MMAMMA ein altes Problem neu angepackt - Vortragsunterlagen PD Dr. Nicole Kemper PIC -Tierärzteveranstaltungen Februar 2010

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MMA
                      –
ein altes Problem neu angepackt

          Vortragsunterlagen

  PIC –Tierärzteveranstaltungen Februar 2010

         PD Dr. Nicole Kemper
    Institut für Tierzucht und Tierhaltung
   Christian‐Albrechts‐Universität zu Kiel
Einleitung
MMA?

Ö seit den 1960er Jahren weltweit bekanntes Krankheitsbild
Ö Prävalenz 6,9% bis 38,4% (Bäckström et al. 1984, Krieter & Presuhn 2009)
Ö Diskussion um Begriff

 Agalactia toxemica, A. complex, A. post         (Ringarp 1960, Penny 1970, Hermansson et al. 1978 )
 partum
 Coliform Mastitis (CM)                                               (Bertschinger & Pohlenz 1980)

 Lactation Failure (LF)                                                      (Elmore & Martin 1986)

 Periparturient Hypogalactia Syndrome (PHS)                                             (Smith 1992)

 Postpartum Dysgalactia Syndrome (PPDS)                                          (Klopfenstein 1999)

 Puerperal Septicaemia and Toxaemia                                    (Bostedt 1998, Heinritzi 1999)
Einleitung
MMA?
                     bedingt durch Mastitis

  Mastitis                Metritis            Agalaktie

                         oft nicht               eher
                        vorhanden             Dysgalaktie
 Leitsymptom

               coliforme Mastitis (CM)
Einleitung
Wirtschaftlicher Schaden

  Ö Ferkelverluste bei betroffenen Sauen 5% höher

  Ö Verminderung der Wurfgröße im Folgewurf um 0,36
  lebend
     geborene Ferkel

  Ö Verringerung der Lebensleistung um nahezu einen Wurf

  Ö geringere Zunahmen der Saugferkel um 3,5%

                                        (Hühn & Rehbock 1999; Hoy 2003)
Krankheitsbild
Krankheitsbild Sau
Ö Reduktion der Milchleistung, veränderte Milch
Ö gestörtes Allgemeinbefinden, Fieber
Ö fehlender Mutterinstinkt
Ö Mastitis: einzelne oder mehrere Striche, unterschiedliche
   Lokalisation
Ö hohe Regenerationsfähigkeit von einer Laktation zur nächsten
Ö meist akut
Auswirkungen Ferkel
Ö   Hunger und Abmagerung
Ö   Aufnahme anderer Flüssigkeiten, Durchfall
Ö   Lethargie
Ö   Sekundärinfektionen
Diagnose
Schnelle Diagnose zur sofortigen Therapie‐Einleitung!

Ö Diagnose im Betrieb über Messung der Rektaltemperatur
Ö tägliche Temperatur‐Messung in den ersten drei Tagen nach
  der Geburt

Nutzen der Temperaturbestimmung
Ö Rektaltemperatur korreliert mit Körperkerntemperatur

Aber:
Ö physiologische Hyperthermie innerhalb 12 h p. p. möglich!
  v.a. bei Jungsauen
Ö Mastitis kann auch ohne Fieber auftreten
Diagnose
Nutzen der Temperaturbestimmung
Ö Merkmalsdefinition Mastitis daher:
       Körpertemperatur > 39,5°C innerhalb 12 ‐ 24 h p.p.
       + Gesäugeveränderungen (Rötung, Schwellung etc.)
       + auffälliges Sauen‐ und Ferkelverhalten*
Ö in praxi zu beachten, um falsch positive Tiere zu
vermeiden!
*auffälliges Verhalten
Ö Sau: Bauch‐Brust‐Lage, Futteraufnahme Ø, Allgemeinbefinden
Ø
Ö Ferkel: Unruhe, schlechter Ernährungszustand, Schlafen am
       Gesäuge, Auseinanderwachsen des Wurfes
Diagnose
Alternative Diagnostik

Ö Zellzahlbestimmung: >5x106 Zellen/ml (Bertschinger& Bühlmann 1990)
                     >10x106 Zellen/ml (Persson et al. 1996)
Ö pH‐Wert Milch:          >6,7 (Waldmann & Wendt 2001)

Ö Akute‐Phase‐Proteine: Haptoglobin, α1‐acid‐glycoprotein
Ö Interleukine: IL‐1ß, IL‐6, IL‐8, TNFα
Ö Kolostrum MMA‐erkrankter Sauen: Lactose×, ProteinØ,
Na+Ø
                            (Gooneratne et al. 1982; Zhu et al. 2007; Mirko & Bilkei 2004)
Einflussfaktoren
Multifaktorielles Geschehen

       Hormone
Einflussfaktoren
Hygiene: MMA ×
Ö bei Temperaturschwankungen und Zugluft
Ö mangelnde Hygiene allgemein
Ö ständige Belegung der Buchten
Ö bei Sauen in Freilandhaltung: MMA Ø

Management: MMA ×
Ö neu aufgebaute Bestände
Ö Bewegungsmangel
Ö Trächtigkeitsdauer >116 Tage
Ö Geburtsablauf, ‐hilfe, ‐traumata
Einflussfaktoren
Fütterung: MMA ×
Ö bei Verstopfung
Ö bei übergewichtigen Sauen
Ö Mangelfütterung: Blutzucker‐ und Blutcalciumspiegel Ø
Ö Futterwechsel (Wechsel Trage‐ zu Laktationsfutter!)
Ö zu alkalische Futterzusammensetzung?
Ö unzureichende Wasserversorgung

Alter der Sau: MMA ×
Ö bei Jungsauen
Einflussfaktoren
Hormonelle Steuerung
Ö Prolactin von entscheidender Bedeutung
Ö Prädisposition für MMA bei Sauen mit
    Östradiol ×, Kortisol ×, Prolactin Ø, Thyroxin Ø(Smith & Wagner 1985)

Genetik: MMA ×
Ö bei Tieren mit großer Muskelfülle
Ö Hypotonie der glatten Muskulatur?
Ö Heritabilität 10% (Berg et al. 2001; Lingaas et al. 1991)
Mykotoxine
Einflussfaktoren
Milchentzug

Ö ‚Restauranthypothese‘: nur Milch, die abgerufen wird,
  wird auch nachproduziert
Ö Voraussetzung: vitale Ferkel

                        Milchmangel

    Milchproduktion                Ferkel geschwächt
           Ø

                       Milchentzug Ø
Einflussfaktoren
Bakterielle Erreger
Ö v. a. Enterobacteriaceae

Ö aufsteigend über Zitzen (Umwelt und Ferkel)
Ö endogen nach Obstipation
Einflussfaktoren
Bakterielle Erreger ‐ Endotoxine
Ö Lipopolysaccharide (LPS) aus der Zellwand gramnegativer
   Bakterien

Ö Verschlechterung des Allgemeinzustands

Ö Einfluss auf Hormonhaushalt

                      LPS

        Prolactin Ø

                                 Milchleistung Ø
Einflussfaktoren

Untersuchungen an CAU Kiel: bisher keine signifikanten
Unterschiede im Erregervorkommen!

Ö Rolle der bakteriellen Erreger überschätzt?

   Tierindividuelle Disposition?

   Genotypisierung

   Virulenzeigenschaften der bakteriellen Erreger?

   Erregercharakterisierung über die Spezies‐Ebene hinaus,
   v.a. von Escherichia coli
Prophylaxe
Hygiene

Ö strikte Rein‐Raus‐Belegung
Ö gründliche Reinigung und Desinfektion
Ö ggf. Überprüfung der Desinfektion
Ö Waschen der Sau vor dem Einstallen
Ö gute Geburtshygiene
Ö Entfernen von Nachgeburtsteilen und
  totgeborenen Ferkeln
Prophylaxe
Management

Ö gute Jungsauen‐Eingliederung
Ö rechtzeitiges Verbringen in Abferkelstall
Ö bei Tragezeiten >115 Tagen: Geburt einleiten
Ö Temperaturschwankungen vermeiden
Ö optimales Umfeld für Ferkel schaffen
Ö Dokumentation und Selektion
Prophylaxe
Fütterung

Ö vorausschauend planen: Konditionsfütterung der tragenden Sau
Ö ausreichend hoher Rohfasergehalt im Futter:
  Trockenschnitzel, Weizenkleie (Mykotoxine!), Heu, Sojaschalen,
  industriell hergestellte Rohfaserträger…
Ö unbegrenztes Frischwasser
Ö Futtermenge vor Geburt reduzieren?
Ö nach Geburt gemäßigte Anfütterung
Behandlung

Antibiotika
Ö am besten nach Erregertypisierung
Ö Resistenzentwicklung ‐ Antibiogramm
Ö Pharmakokinetik berücksichtigen: Anreicherung in Gesäuge
Ö bei Abtötung der gram‐negativen Keime: Endotoxin‐
Freisetzung!

Entzündungshemmer
Ö   wirken Endotoxinen entgegen
Ö   schmerzstillend
Ö   Sau lässt Ferkel schneller säugen
Ö   Aspekte des Tierschutzes!
Behandlung
Sonstiges

Ö Oxytocin zur Stimulation des Milchflusses
Ö Digestiva zur Normalisierung der Verdauung

Ferkel‐Versorgung

Ö Gabe von Kolostrum und Milch
Ö Amme
Ö warmes Nest, Zugluft vermeiden
Zusammenfassung
Neue Ansätze ‐ offene Fragen
Ö Rolle der bakteriellen Erreger?
Ö Rolle der Endotoxine?
Ö Pathomechanismen?
Ö Berücksichtigung der Genetik
Zusammenfassung
Neue Ansätze ‐ konkrete Empfehlungen

Ö MMA‐Diagnose: 12‐24 h p.p. >39,5°C + Adspektion Gesäuge
Ö genauere Erfassung ‐ schnellere, gezielte Behandlung
Ö Hygiene ‐ Hygiene ‐ Hygiene
Ö alles für vitale Ferkel tun (‚Restaurant‐Hypothese‘)

      ganzheitlicher Ansatz mit langfristigen Planungen
      (Fütterung, Gruppenzusammenstellung…)
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