Mit Kopftuch durch den Iran - Ich bin auf der falschen
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Eine westliche Touristin erlebt den vom Islam geprägten Alltag Mit Kopftuch durch den Iran I ch bin auf der falschen Text: Katharina Pichler Bilder: Felix Hoch und Katharina Pichler starrte mich an, es wurde getu- Seite. Auf der Seite der schelt und gelacht. «Was ist nur Männer. Der Hinweis Katharina Pichler reiste mit ihrem Partner Felix Hoch in los?», fragte ich mich. Bald wurde «Women only» auf dem einem ausgebauten Mercedes-Kastenwagen überland von mir bewusst: Ich trug keinen Zugfenster ist mir zuvor München nach Kathmandu. Dabei durchquerte sie im Juni Mantel. Po und Schritt zu bede- nicht aufgefallen, und so cken, ist im Iran jedoch unerläss- stehe ich nun inmitten 2012 auch den Iran: von der Hauptstadt Teheran durch die lich. Also suchte ich hastig das vieler Männer, die sich um mich Wüste Dasht-e Kavir nach Isfahan, zu den Ruinen von Perse- nächste Mantelgeschäft auf. Dort drängen, und wünsche mich zu polis, nach Schiras und Bam. Sie staunten nicht nur über den angekommen, standen mir die den Frauen. Eine fast unsichtbare Zauber Persiens und die Gastfreundlichkeit und Neugierde Tränen zuvorderst – keine der Linie trennt die Geschlechter im Angestellten schickte sich an, mir der Iraner – sondern auch über Vorschriften und Regeln, Zuginnern der Metro von Tehe- zu helfen, alle starrten mich bloss ran. Übersieht man den Hinweis mit denen Katharina sich zuerst vertraut machen musste. an. Nachdem ich jedoch mit ei- auf Geschlechtertrennung beim nem Mantel bekleidet aus der Einsteigen, ist die Verwunderung gross – ent- Des Kaisers neue Kleider. Als wir vor einigen Umkleidekabine kam, lachten mir die irani- weder findet man sich dann als Frau aus- Tagen in Teheran ankamen, war ich mit den schen Verkäuferinnen herzlich entgegen. schliesslich von Männern umgeben oder als Kleidervorschriften für Frauen im Iran noch Mann umhüllt von Parfümwolken und Ge- nicht so vertraut. Ich dachte mir, es sei wichtig, Wer schön sein will. In der überlaufenen Me- schnatter. Ich spüre die neugierigen Blicke der die Kopfhaare zu verdecken und schwarze, lan- tro ist eines nicht zu übersehen: Der Iran ist Männer auf mir und bin zum ersten Mal froh, ge Kleidung zu tragen. Verglichen mit den schi- das Land der Schönheitsoperationen. Viele – einen Schleier tragen zu müssen. Nur noch cken Iranerinnen sah ich höchst unansehnlich und nicht nur Frauen – laufen mit einem weis zwei Stationen bis zum Imam-Khomeini-Platz, aus. Auf den ersten Metern in Teherans Stras sen Hansaplast auf der Nase herum. Da das dann bin ich erlöst. sen fühlte ich mich ziemlich unwohl. Man Gesicht das Einzige ist, was die Iranerinnen 52 GLOBETROTTER-MAGAZIN winter 2014
iran kommt mir zugute, dass ich bereits beim Grenzübergang von der Türkei in den Iran nicht nur andere Kleidung angezogen, son- dern mir auch einen «Ehering» angesteckt habe. Meine beste Freundin hat ihn mir vor der Reise gegeben. «Als Schutz», wie sie so schön sagte. Die Frauen kommen mit mir in unser Auto, wollen sich das Innenleben anse- hen. Plötzlich nehmen sie ihre Eheringe ab und zeigen sie mir ganz stolz. Auch die Gra- vur. Auweia – ich weiss gar nicht, ob meiner auch graviert ist. Mein Herz klopft, denn ich befürchte, eine Inschrift würde meine Notlüge aufdecken. Aber mein Ring ist blank. Ein ganz einfacher Ring. Die Iranerinnen sind fast ein bisschen enttäuscht – zu wenig «Bling-Bling» konstatieren sie. Ich bin jedoch unglaublich erleichtert, als wir das Thema wechseln und ich keine weiteren Lügengeschichten mehr er- finden muss. Lebhaftes Treiben. Im Basar von Teheran. ç Bitte lächeln! Die iranische Jugend ist aufgeschlossen und posiert gerne. è Zwischenhalt. Die Autorin in einem Teehaus. aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Ver- schleierung zur Schau stellen können, sind Na- senkorrekturen sehr beliebt. Aber nicht nur so versuchen diejenigen Frauen, die nicht streng gläubig sind, aufzufallen. Highheels, Lippen- stift, Schmuck, knallige Farben, gefärbte Haare und Kopftücher, die nach hinten rutschen und so den Blick auf Haaransätze freigeben – das ist die Realität, vor allem in den Grossstädten. Dass es fast 40 Grad heiss ist, ist in der Me- tro schnell vergessen, hier läuft die Klimaanlage auf Hochtouren. Für mich ist unvorstellbar, wie es die Frauen in den Sommermonaten in ihren Tschadors aushalten – mir jedenfalls läuft der Schweiss in Strömen herunter. «Es ist eine Tor- tur für unsere Frauen», sagt Navid. Er ist in den letzten Tagen unser Freund geworden. Mit sei- ner lustigen, lockeren Art, seiner Höflichkeit und Schüchternheit, seiner Dankbarkeit und Traurigkeit berührt er mich sehr. Navid wartet schon lange auf sein Visum für Deutschland, denn er möchte in der Nähe von Aachen stu- Ruhe. «Ich habe nur ein Leben. Warum sollte Sittenpolizei und Gastfreundschaft. Auf dem dieren. Seine Freundin hat es bereits geschafft ich es aufs Spiel setzen?» Er will nach Deutsch- Weg zu «Baame Tehran» – oder auch «Dach und ist seit ein paar Monaten in Saarbrücken. land, ein neues Leben aufbauen, dort vielleicht von Teheran» – einem Berg im Norden der Alles, was mit Deutschland zusammenhängt, für immer bleiben. Stadt – passiere ich mit Daryaa und ihrer liebt er. Auf dem Desktop seines Computers er- Freundin Nasrin die Sittenpolizei. Männer und scheint ein Bild des Fussballspielers Schwein- Oh du schönes Teheran. Teheran ist die mo- Frauen, islamisch korrekt gekleidet, stehen am steiger. «Denkt ihr, es ist möglich, das Team von derne Hauptstadt des Iran und zählt 15 Millio- Strassenrand und werfen jedem Ankömmling Bayern München in Deutschland zu treffen?», nen Einwohner. Trotz Chaos und Hitze liebe kritische Blicke zu. Dass jemand wegen zu lo- fragt er. Wenn er in München ist, will er die ich diese Stadt. Drei Tage Aufenthalt sind ge- ckerer Kleidung eine Nacht im Gefängnis ver- Mannschaft unbedingt beim Training besuchen. plant – wir bleiben schlussendlich zehn. Beim bringen muss, ist keine Seltenheit. Die beiden Navid erzählt, dass er den Iran noch nie Schlendern über den Bazar lassen wir uns von Iranerinnen ziehen sich ihre Kopftücher etwas verlassen hat. Unsere Gespräche wechseln zwi- Teppichhändlern um den Finger wickeln, be- tiefer ins Gesicht, und ich blicke angespannt schen Themen wie unserem Musikgeschmack suchen die Imam-Khomeini-Moschee wäh- nach vorne. und der grünen Revolution von 2009. Navid rend des Freitagsgebets, bestaunen eine der vie- Bloss keinen Augenkontakt herstellen. Wir war dabei. Das Mädchen, das dort getötet und len Kunst- und Fotoausstellungen und trinken dürfen weiterfahren. Es macht den Anschein, zum Gesicht der Revolution wurde, war eine im Studentenviertel gemeinsam mit jungen Te- dass das Wort «kontrovers» aus dem Iran entfernte Bekannte von ihm. Navid glaubt heranern ein alkoholfreies Bier. Alkohol ist im stammt, denn dieses Land besteht aus zwei pa- nicht, dass es bald wieder zu Aufständen kom- Iran verboten. rallelen Welten. Die eine spielt sich vor und die men wird, denn die Menschen sind noch zu Eines Abends werden wir von einer irani- andere hinter der Haustür ab. Sobald die Tür sehr verletzt, und eigentlich will jeder nur seine schen Familie zum Picknick eingeladen. Da ins Schloss fällt, fällt in den meisten Häusern 53
ist wahrlich ein Erlebnis. Auch wenn es hier eigentlich «nichts» gibt, ändern sich die Land- schaftsbilder in der Kavir-Wüste doch enorm: von schroffen Berglandschafen über trockene Ebenen mit Büschen, zu trockenen buschlosen Flächen bis hin zur Sandwüste. Das Vehikel für die fast 500 Kilometer lange Fahrt muss selbst- verständlich fit sein, denn bis auf ein paar LKW und die eine oder andere Kamelherde kommt uns kaum jemand entgegen. Wir verbringen eine Nacht unter dem Sternenzelt und sind überwältigt. Unendliche Stille und das Univer- sum so nah. Unvergesslich. Da ich mich in der Wüste wie der einzige Mensch auf Erden fühle, lege ich den Schleier trotz der rigorosen Vorschriften ab. Das Tragen des Kopftuchs ist im Iran überall Pflicht. Die Strasse ist in beide Richtungen menschenleer, auch der Schleier. Es wird gelacht, getrunken und Musik gehört. Nicht wenige führen hinter verschlossenen Türen ein Leben wie wir im Westen. Beim halbstündigen Spaziergang zur Spitze des kleinen Berges, wo sich ein beliebter Treff- punkt für junge Teheraner befindet, ist die Sit- tenpolizei vergessen und die Stimmung wieder gelöster. Die Aussicht von oben ist grandios, besonders bei Nacht. Als wir uns an einem der vielen Essens- stände ein Stück Pizza holen, wird das Ver- ständnis der Gastfreundschaft wie so oft deut- lich: «Ihr seid meine Gäste», versichert Daryaa und zahlt. So sehr ich mich auch anstrenge, Daryaa lässt nicht zu, dass ich selbst bezahle. Mit den wenigen Touristen, die den Iran berei- sen, sind wir uns stets einig: Die Gastfreund- schaft in diesem Land ist überwältigend. So ausgeprägt haben wir das auf unserer bisheri- gen Reise noch nirgends erlebt. Sicherlich wäre es möglich, einige Wochen als Tourist durch dieses wunderbare Land zu reisen, ohne jemals in einem Hotel unterkommen zu müssen. Vor allem Touristen, die den kleine Windböen wirbeln Sand in die Iran mit dem Fahrrad oder per An- Luft, Stille umgibt uns. Doch plötz- halter erkunden, berichten von un- lich taucht ein Polizeiauto mit zwei zähligen Einladungen, die ihnen ge- Polizisten auf. «Wir sind im Iran. genüber ausgesprochen wurden. Bitte bedecken Sie Haare und Kör- Wild campen ist in vielen Regionen per!» Und das mitten in der Wüste auch kein Problem. Bis auf das Gebiet bei 50 Grad. Skurril. Für Touristin- Belutschistan im Südosten ist der nen wie mich bleibt es gewöhnlich Iran derzeit ein sicheres Reiseland. bei einer Verwarnung. Die Polizisten Natürlich muss die aktuelle Sicher- düsen mit einem Augenzwinkern da- heitslage vor jeder Reise abgeklärt von, und ich bin unglaublich erleich- werden. tert. Wüstendurchquerung. Der Iran hat 1001 Nacht in Isfahan. Wieder in der zwei Wüsten. Die Dasht-e Kavir im Zivilisation angelangt, erwartet uns Norden und die Dasht-e Lut im Sü- Isfahan, die Perle Persiens. Im Gegen- den. In Semnan – zirka 200 Kilome- ééé Bezaubernd. Die jungen Iranerinnen sind satz zu Teheran ist die Stadt klein, ter östlich von Teheran – starten wir die Durch- stets gut gekleidet und geschmackvoll gestylt. überschaubar, sauber und touristisch. Hier querung der Dasht-e Kavir. Zuerst fahren wir éé Vermeintliche Freiheit. Ohne Schleier in komme ich mir wahrhaftig vor wie in den Er- in Richtung Mo’alleman und dann weiter nach der Wüste. Doch nichts bleibt unbemerkt... zählungen aus 1001 Nacht: Moscheen, Märkte, Nain. Die Strasse ist meist gut geteert und zwei- Abendstimmung. Während der Durchque- Parkanlagen, historische Hotels und Restau- rung der Wüste Dasht-e Kavir. spurig. Vierradantrieb ist nicht nötig. Von ei- rants – alles ist wunderschön und gepflegt. Rie- nem Ende der Wüste zum anderen zu reisen sige Kuppeln und Säulen mit stilvollen Mosaik 54
iran verzierungen ziehen uns immer wieder in ihren der Innenhöfe des Bazars und ge- Bann. Die Einwohner Isfahans erscheinen mir niessen verschiedene Fleischspiesse noch schicker als die restlichen Iraner. mit Reis, dazu Joghurt, Salate und Der Imam-Platz hat abends besonderes Nan – iranisches Fladenbrot. Mein Flair: Ein grosser Brunnen in der Mitte, flan- Leibgericht hier heisst «Mirza Gha- kiert von der atemberaubenden Imam-Mo- semi» – zerdrückte Auberginen mit schee, kleine Grünflächen, das Hufgeklapper Tomaten, Eiern und viel Knob- der Pferdekutschen, Lichter ringsum und jede lauch. Selbst wem nicht nach Essen Menge Iraner beim Picknicken. Tagsüber er- ist, sollte hier zumindest auf ein scheint der Platz menschenleer, abends Glas Schwarztee und ein paar Dat- herrscht jedoch viel Trubel. Die Imam-Mo- teln vorbeischauen. schee ist laut etlicher Reiseführer eine der schönsten Moscheen der Welt. Daran zweifle Persische Höflichkeit. «Sind Sie ich nicht, denn sie ist durchaus ein Meister- aus Deutschland?», fragt uns der werk. Allerdings nicht das Einzige. Sehenswert Taxifahrer auf dem Weg vom So- sind auch die Hakim- und die Jameh-Moschee. nati zurück ins Hotel. Ahmed er- Für ein Mittagsschläfchen ist der Park südwest- zählt in gebrochenem Deutsch, éé Mach mal Pause. Vor diesem geschlos- lich des Imam-Platzes ideal. Dort strecken wir dass sein Bruder in Düsseldorf lebt. Auch er senen Geschäft sitzt sichs gemütlich. uns im Gras unter einem der vielen Bäume aus würde gerne nach Deutschland reisen, hat aber Prachtbau. Imam-Moschee in Isfahan. und schauen den Menschen bei ihrer Lieblings- bis jetzt kein Visum bekommen. «Die denken, beschäftigung zu – dem Picknicken. Oder wir ich gehöre der Hisbollah an, ich sei ein Terro- nizieren, ist für uns normalerweise kein Prob- entspannen uns im Teehaus am Ufer des Zayan- rist!», sagt er lachend. Beim Aussteigen hält er lem. Hier ist das anders. Sehr oft ernten wir ein deh-Flusses. ein schmales Buch in die Höhe mit dem Titel «Was? Ich verstehe nicht!». Auch haben die Ira- Wer auch beim Abendessen vom Zauber «Die 10 besten Haushaltstipps» – seine Deutsch- ner keine Hemmungen, fröhlich auf Farsi los- Isfahans noch nicht genug hat, geht ins Sofreh lektüre. zulegen. Selbst wenn wir ankündigen, kein Khane Sonati am Imam-Platz. Im Schneidersitz Iranische Taxifahrer halten nicht nur lie- Farsi zu sprechen, spricht unser Gegenüber zu essen, mag nicht jedermanns Sache sein, je- bend gerne einen Plausch, sondern sprechen dennoch in seiner Muttersprache, einfach et- doch ist das «Takht» – das Podium, auf welchem oftmals unverzüglich eine Essenseinladung aus. was langsamer und lauter. gespeist wird – Tradition und erhöht zudem die Auch wenn die Verständigung häufig schwer Bei der nächsten Taxifahrt lädt uns Nasser 1001-Nacht-Atmosphäre. Durch die farben- fällt, ist die Geste der Nahrungsaufnahme doch zum Essen ein. Wir freuen uns, endlich die ira- prächtigen Fensterläden blicken wir auf einen recht klar. Mit Händen und Füssen zu kommu- nische Hausmannskost kennenlernen zu dür- winter 2014 GLOBETROTTER-MAGAZIN 55
fen, und nehmen dankend an. Bei der Verab- schiedung wollen wir uns für den Abend fest verabreden und unsere Nummern austauschen. Aber Nasser ruft freundlich lächelnd «Ich wün- sche euch einen schönen Tag» durch die halb geöffnete Fensterscheibe und gibt Gas. «Wie bitte? Haben wir die Einladung zum Essen etwa falsch interpretiert?» Nein, haben wir nicht. Doch wir haben uns nicht an die Regeln von «Taarof» gehalten. Die Erklärung für diese Höflichkeitsfloskel ist in den meisten Reiseführern zu finden. In- formiert man sich vor der Reise, dann wundert man sich auch nicht, wenn der Taxifahrer bei der Frage nach den Fahrtkosten mit vehemen- ter Geste abwinkt. Denn auch das ist «Taarof». Das bedeutet keineswegs, dass er kein Geld will. Er will es – nimmt es aber erst nach zwei- bis Geselliges Isfahan. Auf dem Imam-Platz. rius errichtet, stellte Persepolis das ç Begegnung. Zwei Iraner bei einer LKW- religiöse und kulturelle Machtzen- Haltestelle in der Wüste Dasht-e Kavir. trum des persischen Reiches dar. Eine breite Strasse führt zum die Namen der grossen persischen Poeten. Das Eingang des antiken Palastes. Ich Mausoleum von Hafis wird jeden Abend zum schliesse die Augen und stelle mir Pilgerort. Unzählige Leute möchten den stei- vor, wie Alexanders Truppen dort nernen Sarg bestaunen. Ich geniesse es, einfach einmarschiert sind. Pferdegewie- nur auf einer Bank unter Orangenbäumen zu her, Menschengeschrei, Hitze, sitzen und den Gedichten aus den Lautspre- Staub, Aufregung, Angst. Heute ist chern lauschen. Ach, verstünde ich nur Farsi! Persepolis eine Touristenattrak- Auf der Bank neben mir sitzt ein alter einhei- tion, auch bekannt aus dem gleich- mischer Mann mit grauem Haar, leicht ge- namigen französischen Zeichen- krümmtem Kreuz, weissem Hemd und Hosen- trickfilm aus dem Jahr 2007. Allzu trägern. Er blickt ins Leere und horcht. Ein viel ist nicht mehr übrig von Per- schönes und trauriges Bild zugleich. sepolis, allerdings ist das Wenige von solcher Präzision und Schön- «Can I talk to you?» Rund um den Hauptplatz heit, dass es uns staunen lässt. in Schiras tänzeln die Einheimischen ständig Auch wenn ich mir Persepolis ein- um uns herum. Ich übertreibe nicht – jeder will drücklicher und besser erhalten Kontakt mit uns aufnehmen. Manchmal erwi- sche ich mich beim typischen dreimaligem Anbieten an. Nach dem Motto: Deutschsein. «Was will der von ARMENIEN ASERBAIDSCHAN «Ich habe es zwar nicht nötig, aber gut, dann IR A N mir? Bestimmt wittert er ein Ge- TURKMENISTAN nehme ich es halt.» Kaspisches schäft – oder will womöglich so- Meer Auf ähnliche Weise verhält es sich auch mit TÜRKEI gar klauen.» Dies ist natürlich Essenseinladungen. Iraner stehen für ihre Gast- nicht der Fall. Die Leute wollen Teheran freundlichkeit und laden einen auch ein, wenn Semnan Dasht-e Kavir Englisch üben und mehr über sie es sich vielleicht gar nicht leisten können. unser Herkunftsland erfahren. Als Eingeladener muss man dem Gastgeber laut Isfahan AFGHANI- STAN Persönliche Fragen wie «Seit IRAK «Taarof» die Möglichkeit geben, sich noch zu- Dasht-e Lut wann seid ihr verheiratet? Wart SAUDI- rückziehen zu können. Deswegen gewöhnen ARABIEN Persepolis ihr davor schon verliebt? Habt wir uns an, jede Einladung mindestens zweimal Shiraz Bam ihr Kinder? Warum nicht? Aus PAKISTAN mit «nein danke» zu beantworten. Besteht der welcher Stadt kommt ihr? Wie Gastgeber dann immer noch darauf, uns ein- Persischer Golf ist es da? Was denkt ihr über den zuladen, meint er es wirklich ernst. Iran?», folgen oft rasch aufein- VAE OMAN Golf von Oman ander. Ich komme kaum zum Reise in die Vergangenheit. Es gibt vermut- Antworten. lich nur einen Ort im Iran, an dem sich mehr Fast zwei Stunden lang un- Touristen aufhalten als in Isfahan – und der vorgestellt habe, bin ich doch sehr beeindruckt. terhalten wir uns mit einem 19-jährigen afgha- heisst Persepolis. Die Ruinen von Persepolis, In mir breitet sich eine tiefe Ehrfurcht gegen- nisch-iranischen und einem 29-jährigen irani- die 50 Kilometer nordöstlich von Schiras lie- über diesem historischen Ort aus. schen Studenten. Vor allem das Finden einer gen, sind der Inbegriff des persischen Reiches. In Schiras befinden sich die Mausoleen der passenden Ehefrau ist für die beiden ein essen- Bevor Alexander der Grosse die Palastanlage Dichter Hafis und Saadi. Neben dem Koran hat zielles Thema. Sie gestehen uns, andauernd an 330 v. Chr. von seinen Truppen zu Boden reis angeblich jeder Iraner ein Buch von Hafis in Mädchen denken zu müssen, denn sie seien ja sen liess, war sie das Juwel des Orients und der seinem Haus. Gedichte sind ein wichtiger Be- immer von ihnen getrennt. «Meine Mutter ganze Stolz der Perser. 200 Jahre vor Alexan standteil im Leben der Iraner. Hafis, Saadi, Fir- wird die richtige Frau für mich finden», erklärt ders Angriff von dem Achämenidenkönig Da- dausi, Rumi und Omar Chayyam – das sind der Ältere der beiden. Seine Frau soll wie eine 56 GLOBETROTTER-MAGAZIN winter 2014
iran delle «Arg-e Bam», wurde dabei fast komplett zerstört. Die grösste Lehmstadt der Welt zerfiel innerhalb weniger Sekunden zu Staub. Nach fast neun Jahren ist Bam aus den Ruinen auferstan- den, und ein grosser Teil des «Arg-e Bam» steht wieder. Der Charme einer 2000 Jahre alten Ru- Arg e-Bam. Ruine der Zitadelle in Bam. ì Autorenpaar. Schreiberin Katharina Pichler und Fotograf Felix Hoch. è Akbar. Die gute Seele von Bam. beste Freundin sein und am liebsten aus seinem Dorf kommen. So kann er sicher sein, dass sie beide auf einer Wellenlänge sind. Ausserdem möchte er gerne nach Australien auswandern. Als ich ihm zum Abschied die Hand reiche, weicht er irri- tiert vor mir zurück: «Händeschütteln mit Frauen ist für uns nicht üblich.» Ich bin verunsichert und leicht beschämt. Auf ine ging beim Wiederaufbau der Zitadelle leider mein Nachfragen erklären sie mir, dass verloren, sie ist aber immer noch atemberau- dieses Verhalten als eine Geste des Res- bend und absolut sehenswert. pekts meinem Partner gegenüber verstanden jedoch noch Platz angeboten. Von streng mus- Neben der Besichtigung der Ruinen gibt es wird. limischen Männern werde ich häufig ignoriert, noch ein weiteres Muss in Bam: Akbar's Guest meine Fragen werden nicht beantwortet, selbst House. Der Besitzer Akbar erscheint wie ein Vorurteile adé. Der Iran ist für mich wie für wenn – oder wohl eben gerade weil – ich sie Zauberer aus dem Film Harry Potter, der einem Felix eine andere Welt: Islam, Kopftuchpflicht, direkt anspreche. Mein Reisealltag in diesem ständig tolle Weisheiten zuflüstert. Er hat beim kontrollierte Medien und dadurch Isolation Land wäre eine deutlich grössere Herausforde- Erdbeben 81 Familienmitglieder und Freunde von der Aussenwelt, streng muslimische Ver- rung geworden, wäre ich ohne Felix unterwegs: verloren und danach alles von Neuem aufgebaut. haltensweisen, Alkoholverbot. All das erschien Ich würde viel mehr Zeit für das Suchen nach Er strotzt nicht nur von unbändiger Willens- uns im Vorfeld unserer Reise fremd und mach- Unterkünften, Finden von Wegen, Sehenswür- kraft, sondern besitzt auch einen erfrischenden te uns auch ein bisschen Angst. Zudem hat man digkeiten und Supermärkten benötigen. Humor. «Ich bin aus Kalifornien», sagt er in aufgrund der medialen Berichterstattung ne- überzeugendem Englisch bei der Begrüssung. gative Bilder im Kopf, wenn man an den Iran Starkes Bam. Die letzte Station auf der Reise Bis sein verschmitztes Lächeln aufblitzt, glauben denkt. Doch bereits in den ersten Tagen unse- durch den Iran ist die Wüstenstadt Bam am süd- wir das auch. Schnell lernen wir, dass Akbar res Aufenthaltes lösten sich alle falschen Vor- lichen Zipfel der Wüste Dasht-e Lut. Zuerst ste- nicht immer alles ernst meint. stellungen und Unsicherheiten in Luft auf. chen uns die zahlreichen Dattelpalmen ins Auge, Sein ganzer Stolz sind seine Gästebücher der Noch nie habe ich so viel Gastfreundschaft er- denn von hier wird ein grosser Teil der berühm- letzten Jahrzehnte, die er bei dem Erdbeben fahren, noch nie so viel Offenheit und Neugier- ten iranischen Datteln exportiert. Die Bamis glücklicherweise retten konnte. Er hat sie sozu- de. Noch nie hat mich ein ganzes Volk so sehr sprechen den Datteln sogar potenzsteigernde sagen in letzter Sekunde aus den Trümmern berührt. Kräfte zu. Die Früchte sind sehr nahrhaft und gezogen. Als ich die Seiten mit all den Fotos und © Globetrotter Club, Bern Und doch bin ich froh, mit meinem Partner unglaublich köstlich. Zwischen den Palmen und Einträgen von Menschen unterschiedlichster unterwegs zu sein. Als allein reisende Frau eine Häusern erkennen wir die Überreste der Katas- Nationen durchblättere, steigt die Vorfreude auf Unterkunft zu finden, wäre bestimmt nicht im- trophe, welche Bam 2003 heimsuchte. An einem neue Reiseerlebnisse und Begegnungen. Und mer einfach. Von anderen Reisenden erfahren frühen Morgen im Dezember erschütterte ein Akbar, die gute Seele, strahlt so viel Zuversicht wir, dass manchmal keine Zimmer mehr frei Erdbeben der Stärke 6,8 die kleine Stadt. Inner- aus, dass die Weiterreise nur gut kommen kann. sind, wenn eine allein reisende Frau in einem halb weniger Sekunden starben mehr als 30 000 Inschallah – so Gott will. Hotel ankommt – Männern oder Paaren wird Bamis. Auch das Wahrzeichen Bams, die Zita- katharina_pichler@hotmail.com 57
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