Menschenrechtsbildung für die Polizei - Günter Schicht
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Impressum Deutsches Institut für Menschenrechte German Institute for Human Rights Zimmerstr. 26/27 D-10969 Berlin Phone (+49) (0)30 – 259 359 0 Fax (+49) (0)30 – 259 359 59 info@institut-fuer-menschenrechte.de www.institut-fuer-menschenrechte.de Gestaltung: iserundschmidt Kreativagentur für PublicRelations GmbH Bad Honnef – Berlin Titelfoto: © dpa - Report Januar 2007 ISBN 978-3-937714-34-9 (elektronische Fassung)
Studie Menschenrechtsbildung für die Polizei Günter Schicht
Der Autor Der Autor Günter Schicht ist Diplomkriminalist und war bei der Schutz- und Kriminalpolizei tätig. Später bearbeitete er eine Reihe sozialwissenschaftlicher Forschungspro- jekte. Er absolvierte eine Ausbildung in systemischer Therapie und arbeitet gegenwärtig als freier Trainer und Berater mit den Schwerpunkten Psychologie und Organisationsentwicklung. 4
Vorwort Vorwort Menschenrechtsbildung beschränkt sich nicht darauf, deren lebensweltliche Regeln von den förmlichen Norm- menschenrechtlich relevantes Wissen zu vermitteln. vorgaben für die Polizeiarbeit erheblich abweichen Sie soll darüber hinaus handlungsleitende Wirkung ent- können. falten. Dies gilt auch für die Menschenrechtsbildung im Bereich der Polizei. Eine besondere Herausforderung Wir sind froh, dass es uns gelungen ist, mit Günter für eine zielgruppengerechte Menschenrechtsbildung Schicht einen Autor zu gewinnen, der die Polizeiarbeit ergibt sich aus der Sachlage, dass die Polizei einer- von innen her kennt und seit vielen Jahren als Anbie- seits für den Schutz der Menschenrechte Verantwor- ter von Fortbildungskursen für die Polizei didaktische tung trägt, andererseits aber in Gefahr geraten kann, Erfahrungen sammeln konnte. Unser herzlicher Dank Menschenrechte konkret zu verletzen. Menschenrechts- gilt allen, die uns mit ihrem Hintergrundwissen und bildung muss auf diese Ambivalenz eingehen. Sie muss durch Materialien bei der Erstellung der Studie unter- gleichzeitig deutlich machen, dass die Polizistinnen und stützt haben. Wir hoffen, dass die Studie sowohl für Polizisten selbst für ihr dienstliches Selbstverständnis die Weiterentwicklung der Menschenrechtsbildung in und ihr alltägliches professionelles Handeln von den An- der Polizei als auch für die sie begleitende politische geboten der Menschenrechtsbildung profitieren können. und wissenschaftliche Diskussion Impulse geben kann. Menschenrechtliche Bildungsarbeit kann nur erfolg- reich sein, wenn sie in der Lage ist, auf die Realität der polizeilichen Arbeit einzugehen. Dazu zählen die all- Januar 2007 täglichen Schwierigkeiten, mit denen Polizistinnen und Polizisten konfrontiert sind, die Erfahrungen wechsel- Dr. Heiner Bielefeldt, Frauke Seidensticker seitigen Aufeinander-Angewiesenseins und nicht zuletzt Vorstand vielerorts die Existenz einer inoffiziellen Polizeikultur, Deutsches Institut für Menschenrechte 5
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Inhalt Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4 Menschenrechtsrelevante Inhalte in der polizeilichen Aus- und Fortbildung . . . . . . 47 1 Die Fundierung der Menschenrechtsbildung 4.1 Menschenrechtsrelevante Inhalte in internationalen Dokumenten und in der polizeilichen Ausbildung . . . . . . . . 47 Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.1.1 Rahmenbedingungen, Methodik und 1.1 Das absolute Folterverbot . . . . . . . . . . . . 13 Didaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1.2 Das Verbot rassistischer Diskriminierung . 17 4.1.2 Rechtsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1.3 Frauenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4.1.3 Berufsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.4 Kinderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4.1.4 Andere Fächer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1.5 Internationale Verhaltenskodizes und 4.1.5 Sonderveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . 54 Grundprinzipien für die Polizeiarbeit . . . . 24 4.1.6 Praktika und Evaluationen . . . . . . . . . . . . 55 4.2 Menschenrechtsrelevante Inhalte 2 Aus- und Fortbildung bei der Polizei in in der polizeilichen Fortbildung . . . . . . . 57 Deutschland – Ein Überblick . . . . . . . . . . . .27 4.2.1 Fortbildungsangebote und Best Practice – Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3 Rahmenbedingungen und Handlungsfelder 4.2.2 Supervision und Leitbildprozesse . . . . . . . 59 polizeilicher Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.1 Zur Prägung von Polizeibildern durch 5 Anregungen und Impulse . . . . . . . . . . . . . . 61 Erfahrungen und Medien . . . . . . . . . . . . . 29 5.1 Reflexion und kritische Auseinander- 3.2 Gründe für die Wahl des Polizeiberufs . . 30 setzung mit der Cop Culture . . . . . . . . . . 61 3.3 Die Polizeiuniform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 5.2 Menschenrechte als Schwerpunktthema 3.4 Von der Ausbildung in die Praxis – in der polizeilichen Fortbildung stärken . 62 Polizeikultur und Cop Culture . . . . . . . . . 31 5.3 Leitbildprozesse als Chance für 3.5 Fehlverhalten und „Fehlerkultur“ . . . . . . . 33 Menschenrechtsbildung . . . . . . . . . . . . . . 66 3.6 Ursachen für Fehlverhalten in 5.4 Rechtsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 verschiedenen Dienstzweigen und 5.5 Berufsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Aufgabenfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5.6 Ausblick: Plädoyer für eine unabhängige 3.6.1 Polizeiführung und -verwaltung . . . . . . . 35 Kontrollinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.6.2 Schutzpolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3.6.3 Besondere Einsatzgruppen und Sonder- Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.6.4 Kriminalpolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.7 Autorität – Frustration – Aggression . . . 39 3.8 Selbst- und Fremdbilder der Polizei . . . . 41 3.9 Polizeiberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.10 Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.11 „Widerstandsbeamte“ . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.12 „Paradigmenwechsel“ und neue Leitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 7
Einleitung Einleitung „Die Polizei ist übrigens die größte kommt ihm die Aufgabe zu, Menschenrechte vor Be- einträchtigungen durch Dritte zu schützen (obligation Menschenrechtsorganisation!“ 1 to protect). Darüber hinaus hat der Staat auch Infra- strukturmaßnahmen zu leisten, die es ermöglichen sollen, dass die Menschen von ihren Rechten effektiv „Angesichts der geschilderten und weiterer amnesty Gebrauch machen können (obligation to fulfil ). international bekannter Vorwürfe über Polizeiübergriffe sind Die Praxis sieht oft anders aus. Die Polizei ist ein Zweifel berechtigt, ob die deutschen Behörden ihrer Pflicht wesentlicher Bestandteil des staatlichen Gewaltmo- nachkommen, die in internationalen Menschenrechts- nopols. Wem Gewaltbefugnisse übertragen werden, für den ergibt sich gleichzeitig die Gefahr des abkommen verankerten Rechte umfassend zu schützen.“ 2 Missbrauchs dieser Macht. Einerseits ist das polizei- liche Handeln im Alltag überwiegend dadurch gekennzeichnet, dass die Beamtinnen und Beamten Polizistinnen und Polizisten leisten in Deutschland die Menschenrechte in ihrer Arbeit schützen und ach- eine gesellschaftlich notwendige Arbeit in überwiegend ten. Andererseits gibt es immer wieder Belege dafür, hoher Qualität. Sie riskieren dabei für die Allgemeinheit dass einzelne Polizeibeamte und -beamtinnen nicht selten ihre Gesundheit und ihr Leben. Diese Tat- Menschenrechte verletzen. Dies geschieht etwa durch sachen dürfen bei der Beschäftigung mit dem Thema ungerechtfertigte Angriffe auf die körperliche „Polizei und Menschenrechte in Deutschland“ nicht Unversehrtheit oder auf die Freiheit, durch rassis- außer Betracht gelassen werden. Die beiden Eingangs- tisches und diskriminierendes Verhalten. Ein kleiner zitate markieren dabei jenes Spannungsfeld, innerhalb Teil der Menschenrechtsgefährdungen und -ver- dessen sich die Auffassungen zum Thema bewegen. letzungen wird rechtlich geahndet, der größere Teil Zunächst besteht über die grundlegende Ausrichtung bleibt offiziell unbekannt oder ist nicht beweisbar. Ein der Polizei weitestgehend Einigkeit: Als Teil der voll- wichtiges Instrument, um polizeilichem Fehlverhalten ziehenden Gewalt ist sie an Gesetz und Recht gebunden, zu begegnen sowie ihm vorzubeugen, ist die insbesondere an die Grundrechte des Grundgesetzes. Menschenrechtsbildung. Vorbeugende Arbeit ist aber Auch die von Deutschland ratifizierten internationalen auch innerhalb der gesamten Polizeiorganisation zu und europäischen Menschenrechtsverträge sind un- leisten. mittelbar geltendes Recht und binden die Polizei. Mit- hin stehen Achtung, Schutz und Gewährleistung der Bildung ist abstrakt gesehen zunächst das bewusste Menschenrechte im Zentrum polizeilicher Arbeit. Bei Anregen von Lernprozessen. Bei der Menschenrechts- dieser so genannten Pflichtentrias handelt es sich um bildung sollen Lernprozesse angeregt werden, die den die Pflichten des Staates‚ to respect, to protect, to ful- Lernenden dazu befähigen, eigene sowie die Men- fil. Mit der obligation to respect wird festgehalten, schenrechte anderer zu kennen, einzufordern und dass Menschenrechte nach wie vor auch Grenzen mar- darüber hinaus die Menschenrechte als handlungsan- kieren, die der Staat nicht überschreiten darf. Zugleich leitende Werte zu verinnerlichen3. 1 Aus einer Rede des Leiters der Landespolizeischule Hamburg, Gerhard-H. Müller, (2005). 2 amnesty international (2004), S. 10. 3 In leichter Erweiterung von Lenhart (2004), S. 41. 8
Einleitung Menschenrechtsbildung zielt also auf Wissensvermitt- Beschreibung ist allgemein gehalten und trifft keine lung sowie auf die Ausprägung von Werten und konkreten Aussagen über Quantität und Qualität der Handlungskompetenzen. Sie besitzt einen Doppelcha- polizeilichen Aus- und Fortbildung zu Menschenrechts- rakter: Sie ist juristische wie auch moralisch-ethische fragen. Es ist fraglich, ob die Realität dem vollständig Bildung. entspricht. Die vorliegende Studie hat das Ziel, das „Wo“ und „Wie“ der Menschenrechtsbildung bei der Es ist sinnvoll, zwischen Menschenrechtsbildung im Polizei zu beschreiben. Sie ist eine Analyse des Ist- engeren und weiteren Sinne zu unterscheiden. Als Zustandes und gibt auf dieser Basis einen Ausblick auf Menschenrechtsbildung im engeren Sinne lassen sich kurz- und mittelfristige Entwicklungsmöglichkeiten. die Maßnahmen ansehen, bei denen die Lehrenden explizit die Menschenrechte als Ganzes oder einzelne Die Studie lässt sich grob in drei Teile gliedern. Im Menschenrechte zum Gegenstand einer Bildungs- Mittelpunkt des ersten Teils (Kapitel 1 bis 3) steht die maßnahme machen. Beispiele sind Bildungsveranstal- Frage, warum Menschenrechtsbildung für die Polizei tungen zur Geschichte der Menschenrechte, zur All- notwendig ist und auf welche Problemfelder sie sich gemeinen Erklärung der Menschenrechte oder zur zu beziehen hat.5 Hierzu wird zunächst die Pflicht, ob Arbeit von Menschenrechtsorganisationen. Men- als Rechtspflicht oder politische Selbstverpflichtung, schenrechtsbildung im weiteren Sinne sind Maß- zur Menschenrechtsbildung für die Polizei aus inter- nahmen, mit denen solche Einstellungen und Hand- nationalen Dokumenten abgeleitet. Im Zentrum dieses lungsmuster beeinflusst werden, die implizit im Teils steht die Frage nach Faktoren innerhalb der Zusammenhang mit menschenrechtskonformem Ver- Polizei und ihrem gesellschaftlichen Umfeld, die men- halten oder mit dem Eintreten für Menschenrechte schenrechtsverletzendes oder -konformes Handeln för- stehen. Als Beispiele hierfür gelten Stressbewälti- dern. In diesem Zusammenhang werden auch wesent- gungstrainings, (interkulturelle) Konflikttrainings oder liche polizeiliche Handlungsfelder betrachtet. Die Lehrveranstaltungen zur Berufsethik. Wird also, wie in Studie zeigt hier exemplarisch, welche Verbindung es dieser Studie, die Menschenrechtsbildung für eine be- zwischen der Polizei in ihrem Alltagshandeln und den stimmte Zielgruppe untersucht, dürfen nicht nur Menschenrechten gibt. Mögliche Hintergründe für Maßnahmen mit dem entsprechenden Etikett bezie- Menschenrechtsverletzungen durch Polizistinnen und hungsweise offensichtlich verknüpften Inhalten Polizisten werden entsprechend des aktuellen For- betrachtet werden, sondern es sind grundsätzlich alle schungsstandes diskutiert. Vorangestellt ist die Er- Bildungsmaßnahmen dahingehend zu untersuchen, läuterung der polizeilichen Aus- und Fortbildungs- welche Auswirkungen sie darauf haben, dass die an- strukturen in Deutschland. Dabei werden insbesondere gehenden Polizistinnen und Polizisten in ihrer Berufs- die in den verschiedenen Bundesländern existenten ausübung die Menschenrechte achten, schützen und differierenden Formen polizeilicher Bildung dargestellt. gewährleisten. Der zweite Teil der Studie (Kapitel 4) beschreibt die Im Siebten Bericht der Bundesregierung über ihre gegenwärtige Praxis der Menschenrechtsbildung bei Menschenrechtspolitik heißt es zur Menschenrechts- der Polizei in Deutschland. Auf der Grundlage der bildung bei der Polizei unter anderem: „Menschen- Lehrpläne gibt dieses Kapitel einen Überblick, in wel- rechtsbildung ist fester Bestandteil sowohl der Lauf- chen Umfang Menschenrechte explizit in der polizei- bahnausbildung für den Polizeivollzugsdienst als auch lichen Aus- und Fortbildung verankert sind. Bei wel- der Fortbildung an den Bildungseinrichtungen und in chen Fächern ist ein Zusammenhang zu polizeilichem den Dienststellen der einzelnen Polizeibehörden von Verhalten gegeben, bei dem es darauf ankommt, Bund und Ländern. … In der polizeilichen Fortbildung Menschenrechte zu schützen, zu achten und zu ge- und in einer Vielzahl von Einzelprojekten wird das währleisten? In welchen besonderen Veranstaltungen Thema Menschenrechte in verschiedenen Lehrgangs- werden Menschenrechtsthemen behandelt? Auf der angeboten und Fortbildungsmodulen aus unterschied- Grundlage von Hintergrundrecherchen wird darüber lichen Blickrichtungen behandelt.“4 Diese positive hinaus beleuchtet, ob und inwieweit Mitarbeiterinnen 4 Auswärtiges Amt (2005), S. 213. 5 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Studie keine explizite Zusammenstellung einzelner Fälle von Menschen- rechtsverletzungen durch die Polizei enthält. Hierzu sei auf andere Quellen – etwa die Jahresberichte von amnesty interna- tional – verwiesen. 9
Einleitung und Mitarbeiter an den Lehreinrichtungen Menschen- tere Akteure. Sie fordern dazu auf, sich mit der rechtsaspekte bei den unterschiedlichsten Fächern eigenen Praxis der Menschenrechtsbildung zu befas- und Veranstaltungen integrieren. sen, Gelungenes zu bewahren und zu vertiefen, Defizite zu beheben und notwendige neue Wege zu Vor dem Hintergrund dieser Analyse werden im letz- gehen. In diesem Sinne stellt die Studie einen Bei- ten Teil der Studie (Kapitel 5) Anregungen und trag dazu dar, die Zahl der „Inseln gelingender Men- Impulse für die Menschenrechtsbildung bei der schenrechtsbildung“ zu vergrößern, zwischen den Polizei formuliert. Sie betreffen die polizeiliche Aus- Inseln Verbindungen herzustellen und sie attraktiv und Fortbildung, die Organisation Polizei und wei- zu machen. 10
Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen 1 1 Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen Aus verschiedenen internationalen Dokumenten Freiheitsrechte. Einige enthalten den Freiheitsbegriff ergibt sich teils als Rechtspflicht, teils als politische direkt – zum Beispiel Religionsfreiheit, Meinungs- Selbstverpflichtung für die Bundesrepublik Deutsch- freiheit, Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, land und gleichzeitig für alle einzelnen Bundesländer, freie Entfaltung der Persönlichkeit, demokratisches Menschenrechtsbildung bei der Polizei durchzufüh- Wahlrecht, Recht auf ein faires Gerichtsverfahren ren. Wenig verbreitet ist jedoch konkretes Wissen zu oder Schutz vor Folter. Aber auch in den sozialen Fragen wie: Menschenrechten sind Freiheitsansprüche formuliert. In welchen völkerrechtlichen Quellen und anderen So sollen beispielsweise durch das Recht auf eine für Deutschland gültigen internationalen Doku- soziale Mindestsicherung und das Recht auf Ge- menten sind Verpflichtungen zur Menschenrechts- werkschaftsbildung Menschen in der Arbeitswelt vor bildung in der Polizei aufgeführt? zu starken Abhängigkeiten und daraus resultierender Wie ist das Verhältnis des internationalen Men- Unfreiheit geschützt werden. Auch das Recht auf schenrechtsschutzsystems zu den Anforderungen Bildung als soziales Menschenrecht ist gleichzeitig an die Arbeit der Polizei sowie an die Aus- und Freiheitsrecht: Bildung gilt als Voraussetzung, um in Fortbildung der Polizei? der Gesellschaft einen Platz zu finden, mitzuwirken Welchen Themen hat sich diese genau zu widmen? und mitzubestimmen. Der Herleitung eines menschenrechtsbasierten An- Die Freiheitsrechte gelten, dem Universalismus von satzes für die polizeiliche Aus- und Fortbildung aus Menschenwürde und Menschenrechten folgend, für internationalen Dokumenten vorangestellt ist eine jeden Menschen. Dies ist das Prinzip des Anspruchs kurze allgemeine Einführung in die Menschenrechts- auf Gleichberechtigung. „Alle Menschen sind frei und thematik. Bei den Menschenrechten handelt es sich an Würde und Rechten gleich geboren.“, heißt es im um Rechte, die mit dem Wesensstatus des Menschen, Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschen- mit seinem Menschsein verbunden sind. Zentrale Kate- rechte der Vereinten Nationen von 1948. Der Anspruch gorie ist hier die Menschenwürde, die in jedem Men- auf Gleichberechtigung ist in den Menschenrechten schen gleichermaßen zu respektieren ist. Dies ist als als Diskriminierungsverbot ausformuliert. Die men- ein „universaler“ Geltungsanspruch verstehbar und schenrechtlichen Dokumente zählen hierzu solche grenzt Menschenrechte von anderen Rechtskategorien Merkmale auf, die in Geschichte und Gegenwart offen ab. So beziehen sich die verschiedenen rechtlichen oder versteckt Grundlage von Ungleichbehandlung Spezialnormen auf gesellschaftliche Rollen der Men- waren, wie insbesondere Hautfarbe, Herkunft, schen. Das Mietrecht betrifft Mieter und Vermieter, Geschlecht, soziale Stellung, Religion oder Weltan- das Steuerrecht die Finanzbehörden und die Bürger schauung. In Weiterentwicklung werden zunehmend als Steuerzahler, das Arbeitsrecht Arbeitgeber und auch andere Merkmale wie etwa sexuelle Orientie- Arbeitnehmer. Die Menschenrechte jedoch gelten für rung, Behinderung und Alter genannt, die nicht An- jeden Menschen in gleichem Maße. Dies wird auch als knüpfungspunkt für Ungleichbehandlung sein dürfen. Universalismus der Menschenrechte bezeichnet. Dies ist ein Beispiel dafür, dass Menschenrechte ein Resultat unabgeschlossener gesellschaftlicher Lern- Die Menschenwürde zu respektieren bedeutet, jeden prozesse sind. Menschen als ein Subjekt freier Selbstbestimmung und freier Mitbestimmung zu achten. Die Gesellschaft Den Menschenrechten ist ein Doppelcharakter inhä- und insbesondere der Staat stehen in der Pflicht, dies rent: Sie sind einerseits ethische Überzeugungen und auch rechtlich abzusichern. Alle Menschenrechte sind andererseits durchsetzbares Recht. Für den Einzelnen 11
1 Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen ist hierfür die wichtigste Ebene die nationalstaatliche. nationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form In der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, dem von Rassendiskriminierung (Anti-Rassismuskonven- Grundgesetz, heißt es im Artikel 1: „Die Würde des tion) von 1965, das Übereinkommen zur Beseitigung Menschen ist unantastbar.“ Sie wird damit als höchstes jeder Form von Diskriminierung der Frau (Frauen- Rechtsgut anerkannt. Die im Weiteren aufgeführten rechtsabkommen) von 1979, das Übereinkommen Grundrechte – wie das Recht auf Persönlichkeits- gegen Folter und andere grausame, unmenschliche entfaltung, körperliche Integrität, Diskriminierungs- oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UN-Anti- verbot, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Kunst- Folter-Konvention) von 1984 und das Übereinkom- freiheit, das Recht der Familie, Versammlungsfreiheit, men über die Rechte des Kindes von 1989. Alle ge- Vereinigungsfreiheit, freie Gewerkschaftsbildung, nannten Übereinkommen und Pakte wurden von freie Berufsausübung, Schutz der eigenen Wohnung, Deutschland ratifiziert und in nationales Recht trans- Eigentumsrechte – sind Menschenrechte6. Gegen ihre formiert. In Ergänzung der Übereinkommen und Pakte Verletzung kann von jedem Menschen im Geltungs- hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereich des Grundgesetzes der Rechtsweg bis zum teilweise Fakultativprotokolle beschlossen. Für alle Bundesverfassungsgericht beschritten werden. Übereinkommen beziehungsweise Pakte existiert für die Vertragsstaaten eine Berichtspflicht und es beste- Auf der internationalen Ebene existiert eine Vielzahl hen Kontrollinstanzen (Ausschüsse). Die Ausschüsse verschiedener Dokumente zu den Menschenrechten. ziehen zur Prüfung der Staatenberichte auch so Diese haben ein unterschiedliches Maß an Rechtsver- genannte Parallelberichte von Nichtregierungsorgani- bindlichkeit. Teilweise sind sie in innerstaatliches Recht sationen (NGOs) heran. Auf der Basis ihrer Prüfungen transformiertes Völkerrecht, teilweise besitzen sie em- formulieren die Ausschüsse Schlussfolgerungen und pfehlenden Charakter und zum Teil handelt es sich um richten Empfehlungen an die Staaten zur Umsetzung politische Willensbekundungen. Inhaltlich kann bei der Verpflichtungen aus den Abkommen. Bei einigen den im Folgenden aufgeführten Quellen unterschieden Abkommen existieren neben dem Staatenberichtsver- werden zwischen solchen Bestimmungen, die direkte fahren weitere Überwachungsmechanismen, etwa Aufforderungen zur Menschenrechtsbildung bei der Individual- und Staatenbeschwerdeverfahren, Unter- Polizei enthalten, und solchen, deren Inhalt Gegen- suchungsverfahren sowie Besuchsmechanismen. Die stand von Bildung bei der Polizei sein sollte, da ent- Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Aus- weder mit dem polizeilichen Handeln ein Risiko für schüsse in all diesen Verfahren sind für die Staaten die jeweiligen Rechte verbunden ist oder aber die nicht rechtsverbindlich. Ein gewisser Grad an Ver- Polizei eine besondere Schutzfunktion zur Gewähr- bindlichkeit ergibt sich jedoch aus der Tatsache, dass leistung der jeweiligen Menschenrechte hat. Deutschland mit dem Beitritt zu den jeweiligen Über- einkommen die Berechtigung der Positionen der Ausschüsse und ihrer Empfehlungen und Beschlüsse Ebene der Vereinten Nationen im Allgemeinen anerkannt hat. In den Ausschüssen wurden zu den Abkommen Allgemeine Empfehlungen Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (General Recommendations) beziehungsweise Allge- (AEMR), 1948 von der Generalversammlung der Ver- meine Bemerkungen (General Comments) beschlossen, einten Nationen angenommen, stellt Grundlage und die der Präzisierung und Interpretation der Rege- Ausgangspunkt des modernen Menschenrechts- lungen der Abkommen dienen. schutzes auf globaler Ebene dar. Ausgehend von der AEMR entwickelten die Vereinten Nationen verschie- dene rechtsverbindliche Menschenrechtsübereinkom- Europäische Ebene men, die mit Kontrollmechanismen versehen sind. Auswirkungen auf die polizeiliche Arbeit haben insbe- Der Europarat ist ein Zusammenschluss von derzeit 46 sondere der Internationale Pakt über bürgerliche und europäischen Staaten7. Er wurde gegründet, um „die politische Rechte (Zivilpakt) von 1966, das Inter- Menschenrechte und die parlamentarische Demokratie 6 Einige davon – wie etwa die Vereinigungsfreiheit oder die Versammlungsfreiheit – sind zwar nach dem Grundgesetz den Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern vorbehalten, sie werden jedoch in der Europäischen Menschenrechtskonvention, die auch für Deutschland rechtsverbindlich ist, als allgemeine Menschenrechte geschützt. 7 Stand 2006 – dabei reichen die Territorien seiner Mitgliedsstaaten wie zum Beispiel Russland oder die Türkei bis auf den asiatischen Kontinent. 12
Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen 1.1 Das absolute Folterverbot 1 zu schützen und die Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen, Platz. Folter ist eine der schlimmsten Verletzungen europaweit Abkommen zur Harmonisierung der sozi- der menschlichen Würde. Das Opfer sieht sich machtlos alen und rechtlichen Praktiken der Mitgliedsstaaten der Willkür durch Personen ausgesetzt, welche direkt zu schließen, das Bewusstsein für die europäische Iden- oder indirekt für einen Staat handeln. Folter ist nach tität zu wecken, die sich auf die gemeinsamen und der UN-Anti-Folter-Konvention definiert als „… jede über die Kulturunterschiede hinausgehenden Werte Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große gründet“8. Grundlage des Menschenrechtsschutzes im körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden Rahmen des Europarats ist die Konvention zum zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) von um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr 1950. Die Konvention nimmt gleich am Beginn der oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder Präambel Bezug auf die AEMR. Sie verfügt mit dem um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art Straßburg über einen verbindlichen Kontroll- und Über- von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese wachungsmechanismus. An diesen kann sich jeder Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des Mensch wenden, der sich in seinen Menschenrechten öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher durch einen der Vertragsstaaten verletzt sieht und die Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung innerstaatlichen Rechtswege ausgeschöpft hat. Seit oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Aufnahme seiner Tätigkeit hat der Gerichtshof auch Einverständnis verursacht werden.“10 Die Staaten sind eine Reihe von Urteilen gefällt, die Deutschland betref- darüber hinaus zur Verhinderung von Handlungen fen9. Zur Umsetzung der Menschenrechte und zur Kon- verpflichtet, „die eine grausame, unmenschliche oder trolle ihrer Einhaltung auf europäischer Ebene gibt es erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellen“11. des Weiteren die Anti-Folter-Konvention mit einem entsprechenden Ausschuss sowie die Europäische Kom- Es liegt im Wesen polizeilicher Tätigkeit begründet, mission gegen Rassismus und Intoleranz (siehe unten). dass Beamtinnen und Beamte in ihrer Arbeit immer wieder in die Nähe der Grenzen des Verbots der Folter Aus der folgenden Zusammenschau der Dokumente sowie der grausamen, unmenschlichen oder erniedri- der europäischen wie auch der UN-Ebene lässt sich genden Behandlung gelangen können. Im Rahmen von ein Anforderungskatalog an die menschenrechtsbezo- Gefahrenabwehr und Straftatenverfolgung gehört es gene polizeiliche Aus- und Fortbildung extrahieren. Er zu ihren Aufgaben, notfalls Personen in ihrer Freiheit umfasst die Themenkreise „Folterverbot“, „Verbot ras- einzuschränken, unter bestimmten Umständen auch sistischer Diskriminierung“, „Frauenrechte“, „Kinder- Gewalt anzuwenden und teilweise unter Zeitdruck rechte“ und „Allgemeine Anforderungen an polizeiliches Informationen zu erlangen. Die konsequente Einhal- Verhalten“. Dabei ist es nicht Anliegen der Studie, hier- tung der Gesetze erweist sich dabei als in konkreten zu eine umfassende Darstellung zu geben. Vielmehr lebenspraktischen Situationen alltäglich neu zu mei- wurden jene Dokumente und Textpassagen ausgewählt, sternde Herausforderung. Umso wichtiger erscheint die sich direkt oder mittelbar auf die Polizei beziehen. es, dass jede Polizistin und jeder Polizist um die völ- kerrechtliche Fundierung und universelle Geltung des Folterverbots weiß. Dazu zählt, dass das Folterverbot als zwingender Grundsatz des Völkerrechts absolut 1.1 Das absolute Folterverbot gilt und notstandsfest ist. Das absolute Verbot der Folter hat im internationalen Das absolute Folterverbot ist in Artikel 5 der AEMR, System des Menschenrechtsschutzes einen zentralen Artikel 7 des Zivilpakts und Artikel 3 der EMRK nie- 8 Europarat [2006a]. 9 Ein Überblick hierzu findet sich unter Europarat [2006b]. 10 UN, Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12.1984 (UN-Anti-Folter-Konvention), Art. 1. Die Aufzählung ist exemplarisch und nicht umfassend. Der Artikel 1 endet mit dem Satz: „Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.“ Verschiedene Erklärungen des Ausschusses gegen Folter (CAT) weisen darauf hin, dass dieser letzte Satz sehr vorsichtig zu interpretieren ist und keiner Aufweichung des Folterverbots Vorschub leisten darf. 11 UN-Anti-Folter-Konvention, Art. 16. 13
1 Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen 1.1 Das absolute Folterverbot dergelegt. Einige der Allgemeinen Bemerkungen zum dem Bericht wird an dieser Stelle ausführlich zitiert, Zivilpakt stellen inhaltliche Anforderungen für die um den Verantwortlichen in der Polizeiorganisation Aus- und Fortbildung der Polizei dar12. Es wird gefor- und in den polizeilichen Bildungseinrichtungen die dert, die Polizei und andere Kräfte zu Bestimmungen Sichtweise und Position der Bundesregierung vor des Paktes zu schulen: „Die für die Anwendung der Augen zu führen. Gesetze verantwortlichen Personen, … die Bedienste- ten der öffentlichen Gewalt und alle anderen Per- „Die von Bund und Ländern unternommenen An- sonen, welche sich auf irgendeine Weise mit der strengungen zur weiteren Verbesserung der Aus- Bewachung oder Behandlung einer festgenommenen, und Fortbildung zielen vor allem auf eine Stärkung inhaftierten oder gefangen gehaltenen Person befas- der fachlichen, sozialen und persönlichen Kompe- sen, müssen eine angemessene Schulung und Aus- tenz von Beamten und die Förderung ihrer Fähigkeit bildung erhalten.“13 Der entsprechende Ausschuss soll zur Anpassung an neue Entwicklungen und Auf- hierzu informiert werden. gaben ab. Insbesondere den Polizeibeamten des Bundes und der Länder soll als oberstes Ziel ihres Die international zentrale Vereinbarung zum Folter- Einschreitens die gewaltfreie Konfliktlösung ver- verbot ist die UN-Anti-Folter-Konvention. Die beige- mittelt werden. Um diese Zielsetzung mit dem er- tretenen Staaten bekräftigen darin ihre Verpflichtung, forderlichen Nachdruck zu erreichen, werden in das Folterverbot einzuhalten. Zur Umsetzung dieser Aus- und Fortbildung vermehrt spezielle Kommuni- Verpflichtung sind vor allem gesetzliche, aber auch kations- und Verhaltenstrainings zur Vermittlung andere Maßnahmen zu treffen. So muss unter ande- der Lehr- und Lerninhalte angewandt, in denen rem entsprechend Artikel 10 jeder Vertragsstaat dafür Konfliktsituationen sowohl theoretisch besprochen Sorge tragen, „dass die Erteilung von Unterricht und als auch praktisch, z.B. in Form von Rollenspielen, die Aufklärung über das Verbot der Folter als vollgül- trainiert werden. Derartige verhaltensorientierte tiger Bestandteil in die Ausbildung … aufgenommen Trainingsprogramme zur Steigerung der sozialen wird …“. Zu dem in Artikel 10 benannten betroffenen Kompetenz auf den Gebieten der Kommunikation Personenkreis zählen auch Polizeibeamte. Der auf der sowie der Stress- und Konfliktbewältigung werden Grundlage des Übereinkommens gegründete Aus- für alle Laufbahngruppen mit Unterstützung der schuss gegen Folter (CAT) prüft Staatenberichte, psychologischen Dienste in verstärktem Umfang behandelt Staaten- und Individualbeschwerden und durchgeführt. Auch aktuelle Vorfälle werden im führt vertrauliche Untersuchungen in Mitgliedsstaa- Unterricht aufgearbeitet. ten durch. Das 2002 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene Fakultativproto- 23. Als Reaktion auf die unter Ziffer II. noch zu koll verpflichtet die Mitgliedsstaaten, unabhängige behandelnden Vorwürfe der Misshandlung von Aus- nationale Besuchsmechanismen zu schaffen, die in ländern durch Polizeibeamte des Bundes und der Haftanstalten, psychiatrischen Kliniken und an ande- Länder sind auch die Bildungsinhalte zur Bekämp- ren Orten, an denen zwangsweise Menschen festge- fung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in halten werden, die Einhaltung des Abkommens über- der Aus- und Fortbildung weiter aktualisiert und in- prüfen. Durch einen Kabinettsbeschluss vom 25.4.2006 tensiviert worden. So finden beispielsweise bei der ist der Unterzeichnung dieses Fakultativprotokolls der Grenzpolizei regelmäßig besondere Fortbildungs- Weg geebnet worden, seit September 2006 ist es in maßnahmen zur Steigerung der interkulturellen Deutschland in Kraft. Kompetenz statt. In diesen Veranstaltungen, die teilweise unter Beteiligung privater Menschen- Der an CAT übermittelte letzte Staatenbericht aus rechtsorganisationen durchgeführt werden, wird Deutschland stammt von 2002. Die Punkte 22. und dem Schutz der Menschenwürde und dem Verbot 23. widmen sich der Umsetzung des Artikels 10. Aus jeglicher Folter ein besonders hoher Stellenwert 12 Sie betreffen Erläuterungen zum Folterverbot, wobei insbesondere klargestellt wird, dass sich die Bestimmungen nicht nur auf körperlichen Schmerz, sondern auch auf seelische Leiden beziehen (Allgemeine Bemerkung Nr. 20, insbesondere Ziff. 5, Deutsches Institut für Menschenrechte (2005), S. 84-87) sowie Erläuterungen zur Nichtsuspendierbarkeit des Verbots der Folter oder grausamen Behandlung (Allgemeine Bemerkung Nr. 29, Ziff. 7, ebenda, S. 144). 13 Allgemeine Bemerkung Nr. 20, Ziff. 10, Deutsches Institut für Menschenrechte (2005), S. 86 sowie Allgemeine Bemerkung Nr. 21, Ziff. 7, ebenda, S. 89. 14
Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen 1.1 Das absolute Folterverbot 1 eingeräumt. Darüber hinaus werden Programme für lungen abgegeben. Hier werden einerseits positive interkulturelle Kommunikation sowie spezielle Se- Veränderungen gewürdigt, so unter anderem zum minarreihen zum Thema ‚Polizei und Fremde’ orga- Asylverfahren und dessen Bedingungen am Flug- nisiert, in denen deutschen Polizeibeamten vor hafen Frankfurt/Main sowie zu den Methoden, die allem Verständnis für Wertsysteme und Verhaltens- bei der Abschiebung abgewiesener Asylbewerber auf weisen außereuropäischer Kulturen vermittelt wird. dem Luftweg angewandt werden. Es werden aber Dieses Verständnis gegenüber anderen Kulturen auch Anlässe zur Besorgnis und hieraus abgeleitete wird durch die Einstellung von Ausländern in den konkrete Empfehlungen aufgeführt. Dies betrifft bei- deutschen Polizeidienst zusätzlich gefördert.“14 spielsweise die Dauer der Entscheidungsfindung in Strafverfahren, die wegen Vorwürfen von Misshand- Zu den gegen Deutschland erhobenen Vorwürfen der lung von Personen geführt werden, die sich im Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder Gewahrsam von Strafverfolgungsbehörden befinden, erniedrigender Behandlung oder Strafe, die Polizei- unter anderem in besonders schweren Fällen mit beamte betreffen, wird im Staatenbericht unter II. Todesfolge wie dem des Amir Ageeb. Besorgnis erre- ausgeführt, dass diesen nachzugehen sehr ernst gen auch einige Behauptungen, dass Strafverfol- genommen wird. Dabei werden Vorfälle des Fehl- gungsbehörden gegen Personen, die ihnen Miss- verhaltens von Beamten als „bedauerliche und nicht handlungen vorgeworfen hatten, zur Bestrafung oder zu verallgemeinernde Einzelfälle“ charakterisiert15. Im Abschreckung Strafanzeige erstattet haben sollen; Weiteren werden vor allem Vorwürfe und Vor- sowie „die Tatsache, dass der Vertragsstaat in vielen gehensweisen im Zusammenhang mit der Abschiebe- von dem Übereinkommen erfassten Bereichen keine praxis des Bundesgrenzschutzes (BGS) erörtert. Dabei Zahlen vorlegen oder die ihm vorliegenden nicht wird auch auf den Fall des Sudanesischen Staats- sinnvoll aufbereiten konnte. In dem aktuellen Dialog bürgers Amir Ageeb Bezug genommen16. Er war bei betraf dies etwa Verfahren zur Erzwingung der Straf- seiner Abschiebung im Mai 1999 durch das Handeln verfolgung, behauptete Fälle von auf Absprache von BGS-Beamten zu Tode gekommen. Im Bericht wird beruhenden Misshandlungsvorwürfen, Fälle von auf das anhängige Gerichtsverfahren verwiesen. Dies Gegenbeschuldigungen seitens der Strafverfolgungs- kam erst im Oktober 2004 zum Abschluss. Drei BGS- behörden und Angaben in Bezug auf Täter, Opfer und Beamte wurden wegen vorsätzlicher Körperverletzung die Sachverhaltsmerkmale von Misshandlungs- mit Todesfolge zu Freiheitsstrafen auf Bewährung vorwürfen“19. verurteilt. Als Begründung für sein mildes Urteil führ- te der Richter an, dass die Führungsebene des BGS Dementsprechend empfiehlt der Ausschuss unter ande- durch ihre „Ignoranz und Inkompetenz“ für den Tod des rem „alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Opfers mitverantwortlich sei und Mängel in der Aus- sicherzustellen, dass gegen ... Strafverfolgungsbehörden bildung sowie „hochtrabende und zum Teil unsinnige gestellte Strafanträge mit der gebotenen Beschleuni- Anweisungen“ die Schuld der Angeklagten mindere17. gung entschieden werden, um derartige Vorwürfe Im Bericht wird weiter ausgeführt, dass die Abschiebe- umgehend zu klären und mögliche Schlussfolgerungen praxis einer „umfassenden und sorgfältigen Überprü- der Straflosigkeit unter anderem in Fällen, in denen fung“ unterzogen sowie eine neue Dienstanweisung Gegenbeschuldigungen erhoben worden sein sollen, zu erlassen wurde18. verhindern“. Ferner lautet eine Empfehlung an Deutsch- land, „seine Strafbestimmungen über Folter und andere Zu diesem Staatenbericht hat der Ausschuss nach grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behand- einer Prüfung 2004 Schlussfolgerungen und Empfeh- lung oder Strafe weitestgehend zusammenzufassen“20. 14 Bundesrepublik Deutschland (2002), S. 14-15. Unklar ist, ob mit der Formulierung „Einstellung von Ausländern in den deutschen Polizeidienst“ tatsächlich Ausländer oder aber Deutsche gemeint sind, die ursprünglich eine andere ethnische Herkunft haben. 15 Ebenda, S. 17. 16 Ebenda, S. 23–24, Nr. 42-45. 17 Siehe www.ngo-online.de (2004) und Steinke (2005). 18 Bundesrepublik Deutschland (2002), S. 23-24, Nr. 44. 19 CAT, Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Ausschusses gegen Folter – Deutschland, CAT/C/CR/32/7 vom 18.05.2004, Ziff. 3–5. 20 Ebenda 15
1 Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen 1.1 Das absolute Folterverbot Auch auf europäischer Ebene wurden die Anstren- auf unabhängige Kontrollgremien bei Einrichtungen gungen intensiviert, das Verbot der Folter durchzuset- des Abschiebegewahrsams an verschiedenen Orten zen. In Ausgestaltung des Artikels 3 der EMRK wurde sowie auf die Bürgerbeauftragte in Mecklenburg- 1987 die Europäische Konvention zur Verhütung von Vorpommern hingewiesen. Darüber hinaus wird auf Folter und unmenschlicher oder erniedrigender die Länderzuständigkeit verwiesen. Nach Auskunft Behandlung oder Strafe (CPT 21) beschlossen, die 1989 der Länder bestünden keine Absichten der Einrichtung auch in Deutschland in Kraft trat. Basierend auf Arti- solcher Stellen. In diesem Zusammenhang wird auf kel 1 wurde ein Ausschuss22 errichtet, der durch Be- bestehende Kontrollinstrumente wie zum Beispiel die suche die Behandlung von Personen prüft, denen die Dienst- und Fachaufsicht der Innen- und Justizminis- Freiheit entzogen ist. Dieser Ausschuss besitzt das terien aufmerksam gemacht29. Zu den Vorwürfen teil- Recht, unter anderem den Gewahrsam beliebiger Poli- weise stattfindender exzessiver Gewalt bei Fest- zeidienststellen in Deutschland zu überprüfen23. nahmen wird keine Stellung genommen. Besuche des Ausschusses in Deutschland fanden 1991, 1996 (verschiedene Einrichtungen), 1998 (Flughafen Das CPT entwickelte verschiedene Standards, die für Frankfurt/Main), 2000 und 2005 (jeweils verschiedene die Polizeiarbeit gelten sollen. Unter anderem werden Einrichtungen) statt.24 Überwiegend attestierte der Anforderungen an die Aus- und Fortbildung des Ge- Ausschuss Deutschland die Einhaltung der menschen- setzesvollzugspersonals beschrieben. Darunter wird rechtlichen Standards in den polizeilichen Einrich- die Polizei ausdrücklich mit erfasst. Ein Schwerpunkt tungen, beanstandete jedoch in verschiedener Form wird auf die Ausbildung kommunikativer Fähigkeiten materielle und rechtliche Umstände. Wiederholt wurde gelegt, die auf der Achtung der Menschenwürde ebenfalls darauf hingewiesen, dass dem Ausschuss basieren: „Der Besitz derartiger Fertigkeiten wird von exzessiver Gewalt bei der Festnahme berichtet einen Polizei- oder Gefängnisbeamten häufig dazu wurde, insbesondere von Schlägen und Tritten, nach- befähigen, eine Situation zu entschärfen, die an- dem die Festgenommenen bereits überwältigt waren derenfalls zur Anwendung von Gewalt führen könnte, und am Boden lagen. Auch ungerechtfertigter und – allgemeiner – zu einer Abnahme der Spannung Schusswaffeneinsatz wurde bemängelt. Weitere Kritik und zur Steigerung der Lebensqualität in Polizei- und betraf das Vorgehen gegen Ausländer im Zusammen- Gefängniseinrichtungen führen. Das CPT ermutigt hang mit der Abschiebepraxis des BGS25. Ausdrücklich nationale Behörden, Menschenrechtskonzepte mög- begrüßte der Ausschuss die Existenz unabhängiger lichst in die praktische Ausbildung über den Umgang Untersuchungsgremien zu Polizeiübergriffen wie zum mit Hochrisikosituationen wie etwa die Festnahme Beispiel die Hamburger Polizeikommission26. Er wollte und Vernehmung von Straftatverdächtigen zu inte- außerdem wissen, ob „die Verantwortlichen in Deutsch- grieren; dies wird sich als wirksamer erweisen als land die Möglichkeit erwägen, bundesweit unabhän- separate Menschenrechtskurse.“30 gige Stellen einzurichten, die damit betraut sind, den Polizeigewahrsam zu besuchen“27. Zu beidem wünschte Weitere Standards betreffen den Polizeigewahrsam. der Ausschuss weitere Informationen28. Um dortigen Misshandlungen vorzubeugen, hält das CPT drei Rechte für besonders wichtig: das Recht von Zu diesem Bericht hat die Bundesregierung Stellung betroffenen Person darauf, dass eine dritte Partei genommen. Neben umfangreichen Auskünften zu ihrer Wahl von der Tatsache ihrer Inhaftierung be- konkreten Vorgängen sowie zu materiellen und recht- nachrichtigt wird (Familienmitglied, Freund, Konsu- lichen Umständen des Polizeigewahrsams wird dort lat), das Recht auf Zugang zu einem Rechtsanwalt 21 Gleichzeitig Abkürzung für den Ausschuss beziehungsweise das Komitee. 22 Zur Zusammensetzung des Ausschusses und weiteren Einzelheiten vgl. www.cpt.coe.int. 23 Artikel 2: „Jede Vertragspartei läßt Besuche nach diesem Übereinkommen an allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Orten zu, an denen Personen durch eine öffentliche Behörde die Freiheit entzogen ist.“ Europäische Konvention zur Ver- hütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vom 26.11.1987 in der Fassung vom 01.03.2002 (EU-Anti-Folter-Konvention). 24 Der letzte Besuch in Deutschland wurde im Dezember 2005 durchgeführt. Ein Bericht hierzu ist derzeit noch nicht veröffentlicht. 25 Vgl. Europarat (2003), S. 15–16. 26 Auf die Hamburger Polizeikommission wird im Kapitel 3.5 näher eingegangen. 27 Europarat (2003a), S. 18 (Übersetzung durch den Autor) 28 Ebenda, S. 66. 29 Europarat (2003b), S. 11/12. 30 Europarat (2004), S. 80. 16
Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen 1.2 Das Verbot rassistischer Diskriminierung 1 und das Recht auf eine Untersuchung durch einen durch Aus- und Fortbildung und vorbildhaftes Ver- Arzt ihrer Wahl (auch zusätzlich zu einer etwaigen halten eine Kultur zu fördern, in der es als unprofessio- polizeiärztlichen Untersuchung). Auch für die konkrete nell erachtet wird – und als Risiko für die Karriere – Ausgestaltung dieser Rechte beschreibt das CPT Stan- mit Kollegen zu arbeiten und zu verkehren, die zu dards und benennt die Einrichtung einer unabhängigen Misshandlung greifen, und in der es als korrekt und Kommission für die Untersuchung von Beschwerden beruflich lohnend empfunden wird, zu einem Team zu über die Behandlung in Polizeigewahrsam als eine gehören, das sich solcher Handlungen enthält.“32 Zur wichtige Schutzvorkehrung. Vorbeugung der Straflosigkeit werden ein angemesse- ner rechtlicher Rahmen, die schriftliche Registrierung Als Ziel polizeilicher Vernehmungen, die das CPT als jedes Vorwurfs, hierzu erfolgende Beweissicherung eine Aufgabe für Spezialisten sieht, nennt es, „richtige und weitere gründliche, umfassende, prompte und und verlässliche Informationen zu erlangen, um die zügige Untersuchung, die Wahrnahme entsprechender Wahrheit über die zu untersuchenden Angelegen- Verantwortung durch Staatsanwälte und Gerichte heiten herauszufinden, nicht, von jemandem ein sowie Möglichkeiten der öffentlichen Kontrolle gefor- Geständnis zu erhalten, dessen Schuld nach Auf- dert33. fassung der vernehmenden Beamten zu vermuten ist.“ Es wird empfohlen, Richtlinien zur polizeilichen Ver- nehmung zu erlassen, die unter anderem enthalten sollten: „die Mitteilung der Identität der bei der 1.2 Das Verbot rassistischer Vernehmung Anwesenden (Name und/oder Nummer) Diskriminierung an die inhaftierte Person; die zulässige Länge einer Vernehmung; Ruhephasen zwischen den Vernehmun- Weltweit finden sich in Geschichte und Gegenwart gen und Pausen während einer Vernehmung; Orte, an eine Vielzahl von Zeugnissen für die verhängnisvolle denen Vernehmungen stattfinden dürfen; ob die in- Wirkung rassistischer Vorurteile und Stereotypen. haftierte Person verpflichtet werden darf, während Zahllose Menschen erleben es täglich, wegen tat- der Vernehmung zu stehen; die Vernehmung von Per- sächlicher oder vermeintlicher körperlicher, ethni- sonen unter dem Einfluss von Drogen, Alkohol etc. scher oder kultureller Merkmale ausgegrenzt, ernie- Ebenso sollte systematisch eine Niederschrift geführt drigt oder sogar Gewalthandlungen ausgesetzt zu werden über die Zeiten, zu denen Vernehmungen werden. Neben Handeln von privaten Personen gibt es beginnen und enden, über jedes Ersuchen der inhaf- dabei nach wie vor auch rassistisches Denken und tierten Person während einer Vernehmung und über Vorgehen bei Staatsbediensteten. Davon ist die Polizei die Personen, die bei jeder Vernehmung anwesend nicht ausgenommen. Rassistische Stereotype existieren waren.“ Ton- und Videoaufzeichnungen von Verneh- im individuellen Einstellungsgefüge einzelner Polizei- mungen werden ausdrücklich als Vorbeugung gegen beamtinnen und -beamter, aber teilweise auch als Misshandlungen empfohlen.31 Bestandteil informeller Organisationskulturen. Opfer- gruppen verweisen darüber hinaus auf Fälle von ras- Unter der Überschrift „Straflosigkeit bekämpfen“ for- sistischer Organisationspraxis, so zum Beispiel im muliert das CPT am Ende der Standards: „Die Glaub- Zusammenhang mit Verdachtskontrollen. würdigkeit des Verbots von Folter und anderen Miss- handlungsformen leidet mit jedem Fall, in dem Amts- Das Diskriminierungsverbot durchzieht alle Men- personen, die für solche Delikte verantwortlich sind, schenrechtsverträge und -dokumente. Es hat seinen für ihre Handlungen nicht zur Rechenschaft gezogen völkerrechtlichen Ausgangspunkt ebenfalls in der werden. … Allzu oft führt Korpsgeist zur Bereitschaft, Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 2 zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu helfen, und 7). Zur näheren Ausgestaltung des Diskriminie- wenn Beschwerden über Misshandlung erhoben wer- rungsverbots wurde 1965 die Anti-Rassismuskonven- den, und sogar rechtswidrige Handlungen von Kollegen tion beschlossen. 1969 wurde sie auch in Deutschland zu verdecken. Erforderlich sind positive Maßnahmen, innerstaatliches Recht. Das Übereinkommen definiert 31 Europarat (2004), S. 6-16. 32 Ebenda, S. 81-87. 33 Ebenda. 17
1 Die Fundierung der Menschenrechtsbildung in internationalen Dokumenten und Rechtsgrundlagen 1.2 Das Verbot rassistischer Diskriminierung rassistische Diskriminierung als „jede auf der Rasse34, Menschenrechte eines jeden ohne Unterscheidung der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen aufgrund der Rasse, der Hautfarbe oder der nationa- Ursprung oder dem Volkstum beruhende len oder ethnischen Herkunft wahren und verteidi- Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder gen“38. Anschließend wird dazu aufgerufen, die poli- Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass zeiliche Ausbildung zu überprüfen und zu verbessern. dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Dabei wird gefordert, den „Verhaltenskodex für Be- Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und amte/innen mit Polizeibefugnissen“39 vollumfänglich Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozi- umzusetzen. alen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt In weiteren Allgemeinen Empfehlungen wird unter wird“35. In den weiteren Artikeln verpflichten sich die anderem auf die geschlechtsbezogenen Dimensionen Staaten, den verschiedenen Formen von rassistischer rassistischer Diskriminierungen aufmerksam gemacht, Diskriminierung entgegenzuwirken. Dabei wird aus- so auch im Zusammenhang mit der Ausnutzung drücklich das Recht auf Sicherheit der Person auch weiblicher Arbeitskräfte und im Kontext von Verge- gegen Gewalttätigkeit und Körperverletzung durch waltigungen40. In einer Allgemeinen Empfehlung, die Staatsbedienstete erwähnt36. In Teil II werden die sich mit der Diskriminierung der Roma beschäftigt, Errichtung eines UN-Fachausschusses gegen rassisti- empfiehlt der Ausschuss den Vertragsstaaten ein gan- sche Diskriminierung (CERD) und die Prinzipien seiner zes Bündel von Maßnahmen, um die Situation der Arbeit geregelt. Auch dieser Ausschuss prüft Roma zu verbessern. Einige der Maßnahmen zielen Individualbeschwerden und Staatenberichte und gibt auf die Verbesserung der Kommunikation zwischen Allgemeine Empfehlungen. Roma und den anderen Teilen der Gesellschaft, so auch mit Behörden wie der Polizei41. Die besondere Bedeutung, die der Antirassismusaus- schuss der Schulung von Polizistinnen und Polizisten 2001 fand im südafrikanischen Durban die Weltkon- beimisst, kommt darin zum Ausdruck, dass diesem ferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Thema eine eigenständige Allgemeine Empfehlung37 Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende gewidmet ist. Sie trägt den Titel „Die Ausbildung im Intoleranz statt (im Folgenden zur sprachlichen Ver- Menschenrechtsschutz für Beamte/innen mit Polizei- einfachung mit dem Begriff „rassistische Diskriminie- befugnissen“. Dort wird festgestellt, dass die Gewähr- rung“ zusammengefasst). Das Abschlussdokument leistung des staatlichen Schutzes vor rassistischer dieser Konferenz stellt eine sehr detaillierte Bestands- Diskriminierung „insbesondere im Hinblick auf Fest- aufnahme der Situation zur rassistischen Diskriminie- nahmen und Inhaftierungen, sehr stark von nationa- rung und ihren Hintergründen in allen Teilen der Welt len Beamten/innen mit Polizeibefugnissen“ abhängt dar. Es enthält des Weiteren eine Vielzahl von Em- sowie davon, „ob diese Beamten/innen angemessen pfehlungen und Appellen an die Regierungen, mit über die Verpflichtung informiert sind, die ihre Staa- denen bestehende rassistische Diskriminierungen ten im Rahmen des Übereinkommens eingegangen abgebaut und weiterer rassistischer Diskriminierung sind. Beamte/innen mit Polizeibefugnissen sollten vorgebeugt werden soll. Diese beziehen sich teilweise eine intensive Ausbildung erhalten, um zu gewährlei- auch auf Bildung und polizeiliche Arbeit. Zunächst sten, dass sie bei der Durchführung ihrer Pflichten die werden ganz allgemein unter anderem Bildung und menschliche Würde achten und schützen sowie die Rechtsvorschriften als von ausschlaggebender Bedeu- 34 Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ ist dem historischen Kontext der Entstehung des Übereinkommens geschuldet. Richtig muss es stattdessen „rassistische Diskriminierung“ heißen, um auf die Ideologie zu verweisen, die sich dahinter verbirgt. Es existieren keine Menschenrassen, sondern nur eine menschliche Rasse. In ihrem Statement on Race hat die UNESCO bereits 1950 die Staaten aufgefordert, den Rassebegriff nicht mehr zu verwenden, da er keine biologischen Tatsache widerspiegelt, sondern einen sozialen Mythos, der ein enormes Ausmaß an Gewalt verursacht hat und verursacht (siehe UNESCO (1950)). 35 Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (Anti-Rassismuskonvention) vom 21.12.1965, Artikel 1 Abs. 1. 36 Anti-Rassismuskonvention, Artikel 5 c). 37 Nr. XIII vom 21.03.1993, Deutsches Institut für Menschenrechte (2005), S. 370. 38 Ebenda, S. 370, Ziff. 2 und 3. 39 Siehe unten, Kapitel 1.5. 40 Vgl. Allgemeine Empfehlung Nr. XXV, Deutsches Institut für Menschenrechte (2005), S. 391–392. 41 Allgemeine Empfehlung Nr. XXVII, Deutsches Institut für Menschenrechte (2005), S. 396, Ziff. 14. 18
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