Mehr als nur ein Dach über dem Kopf - Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen - Robert Bosch Stiftung

Die Seite wird erstellt Fritz Hammer
 
WEITER LESEN
Kurz-Expertise

Wohnen von Neuzugewanderten
in ländlichen Räumen
Mehr als nur ein Dach
über dem Kopf

                 Land.Zuhause.Zukunft.
2   KURZ-EXPERTISE
    Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                         KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                       Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                          3

    Zusammenfassung
                                                                                            Inhalt
    Wohnen ist ein Menschenrecht und hat für Neuzugewanderte einen besonderen
    Stellen­wert. Allerdings treffen hier zurzeit zwei gegenläufige Faktoren aufeinander:
    ein großer Bedarf an Arbeitskräftezuwanderung und aktuell hohe Zugangszahlen von
    Geflüchteten einerseits und ein vielerorts angespannter Wohnungsmarkt auch in länd-
    lichen Räumen andererseits. Diese Situation kann die Teilhabe von Migrant:innen am      04      Einleitung
    Wohnungsmarkt und in der Gesellschaft gefährden und sich negativ auf die Neigung
    der Zugewanderten auswirken, auf dem Land wohnen zu bleiben. In der vorliegenden        07      Bedarfe und Wohnaspirationen von Neuzugewanderten
    Kurz-Expertise werden daher zwei zentrale Fragen diskutiert: Wie wohnen Migrant:in-
    nen auf dem Land und wie können sie gut bzw. bedarfsgerecht wohnen?                     09      Das Wohnungsangebot in ländlichen Räumen

    Die Kurz-Expertise skizziert zunächst die Bedürfnisse und Aspirationen unterschied­     13      Zugangsbarrieren und Formen der Unterstützung beim Zugang zu Wohnraum
    licher Gruppen von Migrant:innen in Bezug auf das Wohnen. Sie fokussiert dabei neben
    Geflüchteten auch andere Drittstaatsangehörige sowie EU-Migrant:innen, die aus          20	Die Wohnsituation von Neuzugewanderten und Herausforderungen in Bezug
    unterschiedlichen Gründen und für verschieden lange Zeiträume in Kleinstädten und           auf das Wohnen
    Landgemeinden leben. Es zeigt sich, dass der Wohnbedarf von Neuzugewanderten von
    verschiedenen Faktoren abhängig ist: von sozio-demografischen Merkmalen, den bis­       27      Empfehlungen
    herigen Wohnerfahrungen im Herkunftsland, dem rechtlichen Status und der Finanzkraft.
    Außerdem sind die Wünsche und Bedürfnisse der Neuzugewanderten dynamisch und            32	Literaturverzeichnis
    volatil, gekennzeichnet durch Veränderungen in Bezug auf Haushaltskonstellationen
    und andere Lebensumstände. Die Erreichbarkeit von Arbeitsplatz und Infrastrukturen
    sowie die soziale Anbindung bleiben jedoch ein konstant wichtiger Aspekt.

    Nach dieser Analyse der Bedürfnisse gibt die Kurz-Expertise einen Überblick über die
    heterogene Struktur ländlicher Wohnungsmärkte in Deutschland. Hier stehen insbe-
    sondere die Eigentumsverhältnisse, die Wohnungsgrößen, Miethöhen und Leerstände
    im Fokus. Der Zugang zu ländlichen Wohnungsmärkten hängt neben diesen Strukturen
    auch von individuellen Faktoren der Zugewanderten ab (Sprachkenntnisse, Alltagswis-
    sen, soziale Netzwerke) ebenso wie von exkludierenden oder inkludierenden Praktiken
    privater Vermieter:innen, Wohnungsanbieter:innen, Arbeitgeber:innen etc. Diesem
    Aspekt widmet sich der dritte Teil dieser Expertise.

    Im Anschluss daran werden die Wohnsituation und die Herausforderungen in Bezug auf
    das Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen diskutiert. Die Kurz-Exper-
    tise geht dabei zum einen auf die Arten von Unterkünften und Wohnungen, die Lage,
    die Größe, die bauliche Qualität und Ausstattung sowie den Preis ein. Zum anderen
    werden Wechselwirkungen mit anderen Integrationsdimensionen, dem Lebensalltag
    und sozialen Kontakten im Wohnumfeld vorgestellt.

    Die Kurz-Expertise schließt mit Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Akteure
    auf der kommunalen, der Landes- und der Bundesebene. Dabei werden u. a. folgende
    Vorschläge gemacht: Erstens sollten die Wohnbedarfe von Neuzugewanderten dyna-
    misch und flexibel gedacht werden. Zweitens ist der Zugang von Migrant:innen zum
    Wohnungsmarkt (z. B. im Rahmen einer Fachstelle Wohnen) nachhaltig zu gestalten
    und drittens die Qualität von Unterkünften und Privatwohnungen sicherzustellen und
    vulnerable Gruppen zu berücksichtigen. Viertens schließlich sollte der soziale Zusam-
    menhalt durch Architektur und die Entwicklung des Wohnumfeldes gefördert werden.
4         KURZ-EXPERTISE
          Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                  KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                                                                                Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                         5

Einleitung
Der Angriffskrieg auf die Ukraine seit Februar 2022 führt       Zwei Grundannahmen zum Wohnen von N      ­ euzugewanderten1
dazu, dass viele Neuzugewanderte auch in ländlichen             in ländlichen Räumen liegen dieser Kurz-Expertise zugrunde:
­Gebieten Deutschlands ankommen. Das visumfreie Reisen          Erstens unterscheiden sich Aspirationen, Bedürfnisse und
 für ukrainische Staatsangehörige und die Aktivierung der       Praktiken von Neuzugewanderten in Bezug auf das Wohnen                   Infobox 1
 EU-Massenzustrom-Richtlinie, die mit einem vorüberge-          zum Teil von der bereits länger vor Ort lebenden Bevölke-
 henden Schutzstatus einhergeht, stellen den rechtlichen        rung. Ihre Wünsche und Bedürfnisse sind dynamischer, das
                                                                                                                                         Vielfalt von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
 Rahmen für den Aufenthalt im Schengenraum dar. Diese           heißt stärker durch Veränderungen in der Haushaltskonstel-
 hohen Zugangszahlen aus der Ukraine und anderen Asyl-          lation (z. B. Familiennachzug) oder der individuellen Finanz-            Im Fokus dieser Expertise stehen EU-Migrant:innen und Drittstaatsangehörige, die aus unterschiedlichen
 herkunftsländern gepaart mit Personalengpässen in der          kraft gekennzeichnet. Zwar gewinnen sie mit zunehmender                  ­Gründen in ländlichen Räumen leben. Ein Teil der Personen wird aufgrund von staatlichen Verteilungspolitiken
 Verwaltung sowie fehlendem Wohnraum bringen viele Land-        Erfahrung, die sie an Wohnorten, in Wohnungen selbst                      oder durch Institutionen in ländlichen Räumen „platziert“. Das trifft insbesondere auf Asylbewerber:innen,
 kreise und Kommunen an ihre Grenzen: Sie verhängen Auf-        oder auch mit Akteuren des Wohnungsmarktes machen, mit                    unbegleitete Minderjährige und Resettlement-Flüchtlinge, über Vermittlungsagenturen angeworbene Personen
 nahmestopps. Ähnlich wie 2015 und 2016 müssen erneut           verbesserter Sprachkenntnis und einer Zunahme an lokal                    (beispielsweise im Gesundheits- und Pflegebereich), aber auch auf Priester aus Indien, Polen und Nigeria sowie
 Turnhallen und Wohncontainer als Notunterkünfte genutzt        gebundenem Alltagswissen Handlungsmacht in Bezug auf                      US-Soldat:innen und deren Angehörige zu.
 werden. Gleichzeitig können Unterkünfte für Geflüchtete        Wohnen („Agency“ nach Spenger & Kordel 2023), sie benöti-
 aufgrund von Drohungen gegen Landkreis und Vermieter:in-       gen dennoch in zahlreichen Konstellationen Unterstützung                 Andere kommen als Arbeitsmigrant:innen in ländliche Räume, indem sie die EU-Freizügigkeit, die Westbalkan­
 nen sowie aufgrund der Angst vor Anfeindungen und Angrif-      hinsichtlich des Zugangs zu angemessenem und bezahlba-                   regelung, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder bilaterale Abkommen nutzen. Sie sind in unterschiedlichen
 fen gegen Geflüchtete nicht in Betrieb genommen werden.        rem Wohnen. Dieser Unterstützungsbedarf variiert: Er ist bei             Sektoren tätig, insbesondere solchen mit einem Fach- und Arbeitskräftemangel: In der Landwirtschaft und im
 Das Thema Wohnen für Neuzugewanderte erlangt in den            Geflüchteten anders als bei Arbeitsmigrant:innen – saisonal              Gartenbau dominieren Personen aus Bulgarien, Rumänien, Polen und Kroatien sowie aus Drittstaaten (z. B.
 Jahren 2022/2023 also erneut brisante Aktualität.              oder permanent beschäftigt – oder privilegierten Zuwan-                  Georgien oder der Ukraine), die häufig mit dem Praktikant:innen-Status oder für einen Ferienjob nach Deutsch-
                                                                der:innen (vgl. Infobox 1; für einen Überblick über die ge-              land einreisen (Initiative Faire Landarbeit 2021). Als Erntehelfer:innen arbeiten sie vor allem zeitlich begrenzt
‚Ein Dach über dem Kopf haben‘ wird im Alltagssprachge-         samte Vielfalt von Migrant:innen in ländlichen Räumen siehe              in Sonderkulturbetrieben des Obst-, Gemüse- oder Weinbaus. Sie finden sich aber auch in der lebensmittel­
brauch oftmals mit Wohnen gleichgesetzt. Gut zu wohnen –        Kordel & Weidinger 2020).                                                verarbeitenden Industrie und der Logistik (Birke & Bluhm 2020) oder im Bereich Hotellerie und Gastronomie
das heißt eine Wohnung zu haben, die alltägliche (Grund-)                                                                                hier vor allem zu saisonbedingten Arbeitsspitzen (Lechner 2020). In erster Linie sind hier Personen aus der
Bedürfnisse von Menschen erfüllt – geht jedoch weit dar-                                                                                 Tschechischen Republik, aus südosteuropäischen Ländern wie auch aus Drittstaaten beschäftigt (Kordel et al.
über hinaus. Wohnen ist also sehr viel mehr als ein (Turn­                                                                               2022a).
hallen-)Dach über dem Kopf, es erfüllt vielfältige Funktionen
nicht nur, aber ganz besonders auch für Neuzugewanderte:                                                                                 Im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten zunehmend Personen aus Drittstaaten wie Vietnam, der Ukraine
So stellt die Wohnung die Grundlage für ein Leben in einer                                                                               und den Ländern Lateinamerikas. Besonders weibliche Arbeitskräfte aus Ost- und Südosteuropa sind oft als
neuen Umgebung und eine Rückzugsmöglichkeit ins Private                                                                                  Live-in-Carers tätig, die Pflegebedürftige zu Hause betreuen. Sie kommen für wenige Monate in den Haushalt
dar. Sie ist ein Ort, der nach den eigenen Bedürfnissen ge-                                                                              und kehren dann jeweils für einige Wochen in die Herkunftsländer zurück (Becker et al. 2021; Skwarek 2021).
staltet werden kann (Hinger & Schäfer 2017) und damit das
Gefühl von einem Zuhause vermittelt. Gleichzeitig zeigt die                                                                              Darüber hinaus lassen sich familienbezogene Motivationen für die Zuwanderung in ländliche Räume konsta­
Wohnung auch die gesellschaftliche Stellung an. Sie ist Aus-                                                                             tieren, die quer zu Flucht- und Arbeitsmigration liegen.
gangspunkt von sozialen Kontakten zum näheren Umfeld,
z. B. zur Nachbarschaft, von hier aus organisieren Menschen                                                                              Finanzielle Gründe, d. h. günstigere Wohn- und Lebenshaltungskosten, motivieren EU-Migrant:innen meist in
ihre alltäglichen Handlungsabläufe und suchen Arbeitsstät-                                                                               der Familiengründungsphase dazu, sich in Grenznähe niederzulassen und in angrenzende Länder zu pendeln
ten, Bildungseinrichtungen, Versorgungsinfrastrukturen auf                                                                               (Baas 2019). Andere privilegierte EU-Migrant:innen hingegen nutzen leerstehende Wohn- und Gewerbeimmo­
oder gehen Freizeitaktivitäten nach (Brauer 2008). Schließ-                                                                              bilien als „Möglichkeitsräume“, um sich insbesondere in der zweiten Lebenshälfte neu zu orientieren.
lich hat die Wohnsituation auch einen großen Einfluss auf die
physische und psychische Gesundheit der Migrant:innen.

                                                                1	In dieser Kurz-Expertise werden unter dem Begriff „Neuzugewanderte“
                                                                   alle Personen verstanden, die in den vergangenen Jahren aus dem EU-
                                                                   und Nicht-EU-Ausland nach Deutschland zugewandert sind.
6           KURZ-EXPERTISE
            Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                  KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                                                                                Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                                     7

Die zweite Annahme, die hier berücksichtigt und diskutiert
wird, ist, dass ländliche Wohnungsmärkte charakteristische
                                                               Diese Kurz-Expertise geht der Frage nach, wie Migrant:innen
                                                               auf dem Land wohnen und wie sie gut bzw. bedarfsgerecht
                                                                                                                             Bedarfe und Wohn-
Strukturen aufweisen, die sich in vielerlei Hinsicht von
­Städten unterscheiden. So ist beispielsweise der Anteil an
 Wohneigentum oder die Fläche der Wohnungen im Durch-
                                                               wohnen können. Dazu werden zunächst unterschiedliche
                                                               Wohnbedarfe von verschiedenen Gruppen von Neuzugewan-
                                                               derten, insbesondere Geflüchteten, Drittstaatsangehörigen
                                                                                                                             aspirationen von
                                                                                                                             Neuzugewanderten
 schnitt auf dem Land größer. Oftmals differenzieren sich      und EU-Migrant:innen, vorgestellt. Anschließend folgt ein
 diese Merkmale weiter räumlich zwischen Kleinstädten und      Überblick über die heterogene Struktur ländlicher Woh-
 Landgemeinden aus. Und auch innerhalb dieser Kategorien       nungsmärkte in Deutschland und die spezifischen Hürden
 kann es durch bestimmte historisch bedingte Pfadentwick-      von Migrant:innen beim (Erst-)Zugang. Die Wohnsituation
 lungen dazu kommen, dass der Wohnungsmarkt in Kom-            und die Herausforderungen in Bezug auf das Wohnen von
 mune A sich deutlich von dem der nur wenige Kilometer         Migrant:innen in ländlichen Räumen werden insbesondere        Wie Neuzugewanderte in ländlichen Räumen wohnen möch-          stabile Internetanbindung unabdingbar macht (Thomas et
 entfernten Kommune B unterscheidet (vgl. auch das Kapitel     im Hinblick auf gegenwärtige und zukünftige Aspirationen      ten und können, ist von ihren sozio-demografischen Merk-       al. 2018). Bereits bei der Unterbringung während des Asyl-
 „Das Wohnungsangebot in ländlichen Räumen“). Schließlich      diskutiert. Die Kurz-Expertise schließt mit Handlungsemp-     malen, den bisherigen Wohnerfahrungen im Herkunftsland,        verfahrens, aber auch nach der Zuerkennung eines Schutz-
 sind (halb-)staatliche und private Akteure des Wohnungs-      fehlungen für unterschiedliche Akteure auf der kommunalen,    ihrem rechtlichen Status und ihrer Finanzkraft abhängig        status wird eine möglichst zentrale Lage der Unterkunft oder
 marktes und ihre Praktiken entscheidend. Sie können die       der Landes- und der Bundesebene.                              und gleichzeitig starken zeitlichen Dynamiken unterworfen.     Wohnung geschätzt.2 Insbesondere Personen ohne eigenes
 Teilhabe der Migrant:innen sicherstellen und verbessern                                                                     Der Forschungsstand dazu ist bislang sehr überschaubar:        Fahrzeug und mit eingeschränktem finanziellen Budget kön-
 oder aber auch erschweren (vgl. auch das Kapitel „Zugangs-                                                                  Informationen zu Bedarfen und Wohnaspirationen gibt es         nen so ihren Arbeits- und Ausbildungsplatz, Bildungs- und
 barrieren bzw. Formen der Unterstützung beim Zugang zu                                                                      vorwiegend von Geflüchteten und Saisonarbeiter:innen in        Beratungseinrichtungen sowie Infrastrukturen des täglichen
 Wohnraum“). In Bezug auf die (öffentliche) Wahrnehmung                                                                      der Landwirtschaft. Zudem legen diese Studien den Fokus        Bedarfs schnell und bestenfalls fußläufig erreichen (Doll
 des Wohnens von Neuzugewanderten steht die oftmals                                                                          in der Regel auf mehrheitliche Bedarfe und Wohnaspiratio-      2017; Eichholz & Spellerberg 2019; SVR 2017; Tanis 2022).
 wenig sichtbare, private Wohnsituation von EU-Migrant:in-                                                                   nen dieser Personengruppen, wodurch weitere bedeutende         Eine Fallstudie im ländlichen Schweden zeigte zudem, dass
 nen und Geflüchteten wie aktuell aus der Ukraine einer sehr                                                                 ­Faktoren wie persönliche Präferenzen oder individuelle        unbegleitete Minderjährige in der Nähe der ursprünglichen
 präsenten Unterbringung von Geflüchteten, insbesondere                                                                       traumatisierende Erfahrungen in den Hintergrund geraten       Unterkunft wohnen bleiben wollen, da sie so soziale Kon-
 PoC (People of Colour), in großen Sammelunterkünften                                                                         können.                                                       takte zu den dortigen Bewohner:innen und hauptamtlich
 gegenüber.                                                                                                                                                                                 Tätigen aufrechterhalten können (Wernesjö 2015; vgl. Schä-
                                                                                                                             Geflüchtete, die als Asylbewerber:innen in ländlichen          fer 2015). Für Geflüchtete, die Rimessen (Überweisung von
                                                                                                                             ­Räumen untergebracht werden und keinen Einfluss auf           Geldbeträgen in die jeweiligen Herkunftsländer) tätigen, ist
                                                                                                                              Wohnort und Art der Wohnung haben (vgl. § 47 ff. AsylG,       eine möglichst kostengünstige Unterbringung besonders er-
                                                                                                                              siehe auch Infobox 4 zu Rechten und Pflichten von Neu­        strebenswert. Dies kann dazu führen, dass auch anerkannte
                                                                                                                              zugewanderten in Bezug auf das Thema Wohnen), werden          Geflüchtete als sogenannte Fehlbeleger:innen in Geflüch-
                                                                                                                              in der Regel zunächst in großen Erstaufnahmeeinrichtungen     tetenunterkünften verbleiben, wenn diese Lösung günstiger
    Hintergrundwissen                                                                                                         und sogenannten Gemeinschaftsunterkünften unterge-            ist als selbst angemieteter Wohnraum.
                                                                                                                              bracht. Im Zusammenspiel mit Traumatisierungen verstärkt
    Entstehungsprozess der Kurz-Expertise                                                                                     dies den Wunsch sowohl von Einzelpersonen als auch von        Um möglichst viel Geld mit der Lohnarbeit in der Landwirt-
                                                                                                                              Familien nach Privatsphäre und einem Rückzugsort. Diesen      schaft zu verdienen und keine Zeit für die An- und Abreise
    Grundlage dieser Kurz-Expertise ist die Auswertung von (inter)nationalen Studien, Sekundärdaten und
                                                                                                                              verbinden Geflüchtete häufig mit der Möglichkeit, eine Woh-   zum und vom Arbeitsplatz zu verlieren, steht auch für Sai-
    ­Praxisprojekten zu drei Themenkomplexen: die Wohnsituation von Migrant:innen in ländlichen Räumen,
                                                                                                                              nung nach eigenem Geschmack einrichten zu können, sich        sonarbeitskräfte eine möglichst preiswerte Unterbringung
     die Strukturen ländlicher Wohnungsmärkte und die Zusammensetzung von Neuzugewanderten hinsichtlich
                                                                                                                              selbst zu versorgen, Besuch zu empfangen, konzentriert die    durch die Arbeitgeber:innen oder Dritte an erster Stelle
     sozialer und demografischer Merkmale. Es wurden sechs Hintergrund­gespräche zu aktuellen Heraus­
                                                                                                                              Sprache lernen zu können oder Hausaufgaben zu machen          (Krings-Heckemeier et al. 2014; Wagner et al. 2013). Es
     forderungen und Bedarfen mit Akteuren aus Landkreisen geführt, die sich zum Teil im Forum Integration
                                                                                                                              (Kordel et al. 2022b; für unbegleitete Minderjährige: Tho-    sollten ausreichend Sanitärräume und Räumlichkeiten zum
     in ländlichen Räumen im Rahmen des Programms Land.Zuhause.Zukunft (LZZ) engagieren. Schließlich
                                                                                                                              mas et al. 2018; für traumatisierte Personen: BAfF 2020a).    Beisammensein am Abend oder Wochenende zur Verfü-
     ­wurden die Handlungsempfehlungen im Rahmen einer gemeinsamen Online­veranstaltung im November 2022
                                                                                                                              Wenngleich sich begleitete und unbegleitete minderjährige     gung stehen, gleichzeitig aber auch Rückzugsmöglichkeiten
      diskutiert.
                                                                                                                              Ausländer:innen (umA) nach einem eigenen Zimmer sehnen        vorhanden sein (Wagner et al. 2013). Wenn sich Aufenthalte
                                                                                                                              (BAfF 2020a; Dressler 2017; Thomas et al. 2018), kann es      verstetigen und Familienangehörige nachziehen, entsteht
                                                                                                                              insbesondere für letztere ungewohnt sein, in einem neuen      oft der Wunsch nach einer eigenen Wohnung, was zur Been-
                                                                                                                              Land ohne Familie zu leben (Wernesjö 2015). Daher wird re-    digung des Wohnverhältnisses in der von den Arbeitgeber:in-
                                                                                                                              gelmäßiges Kontakthalten als wichtig empfunden, was eine      nen bereitgestellten Unterkunft führt (Scott & Visser 2022).

                                                                                                                                                                                            2    Hierbei sind die rechtlichen Rahmenbedingungen der Wohnsitzrege-
                                                                                                                                                                                                 lung (§ 12a AufenthG) zu beachten.
8         KURZ-EXPERTISE
          Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                            KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                          Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                    9

Arbeitsmigrant:innen in anderen Branchen (wie der
Lebensmittelverarbeitung, der Hotellerie und Gastrono-
                                                             Das Wohnungsangebot
mie sowie dem Gesundheits- und Pflegesektor) möchten
ebenfalls möglichst kostengünstig und nah am Arbeitsplatz
untergebracht werden. Sie wünschen sich zudem eine gute
                                                             in ländlichen Räumen
Internetverbindung, um Kontakt zu Familienangehörigen
und Freund:innen zu halten. Andere Personengruppen,          Deutschland ist im europäischen Vergleich eher ein Land                   Kleinräumig können zwischen einzelnen Kommunen aber
wie US-Soldat:innen und Priester, die staatlich gesteuert    von Mieter:innen: Nur etwa die Hälfte der Menschen lebt                   auch große Unterschiede existieren, wie das Beispiel Sach-
in ländliche Räume kommen, werden oft von ihren Arbeit-      in den „eigenen vier Wänden“. In ländlichen Räumen ist                    sen zeigt (vgl. Abbildung 1). Mietwohnungen finden sich
geber:innen untergebracht. Auch sie bevorzugen eine Un-      diese Wohneigentumsquote aber durchschnittlich deutlich                   grundsätzlich vor allem in Klein- und Mittelstädten, weniger
terkunft oder Wohnung in der Nähe ihres Einsatzortes mit,    höher: Ein Großteil der Menschen lebt hier in der eigenen                 in den Landgemeinden, wenngleich ostdeutsche Dörfer und
wenn sie ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Wohnung     Immobilie (BBSR 2022; BMI 2021). Kleinstädte in West-                     altindustrielle ländliche Räume in Westdeutschland hier eine
haben, Garage, Garten und großem Kühlschrank. Sie legen      deutschland sind durch einen höheren Anteil an Ein- und                   Ausnahme bilden (BBSR 2022). Wohnungen in kommunalem
außerdem Wert darauf, die ihnen zugewiesene Unterkunft zu    Zweifamilienhäusern geprägt (vgl. Abbildung 1), während                   Eigentum und Sozialwohnungen sind insbesondere in west-
individualisieren (DTV 2021).                                in Ostdeutschland Mehrfamilienhäuser häufiger sind                        deutschen ländlichen Räumen oft wenig verbreitet und kaum
                                                             (Großmann 2019).                                                          verfügbar (Rösch et al. 2020; Weidinger & Kordel 2020).
Privilegierte lebensstilorientierte Migrant:innen und
Grenzpendler:innen hingegen sind in der Regel auf der
Suche nach einem finanzierbaren Wohneigentum in einer
schönen Landschaft, das ausreichend Platz für die Familie
bietet. Der Wohnort sollte eine stabile Internetanbindung    Abbildung 1: Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser an den Wohngebäuden in Prozent 2019 in ländlichen Landkreisen und
für Telearbeit aufweisen bzw. verkehrstechnisch gut ange-    kreisfreien Städten Deutschlands (bzw. in ländlichen Kommunen Sachsens)3
bunden sein, um den Arbeitsplatz auf der anderen Seite der
Grenze leicht zu erreichen. Bei dem Eigenheim kann es sich
entweder um einen zu renovierenden Altbau im Ortskern
oder um einen Neubau am Ortsrand etwa in einem Neubau-
gebiet handeln (Reichert-Schick 2017).

Sowohl im städtischen Kontext als auch in Kleinstädten im
ländlichen Raum gibt es Hinweise darauf, dass Neuzuge-
wanderte Wohnlagen in räumlicher Nähe zu ethnischen
Netzwerken bevorzugen (Kordel et al. 2022b; Tanis 2022;
freiwillige räumliche Segregation: Hanhörster & Wessen-
dorf 2020). Dieses Phänomen kann in der gegenseitigen
Unterstützung begründet, jedoch auch strukturell erzwun-
gen sein, etwa wenn nur in diesen Lagen Wohnraum für
Migrant:innen zur Verfügung steht.
                                                                                                                                       Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser an den Wohn-
                                                                                                                                       gebäuden in Prozent 2019 in ländlichen Landkreisen und
                                                                                                                                       Anteil
                                                                                                                                       Anteil der
                                                                                                                                              der Ein-
                                                                                                                                       kreisfreien     und Zweifamilienhäuser
                                                                                                                                                           Zweifamilienhäuser an
                                                                                                                                                  Ein-Städten
                                                                                                                                                       und                       den Wohngebäuden
                                                                                                                                                                              an den Wohngebäuden
                                                                                                                                       in
                                                                                                                                       in Prozent
                                                                                                                                          Prozent 201
                                                                                                                                                   20199 in
                                                                                                                                                         in ländlichen
                                                                                                                                                            ländlichen Landkreisen
                                                                                                                                                                       Landkreisen und
                                                                                                                                                                                   und kreisfreien
                                                                                                                                                                                       kreisfreien Städt
                                                                                                                                                                                                   Städten
                                                                                                                                            >=
                                                                                                                                           >=  50
                                                                                                                                               50–-- =50     
                                                                                                                                           > 60
                                                                                                                                             60 -- 7 0 --  80
                                                                                                                                             80 -- > 90
                                                                                                                                             90–--
10            KURZ-EXPERTISE
              Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                  KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                                                                Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                    11

Eine weitere Besonderheit ist die Wohnungsgröße:                                                             Ländliche Räume weisen entsprechend ihrer wirtschaft­           Sachsen-Anhalt und Thüringen bis zu über 11,50 €/m2 im
Auf dem Land haben Wohnungen in der Regel mehr Fläche                                                        lichen und demografischen Situation ein großes Spektrum         Umland von München (vgl. Abbildung 2). Vergleicht man hin-
pro Kopf bzw. Haushalt und auch mehr Räume (BBSR 2022,                                                       „zwischen Schrumpfung und Wachstum“ (BBSR 2021a) und            gegen die Durchschnittswerte dünn besiedelter länd­licher
vgl. Tabelle 1). Folglich gibt es oft wenig kleine Wohnungen                                                 in der Folge auch zwischen Regionen mit Leerständen und         Kreise mit denen ländlicher Kreise mit Verdichtungsansät-
etwa für Einzel­personen (Weidinger & Kordel 2020).                                                          Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten auf. Dies             zen, so fällt der Unterschied weniger deutlich aus (6,96 €/m2
                                                                                                             spiegelt sich in der interregional unterschiedlichen Nach-      vs. 6,70 €/m2 nettokalt). In beiden Fällen liegen die Preise
                                                                                                             frage auf den Wohnungsmärkten und in verschieden hohen          aber deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 8,97 €/m2
                                                                                                             Wiedervermietungsmieten wider: Diese reichen 2020 von           Nettokaltmiete (BMI 2021).
 Typ                   Wohnfläche     Wohnräume         Anteil       Anteil        Anteil     Anteil Vier-   unter 5,50 €/m2 Nettokaltmiete etwa in Teilen von Sachsen,
 ländlicher                pro            pro        Einzimmer-   Zweizimmer-   Dreizimmer-   und Mehr-
 Räume                 Einwohner:in   Einwohner:in   wohnungen     wohnungen    wohnungen      zimmer-
                                                                                              wohnungen
                         (in m2)                       (in %)       (in %)        (in %)        (in %)

 Sehr ländlich/                                                                                              Abbildung 2: Wiedervermietungsmieten im Jahr 2020 in €/m2 nettokalt in ländlichen Landkreisen und kreisfreien Städten
 weniger gute sozio-
                           53,2           2,6           1,7           6,2          16,8          75,3
 ökonomische Lage
 (Typ 1)

 Sehr ländlich/
 gute sozio-öko-
                           50,1           2,4           2,3           6,2          15,1          76,5
 nomische Lage
 (Typ 2)

 Eher ländlich/
 gute sozio-öko-
                           49,4           2,3           2,7           7,5          17,3          72,4
 nomische Lage
 (Typ 3)

 Eher ländlich/
 weniger gute
                           49,6           2,4           2,1           7,8          21,1          69,0
 sozio-ökonomische
 Lage (Typ 4)

 Nichtländliche
                           43,6           2,1           5,1          12,6          26,7          55,5
 Kreise (Typ 5)

(Quelle: eigene Berechnungen nach DESTATIS 2022)

                                                                                                                                                                          Wiedervermietungsmieten im Jahr 2020 in €/m2 nettokalt
                                                                                                                                                                              bis unter 5,50
Tabelle 1: Charakteristika des fortgeschriebenen ­Wohnbestandes in Wohn- und Nichtwohngebäuden
                                                                                                                                                                              5,50 bis unter 7,00
                                                                                                                                                                             Wiedervermietungsmieten im Jahr 2020 in €/m2 nettokalt
nach Thünen-Raumkategorien 2021
                                                                                                                                                                              7,00 bis unter 8,50
                                                                                                                                                                              8,50bis
                                                                                                                                                                                   bisunter
                                                                                                                                                                                       unter 5,50
                                                                                                                                                                                              10,00
                                                                                                                                                                              10,00
                                                                                                                                                                                5,50bisbis
                                                                                                                                                                                        unter 11,50
                                                                                                                                                                                           unter 7,00
                                                                                                                                                                              11,50 und mehr
                                                                                                                                                                                7,00 bis unter 8,50
                                                                                                                                                                              Städtische Kreise
                                                                                                                                                                                8,50 bis unter 10,00
                                                                                                                                                                                10,00 bis unter 11,50                    Datengrundlage: BBSR(2020)
                                                                                                                                                                      Datengrundlage: BBSR (2020)                        GeographischeDaten:
                                                                                                                                                                      Geographische
                                                                                                                                                                              11,50Daten:
                                                                                                                                                                                       und©mehr
                                                                                                                                                                                              GeoBasis-DE / BKG (2022)
                                                                                                                                                                      Kartographie: Lukas Schorner                       ©GeoBasis-DE/BKG(2022)
                                                                                                                                                                                Städtische Kreise                        Kartographie: Lukas Schorner
12        KURZ-EXPERTISE
          Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                             KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                                                                           Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                13

Betrachtet man die Baufertigstellungen, so konzentrieren
sich diese aktuell sowohl auf Landkreise im Umland von
                                                               Die Leerstandsquote lässt sich dabei vor allem durch das
                                                               Baualter und die Gebäude- und Wohnungsgröße erklären
                                                                                                                            Zugangsbarrieren und
Städten als auch auf ländliche Kreise – darunter Kommunen
mit hoher Bedeutung für den Tourismus sowie peripher gele-
genen ländlichen Räumen und Regionen mit Bevölkerungs-
                                                               (Wolff & Rink 2019). Intrakommunal finden sich Leerstände
                                                               häufig in den historischen Ortskernen, aber auch in den
                                                               Mehrfamilienhaussiedlungen oder Großwohnsiedlungen in
                                                                                                                            Formen der Unterstützung
                                                                                                                            beim Zugang zu Wohnraum
rückgängen (BBSR 2021a). In touristisch bedeutsamen            Plattenbauweise in den äußeren Ortsteilen in Ostdeutsch-
Kommunen wird in Zeiten von stark steigenden Bau- und          land bzw. den Einfamilien- oder Reihenhaussiedlungen in
Grundstückspreisen die kurzfristige Vermietung von Ferien­     ländlichen Räumen und Kleinstädten in Westdeutschland
wohnungen durch private und institutionelle I­ nvestor:innen   (Großmann 2019; Wolff & Rink 2019).
zur Finanzierung von Immobilien genutzt (Kors et al. 2022).
In peripheren und schrumpfenden Regionen liegen die Neu-       Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sich länd-     Der Zugang zu ländlichen Wohnungsmärkten hängt neben         nern aus dem EU-Ausland (Baas 2019), Personen mit helle-
bautätigkeiten im Mangel von Bestandsimmobilien sowie          liche Wohnungsmärkte von städtischen in puncto Eigen-        den eben beschriebenen Strukturen auch von individuellen     rer gegenüber Personen mit dunklerer Hautfarbe (Fabian­-
den Wohnwünschen von Bauherr:innen begründet (BBSR             tumsverhältnissen, Miethöhen oder Wohnungsgrößen             Konstellationen ab. Dazu gehören Sprachkenntnisse, das       czyk et al. 2021), Personen mit sicherem gegenüber Per­
2021a). Intraregional fehlt Wohnraum insbesondere im           unterscheiden können. Allerdings gibt es auch kleinräumige   Wissen über lokale und rechtliche Gegebenheiten sowie        sonen mit unsicherem Aufenthaltsstatus (Hinger & Schäfer
unteren Preissegment vor allem in Klein-, Mittel- und Kreis-   Unterschiede innerhalb der ländlichen Wohnungsmärkte.        die sozialen Netzwerke der Neuzugewanderten (Kordel et       2017), ukrainische gegenüber anderen Geflüchteten (Kordel
städten, an Universitäts- und Fachhochschulstandorten und      Eine Perspektive auf die lokalen Strukturen des Wohnungs-    al. 2022b; Weidinger & Kordel 2020). Hinzu kommen exklu-     et al. 2023), Familien und alleinerziehende Mütter gegen-
in den bereits angesprochenen stark touristisch geprägten      marktes ist daher dringend notwendig, um zu verstehen,       dierende und inkludierende Mechanismen und Praktiken         über alleinstehenden Männern, kleine gegenüber großen
Orten (Rösch et al. 2020; Kordel et al. 2023; Kors et al.      ob und ggf. wie der Zugang von Migrant:innen zu ländlichen   unterschiedlicher Akteure (private Vermieter:innen und       Familien, Personen in Arbeit und Ausbildung gegenüber Per-
2022).                                                         Wohnungsmärkten potenziell funktionieren kann.               institutionelle Wohnungsanbieter:innen, Arbeitgeber:innen    sonen in Sozialleistungsbezug und Personen mit besseren
                                                                                                                            und Kolleg:innen, Immobilienmakler:innen, haupt- und         gegenüber Personen mit schlechteren Deutschsprachkennt-
Leerstehende Wohnungen – oft mit baulichen Mängeln                                                                          ehrenamtlich Tätige sowie andere Migrant:innen). Diese       nissen (Kordel et al. 2022b, vgl. Abbildung 3).
und Ausstattungsdefiziten – finden sich am ehesten in                                                                       verschiedenen Akteure werden im Folgenden auch unter Be-
peripheren Lagen von Landkreisen, wo auch wohnortnahe                                                                       rücksichtigung relevanter rechtlicher Rahmenbedingungen      Migrant:innen werden dabei oft verschiedene Diskriminie-
Infrastrukturen wie Kitas fehlen (Rösch et al. 2020; Wolff &                                                                vorgestellt (vgl. auch Übersicht in Infobox 4).              rungskategorien zugeschrieben (Stichwort Intersektiona-
Rink 2019). Basierend auf der Gebäude- und Wohnungszäh-                                                                                                                                  lität: Crenshaw 2017). In der Folge bekommen sie seltener
lung (GWZ) im Zensus unterscheiden Wolff und Rink (2019)                                                                    Aus der Literatur ist bekannt, dass private Vermieter:in-    Antwort auf Anfragen und häufiger negative Rückmeldungen
folgende Leerstandstypen:                                                                                                   nen auf dem Land häufig nicht bereit sind, an Neuzugewan-    (Bsp. Diskriminierung von Bürger:innen mit türkischem
                                                                                                                            derte zu vermieten. Dies mag zum einen auf eine generell     Migrationshintergrund, Auspurg et al. 2017; Horr et al.
• Leerstände in Nachkriegsbeständen von Ein- und                                                                            hohe Konkurrenzsituation aufgrund der gestiegenen Nach-      2018; vgl. auch Infobox 2). Solche Unterscheidungen sind
  Mehrfamilienhäusern des ländlichen und suburbanen                                                                         frage zurückzuführen sein, zum anderen aber auch auf die     aufgrund der Ausnahmen im Allgemeinen Gleichbehand-
  Raumes (v. a. in Westdeutschland mit Schwerpunkt in                                                                       Angst vor negativen Reaktionen anderer Mieter:innen oder     lungsgesetz möglich, beispielsweise um sozial ausgewo-
  Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen                                                                          Nachbar:innen. Auch die eigene ablehnende Haltung gegen-     gene Bewohnerstrukturen zu schaffen oder zu erhalten (vgl.
  und Nordrhein-Westfalen),                                                                                                 über Migrant:innen kann hierbei eine Rolle spielen (SVR      Infobox 4).
• Leerstände im Einfamilienhausbestand ländlicher Räume                                                                     2017; Weidinger & Kordel 2020) – teilweise begründet durch
  und Kleinstädte (v. a. in Baden-Württemberg, Bayern,                                                                      negative Erfahrungen bei der Vermietung an Neuzugewan-       Andererseits sind insbesondere Vermieter:innen mit eigener
  Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-                                                                        derte bezüglich Gerüche, Lärm, Lüftung, Mülltrennung,        Migrationsgeschichte und solche in peripheren Landgemein-
  ­Holstein und Thüringen),                                                                                                 Nichteinhaltung der Kündigungsfrist oder Zahlungsmoral       den teilweise besonders offen, da sie hoffen, bestehende
• Leerstände in Einfamilienhäusern mit Substandard                                                                          (Kordel & Weidinger 2021). Es lassen sich durchaus Hierar-   Leerstände an Migrant:innen vermieten zu können (Weidin-
   (z. B. mit Ofenheizung oder ohne Heizungsanlage)                                                                         chisierungen feststellen, bestimmte Gruppen werden also      ger et al. 2017).
   (v. a. in Rheinland-Pfalz und Thüringen),                                                                                gegenüber anderen bevorzugt: etwa Frauen gegenüber Män-
• Leerstände kommunaler Wohnungsunternehmen
   (v. a. in Ostdeutschland mit Schwerpunkt in Brandenburg
   und Mecklenburg-Vorpommern) und
• Leerstände in Mehrfamilienhäusern des Alt- und Nach-
   kriegsbaubestandes verdichteter Räume (v. a. in Branden­
   burg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen,
   Sachsen-Anhalt und Thüringen).
14          KURZ-EXPERTISE
            Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                            KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                                                                          Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                 15

Infobox 2                                                                                                             Zur Rolle von institutionellen Wohnungsanbieter:innen             Hauptamtlich tätige Personen in Lokalpolitik und Ver-
                                                                                                                      in ländlichen Räumen ist bisher wenig belegt, Kordel und          waltung können sehr verschiedenartigen Einfluss auf den
Diskriminierung bei der Wohnungssuche                                                                                 Weidinger (2021) weisen lediglich auf lange Wartelisten,          Zugang Neuzugewanderter zum ländlichen Wohnungsmarkt
                                                                                                                      Hanhörster und Ramos Lobato (2021) auf die fehlende               nehmen: So können sie ihn erschweren, indem sie beispiels-
In einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2019) gaben 83 % der Befragten in Deutschland an,          aktive Förderung von Diversität durch diese Anbieter:innen        weise Vergaberichtlinien verabschieden, die Einheimische
dass Diskriminierung aus rassistischen Gründen, aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen             hin. Selbst in Fällen, in denen interkulturelle Trainings für     beim Kauf von Baugrundstücken mithilfe von Kontingenten
Gruppe oder der Herkunft aus einem anderen Land bei der Wohnungssuche eher häufig vorkomme (für eine                  Mitarbeiter:innen durchgeführt wurden und Richtlinien oder        oder Rabatten bevorzugen (Reichert-Schick 2017). Sie
Übersicht der primären und sekundären Zugangsbarrieren siehe Abbildung 3). Dieser Wert liegt 15 Prozent-              Leitfäden zur nichtdiskriminierenden Vermietung vorhanden         können auch unterstützende Maßnahmen unterlassen, um
punkte höher als bei einer früheren Umfrage im Jahr 2013. 15 % der Befragten und 35 % der Befragten mit Migra-        waren, lag deren Interpretation und Ausführung bei den            Neuzugewanderte zum Weiterwandern zu bewegen. Sie kön-
tionshintergrund berichteten auch von persönlichen Diskriminierungserfahrungen in den letzten zehn Jahren.            meist deutschen Mitarbeitenden. Kriterien zur Vergabe der         nen den Zugang zum Wohnungsmarkt aber auch positiv be-
Dabei wurden letztere etwa in Immobilienanzeigen ausdrücklich von einer Bewerbung ausgeschlossen (21 %),              Wohnungen, wie Mindestlaufzeiten von Aufenthaltserlaub-           einflussen, indem sie etwa ein Übergangsmanagement von
im Bewerbungs- und Besichtigungsprozess beleidigt oder beschimpft (12 %), sie bekamen den Zuschlag für eine           nissen oder eine Maximalanzahl von migrantischen Haus­            Gemeinschaftsunterkunft zu dezentraler Unterkunft mittels
Wohnung oder ein Haus nicht (53 %) oder sollten eine höhere Miete oder einen höheren Kaufpreis als andere             halten pro Treppenhaus, werden auch gegenüber Kund:in-            Analyse der Bedürfnisse etablieren und den Umzug beglei-
Bewerber:innen bezahlen (25 %). Die Diskriminierung geht aus Sicht dieser Befragten vorwiegend von Privatper-         nen meist nicht transparent gemacht (Enßle-Reinhardt et           ten (Ohliger et al. 2017), sogenannte Fehlbeleger:innen bei
sonen aus, die nur eine oder wenige Wohnungen vermieten oder verkaufen (49 %). Diskriminierung durch größere          al. 2022). Wenngleich Wohnraum z. B. für Geflüchtete durch        angespannten Wohnungsmärkten gegen Gebühr in Geflüch-
private Wohnungsunternehmen bzw. deren Mitarbeiter:innen (19 %), Wohnungsbaugesellschaften (14 %),                    Mitarbeitende von Wohnungsbaugesellschaften gesucht               tetenunterkünften wohnen lassen (vgl. AufnG) und dezen-
­Immobilienmakler:innen (12 %) und staatliche, z. B. städtische oder kommunale Wohnungsbaugesellschaften              wird (Rösch et al. 2020), so liegen die Mieten für Empfän-        trale Unterkünfte in Wohnraum für anerkannte Geflüchtete
 (3 %) spielte im Vergleich eine eher untergeordnete Rolle. Bestehende Maßnahmen zum Schutz vor rassistischer         ger:innen von Asylbewerberleistungen (nach AsylblG)               umwandeln. Das Angebot von Mieterqualifizierungen für
 Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt (etwa im Rahmen des AGG) werden von den Befragten als unzu­                    oder Sozialleistungen (SGBII, SGBXII) teilweise oberhalb          Neuzugewanderte kann schließlich dem Vertrauensaufbau
 reichend eingestuft (58 %), bei Befragten mit Migrationshintergrund waren sogar 73 % dieser Meinung.                 der Finanzierungsobergrenze, die Sozialämter oder Job-            zu potenziellen Vermieter:innen dienen (Weidinger & Kordel
                                                                                                                      center lokal für angemessen erachten (Kordel et al. 2023).        2020).
                                                                                                                      ­Enßle-Reinhardt et al. (2022) berichten schließlich von der
                                                                                                                       Schwierigkeit, private Immobiliengesellschaften aus dem          Zusätzlich mobilisieren Kommunen Leerstände, vermitteln
                                                                                                                       Ausland zu kontaktieren, um etwa auf Missstände in Bezug         Wohnraum oder sind bei der Möblierung der Wohnung be-
                                                                                                                       auf die Qualität der Wohnungen hinzuweisen.                      hilflich (BBSR 2017; Weidinger et al. 2017). Darüber hinaus
                                                                                                                                                                                        kaufen sie je nach Finanzlage Immobilien von privaten Ver-
                                                                                                                      Arbeitgeber:innen und Kolleg:innen spielen ebenfalls              mieter:innen u. a. unter Rückgriff auf das Vorkaufsrecht, um
                   Hautfarbe                                                      Herkunft                            eine entscheidende Rolle beim Wohnungsmarktzugang,                Geflüchtete oder potenziell Obdachlose unterzubringen
                                                                                                                      insbesondere wenn Personen aus dem Ausland angeworben             (Mann et al. 2018; Weidinger & Kordel 2020; vgl. Empfeh-
             Geschlecht und sexuelle Identität                               Alter                                    werden (vgl. Regelungen in der Beschäftigungsverordnung,          lungen für das Obdachlosenwesen). Dies deckt sich mit den
                                                                                                                      siehe auch Infobox 4). So unterstützen Arbeitgeber:innen          Ergebnissen der BBSR-Kommunalbefragung 2018, in der
                  Behinderung                                          Religion oder Weltanschauung
                                                                                                                      (auch Zeitarbeitsfirmen) und Kolleg:innen bei der Woh-            68 % der Hauptamtlichen in Landkreisen und Kommunen
                                                                                                                      nungssuche oder stellen (befristet) Unterkünfte bereit (vgl.      angaben, dass die Wohnraumversorgung von anerkannten
                                          Wissen über den Wohnmarkt
                                                                                                                      ArbSchG/ArbStättV). Andere sind beim Umzug oder der Ein-          Asylbewerber:innen und Bleibeberechtigten in eigenen
                                                                                                                      richtung der Wohnung behilflich (Bluhm et al. 2021; Jentsch       Wohnungsbeständen der Kommune eine große Bedeutung
                      Sprachkenntnisse                             Haushaltstyp und -größe
                                                                                                                      et al. 2007; Kordel et al. 2022a; Weidinger & Kordel 2020).       hat (BBSR 2021b). Schließlich sprechen Vertreter:innen der
                                                                                                                      In Bezug auf die Bereitstellung von Mitarbeiterwohnungen          Lokalpolitik und Verwaltung potenzielle Vermieter:innen
                                           Einkommenshöhe und -art
                                                                                                                      berichten Arbeitgeber:innen allerdings von der fehlenden          auch über das Amtsblatt oder im Rahmen von Informations-
                                                                                                                      Verfügbarkeit von Baugrund (Kordel et al. 2022a).                 abenden direkt an und erklären sich in Einzelfällen bereit,
                                                                                                                                                                                        die Wohnraumpflege zu übernehmen (Mann et al. 2018).
          Primäre, durch das Individuum                          Sekundäre, durch das Individuum                      Immobilienmakler:innen können theoretisch dazu bei­
       nicht oder nur schwer veränderbare                         veränderbare bzw. sich im Laufe                     tragen, Vorurteile bei Vermieter:innen abzubauen, wenn-
                Zugangsbarrieren                               der Zeit verändernde Zugangsbarrieren                  gleich deren Dienstleistung von Geflüchteten als teuer
                                                                                                                      ­wahrgenommen wird. Zudem wird von Diskriminierung
                                                                                                                       durch die Makler:innen selbst berichtet (Kordel et al. 2022b).

Abbildung 3: Zugangsbarrieren in Bezug auf Wohnraum                      Quelle: verändert nach Chambon et al. 1997
16        KURZ-EXPERTISE
          Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                       KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                                                                                     Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                                         17

Infobox 3                                                                                                                    Infobox 4

Praxisbeispiel aus dem Land.Zuhause.Zukunft-Landkreis                                                                        Ausgewählte rechtliche Rahmenbedingungen für das Wohnen
Ludwigslust-Parchim                                                                                                          von Neuzugewanderten

Um die kreisangehörigen Kommunen zu entlasten, regelt der Landkreis die Unterbringung von Geflüchteten                       Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die für das Wohnen von Neuzugewanderten relevant sind, lassen sich
­zentral. Das im Fachdienst Soziales eingerichtete Wohnungsmanagement kümmert sich um das Schließen von                      in folgende Themenbereiche einteilen: Rechte bzw. Pflichten von Neuzugewanderten (sowie von Arbeit- und
 Mietverträgen mit Wohnungsgesellschaften und Privatvermieter:innen. Die Verträge gehen nach dem Übergang                    ­Wohnungsgeber:innen), Unterstützungsmöglichkeiten für Neuzugewanderte und Vorgaben zur Qualität der
 zum Jobcenter auf die Mieter:innen über. Die Wohnungseinrichtung wird über zwei extern beauftragte Firmen                    Unterkunft bzw. Wohnung. Seit der Föderalismusreform von 2006 ist die Kompetenz für das Wohnungswesen
 standardisiert beschafft, die Kosten erstattet das Bundesland. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) bietet für bis zu                 (z. B. soziale Wohnraumförderung, Wohnungsbindungsrecht, Zweckentfremdungsverbot und Wohnungs­
 zwei Jahre zudem Beratungen zum Thema Wohnen für Personen mit fester Aufenthaltserlaubnis (z. B. für aner-                   genossenschaftsrecht) gemäß Art. 70 GG in den Zuständigkeitsbereich der Länder übergegangen.
 kannte Geflüchtete und EU-Bürger:innen) an – zum einen klassisch in der Beratungsstelle („Komm-Struktur“),
 zum anderen aufsuchend („Geh-Struktur“). Sie hilft bei der Suche nach geeignetem Wohnraum, bei der Ein-
                                                                                                                                 Themenbereich       Name des Gesetzes                betrifft ...                        regelt ...
 richtung sowie bei der Schaffung der Voraussetzungen zur eigenverantwortlichen Führung einer Mietwohnung.
                                                                                                                                                     oder der Verordnung
 Zudem wird Orientierungshilfe im neuen Wohnumfeld geboten (z. B. Informationen über die Hausordnung, den
 öffentlichen Nahverkehr und die Versorgungsstrukturen). Schließlich wird der Aufbau sozialer Kontakte zu Per-                                       AGG
                                                                                                                                                                                                                          Verbot von Diskriminierung beim Zugang
                                                                                                                                                                                                                          zu Wohnraum u. a. aufgrund ethnischer
 sonen aus dem unmittelbaren Umfeld gefördert und bei Nachbarschaftskonflikten vermittelt.                                                           (Allgemeines Gleich­             alle
                                                                                                                                                                                                                          Herkunft
                                                                                                                                                     behandlungsgesetz)4
                                                                                                                                                                                                                          (für Ausnahmen siehe Fußnote)5

                                                                                                                                                                                                                          Unverletzlichkeit der Wohnung, Schutz
                                                                                                                                                     GG (Grundgesetz)6                alle
                                                                                                                                                                                                                          familiären Besuchs in der Wohnung

                                                                                                                                                                                                                          Schutz der Privatsphäre, Recht auf ange-
                                                                                                                                 Rechte von          UN-BRK                                                               messene ­Wohnung, Zugang zu Program-
                                                                                                                                 Neuzuge­            (UN-Behindertenrechtskon-        Personen mit ­B ehinderung          men des sozialen W­ ohnungsbaus, Be-
                                                                                                                                 wanderten           vention)                                                             seitigung von Zugangshindernissen und
                                                                                                                                                                                                                          -barrieren in Gebäuden und im Freien
Hauptamtlich tätige Personen im Bildungssektor und            Mann et al. 2018; Rösch et al. 2020; Weidinger & Kordel
in der Freien Wohlfahrtspflege, z. B. Sprachlehrer:innen      2020). Freiwillige transportieren Möbel und bauen sie auf,                                                                                                  Schutz der Privatsphäre, Schutz vor
oder Migrations- und Integrationsberater:innen, unter-        unterstützen bei der Einrichtung von Telefon- und Internet-                            UN-KRK
                                                                                                                                                                                                                          Gewalt, Zugang zu Bildung, Spiel und
                                                                                                                                                                                      Minderjährige                       Freizeit, bei Bedarf: materielle Hilfs-
stützen Neuzugewanderte ebenfalls, indem sie sie für den      anschlüssen, bei der Beantragung der Erstattung oder der                               (UN-Kinderrechts­konvention)
                                                                                                                                                                                                                          und Unterstützungsprogramme u. a. im
Kontakt mit Vermieter:innen schulen oder bei der Wohnungs-    Vereinheitlichung des GEZ-Gebührenkontos und führen                                                                                                         Hinblick auf Wohnung
suche beraten und Vermieter:innen kontaktieren (Kordel et     kleinere Hausmeistertätigkeiten wie Lampentausch oder
                                                                                                                                                     UN-Sozialpakt                    alle                                Recht auf Wohnen
al. 2022b; Weidinger & Kordel 2020).                          Waschmaschinenreparaturen durch. Zudem weisen sie auf
                                                              die richtige Mülltrennung, Lüftung und Reinigung der Woh-                                                                                                   Schutz von schutzbedürftigen Perso-
Eine weitere zentrale Funktion kommt Ehrenamtlichen           nungen hin oder legen Widerspruch gegen die Festlegung             Rechte und
                                                                                                                                                     AsylG (Asylgesetz)
                                                                                                                                                                                                                          nen in der Unterbringung, Dauer des
                                                                                                                                 Pflichten von                                        Asylbegehrende,                     verpflichtenden Aufenthalts in Aufnah-
zu, die entweder ihr ganzes bisheriges Leben auf dem Land     von Unterkunftsgebühren, Nebenkostenabrechnungen oder                                  und Ländergesetze, z. B. Auf-
                                                                                                                                 Neuzuge­                                             (Fehl­beleger:innen)                meeinrichtungen, Benutzungsgebühr für
                                                                                                                                                     nG (Bay. Aufnahmegesetz)7
verbracht haben oder selbst aus anderen Landesteilen oder     Eigenbedarfskündigungen ein (Kordel et al. 2023). Schließ-         wanderten                                                                                Inanspruchnahme von Aufnahmeeinrich-
dem Ausland zugewandert sind und bereits länger vor Ort       lich sind es Ehrenamtliche – insbesondere Frauen, die über                                                                                                  tungen

leben. Sie unterstützen insbesondere Geflüchtete beim Aus-    einen höheren sozioökonomischen Status und ausreichend
zug aus der Unterkunft, suchen unter Rückgriff auf eigene     Platz verfügen und in rund der Hälfte der Fälle bisher nicht
soziale Netzwerke geeignete Wohnungen, kontaktieren Ver-      im Bereich Flucht und Asyl engagiert waren –, die Geflüch-
mieter:innen, begleiten Neuzugewanderte zu Wohnungsbe-        tete bei sich zu Hause aufnehmen (Haller et al. 2022; vgl.
sichtigungen, bieten sich als Bürgende an, übernehmen die     auch Kordel et al. 2023; Mann et al. 2018).                    4     vgl. auch EU-Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG.

Miete ganz oder teilweise, erklären Mietverträge und helfen                                                                  5	
                                                                                                                               Eine unterschiedliche Behandlung ist zulässig „im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und
                                                                                                                               ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse“ (§ 19 Abs. 3). Dies gilt
bei der Grundausstattung und Möblierung der Wohnung
                                                                                                                               auch wenn „ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen“ vorliegt, wenn also beispielsweise
(Eichholz & Spellerberg 2019; Kordel et al. 2022b;                                                                             Wohnraum auf demselben Grundstück genutzt wird (§ 19 Abs. 5).
                                                                                                                             6     vgl. auch EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention).
                                                                                                                             7     v gl. auch EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU, die insbesondere auf besonders schutzbedürftige Personengruppen abstellt, wie
                                                                                                                                    Frauen, Kinder, Jugendliche, LSBTI*, Menschen mit Behinderungen, religiöse Minderheiten, von Menschenhandel Betroffene, Personen
                                                                                                                                    mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit
                                                                                                                                    minder­jährigen Kindern sowie Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder andere schwere Formen psychischer, physischer oder sexu­
                                                                                                                                    alisierter Gewalt erlitten haben.
18            KURZ-EXPERTISE
              Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                          KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                                                                                        Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                                     19

                                                                                                                                       Themenbereich   Name des Gesetzes                 betrifft ...                     regelt ...
    Themenbereich       Name des Gesetzes                 betrifft ...                   regelt ...
                                                                                                                                                       oder der Verordnung
                        oder der Verordnung
                                                                                                                                                       ArbSchG (Arbeitsschutzge-
                                                                                         Wohnsitznahme von Asylberechtigten,
                                                                                                                                                       setz)                             Beschäftigte, die in Unter­      Lage und Mindeststandards der Unter­
                                                                                         anerkannten Flüchtlingen, subsidiär
                                                                                                                                                       ArbStättV (Arbeitsstätten­        künften inner- oder außerhalb    künfte (z. B. Raumgröße, -höhe, -tempe-
                                                                                         Schutzberechtigten und ausreisepflich-
                        AufenthG                                                                                                                       verordnung)                       des Geländes eines Betriebes     ratur, Lüftung, Belichtung und Beleuch-
                                                                                         tigen Personen, Knüpfung der Aufent-
                        (Aufenthaltsgesetz)               Ausländer:innen                                                                              ASR (Technische Regeln für        oder einer Baustelle wohnen      tung, Ausstattung, Belegungsdichte)
                                                                                         haltserlaubnis an „ausreichenden“
                                                                                                                                                       Arbeitsstätten)
                                                                                         Wohnraum, Betreten und Durchsuchen
    Pflichten von
                                                                                         von Wohnungen im Kontext von Abschie-
    Neuzuge­                                                                                                                                                                                                              Sonderregelungen für Flüchtlingsunter-
                                                                                         bungen
    wanderten                                                                                                                                                                            Asylbegehrende                   künfte, Berücksichtigung der Belange
                                                                                                                                                       BauGB
    (sowie von                                                                                                                                                                           (Fehlbeleger:innen)              von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden
                                                                                         Knüpfung der Zustimmung zur Erteilung                         (Baugesetzbuch)
    Arbeit- und                                                                                                                                                                                                           und ihrer Unterbringung bei der Aufstel-
                                                                                         eines Aufenthaltstitels oder einer Ar-
    Wohnungs­           BeschV                                                                                                                                                                                            lung von Bauleitplänen
                                                          Saisonabhängig Beschäftigte    beitserlaubnis an „angemessene Unter-
    geber:innen)        (Beschäftigungsverordnung)8
                                                                                         kunft“, Anzeige des Unterkunftswechsels
                                                                                         durch Arbeitgeber:innen                                                                                                          Allgemeine Bauvorschriften, Mindest-
                                                                                                                                       Vorgaben zur    Bauordnungsrecht der Län-                                          standards von Wohnungen (z. B. Küche
                                                                                                                                       Qualität der    der, z. B. BayBO (Bayerische      alle                             oder Kochnische, Bad mit Badewanne
                                                                                         Meldepflicht und Ausnahmen davon,
                        BMG                                                                                                            Unterkunft      Bauordnung)                                                        oder Dusche und Toilette, Rauchwarn-
                                                          alle                           Mitwirkung der Wohnungsgeber:innen
                        (Bundesmeldegesetz)                                                                                            bzw. Wohnung                                                                       melder)
                                                                                         bei der Anmeldung

                                                                                                                                                       Leitlinien zu Art, Größe und
                        AsylblG                                                          Leistungsanspruch für Unterkunft, Hei-
                                                          Empfänger:innen von Asyl­                                                                    Ausstattung von Gemein-
                        (Asylbewerberleistungsge-                                        zung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung                                                                                            Mindeststandards der Aufnahme­
                                                          bewerberleistungen                                                                           schaftsunterkünften und           Asylbegehrende
                        setz)                                                            und Haushaltsenergie                                                                                                             einrichtungen (z. B. Raumgröße, Lüftung,
                                                                                                                                                       vergleichbaren dezentralen        (Fehlbeleger:innen)
                                                                                                                                                                                                                          Ausstattung, Belegungsdichte)
                                                                                                                                                       Unterkünften für Asylbewer-
                                                                                         Bereitstellung von Unterkunft durch
                        Empfehlungen für das                                                                                                           ber (Bsp. Bayern)
                                                                                         Kommune, Verpflichtung zur Beseitigung
                        Obdachlosenwesen (z. B.           Obdachlose
                                                                                         plötzlich auftretender Obdachlosigkeit
                        Bayern)                                                                                                                        Richtlinien für heilpädagogi-
                                                                                         durch Sicherheitsbehörden                                                                                                        Mindestanforderungen für die räumli-
                                                                                                                                                       sche Tagesstätten, Heime und      Empfänger:innen von
                                                                                                                                                                                                                          che Ausstattung von Einrichtungen der
                                                                                                                                                       sonstige Einrichtungen für        SGBVIII-Leistungen
                                                          Empfänger:innen von SGBII-                                                                                                                                      Kinder- und Jugendhilfe (z. B. Barrie-
                        SGB (Sozialgesetzbuch)                                           Leistungsanspruch für Unterkunft und                          ­Kinder und Jugendliche und       (u. a. umAs)
                                                          Leistungen                                                                                                                                                      refreiheit, ausreichend Freiflächen im
                        ­Zweites Buch (II)9                                              Heizung                                                        junge Volljährige mit Behinde-
                                                          (Arbeitslosengeld II)                                                                                                                                           Außenbereich, Internetanschluss)
                                                                                                                                                        rung (Bsp. Bayern)
    Unterstützungs-
                                                                                         (Vorläufige) Inobhutnahme von ausländi-
    möglichkeiten                                         Empfänger:innen von SGB-
                        SGB (Sozialgesetzbuch) Ach-                                      schen Kindern und Jugendlichen, Hilfen
    für Neu­                                              VIII-Leistungen
                        tes Buch (VIII)                                                  zur Erziehung (u. a. Wohngruppen oder
    zugewanderte                                          (u. a. umAs)
                                                                                         betreutes Wohnen)
                                                                                                                                      Tabelle 2: Ausgewählte rechtliche Rahmenbedingungen für das Wohnen von Neuzugewanderten
                                                                                                                                      (Quelle: eigene Zusammenstellung)
                        SGB (Sozialgesetzbuch)            Empfänger:innen von SGB-       Leistungsanspruch für Unterkunft und
                        Zwölftes Buch (XII)10             XII-Leistungen (Sozialhilfe)   Heizung

                        WOFG
                                                                                         Zweck und Maßnahmen der Förderung,
                        (Gesetz über die soziale
                                                          u. a. Haushalte mit geringen   ­Fördergrundsätze, Belegungs- und Miet-
                        Wohnraumförderung) und
                                                          Einkommen und Kindern           bindungen (z. B. Wohnberechtigungs-
                        Länder­gesetze (z. B. Bay-
                                                                                          scheine)
                        WoFG)

                        WOGG                              Empfänger:innen von Wohn-
                                                                                         Leistungsanspruch
                        (Wohngeldgesetz)                  geld

8     vgl. auch EU-Saisonarbeiterrichtlinie 2014/36/EU.
9	Sofern es sich nicht um Familienangehörige handelt oder um Personen, die einen Arbeitnehmerstatus oder ein Daueraufenthaltsrecht
   haben, sind EU-Bürgerinnen und -bürger in den ersten fünf Jahren ihres rechtmäßigen Aufenthalts von entsprechenden Ansprüchen
   ausgeschlossen. Ausnahme bilden auf maximal vier Wochen beschränkte Überbrückungsleistungen.
10 siehe Fußnote 9.
20          KURZ-EXPERTISE
            Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                           KURZ-EXPERTISE
                                                                                                                                                                                                                         Wohnen von Neuzugewanderten in ländlichen Räumen
                                                                                                                                                                                                                                                                                  21

Die Wohnsituation von                                                                                                                        Die Unterbringung von Saisonarbeitskräften erfolgt in der
                                                                                                                                             Regel durch Arbeitgeber:innen oder Dritte (Lechner 2020).
                                                                                                                                                                                                                       Ausbildungsbetrieben oder Arbeitsplätzen sowie Ärzt:innen
                                                                                                                                                                                                                       und Beratungseinrichtungen besonders für Personen ohne

­Neuzugewanderten und                                                                                                                        Es handelt sich dabei meist um Mehrbettzimmer im Wohn-
                                                                                                                                             haus der Landwirtin oder des Landwirts, in Containern auf
                                                                                                                                             dem Hof oder in der Nähe der Felder bzw. in ehemaligen
                                                                                                                                                                                                                       eigenen PKW eingeschränkt (für Geflüchtete: BAfF 2020a;
                                                                                                                                                                                                                       Bluhm et al. 2021; Huke 2021; Rösch et al. 2020; SVR 2017;
                                                                                                                                                                                                                       terres des hommes 2020). Erschwerend kommt ein schlech-

 ­Herausforderungen in
                                                                                                                                             Gasthöfen im Ort (Initiative Faire Landarbeit 2019; Wagner                tes Mobilfunknetz in peripheren Lagen hinzu.
                                                                                                                                             et al. 2013). Wagner et al. (2013) berichten auch von Woh-
                                                                                                                                             nungen im Keller eines Wohnhauses mit lediglich kleinen                   In der Folge entwickeln Migrant:innen, Arbeitgeber:innen,

  ­Bezug auf das Wohnen
                                                                                                                                             Lüftungsöffnungen und wenig Tageslicht. Andere Arbeits-                   Haupt- und Ehrenamtliche Strategien zur Verbesserung der
                                                                                                                                             migrant:innen, beispielsweise in der Hotellerie und Gas-                  Alltagsmobilität (vgl. Mehl et al. 2022). Alternativen zum oft
                                                                                                                                             tronomie bzw. im Gesundheits- und Pflegesektor, werden                    kaum verfügbaren, teuren ÖPNV sind Pendelbusverkehre
                                                                                                                                             ebenfalls häufig durch Arbeitgeber:innen untergebracht,                   zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz (für Saisonarbeits-
                                                                                                                                             z. B. in Wohnheimen und Mitarbeiterunterkünften, temporär                 kräfte: Initiative Faire Landarbeit 2021; Wagner et al. 2013)
Die Wohnsituation von Neuzugewanderten in ländlichen                         Die Unterbringung in dezentralen Unterkünften bzw. Privat-      auch in Hotelzimmern (Jentsch et al. 2007; Kordel et al.                  oder Mitfahrgelegenheiten zu den oben genannten Infra-
Räumen ist sehr unterschiedlich. Sie hängt von den ver­                      wohnungen hingegen findet innerhalb von Wohngebäuden            2022a).                                                                   strukturen (für Geflüchtete: Hartl et al. 2020; Mehl et al.
schiedenen Bedarfen, den rechtlichen Rahmenbedingungen,                      statt (Schäfer 2015). Nach einer Studie von Thomas et al.                                                                                 2022; für Saisonarbeitskräfte: Scott & Visser 2022).
dem Wohnungsangebot und den Zugangsbarrieren bzw.                            (2018) in Brandenburg leben unbegleitete Minderjährige in       Live-in-carers leben meist mit im Haus der zu pflegenden
den Formen der Unterstützung ab. Im Folgenden wird die                       stationären Jugendhilfeeinrichtungen ebenfalls entweder         Person. Die Unterbringung von US-Soldat:innen und deren
Situation für die beiden wichtigsten Gruppen – Geflüchtete                   in alten Gasthäusern, Schullandheimen oder Verwaltungs-         Angehörigen wird hingegen durch den amerikanischen Staat
und Arbeitsmigrant:innen – vorgestellt.11                                    gebäuden mit mehr als zehn Jugendlichen zusammen oder           organisiert, z. T. ist eine Wohnsitznahme in Wohnheimen
                                                                             in Wohnungen in Mietshäusern und kleinen Ein- und Mehr-         oder Ein- und Mehrfamilienhäusern „on-post“, d. h. inner-
Geflüchtete werden entweder in Erstaufnahmeeinrichtun-                       familienhäusern mit weniger Personen. Der repräsentati-         halb der Militärbasis, verpflichtend. Wenn Kapazitätseng-
gen und Gemeinschaftsunterkünften untergebracht (z. B. in                    ven IAB-BAMF-SOEP-Befragung zufolge ist der Anteil der          pässe vorliegen und auch die vom US-Staat zur Verfügung
ehemaligen Altenheimen, Baumärkten, Hotels und Gaststät-                     Geflüchteten in Privatwohnungen von 2016 bis 2018 von 54        gestellten Wohnungen „off-post“ (außerhalb der Militärba-
ten, Kasernen, Kliniken und Klinikwohnheimen, Containern                     auf 75 % gestiegen (Tanis 2020). Zum Teil zogen Geflüchtete     sis) nicht ausreichen, mieten Soldat:innen und ihre Familien
in Leichtbauweise sowie in Turnhallen oder Zelten [Bluhm                     nach Ablauf des Mindestaufenthalts bzw. dem Abschluss           auch auf dem privaten Wohnungsmarkt.
et al. 2021; Hartl et al. 2020; Kordel et al. 2023; Rösch et                 des Asylverfahrens aus den Unterkünften aus, oft wurden
al. 2020; Schäfer 2015; UNICEF 2017; Vey & Gunsch 2021;                      dezentrale Unterkünfte jedoch auch in Privatwohnungen mit       Neuzugewanderte zeigen sich mit der Lage der aktuellen
Weidinger et al. 2017]) oder dezentral bzw. in Privatwoh-                    eigenen Mietverhältnissen umgewandelt (BBSR 2017).              Unterkunft oder Wohnung zufrieden, wenn diese zentral ge-
nungen. Für unbegleitete Minderjährige stehen stationäre                                                                                     legen ist und Infrastrukturen und soziale Kontakte fußläufig
Jugendhilfeeinrichtungen zur Verfügung (vgl. SGBVIII, siehe                  Trotz der Verpflichtung zum Wohnen in Asylunterkünften          oder zumindest in kurzer Zeit erreichbar sind (für Migrant:in-
auch Infobox 4). Auch wenn in den einzelnen Bundesländern                    kommt es vor, dass Geflüchtete zeitweise bei Familienange-      nen allgemein: Krings-Heckemeier et al. 2014; für Geflüch-
zum Teil (nicht-)verbindliche Mindestanforderungen für die                   hörigen oder Bekannten in anderen Orten leben und nur zum       tete: Eichholz & Spellerberg 2019; Kordel et al. 2022b).12
räumliche Ausstattung von entsprechenden Einrichtungen                       Empfang von Geldleistungen (Taschengeld) dorthin zurück-        In ländlichen Räumen ist dies allerdings oft nicht gegeben:
existieren, so werden für deren Errichtung zum Teil Aus-                     kehren. Nienaber und Roos (2016) berichten beispielsweise       Die Unterkünfte für Geflüchtete und Saisonarbeiter:innen,
nahmen vom Baurecht zugelassen (vgl. BauGB und BayBO,                        vom Fall eines Geflüchteten, der in der Wohnung seines Bru-     aber auch Neubauten von Grenzpendler:innen liegen häufig
siehe auch Infobox 4). Unterkünfte können zusätzlich um-                     ders in der Kreisstadt lebt, um nicht jeden Tag aus der Erst-   isoliert am Rande oder außerhalb von Siedlungsstrukturen
zäunt sein, um die Bewegungsfreiheit der Bewohner:innen                      aufnahmeeinrichtung zum Sprachkurs pendeln zu müssen.           (für Geflüchtete: BAfF 2020a; Huke 2021; SVR 2017; für
zu kontrollieren bzw. diese vor Gefahren zu schützen (BAfF                                                                                   Grenzpendler:innen: Reichert-Schick 2017). Dadurch sind
2020a). Dadurch wird allerdings das Gefühl räumlicher                                                                                        Möglichkeiten zufälliger sozialer Interaktion und die Erreich-
Isolation verstärkt (SVR 2017).                                                                                                              barkeit von Einkaufsmöglichkeiten, Bildungsinfrastrukturen,

                                                                                                                                             12	Zum Teil kommt es dadurch zu einer Konzentration von Migrant:innen
                                                                                                                                                 bzw. bestimmten Migrantengruppen in einzelnen Straßenzügen oder
                                                                                                                                                 Wohnanlagen und in der Folge auch an Kitas und Schulen. Dies kann
                                                                                                                                                 zu einer Stigmatisierung von Wohngebäuden und Quartieren führen
                                                                                                                                                 (Großmann 2019; Enßle-Reinhardt et al. 2022). Nachbarschafts­
11	Grenzpendler:innen renovieren meist Bestandsimmobilien im Dorfkern                                                                           konflikte treten in Klein- und Mittelstädten besonders dort auf, wo
    und bauen Einfamilienhäuser in Neubaugebieten, die oft nicht der länd-                                                                       Migrant:innen und Personen mit rechter Gesinnung räumlich nah bei­
    lichen Bautradition entsprechen (Reichert-Schick 2017).                                                                                      einander leben (Enßle-Reinhardt et al. 2022).
Sie können auch lesen