MOBILITÄT FÜR ALLE IM LÄNDLICHEN RAUM - Inspirationen des MAMBA-Projekts www.mambaproject.eu - Mamba ...

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MOBILITÄT
FÜR ALLE
IM LÄNDLICHEN
RAUM

Inspirationen des MAMBA-Projekts

www.mambaproject.eu
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MOBILITÄT
FÜR ALLE
IM LÄNDLICHEN
RAUM
Inspirationen des MAMBA-Projekts

Von Julia Dick, Ralf Brand, Kristin Tovaas, Rupprecht Consult GmbH
MOBILITÄT FÜR ALLE IM LÄNDLICHEN RAUM - Inspirationen des MAMBA-Projekts www.mambaproject.eu - Mamba ...
Mobilität für alle im ländlichen Raum:                       Lektorat: Tam McTurk, Citadel Translations
Inspirationen des MAMBA-Projekts                             Übersetzung: Heike Demme, Certrans GmbH

Zitierweise: Dick, J., Brand, R., Tovaas, K. (2020).         Layout: Agnes Stenqvist Design
Mobilität für alle im ländlichen Raum: Inspirierende Lö-
sungen von MAMBA. Stockholm: Nordregio.                      Titelbild: Charles Lamb/Unsplash

Verfasser: Julia Dick, Ralf Brand, Kristin Tovaas,           Haftungsausschluss: Die in dieser Publikation geäußer-
Rupprecht Consult – Forschung & Beratung GmbH.               ten Ansichten liegen in der alleinigen Verantwortung
                                                             der genannten Verfasser und spiegeln nicht unbedingt
Mitwirkende Autoren: Sandra Brigsa (VUAS), Janis             die Ansichten der Europäischen Kommission oder des
Bikshe (VUAS), Åsa Ström Hildestrand (Nordregio),            Interreg-Sekretariats wider.
Pasi Lamminluoto (Pohjois-Karjalan liitto), Andris
Lapans (VUAS), Marianne Pedersen (NaboGo), Annika            © Copyright – Urheberrechtshinweis: Alle Bilder und
Schmiedek-Inselmann (Diakonie Schleswig-Holstein)            Textelemente in dieser Publikation, für die eine Quelle
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wurden: Nordregio (Vorstudie zu sozio-kulturellen De-        zu einer umfassenden Verwendung dieses Leitfadens
terminanten innovativer ländlicher Mobilitätslösungen),      ermutigen. Dieses Dokument darf kostenlos verwendet,
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Vorstudie zu rechtlichen Determinanten innovati-             werden, vorausgesetzt, dass (a) die Quelle mit der oben
ver ländlicher Mobilitätslösungen), Fachhochschule           angegebenen Zitierweise angegeben wird und (b) die
Vidzeme (Livland) (Vorstudie zu sozio-ökonomischen           Verwendung des weiterverbreiteten Materials kostenlos
Determinanten ländlicher Mobilitätslösungen) und             ist. Die gewerbliche Nutzung dieses Dokuments sowie
Fachhochschule Kiel (Vorstudie zu Mobilitätszentrums-        Änderungen seines Inhalts sind nur mit ausdrücklicher
modellen). Alle vier Dokumente stehen unter: www.            Genehmigung der Urheberrechtsinhaber gestattet. Die
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                                                             – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitung 4.0 Internatio-
Mitwirkende Autoren (in alphabetischer Reihenfolge):         nal). Der offizielle Text der Lizenz ist verfügbar unter:
Tanja Aronsen, Maciej Bereda, Sandra Brigsa, Aleksand-       https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/
ra Chrystowska-O'Shea, Sylwia Hudziec, Pasi Lammin-          legalcode.
luoto, Jani Palomäki, Marianne Pedersen, Sami Perälä,
Christoffer Pettersson-Hernestig, Anna Plichta-Kotas,        Kontakt:
Līga Puriņa-Purīte, Nicole Rönnspieß, Annika Schmie-         Diakonie Schleswig-Holstein (MAMBA-Leadpartner),
dek-Inselmann, Beatrice Siemons, Päivi Tuisku, Hakan         Nicole Rönnspieß: roennspiess@diakonie-sh.de
Uraz, Sanna Valkosalo, Jasmin Weissbrodt.                    www.mambaproject.eu
Peer-Reviewer: Doris Scheer, Diakonie Schleswig-
Holstein; Hakan Uraz und Jakob Marcks, REM Consult

MAMBA – Maximising Mobility and Accessibility in Regions Affected by Demographic Change (Verbesserung der Mo-
bilität und des Zugangs zu Dienstleistungen in vom demografischen Wandel betroffenen Regionen) ist ein mit Mitteln
aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Rahmen des INTERREG B-Ostseeprogramms
2013-2020 gefördertes Projekt. Der Inhalt des Berichts gibt die Meinung des Verfassers/Partners wieder. Weder die
Europäische Kommission noch die Verwaltungsbehörde/das Programmsekretariat haften für die Verwendung der
darin enthaltenen Informationen. Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt und Eigentum ihrer jeweiligen Inhaber.

Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen
Hauptwörtern die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grund-
sätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

4    Mobilität für alle im ländlichen Raum
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Inhalt
Herzlich willkommen                                                                         6
Vorwort		                                                                                   7
1. Einleitung                                                                               8
2. Erkennen Sie die Herausforderung und nehmen Sie sie an!                                 10
3. Berücksichtigen Sie den lokalen Kontext!                                                14
   3.1.   Nutzen Sie Ihre vorhandenen Ressourcen!                                          14
   3.2.   Bauen Sie auf bestehenden Strukturen auf!                                        16
   3.3.   Beachten Sie die Rechtsvorschriften!                                             18

4. Lassen Sie sich von diesen innovativen Mobilitätslösungen
   inspirieren!                                                                            20
   4.1.   Zentrum für digitale Mobilität in Nordkarelien, Finnland                         20
   4.2.   Transport-on-Demand-Dienst in der Planungsregion Vidzeme (Livland), Lettland     23
   4.3.   Mobilitätslösungen in Bielsko, Polen                                             28
   4.3.1. Transport-on-Demand-Dienst in Bielsko, Polen                                     29
   4.3.2. Nicht-kommerzielle Fahrgemeinschaften in Bielsko-Biała, Polen                    31
   4.4.   Regionale Mobilitätszentrale und ländliches Carsharing im Landkreis Cuxhaven,
          Deutschland                                                                      32
   4.5.   Anruf-Linien-Fahrten (ALFA) und interaktive Karte in Plön                        37
   4.6.   Kreative Lösungen für Mobilität und den Zugang zu Dienstleistungen in
          Trelleborg, Schweden                                                             40
   4.6.1. Diskussionsplattform zum Thema Mobilität                                         41
   4.6.2. Co-Working Space „Kontorskafé“ und digitales Mobilitätszentrum                   43
   4.6.3. Bustransport für ältere Menschen                                                 44
   4.7.   Fahrgemeinschafts-App in Vejle, Dänemark                                         47
   4.8.   Service-to-People-Lösung auf der Hallig Hooge                                    50
   4.9.   Regionale Lenkungsgruppe für Mobilitätsdienste in Südostbottnien, Finnland       54

Schlussfolgerung                                                                           55
Weitere Informationen und Fußnoten                                                         58

Abbildungen:
Abbildung 1: Teufelskreis der in der Abwanderung befindlichen ländlichen Gebiete            11
Abbildung 2: Schematische Darstellung des Modells des Mobilitätszentrums Südostbottnien 55

                                                                                   MAMBA     5
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Herzlich Willkommen!

Dieses Dokument stellt die innovativen Mobi-     nen MAMBA-Lösungen. Die Akteure vor Ort
litätslösungen vor, die im Rahmen des MAM-       sind die Reiseleiter. Sie nehmen den Leser an
BA-Projekts entwickelt und umgesetzt wur-        die Hand, tauschen Erfahrungen aus, spre-
den. Jede Lösung ist einzigartig, weil sie die   chen über die verschiedenen Herausforderun-
Chancen und Möglichkeiten des einzigartigen      gen, stellen andere Mitglieder ihre Bündnisse
lokalen Kontexts in der Region nutzt. Infol-     vor und präsentieren die Lösungen, die sie
gedessen hat jede einzelne Maßnahme ihre         entdeckt haben. Wir möchten uns bei allen,
eigene Geschichte, die in diesem Dokument        die zu diesem wichtigen Dokument beigetra-
vorgestellt wird. Die Erfahrungen werden auf     gen haben, ganz herzlich bedanken. Wir hof-
unterschiedliche Art und Weise vorgestellt.      fen, dass es andere inspirieren wird, die ähn-
Darin spiegeln sich die verschiedenen Men-       liche Ziele verfolgen. Also Menschen, die die
schen wider, die tatsächlich vor Ort daran       Mobilitätssituation in ihrer ländlichen Region
gearbeitet haben, die Mobilität und den Zu-      durch neue Partnerschaften, durch intelli-
gang zu Dienstleistungen im ländlichen Raum      gente Ideen und durch viel Engagement zum
zu fördern. Dieses Dokument nimm den Leser       Wohle aller, die in den schönen ländlichen Ge-
bewusst mit auf eine Reise zu den verschiede-    bieten Europas leben, verbessern möchten.

Quelle: Taneli-Lahtinen/Unsplash

6    Mobilität für alle im ländlichen Raum
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Vorwort                                                nannte People-to-Service-Lösungen, und bei ande-
                                                       ren werden die Dienstleistungen zu den Menschen
                                                       gebracht, sogenannte Service-to-People-Lösun-
                                                       gen. Darüber hinaus wurden so genannte Mobili-
                                                       tätszentren eingerichtet – digital und tatsächlich-,
                                                       um Informationen und Dienstleistungen zu ver-
                                                       schiedenen Arten des Nahverkehrs zu bündeln und
Als Leadpartner von MAMBA sind wir überzeugt:
                                                       zu integrieren, um den Menschen den Zugang zu
Für einen starken, nachhaltigen gesellschaftlichen
                                                       Mobilität und sozialen Gütern zu erleichtern. Alle
Zusammenhalt brauchen wir ein soziales Europa,
                                                       MAMBA-Gebiete kämpfen mit typischen Heraus-
das allen Menschen, insbesondere den Angehöri-
                                                       forderungen, verfügen aber auch über besondere
gen benachteiligter Gruppen, eine gerechte Teil-
                                                       Möglichkeiten, wie engagierte Gemeinschaften,
habe ermöglicht! Der gleichberechtigte Zugang
                                                       enge soziale Netzwerke usw. Es ist daher wichtig,
zu grundlegenden Dienstleistungen ist eines der
                                                       dass die Erfahrungen von MAMBA mit Menschen in
sozialethischen Prinzipien, die unser Handeln lei-
                                                       anderen Regionen Europas geteilt werden, die die
ten. Mobilität und Zugang zu Dienstleistungen sind
                                                       Situation in ihren ländlichen Gemeinden verbes-
offensichtlich entscheidende Faktoren, um dieses
                                                       sern möchten.
Ziel zu erreichen, daher sind sie Querschnittsthe-
                                                           Diese Publikation dient genau diesem Zweck:
men für alle unsere Teams in der Diakonie Schles-
                                                       Es ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von 16
wig-Holstein, die in allen relevanten Bereichen der
                                                       MAMBA-Partnern aus verschiedenen Ländern. Sie
Sozialarbeit tätig sind. Genau aus diesem Grund
                                                       haben über Ländergrenzen hinweg gemeinsam da-
haben wir das MAMBA-Konsortium mit Stolz
                                                       ran gearbeitet, die bestmöglichen Ideen auf loka-
durch die spannende gemeinsame Reise über drei
                                                       ler Ebene umzusetzen und voneinander zu lernen.
Jahre geführt.
                                                       Jetzt, da ihr Weg ein Zwischenziel erreicht hat, tre-
    Wir können uns nicht weiterhin auf konventio-
                                                       ten sie einen Schritt zurück, um selbstkritisch dar-
nelle Verkehrsmittel verlassen, um alle Mobilitäts-
                                                       über nachzudenken, was gut gelaufen ist, was man
probleme zu lösen, insbesondere nicht im ländli-
                                                       hätte besser machen können und was man ande-
chen Raum, der geprägt ist von demographischen
                                                       ren empfehlen kann, die vor ähnlichen Herausfor-
Herausforderungen wie Abwanderung und Überal-
                                                       derungen stehen. Der Austausch zu den aus dem
terung der Bevölkerung. Wir müssen daher kreativ
                                                       Projekt gezogenen Lehren ist grenzüberschreiten-
über neue Wege nachdenken, um den Zugang für
                                                       de Zusammenarbeit in Aktion. Es ist ein Weg, in
alle zu gewährleisten. Die jüngsten Fortschritte bei
                                                       einer sich ständig weiterentwickelnden EU gemein-
Konzepten, die auf der Idee des Teilens basieren
                                                       sam voranzukommen, den regionalen Zusammen-
oder im Bereich der Kommunikationstechnologien
                                                       halt zu fördern und dadurch die Lebensgrundlage
bergen zum Beispiel das Potenzial für einen bes-
                                                       der Menschen auf lokaler Ebene zu verbessern.
seren Zugang zu Dienstleistungen im ländlichen
                                                           Diese Publikation ist neben dem Leitfaden
Raum. Es gibt auch vielversprechende Fälle, in de-
                                                       für kollektive Mobilitätslösungen im ländlichen
nen bestimmte Dienstleistungen zu den Menschen
                                                       Raum, den Politischen Empfehlungen und der Da-
kommen, anstatt dass jeder einzeln in ein Geschäft,
                                                       tenbank für Beispiele innovativer Mobilität eines
eine Bank, eine Arztpraxis usw. fährt. Projekte wie
                                                       der wichtigsten Ergebnisse des MAMBA-Projekts.
MAMBA spielen in diesem Zusammenhang eine
                                                       Gemeinsam liefern diese Dokumente wertvolle In-
entscheidende Rolle, weil sie Neuland betreten, et-
                                                       spirationen und Ratschläge für Menschen (Bürger,
was Innovatives ausprobieren, sogar ein gewisses
                                                       Dienstleister, Behörden, Unternehmen usw.), die in
Risiko eingehen und den Menschen, wo immer sie
                                                       ihrer Gemeinde etwas Positives bewirken wollen.
leben, konkrete, handfeste Vorteile bringen. Da-
                                                       Mit anderen Worten: MAMBA und jeder, der sich
durch fördern diese Projekte die sozioökonomische
                                                       davon inspirieren lässt und Ratschläge aufgreift,
Inklusion, bessere Chancen für alle und eine ausge-
                                                       schließt sich der Diakonie Schleswig-Holstein in
wogene Entwicklung in der weiteren Region.
                                                       ihrem Bemühen an, die soziale Entwicklung der be-
    Konkret wurden im Rahmen von MAMBA mehr
                                                       nachteiligten Regionen der Europäischen Union
als ein Dutzend Pilotprojekte in ländlichen und
                                                       zu unterstützen. Ich bin allen dankbar, die diese
manchmal sehr abgelegenen Gebieten in sechs
                                                       Ambition teilen: Krempeln Sie die Ärmel hoch und
Ländern des Ostseeraums umgesetzt. Einige von
                                                       packen Sie es an!
ihnen fallen in die Kategorie, bei denen die Men-
schen zur Dienstleistung gebracht werden, soge-                            Heiko Naß
                                                                           Landespastor im Diakonischen Werk
                                                                           Schleswig-Holstein

                                                                                              MAMBA            7
MOBILITÄT FÜR ALLE IM LÄNDLICHEN RAUM - Inspirationen des MAMBA-Projekts www.mambaproject.eu - Mamba ...
1. Einleitung

Was ist MAMBA?                                        Wie MAMBA ländliche Regionen
MAMBA steht für „Maximising Mobility and Ac-          lebenswerter macht!
cessibility of Services in Regions Affected by De-    MAMBA fördert nachhaltige Mobilitätslösungen in
mographic Change“ (Verbesserung der Mobilität         ländlichen Gebieten im Ostseeraum – und bezieht
und des Zugangs zu Dienstleistungen in vom de-        die Nutzer in den Prozess mit ein. Es werden zwei
mografischen Wandel betroffenen Regionen). Es         Hauptansätze verfolgt:
handelt sich um ein europäisches INTERREG-Pro-        l People-to-service: dies bedeutet, den Menschen
jekt, das darauf abzielt, die Lebensqualität in       den Zugang zu bestimmten Dienstleistungen (Ge-
ländlichen Gebieten im Ostseeraum durch inno-         schäfte, Banken, Bibliotheken, Ärzte usw.) zu er-
vative Lösungen für Mobilität und den Zugang zu       leichtern.
Dienstleistungen zu verbessern.                       l Service-to-people: das bedeutet, dass die An-
   Auf den ersten Blick scheinen die Aussichten       bieter bestimmter Dienstleistungen zu den Men-
für solche Regionen düster. Bestimmte Prozes-         schen selbst kommen – oder zumindest an einen
se (z.B. Überalterung der Bevölkerung, Abwan-         Ort in der Nähe, etwa in ein Dorfzentrum.
derung, wirtschaftliche Probleme, angespannte
öffentliche Haushalte) ziehen viele abgelegene        In den drei Jahren hat das Projekt versucht, Ant-
Regionen in ganz Europa in einen sich selbst ver-     worten auf folgende Fragen zu finden:
stärkenden „Teufelskreis der Abwanderung“, einen      l Wie können wir in Zukunft die ländliche Mobilität
sich selbst erhaltenden Kreislauf (oder Kreis), der   und Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge
sich negativ auf die Lebensqualität im ländlichen     so organisieren, dass sie die Menschen erreichen,
Raum auswirkt. Bei genauerem Hinsehen zeigt           die darauf angewiesen sind?
sich jedoch, dass es bei der Suche nach Lösungen      l Wie können wir ländliche Mobilitätsdienste ent-
noch viel verstecktes Potenzial gibt, das nur dar-    wickeln, die für alle Einwohner so nützlich und zu-
auf wartet, erschlossen zu werden. Dazu gehören       gänglich wie möglich sind?
starke soziale Netzwerke, Kreativität, Engage-        l Wie könnte Technologie zur Unterstützung und
ment, Ressourcen, ein kollektiver Sinn für Wohl-      Verbesserung ländlicher Mobilitätsdienste einge-
tätigkeit und die verschiedenen Infrastrukturen,      setzt werden?
die die Mitglieder der lokalen Gemeinschaft und/      l Wie können die Nutzer kontinuierlich einbezogen
oder des öffentlichen Sektors besitzen. MAMBA         werden, damit wir ländliche Mobilitätsdienste ent-
macht deutlich, wie kleine Eingriffe in das beste-    wickeln, die für sie relevant sind und ihren Bedürf-
hende System tatsächlich etwas verändern und          nissen entsprechen?
diesem (Teufels-)kreis entgegenwirken können.             Mit einem Konsortium bestehend aus 15 Part-
   Wir hoffen, dass wir Ihre Neugierde wecken         nern aus sechs Ländern untersuchte MAMBA
können, wenn wir Sie einladen, in diesem Do-          diese Fragen und stellte mögliche Lösungen vor.
kument, das wir mit Stolz „Mobilität für alle im      Das Konsortium hat mehr als ein Dutzend Mobi-
ländlichen Raum" nennen, mehr über die Ideen          litätslösungen in abgelegenen Regionen, Städten
und erfolgreichen lokalen Projekte von MAMBA          und Dörfern im gesamten Ostseeraum gemein-
zu erfahren. Das Dokument beschreibt aber auch        sam mit lokalen Akteuren gestaltet. Jede dieser
– und das ist mindestens genauso wichtig – die        Maßnahmen stand zeitweise vor besonderen He-
Schwierigkeiten, auf die wir gestoßen sind, und       rausforderungen. Mal waren sie finanzieller, mal
wie wir damit umgegangen sind.                        soziokultureller, organisatorischer, politischer oder
                                                      rechtlicher Art. Doch mit Mut, Einfallsreichtum
                                                      und Flexibilität konnten die meisten dieser Heraus-
                                                      forderungen gemeistert werden. Zum Beispiel hat

8    Mobilität für alle im ländlichen Raum
MOBILITÄT FÜR ALLE IM LÄNDLICHEN RAUM - Inspirationen des MAMBA-Projekts www.mambaproject.eu - Mamba ...
Quelle: Anete Gluha, Mazsalaca municipality.

MAMBA den ersten ländlichen Dienst für eine Be-        gewonnenen Erkenntnisse sind in Kapitel 5 unter
förderung auf Abruf, sog. Transport-on-Demand,         der Überschrift „Schussfolgerungen" zusammen-
in Lettland eingeführt. Dafür war viel Pionierar-      gefasst.
beit erforderlich. Auf der Hallig Hooge, auf der nur       Wenn diese innovativen Mobilitätslösungen
etwa 100 Menschen leben, konnten wir die Bereit-       Ihr Interesse wecken und Sie zu konkreten Maß-
stellung von Sozialberatung mit digitalen Mitteln      nahmen motivieren, möchten wir Ihnen hier einige
verbessern, den Transportbedarf verringern und         weitere Dokumente empfehlen:
die Lebensqualität steigern. Im polnischen Ober-
schlesien hat MAMBA abgelegene Dörfer durch ein        1. „Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslö-
neues, bedarfsgerechtes Nahverkehrsangebot an          sungen im ländlichen Raum.“ Dieser Leitfaden ist
die nächsten Städte angebunden. In einem länd-         ein weiteres Vorzeigeergebnis des MAMBA-Pro-
lichen Teil Südschwedens haben wir getestet, wie       jekts. Er enthält eine Schritt-für-Schritt-Anlei-
durch ländliche Co-Working-Spaces das Pendeln          tung für die Planung und Umsetzung innovativer
über längere Strecken verringert und gleichzeitig      Mobilitätslösungen. Sie finden ihn auf der MAM-
das Gemeinschaftsleben gefördert werden kann.          BA-Website: www.mambaproject.eu
Dieses Projekt wurde sogar für den städtischen         2. Die MAMBA-Datenbank für innovative Mobili-
Innovationspreis des Jahres 2020 nominiert. Dies       tätslösungen, die eine Vielzahl von Beispielen aus
sind nur einige Beispiele für MAMBA-Initiativen.       dem Ostseeraum und darüber hinaus sowie Er-
    Weitere Anregungen zu diesen und anderen           läuterungen zu bewährten Verfahren, Inspiration
Fallstudien folgen in diesem Dokument. Kapitel 2       und Kontaktdaten für Betreiber enthält: www.
beleuchtet die Herausforderungen und Chancen           mambaproject.eu/database
für innovative Mobilitätslösungen im ländlichen        3. Empfehlungen, die der Politik als Orientierungs-
Raum. In Kapitel 3 werden verschiedene Faktoren,       hilfe dienen und den politischen Entscheidungsträ-
die bei der Umsetzung innovativer Mobilitätslö-        gern, die Lobbyarbeit für neue Gesetzesvorhaben
sungen eine Rolle spielen können, dargestellt und      und politische Veränderungen betreiben wollen,
erläutert. Dazu gehören finanzielle, rechtliche und    zahlreiche Ansatzpunkte für eine verbesserte Mo-
personelle Erwägungen. Der wichtigste Teil des         bilität und Zugang zu Dienstleistungen im ländli-
Dokuments ist Kapitel 4, in dem die MAMBA-Pro-         chen Raum liefern sollen. Auch dieses Dokument
jekte vorgestellt werden, die in verschiedenen         ist auf der MAMBA-Website verfügbar: www.
ländlichen Gebieten des Ostseeraums durchge-           mambaproject.eu.
führt wurden. Die aus diesen zahlreichen Projekten

                                                                                           MAMBA        9
MOBILITÄT FÜR ALLE IM LÄNDLICHEN RAUM - Inspirationen des MAMBA-Projekts www.mambaproject.eu - Mamba ...
2. Erkennen Sie die
   Herausforderung und
   nehmen Sie sie an!

Die Herausforderungen                                 Im ländlichen Raum beginnt der Teufelskreis der
Der ländliche Raum zeichnet sich durch große Ent-     Abwanderung, wenn die ländliche Bevölkerung –
fernungen und eine geringe Bevölkerungsdichte         insbesondere die arbeitenden Steuerzahler – unter
aus. Dies macht den traditionellen öffentlichen       einen kritischen Wert fällt. Da die Bevölkerungs-
Personenverkehr und die Bereitstellung von So-        dichte im ländlichen Raum bereits gering ist, führt
zialdiensten für den öffentlichen Sektor zu einer     jede Abwanderung oder Alterung der Bevölke-
kostspieligen Herausforderung. Gleichzeitig sind      rung gleichzeitig auch zu geringerer Investition in
ausreichende Transportmöglichkeiten und soziale       Dienstleistungen und Infrastruktur. Die Pro-Kopf-
Dienste für abgelegene Regionen überlebenswich-       Kosten des öffentlichen Sektors für die weitere
tig, denn der Zugang zu Verkehrsmitteln ist ein
wichtiger Faktor für die Verbesserung der Wett-
bewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Attraktivi-
tät ländlicher und abgelegener Gebiete. Dies wird
erreicht, indem der Zugang zu wesentlichen Ange-
boten – wie Beschäftigung, Bildung, Gesundheits-
versorgung und Freizeitaktivitäten – sowohl für
die Einwohner als auch für potenzielle Besucher
sichergestellt wird.

Ebenso wichtig ist der Zugang zu Dienstleistungen.
Die schlechte Erreichbarkeit von Dienstleistungen
gehört zu den Faktoren, die zur Marginalisierung
und Peripheralisierung vieler ländlicher Regionen
führen. Wenn Dienstleistungen nur schlecht er-
reichbar sind, kann dies sowohl zu einem Rückgang
der wirtschaftlichen Aktivität und des wirtschaft-
lichen Potenzials als auch zu einem niedrigen sozi-
oökonomischen Leistungsniveau führen.

Die Verbesserung sowohl der Mobilität als auch
des Zugangs zu Dienstleistungen in ländlichen
Gebieten sind zentrale Antworten auf die Heraus-
forderungen, mit denen diese ländlichen Regionen
konfrontiert sind. Sie sind wichtig, um den „Teu-
felskreis der Abwanderung“ zu durchbrechen, dem
viele ländliche Gemeinden ausgesetzt sind (siehe
Abbildung 1).
                                                      Quelle: Janis Bikse.

10   Mobilität für alle im ländlichen Raum
Quelle: Andris Lapans.

                                                           dünnen“ und in einigen Fällen sogar ganz einstellen
                                                           müssen. Die Situation kann sich verschlimmern,
       Abwanderung
                                                           wenn eine schrumpfende und alternde Bevölke-
                                Niedrige Bevölke-
      (+Überalterung)              rungsdichte             rung zu weniger Nutzern des öffentlichen Perso-
                                                           nenverkehrs führt, während gleichzeitig immer
                                                           mehr Menschen spezielle Transportmöglichkeiten
                                                           benötigen, wie z.B. Krankenhaus- und Paratransit-
            Teufelskreis der                               dienste. Den Bewohnern dieser Gebiete bleibt kei-

  Weniger
              Abwanderung Fehlen kritischer                ne andere Wahl, als sich ein eigenes Auto zu kaufen
                                                           (sofern sie noch fahrtüchtig und finanziell dazu in
Arbeitsplätze                   Masse für Dienstleistungen
                                     und Infrastruktur     der Lage sind), damit sie ihren Lebensstil beibehal-
                                                           ten und uneingeschränkt an der Gesellschaft teil-
                                                           haben können. Letztlich führen all diese Faktoren
                     Niedrigere                            zusammengenommen zu einem starken Rückgang
                      Zahl an
                Betriebsgründungen
                                                           der Lebensqualität der Landbevölkerung.

Abbildung 1: Teufelskreis der in der Abwanderung          Die Möglichkeiten
befindlichen ländlichen Gebiete. Quelle: OECD, 2010.      Die Suche nach innovativen Wegen zur Verbesse-
                                                          rung des Zugangs zu Mobilität und sozialen Diens-
Bereitstellung dieser Dienstleistungen steigen in         ten in Gebieten, die sich in einem Teufelskreis der
solchen Situationen, was es schwierig macht, sie          Abwanderung befinden, könnte einer der Schlüssel
aufrechtzuerhalten oder zu verbessern. Folglich           zur Umkehrung dieses Trends sein. In der Abwan-
ist es für diese Gebiete schwierig, Unternehmen           derung befindliche ländliche Gebiete erfordern
anzuziehen und zu halten, die stattdessen in wirt-        innovative Mobilitätslösungen, die den strukturel-
schaftlich tragfähigere Gebiete mit einer größeren        len Veränderungen in Wirtschaft und Demografie
Zahl potenzieller Kunden und Mitarbeiter ziehen.          Rechnung tragen. Das Hauptziel besteht darin,
Dies führt zu weniger Arbeitsplätzen in der Regi-         den Zugang zu Dienstleistungen zu verbessern
on, was die Bewohner unweigerlich weiter dazu             und die Mobilitätsbedürfnisse der verbleibenden
zwingt, für Arbeit oder Bildung wegzuziehen.              Einwohner zu befriedigen und dadurch ihre Le-
    Der Teufelskreis der Abwanderung verschärft           bensqualität zu verbessern. Kurzfristig macht dies
sich also, da für den öffentlichen Sektor immer           das Gebiet lebenswerter und verringert die soziale
weniger Mittel zur Verfügung stehen, um einen             Isolierung; längerfristig könnte es dazu beitragen,
ausreichenden Zugang zu Mobilität und sozialen            den Teufelskreis der Abwanderung umzukehren,
Diensten zu gewährleisten. Für viele ländliche Ge-        indem es mehr Einwohner und Unternehmen an-
biete bedeutet dies, dass die Behörden den öffent-        zieht und damit letztlich die wirtschaftliche Vitali-
lichen Personenverkehr und Sozialdienste „aus-            tät des Gebiets verbessert.

                                                                                                MAMBA        11
Quelle: Taneli-Lahtinen/Unsplash

Der ländliche Raum hat andere Bedürfnisse und          tors, sich eher als gleichberechtigten Partner und
andere Ressourcen als städtische Gebiete. Folglich     Vermittler von kollaborativen Mobilitätslösungen
können Lösungen, die in städtischen oder stadtna-      zu verstehen.
hen Gebieten erfolgreich waren, nicht einfach auf          In ländlichen Gebieten gibt es viele Möglich-
ländliche Gebiete übertragen werden. Aber muss         keiten, die vorhandenen sozialen Netze, Ressour-
die Suche nach einem besseren Zugang zu Mobi-          cen und die Infrastruktur des öffentlichen Per-
lität und Dienstleistungen im ländlichen Raum ein      sonenverkehrs effizient, kostengünstig und in
harter Kampf sein? Wir glauben, dass dies nicht        einer Weise zu nutzen, die für die Anwohner von
zwingend so sein muss – tatsächlich können länd-       erheblichem Wert sein kann. Trotz der geringe-
liche Gebiete ein besonders fruchtbarer Boden für      ren Bevölkerungsdichte sind die sozialen Kontakte
den öffentlichen Sektor und Akteure an der Basis       in ländlichen Gebieten tendenziell enger und das
sein, um kooperatives Arbeiten zu entwickeln und       Vertrauen unter Nachbarn ist größer. Dies ist in
Mobilitätslösungen erfolgreich umzusetzen. Die         gewisser Weise ungenutztes soziales Kapital, das
Zusammenarbeit zwischen Akteuren der Privat-           darauf wartet, für kollaborative Mobilitätslösun-
wirtschaft oder Freiwilligen und dem öffentlichen      gen mobilisiert zu werden. Projekte, die in diesem
Sektor führt zu Innovation, größerem sozialen Zu-      Sinne entwickelt wurden und die nachweislich gut
sammenhalt und Eigenverantwortung für Lösun-           auf die Bedürfnisse der Landbevölkerung abge-
gen. Um diese Vorteile zu nutzen, ist es jedoch not-   stimmt sind, konzentrieren sich insbesondere auf
wendig, über den Tellerrand hinaus zu schauen und      Lösungen für den letzten Kilometer und den per-
von den etablierten Mustern und konventionellen        sonalisierten Transport – einschließlich flexibler
Protokollen, Rollen und Verantwortlichkeiten ab-       bedarfsorientierter Dienstleistungen, Car-Sha-
zuweichen, die typischerweise eine Trennwand           ring, Mitfahrgelegenheiten und Pedelecs.
zwischen dem öffentlichen Sektor und der Basis
aufbauen. Der Schlüssel liegt entweder darin, die-     Die MAMBA-Lösungen
se Wand einzureißen oder darin, Wege zu finden,        Die MAMBA-Partner nahmen diese Herausforde-
um Fenster zwischen den verschiedenen Teilneh-         rungen an und versuchten, durch die gemeinsame
mern zu öffnen. Dies kann erreicht werden, indem       Entwicklung und Umsetzung innovativer Mobili-
man wirksame Wege findet, die vorhandenen Res-         tätslösungen dazu beizutragen, den Teufelskreis
sourcen der verschiedenen Akteure zu mobilisie-        der Abwanderung zu durchbrechen. Das auf drei
ren, damit sie gemeinsam ein Ziel erreichen. Dies      Jahre angelegte Projekt bot den längeren Zeit-
erfordert die Bereitschaft des öffentlichen Sek-       raum, der notwendig war, um neue Mobilitätslö-

12   Mobilität für alle im ländlichen Raum
Personenbeförderung zur
   MAMBA                                                        Teilnahme am gesellschaft-
                                                                lichen Leben und zur Gesund-
  Lösungen für                                                                                          Portal für den öffentlichen
                                                                heitsvorsorge in der Region             Personenverkehr für
Mobilität und den                                               Südostbottnien, Finnland.               die Einwohner in der
Zugang zu Dienst-                                                                                       gesamten Region
   leistungen                                                                                           Nordkarelien, Finnland.

             Fahrgemeinschafts-App für
             das Dorf Smidstrup-Skærup,
             das zur Gemeinde Vejle in
             Südjütland,
             Dänemark gehört                                                                      Transport-on-Demand in
                                                                                                  den Gemeinden Aluksne
                                                                                                  und Mazsalaca, Vidzeme,
                                                                      Co-Working Space im         Lettland
                                                                      ländlichen Raum in Södra
            Mobile Sozial-                                            Åby und Busse für ältere
            beratung für die                                          Menschen. Gemeinde
            Einwohner der                                             Trelleborg, Schweden.
            Hallig Hooge

                                                                                     Transport-on-Demand-Dienst und
                                          Online-Plattform mit Informationen         Fahrgemeinschafts-App in Bielsko-Biała,
                                          über die Personenbeförderungsmög-          Polen. Das Mobilitätszentrum des Kreises
                                          lichkeiten im Kreis Plön, Deutschland      Bielski stellt Informationen zu den
                                          und Transport on Demand-Dienst             Beförderungsmöglichkeiten und einen
                                                                                     Buchungsdienst zur Verfügung.
            Car-Sharing im ländlichen Raum mit ehrenamtlichen Fahrdienst
            In der Ortschaft Neuenwalde, Stadt Geestland im Landkreis
            Cuxhaven, Deutschland und Regionale Mobilitätszentrale über
            die Personenbeförderungsmöglichkeiten im Landkreis Cuxhaven

                                                                                                    0           150      300 km

                          MAMBA-Lösungen für Mobilität und den Zugang zu Dienstleistungen

    sungen zu entwickeln, auszuhandeln, umzusetzen                      die MAMBA-Partner auch so genannte Mobilitäts-
    und zu testen sowie ihre Wirk- samkeit und Nach-                    zentren, um dort Informationen über verschiedene
    haltigkeit zu beurteilen. Dieses Zeitfenster ermög-                 Verkehrsmittel auf einer zentralen "Informations-
    lichte es MAMBA, die Veränderungen der Art und                      plattform“ zusammenzuführen – sei es physisch
    Weise, wie sich die Einwohner in den MAMBA-Pro-                     oder digital.
    jektgebieten bewegen, genau zu beobachten und                           MAMBA-Lösungen versuchen immer, lokale
    dabei auch soziale, kulturelle und wirtschaftliche                  Möglichkeiten und Ressourcen zu nutzen. Sie be-
    Faktoren zu berücksichtigen.                                        dienen sich der lokalen Gemeinschaft, was bei-
        Dieses Dokument beschreibt Maßnahmen, die                       spielsweise in Trelleborg der Fall war, und in Vejle.
    im Rahmen des MAMBA-Projekts entwickelt und                         Ein weiteres Beispiel ist Plön, wo der bereits beste-
    umgesetzt wurden. Einige von ihnen konzentrier-                     hende öffentliche Personenverkehr durch zusätz-
    ten sich auf People-to-Service-Lösungen, indem                      liche Dienstleistungen ergänzt wurde. Insgesamt
    sie die Zugänglichkeit zu einer Reihe von Dienst-                   ist die Erfahrung der MAMBA-Lösungen, dass
    leistungen verbesserten; andere zielten darauf ab,                  ländliche Gebiete in der Lage sind, bessere Mobili-
    neue Wege zu finden, wie Dienstleistungen zu den                    tätslösungen für die lokale Bevölkerung zu bieten,
    Menschen kommen können und haben eine Lösung                        wenn der öffentliche Sektor und die Akteure an
    versucht, die Notwendigkeit von Reisen durch die                    der Basis zusammenarbeiten. Lesen Sie in Kapi-
    Bereitstellung eines Co-Working Space für Fernar-                   tel 4 mehr darüber, wie dies erreicht wurde.
    beit zu verringern. In anderen Fällen entwickelten

                                                                                                                        MAMBA         13
3. Berücksichtigen Sie den
   lokalen Kontext!
In diesem Kapitel werden drei entscheidende           Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs,
Aspekte erläutert, die sehr früh im Prozess der       die lokalen Behörden und – natürlich – die Nutzer.
Verbesserung lokaler Mobilitätslösungen zu be-        Schulen, Universitäten, Banken, Stiftungen, Bür-
rücksichtigen sind. Dazu gehört eine Bestandsauf-     gerinitiativen, die Industrie- und Handelskammern
nahme wichtiger Chancen, aber auch möglicher          und sogar religiöse Organisationen können eben-
Hindernisse.                                          falls eine wichtige Rolle spielen.1 Denken Sie krea-
l Aspekt Nummer eins sind die internen Ressour-       tiv darüber nach, wer sie unterstützen könnte, und
cen. Dazu gehören Menschen, Wissen, Erfahrung         beziehen Sie diese Stakeholder frühzeitig in das
und Fähigkeiten; Entscheidungsstrukturen, beste-      Projekt mit ein.
hende Kontakte, Finanzen (natürlich) und andere
Ressourcen.                                           Verwaltungsstrukturen
l Aspekt Nummer zwei ist ein klares Verständ-         Wie effektiv sind die Entscheidungsstrukturen
nis der Schlüsselfaktoren in Ihrer Region. Ist es     Ihrer Organisation?
zum Beispiel hügelig oder flach? Wie hoch ist das     Der Weg zu einer erfolgreichen Mobilitätslösung
Durchschnittsalter der Bevölkerung? Wie hoch ist      ist ein Weg, der eine Vielzahl von Entscheidungen
die Arbeitslosenquote? Sind Menschen typischer-       erfordert. Einige davon sind nicht ganz so wichtig,
weise offen dafür, neue Dinge auszuprobieren? Ist     andere dafür aber von entscheidender Bedeutung.
die Regionalregierung stabil? Wann sind die nächs-    Es ist wichtig, dass für diesen Prozess eine wirk-
ten Wahlen? Diese und verschiedene andere Fak-        same Verwaltungsstruktur vorhanden ist. Zu den
toren werden von Bedeutung sein.                      wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang ge-
l Der äußerst wichtige dritte zu berücksichtigen-     hören: Welche Entscheidungen können von wem
de Aspekt ist die Rechtslage. Schließlich muss Ihre   getroffen werden? Erfordern bestimmte Entschei-
Idee die bestehende Gesetze zu Transportlizenzen,     dungen eine Versammlung aller Akteure (die nur
Haftungsregeln, Datenschutz, Steuervorschriften       einmal im Jahr stattfindet)? Verfügen Sie über
usw. einhalten. Es ist von entscheidender Bedeu-      die Computerausrüstung und Fähigkeiten, um ef-
tung, all diese zusammenhängenden Aspekte von         fektiv mit einer großen Gruppe von Menschen zu
Anfang an im Auge zu behalten.                        kommunizieren, die Finanzen im Auge zu behalten,
                                                      Flugblätter zu entwerfen, Aufgaben zuzuweisen
                                                      und zu kontrollieren und so weiter? Selbst wenn
3.1. Nutzen Sie Ihre vorhandenen                      Ihre Mobilitätslösung keinen Gewinn erwirtschaf-
Ressourcen!                                           ten muss oder soll, sollten Sie sie als Geschäftsbe-
Ressourcen können Menschen sein, aber auch For-       trieb behandeln können.
men der finanziellen Unterstützung oder bereits
bestehende Strukturen in Ihrer örtlichen Gemeinde.    Technologische und digitale Lösungen
                                                      Was sind Ihre Voraussetzungen für technologische
Netzwerk (potentieller) Partner                       und digitale Lösungen?
Wer könnte bei innovativen Mobilitätslösungen         Wenn man über technologische oder digitale Lö-
helfen?                                               sungen nachdenkt (z.B. die Buchung eines be-
Neue Mobilitätslösungen können niemals in der         darfsabhängigen Dienstes mit flexibler Route),
Verantwortung nur einer Organisation liegen. Sie      ist es wichtig, die Verfügbarkeit und Qualität der
sind immer auf die Zusammenarbeit einer Rei-          vorhandenen IT-Infrastruktur zu prüfen. Auch der
he von Partnern angewiesen. Typische Partner          mobile Empfang kann unzuverlässig sein, und nicht
in einer solchen strategischen Allianz wären die      jeder wird notwendigerweise über einen Compu-

14   Mobilität für alle im ländlichen Raum
ter, einen Tablet-PC oder ein Smartphone mit aus-      phase der Fall. Sie könnten auch in Erwägung zie-
reichendem Datenvolumen verfügen. Halten Sie           hen, Sponsoring-Vereinbarungen mit örtlichen Un-
solche Dinge nicht für selbstverständlich.             ternehmen zu treffen.
    Es ist auch wichtig, den Grad der Bereitschaft        Bei der Planung der Preispolitik für einen Mobili-
und des Vertrauens zu verstehen , mit dem Men-         tätsdienst ist nicht nur die Gesamtzahl der geplan-
schen dazu neigen, digitale Werkzeuge zu benut-        ten Nutzer zu berücksichtigen, sondern auch die
zen. In ländlichen Gebieten ist dies oft eine Her-     Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Zielgruppen.
ausforderung, da ältere Menschen mit digitalen         Vielleicht möchten Sie Ermäßigungen für Gruppen
Lösungen weniger vertraut sind. Dies war die           mit besonderen Bedürfnissen, wie Menschen mit
Erfahrung bei der Implementierung einer digita-        Behinderungen, Senioren, Studenten und einkom-
len Plattform in Nordkarelien. Es kann eine ganze      mensschwache Familien oder Einzelpersonen, ge-
Weile dauern, bis die Menschen „ausgefallenen“         währen. Um die Kundentreue zu erhöhen, könnten
technologischen Lösungen vertrauen und sie nut-        Sie auch in Erwägung ziehen, Ermäßigungen für
zen. Die Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen           Monats- oder Jahreskarten anzubieten.2
sollte so weit wie möglich vermieden werden.
Selbst wenn also digitale Lösungen das Kernele-        Kombination mit anderen Dienstleistern
ment Ihres Projekts sind, denken Sie über geeigne-     Welche Dienste gibt es bereits in Ihrer Region,
te Unterstützungseinrichtungen nach – wie etwa         wie sind sie miteinander verbunden (oder auch
einen (freiwilligen) Telefondienst, der älteren oder   nicht)?
behinderten Menschen hilft, Mobilitätsdienste in       In ländlichen Gebieten gibt es oft Orte – wie
Anspruch zu nehmen.                                    Cafés, kleine Tante-Emma-Läden oder sogar
                                                       Tankstellen -, an denen den Menschen bestimm-
Finanzierung                                           te Dienstleistungen angeboten werden. An diese
Wie wird der öffentliche Personenverkehr in            Orte können neue Lösungen angedockt werden.
Ihrer Region finanziert, und wer könnte innovative     Wenn Sie beispielsweise planen, , einen neuen, von
Mobilitätslösungen mitfinanzieren?                     Freiwilligen betriebenen Busdienst einzurichten,
Zweifellos spielt Geld eine Rolle, und das gilt auch   könnten die Fahrgäste in einem Tante-Emma-
für innovative Mobilitätslösungen. Achten Sie da-      Laden warten, bis der Bus eintrifft. Diese Lösung
rauf, dass Sie diese drei Aspekte beachten: die        könnte auch neue Kunden in das Geschäft lo-
Einrichtungs- und Betriebskosten von Mobilitäts-       cken. Darüber hinaus können durch die Bündelung
lösungen für die Organisatoren, potenzielle Finan-     von Dienstleistungen soziale Kontakte geknüpft
zierungsquellen und den Preis für die Nutzer, ein-     werden. In solchen Fällen werden beide Diens-
schließlich eventueller Ermäßigungen.                  te (Transport und Einkaufen, in diesem Beispiel)
    Um die Kosten einer innovativen Mobilitätslö-      kombiniert, um eine positive Benutzererfahrung
sung abzuschätzen, sollten verschiedene Faktoren       zu schaffen. Es ist klug, solche bestehenden Struk-
berücksichtigt werden. Denken Sie an die Fixkos-       turen zu nutzen, da es viel schwieriger ist, neue
ten (also solche, die jeden Monat in gleicher Höhe     Strukturen von Grund neu aufzubauen².
anfallen), variable Kosten (einmalige Ausgaben)
und spezifische Kosten für Fahrer, Verwalter, War-
tungspersonal oder anderes Personal². Vergessen
Sie auch nicht die Versicherungsprämien, Kommu-
nikationsmaterialien und so weiter.
    Finanzierungsquellen für neue Mobilitätslösun-
gen können öffentlich und/oder privat sein. In allen
Regionen, in denen MAMBA-Lösungen umgesetzt
wurden, wird der öffentliche Personenverkehr aus
dem nationalen oder regionalen Haushalt subven-
tioniert. Einige wohltätige Stiftungen sind gele-
gentlich auch bereit, Geld oder Sachleistungen zu
spenden. Dies ist typischerweise für die Anfangs-

                                                                                             MAMBA       15
3.2. Auf bestehenden Strukturen                        sichtigen. Ein gutes Beispiel ist die Bildung eines
aufbauen!                                              gemeinnützigen Fahrzeug-Pools in Bielsko-Biała.
Für die Umsetzung einer innovativen ländlichen         Für die erste Phase der Umsetzung wurden Stu-
Mobilitätslösung ist es wichtig, die Schlüsselfak-     dierende als Zielgruppe ausgewählt. Sie schienen
toren in Ihrer Region zu verstehen, um potenzielle     die am leichtesten zu erreichende Gruppe zu sein,
Hindernisse und Treiber zu identifizieren, und die     da ihre Peer-Gruppe bestimmte typische Merkma-
Bedürfnisse der Nutzer zu beurteilen.                  le aufwies, wie z.B. einen geringen Prozentsatz von
                                                       Fahrzeughaltern und hohe Vertrautheit mit digita-
Bevölkerungsstruktur und Bevölkerungs-                 len Lösungen.
dichte
Wer lebt in Ihrer Region?                              Stimmung
Die Bevölkerungsstruktur und -dichte wird einen        Wie ist die politische Stimmung vor Ort?
Einfluss auf den Zweck, die Regelmäßigkeit und den     Sind Politiker offen für neue Ideen?
Zeitpunkt von Mobilitätsmustern haben. Auch die        Auch das politische und administrative Umfeld
Altersstruktur wird Einfluss darauf haben, warum,      kann einen Einfluss auf die mögliche Umsetzung
wann und wie Menschen von Punkt A nach Punkt           einer innovativen Mobilitätslösung haben. Wenn
B gelangen wollen. Bei jüngeren Menschen geht es       verschiedene Regierungsebenen und verschiedene
beispielsweise oft darum, zur Arbeit zu kommen.        Politikbereiche (wie Gesundheit und Verkehr) gut
Wenn sie älter werden, steigt die Nachfrage nach       zusammenarbeiten, ist dies eine gute Startvor-
Sozial- und Gesundheitsdiensten. Die Nachfrage         aussetzung. Ist dies nicht der Fall, könnte die neue
nach Mobilität wird daher in Bezug auf den Stre-       Mobilitätslösung ein guter Ausgangspunkt sein,
ckenverlauf und die Fahrpläne unterschiedlich sein.    um die Interaktion zwischen den verschiedenen
Je weniger Menschen in einer Region leben, desto       Fachressorts zu verbessern. Dies war z.B. in Trel-
schwieriger wird es, ein öffentliches Personenver-     leborg der Fall, wo MAMBA die Schaffung einer
kehrssystem aufrechtzuerhalten, das regelmäßig         Diskussionsplattform zur Mobilität unterstützt
und häufig die einzelnen Haltestellen anfährt. In      hat, die verschiedene Regierungsebenen und ver-
ländlichen Regionen mit vielen älteren Menschen        schiedene Politikbereiche zusammenbringt, um
gehen tagsüber weniger Menschen zur Arbeit, so         innovative Mobilitätslösungen für den ländlichen
dass die Nachfrage nach Transportleistungen ins-       Raum zu finden.
gesamt geringer ist.
    Um einen Einblick in einige Schlüsselmerkmale      Lokale Wirtschaftsstruktur
der Bevölkerungsstruktur der MAMBA-Regionen            Wie könnten Sie die lokale Wirtschaftsstruktur
im Ostseeraum zu erhalten, sehen Sie sich die          nutzen?
Analysen (regionale Profile, Karten) auf der Web-      Die lokale Wirtschaftsstruktur kann in vielfältiger
site des MAMBA-Projekts an: www.mambapro-              Weise zur Umsetzung innovativer Mobilitätslösun-
ject.eu/products.                                      gen beitragen. In ländlichen Regionen gibt es ei-
                                                       nen Trend zur Saisonarbeit, da bestimmte Sekto-
Faktoren im Zusammenhang mit sozialen                  ren, wie die Land- und Forstwirtschaft sowie das
Gruppen                                                Baugewerbe, nach wie vor einen hohen Anteil an
Wie kann die Dynamik sozialer Gruppen innovative       der Gesamtwirtschaft ausmachen. Eine weitere
Mobilitätslösungen fördern oder behindern?             wichtige Einkommensquelle in ländlichen Gebieten
Betrachtet man die individuellen Faktoren, so fällt    kann der Tourismus sein. Die Nachfrage nach Mo-
auf, dass innovative Mobilitätslösungen für einige     bilität ist dann höher und an der jeweiligen Saison
Menschen, je nach Alter, Geschlecht, Grundeinstel-     ausgerichtet strukturiert. In der Nebensaison zum
lung, Bildungsstand, Lebensstil und sozio-ökono-       Beispiel könnten Ressourcen, die zu dieser Jahres-
mischem Status, eine Herausforderung darstellen        zeit überflüssig sind, verfügbar werden. Erwägen
können. Es ist sinnvoll, dies bei der Frage, welchen   Sie den Einsatz von Ressourcen, die derzeit nicht
Einfluss diese Faktoren auf das Reiseverhalten und     genutzt werden, die aber bei der Schaffung einer
auf die Akzeptanz und das Verständnis für neue         neuen Mobilitätslösung für die lokale Bevölkerung
Mobilitätslösungen haben könnten, zu berück-           hilfreich sein könnten.

16   Mobilität für alle im ländlichen Raum
Quelle: Johanna Feuk Westhoff, MAMBA project.

Mobilitätsinfrastruktur                              Menschen um einen einzigen Punkt versammelt
Auf welche Mobilitätsdienste können Sie bauen?       sind, ist es einfacher, dort eine Mobilitätslösung
Es ist wichtig zu analysieren, wie die Menschen      zu finanzieren als bei weit verstreuten Siedlungen
derzeit mobil sind. Selbst wenn die betroffenen      über ein großes Gebiet und größere Entfernungen.
Gebiete ländlich sind, wird es wahrscheinlich un-    Ein(e Art) Zentrum kann sowohl zur Bündelung von
terschiedliche Formen des öffentlichen Personen-     Dienstleistungen als auch als Treffpunkt genutzt
verkehrs geben. Der Nahverkehr kann sehr stark       werden. Ein gutes Beispiel dafür ist der in Trelle-
vom Auto abhängig sein, und die Menschen sind        borg entwickelte Co-Working Space.
an öffentliche Verkehrsmittel überhaupt nicht ge-
wöhnt. Eine innovative Mobilitätslösung in Trelle-   Geografische Bedingungen
borg versuchte dies zu ändern, indem sie an den      Was sind die typischen Landschafts- und Wetter-
Wochenenden Busausflüge für ältere Menschen          bedingungen in Ihrer Region?
anbot und versuchte, sie mit dem öffentlichen Per-   Typische Wetterbedingungen in einer Region kön-
sonenverkehr im Allgemeinen vertraut zu machen.      nen die Wahl eines geeigneten Transportmittels
Auch bereits bestehende öffentliche Verkehrsmit-     beeinflussen. Starke saisonale Schneefälle oder
tel können ein Ausgangspunkt für zusätzliche, in-    viel Regen zu bestimmten Zeiten des Jahres kön-
novative Mobilitätslösungen sein.                    nen bestimmte Verkehrsmittel weniger attraktiv
                                                     machen. Auch topographische Gegebenheiten
Räumliche Muster                                     wie Hügel oder die Qualität der Straßen können
Gibt es eine Art Zentrum, oder leben die Menschen    die Einführung neuer Mobilitätslösungen vereinfa-
weit voneinander entfernt?                           chen oder verhindern. Diese Umstände sollten bei
Die Siedlungsstruktur kann für bestimmte Arten       der Planung berücksichtigt werden, insbesondere
von innovativen Mobilitätslösungen entscheidend      bei der Überlegung, welche Fahrzeugtypen ange-
sein. Dies steht in engem Zusammenhang mit           schafft werden sollen – vor allem, wenn neue Fahr-
der spezifischen Bevölkerungsdichte. Wenn viele      zeuge benötigt werden.

                                                                                         MAMBA       17
3.3. Beachten Sie die Rechtsvor-                     müssen , bevor sie die Personenbeförderung im öf-
schriften!                                           fentlichen Straßenverkehr anbieten, insbesondere
Bei der Einrichtung eines neuen Mobilitätsdienstes   wenn es sich um kommerzielle Dienste handelt3.
ist es wichtig, die bestehenden Gesetze in Bezug     Denken Sie an diese Anforderungen.
auf Transport, Versicherung und Finanzierung zu
kennen. Einige Gesetze im Zusammenhang mit           Rechtliche Anforderungen an die Fahrer von
innovativen, kollaborativen Mobilitätslösungen       Kraftfahrzeugen
gelten europaweit, andere sind national. Eine ver-   Jeder, der andere Menschen befördert – als be-
gleichende Analyse des Instituts für Klimaschutz,    zahlter Fahrer oder als Freiwilliger – benötigt
Energie und Mobilität (IKEM) und Rechtsexperten      dafür eine bestimmte Fahrerlaubnis. Die Art der
aus den am MAMBA teilnehmenden Ländern zeigt,        Fahrerlaubnis ist wichtig, denn sie legt Gewicht
dass die Aussichten gut sind, innovative Mobili-     und Länge des Fahrzeugs sowie die Anzahl der
tätslösungen auf einer soliden rechtlichen Grund-    Personen fest, die befördert werden darf. In den
lage zu etablieren. 3                                meisten Ländern benötigen die Fahrer in den Re-
                                                     gionen, in denen MAMBA-Lösungen implementiert
Personenbeförderungsrecht                            wurden, eine Fahrerlaubnis für Kleinbusse. Eine
Die Gesetze zur Personenbeförderung variie-          Fahrerlaubnis der Klasse B befähigt den Inhaber
ren von Land zu Land. Sie sorgen für die öffent-     zum Führen von Kraftfahrzeugen mit einer zuläs-
liche Sicherheit und Ordnung in allen Fragen des     sigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3.500 kg
öffentlichen Personenverkehrs. In den meisten        und zur Beförderung von nicht mehr als acht Per-
europäischen Ländern schreiben die Gesetze zur       sonen außer dem Fahrzeugführer. In den meisten
Personenbeförderung vor, dass die Betreiber die      europäischen Ländern prüfen die Behörden die
Genehmigung der zuständigen Behörde einholen         beruflichen Qualifikationen der Fahrer, bevor ein

Quelle: Janis Bikse.

                                                                                       Bewertung
                                                                                     von Mobilitätsdiensten

                                                                                        Einführung
                                                                                   innovativer Lösungen für
                                                                                  Mobilität und den Zugang zu
                                                                                        Dienstleistungen

                                                                                      Einbeziehung
                                                                                        der Nutzer in die
                                                                                        Gestaltung neuer
                                                                                           Lösungen

18   Mobilität für alle im ländlichen Raum
Personenbeförderungsschein erteilt werden kann.        Vergaberecht
Aber in Finnland zum Beispiel müssen Fahrer, die       Das Vergaberecht wird EU-weit angewandt,
gewerblich Personen befördern möchten, nur ei-         aber jeder Staat hat nach wie vor seine eigene
nen zusätzlichen Gesundheitstest bestehen, wäh-        spezifische Gesetzgebung, die das europäische
rend in Schweden solche Fahrer über 21 Jahre alt       Recht erweitert. Hauptziel des Vergaberechts ist
sein müssen.                                           es, durch einen regulierten Wettbewerb siche-
                                                       re, effiziente und qualitativ hochwertige Perso-
Finanzrecht                                            nenbeförderungsdienste zu gewährleisten. Ob
Lösungen können sowohl privat als auch öffentlich      innovative Mobilitätslösungen Gegenstand eines
finanziert werden. Letztere werden durch das Ge-       von den jeweiligen Behörden organisierten Aus-
setz über die öffentlichen Finanzen geregelt, das      schreibungsverfahrens sind, hängt auch von ih-
von Land zu Land unterschiedlich ist. In diesem        rem rechtlichen Status als Anbieter öffentlicher
Zusammenhang ist es von großem Vorteil, wenn           Verkehrsdienstleistungen ab (siehe oben). Hier er-
die vorgeschlagene Lösung als öffentliches Ver-        gibt unsere Analyse ein gemischtes Bild. Während
kehrsmittel eingeordnet werden kann, da dies den       Transport-on-Demand-Lösungen z.B. die Kriteri-
Zugang zu öffentlichen Finanzierungsmöglichkei-        en des öffentlichen Verkehrs erfüllen, ist dies beim
ten erleichtert. In einigen Regelungsrahmen wird       Carsharing nicht der Fall. 3
zwischen Linien- und Gelegenheitsverkehr unter-
schieden. Einige Länder wählen in der Regel bei        Datenschutzrecht
Ausschreibungen diejenigen Transportoptionen           Das gesamte Datenschutzrecht dreht sich um die
aus, die für eine öffentliche Finanzierung in Frage    EU-Datenschutz-Grundverordung (DSGVO). Da-
kommen. Andere können den Verkehrsanbietern            nach ist die Verarbeitung personenbezogener Da-
einen Verlustausgleich anbieten, weil der öffent-      ten dann rechtmäßig, wenn die betroffene Person
liche Personenverkehr als soziale Verpflichtung        in die Verarbeitung eingewilligt hat oder wenn sie
betrachtet wird. Auch die Art der Benutzergruppe       für die Erfüllung einer im öffentlichen Interesse lie-
spielt eine Rolle. Zum Beispiel kann der öffentliche   genden Aufgabe erforderlich ist. Weitere Schlüs-
Personenverkehr für Menschen mit Behinderun-           selprinzipien der DSGVO sind die Zweckbindung
gen oder für Schüler subventioniert oder kosten-       und der Grundsatz der Datenminimierung. Das
los sein. In den meisten Fällen wird die Regierung     Datenschutzrecht spielt eine wichtige Rolle im
die Anbieter für diese Kosten entschädigen. In den     Prozess der Etablierung innovativer Mobilitätslö-
meisten Ländern erhalten öffentliche Verkehrsbe-       sungen. Es ist wichtig, Buchungs- oder Registrie-
triebe Steuervergünstigungen. 3                        rungssysteme so zu gestalten, dass alle Nutzer
                                                       aktiv in die Verarbeitung ihrer Daten einwilligen. 3
Versicherungsrecht
Lösungen müssen Versicherungsschutz haben.
Das Gesetz ist in jedem Land der Ostseeregion
in dieser Hinsicht unterschiedlich. In den meisten
Ländern (wie z.B. Finnland, Lettland, Polen und
Schweden) ist der Eigentümer eines Fahrzeugs für
jede erforderliche Versicherung verantwortlich. In
Deutschland muss jedoch nicht der Eigentümer,
sondern der Halter des Fahrzeugs, also die Person,
die das Fahrzeug auf eigene Rechnung nutzt und
für seine Verkehrssicherheit sorgt, eine Kfz-Haft-
pflichtversicherung abschließen. Das muss nicht
der Eigentümer des Fahrzeugs sein. Wenn Güter
transportiert werden sollen, kann eine Zusatzver-
sicherung dafür durchaus eine gute Idee sein.³

                                                                                              MAMBA       19
4. Lassen Sie sich von
   diesen innovativen Mobilitäts-
   lösungen inspirieren!
Im Rahmen des MAMBA-Projekts wurden ver-                 4.1. Zentrum für digitale Mobilität
schiedene innovative Mobilitätslösungen in neun          in Nordkarelien, Finnland
verschiedenen ländlichen Räumen im gesamten              Hauptautor: Pasi Lamminluoto, Projektleiter beim
Ostseeraum umgesetzt. Sie alle versuchten, so-           Regionalrat von Nordkarelien.
wohl die allgemeine Mobilität als auch den Zugang
zu Dienstleistungen zu verbessern. In diesem Kapi-       Worum geht es bei der innovativen Mobil-
tel werden diese Geschichten in verschiedenen Un-        itätslösung?
terkapiteln der Reihe nach erzählt. Jede von ihnen       Der Regionalrat von Nordkarelien wollte eine
spiegelt die unterschiedlichen Stile der verschie-       technische Lösung, um verschiedene Formen des
denen Hauptautoren wider, die bei den tatsächli-         öffentlichen Personenverkehrs in einer benutzer-
chen Aktivitäten vor Ort immer eine Schlüsselrolle       freundlichen digitalen regionalen Verkehrsplatt-
gespielt haben (oder weiterhin spielen). Dadurch         form zusammenzuführen – einem so genannten
erhält jede Fallbeschreibung ein bewusstes Maß           „Mobilitätszentrum“, das alle relevanten Verkehrs-
an „Bodenhaftung“, weil die beteiligten Verfasser        und Mobilitätsdaten zusammenführt. Daraus ist
wirklich wissen, wovon sie sprechen.                     ein Portal für den öffentlichen Personenverkehr
    Jedes Unterkapitel ist wie folgt strukturiert:       namens POJO entstanden, das im Februar 2020
Der erste Teil beantwortet immer kurz und knapp          gestartet wurde. Man erreicht das Portal on-
die Frage: „Worum geht es bei der innovativen            line unter https://pojo.pohjois-karjala.fi/ und als
Mobilitätslösung?“. Es stellt die Hauptakteure, die      Smartphone-App.
Hauptnutzer und das Gesamtergebnis vor. Da-                  Das Portal zeigt die Fahrpläne und Routen von
nach folgt die Antwort auf die Frage: „Was war           Regionalbussen, Fernbussen, Zügen und Trans-
der Ausgangspunkt?“ In diesem Abschnitt wer-             port-on-Demand-Diensten. Sie enthält auch In-
den die wichtigsten Umstände erläutert, wie z.B.         formationen über Flughafenbusse, Taxidienste
die Mobilitätsprobleme und -bedürfnisse, die im          und Fahrgemeinschaften. Die Hauptnutzer von
Rahmen des Projekts behandelt wurden, interne            POJO sind die Menschen in der Region, der Ge-
Ressourcen und die Ausgangsituation – einschließ-        meinde und die Touristen.
lich demographischer, kultureller, wirtschaftlicher,
infrastruktureller und geographischer Faktoren.          Was war der Ausgangspunkt?
Danach werden die verschiedenen Aktivitäten vor-         Der wichtigste Stakeholder im Mobilitätszentrum
gestellt. Ziel ist es dabei, zu erklären: „Wie ist die   ist der Regionalrat von Nordkarelien. Eine Voraus-
tatsächliche Umsetzung erfolgt und was sind die          setzung für die Entwicklung der Idee war ein quali-
ersten Ergebnisse?“ Natürlich enthält jedes Un-          tativ hochwertiges Breitbandnetz für die digitalen
terkapitel auch einen Abschnitt über „Was können         Dienste. Wie in allen MAMBA-Regionen kämpft
andere Regionen daraus lernen?“ um Erkenntnisse          auch der ländliche Raum Nordkareliens gegen den
aus den Lessons Learned zu formulieren, die auf          Trend des Rückgangs öffentlicher und privater
andere Projekte übertragen werden können, aber           Dienstleistungen vor Ort (wie Gesundheitsversor-
auch um wahrscheinliche Risiken oder Hindernisse         gung, Kultur und Einkaufen) und hat daher einen
zu identifizieren. Jede Fallbeschreibung enthält         erhöhten Personentransportbedarf. Die Reduzie-
auch einen Ausblick auf die nächsten geplanten           rung der staatlichen Subventionen für öffentliche
Schritte sowie zugehörige Bilder und manchmal            Buslinien in abgelegenen Gebieten Finnlands er-
Zitate von Nutzern, Fahrern oder Koordinatoren.          wies sich als zusätzliche Motivation, neue, inno-

20   Mobilität für alle im ländlichen Raum
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