Mensch und Gesundheit - Forschung am Paul Scherrer Institut - Paul Scherrer Institut (PSI)
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Inhalt 4 Für die Gesundheit 20 Verschiedene Einblicke in 4 Proteine und Krebstherapie die Strukturen des Lebens 4 Neue Technik für neue Einblicke 20 Dynamik der Lungenbläschen 4 Lebenswissenschaften am PSI in Zahlen 21 Biopolymere für die Ernährungsindustrie 21 Einblick in die Zelle 6 Strukturen des Lebens erforschen – neue 22 Erfolgsgeschichte Medikamente entwickeln Protonentherapie 22 Erste Patientenbehandlung 8 Maschinen des Lebens vor über 30 Jahren 23 Patientenbehandlung und Forschung 8 Proteine verstehen – Hand in Hand Medikamente entwickeln 8 Proteine überall 24 Aus der Forschung in 10 Eine biotechnologische die Wirtschaft Revolution – Zusammenarbeit mit der Industrie und Spin-offs 12 Strahlende Medikamente 13 Schilddrüsenkrebs gezielt bekämpfen 26 Hand in Hand mit der Industrie 13 Mitten in den Kern 27 Medikamente aus der PSI-Forschung 13 Blick in den Organismus 27 Besseres Röntgen 13 Versorgung der Aargauer Spitäler 27 Technischer Spezialist für Protonentherapie 14 Modernste Technik für Forschung und Therapie 28 Innovationen zur Ausgründung nutzen 28 Medikamente entwickeln und testen 16 Mit grossen Geräten das 28 Durch «Founder Fellowship» des Kleinste sichtbar machen PSI gefördert 16 Am Teilchenbeschleuniger die Strukturen 28 Besseres Röntgen des Lebens entschlüsseln 28 Nutzer aus der Industrie unterstützen 17 Entwicklungen aus dem PSI machen neue Einblicke möglich 31 Das PSI in Kürze 31 Impressum 18 Der Schweizer Ansatz: 31 Kontakte hohe Qualität 3
Für die Gesundheit Wenn Forschende in Pharmaunternehmen weise aufklären. Intensiv am PSI unter- Fortschritt der Medizin beitragen kann, heutzutage neue Medikamente entwi- sucht wurden unter anderem die Proteine, zeigt die Protonentherapie. Als diese Be- ckeln, stützen sie sich auf detaillierte die den Sehprozess sowie die Zellteilung handlungsmethode in den 1980er-Jahren wissenschaftliche Erkenntnisse über die kontrollieren. entwickelt wurde, verfügte das PSI als Ursachen hinter einzelnen Krankheiten. Ein zweiter Forschungsschwerpunkt am einzige Einrichtung in der Schweiz über Das PSI trägt auf mehrfache Weise zu PSI liegt in der Entwicklung von Radio- einen dafür geeigneten Protonenbe- diesem Wissen bei. PSI-Forschende un- pharmazeutika. Diese Medikamente, die schleuniger, der für die Physikforschung tersuchen zum einen Grundstrukturen meist aus einer Kombination von einem gebaut worden war. An diesen wurde ein des Lebens und entwickeln darauf auf- Biomolekül, das sich an Tumorgewebe Behandlungszentrum angebaut und man bauend Ansätze für neue Behandlungs- anreichert, mit einem radioaktiven Isotop begann, auf dem Gelände des PSI krebs- methoden. Zudem entwickeln sie Radio- bestehen, werden in Spitälern für die kranke Menschen mit Protonen zu behan- pharmaka – radioaktive Medikamente, Diagnostik und Therapie von Krebs ein- deln. Heute werden hier jährlich Hunderte mit denen sich bestimmte Tumore loka- gesetzt. Patientinnen und Patienten behandelt, lisieren und präzise zerstören lassen. darunter sehr viele Kinder. Das PSI ist Gleichzeitig stehen die schweizweit ein- zudem führend bei der Weiterentwicklung zigartigen Grossforschungsanlagen des Neue Technik für neue dieser innovativen Behandlungsme- PSI auch den Forschenden von Hochschu- thode. Einblicke len und Industrieunternehmen offen, die Auf den folgenden Seiten erfahren Sie hier Strukturen lebenswichtiger Biomo- Doch der Beitrag des PSI zum Verständnis mehr über die Geheimnisse des Lebens, leküle und medizinischer Wirkstoffe un- von Lebensvorgängen reicht weit über die die am PSI aufgeklärt werden, und den tersuchen. So steckt in vielen Forschungs- eigene Forschung hinaus: Zahlreiche ex- Nutzen dieser Forschung für zukunftswei- ergebnissen und Therapien Dritter auch terne Fachleute auf den Gebieten der sende Anwendungen in der Medizin. ein Stück PSI. Biologie und Biochemie führen Experi- Darüber hinaus gibt es noch Patientinnen mente an den Grossforschungsanlagen und Patienten, die ganz unmittelbar von des PSI durch. Darunter sind neben For- der Arbeit des PSI profitieren: Menschen, schenden von Universitäten auch solche die an bestimmten Krebserkrankungen aus grossen Pharmafirmen oder aus jun- leiden, und die direkt auf dem Instituts- gen Biotech-Unternehmen – von denen gelände mit der präzisen und schonen- manche direkt aus dem PSI heraus ge- den Protonentherapie behandelt werden. gründet worden sind. In Wechselwirkung zwischen eigener For- schung und Ingenieurskunst treiben Fach- Proteine und Krebstherapie leute des PSI die Entwicklung dieser Anlagen so voran, dass sie auch in In der Grundlagenforschung des PSI spielt Zukunft den medizinischen Fortschritt Lebenswissenschaften eine der essentiellen Klassen von biolo- sichern werden. So macht der neue am PSI in Zahlen gischen Grundbausteinen die Hauptrolle: Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL Seit 1984 wurden am PSI mehr Proteine, hochkomplexe Biomoleküle, die es möglich, nicht nur statische Bilder von als 8000 an Krebs erkrankte praktisch alle Stoffwechselvorgänge so- Proteinen aufzunehmen, sondern auch Personen mittels der ultragenauen wie die Zellteilung in allen Formen des die ultraschnellen Veränderungen der Protonentherapie behandelt, Lebens kontrollieren und ausführen. Bei Proteinmoleküle nach ihrer Aktivierung darunter 500 Kinder. Menschen und Tieren bilden sie auch das zu messen, und auf diese Weise einen Stützgerüst der Zelle und transportieren Film über die Proteinaktivierung zu dre- Der Anteil der Lebenswissenschaften Stoffe im Inneren der Zelle. Immer wieder hen – und das mit einer Auflösung, bei am Budget des PSI macht 24 Prozent aus. sorgen PSI-Forschende für Aufmerksam- der die einzelnen Atome der Proteine keit in Fachkreisen, weil sie Proteine in sichtbar sind. Seit 2002 wurden an der SLS mehr als nie zuvor gesehenem Detaillierungsgrad Wie die Grundlagenforschung anderer 5600 Proteinstrukturen entschlüsselt. beschreiben und so deren Funktions- Fachgebiete auf erstaunliche Weise zum 4
Untersuchungen an den Grossfor- schungsanlagen des PSI tragen zu unserem Wissen über die Strukturen des Lebens bei und schaffen die Grundlagen für neue Medikamente. 5
Strukturen des Lebens erforschen – neue Medikamente entwickeln Auch heutzutage verbringen Forschende in den Lebenswissenschaften einen grossen Teil ihrer Zeit im Labor. 6
Maschinen des Lebens Der Rezeptor Rhodopsin hat sieben Spiralstrukturen. Er befindet sich in der Zellmembran (gelber Hinter- grund). Zwischen den Spiralen sieht man – ähnlich der Form einer Weintraubenrispe – das Retinal, das auf Licht reagiert. Der Lichteinfall bewirkt, dass das Retinal seine Form verändert und dadurch mehrere Proteine sind zentrale Bausteine jedes Jedes Protein besteht aus einer Kette von Spiralen leicht verschiebt. Dadurch kann sich aus dem lebenden Systems. Wie winzige hochspe- kleineren Molekülen – den Aminosäuren. Inneren der Zelle (türkiser Hintergrund) ein G-Protein zialisierte Maschinen erfüllen sie im le- Die Anordnung dieser Aminosäuren ist für (beige-grau Struktur) an den Rhodopsin-Rezeptor benden Organismus zahllose Aufgaben: jedes einzelne Protein in der DNA gespei- binden. Das G-Protein initiiert einen Prozess, der dafür Sie zerlegen Stoffe und bauen andere auf, chert. Doch es kommt nicht alleine auf die sorgt, dass die Information des Lichtsignals an die bilden das Stützgerüst unserer Zellen, Reihenfolge der Aminosäuren an. Wichtig Nervenzellen und schliesslich ans Gehirn weiterge leiten Informationen innerhalb des Kör- ist auch, dass sich diese Kette korrekt geben wird. Dieser Vorgang passiert immer wieder und pers weiter und sorgen dafür, dass Ener- faltet und dabei ihre typische dreidimen- so rasend schnell, dass unsere Augen Veränderungen gie gespeichert und bei Bedarf wieder zur sionale Struktur mit unterschiedlichen in der Umwelt augenblicklich erkennen können. Verfügung gestellt wird. Obwohl sie alle Fortsätzen und Ausbuchtungen ausbildet. nach dem gleichen Prinzip aufgebaut Zudem verändern praktisch alle Proteine sind – aus einer Kette von «standardisier- bei der Arbeit ihre Form – sie haben also ten» Bausteinen, den Aminosäuren – jeweils mehr als eine Struktur. Nur wenn können sie eine fast unvorstellbare man die dreidimensionale Struktur des Vielfalt an Formen haben. Am PSI ent- Proteins kennt und weiss, wie sich diese schlüsseln Forschende die Struktur und verändert, kann man seine Funktion wirk- Funktion verschiedenster Proteine und lich verstehen. lernen dadurch, Lebensprozesse besser zu verstehen. Mit diesem Wissen tragen sie auch zur Entwicklung neuer Medika- Proteine verstehen – mente bei. Medikamente entwickeln Am PSI untersuchen mehrere Forschungs- Praktisch alle Prozesse in unserem Körper gruppen den Aufbau und die Funktion von werden von Proteinen gesteuert. Diese Proteinen. Ein Schwerpunkt sind die so- komplexen Biomoleküle kann man sich genannten G-Protein-gekoppelten Rezep- als winzige Maschinen denken, die in den toren – Proteine, die in der Zellhülle sit- Zellen unseres Körpers die verschiedens- zen und dafür sorgen, dass Informationen ten Aufgaben übernehmen. Sie machen von aussen in die Zelle gelangen. Ein es möglich, dass wir sehen, hören und bekanntes Beispiel für ein solches Protein schmecken, sie sorgen dafür, dass ver- ist der Beta-Rezeptor des Herzmuskels schiedene Bereiche des Körpers mitein- – treffen Moleküle des Hormons Adrena- ander kommunizieren und sich koordi- lin von aussen auf solche Rezeptoren, nieren können. Alle Nahrungsmittel wie regen sie die Muskelzellen an, kräftiger Zucker, Fette und Vitamine werden von zu schlagen. Soll dieser Effekt künstlich Proteinen auf- oder abgebaut, ebenso wie reduziert werden, können die Rezeptoren alle Zellbestandteile, also DNA, RNA oder mit Hilfe eines Medikaments – eines Proteine selbst. Auch bei allen Krankhei- Beta-Blockers – blockiert werden. Insge- ten sind Proteine beteiligt: So können samt greifen mehr als 30 Prozent aller Menschen zum Beispiel krank werden, neu entwickelten Medikamente an Pro- antwortlich, das dann an die Nervenzel- wenn die Proteine ihres Körpers falsch teinen dieser Familie an. Strukturbiologen len im Gehirn weitergeleitet werden kann. geformt sind oder wenn der Organismus des PSI haben die lichtinduzierten Struk- Die PSI-Forschenden arbeiten daran, die von Mikroorganismen angegriffen wird, turveränderungen in einem weiteren G- genauen Details dieses Prozesses auf die selbst wieder zu einem grossen Teil Protein-gekoppelten Rezeptor, dem Seh- molekularer Ebene aufzuklären; unter aus Proteinen bestehen. Es ist daher nicht pigment Rhodopsin, bestimmt. Dieses anderem liefern die gewonnenen Erkennt- weiter verwunderlich, dass medikamen- reagiert auf Licht und ist für die «Überset- nisse wichtige Informationen für die Ent- töse Behandlungen in den meisten Fällen zung» der physikalischen Information wicklung neuer Medikamente gegen Er- auf Proteine zielen. «Licht» in ein biochemisches Signal ver- blindungskrankheiten. 8
Zusammenspiel mit unterschiedlichen Wirkstoffen erlaubt die Weiter- bezie- hungsweise Neuentwicklung von Wirk- stoffen für die Chemotherapie. Die Tubu- line sind zudem die Grundlage winziger, hochbeweglicher Härchen, die Einzellern die Fortbewegung ermöglichen und auch auf bestimmten Gewebeoberflächen zu finden sind, so zum Beispiel in der Lunge, wo sie Schleim nach aussen transportie- ren. Proteine überall Proteine sind auch entscheidend für die Entwicklung von Radiopharmazeutika. Diese Krebsmedikamente docken gezielt an Proteine an der Oberfläche von Tumor- zellen an und zerstören diese durch ihre Strahlung. Die Forschungsanlagen des PSI, die auch Forschenden aus der ganzen Welt und Industrieunternehmen offenstehen, bie- ten zum Teil einzigartige Möglichkeiten, die Struktur und Funktion von Proteinen zu bestimmen. Mitarbeitende des PSI betreuen die externen Nutzerinnen und Nutzer während ihrer Experimente und dank dieser Erfahrung können sie die Anlagen stetig weiterentwickeln. Aus der zentralen Rolle, die Proteine für die Wirkung zahlreicher Medikamente spielen, ergibt sich auch deren wirtschaft- liche Bedeutung. Zahlreiche grosse Pharmaunternehmen nutzen für die Ent- wicklung neuer Medikamente Erkennt- nisse über die Struktur von Proteinen, die sie am PSI gewonnen haben. Im Umfeld Ein anderes Beispiel ist das Protein Tu- Tubulinfasern bei der Zellteilung die neu- der Proteinforschung am PSI ist zudem bulin. Es bildet dünne Fasern, die unter- gebildeten Chromosomen auseinander eine Reihe von Spin-off-Unternehmen schiedliche Funktionen in den Zellen und verteilen sie auf die beiden neuge- entstanden, die zum Beispiel medizini- übernehmen. Die Fasern dienen als bildeten Zellen. Letzteres macht man sich sche Wirkstoffe entwickeln oder Indus Gleise, auf denen Substanzen innerhalb in der Chemotherapie zunutze, indem trienutzer bei ihren Untersuchungen am der Zelle transportiert werden, und bilden man diesen Prozess mit Wirkstoffen stört, PSI unterstützen. einen wichtigen Teil des Zellskeletts, das die an Tubulin binden und so die Teilung die Zelle in Form hält und die Maschinerie von Krebszellen unterbinden. Die Aufklä- der Zellteilung koordiniert. So ziehen rung der Struktur der Tubuline am PSI im 9
Eine biotechnologische Revolution Gebhard Schertler ist Leiter des For- schungsbereichs Biologie und Chemie am PSI und Professor für Strukturbiologie an der ETH Zürich. In diesem Interview spricht er über die biologische Forschung am PSI und die Zukunft der Medikamen- tenentwicklung. Herr Schertler, es gehört zu den Kern- kompetenzen des PSI, die Struktur von Proteinen zu entschlüsseln. Was macht Proteine so interessant? In der Biologie stellen die Proteine die Werkbank des Lebens dar. Sie sind Struk- turbausteine oder aktive Werkzeuge, die Stoffe umwandeln oder Signale weiterlei- ten. Damit stehen sie im Zentrum unseres Ansatzes, Lebensprozesse zu verstehen. Es gibt den schönen Satz: «Die Sprache des Lebens ist die Chemie». Und sehr viele Proteine sind Katalysatoren, die diese Chemie ermöglichen oder regulie- ren. Welche Bedeutung hat die Proteinfor- schung für unseren Alltag? Die Grundlagenbiologie wird immer rele- vanter für die Entwicklung neuer Therapie möglichkeiten gegen Krankheiten. So helfen die Erkenntnisse, die wir über den Aufbau von Proteinen gewinnen, bessere Medikamente zu entwickeln – zum Bei- spiel gegen Krebs oder Augenkrankhei- ten. Aber das Potenzial ist noch grösser: Wir stehen am Anfang einer technologi- schen Revolution, die man als biologi- sches System-Engineering bezeichnen könnte. Dabei werden Proteine zu Kom- ponenten in neuen biologischen Regel- kreisen. Zum Beispiel denkt man heute über Medikamente nach, die sich mit Licht an- oder ausschalten lassen. Das ist momentan nur bedingt möglich, wird in der Zukunft aber sehr wichtig werden. Das PSI stellt dafür die Forschungs-Infrastruk- tur zur Verfügung. 10
Immer wieder fällt das Schlagwort «per- einem grossen Testverfahren – das meist personalisierten Medizin zu leisten. sonalisierte Medizin», wenn es um die für jeden Test entwickelt werden musste Gleichzeitig werden wir neben grundle- Zukunft der Diagnostik und Therapie – zu untersuchen, um zufällig eine ein- genden Fragestellungen in der Struktur- geht. Was ist damit gemeint? zelne Verbindung zu identifizieren, die biologie weiterhin Themen bevorzugen, Personalisierte Medizin hat verschiedene die gewünschte Wirkung zeigt. Doch die- die Relevanz für die Pharmaindustrie Aspekte. Zum einen ist damit eine Be- ser «nicht-rationale» Ansatz hat sich nicht haben, und wir werden verstärkt mit Spi- handlung gemeint, die auf eine be- bewährt. Es wurden Millionen investiert tälern zusammenarbeiten. Es ist wichtig stimmte Person zugeschnitten ist – das – und am Ende waren die Erfolge gering. zu verstehen, dass sich die Erkenntnis- kann mit einem Gentest anfangen, aber Deswegen gibt es heute eigentlich keine weise verändert. Bis jetzt war es möglich, auch mit der Krankengeschichte und mit Alternative mehr zur rationalen Medika- grosse Durchbrüche mit einzelnen expe- bildgebendem Verfahren: etwa wenn man mentenentwicklung, bei der man, ausge- rimentellen Methoden alleine zu errei- bei der Protonentherapie am PSI genau hend von einem Zielmolekül, einen Wirk- chen. In der Zukunft wird es immer wich- definiert, welche dreidimensionale Zone stoff passend entwickelt. Wir machen da tiger, Kombinationen von mehreren um den Tumor herum behandelt werden gute Erfahrungen mit biologischen Wirk- Methoden zu finden, die adäquat sind, soll. Zum anderen will man möglichst alle stoffen, zum Beispiel mit Antikörpern. Hat um ein spezifisches Problem zu lösen und Gene und Umweltfaktoren eines Men- man nämlich erst einmal rational ein neue Erkenntnisse zu ermöglichen. Wir schen analysieren und so zum Beispiel Zielmolekül als die Ursache einer Erkran- investieren daher in ein breiteres Portfo- erkennen, ob Krebszellen auf eine be- kung identifiziert, kann man es mit Anti- lio von Methoden. Zum einen hat das PSI stimmte Hormontherapie reagieren wer- körpern an- oder abschalten. Nachteile in den letzten Jahren den Freie-Elektro- den oder nicht. Für mich ist der Kern, dass der Antikörper: Sie müssen meist injiziert nen-Röntgenlaser SwissFEL gebaut, mit nach einer genauen Analyse des indivi- werden, es kann auch zu immunologi- dem sich die Bewegung von Proteinen duellen Patienten am Ende eine optimale schen Reaktionen kommen. Deshalb gewissermassen in Form molekularer Behandlung herauskommt. sucht immer noch ein Grossteil der Phar- Filme sichtbar machen lässt. Zum ande- maforschenden nach löslichen Substan- ren wird die Strukturanalyse mittels Elek- Und welchen Beitrag leisten Forscher am zen, die man als Tablette einnehmen tronenstrahlen immer wichtiger – auch PSI für diese personalisierte Medizin? kann. Auch hier gibt es grosse Fortschritte hier arbeiten wir an neuen Geräten. Ein In unserer Grundlagenforschung geht es – einerseits durch die Strukturbiologie, wichtiges Ziel für die Zukunft ist es, die darum, wie Proteine miteinander zusam- andererseits durch die Modellierung von Struktur von Proteinen in ihrer natürlichen menwirken. Man versucht mit einer Ana- Proteinen am Computer. Es ist eine Kom- Umgebung im Inneren von Zellen zu be- lyse zu bestimmen, welches Protein bei bination aus Erfahrung und Theorie, die stimmen. einer Krankheit eine zentrale Rolle spielt: am Ende die besten Erfolge bringt. Dieses Protein nennt man dann «Zielmo- lekül», da es der Angriffspunkt für die In welchen anderen Bereichen entwickelt medizinische Behandlung wird. Die For- das PSI eine personalisierte Medizin? schenden bei uns am PSI spielen oft eine Hier ist vor allem noch die Radiopharmazie sehr wichtige Rolle, wenn ein solches zu nennen, wo in enger Zusammenarbeit Zielmolekül bereits identifiziert ist und mit Spitälern Radiopharmaka, also radio- es danach strukturell, biophysikalisch oder aktiv markierte Wirkstoffe, entwickelt wer- kinetisch genauer untersucht werden soll. den. Diese werden meist für die Diagnose Die Ergebnisse dieser Untersuchungen von Krebserkrankungen, aber vermehrt liefern dann Hinweise, welche Medika- auch in der Therapie eingesetzt. mente für die Behandlung geeignet sind. Welche Strategien verfolgen Sie darüber Was bedeutet in diesem Zusammenhang hinaus innerhalb der lebenswissen- «rationale» Medikamentenentwicklung schaftlichen Forschung des PSI? Gibt es – und was wäre die Alternative? eine Vision, die Ihnen den Weg weist? Früher hat man versucht, Abertausende Strategisch haben wir uns im Moment chemische Verbindungen gleichzeitig in stark darauf fokussiert, einen Beitrag zur 11
Strahlende Medikamente Radioaktive Medikamente können vielen an Krebs erkrankten Patienten helfen. In einem besonders gesicherten Labor arbeiten PSI-Forschende an neuen Präparaten. Sie sind manchmal die letzte Hoffnung Obwohl sie aus der modernen Medizin ser Reichweite. Dann können ihre Signale bei Krebserkrankungen: radioaktive Wirk- nicht mehr wegzudenken sind, führen sie von empfindlichen Messgeräten ausser- stoffe, die von selbst den Weg zu den in der öffentlichen Wahrnehmung ein halb des Körpers aufgefangen werden Tumorzellen finden und den Krebs im Schattendasein: Radiopharmaka. Das und so Informationen über Strukturen Inneren des Körpers bekämpfen. Andere sind Medikamente, in die eine radioak- und Vorgänge im Organismus liefern. Als «strahlende Medikamente» haben sich tive Substanz eingebaut ist, die im Körper Träger für die radioaktive Substanz dient als Diagnostika bewährt: Sie zeigen etwa zerfällt und Strahlung abgibt. Eingesetzt meist ein komplexes Biomolekül, das im PET-Scanner an, ob das Gehirn richtig werden können Radiopharmaka auf zwei- gezielt bestimmte Zielmoleküle auf Tu- funktioniert. Am PSI beschäftigen erlei Weise: Entweder die radioaktive morzellen ansteuert. Bei den Zielmole- sich mehr als 25 Forschende mit Radio Substanz gibt in einem eng abgegrenzten külen handelt es sich meistens um Pro- pharmaka – sie entwickeln neue Mittel Gebiet viel Energie ab und ist damit ge- teine, sodass sich auch die Arbeiten in oder stellen sie für den Einsatz in Spitä- eignet, einen Tumor zu zerstören. Oder der Radiopharmazie in die Proteinfor- lern her. sie strahlen nur schwach, aber mit gros- schung des PSI einfügen. 12
Radiopharmaka werden am PSI erforscht, rig war doch der Weg zum Medikament. Um für einen PET-Scanner geeignet zu weiterentwickelt und sogar hergestellt. Zu den Herausforderungen gehörten die sein, muss das gesuchte Radionuklid zum Fünf Arbeitsgruppen arbeiten am Zent- anfänglichen Nebenwirkungen des hor- einen besondere Teilchen – Positronen rum für radiopharmazeutische Wissen- monähnlichen Proteins, die Anreicherung – abstrahlen. Zum anderen sollte es lang- schaften interdisziplinär zusammen, des Radiopharmakons im gesunden Ge- samer zerfallen als die zurzeit eingesetz- welches das PSI zusammen mit der ETH webe sowie die Notwendigkeit, das Her- ten Radionuklide. Denn deren extrem Zürich und dem Universitätsspital Zürich stellungsverfahren zu optimieren. kurze Zerfallszeit schränkt die Verteilung betreibt. Denn physikalische, chemische, der Medikamente selbst in der kleinen biologische, pharmazeutische und me- Schweiz ein. Die PSI-Wissenschaftler tes- dizinische Aspekte müssen gleichermas- Mitten in den Kern ten daher jetzt einen neuen Kandidaten, sen berücksichtigt werden, wenn ein der die beiden Bedingungen erfüllt: Scan- geeignetes Medikament für die richtige Noch Zukunftsmusik ist der Ansatz einer dium-44. Sie stellen den radioaktiven Anwendung hergestellt werden soll – anderen Forschergruppe am PSI: Ihr Ziel Stoff her, indem sie nicht-radioaktives zeitgenau und auf den einzelnen Patien- ist es, radioaktive Medikamente direkt in Kalzium-44 neunzig Minuten lang mit ten abgestimmt. Beim Arbeiten mit den Zellkern einer Krebszelle einzu- Protonen beschiessen. Dazu nutzen sie Radioaktivität müssen hohe Sicherheits- schleusen. Die radioaktive Substanz einen Teilchenbeschleuniger am PSI. Die standards eingehalten werden. Ausser- könnte dann die Erbsubstanz direkt tref- spezielle Infrastruktur des Forschungsin- dem ist die kurze Haltbarkeit der Medi- fen und so verhindern, dass sich die stituts bahnt damit möglicherweise ei- kamente wegen des radioaktiven Zerfalls Krebszelle weiter teilt. Es wäre ein ähnli- nem neuen Radionuklid den Weg in sämt- zu bedenken. ches Prinzip wie bei der bisher üblichen liche Spitäler der Schweiz, die einen Chemotherapie, nur gezielter und mit PET-Scanner einsetzen. viel weniger Nebenwirkungen. Mit Ter- Schilddrüsenkrebs gezielt bium-161 haben die Forschenden bereits ein geeignetes Radionuklid gefunden. Versorgung der bekämpfen Dessen Strahlung hat eine extrem kurze Aargauer Spitäler Bis ein Medikament so weit entwickelt Reichweite und resultiert in einer hohen ist, dass es in klinischen Studien Energieabgabe. Nun muss das Radionu- Für die Entwicklung neuer Radiophar- eingesetzt werden kann, vergehen viele klid noch mit einem passenden Protein maka hat das PSI eine Laborinfrastruktur Jahre. Ein erfolgreiches Beispiel ist gekoppelt werden, das ihm den Weg aufgebaut, die im Aargau und darüber 177Lu-PSIG-2. So heisst ein neues, am durch die Hülle des Zellkerns bahnt. hinaus einzigartig ist. Damit erfüllt es PSI entwickeltes Radiopharmakon, das auch die Voraussetzungen, um das an- sich gegen einen speziellen Krebs der derweitig entwickelte Radiopharmakon Schilddrüse und dessen Tochterge- Blick in den Organismus 68Ga-PSMA herstellen zu dürfen, mit dem schwülste richtet. Der Krebs entsteht aus es seit Neuestem die Aargauer Kantons- den sogenannten C-Zellen der Schild- Nach einem Radionuklid mit ganz ande- spitäler in Baden und Aarau beliefert. drüse – eine Radio-Jod-Therapie hilft in ren Eigenschaften haben Radiochemiker Mithilfe dieses Mittels können Ärztinnen diesem Fall nicht. Seit Ende 2016 wird des PSI gesucht, um die Verfügbarkeit und Ärzte frühzeitig Metastasen von Pro- das neue Präparat am Universitätsspital von Radiopharmaka für sogenannte statakrebs diagnostizieren und so recht- Basel im Rahmen einer klinischen Studie Positronen-Emissions-Tomografen, kurz zeitig eine Behandlung einleiten. Wegen erprobt. Es besteht aus einem kleinen PET-Scanner zu verbessern. Mit einem der kurzen Halbwertszeit des verwende- Protein, das einem körpereigenen Hor- solchen PET-Scanner lassen sich drei ten Isotops Gallium-68 ist 68Ga-PSMA mon ähnelt, sowie der radioaktiven Sub- dimensionale Bilder des Körperinneren nur drei Stunden verwendbar und muss stanz Lutetium-177. Das kleine Protein anfertigen und biochemische Abläufe im daher in der Nähe des Einsatzortes her- dockt gezielt an Rezeptoren auf der Ober- Organismus sichtbar machen. Man kann gestellt werden. Mit dieser Arbeit hilft das fläche der Tumorzellen an. Die radioak- damit neben der Diagnose von Tumoren PSI, einen wichtigen Engpass bei der tive Substanz, das sogenannte Radionu- und Tochtergeschwülsten beispielsweise Medikamentenversorgung im Aargau zu klid, zerfällt dort und zerstört gezielt den auch krankhafte Veränderungen im Ge- überbrücken. Krebs. So einfach das Prinzip, so schwie- hirn nachweisen. 13
Modernste Technik für Forschung und Therapie Nur in Teamarbeit lassen sich die komplexen Experimente zur Bestimmung von Proteinstrukturen an der SLS durchführen. 14
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Mit grossen Geräten das Kleinste sichtbar machen An den Grossforschungsanlagen des PSI Am Teilchenbeschleuniger Aufbau von Proteinmolekülen bestim- machen Wissenschaftlerinnen und Wis- die Strukturen des Lebens men. Ende 2016 wurde der Freie-Elektro- senschaftler Strukturen von Biomolekü- entschlüsseln nen-Röntgenlaser SwissFEL eingeweiht len und biologischen Geweben sichtbar. – hier können Forschende beobachten, Sie helfen damit, Abläufe in Organismen Das Röntgenlicht für solche Experimente wie Proteinmoleküle ihre Form verändern besser zu verstehen und schaffen Grund- lässt sich nur an komplexen Grossfor- und so ein besseres Verständnis von lagen für die Entwicklung neuer Medika- schungsanlagen erzeugen. Das PSI be- deren Funktion gewinnen. Der SwissFEL mente. Physikerinnen und Ingenieure treibt zwei solche Anlagen. Im Jahr 2001 ist Vertreter eines neuartigen Typs von arbeiten ständig daran, die Messmetho- ging die Synchrotron Lichtquelle Schweiz Forschungsanlage – es gibt zurzeit den zu verbessern, sodass Forschende SLS in Betrieb. An drei Messplätzen weltweit nur vier weitere derartige zunehmend anspruchsvollere Fragen können Forschende hier im Detail den Anlagen. untersuchen können. Proteine sind hochkomplexe Biomole- küle, die zentral sind für alle Abläufe im menschlichen Organismus. Für die Ent- wicklung moderner Medikamente ist es oft entscheidend, den Aufbau der betei- ligten Proteine zu verstehen, doch sind diese nur wenige Millionstel Millimeter gross und deshalb zu klein, als dass man sie mit dem Lichtmikroskop betrachten könnte. Gegenwärtig braucht man meist starkes Röntgenlicht, um ihre Struktur zu entschlüsseln. Im Experiment werden Proteine mit dem Röntgenlicht durchleuchtet, das heisst das Licht geht an einer Stelle hinein und kommt an einer anderen Stelle wieder heraus. Ein Teil des Lichts wird auf dem Weg durch das Protein von seinem gera- den Weg abgelenkt. Die Ablenkungen werden von einem Detektor registriert. Aus dieser Information lässt sich mithilfe aufwändiger Computerprogramme der Aufbau der Proteine bestimmen. Dabei ist es zur Zeit nicht möglich, ein einzelnes Biomolekül zu untersuchen – man braucht einen Proteinkristall, in dem viele identische Biomoleküle in einem regel- mässigen dreidimensionalen Muster an- geordnet sind. Die Herstellung solcher Kristalle ist eine Kunst für sich, die For- schende in einem Speziallabor des PSI perfektioniert haben. 16
Das Grundprinzip hinter SwissFEL und SLS Anlage ab – so erzeugt die SLS meistens Entwicklungen aus ist ähnlich: Beide nutzen aus, dass einen quasi kontinuierlichen Lichtstrahl, dem PSI machen neue schnelle Elektronen Licht abstrahlen, während der SwissFEL kurze Blitze von Einblicke möglich wenn sie auf eine gekrümmte Bahn ge- extrem intensivem Licht abstrahlt. zwungen werden. In beiden Anlagen Zu den 5600 Proteinen, deren Struktur seit Um stets mit den wachsenden Anforde- bringt ein Teilchenbeschleuniger die Elek- dem Start an der SLS entschlüsselt wurde, rungen der Wissenschaftlerinnen und tronen zunächst auf eine Geschwindig- gehören Strukturen des Sehpigments Rho- Wissenschaftler mitzuhalten, entwickelt keit, die nahe an der des Lichts ist. In der dopsin, das in unseren Augen als Licht- das PSI kontinuierlich die Messappara- SLS ist der Beschleuniger ungefähr kreis- sensor wirkt. Auch der Aufbau des Ribo- turen weiter. So wurden zum Beispiel die förmig und hat einen Umfang von 288 soms, eines grossen und sehr komplexen am PSI entwickelten Detektoren, welche Metern, im SwissFEL wird ein rund 300 Biomoleküls, das in der Zelle für den Zu- die beim Durchdringen des Proteinkris- Meter langer Linearbeschleuniger einge- sammenbau weiterer Proteine verantwort- talls abgelenkten Strahlen registrieren, setzt. Eine regelmässige Anordnung vieler lich ist, wurde unter anderem mit Hilfe von immer schneller und genauer. Magnete zwingt die Elektronen dann auf Messungen an der SLS geklärt. Für diese Um am SwissFEL Proteine in Bewegung eine Slalombahn und bringt sie so dazu, Leistung bekam der Strukturbiologe Ven- beobachten zu können, haben For- das Licht zu erzeugen. Die Eigenschaften katraman Ramakrishnan aus Cambridge schende des PSI das Verfahren der seri- des Lichts hängen von den Details der 2009 den Chemie-Nobelpreis. ellen Kristallografie weiterentwickelt und sind führend bei der Entwicklung der sogenannten zeitaufgelösten seriellen Kristallografie beteiligt. Dabei werden Damit die Grossforschungsanlagen viele kleine Kristalle des gleichen Prote- ihr volles Potential entfalten können, ins nacheinander mit den extrem kurzen entwickeln und testen Forschende und intensiven Lichtpulsen des SwissFEL zusätzliche Geräte, die an den durchleuchtet. Kurz vor der Messung wird einzelnen Experimentierstationen das Protein zu leicht unterschiedlichen zum Einsatz kommen. Zeitpunkten mit Licht aktiviert. Das Pro- tein befindet sich dann in jedem Kristall in einer anderen Phase der Bewegung. Zusammengesetzt ergeben die dabei er- zeugten Bilder den gewünschten «Film». So konnte ein international zusammen- gesetztes Team unter der Leitung von PSI-Forschern 2018 einen 3-D-Film erstel- len, der wichtige Einblicke in einen der schnellsten Prozesse in der Biologie zeigt. Die Forscher konnten zeigen, wie verschiedene Bestandteile das Bacterio- rhodopsins – eines Moleküls, das ähnlich wie der menschliche Sehfarbstoff von Licht aktiviert wird – zusammenwirken und so den Vorgang besonders effizient machen. Da der SwissFEL zum Zeitpunkt der Messung noch nicht fertig war, wur- den die Messungen an einer vergleichba- ren Anlage in den USA durchgeführt. Proteinstrukturen sind nicht das einzige Thema aus den Lebenswissenschaften, das an den Grossanlagen am PSI erforscht wird. Auch Aufbau und Funktionsweise von Zellbestandteilen, biologischem Ge- webe und ganzen Organen oder auch Medikamente lassen sich an der SLS oder der Schweizer Spallations-Neutronen- quelle SINQ untersuchen. 17
Der Schweizer Ansatz: hohe Qualität Der Physiker Oliver Bunk, Leiter des La- am PSI biologische Strukturen sichtbar sind. Sie ist nicht nur für die Grundlagen- bors für Makromoleküle und Bioimaging gemacht werden? forschung, sondern auch für die Pharma- am Paul Scherrer Institut, erklärt, warum Mit deutlich mehr als einer Methode. In Industrie bedeutsam. Auf einer grösseren so viele Forschende aus den Lebenswis- den Lebenswissenschaften gibt es inter- Skala kann man sich bei uns aber auch senschaften bevorzugt ans PSI kommen, essante Phänomene auf allen Ebenen: Gewebeproben anschauen oder man um Experimente zu machen. Das fängt bei Atomen an, die sich zu kann an lebenden Mäusen Untersuchun- komplexen Molekülen zusammenfinden, gen durchführen, die zum Verständnis und reicht bis zu sichtbaren Phänomenen und der Minimierung der nachteiligen wie Hand- oder Mundbewegungen. Eine Effekte von künstlicher Beatmung bei zu wichtige Methode auf der Ebene grosser früh geborenen Babys beitragen. Herr Bunk, Ihr Kompetenzbereich heisst Moleküle ist die Röntgenkristallografie. «Makromoleküle und Bioimaging». Kön- Sie liefert die Strukturen der Proteine, die An der SLS durchleuchten Sie Moleküle nen Sie erklären, mit welchen Methoden an allen Prozessen des Lebens beteiligt mit intensivem Röntgenlicht. Dabei müs- 18
sen Forschende aus den Lebenswissen- Hirnforschung, etwa rund um Alzheimer ausgenutzt werden müssen. Nichtsdes- schaften, also zum Beispiel Biologinnen, und Parkinson. Hier kennen viele For- totrotz haben wir deutlich mehr Nach- Mediziner und Pharmazeutinnen, eng mit schende die Möglichkeiten der Röntgen- frage, als wir befriedigen können. Man Physikern und Ingenieurinnen zusam- methode noch gar nicht. Aber erste Pio- muss also regeln, wer wann messen darf. menarbeiten. Wie ist diese Zusammen- niere kommen zu uns – oder auch Wir organisieren das durch ein internati- arbeit am PSI organisiert? Wissenschaftler, die wir auf die neuen onal besetztes Komitee: Zweimal im Jahr In meinem Team an der SLS haben wir Methoden hingewiesen haben. können akademische Nutzer Anträge viele Physikerinnen und Physiker, denn einreichen. Sie müssen auf zwei bis drei diese sind gut im Instrumentenbau. Für Welche besonderen Leistungen bietet Seiten beschreiben, welches Experiment die Anwendung müssen sie sich dann das PSI seinen externen Nutzerinnen und sie planen. Das Komitee – es besteht aus aber mit dem jeweiligen Fachkollegen Nutzern – etwa im Vergleich zu ähnlichen unabhängigen Fachexperten – begutach- über dessen Fragestellung unterhalten Anlagen weltweit? Warum entscheiden tet die Anträge und erstellt ein Ranking. und besondere Aufbauten machen: Bio- sich Forschende gerade für das PSI? Die Besten bekommen dann Strahlzeit an logische Proben muss man zum Beispiel Wir bieten an der SLS nicht alle Methoden unserer Anlage. oft kühlen, um Strahlenschäden zu ver- an, aber was wir machen, versuchen wir hindern. Oder die Proben müssen feucht sehr gut zu machen – wir fokussieren Und was kostet das? bleiben. Man muss sich also über Fach- mehr auf Qualität als auf Quantität. Nicht Akademische Nutzer müssen nichts zah- grenzen hinweg austauschen, um die nur in der Instrumentenentwicklung sind len. Dafür müssen sie hinterher die Er- besten Experimente aufzubauen. In der wir gut, es ist auch die gute, kollaborative gebnisse publizieren, sodass sie der Regel sind von unserer Seite gemischte Nutzerbetreuung. Im anglo-amerikani- Fachwelt frei zur Verfügung stehen. Indus- Teams aus Physikern und Biologen vor schen Raum wird oft nur technische Un- trienutzer, die die Ergebnisse für sich Ort an der sogenannten Strahllinie. Sie terstützung angeboten, die Forschung behalten wollen, müssen zahlen. Eine sind Fachleute für die Untersuchungsme- überlässt man den Nutzern. Wir dagegen Stunde Messzeit kostet etwa 1000 thode und haben das Experiment aufge- stellen für den Nutzerdienst Forschende Schweizer Franken. Grosse Pharmafirmen baut. Als Teil des Nutzerdiensts des PSI ein, die aus eigenen Experimenten be- buchen grosse Zeitkontingente bei uns, arbeiten sie eng zusammen mit den For- reits Erfahrung mit den Anlagen haben, die sind etwas günstiger. schenden aus dem PSI oder von ausser- diese nun optimieren und mit den besten halb, die bei uns Strahlzeit beantragt Forschern der Welt kooperieren möchten, Können Sie beispielhaft erklären, wie ein haben, um eigene Fragestellungen zu um die Wissenschaft voranzubringen. Sie Experiment an der SLS typischerweise lösen. Gemeinsam geht man dann das haben eine hohe Eigenmotivation. Das vorbereitet wird und wie es dann abläuft? Experiment an. merkt man auch daran, dass sehr gute Von der Idee bis zur Publikation können wissenschaftliche Publikationen dabei leicht zwei Jahre ins Land gehen. Wenn Wie würden Sie die Forschenden charak- herauskommen – mehr als in vergleich- Forschende eine Idee haben, für die ein terisieren, die die SLS für lebenswissen- baren Anlagen. Hohe Qualität – das ist Umbau der Anlage zu erwarten ist, findet schaftliche Experimente nutzen? Aus eben der Schweizer Ansatz. vor Ort ein Vorgespräch statt. Sonst welchen Bereichen kommen diese Nut- schreibt man einfach seinen Antrag und zer? Was für Fragen bringen sie mit? Die Messzeit an den Grossanlagen des bekommt im Erfolgsfall innerhalb des Viele haben sich auf Strukturbiologie PSI ist begrenzt, aber sehr begehrt. Wie nächsten Halbjahrs Strahlzeit zugeteilt – spezialisiert und kommen aus dem aka- wird entschieden, wer die Anlagen letzt- und einen Ansprechpartner vor Ort, mit demischen Bereich, etwa von der ETH lich nutzen darf? dem man im Vorfeld telefoniert. Dann führt Zürich und der EPF in Lausanne, die Hälfte Wir betreiben die Strahllinien 5000 Stun- man das Experiment durch – das kann aber auch von ausländischen Hochschu- den im Jahr, 220 Tage pro Jahr. Wenn wir zwischen acht Stunden und einer ganzen len sowie aus der Pharmaindustrie. Für im Betrieb sind, arbeiten wir sechs Tage Woche dauern, je nach Technik und je diese Gruppe ist die Röntgenkristallogra- die Woche rund um die Uhr. Denn wenn nachdem, wie anspruchsvoll das Experi- fie von Proteinen ein wichtiger Teil ihrer die Experimente einmal gestartet sind, ment ist. Es folgt die Datenauswertung. Forschung und sie kennen sich mit der sollte man sie nicht unterbrechen, sonst Oft werden zusätzliche Messungen oder Technik sehr gut aus. Wir haben aber hat man sehr viel Neustartzeit. Und es Laboruntersuchungen nötig, bevor die auch spannende Projekte im Bereich der sind teure Maschinen, die möglichst gut Ergebnisse veröffentlicht werden können. 19
Verschiedene Einblicke in die Strukturen des Lebens Den Aufbau und die Funktion von Prote- Gewebes. Technische Voraussetzungen inmolekülen zu bestimmen, ist das Ziel sind neben dem besonderen Röntgen- der meisten Forschenden, die an den strahl zum Beispiel eine Mechanik, die Grossanlagen des PSI die Strukturen des die Probe nanometergenau bewegt und Lebens untersuchen. Doch bieten die positioniert, eine Messkammer, in der Labore des PSI zahlreiche weitere Mög- das Gewebe vor und während der Mes- lichkeiten für Untersuchungen in den sung tiefgekühlt werden kann und die Lebenswissenschaften. Mit Röntgenlicht Software, die die 3-D-Bilder erzeugt. Die lassen sich zum Beispiel auch Gewebe- neue Plattform mit dem Kürzel OMNY strukturen in 3-D abbilden und die Vor- ermöglicht die Untersuchung unter- gänge in Organen sichtbar machen. Neu- schiedlicher Gewebearten und kann so tronen zeigen den Aufbau dünner zum Beispiel auch für die Krebsforschung organischer Schichten. Das kann einst genutzt werden. Ihre Stärke bereits be- helfen, Medikamente im Körper richtig wiesen hat die Methode bei Untersuchun- zu dosieren. gen von Knochenstrukturen, die Hinweise für die Osteoporoseforschung geliefert haben, und bei der Untersuchung von Hirnproben, die neue Einblicke für die Mediziner wünschen sich schon länger Neurowissenschaften, insbesondere die eine Methode, mit der sie Gewebestruk- Parkinsonforschung, ermöglichen. turen bis auf wenige Nanometer genau dreidimensional abbilden können. Damit liessen sich beispielsweise in Proben von Dynamik der Hirngewebe verklumpte Proteine abbil- Lungenbläschen den, wie sie für degenerative Erkrankun- gen wie etwa Parkinson typisch sind. Wenn Kinder zu früh geboren werden, Untersuchungen an modernen Mikrosko- sind ihre Lungen noch nicht ausgereift. pen liefern hier durchaus wichtige Infor- Sie müssen dann im Brutkasten künstlich mationen, doch müssen die Proben dafür beatmet werden. Doch es ist nicht leicht in einer Weise vorbereitet werden, die die für die Neugeborenen-Mediziner, etwa Strukturen verfälscht. Für Untersuchun- den Luftdruck des Beatmungsgeräts rich- gen am Lichtmikroskop müssen sie zum tig einzustellen. Bei zu niedrigem oder zu Beispiel eingefärbt sein, am Elektronen- hohem Druck drohen bleibende Lungen- mikroskop lassen sich nur sehr feine schäden. Wissenschaftler suchen des- Gewebescheiben untersuchen. halb nach Methoden, die künstliche Be- Wissenschaftler des PSI haben in den atmung im Tierversuch zu simulieren. Sie letzten Jahren eine Methode entwickelt möchten dabei am liebsten die winzigen und perfektioniert, mit der sie detailliert Lungenbläschen von Versuchsmäusen die dreidimensionalen Strukturen in ei- live und in Bewegung beobachten. nem tiefgefrorenen Gewebe-Würfel in der An einer Strahllinie an der SLS, die darauf Grösse von etwa einem Zehntel Millimeter spezialisiert ist, detaillierte 3-D-Bilder Kantenlänge abbilden können. Dabei verschiedener Materialien zu erzeugen, durchleuchtet ein Röntgenstrahl aus der sind nun erste Versuche zur Beobachtung SLS die Probe an vielen unterschiedlichen der Lungenbläschen gelungen. Die Wis- Stellen. Aus den Ergebnissen der vielen senschaftler schafften es, mit einem EKG einzelnen Messungen bestimmt ein auf- den Herzschlag abzuleiten und die Auf- wändiges Computerprogramm die dreidi- nahmen mit einem Röntgenblitz immer mensionale Struktur des untersuchten zu einem Zeitpunkt auszulösen, in dem 20
das Herz sich in relativer Ruhe befindet, ETH Zürich haben Fragen, zu deren Klä- sodass das Bild der Lunge nicht «verwa- rung optische Untersuchungsmethoden ckelt». Länger als 1 bis 2 Millisekunden nicht ausreichen. Sie wollen mehr über darf das Röntgenlicht dennoch nicht ein- die Eigenschaften von Biopolymeren wis- wirken, sonst wird das Bild unscharf. sen, die auf Wasser eine dünne Schicht Künftig soll mit der neuen In-vivo-Mikro- bilden – nur ein bis zwei Molekül-Lagen skopie nicht nur die künstliche Beatmung dick. Wie sich solche Schichten bei ver- optimiert werden. Auch Grundfragen der schiedenen Temperaturen, bei unter- Lungenphysiologie, die schon lange ihrer schiedlichen Säuregraden und unter der Beantwortung harren, sollen geklärt wer- Einwirkung von Verdauungsenzymen den. Ebenso die Frage, was bei Krankhei- verhalten, wurde bereits an der SINQ ten wie Asthma und Lungenfibrose auf untersucht. der Ebene der Lungenbläschen schief- Zellulose ist ein Beispiel für solch ein läuft. Kooperationspartner des PSI sind Biopolymer. Forschende wollen den die Klinik für Neonatologie des Universi- Ballaststoff chemisch so trimmen, dass tätskrankenhauses Lausanne sowie Ins- man damit Medikamente mikroverkap- titute der ETH Zürich und der Universität seln kann, sodass sie erst bei Körpertem- Bern. peratur ihren Wirkstoff freigeben. Ein anderes Ziel ist es, bei fetthaltigen Nah- rungsmitteln durch die Zugabe von Bio- Biopolymere für polymeren zu erreichen, dass sie nicht bereits im Magen, sondern erst im Dünn- die Ernährungsindustrie darm verdaut werden. Man fühlt sich Nicht nur Röntgen-, sondern auch Neut- dann schneller satt und nimmt insgesamt ronenstrahlen kommen am PSI für Expe- weniger Fett auf. rimente aus den Lebenswissenschaften zum Einsatz. Dazu wird die Schweizer Spallations-Neutronenquelle SINQ des Einblick in die Zelle PSI genutzt, die sonst vor allem Materi- alwissenschaftlern hilft, Einblick in die In einem weiteren Projekt entwickeln und atomare Struktur von Werkstoffen zu bauen PSI-Forschende eine neuartige nehmen. Ernährungswissenschaftler der Apparatur, die es erstmals möglich ma- chen wird, die Struktur biologischer Mo- leküle an ihrem natürlichen Ort – im In- neren der lebenden Zelle – zu beobachten. Bei der Apparatur handelt es sich um ein neuartiges Elektronenmikroskop, an dem Molekülstrukturen mithilfe von Elektro- nenstrahlen untersucht werden. Mit einem am PSI entwickelten Untersuchungsverfahren lassen sich die Axone – Fortsätze, die Signale von einer Zelle zur nächsten leiten, hier im Bild blau – eines Mäusehirns dreidimensional sichtbar machen. 21
Erfolgsgeschichte Protonentherapie Die Bestrahlung mit Protonen ist eine Erste Patientenbehandlung Diese neue Methode macht die exakte besonders schonende Art, bestimmte vor über 30 Jahren Behandlung von tief im Körper gelegenen Tumore zu bekämpfen. In enger Zusam- und schwer zugänglichen Tumoren mög- menarbeit mit spezialisierten Kliniken Am PSI begann man im Jahr 1984, Patien- lich, wie zum Beispiel Hirntumore sowie bietet das Zentrum für Protonentherapie ten, die an einem Augentumor erkrankt Tumore im Kopf-, Hals-, Becken- und Wir- ZPT am PSI diese Krebstherapie seit 1984 waren, mit Protonen zu behandeln. Heute belsäulenbereich. Besonders Kindern an. Mehr als 8000 Personen, darunter werden immer noch gut 200 Patienten mit kommt diese Form der Protonentherapie 500 Kinder, wurden hier seitdem behan- Augentumoren jährlich am PSI behandelt. zugute. Ihre Organe sind sehr strahlen- delt. Neben der Patientenbehandlung ist Seit Ende der 1990er-Jahre hat zudem die empfindlich und aufgrund ihrer langen die Forschung und kontinuierliche Wei- sogenannte Spot-Scanning-Technik, die Lebenserwartung ist es wichtig, das Ri- terentwicklung von Behandlungsmetho- am PSI entwickelt wurde, die Möglichkei- siko von Nebenwirkungen der Bestrah- den ein wichtiger Schwerpunkt am ZPT. ten der Protonentherapie stark erweitert. lung zu minimieren. Mehr als die Hälfte aller Krebserkrankun- gen ist heute heilbar, und viele Patienten verdanken ihr Überleben einer Strahlen- therapie. Neben der klassischen Strah- lentherapie mit Röntgen- oder Gamma- strahlen gibt es die Behandlung mit Teilchenstrahlen. Dabei kommen oft Strahlen aus Protonen zum Einsatz. Sie haben die Eigenschaft, dass sie den Tu- mor sehr präzise treffen und dadurch umliegendes gesundes Gewebe deutlich besser schonen als andere Strahlenthe- rapien. Denn aus physikalischen Gründen geben Protonen ihre maximale Energie sehr exakt an einem vorherbestimmbaren Punkt im Gewebe ab. Dass die Protonentherapie in der Schweiz nicht an einer Klinik, sondern am PSI angesiedelt ist, liegt daran, dass man hier langjährige Erfahrung damit hat, Strahlen aus schnellen Protonen zu erzeugen. Seit 1974 ist am PSI eine Protonenbeschleu- nigeranlage in Betrieb, die für Experi- mente in der Physik und in den Material- wissenschaften genutzt wird. Sie war es anfangs auch, die den Strahl für die Pa- tientenbehandlung lieferte. Seit 2007 gibt es COMET, einen extra für die Krebsthe- rapie optimierten Beschleuniger, der von einem Unternehmen gemeinsam mit PSI- Forschenden entwickelt wurde. 22
Beim Spot-Scanning – auch Pencil beam Millimetergenau lässt sich dieses kolos- Vor Beginn der Protonenbehandlung müs- scanning genannt – rastert ein hochfo- sale Gerät um den Patienten herum be- sen Lage und Ausdehnung des Tumors kussierter Protonenstrahl, der mit fünf wegen. Über ein Jahrzehnt lang war die- genau bestimmt werden. Auch dürfen die bis sieben Millimetern Dicke etwa so ses Verfahren nur am PSI verfügbar. Erkrankten sich während der Bestrahlung dünn ist wie ein Bleistift, das ganze Vo- Mittlerweile ist es weltweit der Standard nicht bewegen. Erwachsenen hilft dabei lumen des Tumors Punkt für Punkt und in der Protonentherapie. eine individuelle Gesichtsmaske, eine Schicht für Schicht ab. Das Gewebe um Beissschiene oder eine genau an ihren den Tumor herum wird dadurch kaum Körper angepasste Liege. Kleine Kinder belastet. Entscheidend ist dabei die erhalten eine leichte Narkose, damit sie Technik zur Lenkung des Protonenstrahls, während der Dauer der Bestrahlung ganz Das PSI betreibt nicht nur das die in einer rund 200 Tonnen schweren ruhig liegen bleiben. einzige Behandlungszentrum für Anlage – der Gantry – untergebracht ist. Protonentherapie in der Schweiz, PSI-Forschende haben auch die Technologie hinter der Methode Patientenbehandlung und wesentlich weiterentwickelt. Forschung Hand in Hand Neben der Behandlung von Patienten arbeiten die Forschenden des ZPT in einer Vielzahl von Projekten an der Weiterent- wicklung des Verfahrens. Sie machen die Protonentherapie damit noch sicherer und effizienter und sorgen dafür, dass die Behandlung für den Patienten weniger belastend wird. Zudem entwickeln sie neue Technologien, die den Anwendungs- bereich der Spot-Scanning-Protonenthe- rapie erweitern sollen. So soll eine neue Bestrahlungstechnik in Zukunft erlauben, mit den Protonen Tumore in solchen Or- ganen zu bestrahlen, die von Natur aus immer in Bewegung sind – beispielsweise in der Lunge mit ihrer Atembewegung. Am ZPT arbeitet eine Vielzahl von Exper- ten. Verschiedene Teams kümmern sich um die Wartung und Pflege der hochspe- zialisierten Therapieanlagen. Regelmäs- sige Qualitätschecks und Überprüfungen durch das Bundesamt für Gesundheit sorgen für einen reibungslosen und si- cheren Betrieb. Das medizinische Fach- personal ist nicht nur auf die anspruchs- volle Behandlung spezialisiert, sondern auch auf eine fürsorgliche Betreuung der Patientinnen und Patienten. Mit Spezial- kliniken in der ganzen Schweiz besteht eine enge Zusammenarbeit – sowohl bei der Patientenbetreuung als auch in der Forschung. 23
Aus der Forschung in die Wirtschaft – Zusammenarbeit mit der Industrie und Spin-offs 24
Bevor Proteinmoleküle an der SLS untersucht werden können, müssen sie zu Kristallen kombiniert werden. Solche Kristalle herzustellen ist eine Kunst, die Forschende in einem Speziallabor des PSI perfektioniert haben. 25
Hand in Hand mit der Industrie Eine Technik, die für Experimente an der SLS entwickelt wurde, soll in Zukunft Mammografieunter suchungen ermöglichen, die eine bessere Unterscheidung zwischen krankem und gesundem Gewebe ermöglichen als die heutigen Verfahren. 26
Die Grundlagen für die meisten neuen PSI-Spin-offs unterstützt. Das geht so chen, sondern auch unterschiedliche Medikamente oder medizinischen Geräte weit, dass manche nur noch ihre Proben weiche Körpergewebe gut voneinander entstehen an öffentlich geförderten For- einschicken und am Ende einen Bericht abgrenzen. Der Röntgenstrahl muss dabei schungseinrichtungen wie dem PSI. So mit einer ausführlichen Interpretation der durch mehrere sehr feine Gitter geleitet untersuchen Pharmaunternehmen Wirk- Ergebnisse erhalten. werden, die am PSI entwickelt und her- stoffe an der SLS oder nutzen das am PSI gestellt wurden. Der Abstand zwischen gewonnene Verständnis über Lebensvor- zwei «Gitterstäben» beträgt hier nur we- gänge für die Entwicklung von Medika- Medikamente aus der nige Tausendstel eines Millimeters. menten. Andere Unternehmen profitieren In Zusammenarbeit mit dem Kantonsspi- PSI-Forschung vom PSI, indem sie am PSI entwickelte tal Baden gelang 2011 der Nachweis, dass Technik und Knowhow nutzen und darauf Forschende des PSI untersuchen die mo- sich die Methode für die Mammografie, aufbauen. lekularen Hintergründe unterschiedlicher also die Röntgenuntersuchung der weib- Krankheiten und bestimmen Klassen von lichen Brust, eignet. Weitere klinische Wer beispielsweise bei einer Krebserkran- Substanzen, mit denen sich diese Krank- Untersuchungen haben gezeigt, dass die kung mit Medikamenten der neuesten heiten behandeln lassen könnten. Mit neue Methode eine bessere Unterschei- Generation behandelt wird, macht sich in dieser Grundlagenforschung schaffen sie dung zwischen gutartigen und bösartigen der Regel nicht klar, dass bei deren Ent- die Basis für die Entwicklung von Medi- Veränderungen der Brust verspricht. Zu- wicklung ein Grossforschungszentrum wie kamenten, die dann von den Pharmaun- sammen mit dem Elektronikkonzern Phi- das PSI beteiligt gewesen sein könnte. ternehmen weitergeführt wird. So baut lips hat die Forschungsgruppe nun einen Und doch ist es so: So gut wie alle grossen beispielsweise eine Kooperation zwi- ersten Prototyp für ein Mammografie- Pharmafirmen der Welt und auch etliche schen dem PSI und Roche auf den PSI- Gerät gebaut, das sich für den Einsatz in kleinere nutzen die Synchrotron Licht- Forschungen zu angeborenen degenera- Kliniken und Arztpraxen eignet. quelle Schweiz SLS, um neue Medikamen- tiven Augenerkrankungen auf. Im Rahmen ten-Wirkstoffe zu finden oder bereits be- der Kooperation haben die Forschenden kannte Heilmittel in ihrer Wirkung zu ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Technischer Spezialist für optimieren. Denn unter dem fokussierten Wirkstoffkandidaten zur Behandlung die- Protonentherapie Röntgenstrahl lässt sich deren Wechsel- ser Krankheiten identifizieren lassen. Das wirkung mit körpereigenen Proteinen ge- Ziel ist dabei, Medikamente zu entwi- Der neueste Bestrahlungsplatz Gantry 3 nau studieren. Diese enge Zusammenar- ckeln, die den Fortschritt der Krankheiten wurde in einer Forschungszusammenarbeit beit zwischen dem PSI und der bremsen und so den Erkrankten helfen, mit der Firma Varian Medical Systems ge- Pharmaindustrie wird sich auch am Freie- ihre Sehfähigkeit länger zu erhalten. baut. Die langjährige Teamarbeit zwischen Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL fortset- dem Industriepartner mit seinem Know- zen. Hier wird es möglich sein, die Verän- how und dem PSI mit seiner Erfahrung aus derungen der Moleküle während einer Besseres Röntgen der Grundlagen- und angewandten For- solchen Wechselwirkung zu verfolgen und schung für die Protonentherapie war ein so weitere wichtige Informationen für die Die SLS hat auch die medizinische For- grosser Lerneffekt für beide Partner. Optimierung der Wirkstoffe zu erhalten. schung im Bereich der Krebsvorsorge Im Jahr 1993 baute die Firma Schaer Proton Alle Industriekunden tragen die Kosten inspiriert: Physiker des PSI entdeckten AG aus Flaach ZH mit dem PSI zusammen für die Nutzung der Anlagen selbst. Die kurz nach der Jahrtausendwende, wie die weltweit erste Behandlungsanlage Schweizer Unternehmen Roche und No- sich eine Untersuchungsmethode, die (Gantry 1), an der die am PSI entwickelte vartis, die bereits seit 2002 dabei sind, bisher nur an der Grossanlage genutzt Spot-Scanning-Technik in der Protonen- finanzieren an der SLS sogar eine der drei wurde, auch auf gewöhnliche Röntgen- therapie zum Einsatz kommt. Seit einigen Strahllinien mit, die für die Proteinunter- geräte übertragen lässt. Dieses soge- Jahren stellt Schaer fast nur noch Anlagen suchungen ausgelegt sind. Die Pharma- nannte Phasenkontrast-Röntgen verwen- und Komponenten für die Protonenthera- forscher aus der Industrie werden bei der det Eigenschaften des Röntgenlichts, die pie her und vertreibt diese weltweit. Durchführung, Auswertung und Interpre- bei gewöhnlichen Röntgenuntersuchun- So kommt die Arbeit des PSI Unterneh- tation der Messergebnisse von Forschen- gen unbeachtet bleiben. Damit lassen men in der Schweiz und kranken Men- den des PSI oder zweier spezialisierter sich nicht nur harte Strukturen wie Kno- schen weltweit zugute. 27
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