Milliarden für die Mobilitätswende - Das Magazin
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Schutzgebühr: 3,20 Euro Was uns bewegt. Wen wir bewegen. Ausgabe 02 | 2021 Milliarden für die Mobilitätswende Die Chancen für den ÖPNV-Ausbau stehen so gut wie lange nicht mehr Seite 6 Aerosole: Lüften und Masken Triale Bildung: Modell für E-Busse: Branche benötigt machen ÖPNV coronasicher die Berufe der Zukunft starke Reichweiten Seite 12 Seite 16 Seite 20
INHALT EDITORIAL Auf dem 24 Umrüstung: Vom Diesel- richtigen Pfad zur 20 E-Buskonferenz: Branchentreff Mobilitätswende zum Brennstoffzellenbus fand dieses Mal digital statt. Die Pandemie wird uns zwar noch einige Monate Zukunft. Die Rede ist unter anderem von der Novelle beschäftigen, das Licht am Ende des Tunnels kommt des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und der jedoch allmählich näher. Im Moment verlangt uns weiteren Bundesförderung von Bussen mit Batterie- Corona weiterhin einiges an Kräften und Konzentra- und Brennstoffzellenantrieb, die jedoch noch nicht von tion ab. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der EU-Kommission notifiziert ist. den Verkehrsunternehmen und auch im VDV gebührt Auf der Schiene hilft uns das Eisenbahn-Elektrifi- an dieser Stelle abermals mein herzlicher Dank. Unser zierungsprogramm des Bundes, das auch alternative drängendstes Thema ist derzeit, dass sich die Bundes Antriebe im Schienenverkehr fördert. Zudem wird auf 16 Projekt UpTrain: Qualifizierung 28 Grüne Logistik: DB Cargo regierung dem Votum der Landesverkehrsminister Rekordniveau ins Netz investiert. Darüber hinaus wird schafft Aufmerksamkeit. innen und -minister anschließt und den ÖPNV- der Schienengüterverkehr von der neuen Förderricht- für die Berufe der Zukunft Rettungsschirm fortführt. linie für Gleisanschlüsse profitieren. Rückenwind ver- Schon bald wird wieder unser eigentliches Ziel in sprechen wir uns zudem von der aktuellen Kampagne den Vordergrund treten: viele Fahrgäste von unseren „Güter gehören auf die Schiene“. DB Cargo will damit Angeboten zu überzeugen, neue Kundinnen und Kun- ein großes Publikum dafür sensibilisieren, wie einfach den hinzuzugewinnen sowie die Mobilitätswende in und effektiv große Mengen CO2 eingespart werden unseren Städten und im ländlichen Raum voranzutrei- können, wenn Verkehre verlagert werden. Das alles ben. Wir alle müssen unserer Verantwortung für den macht mich zuversichtlich, dass wir nach Corona der Klimaschutz weiter und noch stärker nachkommen. Mobilitätswende neuen Schwung verleihen können. Vor allem der Bus kann im Personenverkehr schnelle Wichtig ist nun noch, dass wir auch unsere Verkehrs- Ergebnisse liefern. leistungen nachhaltig und langfristig finanzieren Wohl selten standen die Zeichen so günstig für einen können. Hierzu benötigen wir die entsprechenden nachhaltigen Ausbau des ÖPNV. Das Geld etwa aus dem Finanzmittel und -instrumente, damit die Mobilitäts- Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) kann wende kein Strohfeuer wird. abgerufen werden, und es gibt mehr Mittel als baureife Projekte. Stein für Stein pflastern die von der Politik in Herzlichst Ihr 6 Mobilitätswende: Renaissance Bund und Ländern beschlossenen Gesetze und Initia der Tram wird Wirklichkeit. tiven nun den Weg zur nachhaltigen Mobilität der Ingo Wortmann 3 Editorial Seite 11 16 Aus dem Verband 24 Hintergrund Auf dem richtigen Pfad zur Drei Fragen an Dr. Jan Schilling, Innovet-Projekt „UpTrain“: Dieselbusse gehen auf den Mobilitätswende VDV-Geschäftsführer ÖPNV Weiterbildung hoch drei Wasserstoff-Trip. 4 VDV im Bild 12 Aktuell 18 Aus dem Verband 28 Aktuell 125 Jahre Rheinbahn: Den Aerosolen auf der Spur KnowHow@ÖV: Suchmaschine DB Cargo wirbt für den D‘r Geburtstags-Zoch kütt. für die Verkehrsbranche Schienengüterverkehr. 14 Aktuell 6 Titelstory Mit dem ÖPNV zum 20 Aus dem Verband 30 Zu guter Letzt VDV Das Magazin Milliarden-Mittel stehen bereit. Impfschutz Beim E-Bus zählt „Reichweite, Wie Karikaturist Heiko Sakurai auch online unter: Reichweite, Reichweite“. die Mobilitätswende sieht. www.vdv-dasmagazin.de 2 02 | 2021 02 | 2021 3
VDV IM BILD D‘r Geburtstags-Zoch kütt Ein bisschen Karneval ist im Rheinland immer irgendwie, auch zum 125. Geburtstag der Düsseldorfer Rheinbahn. Des Jubiläums angenommen haben sich auch Jacques Tilly – als Wagenbauer für den Rosenmontagszug bekannt – und sein Team. In vielen Stunden Handarbeit entstand eine kleine Parade von drei Fahrzeuggenerationen (kl. Foto), die in den vergangenen Jahrzehnten das Stadtbild geprägt haben: mit den fröhlichen Gesichtern und Kulleraugen, die für karnevalistische Motivwagen so typisch sind. Auf dem Dach des aktuellen „Silberpfeils“ hat es sich der bergische Löwe bequem gemacht und überreicht die überdimensionale Geburtstagstorte. Ein Anhänger, der sonst dem Transport von Gleisen dient, trägt nun die bunte Fahrzeugreihe – gezogen von einer orangefarbenen Arbeitsbahn aus dem Jahr 1950. So tourt der etwas andere Rheinbahn-Zug als heiterer Hingucker während des gesamten Jubiläums- jahres regelmäßig durch die Altbier-Metropole sowie durch Neuss und Ratingen. Auch im Regeldienst machen Fahrzeuge der Rheinbahn, die anlässlich des Jubiläums ihren Marken- auftritt neu gestaltet hat, auf den besonderen Geburtstag aufmerksam. Vier Bahnen und zwei Busse wurden komplett im Jubiläumslook gestaltet (gr. Foto). Auf der Folie zeichnen sich Sehenswürdigkeiten aus dem Bedienungsgebiet ab, das sich von der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt und die Kreise Mettmann und Neuss bis nach Meerbusch erstreckt – alles auf dem markanten Hintergrund in Rheinbahn-Rot. 4 02 | 2021 02 | 2021 5
TITELSTORY Blick in die Zukunft: Am Tübin- ger Tor (l.) in Reutlingen und auf einem Teilstück der Hachestraße (r.) nördlich des Essener Haupt- bahnhofs werden Straßenbahnen bald zum Stadtbild gehören. Milliarden-Mittel stehen bereit für die Mobilitätswende V or dem Tübinger Tor, Reutlingens markantem mittelalterlichen Relikt der einstigen Stadt- mauer, passiert schnittig-elegant ein silbergrauer es viele ambitionierte Überlegungen bei Verkehrs- unternehmen und in der Kommunalpolitik, für die Mobilitätswende attraktiven ÖPNV auf Schienen Stadtbahnzug. In Essen winden sich die gelben Züge einzurichten. Mal werden vorhandene Netze um der Ruhrbahn durch Alleen und auf den Willy-Brandt- kurze Linienverlängerungen ergänzt – zum Beispiel Mehr Geld, schnellere Planung: Die Chancen, den ÖPNV auszubauen, sind so gut wie lange Platz vor dem Hauptbahnhof. Diese Bilder sind schicke die „Lichtwiesenbahn“ in Darmstadt zum Campus nicht. Die Verkehrsbranche ist gefordert, jetzt rasch einen „Investitionshochlauf“ hinzule- Visualisierungen, am Computer entstanden. Doch in der Technischen Universität, die mit einem guten gen – nicht nur planen, sondern möglichst bald öffentliche Fördermittel abrufen und bauen. wenigen Jahren soll die Renaissance der Straßenbahn Kilometer Neubaustrecke den Hauptbahnhof ab De- auch hier Realität sein. zember 2021 näherbringt. Mal geht es – wie bei der Beispielhaft: Essen schickt die Tram statt in den U-Bahn-Tunnel auf eine neue oberirdische Nicht nur im Ruhrgebiet und bei den Schwaben: Stadtumlandbahn Nürnberg - Erlangen - Herzogen- „Citybahn“-Strecke. Und Reutlingen setzt nach mehr als 40-jähriger Abstinenz wieder auf Von Flensburg bis München, von Bremerhaven bis aurach – um Regionalstadtbahnprojekte nach dem die Straßenbahn – den „Tram-Train“ der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb. Jena, von Aachen bis Regensburg und anderswo gibt Vorbild des Karlsruher Modells mit Zwei-System- 6 02 | 2021 02 | 2021 7
TITELSTORY Am Rand der Schwäbischen Alb Wachsende Pendler- wird kräftig gebaut. Das Modul 1 ströme rund um Tübingen der Regional-Stadtbahn und Reutlingen bräuch- Neckar-Alb mit der Ermstalbahn ten dringend neue, stau und dem Kreuzungsbahnhof in freie Verkehrslösungen Dettingen-Gsaidt soll 2022 in – wie diesen modernen Betrieb gehen. Tram-Train. Bahnen für Vollbahn und Stadtverkehr, den soge- leben rund 2.000 engagierten und zahlungskräftigen pro oder contra Stadtbahn durch Tübingen an. „Wir Hier versammelt sich die Welt der nannten Tram-Trains. Bürgerinnen und Bürgern, die in den 1990er-Jahren hoffen und kämpfen“, sagt Eugen Höschele, Vorsit- internationalen Unternehmen und Während vielerorts diskutiert wird oder Planungen die Erms-Neckar-Bahn AG für die vom Verfall be- zender der Verbandsversammlung des Zweckver- ihrer Mitarbeiter. geprüft werden, wird in Baden-Württemberg am drohte Infrastruktur gründeten und die Vorausset- bandes Regional-Stadtbahn Neckar-Alb. Zu kämpfen Rand der Schwäbischen Alb schon kräftig gebuddelt. zungen für den weiteren Zugbetrieb schufen. Ein hat er reichlich, denn wie es nach dem Modul 1 wei- Eugen Höschele, Das „Modul 1“ der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb prominenter Teilhaber engagierte sich schon früh in tergeht, ist noch ziemlich unklar. Auf dem Papier Vorsitzender der Verbandsversammlung soll bereits zum Fahrplanwechsel 2022/2023 in Be- seinem politischen Leben für den Erhalt der Strecke: steht ein Netz von gut 200 Kilometern, von denen des Zweckverbandes Regional-Stadtbahn Neckar-Alb trieb gehen. Es ist eine durchgehende Strecke von der Grünen-Politiker und Vorsitzende des Verkehrs- 45 Kilometer neu gebaut oder reaktiviert wer- Herrenberg im Westen über Tübingen, Reutlingen ausschusses im Bundestag, Cem Özdemir. „Ohne das den müssten. 133 Bahnhöfe und Haltepunkte und und Metzingen bis nach Bad Urach: Sie wird auf rund Engagement der Bürger gäbe es die Bahn schon lange dichte Taktfahrpläne sollen den Anreiz bieten, das komplexen Planungsrecht böten „jetzt geradezu ideal“ 50 Kilometern elektrifiziert, teilweise zweigleisig nicht mehr“, bilanziert Vorstandschef Carsten Strähle. Auto nicht mehr zu nutzen. Höschele hat die Eck- die Chance, das Vorhaben in vollem Umfang zu reali- oder mit Begegnungsbahnhöfen ausgebaut. Der west- Mit der Inbetriebnahme des ersten Teilstücks der daten, die für das Gesamtprojekt sprechen: In der sieren. Den Landesverkehrsminister Winfried Her- liche Teil, die Ammertalbahn, war schon stillgelegt schwäbischen Regional-Stadtbahn werden die Stra- Region leben 700.000 Menschen, Tendenz stei- mann hat er hinter sich. 95 Millionen Euro steuern und wurde von einem kommunalen Zweckverband ßenbahnpläne für Reutlingen akut. Vorgesehen ist am gend. Die Wirtschaft prosperiert – der Verbandschef Bund und Land zum 122-Millionen-Projekt des Mo- ins Weiterleben geführt. Das Mittelstück betreibt Hauptbahnhof im Norden der Stadt eine „Ausschlei- nennt nur drei Namen: Amazon, Curevac, Porsche: duls 1 bei. „Um die Verkehrswende voranzubringen, die Deutsche Bahn als Neckar-Alb-Bahn. Der Ost- fung“ von der Vollbahnstrecke, dann auf neuen Gleisen „Hier versammelt sich die Welt der internationa- setzt sich das Land mit Nachdruck dafür ein, große abschnitt mit der Ermstalbahn verdankt sein Über- durch die City bis zum Südbahnhof – und möglicher- len Unternehmen und ihrer Mitarbeiter.“ Insgesamt Infrastrukturprojekte wie dieses voranzutreiben. Für weise weiter zum nahen Albaufstieg über Pfullingen wird mit 3.500 bis 4.000 neuen Arbeitsplätzen in mich ist die Regional-Stadtbahn ein Schlüsselprojekt bis Engstingen – mit durchgehenden S-Bahn-Linien den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie der nachhaltigen Mobilität für die Region“, erklärte aus den umliegenden Regionen. Zwei innerstädtische Verwaltung und Technik bis 2025 gerechnet. Die der Minister. Um die Verkehrswende voranzubringen, setzt Trassen stehen zur Wahl; die Entscheidung ist noch wachsenden Pendlerströme gerade rund um Tübin- sich das Land mit Nachdruck dafür ein, große nicht gefallen. Ähnlich die Situation in Tübingen, wo gen und Reutlingen bräuchten dringend neue, stau- Citybahn bindet Essen 51 an Infrastrukturprojekte wie dieses voranzutrei- die Tram-Trains Gewerbe- und Industriegebiete im freie Verkehrslösungen. Hinzu kommt für Höschele: Bessere Mobilität verspricht sich auch die Ruhr- ben. Für mich ist die Regional-Stadtbahn ein Norden der Stadt erschließen könnten. Doch Ober- Die neue Verkehrspolitik des Bundes mit deutlich metropole Essen für ihr völlig anders gelagertes Schlüsselprojekt für diese Region. bürgermeister Boris Palmer muss noch skeptische erhöhten Fördermitteln aus dem Gemeindever- Projekt. Auf der Industriebrache des ehemaligen Bürger für das Vorhaben gewinnen: Voraussichtlich kehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und ersten vom Krupp-Stahlwerkes im Nordwesten der Stadt ist ein Winfried Hermann, mit der Bundestagswahl steht ein Bürgerentscheid Bundestag verabschiedeten Vereinfachungen im neuer Stadtteil entstanden, der allemal eine gute Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg 8 02 | 2021 02 | 2021 9
TITELSTORY VDV LEGT SEINE EMPFEHLUNGEN AN DEN NÄCHSTEN BUNDESTAG VOR Kapazitätsgrenzen angekommene unterirdische In- frastruktur für Stadt- und Straßenbahnen. Ab 1967 „Mobilitätswende forcieren – jetzt mehr bewegen“: Unter hatte die Stadt nach und nach Tunnelabschnitte für diesem Titel hat der VDV seine aktuellen Handlungsempfeh- ihre Bahnen in Betrieb genommen. „Leitmotiv der lungen zusammengefasst, wie die Fahrgastzahlen verdop- Stadtentwicklung war damals, einen schnellen und pelt werden und der Schienengüterverkehr um 25 Prozent möglichst kreuzungsfreien Verkehrsfluss zu er- wachsen können. In der kommenden Legislaturperiode müssen Politik und Verkehrsbranche weiter gemeinsam Bis 2035 will die Stadt Essen einen Modal möglichen, der sich nur durch die Verdrängung des die zentralen Aufgaben Angebot und Finanzierung, Infra- Split von jeweils 25 Prozent in den Be- ÖPNV unter die Erde erzielen ließ“, beschreibt City- struktur und Planung, Digitalisierung und Vernetzung sowie reichen ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr bahn-Projektleiter Dirk Heidler. Doch die seinerzeit Mobilitätskonzepte und alternative Antriebe gestalten. Zur und Motorisierter Individualverkehr er- ehrgeizigen Pläne für eine „Stadtbahn Rhein-Ruhr“ Modernisierung und zum Ausbau des ÖPNV richtet der reichen. Hierfür müssen wir in die Infra- als vollwertige U-Bahn scheiterten am Geldmangel in Handlungsempfehlungen für die 20. Legislaturperiode VDV zehn Kernforderungen an den nächsten Bundestag: des Deutschen Bundestages DREI FRAGEN AN struktur und das Angebot investieren. den öffentlichen Kassen. ÖPNV-Kapazitäten massiv erhöhen, ländliche Räume bes- „Nun bedeutet das für die Essener City die Rück- Dr. Jan Schilling, ser anbinden, Planung beschleunigen, Auswirkungen des kehr der Tram an die Oberfläche“, erläutert Heidler novellierten PBefG evaluieren, Neu- und Ausbau der Infrastruktur vorantreiben, VDV-Geschäftsführer ÖPNV Simone Raskob, Bereichsvorstand der Stadt Essen für Umwelt, Verkehr und Sport die grundsätzliche Bedeutung des Projektes. Es bie- Fahrt aufnehmen mit dem Deutschlandtakt, Schienenstrecken elektrifizieren, tet zudem die Chance, eine moderne Straßenbahn stillgelegte Schienenstrecken reaktivieren, Barrierefreiheit lückenlos durchset- Deutlich aufgestockte GVFG-Mittel, erhöhte Regionali- zu bauen, die sich nicht – wie auf anderen Essener zen, Personal- und Fachkräftebedarf decken. Um zusätzliche Aufmerksamkeit sierungsmittel, Erhalt der Entflechtungsmittel und Pla- für seine Botschaften zu erzielen, wird der VDV einen für Verbände eher unge- ÖPNV-Anbindung braucht. Es ist Essens 51. Stadt- Linien – den Verkehrsraum „straßenbündig“ und nungsbeschleunigung: Kann der Infrastrukturausbau wöhnlichen Weg eingeschlagen: Die verkehrspolitischen Forderungen werden teil, der deshalb schlicht „Essen 51“ genannt wird. mühselig mit dem Autoverkehr teilen muss. Geplant des ÖPNV jetzt endlich mal in die Vollen gehen? von Arbeiten des bekannten Karikaturisten Heiko Sakurai begleitet (siehe S. 30). Für diese Anbindung sorgen die Stadt Essen und die sind großzügige Lösungen mit viel Grün und Platz für » Dr. Jan Schilling: Das Bauen von Infrastruktur ist www.vdv.de/mehr-bewegen Ruhrbahn mit dem Bau der Citybahn – einer gut fünf Radfahrer und Fußgänger – auf „Umweltachsen“, in in Deutschland immer eine Herausforderung, aber der Kilometer langen oberirdischen Straßenbahnstrecke, denen das Auto nur noch für Anlieger und Lieferanten Finanzrahmen stimmt zuversichtlich. Die Politik hat mit Nachdruck die Weichen zugunsten des öffentlichen die aus dem neuen Quartier entlang der City als Um- fahren darf. in den Bereichen ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr und Verkehrs gestellt. Jetzt sind wir am Zug. Unsere Bran- fahrung und dann weiter in die östlichen Stadtteile Der Rückbau von Fahrspuren für den Autoverkehr sei Motorisierter Individualverkehr erreichen“, so Ras- che hat die Chance, in großem Umfang die Zukunfts- geführt wird. in der Politik und von den Bürgerinnen und Bürgern kob. „Hierfür müssen wir in die Infrastruktur und das pläne für die Mobilitätswende zu realisieren. Allein die „Die Fahrgastzuwächse aus der Verdichtung des weithin akzeptiert. Für Simone Raskob, Bereichs- Angebot investieren.“ Mittel aus dem GVFG-Bundesprogramm verdreifachen städtischen Raumes erfordern von uns neue Mobi- vorstand der Stadt Essen für Umwelt, Verkehr und Drei Linien werden die neue Trasse im 140 Kilome- sich in diesem Jahr gegenüber 2020 auf eine Milliarde litätsmuster. Mit der Citybahn schaffen wir schnelle Sport, ist die Citybahn ein entscheidender Baustein ter umfassenden Essener Schienennetz der Ruhrbahn Euro. Und ab 2025 stehen zwei Milliarden Euro zur und neue Direktverbindungen und verbessern insge- auf dem Weg zu einer umweltfreundlicheren Mo- nutzen und attraktive Stadtverbindungen schaffen. Verfügung, die in den Jahren nach 2025 um jeweils samt unser Angebot“, erklärt Uwe Bonan, Geschäfts- bilität. „Die Citybahn trägt wesentlich dazu bei, den Die Investition liegt bei 95 Millionen Euro, die weit- 1,8 Prozent pro Jahr ansteigen. Zugleich sind die führer des kommunalen Betreibers Ruhrbahn. Das ÖPNV in Essen weiterzuentwickeln. Bis 2035 will die gehend vom Bund und vom Land Nordrhein-Westfa- Fördertatbestände beispielsweise im Schienenverkehr Projekt ist dabei auch die Antwort auf die an ihren Stadt Essen einen Modal Split von jeweils 25 Prozent len erwartet werden. „Die Standardisierte Bewertung erweitert worden. ist kurz vor dem Abschluss, wir erwarten, Ist denn ein schneller, unbürokratischer Abfluss der dass sie auskömmlich wird“, ist sich Heid- Fördermittel zu erwarten? ler sicher. Erste technische Vorarbeiten » Nach der Novellierung des GVFG und der Verab- sind zum großen Teil abgeschlossen. Die schiedung des Planungsbeschleunigungsgesetzes fehlt Trasse soll im nächsten Jahr gebaut werden, als dritter Schritt noch die Fortschreibung der Stan- die Bahninfrastruktur folgt 2023, um dann dardisierten Bewertung, mit der Nutzen und Kosten 2025 den Betrieb aufzunehmen. Gefahren von Verkehrsprojekten abgewogen werden. Das an sich wird in der in Essen klassischen Meterspur. bewährte Instrument berücksichtigt bislang viel zu wenig weitergehende positive Aspekte wie Luftrein- haltung, Klimaschutz, Barrierefreiheit oder auch die Weitere Infos unter: längerfristigen wirtschaftlichen Perspektiven einer www.regional-stadtbahn.de und Reaktivierung von Eisenbahnstrecken. Ich bin aber www.citybahn-essen.de zuversichtlich, dass das Bundesverkehrsministerium zusammen mit Politik und Branche eine zukunfts- gerichtete Lösung bis zum Jahresende hinbekommt. Was kommt auf die Verkehrsbranche zu? Die Fahrgastzuwächse aus » Wir brauchen den Investitionshochlauf. Trotz aller der Verdichtung des städti- praktischen Probleme bei Planungs- und Baukapazitä- schen Raumes erfordern von ten muss es der Branche gelingen, die neuen Förder- uns neue Mobilitätsmuster. bedingungen und Erwartungen der Politik aufzugreifen Mit der Citybahn schaffen wir und Projekte zur Plan- und Baureife zu bringen. Wenn schnelle und neue Direktver- es nicht gelingt, den Finanzpolitikern ausreichend bindungen und verbessern deutlich zu machen, dass die Gelder benötigt und Im Rahmen von fünf digitalen insgesamt unser Angebot. verbaut werden, besteht das Risiko, dass Mittel auch wieder zurückgefahren werden könnten. Dann wären Themenwochen stellten die Ruhrbahn und die Stadt Essen die jetzt erreichten Erfolge ein Pyrrhussieg. Uwe Bonan, das Projekt „Citybahn“ vor - hier Geschäftsführer der Ruhrbahn Simone Raskob mit Moderator Micha Spannaus. 10 02 | 2021 02 | 2021 11
AKTUELL Den Aerosolen auf der Spur Mit Bussen und Bahnen unterwegs zu sein, ist für Fahrgäste und Fahrpersonal auch während der Pandemie sicher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Technischen Universität Berlin sowie der Charité. Im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben die Forschenden untersucht, wie sich Aerosole in verschiedenen U-Bahnen, Trams und Bussen ausbreiten. D ie Fahrt mit öffentlichen Verkehrs- mitteln bleibt auch während der Corona-Pandemie sicher. Das belegt eine schereit, Leiter des Fachgebiets Experi- mentelle Strömungsmechanik an der TU Berlin. Um bis zu 80 Prozent wurde die wurden Ende März auch zusätzliche Leis- tungen gefahren. So ist weit mehr Platz in den Fahrzeugen. Wo es technisch möglich aktuelle Studie des Fachgebiets Experi- Aerosolkonzentration verringert. ist, öffnen die Türen der Züge und Busse mentelle Strömungsmechanik der Tech- an allen Haltestellen automatisch. Die Er- nischen Universität Berlin und des Labors Das Volumen eines Busses entspricht kenntnisse aus der Studie werden nun ge- für Biofluidmechanik der Charité – Univer- in etwa dem eines mittelgroßen Konfe- nutzt, um Lüftung und Fensteröffnung in sitätsmedizin Berlin. Im Auftrag der BVG renzraumes. Werden die Türen an jeder den einzelnen Fahrzeugen noch gezielter untersuchten die Wissenschaftlerinnen Haltestelle geöffnet, wäre das damit ver- zur Minderung von möglichen Aerosol und Wissenschaftler anhand von Experi- gleichbar, während einer Besprechung konzentrationen einzusetzen. Neben dem menten, wie sich Aerosole in verschiedenen etwa alle eineinhalb Minuten die Fenster regelmäßigen Luftaustausch haben die U-Bahnen, Trams und Bussen der BVG zu öffnen. Hinzu kommt, dass die Fahr- FFP-2- oder vergleichbaren Masken, die ausbreiten. „Es freut mich sehr, dass diese gäste im öffentlichen Nahverkehr oft nur ab einer stabilen Inzidenz von über 100 in Studie nun allen unseren Fahrgästen sowie wenige Minuten in den Fahrzeugen un- Bussen und Bahnen von Fahrgästen ge- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestä- terwegs sind. „Dass die Messergebnisse tragen werden müssen, einen zusätzlichen tigt: Die Nutzung von Bussen und Bahnen so positiv ausgefallen sind, hat uns tat- positiven Einfluss. Dieser wurde jedoch in stellt kein erhöhtes Ansteckungsrisiko dar“, sächlich überrascht, aber natürlich auch die Untersuchung nicht einbezogen. sagt Eva Kreienkamp, Vorstandsvorsitzende sehr gefreut“, berichtet Dr.-Ing. Ulrich Auch wenn sie deutlich länger als Kundin- der BVG: „Mit Maske, Abstand und guter Kertzscher, Leiter des Labors für Biofluid- nen und Kunden im Fahrzeug unterwegs Lüftung sind wir weiterhin gemeinsam mechanik an der Charité: „Wie erwartet, sind – die beruhigenden Erkenntnisse gel- sicher unterwegs.“ müssen Maßnahmen ergriffen werden, ten auch für die Mitarbeitenden wie Bus- 80 aber das Öffnen der Fenster und Türen in fahrerinnen und Busfahrer, die anders als Viren in der Atemluft simuliert Kombination mit den Belüftungsanlagen das Fahrpersonal von Trams und U-Bahnen Die Forschenden arbeiteten bei ihren Ex- in den Bussen und Zügen reduziert die nicht in einer eigenen Fahrerkabine sitzen. perimenten mit künstlichem Theaternebel Aerosolausbreitung deutlich.“ „Die Studie zeigt, dass die neu eingebauten sowie Aerosolmessungen, bei denen vi- Trennscheiben effektiv die Ausbreitung renbehaftete Atemluft simuliert und von Geringere Nachfrage, von Aerosolen aus dem Fahrgastraum zum menschenähnlichen Puppen eingeatmet volles Angebot Fahrpersonal verhindern und dieses gut wurde. „Wir konnten hier zeigen, dass so- Obwohl die Nachfrage Ende März bei le- abschirmen“, erläutert Dr. Manuela Huet- PROZENT wohl die Belüftungsanlagen als auch das Öffnen der Fenster und Türen die Aero- diglich rund 45 Prozent gegenüber der Zeit vor der Pandemie lag, hält die BVG ten, leitende Betriebsärztin und Pandemie- beauftragte der BVG: „In Kombination mit So hoch ist der Anteil, um solkonzentration in den betrachteten Ver- mit ihren Bussen und Bahnen weiterhin der Fahrerraumlüftung ergibt sich so aus den sich die Aerosolkonzen- kehrsmitteln sehr deutlich reduzieren“, das volle Angebot aufrecht. Im Schüler- arbeitsmedizinischer Sicht ein Höchstmaß tration durch die Fahrzeug erklärt Prof. Dr.-Ing. Christian Oliver Pa- verkehr und auf einer Reihe von Buslinien an Sicherheit am Arbeitsplatz.“ lüftung sowie das gezielte Öffnen von Fenstern und Türen reduziert. 12 02 | 2021 02 | 2021 13
AKTUELL Mit dem ÖPNV SCHLESWIG- zum Impfschutz HOLSTEIN MECKLENBURG- VORPOMMERN Die Impfungen gegen das Coronavirus laufen: In ganz Deutsch- HAMBURG land binden Verkehrsunternehmen die Impfzentren an den ÖPNV BREMEN an. Auch wenn die Fahrgastzahlen auf manchen Linien über- schaubar sind – vor allem die Busse leisten einmal mehr einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge. Denn sie bringen Menschen, die anderweitig nicht mobil sind, kostenlos und direkt NIEDERSACHSEN bis vor das Impfzentrum. Dafür wurden teilweise zusätzliche BERLIN Linien und Haltestellen eingerichtet, Personal und Fahrzeuge werden zur Verfügung gehalten. Hier eine kleine Auswahl. BRANDENBURG SACHSEN-ANHALT NORDRHEIN-WESTFALEN SACHSEN THÜRINGEN HESSEN RHEINLAND- PFALZ SAARLAND BAYERN BADEN-WÜRTTEMBERG 14 02 | 2021 02 | 2021 15
AUS DEM VERBAND Zukunftsprojekt „UpTrain“: Weiterbildung hoch drei FÖRDERPROGRAMM „INNOVET“ Hervorgegangen ist das InnoVET-Projekt „UpTrain“ aus dem bundesweiten Ideen- wettbewerb „InnoVET: Zukunft gestalten – Innovationen für eine exzellente beruf- liche Bildung“, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgerichtet hat. Mit dem Programm InnoVET fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung bundesweit Projekte mit dem Ziel, die Attraktivität, Qualität und Gleich- wertigkeit der beruflichen Bildung zu steigern. Durchgeführt wird das Programm vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Das Projekt „UpTrain“ läuft bis Ende 2024. Etwa 75.000 zusätzliche Fachkräfte benötigen die Verkehrsunternehmen bis 2030. Gleichzeitig müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fit für die Digitalisierung und Automatisierung gemacht werden. Im InnoVET-Projekt „UpTrain“ entwickelt die VDV-Akademie zusammen mit Verkehrsunter- nehmen, Hochschulen und der Industrie für die Berufe der Zukunft ein über eine Online-Lernplattform für die Branche, die Bildungs- und Karriereberatung ins Leben zu rufen. praxisnahes Qualifizierungsmodell: die „Triale Weiterbildung“. sogenannte Digitale Mobilitätsakademie (DMA), abge- Sie soll Beschäftigten helfen, sich vielseitig innerhalb bildet werden soll. Über sie werden die umfangreichen der Branche zu orientieren, und auch Anlaufstelle für A ller guten Dinge sind bekanntlich drei: Ein Verbund aus Verkehrsunternehmen, Hochschulen und Indus- trie will innovative berufliche Fortbildungsmöglichkeiten VDV-Akademie, die in diesem Jahr übrigens 20 Jahre alt wird, derzeit im Verbund mit ihren Projektpartnern ein Modell, in dem die beteiligten Partner ihr branchenspe- digitalen Lerninhalte und Funktionen zur Verfügung ge- stellt. Die ersten dieser neuen Qualifizierungsmaßnah- men sollen als Pilotdurchgänge im dritten Quartal 2022 Studienzweifelnde aus Studiengängen mit Mobilitäts- bezug sein. Durchgeführt wird das Verbundprojekt in Nordrhein-Westfalen sowie in der Region Rhein- schaffen. Ziel ist es, weitreichende Karriereperspektiven in zifisches Wissen und ihre unterschiedlichen Lernorte belegt und erprobt werden. Die Angebote richten sich Main-Neckar. Beteiligt sind neben der VDV-Akademie der Verkehrsbranche zu eröffnen. Dafür hat die VDV-Aka- einbringen – die „Triale Weiterbildung“. In Lern(ort)- an Beschäftigte aus ÖPNV-, Eisenbahn- und Industrie- weitere acht Partner. Die Verkehrsbranche ist vertreten demie Ende vergangenen Jahres das Projekt „UpTrain“ kooperationen zwischen Verkehrsunternehmen, In- unternehmen sowie an Studierende. durch die Kölner Verkehrsbetriebe, die Rheinbahn, die gestartet. „Der Name steht für beruflichen Aufstieg und das dustrie und Hochschulen sollen Mitarbeitende aus den Rhein-Neckar-Verkehr GmbH und die Stadtwerke Ver- entsprechende Training“, erläutert Projektleiterin Verkehrsunternehmen und Praktiker sowie Studierende Angebote orientieren sich am Bedarf kehrsgesellschaft Frankfurt (VGF). Von wissenschaftli- Thea Wehlitz. Im Fokus steht ein Weiterbil- unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam an den Zu- Doch zunächst steht einiges an Aufbauarbeit auf der cher Seite sind die Hochschule Bochum, die Bergische dungsmodell für Berufsbilder der Zukunft. Die kunftsthemen des öffentlichen Verkehrs arbeiten. Nach Agenda. „Wir werden zwei neue gewerblich-techni- Universität Wuppertal sowie die Hochschule Darmstadt werden geprägt sein von der Digitalisierung diesem Konzept könnten sich die Lernenden beispiels- sche Aufstiegsfortbildungen mit IHK-Abschlüssen und die Frankfurt University of Applied Sciences dabei. und der Automatisierung in der Verkehrsbran- weise zum Thema E-Busse in der Werkstatt eines Ver- entwickeln, Beschäftigte digital und an verschiede- Zudem beteiligen sich zahlreiche Kooperationspartner che sowie der Nutzung neuer Technologien kehrsunternehmens, auf nen Lernorten qualifizieren sowie ein durchlässiges aus der ganzen Branche, Gewerkschaften, politische – wie beispielsweise beim autonomen Fahren dem Testgelände eines System beruflicher Bildungswege in unserer Branche Akteure, DIHK, IHK und ein Projektbeirat an der kon- und der digita- Herstellers oder in einem aufbauen“, stellt Thea Wehlitz in Aussicht. Dabei orien- zeptionellen Gestaltung und operativen Umsetzung. UpTrain - der Name steht für len Zugsiche- Forschungsinstitut einer tieren sich die Qualifizierungsangebote eng am Bedarf beruflichen Aufstieg und das rungstechnik. Hochschule weiterbilden. der Verkehrsbranche. „Um Fachkarrieren zukunftsfest entsprechende Training. Als Koordi- Hinzu kommt ein zu machen, sollen technisches Praxiswissen und koope- Weitere Infos unter: natorin ent- 20-prozentiger Anteil rative Kompetenzen fester Bestandteil von Qualifizie- www.vdv-akademie.de/projekte/uptrain-triale-weiterbildung Thea Wehlitz, Projektleiterin wickelt die digitalen Lernens, der rung werden.“ Außerdem ist geplant, eine unabhängige bei der VDV-Akademie 16 02 | 2021 02 | 2021 17
AUS DEM VERBAND Die Suchmaschine für die Verkehrsbranche Es war eines unserer wichtigs- ten Ziele, die VDV-Schriften und VDV-Mitteilungen online kosten- Gesammeltes Branchenwissen auf einer kostenlos zugänglichen Online- frei zur Verfügung zu stellen. plattform: Mit der „Bildungsbox“ wendet sich die VDV-Akademie seit Stefanie Menke, Projektleiterin Beginn der Corona-Pandemie an die Beschäftigten der Verkehrsbranche. bei der VDV-Akademie Das Angebot, das zum Fachwissen-Portal KnowHow@ÖV zählt, wurde seitdem kontinuierlich ausgebaut und erfreut sich tausch mit den Anwenderinnen einer starken Nachfrage. Es kann auch über die und Anwendern wird das Ange- VDV VerbandsApp abgerufen werden bot stetig angepasst und erweitert, die Plattform auf diesem Weg konti- nuierlich ausgebaut. Im laufenden Jahr soll das Angebot von KnowHow@ÖV auch auf Englisch und Französisch bereitgestellt werden. „W ie läuft das mit der Zugsiche- rungstechnik?“ Wer neu Mehr als drei Jahre For- schungs- und Entwick- lungsarbeit stecken Eingebettet ist das gesammelte Expertenwissen in ein semantisches Bislang wurden die gut 500 VDV-Schriften und -Mit- teilungen fast 38.000-mal über KnowHow@ÖV on- line aufgerufen. Allein die Top Ten der gefragtesten in einen Beruf bei einem darin. Herzstück sind Netz aus über 1.200 Fachbegriffen, VDV-Schriften kommen auf fast 7.000 Klicks. Unange- Verkehrsunternehmen ein- die 500 VDV-Schriften Studien, Definitionen, Links, Grafiken und Bildern sowie fochtener Spitzenreiter ist die VDV-Schrift 714 für das steigt, findet beispielsweise über und VDV-Mitteilungen. Weiterbildungsangeboten. Die Pflege und Wartung der Personalwesen – die Leitlinien für die Beurteilung der diese und weitere Fragen schnell den Sie umfassen einen Schatz Wissens- und Lernplattform liegt bei der VDV-Akade- Betriebstauglichkeit in Verkehrsunternehmen. Zugang zu wichtigem Grundlagenwissen. aus Erfahrung und Branchen- mie. Registrierte Nutzerinnen und Nutzer können sich Einfach bei „KnowHow@ÖV“ das Suchwort wissen, das seit mehr als 40 Jahren dieses Wissen auch über Angebote zum Selbstlernen Weitere Infos unter: knowhow.vdv.de „Zugsicherungstechnik“ eingeben. Im nächsten gesammelt und weiterentwickelt wird. erschließen. Allein für den Bereich Eisenbahn gibt es knowhow.vdv.de/bildungsbox Schritt erscheint eine Liste mit allen relevanten 35 Lernvideos. „Es war eines unserer wichtigsten Ziele, vdv.de/app VDV-Schriften, etwa zur Planung und Instandhaltung Auch André Schiller nutzt das Portal regelmäßig. Er ko- die VDV-Schriften und VDV-Mitteilungen von Anlagen und den Sicherheitsanforderungen, sowie ordiniert für die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) online kostenfrei zur Verfügung zu eine Liste mit weiterführenden VDV-Mitteilungen, wie die IT. Regelmäßig richten die Fachabtei- stellen“, so Stefanie Menke: zur Stromversorgung von Signalen oder zum Einsatz von lungen Anfragen an ihn, wenn es bei- „Damit wollten wir den LED-Signalen. „Das alles ist kein Geheimwissen mehr“, spielsweise um Schnittstellen und Wissenstransfer in BILDUNGSBOX sagt Claudius Blank: „Die Offenlegung der VDV-Schriften Informationssicherheit geht. der Branche nach- ist ein großer Erfolg.“ Claudius Blank leitet den Bereich Dann überprüft der IT-Koor- haltig positiv Innerhalb eines Jahres hat die „Bildungsbox“ der VDV-Akademie 220.000 Digitalisierung und Telematik Verkehr bei den Stadtwerken dinator, ob alle Projekte und beeinflussen.“ Zugriffe verzeichnet. „Sie ist ein wichtiger Teil der VDV-Digitalisierungs- München, zu denen die Münchner Verkehrsgesellschaft strategischen Ausrichtun- Im Aus- strategie“, sagt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Das Angebot richtet (MVG) gehört, und hat am Aufbau von KnowHow@ÖV gen zu den Vorgaben des sich an die Beschäftigten in den Unternehmen des öffentlichen Personen- mitgewirkt. „Wenn ich die Plattform schon vor einigen VDV passen – etwa für und des Schienengüterverkehrs. Auf die kostenlosen Inhalte haben bereits Jahren gehabt hätte, hätte ich mir viel Arbeit ersparen den Aufbau einer zen- 27.000 Nutzerinnen und Nutzer zugegriffen. „Der Erfolg zeigt, dass die können“, schmunzelt er. Das Angebot ist auch über die tralen Verkehrsda- neuen Formate auf der Höhe der Zeit sind und ausgebaut werden müssen“, VDV VerbandsApp abrufbar. ten-Plattform. „Ich erläutert Gisbert Schlotzhauer, Vorstandsvorsitzender der VDV-Akademie. Die „Bildungsbox“ als Bestandteil von KnowHow@ÖV muss nicht immer Fast jeden zweiten Tag gibt es neue Inhalte. Produziert wurden bislang mehr ging Anfang April 2020 an den Start. Sie leistet einen erst ins analoge als 30 Folgen des Podcasts „Nächster Halt“ und Videos sowie Formelrech- ner – etwa für den Beschleunigungsweg, für Umläufe oder Fahrzeiten im wichtigen Beitrag zur Weitergabe von Wissen inner- Archiv gehen, Bahnbetrieb. Außerdem wurden zwölf Digi-Talk-Folgen, 14 Videos und halb der Branche – ein wertvolles Hilfsmittel für die sondern nutze Onlinetrainings zu den Themen Gesundheit und Sicherheit, Marketing Aus- und Weiterbildung. „KnowHow@ÖV ist eine Art am liebsten diese und Vertrieb sowie Betrieb und Technik bereitgestellt. Neben einer Mu- Google für die Verkehrsbranche“, erläutert Stefanie Plattform“, erklärt sikbox mit 80 Songs über Mobilität, den Podcasts und Digi-Talks zählen Menke von der VDV-Akademie, die das Projekt managt. André Schiller. die Antriebstechnologien im Busbereich, das Wissensquiz zur Verkehrs planung sowie die Dienstplangestaltung zu den gefragtesten Angeboten. „Wir stehen in der Branche vor einem Generationswechsel, fast 50 Pro- zent der Beschäftigten gehen bis 2030 in den Ruhestand“, so Oliver Wolff: „Die digitale Bildung ist daher ein Schlüssel für den künftigen Erfolg.“ 18 02 | 2021 02 | 2021 19
AUS DEM VERBAND „Reichweite, Nur noch neun Jahre bleiben, um die Luftreinhaltungs- und Klimaschutzziele im Verkehrssektor durch eine Mobilitätswende zu erreichen und Milliardenstrafen seitens der EU zu vermeiden. Schnelle Ergebnisse kann nur der Bus liefern – mit batterie- elektrischem Antrieb oder mit Wasserstoffbrennstoffzelle. Wie Reichweite, das gelingen kann, war unter anderem Thema auf der digitalen VDV-Elektrobuskonferenz. D ie VDV-Elektrobuskonferenz daher sei es „entscheidend, dass wir Reichweite“ war gerade eröffnet worden, als den Elektrobus voranbringen.“ Aber zeitgleich vom Umweltbundesamt eine auch das gesamte, bereits jetzt kli- eigentlich gute Nachricht verkündet maschonende Verkehrssystem Bus wurde: Deutschland hat sein für 2020 müsse ausgebaut und neue Kapazitä- gestecktes Klimaziel erreicht. Sogar ten geschaffen werden. „Sonst werden der Verkehrssektor hat deutlich wir die Menschen nicht überzeugen weniger CO2 ausgestoßen – minus können, vom Auto auf den Bus um- 11,4 Prozent gegenüber 2019. So zusteigen.“ richtig gefreut hat sich darü- ber trotzdem kaum jemand der 18.000 E-Busse notwendig 500 Teilnehmenden. Denn der Wie dabei die betriebswirtschaftliche Grund dafür liegt zwar auch in Seite aussieht und welche Fördermit- ersten Auswirkungen von ver- tel notwendig sind, verdeutlicht die kehrspolitischen Maßnahmen, Studie „Jahrzehnt des Busses“, die der vor allem jedoch in Sonder- VDV bei der Unternehmensberatung effekten der Pandemie. „Es ist PWC in Auftrag gegeben hat. Damit niemandem geholfen, wenn der ÖPNV bis 2030 seinen Beitrag für Busse und Bahnen halbleer das Erreichen der Klimaschutzziele durchs Land fahren und die leisten kann, sind zusätzliche In- Leute wieder vermehrt um- vestitionen von 1,8 Milliarden Euro steigen aufs Auto“, brachte notwendig. Durch die Mobilitäts- es Cem Özdemir (Grüne) auf wende würde sich demnach der Zu- den Punkt. Der Vorsitzende schussbedarf im Busverkehr auf 3,6 des Verkehrsausschusses im Milliarden Euro verdoppeln. Um die Bundestag rief in Erinnerung, Klimaschutzziele bis 2030 zu errei- dass es auf den Klimaschutz chen, sind insgesamt 18.000 E-Busse und strukturelle Verände- nötig. Wortmann sprach sich dagegen rungen im Verkehrsbereich aus, die Kosten der Mobilitätswende ankomme: „Wir brauchen die und der Corona-Folgen auf die Fahr- Verkehrswende, und die Ver- gäste abzuwälzen: „Deswegen sind kehrswende ist nichts anderes wir auf öffentliche Mittel angewie- als ein wichtiger Teil der dringenden sen.“ Modernisierung unseres Landes.“ Wir haben uns entschieden, die E-Bus- Angesichts langer Planungsvorläufe Qualität hat sich verbessert beim Ausbau von Schienenstrecken Beim Thema E-Busse sei die Branche konferenz durchzuführen, um in diesem ist für VDV-Präsident Ingo Wort- auf einem guten Weg. „Mittlerweile besonderen Jahr der CVD-Umsetzung mann klar, welches Verkehrsmittel haben wir sehr gute Produkte der das Thema Elektrobusse zu diskutieren für die Mobilitätswende zunächst der Industrie“, lobte der VDV-Präsident. und Informationen bereitzustellen. Hoffnungsträger und Problemlöser Aber es gebe noch Probleme zu lösen. Nummer eins ist: „Einen Großteil zur In Anlehnung an das Immobilienmak- Martin Schmitz, VDV-Geschäftsführer Technik und Lösung der Klimakrise muss in die- ler-Credo „Lage, Lage, Lage“ sei beim Vorstand des Forums für Verkehr und Logistik sem Jahrzehnt der Bus liefern.“ Von Elektrobus „Reichweite, Reich- 20 02 | 2021 02 | 2021 21
AUS DEM VERBAND Wir brauchen die Verkehrswende, und die Verkehrswende ist nichts anderes als ein wichtiger Teil der Zieschang, Staatssekretärin im Bundesminis- dringenden Moderniersierung terium für Verkehr und digitale Infrastruktur. unseres Landes. Immerhin wohnt dem Anfang eine deutliche Dy- namik inne. Von der nationalen Umsetzung der Cem Özdemir, Clean Vehicles Directive (CVD), die die Anschaf- Mitglied des Bundestags für Bündnis90/ fung von sauberen beziehungsweise lokal emissi- Die Grünen und Vorsitzender des onsfreien Fahrzeugen regelt und deren Umsetzung Verkehrsausschusses sich derzeit im parlamentarischen Verfahren be- findet, erwartet die Staatssekretärin zusätzlichen weite, Reichweite“ das Entscheidende. Schwung. 80 Prozent der Mehrkosten von alternativ ange- Deswegen benötigt die Branche reich- triebenen Fahrzeugen fördert der Bund technologieoffen. weitenstarke Busse oder technische Hilfen, Für das zweite Quartal hofft Tamara Zieschang auf eine Reichweiten zu verbessern, wie das Nachladen positive Rückmeldung aus Brüssel zu der von der Branche der Batterien von O-Bussen unter Oberleitungen. An- händeringend erwarteten neuen Busförderrichtlinie, die Digitales Foyer (l.) und virtueller Messestand: Die 500 Teilnehmenden konnten die Vorträge auf einer dernfalls werden mehr E-Busse und Fahrpersonal benötigt bis 2024 einen Umfang von 1,25 Milliarden Euro hat. Live- und einer Stream-Bühne verfolgen und 50 Aussteller auf der Fachmesse ElekBu besuchen. – und das wiederum würde das derzeit kostengünstigste Bei der Umsetzung der CVD-Richtlinie sieht der VDV Verkehrsmittel im ÖPNV verteuern. als Branchenverband aktuell Nachbesserungsbedarf. VDV-Vizepräsident Werner Overkamp betonte, wie wich- Zulassungszahlen gehen dynamisch nach oben tig eine nationale Beschaffungsquote sowie angepasste Unterdessen ist auch im ÖPNV der Hochlauf der Elektro- Förderungen bei der ÖPNV-Finanzierung seien. „Geben Sie dass bei einer weiteren Novelle des Erneuerbare-Energi- dabei hilft, die Umläufe ihrer Elek- mobilität mit Batterie- und Wasserstoffantrieb vielerorts sich einen Ruck, dass die Branchenlösung, die wir skizziert en-Gesetzes (EEG) die Umlage für den öffentlichen Verkehr trofahrzeuge und die Ladezyklen zu schon sichtbar. Von derzeit 36.000 Linienbussen ziehen haben, so verabschiedet wird“, appellierte er an die Bun- ganz abgeschafft werde. planen, und die die Stromverbräu- 1.000 ihre Antriebsenergie ausschließlich aus einer Batte- despolitik. Nach derzeitigem Stand würde die Umsetzung In den kommenden Jahren werden in Europa die Kapazi- che auf den unterschiedlichen Linien rie, Brennstoffzelle oder Oberleitung und rollen lärm- und der CVD vor allem kleine Verkehrsunternehmen betriebs- täten bei der Batterieproduktion deutlich ausgeweitet. Die abbildet. Mit der zunehmenden Ver- emissionsarm über Deutschlands Straßen. Die Zulassungs- wirtschaftlich und organisatorisch überfordern. EU-Kommission geht davon aus, dass bis 2030 etwa ein breitung von Bussen mit Bat- zahlen von batterieelektrisch und per Brennstoffzelle an- Dass die Elektrifizierung der Busflotten bis Ende der Drittel der weltweiten Batterieproduktion aus Deutsch- terien und Brennstoffzellen getriebenen Bussen entwickeln sich weiter dynamisch, 2020er-Jahre abgeschlossen sein kann, hatte Tamara land kommen wird. „Das ist aus industriepolitischer Sicht wurden bei der diesjährigen Wir brauchen nicht nur berichtete Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäfts- Zieschangs Kollege aus dem Bundesumweltministerium, eine sehr gute Nachricht“, sagte Prof. Dirk Uwe Sauer vom Konferenz neben techni- mehr Elektro-ÖPNV, führer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Jochen Flasbarth, schon im Vorjahr auf der VDV-E-Bus- Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe schen Fragen zu Fahrzeugen, sondern wir brauchen Brennstoffzellentechnologie (NOW) – eine Gesellschaft konferenz gesagt. Jetzt bekräftigte der Staatssekretär: „Ich an der RWTH Aachen. Gleichzeitig entwickelt sich die der Gestaltung von Betriebs- insgesamt mehr ÖPNV - des Bundes, die nachhaltige Mobilität gestaltet und un- glaube immer fester daran. Und ich glaube, dass das in Technologie weiter, während die Kosten sinken. Je nach höfen, der Ladeinfrastruk- mit einer höheren terstützt, indem sie Förderprogramme koordiniert sowie vielen Verkehrsunternehmen schon deutlich vorher sein Fahrzeugtyp, Batteriekapazität, Fahrverhalten und äu- tur und der Reichweite auch Qualität und einer Technologieentwicklung begleitet. Lag nach Angaben des wird.“ So werde der ÖPNV attraktiver. „Wir brauchen nicht ßeren Bedingungen liegen die Reichweiten zwischen 200 Themen wie Brandschutz und höheren Quantität. Kraftfahrtbundesamtes der Bestand Anfang 2020 bei 385 nur mehr Elektro-ÖPNV, sondern wir brauchen insgesamt und 270 Kilometern – passend für viele Anwendungen im Versicherungen erörtert. Batterie- und bei 24 Brennstoffzellenbussen, haben sich mehr ÖPNV – mit einer höheren Qualität und einer höhe- Alltag. Erstmalig fanden die Jochen Flasbarth, Staatssekretär diese Zahlen bis Anfang 2021 nahezu verdoppelt. Weitere ren Quantität.“ Sobald die Elektrifizierung des Busverkehrs VDV-E-Buskonferenz und im Bundesministerium für Umwelt, 300 Fahrzeuge sind in Förderprogrammen bewilligt. zum Alltagsgeschäft gehöre, ergebe eine weitere Förderung Elektromobilität - eine Frage die begleitende Fachmesse Naturschutz und nukleare Sicherheit „Bei der Flottenerneuerung ist der Anfang gemacht, aber keinen Sinn mehr. „Aber wir bleiben an Ihrer Seite“, betonte der Infrastruktur ElekBu digital statt. „Wir es muss noch deutlich mehr passieren“, sagte Dr. Tamara Jochen Flasbarth und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, Beim Thema E-Bus geht es haben uns entschieden, die jedoch nicht nur um Fahr- E-Buskonferenz durchzuführen, um in diesem besonde- zeuge, sondern auch um ren Jahr der Umsetzung der Clean Vehicles Directive das Das Berliner Hotel Estrel war Schauplatz der Live-Bühne und Sitz der Konferenz-Regie (Foto l.). VDV-Vizepräsident Werner Overkamp (M.) Personalqualifizierung, Thema Elektrobusse zu diskutieren und Informationen appellierte an die Bundespolitik, die Branchenvorschläge umzusetzen, wie die CVD-Richtlinie in nationales Recht überführt werden kann. neue Abläufe und eine bereitzustellen“, erläuterte Martin Schmitz, Geschäfts- Von Seiten des VDV führten Wolfgang Reitmeier, Martin Schmitz und Minh-Thuy Truong (Foto rechts, v.l.n.r.) durch das Konferenzprogramm. gesamte Infrastruktur, führer Technik beim VDV: „Unser Mut wurde belohnt: die mitgeplant werden Eine Konferenz mit virtueller Messe ist durchführbar.“ muss. Dazu zählen die Neben den 500 Teilnehmenden aus 19 Ländern waren Ladestellen sowie eine 50 Aussteller dabei. Unter den Ausstellern waren elf Bus- IT, die den Verkehrsun- hersteller mit 23 batterieelektrischen oder wasserstoff- ternehmen unter anderem betriebenen Fahrzeugen vertreten. Nach den Absagen der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover und der „Busworld“ in Brüssel wird die VDV-E-Buskonferenz die einzige größere Busveranstaltung in diesem Jahr bleiben. Bei der Flottenerneuerung ist der Anfang gemacht, aber es muss noch Die nächste VDV-E-Buskonferenz ist für den 2. und deutlich mehr passieren. 3. März 2022 geplant – dann, so war von Veranstaltern, Vortragenden und Ausstellern mehrfach zu hören, „hof- Dr. Tamara Zieschang, Staatssekretärin im Bundes- ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fentlich wieder als Präsenzveranstaltung in Berlin“. 22 02 | 2021 02 | 2021 23
HINTERGRUND Umrüstung: Auf dem Dach trägt der Dieselbusse gehen auf den Bus der Uckermärkischen Verkehrs- gesellschaft bereits die markanten druckdichten Stahlflaschen für den Wasserstoff-Trip Wasserstoff. Wo beim Diesel der Motor saß, werden die Brennstoffzelle und die Batterien eingebaut. Auf dem Weg zum klimaneutralen ÖPNV mit Elektrobussen bahnt sich eine Variante mit Wasserstoff an: die Umrüstung von serienmäßigen Dieselfahrzeugen auf Brennstoff- zellen-Technik. Pionier ist die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft (UVG). Sie hat ein „grünes“ Anliegen: Noch in diesem Jahr will sie auf ihren beiden Linien in den National- park Unteres Odertal zwei Busse ganz ohne CO2-Emissionen einsetzen. „U ckermark ist Zukunft, es wissen nur nicht alle.“ Dieser selbstbewusste Satz steht unter einem Kreistagsbeschluss des Landkreises Uckermark, der im Die Landrätin ist auch Aufsichtsratsvorsitzende der UVG. Nun gehören Geschäftsführer Lars Boehme und sein Team mit zu den ersten in der Uckermark, die vergangenen Herbst gefasst wurde. Die Kommunalpolitik den politischen Auftrag umsetzen. Das Thema Brenn- forderte Landrätin Karina Dörk darin auf, den Kreis im stoffzelle beschäftigt ihn schon länger: „Auf der Suche Nordosten Deutschlands unweit der polnischen Hafen- nach klimaneutralen alternativen Antrieben sind wir stadt Stettin als „Wasserstoffregion“ zu etablieren. Gute schnell auf Wasserstoff gekommen“, sagt Boehme. Sein Voraussetzungen sind gegeben. In der Kreisstadt Prenzlau Problem teilen auch andere Verkehrsunternehmen arbeitet seit fast zehn Jahren ein Hybrid-Kraftwerk, das speziell im ländlichen Raum: „Wir haben tägliche Fahr- grünen Strom aus Windkraft produziert. Und auf dem zeugumläufe mit über 300 Kilometern. Wenn wir das großen Industriegelände der kleinen Stadt Schwedt be- mit Batterieantrieben schaffen wollen, brauchen wir schäftigen sich namhafte Konzerne der Mineralöl- und im Netz Nachlademöglichkeiten. Das mag innerstäd- Energiewirtschaft schon länger mit der Herstellung und tisch wirtschaftlich sinnvoll einzurichten zu sein, ist Nutzung von Wasserstoff. aber im ländlichen Raum nahezu undenkbar.“ Und 24 02 | 2021 02 | 2021 25
HINTERGRUND Die neu eingebauten Komponenten im Heck des Fahrzeugs müssen aufwändig verkabelt werden. umzurüsten statt neue zu produzieren, entlastet dage- zeuge sollen im Sinne der Richtlinie „sauber“ sein - also gen die Umwelt.“ Außerdem gibt er künftigen Kunden mit alternativen Energie- und Antriebskonzepten - und die Hoffnung, dass bei Umrüstaktionen in größerem Stil die Hälfte davon sogar vollständig emissionsfrei. Ab 2026 Preisreduzierungen zu erwarten seien. Derzeit würden die erhöht sich diese Quote sogar auf 65 Prozent.. Brennstoffzellen noch aus China geliefert – „die sind in die- Auch die Umrüstung von Dieselfahrzeugen auf E-Bus-Sys- ser Technologie einfach um Jahre weiter als wir.“ teme erfüllt die Richtlinie aus Brüssel. Hier sieht Markus Körner Potenzial. In dem kleinen Unternehmen weiß man, mehr schwere Akku-Kapazität in den Umrüstung erfüllt auch die CVD dass der Bedarf des Marktes nicht allein bedient werden Bus zu packen, sei auch keine Lösung: Die Realisierung des aktuellen Pilotprojektes ist durch die kann. Deshalb werden bundesweit qualifizierte Umrüst- „Wir wollen Fahrgäste mitnehmen und finanzielle Förderung des Landes Brandenburg und die in- partner im Kraftfahrzeug-Handwerk mit Kompetenz bei keine Batterien.“ tensive gemeinsame inhaltliche Vorbereitung durch UVG Fahrzeugaufbauten gesucht – speziell bei Servicewerk- und Nationalparkverwaltung möglich geworden. „Die Um- stätten der etablierten Nutzfahrzeughersteller –, die mit Wie auch anderswo fiel der Blick rüstung der zwei Nationalparkbusse ist das erste Projekt dem Fachwissen und den Kontakten des Start-ups im schnell auf Wasserstoff und Brenn- unseres Klimaschutzministeriums aus dem Zukunftsin- Lkw- wie im Bus-Markt aktiv werden können. Denkbar stoffzellen – und die Perspektive, mit vestitionsfonds des Landes“, erklärte Umwelt- und Klima- sei auch, dass Verkehrsunternehmen die Umrüstung in Ei- dieser Technologie ohne Nachtanken schutzminister Axel Vogel. „Es ist das erste Mal in Europa, genregie betreiben und so wichtige Arbeitsplätze in ihren die Reichweiten wie beim Dieselbus dass im Öffentlichen Personennahverkehr konventionelle Werkstätten zukunftssicher machen – nach entsprechen- zu erzielen. Nur, berichtet Boehme, Dieselbusse aus dem vorhandenen Bestand auf Wasser- der Schulung und technischer Ausstattung. Diese Schulung Kosten von rund einer Million Euro stoff-Brennstoffzellentechnik umgerüstet werden.“ Das soll unter anderem mit der IHK aufgebaut werden. Das neue pro Fahrzeug bremsten die Begeis- sei gerade im Hinblick auf die anstehende Umsetzung Berufsbild: „Fachkraft für H2-Mobilität“. terung jäh. Doch die UVG gab nicht der „Clean-Vehicles-Richtlinie“ der Europäischen Union auf. „Wir haben im Internet gesucht von besonderer Bedeutung. Die Richtlinie schreibt der Wasserstoffbusse für den Nationalpark und sind dann irgendwann auf die ÖPNV-Branche vor, dass bei der Fahrzeugbeschaffung ab Vom Frühsommer an will die UVG die beiden besonders Firma Clean Logistics gestoßen.“ Ein August 2021 bis Ende 2025 nur noch 55 Prozent Diesel- klimafreundlichen Busse überwiegend auf den National- Start-up in Hamburg, von einem Lo- busse sein dürfen. Mindestens 45 Prozent der Neufahr- parklinien einsetzen. Nicht nur unter der Haube werden gistik-Unternehmen und einer Familienholding als mittel- Partnerunternehmens E-Cap Mobility in einem sie grün sein: Die beiden Fahrzeuge werden zu ständisches Joint Venture ins Leben gerufen. Primäres Ziel: Gewerbegebiet am Rande des niedersächsischen rollenden Informationszentren mit audiovisu- Im Nutzfahrzeugsektor die technischen Voraussetzungen Städtchens Winsen an der Luhe durchlaufen die ellen Anreizen, zum Beispiel mit Videoclips zu für eine Umrüstung von Lastwagen vom Dieselantrieb auf beiden UVG-Busse – es sind Zwölf-Meter-Fahr- jeder der 16 Nationalpark-Haltestellen. Was- Brennstoffzelle zu schaffen. „Die politischen Vorgaben sind zeuge des Typs „Citaro“ von Mercedes-Benz serstoff ist für Lars Boehme aber weit mehr eindeutig: Bis 2030 sollen 175.000 schwere Lkw emissi- – die Umrüstung, die zugleich eine Verjüngung als eine Touristenattraktion für die Fahrten onsfrei unterwegs sein. Aber die müssten erst einmal pro- mit deutlich verlängerter Nutzungsdauer dar- in Deutschlands einzigem Auennationalpark duziert werden. Das ist bei der bisherigen Geschwindigkeit stellt. Geschäftsführer Lars Boehme erwartet, an der Oder. Bei ihm auf dem Hof stehen 122 in der Nutzfahrzeugbranche kaum bis gar nicht erreichbar“, dass die Fahrzeuge nach der Umrüstung acht bis Dieselbusse, die er alle umrüsten möchte. Auf erläutert Markus Körner, Service- und Vertriebsleiter bei zehn Jahre länger im Einsatz bleiben können. „Es finanzielle Unterstützung hoffen die Ucker- Clean Logistics. ist ja nicht so, dass wir hier alte Fahrzeuge ein märker aus Brüssel. Sie bewerben sich als eines bisschen aufpolieren. Wir bekommen eine völlig der „Important Projects of Common European Modularer Aufbau von vier Komponenten neue Antriebstechnologie. Und wir fahren künf- Interest“ speziell für den Wasserstoff-Sektor Gefördert mit Mitteln des Bundesverkehrsministeri- tig emissionsfrei und ressourcenschonend.“ Auf um Mittel aus dem Fonds „IPCEI Wasserstoff“. ums startete die kleine Firma die Entwicklung von fünf der Kostenseite müsse man auch sehen, dass der Zu wirtschaftlich sinnvollen Konditionen an Prototypen und rüstete schwere Diesel-Lkw auf Was- Wartungsaufwand für die künftige Elektrotech- die saubere Energie zu kommen, sei in der serstoff-Brennstoffzellen-Antrieb um. In einem strikt nik deutlich unter dem Bedarf von Dieselbussen Region Uckermark, anders als anderswo, nur modularen Aufbau müssen vier Komponenten nach dem liege. Weniger Aufwand auch für die Schulung des noch eine Frage der Zeit. Die Zapfsäule im Be- Ausbau von Tank, Dieselmotor und Antriebssträngen un- Personals, denn der Arbeitsplatz des Busfahrers ist triebshof ist bereits geplant. „Vielleicht“, meint tergebracht werden: Wasserstofftanks, Brennstoffzellen, unverändert: Er muss nur seine Fahrweise auf den der UVG-Geschäftsführer, „bauen wir als Ver- Speicherbatterien und zwei Radnabenmotoren in der An- Elektroantrieb umstellen. kehrsunternehmen irgendwann sogar ein öf- triebsachse. Prinzipiell ist das für den Linienbus kaum an- Derzeit stellen die Umrüstungskosten mit knapp fentliches Tankstellennetz für jedermann auf.“ ders: Die Tanks – vier druckdichte Stahlflaschen mit etwa einer halben Million Euro noch einen großen Bro- 30 Kilogramm Fassungsvermögen – werden auf dem Fahr- cken dar, auch wenn er für die Verkehrsunterneh- zeugdach installiert, Brennstoffzelle und Speicherbatterien men durch die Fördertöpfe bei Bund und Land auf Weitere Infos unter: verschwinden im Heck, eine neue Achse mit dem Elek- bis zu 20 Prozent schrumpfen kann. Ökologisch www.cleanlogistics.de und tromotor ersetzt die bisherige Technik. Fachleute sprechen sieht Markus Körner einen weiteren Vorteil: „Ein uvg-online.com dann von einem Fuel-Cell-Electric-Vehicle (FCEV). Auto neu zu bauen und ein altes zu verschrotten, In einer lichtdurchfluteten, pieksauberen Werkhalle des sorgt für erhebliche CO2-Emissionen. Fahrzeuge 26 02 | 2021 02 | 2021 27
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