benötigt werden, de Zeeuw vom International Network of Re- in und um die Städte herum produziert. Leicht Positive Umweltwirkungen machen die städti- verderbliche Produkte wie Gemüse, Eier oder source Centres on Urban Agriculture and Food Milch werden sogar zu drei Viertel und mehr im sche Landwirtschaft zusätzlich interessant. Sie Umkreis von 20 Kilometern um die Stadt erzeugt. Security (RUAF) in den Niederlanden. »Urban Agriculture ist keine Nebensache«, stellte verbessert mit ihrem Grün das städtische Mi- de Zeeuw daher klar. »Auch wenn das viele Leute denken. Im Gegenteil – sie ist elementar wichtig kroklima und bindet gleichzeitig Kohlendioxid. Die Erzeugung von zusätzlichen hochwertigen für die Ernährungssicherung.« Vor allem die städ- Nahrungsmitteln und zusätzlichem Einkommen tischen Armen erzeugen etwa drei Viertel ihrer Dies und die kurzen Transportwege tragen mit steht in den Entwicklungsländern im Vorder- Nahrungsmittel selbst. »Urban Agriculture ist für grund von Urban Agriculture und Urban Gar- dazu bei, dass die klimaschädlichen Emissio- dening, wie Henk de Zeeuw betonte. »Urban Agriculture ist Teil der Stadt, Teil des Systems. nen der Metropolen gesenkt werden. Und weil Lange Zeit wurde das ignoriert, und die Heraus- forderung ist jetzt, dies zu ändern.« Er machte ein Teil der organischen Abfälle kompostiert deutlich, dass städtische Landwirtschaft mehr
diese Menschen überlebenswichtig. Und außer- ein Teil der organischen Abfälle kompostiert, statt Die Förderung von Urban Gardening und Urban dem macht sie die Haushalte belastbarer.« sie auf die Mülldeponien zu bringen. Das vermin- dert die Freisetzung von klimaschädlichem Me- Agriculture gehörte schon immer zum Portfolio Umweltschutz und Katastrophenvorsorge than. Vor allem aber sieht de Zeeuw große Vortei- 24 le angesichts der Tatsache, dass bis 2030 der Was- der GIZ. Ein besonders bekanntes Beispiel gab 25 Urban Agriculture ist auch gut für die Umwelt. serverbrauch in der Bewässerungslandwirtschaft Die kurzen Wege vom Produzenten zum Verbrau- um weitere 13 bis 17 Prozent ansteigen wird. es in den 1990er Jahren in der tansanischen cher senken den Benzinverbrauch für den Trans- »Was ist logischer, als das Abwasser zu verwenden, port und damit den Ausstoß von Kohlendioxid. das in der Stadt anfällt, um damit in Stadtnähe Hauptstadt Dar es Salaam. Ein erfolgreiches Es muss weniger gekühlt werden, ebenso sinkt Lebensmittel zu erzeugen, die dann wieder in der Verbrauch an Verpackungsmaterialien. Mehr der Stadt verbraucht werden.« Zum einen senke Vorhaben, in dessen Mittelpunkt die Verbesse- landwirtschaftliches und gärtnerisches Grün das den Trinkwasserverbrauch und zum anderen verbessert das städtische Mikroklima. In vielen würden so die im Abwasser enthaltenen Nähr- rung der städtischen Gemüseproduktion stand. Städten steigen die Temperaturen immer weiter stoffe genutzt. Denn »ein Drittel aller Nährstoffe, an, weil der viele Beton die Hitze speichert, die die in Entwicklungsländern verbraucht werden, Entscheidend für das Gelingen war die Ausbil- zusätzlich zur Sonnenwärme durch den Verkehr, stammen aus Abwässern«. Außerdem ermögliche durch Kühlschränke und andere Geräte entsteht. das eine ganzjährige Produktion, unabhängig von dung von Beraterinnen und Beratern, aber Regen und der Verfügbarkeit von Trinkwasser. Als Urbane und peri-urbane Landwirtschaft dient auch der Katastrophenvorsorge der Städte, führte de Zeeuw aus. Werden Steilhänge agroforstwirt- Beispiel nannte er Amman, wo 10.000 Hektar Gemüse, Obst, Futterpflanzen und Waldflächen mit behandelten Abwässern bewässert werden. Empowerment von Frauen schaftlich genutzt, beugt das bei starken Regen- fällen Hangrutschen vor, denn es vermindert den Wasserabfluss und hält die Erde an Ort und Die Keimfreiheit des Wassers ist das Schlüssel- element, um der Übertragung von Krankheiten vorzubeugen. dank Kühen, Hühnern und Gemüse Stelle. Dazu kommt noch, dass die Pflanzen das auch eine Reihe eher technischer Faktoren. So Wasserhaltevermögen des Bodens verbessern. Zusammenfassend meinte de Zeeuw, der Auch die Folgen von Überschwemmungen Einkommensaspekt gewinne neben dem As- beispielsweise die Verwendung von geeignetem werden gemildert. Wird in tiefer gelegenen Ge- pekt der Ernährungssicherung immer mehr an bieten in und um die Stadt Landwirtschaft oder Bedeutung bei Urban Agriculture und Urban Saatgut, organischem Dünger und verbesser- Gartenbau betrieben, bleiben diese Flächen frei Gardening. »Die Schaffung von Einkommen und von Besiedlung. So kommen im Katastrophenfall Arbeit sowie positive Umweltwirkungen sind für ten Anbautechniken. Eine Wirkung, die weit keine Menschen zu Schaden. viele Stadtverwaltungen Grund genug, die städtische Landwirtschaft zu fördern.« Stadt- über die Verbesserung der Gemüseproduktion Knappe Ressourcen nutzen verwaltungen haben bislang städtische Land- wirtschaft ignoriert oder bestenfalls toleriert. hinausging, war, dass urbane Landwirtschaft »Und nicht zuletzt tragen Urban Gardening und Rechtssicherheit genoss sie nicht. Dies muss sich Urban Agriculture zur Verminderung der städ- ändern, so de Zeeuw. Stadtverwaltungen müssen als Teil der städtischen Gesamtentwicklung tischen Müll- und Trinkwasserprobleme bei«, urbane Landwirtschaftsaktivitäten wahrnehmen, führte Henk de Zeeuw weitere Vorteile der städti- in ihrer positiven Wirkung erkennen und entspre- erkannt und gefördert wurde. schen Landwirtschaft ins Feld. Beispielsweise wird chend fördern.
Ein zweites bei dem Symposium vorgestelltes Tanja Busse: 26 »Können die Frauen mit der Viehhaltung vinz Baghlan an unserem Projekt teilnehmen, Tanja Busse: 27 Vorhaben fördert in den semi-urbanen überhaupt Einkommen erwirtschaften? Und verkaufen die Milch an eine Molkerei in der Pro- »Wie wirkt sich das auf die Stellung der Frau- überhaupt – wie passt das zusammen? Dist- vinzhaupstadt Pol-e Khomri und erzielen damit en in ihren Familien aus?« Räumen im Norden Afghanistans Viehhaltung rikthauptstadt, Viehhaltung und ländliche Ent- ein respektables Einkommen.« wicklung?« Nadine Günther: und Gemüseanbau. Es hat neben Tanja Busse: »Der Status und das Ansehen der Frauen und Nadine Günther: »Gibt es auch noch andere Dinge, die die Frau- ihre Rolle im Haushalt, aber auch in der Ge- landwirtschaftlicher Produktionssteigerung und »Gemüsegärten und Viehhaltung sind traditionell en bei Ihnen im Projekt lernen können oder die meinschaft haben sich verbessert. Sie haben mehr Frauenaufgaben; wir haben daher mit unserem ihnen Vorteile bringen?« Mitspracherechte und mehr Entscheidungsmacht Ernährungssicherung auch das Empowerment Projekt einen sehr guten Zugang zu den Frauen. und sind selbstbewusster geworden. Sie nutzen Sie fragten, was unser Vorhaben mit Urbanität Nadine Günther: ihr gesteigertes Mitspracherecht vor allem dafür, von Frauen zum Ziel, die über diese Aktivitäten zu tun hat. Nun, die Provinz- und Distrikt- »Wir vernetzen die Frauen mit Dienstleistern, sich massiv für die Schulausbildung ihrer Töchter hauptstädte im Norden Afghanistans haben beispielsweise mit Veterinären. Außerdem einzusetzen.« Einkommen erwirtschaften und sich oft einen sehr dörflichen Charakter, der vor allem unterstützen wir sie beim Zugang zu Kommuni- in Wohngebieten in Randbezirken der Städte kationsmitteln wie Radio oder Mobiltelefonen. Tanja Busse: untereinander vernetzen können. ausgeprägt ist. Das erleichtert ihnen die Beschaffung von Markt- »Wie weit sehen Sie in diesem Projekt eine Wir fördern dort Projekte zur Viehhaltung, informationen oder macht diese überhaupt erst Möglichkeit, dass man über Urban Agriculture Das ist besonders wichtig in einem Umfeld, beispielsweise Hühner-oder Milchviehhaltung, möglich. Außerdem können sie sich so auch Frauen-Empowerment macht? Welche Chancen um die Eigenversorgung der Haushalte zu leichter untereinander vernetzen. Das ist ein sehr gibt es da für weitere Projekte?« in dem Frauen in ihrer persönlichen und stärken und die Einkommen der Frauen zu großer Vorteil. erhöhen.« Wir unterstützen auch Spargruppen. Wir mo- Nadine Günther: wirtschaftlichen Entwicklung stark ein- bilisieren die Frauen und motivieren sie, sich »In Afghanistan gibt es noch sehr viel Potenzial, Tanja Busse: gegenseitig zu unterstützen. Konkret sieht das so um Urban Agriculture auszuweiten. Die afgha- geschränkt sind. Wie das aussieht, berichtet »Wie müssen wir uns das vorstellen?« aus, dass sie monatliche Einzahlungen leisten in nischen Städte haben, wie bereits erwähnt, einen eine gemeinsame Kasse. Dadurch können sie sich sehr dörflichen Charakter. Die Häuser haben GIZ-Beraterin Nadine Günther im Gespräch mit Nadine Günther: gegenseitig Kredite geben. Diese Kredite nutzen große Gärten, in denen man Hühner halten und »Die Frauen erhalten entsprechende Trainings. die Frauen, um sie in Vieh oder besseres Saatgut Gemüse anbauen kann. Tanja Busse. Da lernen sie dann zum Beispiel erstmalig Tierge- für ihre Gärten zu investieren und dadurch ihr Ich denke, der Ansatz an sich ist sehr vielverspre- sundheit, Ernährung, Hygiene und wie ein Einkommen zu vergrößern. Mit ihren Aktivitäten chend, gerade auch die Spargruppen. Sie mobili- idealer Kuhstall aussehen sollte. Mit dem, was leisten die Frauen einen ganz wichtigen Beitrag sieren die Frauen in besonderem Maße, da steckt sie bei diesen Trainings lernen, können sie ihre zum Einkommen der Haushalte und auch zur ein Stück weit auch Empowerment und Frauen- Produktion verbessern und höhere Einkommen Ernährungssicherung ihrer Familie.« förderung drin.« erzielen. Bleiben wir bei der Milch. Die Frauen, [Clip 9] die in und im Umland der Hauptstadt der Pro-
Voll im Trend – Community City enorm ist. Doch die Stadtverwaltung ist an dem Erhalt der Gemeinschaftsgärten interessiert, das zeigt sich auch an der Dauer der Pachtverträ- das Land nicht nutzt und erhält oder wenn es eine anderweitige Verwertung gibt, beispielsweise als Bauland. 28 Gardening in New York City ge. Sie laufen über vier Jahre, die Nutzer können ohne Baugenehmigung kleine Hütten auf dem Gelände errichten, sogar Hühnerhaltung ist seit Mit dem Garten aufs Dach 29 einiger Zeit wieder mitten in Manhattan erlaubt. Ein neuer Trend ist gewinnorientierte städtische »Allerdings kommt immer wieder die Frage der Landwirtschaft auf kommunalen Flächen, ähn- zung von kommunalen Flächen herausgebildet. Privatisierung auf. Ist es noch öffentliches Land, lich wie der Prinzessinnengarten in Berlin. »Und wie weit wird es privat genutzt?« Die Stadt New noch ein anderer Ansatz, der sich in den letzten Ein anderer Trend ist die private kommerzielle York hat inzwischen die Nutzung der Communi- Jahren stark weiterentwickelt hat, ist die Nutzung ty Gardens in groben Zügen geregelt. So müssen von Dächern«, so die Kennerin der New Yorker Nutzung geeigneter Dachflächen. sich mindestens zehn Bewohner zusammenfin- Urban-Garden-Szene. Hier hat sich kommerzi- den, die gemeinschaftlich einen Pachtvertrag für eller privater Gartenbau etabliert, teilweise mit Carolin Mees ist eine Kennerin der New Yorker die Gartennutzung mit der zuständigen Verwal- angeschlossenem Restaurant, in dem das Gemüse tungsstelle abschließen. Außerdem müssen die vom Dach frisch zubereitet serviert wird. »Es gibt Urban-Gardening-Szene. Sie ist Architektin und Gärten 20 Stunden pro Woche für die allgemeine inzwischen nicht nur Konkurrenz um die Garten- Öffentlichkeit zugänglich sein. Und nicht zuletzt flächen auf dem Boden, sondern auch um die auf In New York gehören Urban Gardens seit mehr Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für kann die Stadt auch eingreifen, wenn die Gruppe dem Dach,« so das Fazit von Carolin Mees. als 30 Jahren zum Stadtbild vor allem der Sozialwissenschaften des Agrarbereichs der ärmeren Viertel. Diese Gärten sind auf kom- munalem Grund angesiedelt, die Nutzer haben Universität Hohenheim. Die Gartenbewegung in New York entstand Zeitvertreib oder wirtschaftliche mehrjährige Pachtverträge. Heute gibt es in in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. Aufgrund der Wirtschaftskrise gab es damals viele Brachflächen in der Stadt. Im Verlaufe der letzten Basis? New York rund 500 solcher Community Gar- 30 Jahre schwankte die Zahl der Urban Anforderungen an und Herausforderungen für Urban Agriculture Gardens in New York stark, abhängig von der dens. Sie unterliegen einer gewissen Regelung wirtschaftlichen Entwicklung. Vor allem die Eine Diskussion mit dem Publikum Entwicklung der Immobilienwirtschaft übt star- seitens der Stadt, dazu gehört beispielsweise, ken Einfluss auf die urbanen Gärten aus. Heute Auf dem Podium: Ursula Renker, Elena Brandes, gibt es in der Stadt ungefähr 500 sogenannte Nadine Günther, Henk de Zeeuw, Carolin Mees dass sie 20 Stunden pro Woche öffentlich Community Gardens. Die meisten von ihnen Moderation: Tanja Busse befinden sich in einkommensschwachen zugänglich sein müssen. Außerdem behält sich Stadtteilen, beispielsweise in East Brooklyn. Wie kann man verhindern, dass der Urbanisie- tierte Landnutzungsform werden.« Dass dies Das war auch zu Beginn der Urban-Gardening- rungsdruck in den Metropolen der Entwick- gar nicht so einfach ist, machte Theresa Endres die Stadt das Recht vor, bei nicht ordnungsge- Bewegung schon so. lungsländer die landwirtschaftlichen Flächen deutlich. Sie arbeitet für das Internationale und die Gartenflächen einfach überrollt und die Gemüseforschungszentrum (AVRDC) in der mäßer Bewirtschaftung oder bei einer geplan- Städtische Regelungen Existenzgrundlage vieler vernichtet wird? Eine malischen Hauptstadt Bamako, eine der am für Community Gardens Frage, die in dieser ersten Runde sehr intensiv schnellsten wachsenden Städte derzeit. Häufig ten Verwertung als Bauland die Nutzungsrechte diskutiert wurde. Sowohl Henk de Zeeuw als fehle den Menschen die rechtliche Sicherheit für »Dank der engagierten Gärtner, die diese Gärten auch Carolin Mees betonten die Notwendigkeit, die Nutzung des Landes, so ihr Einwurf. »Daher zu entziehen. Neben dieser klassischen, rein eingerichtet haben, konnten sie sich in diesen die landwirtschaftliche und gärtnerische Nutzung ist es wichtig, politische Rahmenbedingungen zu Gebieten halten«, weiß Carolin Mees. Und wei- städtischer Flächen fest in der Stadtplanung zu schaffen, die urbane Landwirtschaft ermöglichen. privaten Form des Urban Gardening hat sich in ter: »Es ist erstaunlich, dass es diese Gärten noch verankern. »Es ist eine Frage der Stadtplanung, Das gilt nicht nur für Afrika.« Damit das funkti- immer gibt.« Dies vor allem auch vor dem Hin- dass solche Räume da sind«, so Mees. Und de oniere und nicht von kapitalkräftigen Unterneh- den letzten Jahren die gewinnorientierte Nut- tergrund, dass der Bebauungsdruck in New York Zeeuw ergänzt: »Es muss eine gesetzlich akzep- men unterlaufen werden könne, brauche es aber
auch die notwendige Kontrolle, forderte de Zee- befürchten, dass Tierkrankheiten auch auf den uw. »Ist Urban Gardening nur ein Zeitvertreib Menschen überspringen, beispielsweise Vogel- in der Großstadt?«, fragte Annette Heimann vom oder Schweinegrippe. Es sei, so von Morstein, oft 30 Asien-Pazifik-Forum in Berlin und sprach damit eine Grauzone, die Gesetzeslage häufig nicht ein- 31 direkt Ursula Renker von der Berliner Senatsver- deutig. Denn ehemals ländliche Gebiete seien von waltung an. »Es geht um soziale Vernetzung, es der Großstadt überrollt worden, die Tierhaltung geht um Teilhabe an der Stadtgesellschaft. Aber aber geblieben. »Es sind gewachsene Strukturen, Nahrungsmittelproduktion in Berlin – das glaube die seit Jahrhunderten existieren und die man im- ich nicht«, so Renker. »Wo liegen in Berlin die mer geduldet hat.« Hier könne die Internationale Flächen, auf denen man tatsächlich produzieren Zusammenarbeit die Regierungen beraten, sodass kann?« Wenn der Boom anhalte und »local food« solche Systeme weiter funktionieren können. weiterhin im Trend sei, dann könne man über die Verknüpfung mit dem Umland nachdenken. Das größte Problem der Urban Agriculture ist »Da muss man dann in die Fläche gehen.« In- der Wasserbedarf. Denn – gegossen wird derzeit nerstädtisch sei das nicht realisierbar. Joachim mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser. Dies ist Prey von der GIZ griff den Gedanken auf und dort ein Problem, wo die Ressource Wasser knapp stellte die Frage nach der Wirtschaftlichkeit ur- ist. Die Nutzung von Abwässern ist problema- baner Landwirtschaft. Modelle gebe es keine, so tisch, da diese, wenn überhaupt, nur unzurei- die Antwort, aber »im Süden ist normalerweise chend hygienisch gereinigt sind. Doch um dieses die Einkommensschaffung der Ausgangspunkt«, Potenzial für die städtische Landwirtschaft zu meinte Henk de Zeeuw. »Im Laufe der Zeit kom- men dann andere Aspekte hinzu.« So nutze bei- spielweise die Pekinger Stadtverwaltung die städ- nutzen, braucht es klare Regelungen, eine zuver- lässige Kontrolle und vor allem auch Investitio- nen, wie Jürgen Fechter von der KfW betonte.. Rooftop Farming oder: tischen Landwirtschaftsflächen ganz gezielt als Erholungsgebiete. Elena Brandes verwies auf den Prinzessinnengarten in Berlin.. Urban Gardening Ein andere, bislang nur unzureichend genutzte Ressource sind die menschlichen Fäkalien, die Wenn das Dach zum Garten wird und Urban Agriculture seien grundsätzlich auch in den Städten anfallen. Auch hier ist, wie beim Allerdings gibt es noch viel Forschungsbedarf. wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben. »Wir sind Abwasser, die Frage der Hygiene noch bei weitem eine gemeinnützige GmbH und müssen nachhal- nicht gelöst. Ebenso wenig die Frage der Rück- So zum Beispiel bei der Prozesstechnik und tig wirtschaften, um uns selber zu erhalten. Die gewinnung wichtiger Nährstoffe, beispielsweise Idee ist ja, dass man davon auch leben kann.« Phosphat, wie Peter Schrage-Aden vom Um- Prozessoptimierung, bei der Materialentwick- welt- und Naturschutzamt Berlin erwähnte. »Die In der Diskussion häufig vernachlässigt wird Rückgewinnung von Nährstoffen aus allen mög- lung, bei der Biologie und Pflanzenernährung die städtische Tierhaltung. Carola von Morstein lichen Fäkalien, aber auch aus Nebenprodukten Das Fraunhofer Institut für Umwelt, Sicher- von der GIZ griff dieses Thema auf und meinte: der Tierproduktion muss man angehen«, stimmte oder bei der Nachhaltigkeit. »Viele Migranten bringen ihren landwirtschaft- ihm Professor Folkard Asch zu. heit und Energietechnologie (UMSICHT) hat ein lichen Hintergrund mit in die Großstädte und damit auch ein Stück Identität aus ihrem alten Urban Agriculture hat unterschiedliche Funktio- eigenes Rooftop-Farming-Modell entwickelt. Simone Krause ist Projektmanagerin beim Umfeld.« Doch bei der Tierhaltung geht es nicht nen. In Industrieländern ist die soziale Integrati- nur um ein paar Hühner im Hinterhof, sondern on die Haupttriebfeder, in Entwicklungsländern Auf den Dächern bereits bestehender Gebäu- Fraunhofer Institut UMSICHT und mit für das häufig um intensive Tierhaltung mitten in der das zusätzlich damit erwirtschaftete Einkommen. Stadt. Milch und Fleisch als Proteinlieferanten Doch auch welche Motivation der städtischen de werden Gewächshäuser gebaut, in denen Rooftop Farming zuständig. Sie erläutert, wie sind wichtige Nahrungsergänzung für Stadtbe- Landwirtschaft zugrunde liegt, der Nexus Energie wohner, die Tierhaltung ermöglicht häufig ins- – Wasser – Ernährungssicherung ist das beste Ar- Gemüse in hydroponischer Kultur gezogen wird. es genau funktioniert, wo die Vorteile liegen besondere Frauen ein zusätzliches Einkommen gument für zukünftige städtische Landwirtschaft, und trägt zu ihrem Empowerment bei. Das enge darin waren sich die Fachleute einig. Wasser- und Energiekreisläufe sind integriert; und in welchen Bereichen es noch Forschungs- Zusammensein von Mensch und Tier wird jedoch [Clips 10-12] von Verwaltungen oft kritisch betrachtet, da sie es ist ressourceneffizient und umweltfreundlich. bedarf gibt.
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