Military Power Revue der Schweizer Armee de l'Armée Suisse
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Nr. 1 / 2015 Herausgeber: Chef der Armee Beilage zur ASMZ 6 / 15 und RMS 3 / 15 Military Power Revue — der Schweizer Armee de l’Armée Suisse
Der Chef der Armee ist Herausgeber der Herstellung: Redaktionskommission: MILITARY POWER REVUE. Zentrum elektronische Medien ZEM, Oberst i Gst Jürg Kürsener Stauffacherstrasse 65 / 14 Chefredaktor MILITARY POWER REVUE Die MILITARY POWER REVUE erscheint zweimal 3003 Bern jährlich (Ende Mai und Ende November). 031 325 55 90 Colonel EMG Laurent Currit Leiter Doktrinforschung & Entwicklung Die hier dargelegten Analysen, Meinungen, Druck: (Armeestab) Schlussfolgerungen und Empfehlungen sind galledia ag ausschliesslich die Ansichten der Autoren. Burgauerstrasse 50, Oberst i Gst Stephan Kuhnen (ab 1.12.2015) Sie stellen nicht notwendigerweise den Stand- 9230 Flawil Chef Heeresdoktrin und Redaktor Bereich Heer punkt des Eidgenössischen Departementes Tel. 058 344 96 96 für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Oberst i Gst Wolfgang Hoz (VBS) oder einer anderen Organisation dar. Chefredaktion Military Power Revue: Chef Doktrin, Luftwaffe und Redaktor Bereich Oberst i Gst Jürg Kürsener Luftwaffe Die Artikel der MILITARY POWER REVUE Sonnenbergstrasse 14 können unter Angabe der Quelle frei kopiert 4573 Lohn-Ammannsegg und wiedergegeben werden. Ausnahmen gelten Tel. 032 677 18 63. dort, wo explizit etwas anderes gesagt wird. E-Mail: jkuersener@bluewin.ch Die MILITARY POWER REVUE ist B eiheft der Chefredaktion ASMZ: Allgemeinen Militärzeitschrift ASMZ und Oberst i Gst Peter Schneider der Revue Militaire Suisse (RMS). Verlag ASMZ Verlag: ASMZ, Brunnenstrasse 7, 8604 Volketswil. Brunnenstr. 7 8604 Volketswil Vorwort CdA 3 André Blattmann Editorial 4 Jürg Kürsener Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 25 Andreas Bölsterli, Markus Näf, Florian Ulrich BODLUV 2020 – Auf dem Weg zur integrierten Luftverteidigung19 Marcel Amstutz, Christoph Schmon Quelques considérations sur la conduite opérative et 34 l’emploi des forces spéciales Laurent Michaud Die Führungsunterstützungsbasis (FUB): für effiziente, 41 sichere und permanente IKT- und elo Op-Leistungen in allen Lagen Jean-Paul Theler, Daniel Zuber The Concept of Technology in Modern Warfare: Past, Present, Future 56 Peter Faber Treten an Ort? Die schweizerische Instruktionsproblematik 67 aus historischer Perspektive Michael M. Olsansky, Dominique Moccand Buchbesprechungen79 Bildlegende: Gefechtsausbildung der Infanterie mit Simulationsunterstützung (Foto: VBS).
Vorwort 3 Vorwort — Geschätzte Leserinnen und Leser der Military Power Revue Haben Sie gewusst, dass die Schweizer Armee letztes Jahr Ich bin überzeugt, dass diese glaubwürdigen Leistungen zu- 5 841 341 Diensttage geleistet hat? Oder dass wir rund 500 sammen mit der schlechter gewordenen weltweiten Sicher- Lehrlinge pro Jahr ausbilden? Oder die Armee über 925 Rad- heitslage mitgeholfen haben, dass die geplante «Weiter- schützenpanzer der PIRANHA-Familie und 46 Helikopter entwicklung der Armee» inzwischen breit unterstützt wird. verfügt? Während der Ständerat der Vorlage mit nur wenigen Anpas- sungen im März zugestimmt hat, ist die Beratung im Nati- Diese Zahlen und Fakten finden Sie nebst vielen weiteren In- onalrat noch im Gange. Auch hier stehen die Zeichen gut. formationen im «Jahresbericht Schweizer Armee 2014», wel- chen Sie auf unserer Homepage www.armee.ch/jahresbericht Diese Ergebnisse sind eine feine Anerkennung für die seriöse anschauen können. Arbeit, welche das Projektteam und viele Mitarbeitende seit nun über fünf Jahren konsequent leisten. Ihnen allen sei hier Ich muss Ihnen sagen: Ich bin stolz auf die Leistungen un- mein herzlichster Dank ausgesprochen. Das letzte Jahr hat serer Milizarmee. Wir haben beispielsweise im letzten Jahr uns deutlich aufgezeigt, dass sich Bedrohungen und Risiken zusammen mit den zivilen Behörden drei Grossanlässe (WEF, sehr rasch ändern können. Syrien- und OSZE-Konferenz) mit mehreren Tausend Angehö- rigen der Armee erfolgreich geschützt und unterstützt. In der Demzufolge tun wir gut daran, die mit der WEA geplanten Luft, auf dem Wasser und auf dem Boden. Und unsere Sol- Schritte einer rascheren Bereitschaft, verbesserten Kader- daten haben in über 100 000 Diensttagen friedensfördernde ausbildung, Vollausrüstung und regional verankerten Truppen Einsätze im Ausland absolviert. Die Schweizer Armee erfüllt umzusetzen. Für die Sicherheit unserer Schweiz. ihre Aufträge. Wichtige Erkenntnisse konnten auch aus der «Sicherheitsverbundsübung 14» (SVU 14) oder der Volltrup- penübung (VTU) «STABANTE 15» gezogen werden. Unsere militärischen Stabsprozesse haben sich sehr gut bewährt, die Chef der Armee Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden verlief gewohnt reibungslos. Die geringe Erfahrung beim Üben der Bewälti- gung von überregionalen, komplexen Krisen auf Stufe Bund unter Einbezug verschiedener Akteure und Kantone haben KKdt André Blattmann Handlungsbedarf aufgezeigt. Gerne leistet die Armee hier ihren Beitrag zum Lernprozess. Die VTU «STABANTE 15» hat uns vor allem intern Hinweise gegeben. So haben in die Übung integrierte Cyberattacken eine rasche Lernkurve erzwungen, wie Einsätze zu führen sind, wenn die Übermittlung und Elektronik versagt. MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
4 Editorial Editorial — Sehr geehrte Leserinnen und Leser der Military Power Revue Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Gripen Vorlage nicht endgültige Verkleinerung der Luftwaffe auf bloss noch 32 primär an den traditionellen Gegnern der Armee gescheitert Kampfflugzeuge riskiere, sondern auch den Abbau des Pilo- ist, sondern an der fehlenden Geschlossenheit der bürger- tenbestandes, von Infrastruktur, Flugplätzen und Unterhalts- lichen Kreise. Die Folgen sind – wir wissen es – gravierend. personal in Kauf nehme. Ich gehe davon aus, dass diese Von vielen – auch angeblich bürgerlichen Medien – wurde Sorgen unbegründet sind, weil die Verantwortlichen im VBS, damals gesagt, sie seien nicht grundsätzlich gegen die Ar- aber auch in der Politik, diese Gefahr kennen und entspre- mee oder die Luftwaffe, sie seien aber gegen den vorge- chende Überbrückungsvorkehren treffen bzw unterstützen. schlagenen Gripen. Im Umkehrschluss würde dies wohl heis- Dann ist die Lücke von vielleicht fünf oder sechs Jahren sen, dass diese Kreise das nächste Mal ein Kampfflugzeug ohne F-5 verkraftbar. Dies setzt voraus, dass die Beschaf- befürworten, sofern dieses leistungsmässig überzeugt und fung eines neuen Kampfflugzeuges zügig und dergestalt vo- bezahlbar ist. Bei dieser nächsten Beschaffungsrunde wird rangetrieben wird, dass ab 2022 die ersten Maschinen im sich also weisen, ob die damalige Begründung lediglich vor- Luftraum der Schweiz operieren. Sollte dies unter keinen geschoben oder ob sie ernst gemeint war. Umständen tragbar sein, liesse sich gegebenenfalls mit ei- nem reduzierten Flugbetrieb des F-5 (z.B. Zieldarstellung, Nach der Stilllegung weiterer F-5 schrumpft die Luftwaffe Luftkampf, Patrouille Suisse) ohne jegliche neue Investition bereits in Kürze auf 58 Kampfflugzeuge, auf jenen Bestand in das Flugzeug, eine Notlösung finden. Es wäre aber eine also, den es unter allen Umständen zu erhalten gilt, soll der- trügerische Lösung, weil sie eine voll einsatzfähige Luftwaffe einst mehr als der blosse Luftpolizeidienst, auch über längere suggeriert. Andere Ansätze wie z.B. ein Leasing oder die Nut- Zeit, sichergestellt werden können. Die jüngsten Ereignisse in zung von einigen Gebrauchtkampfflugzeugen, allenfalls sogar Osteuropa lehren uns hoffentlich, dass der Luftpolizeidienst eine vorübergehende engere Zusammenarbeit mit einer ande- allein keine Option ist. Das haben seit der Gripen-Abstim- ren Luftwaffe wären denkbare Übergangslösungen. mung vielleicht auch viele damals Nein Stimmende erkannt. Angesichts der Tatsache, dass eine Flugzeugbeschaffung Oberst i Gst Christoph Müller, Chef Heeresdoktrin, scheidet fünf oder mehr Jahre dauert, ist jetzt Eile geboten. Der fast 2015 aus der Redaktionskommission der Military Power Re- 40-jährige, anfällige F-5 muss zügig ersetzt werden, denn vue aus. Ich danke ihm herzlich für die treue Mitarbeit und etwa zehn Jahre später dürfte die Ablösung der F/A-18 ein wünsche ihm in der neuen Verwendung alles Gute und Er- Thema werden. Der bewährte Grundsatz, etwa alle 15 Jahre füllung. Als Nachfolger begrüsse ich Oberst i Gst Stephan die Hälfte der Luftwaffe zu erneuern, ist zweckmässig und Kuhnen und wünsche ihm in der Redaktionskommission viel verkraftbar. Es wäre eine Illusion zu meinen, dass in einem Erfolg. Zug gleich die ganze Luftwaffe erneuert werden kann. Ich hoffe, geschätzte Leserinnen und Leser der Military Jetzt ist von überragender Bedeutung, dass in den kommen- Power Revue, dass Sie die neueste Ausgabe anspricht und den Monaten und Jahren alle Befürworter einer schlagkräfti- Ihnen einige interessante Artikel zu offerieren vermag. gen Luftverteidigung, die eine solche als unabdingbare Kom- ponente einer glaubwürdigen Landesverteidigung verstehen, zusammenrücken. Sollten sich deren grundsätzliche Befür- worter wiederum intern entzweien, ist eine nächste Flug- zeugbeschaffung erneut gefährdet. Die Weiterexistenz einer Luftwaffe, die diesen Namen verdient, wäre in Gefahr. Parti- Mit freundlichen Grüssen kularinteressen oder Animositäten müssen jetzt übergeordne- Der Chefredaktor der Military Power Revue ten Interessen weichen. Ränkespiele sind riskant und durch nichts zu rechtfertigen. Die da und dort hörbaren Sorgen sind verständlich, wonach man mit der sofortigen Stilllegung der F-5 nicht bloss die Oberst i Gst (aD) Jürg Kürsener MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 5 Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 — Andreas Bölsterli – Vorwort Markus Näf – Haupttext Florian Ulrich – Bericht zu ALCEO Divisionär, Kommandant Territorialregion 2, Oberst i Gst, Stv Kdt Territorialregion 2, Rechts- Hptm, Chef Kommunikation, Stab Territorial Amstutzstrasse 3, 6010 Kriens. anwalt, Bratschi Wiederkehr & Buob AG, region 2, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, E-Mail: andreas.boelsterli@vtg.admin.ch Bahnhofstr. 70, 8001 Zürich. Chraeigass 6, 6044 Udligenswil. E-Mail: markus.naef@bratschi-law.ch E-Mail: mail@florian-ulrich.ch Geschätzte Leserinnen und Leser — Ich habe im letzten Dezember in der Struktur der Territorial im Krisenfall selber lösen können – sie braucht aber die not- Region 2 den Einsatzverband Boden (EVB) für den subsidi- wendigen Mittel dazu. Das Ausbildungskonzept der Infan- ären Sicherungseinsatz zum Schutz der OSZE Ministerkon- terie muss die beiden gegensätzlichen Aufgaben «Kampf- ferenz in Basel geführt. Dabei hat sich einmal mehr gezeigt, führung» und «Schutzaufgaben» genügend berücksichtigen dass solche Einsätze eine eingespielte Führungsorganisation und nicht dem Irrglauben verfallen, wer das eine könne, be- benötigen und wesentlich vereinfacht werden, wenn man die herrsche das andere ohnehin. Hier sind wir unseren Solda- eingesetzten Truppen und ihre Kommandanten und damit ten eine gründliche Ausbildung für die jeweiligen Einsätze auch deren Leistungsfähigkeit kennt. Die wichtigste Erkennt- schuldig. So ist die Zusammenarbeit mit der Polizei für Si- nis – und dies wird auch aus den vielen früheren Einsätzen cherungsaufgaben nur möglich, wenn diese die Fähigkeiten und Übungen immer wieder bestätigt – ist die, dass es eine der Truppe einschätzen und sich darauf verlassen kann, dass institutionalisierte Zusammenarbeit mit den zivilen Partnern die Soldaten die Prinzipien der Verhältnismässigkeit und der braucht. Hier geht es nicht nur um einen Verbindungsoffi- Rechtmässigkeit im Einsatz anwenden können. zier zum Kantonalen Krisenführungsstab (KFS), sondern um gefestigte Kontakte auf den verschiedenen Stufen in unse- Auf politischer Ebene bearbeiten wir in der Territorialregion 2 rem föderalistischen System, zur Regierung, zu den zustän- diese und andere Themen seit mittlerweile fünf Jahren in der digen Verwaltungsstellen, der Polizei, den Führungsstäben, jährlichen regierungsrätlichen Konferenz. Dabei werden Er- den Gemeindebehörden, den Betreibern der kritischen Inf- kenntnisse aus Übungen und Einsätzen durch die Amtsleiter rastrukturen und zu anderen mehr. Nur so ist eine effiziente auf der Zivilen Seite und durch den Stab und die Chefs der Zusammenarbeit auch in der Krise möglich. Kantonalen Territorial Verbindungsstäbe (C KTVS) der Ter- ritorialregion auf der militärischen Seite ausgearbeitet und Die Erfahrungen bestätigen die Notwendigkeit und die Stoss- die Entwicklungsthemen für die Zusammenarbeit über die richtung für die Weiterentwicklung der Armee, nämlich die Kantons-, Regions- und Koordinationsgrenzen hinweg mit Stärkung der Regionalisierung und die Befähigung der Terri- den Sicherheits- und Militärdirektoren unserer sieben Part- torialregionen, mit ihren Truppen die Sicherungs- und Hilfs- nerkantone diskutiert. einsätze in ihrem Raum zu üben und im Einsatzfall auch zu führen. Sorgen machen dabei heute die Anzahl der identi- Die Territorialregion 2 ist heute ein leistungsfähiger Verband fizierten kritischen Infrastrukturen und das Missverhältnis und sie wird mit der neuen Gliederung und den zusätzlichen der im Einsatzfall dafür vorhandenen oder besser gesagt Truppenkörpern ab 1.1.2017 noch besser für die Anforde- noch verfügbaren Truppen. Aus Mangel an Mitteln bei der rungen der Kantone und die möglichen Bedrohungen aufge- Armee sollten für diese Sicherheitsaufgaben in den Kanto- stellt sein. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist im Einsatz unserer nen keine Schattenorganisationen im Bevölkerungsschutz, Miliz zu sehen, die ein starkes Verbindungsnetz zu den ver- wie zum Beispiel bewaffnete Hilfspolizeidetachemente im schiedensten Organen in unserem Einsatzraum darstellt und Zivilschutz geschaffen werden. Noch schlimmer wäre es, viele zusätzliche Kompetenzen in die Stäbe und Truppen wenn zunehmend private Sicherheitsdienste mit hoheitli- körper einbringt. Zu ihr müssen wir unbedingt Sorge tragen, chen Aufgaben im Bereich des Gewaltmonopols des Staa- damit die Regionalisierung vor allem dank der Miliz auch tes tätig werden müssten. Diese Aufgaben muss die Armee zum tragenden Netz werden kann. MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
6 Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 — Mit der Weiterentwicklung der Armee (WEA) wird die Rolle der Territori- al Regionen neu definiert und auch ein Namenwechsel zurück zur Division vollzogen. Ziele sind wieder eine stärkere Dezentralisierung der Führung und eine stärkere Einbindung der Kantone. Dieser Artikel zeigt die zukünftigen Aufgaben und Rahmenbedingungen der vier Territorial Divisionen auf und verbindet dies mit einem Rückblick auf die Entstehung der Territorialen Auf- gaben innerhalb der Armee und deren Einbettung in das System der inneren Sicherheit. Die territorialen Aufgaben und die Schnittstelle zwischen Ar- onsraum» an der Front und dem «Rückwärtigen Raum» un- mee und zivilen Behörden werden heute durch die vier Ter- terschieden. Die grosse Heeresreform von 1874 basierte auf ritorialregionen wahrgenommen. Diese entsprechen mit klei- diesen Entwicklungen und schuf ein gesamteidgenössisches nen Ausnahmen den früheren Räumen der vier Armeekorps Heer sowie erstmals auch die Grundlage für das Territorial- (AK) und sind Ansprechpartner für die Kantone in ihrem wesen mit der Schaffung der Verordnung über den Territori- Raum. In der Territorialregion 2 sind das die sieben Kantone aldienst vom 8. März 1887. [1] Die Schweiz wurde aufgeteilt Basel Stadt, Basel Land, Solothurn, Aargau, Luzern, Nidwal- in 8 Divisionsräume und 8 überlagernde Territorial-Kreise. [2] den und Obwalden. Die Territorial-Kreise deckten jeweils 2–3 Kantone ab und waren direkt dem Eidgenössischen Militärdepartement (EMD) Für das Verständnis der Territorialen Aufgaben lohnt sich ein unterstellt. Diese Kreise wurden jeweils von einem Territori- Rückblick in die Geschichte und die vielfältigen Erfahrungen. alkommandanten befehligt. Zur Erfüllung der Kampfaufträge Dabei fällt auf, dass bei allen Reorganisationen ein Diskurs war ihnen jeweils ein Landsturm-Kommandant beigegeben, über die Organisation, Zuständigkeiten oder die Zuteilung der über 6–8 Landsturm-Bataillone verfügte. Der territoriale von Truppen bestand. Die Aufgaben des Territorial Dienstes Kampfauftrag des Ter D unterschied sich damit nicht wesent- (Ter D) änderten in der Vergangenheit immer wieder und be- lich vom Kampfauftrag der Feldarmee. Im Jahr 1892 wurde inhalteten die Kampfführung im Hinterland, den Schutz der ein neunter Territorialkreis gebildet, um die Kantonsgrenzen Mobilmachung, die Unterstützung der zivilen Behörden, Po- besser zu berücksichtigen. [3] lizeiaufgaben oder logistische Aufgeben wie Versorgung, Sa- nitätsdienst und Verpflegung. Diese Kreise wurden mit der Armeereform 1891 und der Schaffung der Armeekorps (AK) angepasst. Mit dem Bun- I. Die Entstehung des Territorialdienstes desgesetz über die Errichtung der AK vom 26. Jun 1891 Bis zu den napoleonischen Kriegen war die Kriegsführung wurden die 8 Divisionen in vier Armeekorps gegliedert. Die- dadurch gekennzeichnet, dass die angreifende Armee auf ei- sen wurden die Sanitäts- und Versorgungsanstalten sowie ner einzigen Marschachse, vergleichbar einer kriechenden auch erste Genieelemente mit einer Kriegsbrückenabtei- Schlange, ins Feindesland eindrang, auf ihrem Weg Städte lung unterstellt. [4] Die Territorialen Aufgaben waren jedoch und Festungen belagerte und auf geographisch eng begren- weiterhin Heerestruppen vorbehalten und waren nicht den zen Schlachtfeldern die Entscheidung suchte. Auch die Ver- Armeekorps zugewiesen. Das Territorialwesen hatte zwei teidigung war auf diese Form der Kriegsführung eingestellt, Hauptaufgaben, nämlich einen Dienstleistungs- und einen indem weder Grenzen besetzt, noch ein Raum in der Tiefe Kampfauftrag. Der Dienstleistungsauftrag bestand in der verteidigt wurde. Bei den Schlachten stellten sich beide Ar- Versorgung der Frontarmee (Beschaffung und Bereitstellung meen wie Mannschaften auf dem Spielfeld auf und versuch- des Nachschubes, Übernahme des Rückschubs, Nutzbarma- ten, einander nach gewissen Regeln zu besiegen. chung der personellen und materiellen Hilfsgüter zugunsten der Frontarmee). Der Kampfauftrag bestand in der Raum- verteidigung überall dort, wo keine Kräfte der Feldarmee vor- Die Kriegsführung spielte sich handen waren, also im ganzen rückwärtigen Raum und an weitgehend entlang von linearen jenen Grenzabschnitten, welche durch die Feldarmee nicht besetzt waren. Diese beiden Hauptaufträge blieben bis zum Fronten ab. Ende des Zweiten Weltkriegs mit wechselnder gegenseitiger Gewichtung unverändert. [5] Die Truppe brachte ihre Versorgungsgüter mit oder requi- rierte sie vor Ort. Die Kriegsführung spielte sich weitgehend Bemerkenswert ist, dass 1891 zuerst der Beschluss über entlang von linearen Fronten ab. Mit dem technischen Fort- die Schaffung der AK gefasst wurde und diese danach be- schritt der Waffen wurde zwischen Kampfzone als «Operati- auftragt wurden, mit dem neugebildeten Stab aus den un- MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 7 terstellten Divisionen und Brigaden die Detailorganisation toren». Die Befreiung der Divisionen von allen Hilfstruppen, auszuarbeiten. Die Stufen umfassten Armeekorps, Division, die nicht für den Kampf bestimmt waren, sollte aber bei- Brigade, Regiment, Bataillon und Kompanie. Damals bestand behalten werden. Die Divisionen bestanden jeweils aus drei ein Meinungsstreit über den Sinn einer «Zentralisierung» der Brigaden mit jeweils zwei Infanterieregimentern. [9] Die ent- Divisionen in Armeekorps und damit der Schaffung einer zu- scheidenden Artikel in der TO 1911 lauteten: sätzlichen Führungsebene. Art. 6 Die Armee wird eingeteilt in: Damals bestand ein Meinungsstreit a) Sechs Divisionen; über den Sinn einer «Zentralisierung» b) Festungsbrigaden; c) Stäbe, Einheiten und Truppenkörper ausserhalb dieser der Divisionen in Armeekorps Verbände (Armeetruppen). und damit der Schaffung einer zusätz- Art. 7 lichen Führungsebene. Es werden drei Armeekorpskommandos gebildet, denen die Kontrolle über den Stand der Ausbildung, die Kriegstüchtig- Man war sich einig, dass ein General nicht in der Lage sei, di- keit und die Kriegsbereitschaft der ihnen vom Bundesrate rekt 8 Divisionen zu kommandieren. In die darauffolgende Re- zugewiesenen Divisionen, Festungsbesatzungen und Armee- vision der Militärorganisation (MO) wurde der Vorschlag aufge- truppen, sowie die Leitung von Übungen mehrerer Heeres- nommen, die Kantonalen Militärkreise durch Divisionskreise einheiten zukommt. zu ersetzen. Im Parlament kam die Vorlage noch knapp durch, wurde aber in der Referendumsabstimmung durch das Volk Stellung und Aufgabe der Armeekorpskommandanten werden am 3. November 1895 deutlich abgelehnt. [6] Der erste Kom- durch eine vom Bundesrat zu erlassende Verordnung geregelt. mandant des 2. Armeekorps war Oberst Feiss. Er konnte seine Wird ein mehrere Divisionen umfassendes Aufgebot zum akti- operative Führungsrolle aufgrund der gescheiterten MO Revi- ven Dienst erlassen, so verfügt der Bundesrat und, nach sei- sion und dem Widerstand der Divisionskommandanten wenig ner Ernennung, der General über die Bildung von Armeekorps wahrnehmen. Oberst Rothpletz, einer der Oppositionsführer und die übrige Kriegsgliederung der Armee. [10] gegen die MO Revision, bezeichnete es wie folgt: Damit blieb zwar die Möglichkeit offen, je nach Lage den AK « … die taktische Führung der Divisionen ist Sache der Divisi- Truppen zu unterstellen, aber es erfolgte eine eigentliche De- onen … ist einzig Sache der Divisionäre. Die Stellung des Ar- gradierung vom operativen Verband zum organisatorischen meekorpskommandanten ist also etwa die folgende: Er eröffnet Rahmen für die Ausbildungskontrolle. Obwohl General Wille die Briefe des Generals und beantwortet sie, er verteilt Befehle zuvor ein erklärter Gegner der Armeekorps war setzte er zu des Generals, ad hoc bearbeitet, nach unten. Den beiden Divi- Beginn des ersten Weltkriegs die AK als operative Verbände sionen gegenüber hat er die formelle Rolle eines Vorgesetzen ein. Deren Führungsrolle war zunehmend unbestritten. und Beraters vor und am Ende des Gefechts. Ausserdem ist er vorzugsweise Materialverwalter hinter der Linie.» [7] Der Ter D wurde mit der MO 1907 ebenfalls neu organisiert. Dabei wurden für den Kampfauftrag und die Sicherung der 1.1 Militärorganisation 1907 (MO 1907) Mobilisierung der Armee mit 10–13 Bataillonen wesentlich In der folgenden Reorganisation mit der MO 1907 setzten mehr Mittel zugewiesen. Den Territorialkreisen wurde der sich die heftigen Diskussionen zwischen Föderalisten und Auftrag erteilt, den Aufmarsch der Armee vorzubereiten und Zentralisten sowie dem antimilitärischen Flügel der Sozialde- zu sichern. Zudem wurden den Territorialkommandanten zu- moraten fort. Dabei ging es um die technische Ausrüstung, sätzlich die Grenzwachtkorps unterstellt. Damit die Territor- die Beibehaltung der Armeekorps, die Reduktion der Divisio- rialkommandanten die Aufgaben wahrnehmen konnten, wur- nen, die Dauer der Rekrutenschule sowie die soziale Besser- den sie von den Aufgaben im Bereich des Nachschubs, der stellung der Soldaten. Die neue MO überstand schliesslich Versorgung und der Evakuationen entbunden. Der zusätzliche die Referendumsabstimmung und wurde am 3. November neunte Territorialkreis wurde gestrichen und die 8 verbleiben- 1907 vom Volk angenommen. Darin wurde der Landsturm, den Territorialkreise waren wieder deckungsgleich mit den als Truppe des Ter D, zu einer regulären Truppe aufgewertet und damit ein vollwertiger Teil der Armee. Dies war eine Vor aussetzung zur Unterzeichnung des Haager Landkriegsab- [1] Brückner Christian (Oblt): Historischer Rückblick, in: Das Stadtkom- kommen, da dieses keine irregulären Truppen zuliess, was mando Basel 1939–1989: Rückblick aus Anlass des 50jährigen Jubi- läums, Basel, 1989, S. 9 f. die Landsturmeinheiten bis zu diesem Zeitpunkt waren. Die [2] Vgl. Nicola Walter, Brigadier, Kdt Fest Br 10, in ASMZ Nr. 1/1998, Hälfte der 12 Divisions- und Korpskommandanten gehörte Band 164: 100 Jahr Territorialdienst Ter D; 25 Jahre Schweizerische dabei dem eidgenössischen Parlament und der vorberaten- Gesellschaft der Offiziere des Territorialdienstes SGOT, S. 9 ff. [3] Vgl. Brückner, S. 10 f. den Kommission an. Bemerkenswert ist, dass bei der heu- [4] Vgl. FAK 2 (diverse Autoren): Das Feldarmeekorps2 in der 100jährigen tigen Revision über die Weiterentwicklung der Armee über Geschichte der Schweizer Armee, Kommando FAK 2, Luzern, Habegger die gleichen Themen diskutiert wird. [8] Die neue MO 1907 Verlag, Derendingen, 1975, S. 22 ff. [5] Vgl. Brückner, S. 8. machte den Weg für die Truppenordnung (TO) von 1911 frei. [6] Vgl. FAK 2, S. 28. Darin wurden die Armeekorps als untaugliches Instrument [7] FAK 2, S. 24, nach Rothpletz Ch.E., in: SMOW Nr. 5, 1891, S. 180– betrachtet und nicht mehr als operativer Verband definiert. 184. [8] Vgl. FAK 2, S. 38. Trotzdem wurden die Armeekorpsstäbe beibehalten. Sie wur- [9] Vgl. FAK 2, S. 38 ff. den während der Friedenszeit zu eigentlichen «Armeeinspek- [10] Vgl. FAK 2, S. 39. MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
8 Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 [1] [2] [3] [4] Abschnittsgrenzen der 8 Divisionen. Die Territorialkreise wa- Aufgrund der Erfahrungen aus dem Truppeneinsatz im Ge- ren aber als Heerestruppen nicht den Armeekorps oder den neralstreik 1918 wurden die Aufgaben im Innern zu einem Divisionen unterstellt. [11] politischen Thema. Die Rolle der AK wurde wieder auf den Stand von 1911 zurückgeführt. [13] «Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs erreichte der Ter D den grössten Einfluss während seiner ganzen Geschichte. Der Territorialdienst hatte im Ersten Weltkrieg zu zahlreichen Die Territorialkommandanten wurden zu regelrechen Präfek- Friktionen zwischen der Feldarmee und den Territorialkom- ten des EMD. Sie vollzogen die Anordnungen in ihrem Ge- mandanten sowie den Politischen Instanzen der Kantone und biet und nahmen die kantonalen militärischen Behörden, Gemeinden geführt. General Wille kritisierte in seinem Be- die sie als ihre blossen Ausführungsorgane betrachteten, in richt die Unabhängigkeit des Territorialdienstes und bean- die Pflicht. Verfassungsrechtlich handelte es sich um einen tragte die Integration in die Armee. Mit der Neuorganisation einzigartigen Eingriff des Bundes in die kantonale Souve- des Ter D im Jahr 1931 wurde dieser vom EMD neu dem Ar- ränität.» [12] meekommando unterstellt. [14] 1.2 Die Entstehung der Territorial Zonen General Wille kritisierte in seinem in der Truppenordnung 36 Bericht die Unabhängigkeit des Unter den Vorzeichen der faschistischen Gefahr wurde mit der TO 1936 die Gliederung den Bedrohungen angepasst. Territorialdienstes und beantragte Sie trat am 1. Januar 1939 in Kraft und bildete die Grund- die Integration in die Armee. lage für die Schweizer Armee im Zweiten Weltkrieg. Das 2. Armeekorps wurde zum operativen Verband mit der Leich- Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte eine weitere Reorgani- ten Brigade 2, den drei Divisionen 4, 5 und 9, den beiden sation mit der TO 1924 und mit dieser wurde eine neue Gebirgsbrigaden 11 und 9 sowie zwei Artillerieregimentern. Felddienstordnung (FD 1927) eingeführt. Dabei wurden die Geografisch umfasste die 4. Division das Gebiet der Kan- Infanteriekompanien um 30% reduziert, was entsprechend tone BL, BS und SO, die 5. Division das Gebiet des Kan- als Abrüstungstruppenordnung bezeichnet wurde. Im Fokus tons AG und die 9. Division den Kanton Schwyz und Uri, standen aber auch eine Erhöhung der Beweglichkeit und die deren unterstellte Gebirgsbrigade 9 das Tessin sowie die Eingliederung der modernen Waffensysteme. Gebirgsbrigade 11 das Oberwallis. Das Gebiet des Kantons MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 9 [5] [6] [7] [8] Luzern gehörte zur 8. Division und diese gehörte zum 3. Ar- der jedoch gegenüber den Territorialkommandanten nur eine meekorps der Ostschweiz. Damit hatte das 2. Armeekops Kontroll- und Koordinationsfunktion, aber keine Kommando- keinen zusammenhängenden Raum. [15] gewalt hatte. Im Jahr 1944 wurde die Zahl auf 16 Territori- alkreise erhöht. [17] Die Divisionen hatten ihrerseits keine Brigaden mehr unter- stellt, sondern bestanden aus drei Regimentern Infanterie 1.3 Truppenordnung 51 und einem Regiment Feldartillerie sowie einer schweren mo- Die Truppenordnung von 1951 (TO 1951) setzte die Er- torisierten Kanonen Abteilung, einem Sanitäts- und einem kenntnisse aus dem Zweiten Weltkrieg um und ersetzte Verpflegungsbataillon. Die Division wurden neu als taktische auch die alte Felddienstordnung von 1927 durch die neue Gefechtseinheit bezeichnet. Es wurden die Grenzbrigaden so- Truppenführung 1951 (TF 51). [18] Der Territorialdienst wie die Festungsbrigaden zum Schutz der Landesgrenze bzw der wichtigsten Einfallspforten in den Zentralraum geschaf- [1] Territorial Dienste 1874, acht Ter Kreise (Quelle Nicola, S 10 ff.). fen. In den Armeekorps war die Logistik den Divisionen und [2] Territorial Dienste 1907, acht Ter Kreise (dito). Brigaden zugeordnet und die Verantwortung für Nach- und [3] Territorial Grenzdeckung 1914 (dito). [4] Territorial Dienste 1940 – 41, drei Ter Sektoren (dito). Rückschub dem Armeekorps übertragen. Im Zweiten Welt- [5] Territorial Dienste 1942, vier Ter Zonen (dito). krieg hatte General Guisan verschiedentlich die Unterstellun- [6] Territorial Dienste 1944 – 45, sieben Ter Kdt (dito). gen geändert und am 21. August 1945 kurz vor dem Ende [7] Territorial Dienste 1951 (dito). [8] Territorial Dienste 1962, sechs Ter Br (dito). des Zweiten Weltkriegs bestand das 2. Armeekorps aus der 4., 5. und 8. Division. [16] Die TO 1947 hat diese Anpas- [11] Vgl. Brückner, S. 11 sungen dann legalisiert. Mit der Schaffung der Grenzbriga- [12] Brückner, S. 11 ff.; nach Nicolas Daniel: Le service territorial de- puis 1887 (maschinengeschriebene Mitteilung der Schweizerischen den in der TO 1936 gingen die Aufgaben des Grenzschutzes Gesellschaft der Offiziere des Territorialdienstes Nr. 23, Emmenbrü- und der Schutz der Mobilmachung vom Ter D auf die Grenz- cke 1972, nach einem Vortrag von Oberstbrigadier Nicolas von 1967. brigaden über. Die Ortsverteidigung um den Rückwärtigen Eidg. Militärbibliothek, Bern. [13] Vgl. FAK 2, S. 48 f. Raum blieb beim Ter D und seinen Ortswehren. Mit der TO [14] Vgl. Brückner, S. 12. 38 wurden die Abschnittsgrenzen des Territorialdienstes von [15] Vgl. Brunner Karl: Heereskunde der Schweiz. Schulthess Verlag, Zü- den Kantonsgrenzen gelöst und den militärischen Abschnitts- rich, 1938, Anhang 3. [16] Vgl. FAK 2, S. 50 ff. grenzen angepasst, es wurden neu 13 Territorialkreise gebil- [17] Vgl. Brückner, S. 12. det. Im Armeestab wurde ein Territorial-Inspektor geschaffen, [18] Vgl. FAK 2, S. 58 f. MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
10 Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 wurde neu in eine vierstufige territorialdienstliche Hierar- 1.4 Truppenordnung 61 chie überführt. Es entstanden neu 4 Territorialzonen, de- Die TO 61 trat am 1. Januar 1962 in Kraft und machte aus nen die Territorialkreise unterstellt waren. Diese wiederum dem zweiten Armeekorps das Feldarmeekorps 2 (FAK 2). Es waren in Territorialregionen gegliedert, denen die lokalen umfasste in einem klar definierten Raum neu die Mechani- Territorialkommandanten unterstanden. In Räumen mit sierte Division 4, die Felddivisionen 5 und 8, die Grenzbriga- ortsfesten Truppen (Grenz-, Reduit- und Festungsbrigaden) den 4 und 5 sowie als Korpstruppen ein Dragoner Regiment, wurde jeweils ein einheitliches Kommando geschaffen, de- ein Radfahrer Regiment und ein Genieregiment. Mit der TO nen auch das Kommando des dortigen Territorialkreises zu- 61 wurde die Anzahl der Divisionen von 9 auf 12 erhöht und geteilt wurde. [19] die bisherigen vier Territorialzonen wurden in sechs Territo- rialbrigaden gegliedert und den Armeekorps unterstellt. Die Im Reglement Truppenführung vom 26. Dezember 1951 Ortswehren waren davon noch nicht betroffen, diese wurden wurde die Rolle des Ter D mit der Unterstützung und Ent- erst am 31. Mai 1967 formell aufgelöst. Die Anzahl der Ter- lastung der Feldarmee durch die Übernahme ortsgebunde- ritorialkompanien wurde reduziert und in Landsturm Füsilier- ner Aufgaben der militärischen Landesverteidigung defi- kompanien umgebildet. Die Zahl der zum Ter D gehörenden niert. Zudem wurde sie als Bindeglied zwischen der Armee Polizeidetachemente wurde vergrössert. [22] Der rückwärtige und den bürgerlichen Behörden aller Stufen bestimmt und Dienst wurde (wieder) dem Territorialdienst zugewiesen und sollte die Interessen der Zivilbevölkerung gegenüber den damit wurde die Ter Br zur Versorgungsinstanz der Armee- militärischen wahren. Organe des Territorialdienstes waren korps mit Versorgungsdienst, Sanitätsdienst und Luftschutz- die Kdt Ter Zo, die Kdt Ter Kr, die Kdt Ter Reg und die Kdt truppen. [23] der Ortswehren. In den Räumen der Gz-, Fest- und Reduit- brigaden erfüllten deren Kdt gleichzeitig die Aufgaben von 1.5 Truppenführung 69 Territorialkreiskommandanten. Für die Erfüllung der Aufga- Mit der Truppenführung 1969 (TF69) wurde der Richtungs- ben standen die Territorialkompanien, die Luftschutztrup- streit über die Frage einer statischen oder eine dynami- pen, die Ortswehren, die Wetter- und Lawinenkompanie so- schen Verteidigung im Sinne einer Raumverteidigung ent- wie weitere Sonderformationen und vom Armeekommando schieden. [24] zugeteilte Verbände zur Verfügung. [20] Die Aufgaben waren wie folgt umschrieben: Auf den 1. Januar 1970 wurden die Territorialbrigaden wie- − Bewachung wichtiger Objekte, soweit sie nicht von der der in Territorialzonen umbenannt und als neue Heeres- Feldarmee oder anderen ortsgebundenen Verbänden einheit dem Armeekorps unterstellt. [25] Dabei wurden die übernommen wird; Abschnittsgrenzen mit dem Raum der Armeekorps abge- − Beobachtung und Meldung ( … ) sowie Alarmierung bei stimmt und die unterstellten Territorialkreise stimmten mit Gefahr von Katastrophen oder beim Auftreten von radio- den Kantonsgrenzen überein. Die Ter Zo 2 umfasste als aktiven, biologischen oder chemischen Kampfstoffen; drittgrösste Zone die Kantonsgebiete Basel-Stadt, Basel- − Einsatz der Luftschutztruppen; land, Solothurn, Aargau und Luzern und gliederte sich in − Auskunftserteilung über die Verkehrswege, deren Zu- vier Territorialkreise (je Kanton) und ein Stadtkommando stand und Benutzbarkeit; (Basel-Stadt). Weiter gehörten 3 Luftschutzregimenter, 2 − Wiederinstandstellungs- und Räumungsarbeiten ( … ) Spitalregimenter, 2 Versorgungsregimenter, 2 Betreuungs- unter Mitwirkung der zivilen Behörden; abteilungen, 1 Motortransportabteilung sowie das Stabsba- − Auskunftserteilung über die Wetterlage, sowie über taillon zur Ter Zo 2. Insgesamt waren rund 25 000 Wehr- Schnee- und Lawinenverhältnisse; pflichtige eingeteilt. [26] − Übermittlung militärischer Weisungen an die bürgerli- chen Behörden und die Bevölkerung; − Durchführung der Requisition zugunsten der Truppe; Entsprechend hat man die Territorial- − Unbrauchbarmachung von Betrieben und Vorräten der dienstlichen Grenzen neu nach Wirtschaft, die in Gefahr sind, in Feindeshand zu fallen; − Mithilfe bei Polizeimassnahmen bürgerlicher Behörden; den Kriterien der politischen Kantons − Unterstützung der bürgerlichen Behörden bei der Verhin- grenzen, der Sprachgrenzen und derung von Massenflucht der Bevölkerung; − Übernahme von Kriegsgefangenen, Internierten und De- der militärischen Abschnittsgrenzen serteuren und deren Bewachung und Betreuung; festgelegt. − Übernahme von Zivilflüchtlingen und deren Weiterleitung an die bürgerlichen Behörden. Die bisherige militärische Grenzziehung wurde als eher un- zweckmässig erkannt, da sich die militärischen Abschnitts- Bei diesem Aufgabenkatalog stand die Idee dahinter, dass grenzen der Einsatzverbände im Einsatz laufend änderten die Feldarmee von allen kampffremden Aufgaben zu ent- und damit bei den jeweils gleichen Abschnittsgrenzen des lasten sei. Die Armeekorps sollten den Operationsraum der Ter D, der Verkehr zwischen den Ter Kr Kdo und den kanto- Feldarmee gegenüber dem Territorialraum abgrenzen. Im nalen Behörden ebenfalls zu einem laufenden Wechsel der Operationsraum waren die Truppenkommandanten für die mi- Ansprechpartner führte. Entsprechend hat man die Terri- litärische Sicherheit zuständig und konnten dazu auch über torialdienstlichen Grenzen neu nach den Kriterien der po- die Organe und Truppen der Territorialorganisation verfügen. litischen Kantonsgrenzen, der Sprachgrenzen und der mi- Im Territorialraum hatten sich die Truppenkommandanten litärischen Abschnittsgrenzen festgelegt. Die Ter Zo 2 war den Anordnungen des zuständigen Territorialkommandanten zuständig für die Kantone BS, BL, SO, AG und LU. Die Ter zu unterziehen. [21] Organisation, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 11 hatte den Vorteil einer klaren hierarchischen Ordnung: (1) in die Stabskompanie der kantonalen Territorial Regimenter Ter Zo Kdo; (2) Ter Kr Kdo; (3) Ter Reg Kdo. Auf Stufe der integriert. Die Luftschutzregimenter wurden zu Rettungsre- Ter Kr bestand damit eine der zivilen Organisation des Lan- gimentern. Die Territorial Infanterie wurde als Schutzinfan- des entsprechende militärische Gliederung (Tr Kr zu Kan- terie nur mit leichten Waffen ausgerüstet und wurde auch in ton). [27] Nur in den drei grossen Kantonen Zürich, Bern speziellen Rekrutenschulen für den Schutzauftrag ausgebil- und Waadt bestand die dritte Hierarchiestufe der Ter Reg det. In der Stabskp der Ter Inf Bat wurde ein Zug Territorial unterhalb der Ter Kr. Neben dem seit 1939 bestehenden Grenadiere für Interventionseinsätze geschaffen. Stadtkommando Basel mit der Nummer 211 wurde auch für Zürich und Bern ein Stadtkommando geschaffen. Das Stadt- Das Feldarmeekorps 2 bestand aus der F Div 5, der F Div 8, kommando 211 gehörte zum Territorialkreis 21, welcher die der Pz Br 4 (die mechanisierten Divisionen wurden zu Pan- beiden Basler Halbkantone umfasste. Auch hier waren die zerbrigaden), sowie als Korpstruppen aus je einem Rdf Rgt Unterstellungen nicht immer einfach. Das Stadtkommando und Art Rgt als Kampfverbände, für die Führung und Unter- 211 hatte zwei vorgesetzte Stellen, für territorialdienstliche stützung aus je einem G Rgt, Fest Rgt und Uem Rgt. Die Ter- Aufgaben den Kdt Ter Zo 2 auf dem Kommandoweg über ritorialdivision wurde als logistischer Verband bezeichnet und den Kdt Ter Kr 21 und für den Neutralitätsschutzdienst den erbrachte die gesamte Logistik für das Armeekorps. Kdt Gz Br 4. 1.7 Armee XXI Der Übergang in die Armee XXI im Jahr 2004 brachte … so wurden 1987 die Kampfaufgaben eine wesentliche Veränderung der gesamten Armeestruk- den Territorialzonen weggenommen tur. Die Armeekorps wurden ersatzlos aufgehoben und die Führung zentralisiert einem Führungsstab im Armeekom- und die allfälligen Doppelunterstel- mando zugewiesen. Die neun Felddivisionen wurden neu zu lungen unter die Grenzbrigade aufge- Brigaden mit unterstellten Bataillonen. Die Regimentsstufe wurde gestrichen. Die Anzahl der Panzerbrigaden wurde hoben. auf zwei reduziert. Mit der Bildung der Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe wurden daneben auch eine Führungsunter- Für den Neutralitätsschutzdienst wurden die Kampfver- stützungsbasis sowie die Logistikbasis der Armee gebildet. bände dem Kdt Ter Region, zum Beispiel dem Stadtkom- Entsprechend lösten sich alle Versorgungs- und Sanitäts- mandanten, zugewiesen. Dies hat sich zunehmend als verbände und deren Aufgaben von der Ter Organisation und schwierig erwiesen und so wurden 1987 die Kampfaufga- wurden neu in der Logistikbasis der Armee zusammenge- ben den Territorialzonen weggenommen und die allfälligen fasst. Doppelunterstellungen unter die Grenzbrigade aufgeho- ben. Das Stadtkommando 211 wurde 1989 zu einem ei- Die Ter Division wurde neu in Territorialregion umbenannt, genen Ter Kreis und verfügte über einen Stab von 30 Offi- die kantonalen Ter Regimenter mit der Schutzinfanterie zieren. Der Stadtkommandant rapportierte damit direkt an wurden aufgelöst. Als Verbindung zu den Kantonen wurden den Kommandanten der Ter Zo 2. Dem Ter Kr Kdt waren Kantonale Territorialverbindungsstäbe (KTVS) mit 6–12 Of- die kantonalen Landsturm-Füsilierkompanien und die Be- fizieren geschaffen. Diese haben die Rolle von Verbindungs- wachungsdetachemente für den Schutz von kriegs- und le- stäben und bilden kein Kommando. Im Einsatz werden ihnen benswichtigen Objekten sowie die Hilfspolizeidetachemente keine Truppen unterstellt, vielmehr sind sie in die Kantonalen unterstellt. Diese waren für die Unterstützung der zivilen Führungsstäbe der Kantone integriert. Die Territorialregion Behörden verantwortlich. [28] umfasst neu neben einem Führungsunterstützungsbataillon, ein Katastrophenhilfebataillon und alternativ ein Genie- oder Neben den Hilfeleistungen zugunsten der zivilen Behörden ein zusätzliches Katastrophenhilfebataillon. Die Ter Reg 2 und den Versorgungsleistungen gegenüber der Armee war im besteht aktuell aus dem FU Bat 22, dem Kata Hi Bat 2 und damaligen Verteidigungskonzept das Kampfpotential der Ter dem G Bat 6. Ebenfalls gehört neu die Koordinationsstelle Zo ausserhalb der Dispositive der eigentlichen Kampftrup- 2 für die Bewirtschaftung der militärischen Infrastrukturen pen genauso wichtig. Die Ter Zo überdeckte Schachbrettar- zum Kommando der Territorialregion 2. tig den gesamten Raum mit über 20 000 Mann mit Infante- rieausbildung und ca. 15 000 Stgw und Raketenrohren. [29] Die Aufgaben sind: Aufgrund des Grunddispositiv Zeus von 1992 umfasste das − Die Führungsbereitschaft für Einsätze sicherzustellen; FAK 2 die Mechanisierte Division 4, die Felddivisionen 5 − Ansprechpartner der zugewiesenen Kantone für die Zu- und 8, die Grenzbrigaden 4 und 5 sowie als Korpstruppen sammenarbeit zwischen der Armee und den Kantonen; das Radfahrerregiment 5 und die Aufklärerkompanie III/8. [19] Vgl. Brückner, S. 39. 1.6 Armee 95 [20] Vgl. Reglement Truppenführung (TF 51), Regl. Nr. 51.20 d vom 26. Mit der Armee 95 wurden die Territorialzonen in Territorial Di- Dezember 1951, Ziff. 220–224. visionen unbenannt und die Territorialkreise aufgehoben. Pro [21] TF51, Ziff. 223. [22] Vgl. Brückner, S. 41. Kanton wurde ein Territorialregiment geschaffen, welches je [23] Bucheli Rudolf (Divisionär): Die Territorialzone 2, in: ASMZ Nr. nach Kantonsgrösse aus einem oder mehreren Territorial In- 1/1987, Band 153, S. 25 ff. fanterie Bataillonen bestand. Die Truppen dazu kamen aus [24] Vgl. FAK 2, S. 60 f. [25] Vgl. FAK 2, S. 62. der Auflösung der alten Landwehr und Landsturm Kompa- [26] Bucheli, S. 26. nien, aber teilweise auch aus Auszugsverbänden. Die Betreu- [27] Nicola, S. 12 f. ungsabteilungen wurden aufgehoben und als Betreuungszüge [28] Vgl. Brückner, S. 42 ff. [29] Vgl. Bucheli, S. 26 MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
12 Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 [5] − Koordination und Führung der territorialen Aufgaben; von Stunden Truppen aus den Bereitschafts- und Durchdie- − Führung von Einsätzen auf operativer Stufe; nerverbänden verfügbar. Es können innerhalb von 24 bis 96 − Militärische Beziehungspflege mit dem grenznahen Stunden rund 8000 Angehörige aus der Miliz mit erhöhter Ausland; Bereitschaft (MmhB) für die Unterstützung der zivilen Behör- − Verantwortung der Koordinationsstelle für die militäri- den zur Verfügung stehen. sche Ausbildungsinfrastruktur; − Sicherstellung der Ausbildung und Führungsbereitschaft der kantonalen Verbindungsstäbe; Damit wird die Ter Div wieder − Verbindungsstelle zu den Hochschulen. zu einem taktischen Kommando, Zur Ter Reg 2 gehören die sieben Kantone Basel-Stadt, Ba- das direkt die in seinem Raum selland, Solothurn, Aargau, Luzern, Nidwalden und Obwal- eingesetzten Bataillone führt. den. [30] Der Entwicklungsschritt 08/11 hatte für die Ter Reg keine Auswirkungen. Der Gesamtbestand an verfügbaren Im Kern besteht die Armee damit aus zwei mechanisierten Truppen wurde durch die Reduktion auf je zwei Inf Br, Geb Brigaden für den Verteidigungskampf und dem Gros der In- Inf Br sowie Pz Br, eine Log Br und eine FU Br sowie auf fanterie in den Territorial Divisionen. Dabei wird das Konzept zwei Inf/Geb Inf Br der Reserve massiv reduziert. Ebenfalls der Multifunktionalität der Infanterie angestrebt. Diese wird erfolgte eine Reduktion der unterstellten Bataillone. sowohl für Schutzaufgaben im zivilen Umfeld wie auch zur Kampfführung im Verbund mit den mechanisierten Brigaden II. Weiterentwicklung der Armee (WEA) befähigt. Die Meinungen, ob und wie das erreicht werden Der nächste Weiterentwicklungsschritt der Armee ist auf den kann, gehen dabei auseinander und sind auch in der Bot- 1.1.2017 geplant. Die Grösse der Armee wird nochmals deut- schaft zur WEA ein Thema: lich angepasst und auf rund 100 000 Angehörige reduziert. Dies erfolgt durch eine weitere Reduktion der Verbände und die «Der Armee nahestehende Verbände argumentieren, wer das Aufteilung in einen Verteidigungskern mit zwei Panzerbrigaden Handwerk der Verteidigung beherrsche, beherrsche auch alle als mobile Elemente sowie den vier Territorialregionen, die neu anderen Armeeaufgaben. Damit wird der Stellenwert der Un- wieder Territorial Divisionen heissen und neben den bisherigen terstützung der zivilen Behörden als eigenständige Aufgabe in Unterstützungsverbänden je vier Infanterie Bataillone erhal- Frage gestellt. Diese Auffassung verkennt jedoch, wie anfor- ten sollen. Die bisherigen Infanteriebrigaden werden aufgelöst. derungsreich diese Armeeaufgabe ist. Sie verlangt viel mehr Damit wird die Ter Div wieder zu einem taktischen Kommando, Sensibilität für die Verhältnismässigkeit von Aktionen und die das direkt die in seinem Raum eingesetzten Bataillone führt. Bereitschaft zur Respektierung der Bedürfnisse der zivilen Be- hörden als die Verteidigung.» [31] Die Ter Div werden direkt dem Chef Operationen der Armee (Korpskommandant) unterstellt und gemäss Abbildung 5 ge- Unbestritten ist eine Ausrichtung auf die wahrscheinlichen gliedert. Einsätze, damit eher auf die Schutz- und Sicherungseinsätze zugunsten der zivilen Behörden als auf eine alleinige Aus- Die Verankerung der Armee in den Kantonen soll wieder ver- richtung auf den Verteidigungskampf. Entsprechend müssen stärkt werden. Einzelne Kantone werden den Bataillonen diese Truppeneinsätze in die politischen Strukturen der Kan- als Paten zugewiesen. Beim Einsatz zugunsten der zivilen tone eingebettet werden. Die Truppe hat sich für die Aufga- Behörden werden nicht unbedingt die jeweiligen Bataillone benerfüllung an die Prinzipien der Verhältnismässigkeit und zum Einsatz kommen, sondern diejenigen, die aufgrund des die Rechtsmässigkeit zu halten. Das heisst, dass jede Aktion Dienstleistungskalenders verfügbar sind. Im Leistungsspek- der Truppe und eben auch das Handeln des einzelnen Sol- trum werden mit einer abgestuften Bereitschaft innerhalb daten einer Legitimation mit einer Rechtsgrundlage bedür- MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
Vergangenheit und Zukunft der Territorial Division 2 13 fen und der Soldat im Sinne der Verhältnismässigkeit auch Dem Ter Dienst wurden nicht erst in neuerer Zeit Polizei- das mildeste mögliche Mittel der Gewaltanwendung einset- funktionen übertragen. Bereits in der ersten Verordnung über zen muss. Dies erfordert viel Wissen und Erfahrung für die das Territorialwesen vom 8.3.1887 wurden solche Aufgabe Kader und genauso für den einzelnen Soldaten. übertragen. Damals gehörte die Überwachung der Fremden (Ausländer) und der Presse in Verbindung mit den zustän- III. Zusammenarbeit mit zivilen Behörden digen kantonalen Organen zum Auftrag. Mit der Verordnung Die heutige Diskussion über die Frage, ob die Armee verfas- vom 4.3.1892 wurde den Territorialkommandanten die Ver- sungsrechtlich eine Verteidigungsarmee sein müsse und was antwortung für die militärische Ordnung in ihren Kreisen unter Verteidigung zu verstehen sei, orientiert sich an der übertragen und dort die höchste polizeiliche Gewalt auszu- alten Verfassungsgrundlage. In Art. 58 Abs. 2 der im Jahr üben. Weiterhin hatten sie mit den zuständigen kantonalen 1999 totalrevidierten Bundesverfassung sind drei gleichwer- Organen die Presse und die Fremden zu überwachen. Spe- tige Armeeaufträgen definiert: ziell war dabei sicher die Übertragung der höchsten poli- zeilichen Gewalt an den Ter D. Die Änderungen der Verord- «Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Er- nungen von 1901, 1909, 1912 und 1931 lauteten ähnlich. haltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Be- Im Jahr 1938 wurde zusätzlich noch die Überwachung von völkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr Verdächtigen übertragen. So hatte sich der Ter D während schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und dem Zweiten Weltkrieg in Zusammenarbeit mit den zivilen bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Polizeibehörden, mit der Kontrolle und Überwachung von Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.» gefährlichen und verdächtigen Personen zu befassen. Mit Im Art 1 des Militärgesetzes werden die Aufgaben mit dem der Verordnung von 1947 wurde dem Ter D die höchste und Dreiklang definiert: selbständige Polizeigewalt entzogen. Mit der Verordnung von 1 Die Armee trägt zur Kriegsverhinderung und dadurch 1951 wurde die Territoriale Hilfspolizei geschaffen. Diese zur Erhaltung des Friedens bei. war jedoch aufgrund der Weltkriegserfahrung vollständig 2 Sie verteidigt die Schweiz und ihre Bevölkerung und auf den Landesverteidigungsdienst ausgerichtet. Es wurden trägt zu deren Schutz bei. über 4000 AdA rekrutiert und ausgebildet. Jeder Kanton 3 Sie unterstützt die zivilen Behörden, wenn deren Mittel hatte nach Einwohnerzahl ein entsprechendes Kontingent nicht mehr ausreichen: zu stellen. Der Zweck der Hilfspolizei war vor allem die Un- a) bei der Abwehr von schwerwiegenden Bedrohungen terstützung der Zivilpolizei, entsprechend waren ihre Aufga- der inneren Sicherheit; ben definiert: [34] b) bei der Bewältigung von anderen ausserordentlichen a) Unterstützung der Berufspolizei auf dem Gebiete Lagen, insbesondere im Falle von Katastrophen im des Sicherheitsdienstes; In- und Ausland. b) Mithilfe bei der Verkehrsregelung, die sowohl den zivilen 4 Sie leistet Beiträge zur Friedensförderung im wie den militärischen Strassenverkehr umfasst; internationalen Rahmen. c) Mithilfe bei Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, usw.; Die Meinung, dies sei eine neue Aufgabenpalette, ist bei der d) Schutz von Personen und Sachen; Betrachtung der Geschichte falsch. Die Armee wurde immer e) Selbständiges Handeln, wenn die Zivilpolizei nicht wieder bei ausserordentlichen Lagen im Inland eingesetzt. oder nicht mehr eingreifen kann und der Ter D, Aufgaben im Rahmen der inneren Sicherheit waren immer in Wahrung militärischer Interessen, die öffentliche Aufgabe der Armee. So wurden seit 1848 zehn sogenannte Ordnung aufrechterhalten muss. Bundesinterventionen durch bewaffnete Truppen in den Kan- tonen durchgeführt, letztmals als Ordnungsdient 1932 bei Die Hilfspolizei wurde jedoch nicht einfach der Zivilpolizei Krawallen zwischen Links- und Rechtsextremen Gruppen in unterstellt, sondern nur auf Ersuchen zur Verfügung gestellt. Genf. [32] Von 1874–1949 wurden 54 Ordnungsdienstein- Die Vorschriften des EMD lauteten wie folgt: sätze geleistet, dabei haben die Kantone teilweise selbstän- dig kantonale Truppen aufgeboten oder der Bund hat den «Wenn die Kräfte der bürgerlichen Polizei im aktiven Dienst Kantonen Truppen zur Verfügung gestellt, um dem politisch zur Erfüllung der Aufgaben nicht ausreichen, wenden sich die komplizierten Bundesinterventionsverfahren auszuweichen. Insbesondere der Einsatz in Genf begründet den schlechten Ruf der Armee für diese Aufgaben. Damals wurden Rekruten eingesetzt, die mit der Situation überfordert waren und das Feuer auf Demonstranten eröffneten. Dabei kamen 13 Per- sonen ums Leben. Danach wurde vor allem von linker Seite [5] Gliederung Ter Div 2 ab 1.1.2017 (nicht genehmigte Planung). gegen jede Militarisierung der inneren Sicherheit opponiert, [30] www.terreg2.ch da in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts die Truppen im Ord- [31] Botschaft des Bundesrates zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die nungsdienst hauptsächlich bei sozialen Unruhen im Zusam- Weiterentwicklung der Armee vom 03.09.2014, S. 10. menhang mit der Arbeiterbewegung eingesetzt wurden. [33] [32] Müller Reto Patrick: Innere Sicherheit Schweiz, Rechtliche und tat- sächliche Entwicklung im Bund seit 1848. Diss., Egg, 2009, S. 93. [33] Wiegandt Marius. H.S.: Der Einsatz der Armee unter Berücksichtigung 1. Polizeiliche Aufgaben der Armee der subsidiären Sicherungs- und Hilfseinsätze, der internationalen Ar- Dabei geht es nicht um die originären Polizeiaufgaben im Rah- meeeinsätze sowie des militärischen Polizeirechts. Diss., Bern, 1999, S. 78–139. men der Militärpolizei (früher Heerespolizei) oder dem Sicher- [34] Isenschmid Josef, Regierungsrat Kanton Luzern: Polizeiliche Aufga- heitsdienst der Armee, sondern um die im Rahmen des Ter D ben, in: Vorträge des 92. Kurses der Schweizerischen Verwaltungskur- zugewiesenen Polizeiaufgaben zugunsten der zivilen Behörden. se an der Handels-Hochschule St. Gallen vom 10. und 11. Dezember 1956, S. 103–109. MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee – Nr. 1/ 2015
Sie können auch lesen