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MOBILITÄT FÜR ALLE IM LÄNDLICHEN RAUM Inspirationen des MAMBA-Projekts Von Julia Dick, Ralf Brand, Kristin Tovaas, Rupprecht Consult GmbH
Mobilität für alle im ländlichen Raum: Lektorat: Tam McTurk, Citadel Translations Inspirationen des MAMBA-Projekts Übersetzung: Heike Demme, Certrans GmbH Zitierweise: Dick, J., Brand, R., Tovaas, K. (2020). Layout: Agnes Stenqvist Design Mobilität für alle im ländlichen Raum: Inspirierende Lö- sungen von MAMBA. Stockholm: Nordregio. Titelbild: Charles Lamb/Unsplash Verfasser: Julia Dick, Ralf Brand, Kristin Tovaas, Haftungsausschluss: Die in dieser Publikation geäußer- Rupprecht Consult – Forschung & Beratung GmbH. ten Ansichten liegen in der alleinigen Verantwortung der genannten Verfasser und spiegeln nicht unbedingt Mitwirkende Autoren: Sandra Brigsa (VUAS), Janis die Ansichten der Europäischen Kommission oder des Bikshe (VUAS), Åsa Ström Hildestrand (Nordregio), Interreg-Sekretariats wider. Pasi Lamminluoto (Pohjois-Karjalan liitto), Andris Lapans (VUAS), Marianne Pedersen (NaboGo), Annika © Copyright – Urheberrechtshinweis: Alle Bilder und Schmiedek-Inselmann (Diakonie Schleswig-Holstein) Textelemente in dieser Publikation, für die eine Quelle Teile dieses Dokuments basieren auf den Vorstudien des angegeben wird, sind Eigentum der genannten Or- MAMBA-Projekts, die von folgenden Partnern erstellt ganisationen oder Personen. Die Verfasser möchten wurden: Nordregio (Vorstudie zu sozio-kulturellen De- zu einer umfassenden Verwendung dieses Leitfadens terminanten innovativer ländlicher Mobilitätslösungen), ermutigen. Dieses Dokument darf kostenlos verwendet, IKEM (Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität; vervielfältigt und über jedes Medium weiterverbreitet Vorstudie zu rechtlichen Determinanten innovati- werden, vorausgesetzt, dass (a) die Quelle mit der oben ver ländlicher Mobilitätslösungen), Fachhochschule angegebenen Zitierweise angegeben wird und (b) die Vidzeme (Livland) (Vorstudie zu sozio-ökonomischen Verwendung des weiterverbreiteten Materials kostenlos Determinanten ländlicher Mobilitätslösungen) und ist. Die gewerbliche Nutzung dieses Dokuments sowie Fachhochschule Kiel (Vorstudie zu Mobilitätszentrums- Änderungen seines Inhalts sind nur mit ausdrücklicher modellen). Alle vier Dokumente stehen unter: www. Genehmigung der Urheberrechtsinhaber gestattet. Die mambaproject.eu/products auf Englisch zum Down- Verwendung dieses Dokuments fällt unter die Creative load zur Verfügung. Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitung 4.0 Internatio- Mitwirkende Autoren (in alphabetischer Reihenfolge): nal). Der offizielle Text der Lizenz ist verfügbar unter: Tanja Aronsen, Maciej Bereda, Sandra Brigsa, Aleksand- https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ ra Chrystowska-O'Shea, Sylwia Hudziec, Pasi Lammin- legalcode. luoto, Jani Palomäki, Marianne Pedersen, Sami Perälä, Christoffer Pettersson-Hernestig, Anna Plichta-Kotas, Kontakt: Līga Puriņa-Purīte, Nicole Rönnspieß, Annika Schmie- Diakonie Schleswig-Holstein (MAMBA-Leadpartner), dek-Inselmann, Beatrice Siemons, Päivi Tuisku, Hakan Nicole Rönnspieß: roennspiess@diakonie-sh.de Uraz, Sanna Valkosalo, Jasmin Weissbrodt. www.mambaproject.eu Peer-Reviewer: Doris Scheer, Diakonie Schleswig- Holstein; Hakan Uraz und Jakob Marcks, REM Consult MAMBA – Maximising Mobility and Accessibility in Regions Affected by Demographic Change (Verbesserung der Mo- bilität und des Zugangs zu Dienstleistungen in vom demografischen Wandel betroffenen Regionen) ist ein mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Rahmen des INTERREG B-Ostseeprogramms 2013-2020 gefördertes Projekt. Der Inhalt des Berichts gibt die Meinung des Verfassers/Partners wieder. Weder die Europäische Kommission noch die Verwaltungsbehörde/das Programmsekretariat haften für die Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt und Eigentum ihrer jeweiligen Inhaber. Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grund- sätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. 4 Mobilität für alle im ländlichen Raum
Inhalt Herzlich willkommen 6 Vorwort 7 1. Einleitung 8 2. Erkennen Sie die Herausforderung und nehmen Sie sie an! 10 3. Berücksichtigen Sie den lokalen Kontext! 14 3.1. Nutzen Sie Ihre vorhandenen Ressourcen! 14 3.2. Bauen Sie auf bestehenden Strukturen auf! 16 3.3. Beachten Sie die Rechtsvorschriften! 18 4. Lassen Sie sich von diesen innovativen Mobilitätslösungen inspirieren! 20 4.1. Zentrum für digitale Mobilität in Nordkarelien, Finnland 20 4.2. Transport-on-Demand-Dienst in der Planungsregion Vidzeme (Livland), Lettland 23 4.3. Mobilitätslösungen in Bielsko, Polen 28 4.3.1. Transport-on-Demand-Dienst in Bielsko, Polen 29 4.3.2. Nicht-kommerzielle Fahrgemeinschaften in Bielsko-Biała, Polen 31 4.4. Regionale Mobilitätszentrale und ländliches Carsharing im Landkreis Cuxhaven, Deutschland 32 4.5. Anruf-Linien-Fahrten (ALFA) und interaktive Karte in Plön 37 4.6. Kreative Lösungen für Mobilität und den Zugang zu Dienstleistungen in Trelleborg, Schweden 40 4.6.1. Diskussionsplattform zum Thema Mobilität 41 4.6.2. Co-Working Space „Kontorskafé“ und digitales Mobilitätszentrum 43 4.6.3. Bustransport für ältere Menschen 44 4.7. Fahrgemeinschafts-App in Vejle, Dänemark 47 4.8. Service-to-People-Lösung auf der Hallig Hooge 50 4.9. Regionale Lenkungsgruppe für Mobilitätsdienste in Südostbottnien, Finnland 54 Schlussfolgerung 55 Weitere Informationen und Fußnoten 58 Abbildungen: Abbildung 1: Teufelskreis der in der Abwanderung befindlichen ländlichen Gebiete 11 Abbildung 2: Schematische Darstellung des Modells des Mobilitätszentrums Südostbottnien 55 MAMBA 5
Herzlich Willkommen! Dieses Dokument stellt die innovativen Mobi- nen MAMBA-Lösungen. Die Akteure vor Ort litätslösungen vor, die im Rahmen des MAM- sind die Reiseleiter. Sie nehmen den Leser an BA-Projekts entwickelt und umgesetzt wur- die Hand, tauschen Erfahrungen aus, spre- den. Jede Lösung ist einzigartig, weil sie die chen über die verschiedenen Herausforderun- Chancen und Möglichkeiten des einzigartigen gen, stellen andere Mitglieder ihre Bündnisse lokalen Kontexts in der Region nutzt. Infol- vor und präsentieren die Lösungen, die sie gedessen hat jede einzelne Maßnahme ihre entdeckt haben. Wir möchten uns bei allen, eigene Geschichte, die in diesem Dokument die zu diesem wichtigen Dokument beigetra- vorgestellt wird. Die Erfahrungen werden auf gen haben, ganz herzlich bedanken. Wir hof- unterschiedliche Art und Weise vorgestellt. fen, dass es andere inspirieren wird, die ähn- Darin spiegeln sich die verschiedenen Men- liche Ziele verfolgen. Also Menschen, die die schen wider, die tatsächlich vor Ort daran Mobilitätssituation in ihrer ländlichen Region gearbeitet haben, die Mobilität und den Zu- durch neue Partnerschaften, durch intelli- gang zu Dienstleistungen im ländlichen Raum gente Ideen und durch viel Engagement zum zu fördern. Dieses Dokument nimm den Leser Wohle aller, die in den schönen ländlichen Ge- bewusst mit auf eine Reise zu den verschiede- bieten Europas leben, verbessern möchten. Quelle: Taneli-Lahtinen/Unsplash 6 Mobilität für alle im ländlichen Raum
Vorwort nannte People-to-Service-Lösungen, und bei ande- ren werden die Dienstleistungen zu den Menschen gebracht, sogenannte Service-to-People-Lösun- gen. Darüber hinaus wurden so genannte Mobili- tätszentren eingerichtet – digital und tatsächlich-, um Informationen und Dienstleistungen zu ver- schiedenen Arten des Nahverkehrs zu bündeln und Als Leadpartner von MAMBA sind wir überzeugt: zu integrieren, um den Menschen den Zugang zu Für einen starken, nachhaltigen gesellschaftlichen Mobilität und sozialen Gütern zu erleichtern. Alle Zusammenhalt brauchen wir ein soziales Europa, MAMBA-Gebiete kämpfen mit typischen Heraus- das allen Menschen, insbesondere den Angehöri- forderungen, verfügen aber auch über besondere gen benachteiligter Gruppen, eine gerechte Teil- Möglichkeiten, wie engagierte Gemeinschaften, habe ermöglicht! Der gleichberechtigte Zugang enge soziale Netzwerke usw. Es ist daher wichtig, zu grundlegenden Dienstleistungen ist eines der dass die Erfahrungen von MAMBA mit Menschen in sozialethischen Prinzipien, die unser Handeln lei- anderen Regionen Europas geteilt werden, die die ten. Mobilität und Zugang zu Dienstleistungen sind Situation in ihren ländlichen Gemeinden verbes- offensichtlich entscheidende Faktoren, um dieses sern möchten. Ziel zu erreichen, daher sind sie Querschnittsthe- Diese Publikation dient genau diesem Zweck: men für alle unsere Teams in der Diakonie Schles- Es ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von 16 wig-Holstein, die in allen relevanten Bereichen der MAMBA-Partnern aus verschiedenen Ländern. Sie Sozialarbeit tätig sind. Genau aus diesem Grund haben über Ländergrenzen hinweg gemeinsam da- haben wir das MAMBA-Konsortium mit Stolz ran gearbeitet, die bestmöglichen Ideen auf loka- durch die spannende gemeinsame Reise über drei ler Ebene umzusetzen und voneinander zu lernen. Jahre geführt. Jetzt, da ihr Weg ein Zwischenziel erreicht hat, tre- Wir können uns nicht weiterhin auf konventio- ten sie einen Schritt zurück, um selbstkritisch dar- nelle Verkehrsmittel verlassen, um alle Mobilitäts- über nachzudenken, was gut gelaufen ist, was man probleme zu lösen, insbesondere nicht im ländli- hätte besser machen können und was man ande- chen Raum, der geprägt ist von demographischen ren empfehlen kann, die vor ähnlichen Herausfor- Herausforderungen wie Abwanderung und Überal- derungen stehen. Der Austausch zu den aus dem terung der Bevölkerung. Wir müssen daher kreativ Projekt gezogenen Lehren ist grenzüberschreiten- über neue Wege nachdenken, um den Zugang für de Zusammenarbeit in Aktion. Es ist ein Weg, in alle zu gewährleisten. Die jüngsten Fortschritte bei einer sich ständig weiterentwickelnden EU gemein- Konzepten, die auf der Idee des Teilens basieren sam voranzukommen, den regionalen Zusammen- oder im Bereich der Kommunikationstechnologien halt zu fördern und dadurch die Lebensgrundlage bergen zum Beispiel das Potenzial für einen bes- der Menschen auf lokaler Ebene zu verbessern. seren Zugang zu Dienstleistungen im ländlichen Diese Publikation ist neben dem Leitfaden Raum. Es gibt auch vielversprechende Fälle, in de- für kollektive Mobilitätslösungen im ländlichen nen bestimmte Dienstleistungen zu den Menschen Raum, den Politischen Empfehlungen und der Da- kommen, anstatt dass jeder einzeln in ein Geschäft, tenbank für Beispiele innovativer Mobilität eines eine Bank, eine Arztpraxis usw. fährt. Projekte wie der wichtigsten Ergebnisse des MAMBA-Projekts. MAMBA spielen in diesem Zusammenhang eine Gemeinsam liefern diese Dokumente wertvolle In- entscheidende Rolle, weil sie Neuland betreten, et- spirationen und Ratschläge für Menschen (Bürger, was Innovatives ausprobieren, sogar ein gewisses Dienstleister, Behörden, Unternehmen usw.), die in Risiko eingehen und den Menschen, wo immer sie ihrer Gemeinde etwas Positives bewirken wollen. leben, konkrete, handfeste Vorteile bringen. Da- Mit anderen Worten: MAMBA und jeder, der sich durch fördern diese Projekte die sozioökonomische davon inspirieren lässt und Ratschläge aufgreift, Inklusion, bessere Chancen für alle und eine ausge- schließt sich der Diakonie Schleswig-Holstein in wogene Entwicklung in der weiteren Region. ihrem Bemühen an, die soziale Entwicklung der be- Konkret wurden im Rahmen von MAMBA mehr nachteiligten Regionen der Europäischen Union als ein Dutzend Pilotprojekte in ländlichen und zu unterstützen. Ich bin allen dankbar, die diese manchmal sehr abgelegenen Gebieten in sechs Ambition teilen: Krempeln Sie die Ärmel hoch und Ländern des Ostseeraums umgesetzt. Einige von packen Sie es an! ihnen fallen in die Kategorie, bei denen die Men- schen zur Dienstleistung gebracht werden, soge- Heiko Naß Landespastor im Diakonischen Werk Schleswig-Holstein MAMBA 7
1. Einleitung Was ist MAMBA? Wie MAMBA ländliche Regionen MAMBA steht für „Maximising Mobility and Ac- lebenswerter macht! cessibility of Services in Regions Affected by De- MAMBA fördert nachhaltige Mobilitätslösungen in mographic Change“ (Verbesserung der Mobilität ländlichen Gebieten im Ostseeraum – und bezieht und des Zugangs zu Dienstleistungen in vom de- die Nutzer in den Prozess mit ein. Es werden zwei mografischen Wandel betroffenen Regionen). Es Hauptansätze verfolgt: handelt sich um ein europäisches INTERREG-Pro- l People-to-service: dies bedeutet, den Menschen jekt, das darauf abzielt, die Lebensqualität in den Zugang zu bestimmten Dienstleistungen (Ge- ländlichen Gebieten im Ostseeraum durch inno- schäfte, Banken, Bibliotheken, Ärzte usw.) zu er- vative Lösungen für Mobilität und den Zugang zu leichtern. Dienstleistungen zu verbessern. l Service-to-people: das bedeutet, dass die An- Auf den ersten Blick scheinen die Aussichten bieter bestimmter Dienstleistungen zu den Men- für solche Regionen düster. Bestimmte Prozes- schen selbst kommen – oder zumindest an einen se (z.B. Überalterung der Bevölkerung, Abwan- Ort in der Nähe, etwa in ein Dorfzentrum. derung, wirtschaftliche Probleme, angespannte öffentliche Haushalte) ziehen viele abgelegene In den drei Jahren hat das Projekt versucht, Ant- Regionen in ganz Europa in einen sich selbst ver- worten auf folgende Fragen zu finden: stärkenden „Teufelskreis der Abwanderung“, einen l Wie können wir in Zukunft die ländliche Mobilität sich selbst erhaltenden Kreislauf (oder Kreis), der und Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge sich negativ auf die Lebensqualität im ländlichen so organisieren, dass sie die Menschen erreichen, Raum auswirkt. Bei genauerem Hinsehen zeigt die darauf angewiesen sind? sich jedoch, dass es bei der Suche nach Lösungen l Wie können wir ländliche Mobilitätsdienste ent- noch viel verstecktes Potenzial gibt, das nur dar- wickeln, die für alle Einwohner so nützlich und zu- auf wartet, erschlossen zu werden. Dazu gehören gänglich wie möglich sind? starke soziale Netzwerke, Kreativität, Engage- l Wie könnte Technologie zur Unterstützung und ment, Ressourcen, ein kollektiver Sinn für Wohl- Verbesserung ländlicher Mobilitätsdienste einge- tätigkeit und die verschiedenen Infrastrukturen, setzt werden? die die Mitglieder der lokalen Gemeinschaft und/ l Wie können die Nutzer kontinuierlich einbezogen oder des öffentlichen Sektors besitzen. MAMBA werden, damit wir ländliche Mobilitätsdienste ent- macht deutlich, wie kleine Eingriffe in das beste- wickeln, die für sie relevant sind und ihren Bedürf- hende System tatsächlich etwas verändern und nissen entsprechen? diesem (Teufels-)kreis entgegenwirken können. Mit einem Konsortium bestehend aus 15 Part- Wir hoffen, dass wir Ihre Neugierde wecken nern aus sechs Ländern untersuchte MAMBA können, wenn wir Sie einladen, in diesem Do- diese Fragen und stellte mögliche Lösungen vor. kument, das wir mit Stolz „Mobilität für alle im Das Konsortium hat mehr als ein Dutzend Mobi- ländlichen Raum" nennen, mehr über die Ideen litätslösungen in abgelegenen Regionen, Städten und erfolgreichen lokalen Projekte von MAMBA und Dörfern im gesamten Ostseeraum gemein- zu erfahren. Das Dokument beschreibt aber auch sam mit lokalen Akteuren gestaltet. Jede dieser – und das ist mindestens genauso wichtig – die Maßnahmen stand zeitweise vor besonderen He- Schwierigkeiten, auf die wir gestoßen sind, und rausforderungen. Mal waren sie finanzieller, mal wie wir damit umgegangen sind. soziokultureller, organisatorischer, politischer oder rechtlicher Art. Doch mit Mut, Einfallsreichtum und Flexibilität konnten die meisten dieser Heraus- forderungen gemeistert werden. Zum Beispiel hat 8 Mobilität für alle im ländlichen Raum
Quelle: Anete Gluha, Mazsalaca municipality. MAMBA den ersten ländlichen Dienst für eine Be- gewonnenen Erkenntnisse sind in Kapitel 5 unter förderung auf Abruf, sog. Transport-on-Demand, der Überschrift „Schussfolgerungen" zusammen- in Lettland eingeführt. Dafür war viel Pionierar- gefasst. beit erforderlich. Auf der Hallig Hooge, auf der nur Wenn diese innovativen Mobilitätslösungen etwa 100 Menschen leben, konnten wir die Bereit- Ihr Interesse wecken und Sie zu konkreten Maß- stellung von Sozialberatung mit digitalen Mitteln nahmen motivieren, möchten wir Ihnen hier einige verbessern, den Transportbedarf verringern und weitere Dokumente empfehlen: die Lebensqualität steigern. Im polnischen Ober- schlesien hat MAMBA abgelegene Dörfer durch ein 1. „Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslö- neues, bedarfsgerechtes Nahverkehrsangebot an sungen im ländlichen Raum.“ Dieser Leitfaden ist die nächsten Städte angebunden. In einem länd- ein weiteres Vorzeigeergebnis des MAMBA-Pro- lichen Teil Südschwedens haben wir getestet, wie jekts. Er enthält eine Schritt-für-Schritt-Anlei- durch ländliche Co-Working-Spaces das Pendeln tung für die Planung und Umsetzung innovativer über längere Strecken verringert und gleichzeitig Mobilitätslösungen. Sie finden ihn auf der MAM- das Gemeinschaftsleben gefördert werden kann. BA-Website: www.mambaproject.eu Dieses Projekt wurde sogar für den städtischen 2. Die MAMBA-Datenbank für innovative Mobili- Innovationspreis des Jahres 2020 nominiert. Dies tätslösungen, die eine Vielzahl von Beispielen aus sind nur einige Beispiele für MAMBA-Initiativen. dem Ostseeraum und darüber hinaus sowie Er- Weitere Anregungen zu diesen und anderen läuterungen zu bewährten Verfahren, Inspiration Fallstudien folgen in diesem Dokument. Kapitel 2 und Kontaktdaten für Betreiber enthält: www. beleuchtet die Herausforderungen und Chancen mambaproject.eu/database für innovative Mobilitätslösungen im ländlichen 3. Empfehlungen, die der Politik als Orientierungs- Raum. In Kapitel 3 werden verschiedene Faktoren, hilfe dienen und den politischen Entscheidungsträ- die bei der Umsetzung innovativer Mobilitätslö- gern, die Lobbyarbeit für neue Gesetzesvorhaben sungen eine Rolle spielen können, dargestellt und und politische Veränderungen betreiben wollen, erläutert. Dazu gehören finanzielle, rechtliche und zahlreiche Ansatzpunkte für eine verbesserte Mo- personelle Erwägungen. Der wichtigste Teil des bilität und Zugang zu Dienstleistungen im ländli- Dokuments ist Kapitel 4, in dem die MAMBA-Pro- chen Raum liefern sollen. Auch dieses Dokument jekte vorgestellt werden, die in verschiedenen ist auf der MAMBA-Website verfügbar: www. ländlichen Gebieten des Ostseeraums durchge- mambaproject.eu. führt wurden. Die aus diesen zahlreichen Projekten MAMBA 9
2. Erkennen Sie die Herausforderung und nehmen Sie sie an! Die Herausforderungen Im ländlichen Raum beginnt der Teufelskreis der Der ländliche Raum zeichnet sich durch große Ent- Abwanderung, wenn die ländliche Bevölkerung – fernungen und eine geringe Bevölkerungsdichte insbesondere die arbeitenden Steuerzahler – unter aus. Dies macht den traditionellen öffentlichen einen kritischen Wert fällt. Da die Bevölkerungs- Personenverkehr und die Bereitstellung von So- dichte im ländlichen Raum bereits gering ist, führt zialdiensten für den öffentlichen Sektor zu einer jede Abwanderung oder Alterung der Bevölke- kostspieligen Herausforderung. Gleichzeitig sind rung gleichzeitig auch zu geringerer Investition in ausreichende Transportmöglichkeiten und soziale Dienstleistungen und Infrastruktur. Die Pro-Kopf- Dienste für abgelegene Regionen überlebenswich- Kosten des öffentlichen Sektors für die weitere tig, denn der Zugang zu Verkehrsmitteln ist ein wichtiger Faktor für die Verbesserung der Wett- bewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Attraktivi- tät ländlicher und abgelegener Gebiete. Dies wird erreicht, indem der Zugang zu wesentlichen Ange- boten – wie Beschäftigung, Bildung, Gesundheits- versorgung und Freizeitaktivitäten – sowohl für die Einwohner als auch für potenzielle Besucher sichergestellt wird. Ebenso wichtig ist der Zugang zu Dienstleistungen. Die schlechte Erreichbarkeit von Dienstleistungen gehört zu den Faktoren, die zur Marginalisierung und Peripheralisierung vieler ländlicher Regionen führen. Wenn Dienstleistungen nur schlecht er- reichbar sind, kann dies sowohl zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität und des wirtschaft- lichen Potenzials als auch zu einem niedrigen sozi- oökonomischen Leistungsniveau führen. Die Verbesserung sowohl der Mobilität als auch des Zugangs zu Dienstleistungen in ländlichen Gebieten sind zentrale Antworten auf die Heraus- forderungen, mit denen diese ländlichen Regionen konfrontiert sind. Sie sind wichtig, um den „Teu- felskreis der Abwanderung“ zu durchbrechen, dem viele ländliche Gemeinden ausgesetzt sind (siehe Abbildung 1). Quelle: Janis Bikse. 10 Mobilität für alle im ländlichen Raum
Quelle: Andris Lapans. dünnen“ und in einigen Fällen sogar ganz einstellen müssen. Die Situation kann sich verschlimmern, Abwanderung wenn eine schrumpfende und alternde Bevölke- Niedrige Bevölke- (+Überalterung) rungsdichte rung zu weniger Nutzern des öffentlichen Perso- nenverkehrs führt, während gleichzeitig immer mehr Menschen spezielle Transportmöglichkeiten benötigen, wie z.B. Krankenhaus- und Paratransit- Teufelskreis der dienste. Den Bewohnern dieser Gebiete bleibt kei- Weniger Abwanderung Fehlen kritischer ne andere Wahl, als sich ein eigenes Auto zu kaufen (sofern sie noch fahrtüchtig und finanziell dazu in Arbeitsplätze Masse für Dienstleistungen und Infrastruktur der Lage sind), damit sie ihren Lebensstil beibehal- ten und uneingeschränkt an der Gesellschaft teil- haben können. Letztlich führen all diese Faktoren Niedrigere zusammengenommen zu einem starken Rückgang Zahl an Betriebsgründungen der Lebensqualität der Landbevölkerung. Abbildung 1: Teufelskreis der in der Abwanderung Die Möglichkeiten befindlichen ländlichen Gebiete. Quelle: OECD, 2010. Die Suche nach innovativen Wegen zur Verbesse- rung des Zugangs zu Mobilität und sozialen Diens- Bereitstellung dieser Dienstleistungen steigen in ten in Gebieten, die sich in einem Teufelskreis der solchen Situationen, was es schwierig macht, sie Abwanderung befinden, könnte einer der Schlüssel aufrechtzuerhalten oder zu verbessern. Folglich zur Umkehrung dieses Trends sein. In der Abwan- ist es für diese Gebiete schwierig, Unternehmen derung befindliche ländliche Gebiete erfordern anzuziehen und zu halten, die stattdessen in wirt- innovative Mobilitätslösungen, die den strukturel- schaftlich tragfähigere Gebiete mit einer größeren len Veränderungen in Wirtschaft und Demografie Zahl potenzieller Kunden und Mitarbeiter ziehen. Rechnung tragen. Das Hauptziel besteht darin, Dies führt zu weniger Arbeitsplätzen in der Regi- den Zugang zu Dienstleistungen zu verbessern on, was die Bewohner unweigerlich weiter dazu und die Mobilitätsbedürfnisse der verbleibenden zwingt, für Arbeit oder Bildung wegzuziehen. Einwohner zu befriedigen und dadurch ihre Le- Der Teufelskreis der Abwanderung verschärft bensqualität zu verbessern. Kurzfristig macht dies sich also, da für den öffentlichen Sektor immer das Gebiet lebenswerter und verringert die soziale weniger Mittel zur Verfügung stehen, um einen Isolierung; längerfristig könnte es dazu beitragen, ausreichenden Zugang zu Mobilität und sozialen den Teufelskreis der Abwanderung umzukehren, Diensten zu gewährleisten. Für viele ländliche Ge- indem es mehr Einwohner und Unternehmen an- biete bedeutet dies, dass die Behörden den öffent- zieht und damit letztlich die wirtschaftliche Vitali- lichen Personenverkehr und Sozialdienste „aus- tät des Gebiets verbessert. MAMBA 11
Quelle: Taneli-Lahtinen/Unsplash Der ländliche Raum hat andere Bedürfnisse und tors, sich eher als gleichberechtigten Partner und andere Ressourcen als städtische Gebiete. Folglich Vermittler von kollaborativen Mobilitätslösungen können Lösungen, die in städtischen oder stadtna- zu verstehen. hen Gebieten erfolgreich waren, nicht einfach auf In ländlichen Gebieten gibt es viele Möglich- ländliche Gebiete übertragen werden. Aber muss keiten, die vorhandenen sozialen Netze, Ressour- die Suche nach einem besseren Zugang zu Mobi- cen und die Infrastruktur des öffentlichen Per- lität und Dienstleistungen im ländlichen Raum ein sonenverkehrs effizient, kostengünstig und in harter Kampf sein? Wir glauben, dass dies nicht einer Weise zu nutzen, die für die Anwohner von zwingend so sein muss – tatsächlich können länd- erheblichem Wert sein kann. Trotz der geringe- liche Gebiete ein besonders fruchtbarer Boden für ren Bevölkerungsdichte sind die sozialen Kontakte den öffentlichen Sektor und Akteure an der Basis in ländlichen Gebieten tendenziell enger und das sein, um kooperatives Arbeiten zu entwickeln und Vertrauen unter Nachbarn ist größer. Dies ist in Mobilitätslösungen erfolgreich umzusetzen. Die gewisser Weise ungenutztes soziales Kapital, das Zusammenarbeit zwischen Akteuren der Privat- darauf wartet, für kollaborative Mobilitätslösun- wirtschaft oder Freiwilligen und dem öffentlichen gen mobilisiert zu werden. Projekte, die in diesem Sektor führt zu Innovation, größerem sozialen Zu- Sinne entwickelt wurden und die nachweislich gut sammenhalt und Eigenverantwortung für Lösun- auf die Bedürfnisse der Landbevölkerung abge- gen. Um diese Vorteile zu nutzen, ist es jedoch not- stimmt sind, konzentrieren sich insbesondere auf wendig, über den Tellerrand hinaus zu schauen und Lösungen für den letzten Kilometer und den per- von den etablierten Mustern und konventionellen sonalisierten Transport – einschließlich flexibler Protokollen, Rollen und Verantwortlichkeiten ab- bedarfsorientierter Dienstleistungen, Car-Sha- zuweichen, die typischerweise eine Trennwand ring, Mitfahrgelegenheiten und Pedelecs. zwischen dem öffentlichen Sektor und der Basis aufbauen. Der Schlüssel liegt entweder darin, die- Die MAMBA-Lösungen se Wand einzureißen oder darin, Wege zu finden, Die MAMBA-Partner nahmen diese Herausforde- um Fenster zwischen den verschiedenen Teilneh- rungen an und versuchten, durch die gemeinsame mern zu öffnen. Dies kann erreicht werden, indem Entwicklung und Umsetzung innovativer Mobili- man wirksame Wege findet, die vorhandenen Res- tätslösungen dazu beizutragen, den Teufelskreis sourcen der verschiedenen Akteure zu mobilisie- der Abwanderung zu durchbrechen. Das auf drei ren, damit sie gemeinsam ein Ziel erreichen. Dies Jahre angelegte Projekt bot den längeren Zeit- erfordert die Bereitschaft des öffentlichen Sek- raum, der notwendig war, um neue Mobilitätslö- 12 Mobilität für alle im ländlichen Raum
Personenbeförderung zur MAMBA Teilnahme am gesellschaft- lichen Leben und zur Gesund- Lösungen für Portal für den öffentlichen heitsvorsorge in der Region Personenverkehr für Mobilität und den Südostbottnien, Finnland. die Einwohner in der Zugang zu Dienst- gesamten Region leistungen Nordkarelien, Finnland. Fahrgemeinschafts-App für das Dorf Smidstrup-Skærup, das zur Gemeinde Vejle in Südjütland, Dänemark gehört Transport-on-Demand in den Gemeinden Aluksne und Mazsalaca, Vidzeme, Co-Working Space im Lettland ländlichen Raum in Södra Mobile Sozial- Åby und Busse für ältere beratung für die Menschen. Gemeinde Einwohner der Trelleborg, Schweden. Hallig Hooge Transport-on-Demand-Dienst und Online-Plattform mit Informationen Fahrgemeinschafts-App in Bielsko-Biała, über die Personenbeförderungsmög- Polen. Das Mobilitätszentrum des Kreises lichkeiten im Kreis Plön, Deutschland Bielski stellt Informationen zu den und Transport on Demand-Dienst Beförderungsmöglichkeiten und einen Buchungsdienst zur Verfügung. Car-Sharing im ländlichen Raum mit ehrenamtlichen Fahrdienst In der Ortschaft Neuenwalde, Stadt Geestland im Landkreis Cuxhaven, Deutschland und Regionale Mobilitätszentrale über die Personenbeförderungsmöglichkeiten im Landkreis Cuxhaven 0 150 300 km MAMBA-Lösungen für Mobilität und den Zugang zu Dienstleistungen sungen zu entwickeln, auszuhandeln, umzusetzen die MAMBA-Partner auch so genannte Mobilitäts- und zu testen sowie ihre Wirk- samkeit und Nach- zentren, um dort Informationen über verschiedene haltigkeit zu beurteilen. Dieses Zeitfenster ermög- Verkehrsmittel auf einer zentralen "Informations- lichte es MAMBA, die Veränderungen der Art und plattform“ zusammenzuführen – sei es physisch Weise, wie sich die Einwohner in den MAMBA-Pro- oder digital. jektgebieten bewegen, genau zu beobachten und MAMBA-Lösungen versuchen immer, lokale dabei auch soziale, kulturelle und wirtschaftliche Möglichkeiten und Ressourcen zu nutzen. Sie be- Faktoren zu berücksichtigen. dienen sich der lokalen Gemeinschaft, was bei- Dieses Dokument beschreibt Maßnahmen, die spielsweise in Trelleborg der Fall war, und in Vejle. im Rahmen des MAMBA-Projekts entwickelt und Ein weiteres Beispiel ist Plön, wo der bereits beste- umgesetzt wurden. Einige von ihnen konzentrier- hende öffentliche Personenverkehr durch zusätz- ten sich auf People-to-Service-Lösungen, indem liche Dienstleistungen ergänzt wurde. Insgesamt sie die Zugänglichkeit zu einer Reihe von Dienst- ist die Erfahrung der MAMBA-Lösungen, dass leistungen verbesserten; andere zielten darauf ab, ländliche Gebiete in der Lage sind, bessere Mobili- neue Wege zu finden, wie Dienstleistungen zu den tätslösungen für die lokale Bevölkerung zu bieten, Menschen kommen können und haben eine Lösung wenn der öffentliche Sektor und die Akteure an versucht, die Notwendigkeit von Reisen durch die der Basis zusammenarbeiten. Lesen Sie in Kapi- Bereitstellung eines Co-Working Space für Fernar- tel 4 mehr darüber, wie dies erreicht wurde. beit zu verringern. In anderen Fällen entwickelten MAMBA 13
3. Berücksichtigen Sie den lokalen Kontext! In diesem Kapitel werden drei entscheidende Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs, Aspekte erläutert, die sehr früh im Prozess der die lokalen Behörden und – natürlich – die Nutzer. Verbesserung lokaler Mobilitätslösungen zu be- Schulen, Universitäten, Banken, Stiftungen, Bür- rücksichtigen sind. Dazu gehört eine Bestandsauf- gerinitiativen, die Industrie- und Handelskammern nahme wichtiger Chancen, aber auch möglicher und sogar religiöse Organisationen können eben- Hindernisse. falls eine wichtige Rolle spielen.1 Denken Sie krea- l Aspekt Nummer eins sind die internen Ressour- tiv darüber nach, wer sie unterstützen könnte, und cen. Dazu gehören Menschen, Wissen, Erfahrung beziehen Sie diese Stakeholder frühzeitig in das und Fähigkeiten; Entscheidungsstrukturen, beste- Projekt mit ein. hende Kontakte, Finanzen (natürlich) und andere Ressourcen. Verwaltungsstrukturen l Aspekt Nummer zwei ist ein klares Verständ- Wie effektiv sind die Entscheidungsstrukturen nis der Schlüsselfaktoren in Ihrer Region. Ist es Ihrer Organisation? zum Beispiel hügelig oder flach? Wie hoch ist das Der Weg zu einer erfolgreichen Mobilitätslösung Durchschnittsalter der Bevölkerung? Wie hoch ist ist ein Weg, der eine Vielzahl von Entscheidungen die Arbeitslosenquote? Sind Menschen typischer- erfordert. Einige davon sind nicht ganz so wichtig, weise offen dafür, neue Dinge auszuprobieren? Ist andere dafür aber von entscheidender Bedeutung. die Regionalregierung stabil? Wann sind die nächs- Es ist wichtig, dass für diesen Prozess eine wirk- ten Wahlen? Diese und verschiedene andere Fak- same Verwaltungsstruktur vorhanden ist. Zu den toren werden von Bedeutung sein. wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang ge- l Der äußerst wichtige dritte zu berücksichtigen- hören: Welche Entscheidungen können von wem de Aspekt ist die Rechtslage. Schließlich muss Ihre getroffen werden? Erfordern bestimmte Entschei- Idee die bestehende Gesetze zu Transportlizenzen, dungen eine Versammlung aller Akteure (die nur Haftungsregeln, Datenschutz, Steuervorschriften einmal im Jahr stattfindet)? Verfügen Sie über usw. einhalten. Es ist von entscheidender Bedeu- die Computerausrüstung und Fähigkeiten, um ef- tung, all diese zusammenhängenden Aspekte von fektiv mit einer großen Gruppe von Menschen zu Anfang an im Auge zu behalten. kommunizieren, die Finanzen im Auge zu behalten, Flugblätter zu entwerfen, Aufgaben zuzuweisen und zu kontrollieren und so weiter? Selbst wenn 3.1. Nutzen Sie Ihre vorhandenen Ihre Mobilitätslösung keinen Gewinn erwirtschaf- Ressourcen! ten muss oder soll, sollten Sie sie als Geschäftsbe- Ressourcen können Menschen sein, aber auch For- trieb behandeln können. men der finanziellen Unterstützung oder bereits bestehende Strukturen in Ihrer örtlichen Gemeinde. Technologische und digitale Lösungen Was sind Ihre Voraussetzungen für technologische Netzwerk (potentieller) Partner und digitale Lösungen? Wer könnte bei innovativen Mobilitätslösungen Wenn man über technologische oder digitale Lö- helfen? sungen nachdenkt (z.B. die Buchung eines be- Neue Mobilitätslösungen können niemals in der darfsabhängigen Dienstes mit flexibler Route), Verantwortung nur einer Organisation liegen. Sie ist es wichtig, die Verfügbarkeit und Qualität der sind immer auf die Zusammenarbeit einer Rei- vorhandenen IT-Infrastruktur zu prüfen. Auch der he von Partnern angewiesen. Typische Partner mobile Empfang kann unzuverlässig sein, und nicht in einer solchen strategischen Allianz wären die jeder wird notwendigerweise über einen Compu- 14 Mobilität für alle im ländlichen Raum
ter, einen Tablet-PC oder ein Smartphone mit aus- phase der Fall. Sie könnten auch in Erwägung zie- reichendem Datenvolumen verfügen. Halten Sie hen, Sponsoring-Vereinbarungen mit örtlichen Un- solche Dinge nicht für selbstverständlich. ternehmen zu treffen. Es ist auch wichtig, den Grad der Bereitschaft Bei der Planung der Preispolitik für einen Mobili- und des Vertrauens zu verstehen , mit dem Men- tätsdienst ist nicht nur die Gesamtzahl der geplan- schen dazu neigen, digitale Werkzeuge zu benut- ten Nutzer zu berücksichtigen, sondern auch die zen. In ländlichen Gebieten ist dies oft eine Her- Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Zielgruppen. ausforderung, da ältere Menschen mit digitalen Vielleicht möchten Sie Ermäßigungen für Gruppen Lösungen weniger vertraut sind. Dies war die mit besonderen Bedürfnissen, wie Menschen mit Erfahrung bei der Implementierung einer digita- Behinderungen, Senioren, Studenten und einkom- len Plattform in Nordkarelien. Es kann eine ganze mensschwache Familien oder Einzelpersonen, ge- Weile dauern, bis die Menschen „ausgefallenen“ währen. Um die Kundentreue zu erhöhen, könnten technologischen Lösungen vertrauen und sie nut- Sie auch in Erwägung ziehen, Ermäßigungen für zen. Die Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen Monats- oder Jahreskarten anzubieten.2 sollte so weit wie möglich vermieden werden. Selbst wenn also digitale Lösungen das Kernele- Kombination mit anderen Dienstleistern ment Ihres Projekts sind, denken Sie über geeigne- Welche Dienste gibt es bereits in Ihrer Region, te Unterstützungseinrichtungen nach – wie etwa wie sind sie miteinander verbunden (oder auch einen (freiwilligen) Telefondienst, der älteren oder nicht)? behinderten Menschen hilft, Mobilitätsdienste in In ländlichen Gebieten gibt es oft Orte – wie Anspruch zu nehmen. Cafés, kleine Tante-Emma-Läden oder sogar Tankstellen -, an denen den Menschen bestimm- Finanzierung te Dienstleistungen angeboten werden. An diese Wie wird der öffentliche Personenverkehr in Orte können neue Lösungen angedockt werden. Ihrer Region finanziert, und wer könnte innovative Wenn Sie beispielsweise planen, , einen neuen, von Mobilitätslösungen mitfinanzieren? Freiwilligen betriebenen Busdienst einzurichten, Zweifellos spielt Geld eine Rolle, und das gilt auch könnten die Fahrgäste in einem Tante-Emma- für innovative Mobilitätslösungen. Achten Sie da- Laden warten, bis der Bus eintrifft. Diese Lösung rauf, dass Sie diese drei Aspekte beachten: die könnte auch neue Kunden in das Geschäft lo- Einrichtungs- und Betriebskosten von Mobilitäts- cken. Darüber hinaus können durch die Bündelung lösungen für die Organisatoren, potenzielle Finan- von Dienstleistungen soziale Kontakte geknüpft zierungsquellen und den Preis für die Nutzer, ein- werden. In solchen Fällen werden beide Diens- schließlich eventueller Ermäßigungen. te (Transport und Einkaufen, in diesem Beispiel) Um die Kosten einer innovativen Mobilitätslö- kombiniert, um eine positive Benutzererfahrung sung abzuschätzen, sollten verschiedene Faktoren zu schaffen. Es ist klug, solche bestehenden Struk- berücksichtigt werden. Denken Sie an die Fixkos- turen zu nutzen, da es viel schwieriger ist, neue ten (also solche, die jeden Monat in gleicher Höhe Strukturen von Grund neu aufzubauen². anfallen), variable Kosten (einmalige Ausgaben) und spezifische Kosten für Fahrer, Verwalter, War- tungspersonal oder anderes Personal². Vergessen Sie auch nicht die Versicherungsprämien, Kommu- nikationsmaterialien und so weiter. Finanzierungsquellen für neue Mobilitätslösun- gen können öffentlich und/oder privat sein. In allen Regionen, in denen MAMBA-Lösungen umgesetzt wurden, wird der öffentliche Personenverkehr aus dem nationalen oder regionalen Haushalt subven- tioniert. Einige wohltätige Stiftungen sind gele- gentlich auch bereit, Geld oder Sachleistungen zu spenden. Dies ist typischerweise für die Anfangs- MAMBA 15
3.2. Auf bestehenden Strukturen sichtigen. Ein gutes Beispiel ist die Bildung eines aufbauen! gemeinnützigen Fahrzeug-Pools in Bielsko-Biała. Für die Umsetzung einer innovativen ländlichen Für die erste Phase der Umsetzung wurden Stu- Mobilitätslösung ist es wichtig, die Schlüsselfak- dierende als Zielgruppe ausgewählt. Sie schienen toren in Ihrer Region zu verstehen, um potenzielle die am leichtesten zu erreichende Gruppe zu sein, Hindernisse und Treiber zu identifizieren, und die da ihre Peer-Gruppe bestimmte typische Merkma- Bedürfnisse der Nutzer zu beurteilen. le aufwies, wie z.B. einen geringen Prozentsatz von Fahrzeughaltern und hohe Vertrautheit mit digita- Bevölkerungsstruktur und Bevölkerungs- len Lösungen. dichte Wer lebt in Ihrer Region? Stimmung Die Bevölkerungsstruktur und -dichte wird einen Wie ist die politische Stimmung vor Ort? Einfluss auf den Zweck, die Regelmäßigkeit und den Sind Politiker offen für neue Ideen? Zeitpunkt von Mobilitätsmustern haben. Auch die Auch das politische und administrative Umfeld Altersstruktur wird Einfluss darauf haben, warum, kann einen Einfluss auf die mögliche Umsetzung wann und wie Menschen von Punkt A nach Punkt einer innovativen Mobilitätslösung haben. Wenn B gelangen wollen. Bei jüngeren Menschen geht es verschiedene Regierungsebenen und verschiedene beispielsweise oft darum, zur Arbeit zu kommen. Politikbereiche (wie Gesundheit und Verkehr) gut Wenn sie älter werden, steigt die Nachfrage nach zusammenarbeiten, ist dies eine gute Startvor- Sozial- und Gesundheitsdiensten. Die Nachfrage aussetzung. Ist dies nicht der Fall, könnte die neue nach Mobilität wird daher in Bezug auf den Stre- Mobilitätslösung ein guter Ausgangspunkt sein, ckenverlauf und die Fahrpläne unterschiedlich sein. um die Interaktion zwischen den verschiedenen Je weniger Menschen in einer Region leben, desto Fachressorts zu verbessern. Dies war z.B. in Trel- schwieriger wird es, ein öffentliches Personenver- leborg der Fall, wo MAMBA die Schaffung einer kehrssystem aufrechtzuerhalten, das regelmäßig Diskussionsplattform zur Mobilität unterstützt und häufig die einzelnen Haltestellen anfährt. In hat, die verschiedene Regierungsebenen und ver- ländlichen Regionen mit vielen älteren Menschen schiedene Politikbereiche zusammenbringt, um gehen tagsüber weniger Menschen zur Arbeit, so innovative Mobilitätslösungen für den ländlichen dass die Nachfrage nach Transportleistungen ins- Raum zu finden. gesamt geringer ist. Um einen Einblick in einige Schlüsselmerkmale Lokale Wirtschaftsstruktur der Bevölkerungsstruktur der MAMBA-Regionen Wie könnten Sie die lokale Wirtschaftsstruktur im Ostseeraum zu erhalten, sehen Sie sich die nutzen? Analysen (regionale Profile, Karten) auf der Web- Die lokale Wirtschaftsstruktur kann in vielfältiger site des MAMBA-Projekts an: www.mambapro- Weise zur Umsetzung innovativer Mobilitätslösun- ject.eu/products. gen beitragen. In ländlichen Regionen gibt es ei- nen Trend zur Saisonarbeit, da bestimmte Sekto- Faktoren im Zusammenhang mit sozialen ren, wie die Land- und Forstwirtschaft sowie das Gruppen Baugewerbe, nach wie vor einen hohen Anteil an Wie kann die Dynamik sozialer Gruppen innovative der Gesamtwirtschaft ausmachen. Eine weitere Mobilitätslösungen fördern oder behindern? wichtige Einkommensquelle in ländlichen Gebieten Betrachtet man die individuellen Faktoren, so fällt kann der Tourismus sein. Die Nachfrage nach Mo- auf, dass innovative Mobilitätslösungen für einige bilität ist dann höher und an der jeweiligen Saison Menschen, je nach Alter, Geschlecht, Grundeinstel- ausgerichtet strukturiert. In der Nebensaison zum lung, Bildungsstand, Lebensstil und sozio-ökono- Beispiel könnten Ressourcen, die zu dieser Jahres- mischem Status, eine Herausforderung darstellen zeit überflüssig sind, verfügbar werden. Erwägen können. Es ist sinnvoll, dies bei der Frage, welchen Sie den Einsatz von Ressourcen, die derzeit nicht Einfluss diese Faktoren auf das Reiseverhalten und genutzt werden, die aber bei der Schaffung einer auf die Akzeptanz und das Verständnis für neue neuen Mobilitätslösung für die lokale Bevölkerung Mobilitätslösungen haben könnten, zu berück- hilfreich sein könnten. 16 Mobilität für alle im ländlichen Raum
Quelle: Johanna Feuk Westhoff, MAMBA project. Mobilitätsinfrastruktur Menschen um einen einzigen Punkt versammelt Auf welche Mobilitätsdienste können Sie bauen? sind, ist es einfacher, dort eine Mobilitätslösung Es ist wichtig zu analysieren, wie die Menschen zu finanzieren als bei weit verstreuten Siedlungen derzeit mobil sind. Selbst wenn die betroffenen über ein großes Gebiet und größere Entfernungen. Gebiete ländlich sind, wird es wahrscheinlich un- Ein(e Art) Zentrum kann sowohl zur Bündelung von terschiedliche Formen des öffentlichen Personen- Dienstleistungen als auch als Treffpunkt genutzt verkehrs geben. Der Nahverkehr kann sehr stark werden. Ein gutes Beispiel dafür ist der in Trelle- vom Auto abhängig sein, und die Menschen sind borg entwickelte Co-Working Space. an öffentliche Verkehrsmittel überhaupt nicht ge- wöhnt. Eine innovative Mobilitätslösung in Trelle- Geografische Bedingungen borg versuchte dies zu ändern, indem sie an den Was sind die typischen Landschafts- und Wetter- Wochenenden Busausflüge für ältere Menschen bedingungen in Ihrer Region? anbot und versuchte, sie mit dem öffentlichen Per- Typische Wetterbedingungen in einer Region kön- sonenverkehr im Allgemeinen vertraut zu machen. nen die Wahl eines geeigneten Transportmittels Auch bereits bestehende öffentliche Verkehrsmit- beeinflussen. Starke saisonale Schneefälle oder tel können ein Ausgangspunkt für zusätzliche, in- viel Regen zu bestimmten Zeiten des Jahres kön- novative Mobilitätslösungen sein. nen bestimmte Verkehrsmittel weniger attraktiv machen. Auch topographische Gegebenheiten Räumliche Muster wie Hügel oder die Qualität der Straßen können Gibt es eine Art Zentrum, oder leben die Menschen die Einführung neuer Mobilitätslösungen vereinfa- weit voneinander entfernt? chen oder verhindern. Diese Umstände sollten bei Die Siedlungsstruktur kann für bestimmte Arten der Planung berücksichtigt werden, insbesondere von innovativen Mobilitätslösungen entscheidend bei der Überlegung, welche Fahrzeugtypen ange- sein. Dies steht in engem Zusammenhang mit schafft werden sollen – vor allem, wenn neue Fahr- der spezifischen Bevölkerungsdichte. Wenn viele zeuge benötigt werden. MAMBA 17
3.3. Beachten Sie die Rechtsvor- müssen , bevor sie die Personenbeförderung im öf- schriften! fentlichen Straßenverkehr anbieten, insbesondere Bei der Einrichtung eines neuen Mobilitätsdienstes wenn es sich um kommerzielle Dienste handelt3. ist es wichtig, die bestehenden Gesetze in Bezug Denken Sie an diese Anforderungen. auf Transport, Versicherung und Finanzierung zu kennen. Einige Gesetze im Zusammenhang mit Rechtliche Anforderungen an die Fahrer von innovativen, kollaborativen Mobilitätslösungen Kraftfahrzeugen gelten europaweit, andere sind national. Eine ver- Jeder, der andere Menschen befördert – als be- gleichende Analyse des Instituts für Klimaschutz, zahlter Fahrer oder als Freiwilliger – benötigt Energie und Mobilität (IKEM) und Rechtsexperten dafür eine bestimmte Fahrerlaubnis. Die Art der aus den am MAMBA teilnehmenden Ländern zeigt, Fahrerlaubnis ist wichtig, denn sie legt Gewicht dass die Aussichten gut sind, innovative Mobili- und Länge des Fahrzeugs sowie die Anzahl der tätslösungen auf einer soliden rechtlichen Grund- Personen fest, die befördert werden darf. In den lage zu etablieren. 3 meisten Ländern benötigen die Fahrer in den Re- gionen, in denen MAMBA-Lösungen implementiert Personenbeförderungsrecht wurden, eine Fahrerlaubnis für Kleinbusse. Eine Die Gesetze zur Personenbeförderung variie- Fahrerlaubnis der Klasse B befähigt den Inhaber ren von Land zu Land. Sie sorgen für die öffent- zum Führen von Kraftfahrzeugen mit einer zuläs- liche Sicherheit und Ordnung in allen Fragen des sigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3.500 kg öffentlichen Personenverkehrs. In den meisten und zur Beförderung von nicht mehr als acht Per- europäischen Ländern schreiben die Gesetze zur sonen außer dem Fahrzeugführer. In den meisten Personenbeförderung vor, dass die Betreiber die europäischen Ländern prüfen die Behörden die Genehmigung der zuständigen Behörde einholen beruflichen Qualifikationen der Fahrer, bevor ein Quelle: Janis Bikse. Bewertung von Mobilitätsdiensten Einführung innovativer Lösungen für Mobilität und den Zugang zu Dienstleistungen Einbeziehung der Nutzer in die Gestaltung neuer Lösungen 18 Mobilität für alle im ländlichen Raum
Personenbeförderungsschein erteilt werden kann. Vergaberecht Aber in Finnland zum Beispiel müssen Fahrer, die Das Vergaberecht wird EU-weit angewandt, gewerblich Personen befördern möchten, nur ei- aber jeder Staat hat nach wie vor seine eigene nen zusätzlichen Gesundheitstest bestehen, wäh- spezifische Gesetzgebung, die das europäische rend in Schweden solche Fahrer über 21 Jahre alt Recht erweitert. Hauptziel des Vergaberechts ist sein müssen. es, durch einen regulierten Wettbewerb siche- re, effiziente und qualitativ hochwertige Perso- Finanzrecht nenbeförderungsdienste zu gewährleisten. Ob Lösungen können sowohl privat als auch öffentlich innovative Mobilitätslösungen Gegenstand eines finanziert werden. Letztere werden durch das Ge- von den jeweiligen Behörden organisierten Aus- setz über die öffentlichen Finanzen geregelt, das schreibungsverfahrens sind, hängt auch von ih- von Land zu Land unterschiedlich ist. In diesem rem rechtlichen Status als Anbieter öffentlicher Zusammenhang ist es von großem Vorteil, wenn Verkehrsdienstleistungen ab (siehe oben). Hier er- die vorgeschlagene Lösung als öffentliches Ver- gibt unsere Analyse ein gemischtes Bild. Während kehrsmittel eingeordnet werden kann, da dies den Transport-on-Demand-Lösungen z.B. die Kriteri- Zugang zu öffentlichen Finanzierungsmöglichkei- en des öffentlichen Verkehrs erfüllen, ist dies beim ten erleichtert. In einigen Regelungsrahmen wird Carsharing nicht der Fall. 3 zwischen Linien- und Gelegenheitsverkehr unter- schieden. Einige Länder wählen in der Regel bei Datenschutzrecht Ausschreibungen diejenigen Transportoptionen Das gesamte Datenschutzrecht dreht sich um die aus, die für eine öffentliche Finanzierung in Frage EU-Datenschutz-Grundverordung (DSGVO). Da- kommen. Andere können den Verkehrsanbietern nach ist die Verarbeitung personenbezogener Da- einen Verlustausgleich anbieten, weil der öffent- ten dann rechtmäßig, wenn die betroffene Person liche Personenverkehr als soziale Verpflichtung in die Verarbeitung eingewilligt hat oder wenn sie betrachtet wird. Auch die Art der Benutzergruppe für die Erfüllung einer im öffentlichen Interesse lie- spielt eine Rolle. Zum Beispiel kann der öffentliche genden Aufgabe erforderlich ist. Weitere Schlüs- Personenverkehr für Menschen mit Behinderun- selprinzipien der DSGVO sind die Zweckbindung gen oder für Schüler subventioniert oder kosten- und der Grundsatz der Datenminimierung. Das los sein. In den meisten Fällen wird die Regierung Datenschutzrecht spielt eine wichtige Rolle im die Anbieter für diese Kosten entschädigen. In den Prozess der Etablierung innovativer Mobilitätslö- meisten Ländern erhalten öffentliche Verkehrsbe- sungen. Es ist wichtig, Buchungs- oder Registrie- triebe Steuervergünstigungen. 3 rungssysteme so zu gestalten, dass alle Nutzer aktiv in die Verarbeitung ihrer Daten einwilligen. 3 Versicherungsrecht Lösungen müssen Versicherungsschutz haben. Das Gesetz ist in jedem Land der Ostseeregion in dieser Hinsicht unterschiedlich. In den meisten Ländern (wie z.B. Finnland, Lettland, Polen und Schweden) ist der Eigentümer eines Fahrzeugs für jede erforderliche Versicherung verantwortlich. In Deutschland muss jedoch nicht der Eigentümer, sondern der Halter des Fahrzeugs, also die Person, die das Fahrzeug auf eigene Rechnung nutzt und für seine Verkehrssicherheit sorgt, eine Kfz-Haft- pflichtversicherung abschließen. Das muss nicht der Eigentümer des Fahrzeugs sein. Wenn Güter transportiert werden sollen, kann eine Zusatzver- sicherung dafür durchaus eine gute Idee sein.³ MAMBA 19
4. Lassen Sie sich von diesen innovativen Mobilitäts- lösungen inspirieren! Im Rahmen des MAMBA-Projekts wurden ver- 4.1. Zentrum für digitale Mobilität schiedene innovative Mobilitätslösungen in neun in Nordkarelien, Finnland verschiedenen ländlichen Räumen im gesamten Hauptautor: Pasi Lamminluoto, Projektleiter beim Ostseeraum umgesetzt. Sie alle versuchten, so- Regionalrat von Nordkarelien. wohl die allgemeine Mobilität als auch den Zugang zu Dienstleistungen zu verbessern. In diesem Kapi- Worum geht es bei der innovativen Mobil- tel werden diese Geschichten in verschiedenen Un- itätslösung? terkapiteln der Reihe nach erzählt. Jede von ihnen Der Regionalrat von Nordkarelien wollte eine spiegelt die unterschiedlichen Stile der verschie- technische Lösung, um verschiedene Formen des denen Hauptautoren wider, die bei den tatsächli- öffentlichen Personenverkehrs in einer benutzer- chen Aktivitäten vor Ort immer eine Schlüsselrolle freundlichen digitalen regionalen Verkehrsplatt- gespielt haben (oder weiterhin spielen). Dadurch form zusammenzuführen – einem so genannten erhält jede Fallbeschreibung ein bewusstes Maß „Mobilitätszentrum“, das alle relevanten Verkehrs- an „Bodenhaftung“, weil die beteiligten Verfasser und Mobilitätsdaten zusammenführt. Daraus ist wirklich wissen, wovon sie sprechen. ein Portal für den öffentlichen Personenverkehr Jedes Unterkapitel ist wie folgt strukturiert: namens POJO entstanden, das im Februar 2020 Der erste Teil beantwortet immer kurz und knapp gestartet wurde. Man erreicht das Portal on- die Frage: „Worum geht es bei der innovativen line unter https://pojo.pohjois-karjala.fi/ und als Mobilitätslösung?“. Es stellt die Hauptakteure, die Smartphone-App. Hauptnutzer und das Gesamtergebnis vor. Da- Das Portal zeigt die Fahrpläne und Routen von nach folgt die Antwort auf die Frage: „Was war Regionalbussen, Fernbussen, Zügen und Trans- der Ausgangspunkt?“ In diesem Abschnitt wer- port-on-Demand-Diensten. Sie enthält auch In- den die wichtigsten Umstände erläutert, wie z.B. formationen über Flughafenbusse, Taxidienste die Mobilitätsprobleme und -bedürfnisse, die im und Fahrgemeinschaften. Die Hauptnutzer von Rahmen des Projekts behandelt wurden, interne POJO sind die Menschen in der Region, der Ge- Ressourcen und die Ausgangsituation – einschließ- meinde und die Touristen. lich demographischer, kultureller, wirtschaftlicher, infrastruktureller und geographischer Faktoren. Was war der Ausgangspunkt? Danach werden die verschiedenen Aktivitäten vor- Der wichtigste Stakeholder im Mobilitätszentrum gestellt. Ziel ist es dabei, zu erklären: „Wie ist die ist der Regionalrat von Nordkarelien. Eine Voraus- tatsächliche Umsetzung erfolgt und was sind die setzung für die Entwicklung der Idee war ein quali- ersten Ergebnisse?“ Natürlich enthält jedes Un- tativ hochwertiges Breitbandnetz für die digitalen terkapitel auch einen Abschnitt über „Was können Dienste. Wie in allen MAMBA-Regionen kämpft andere Regionen daraus lernen?“ um Erkenntnisse auch der ländliche Raum Nordkareliens gegen den aus den Lessons Learned zu formulieren, die auf Trend des Rückgangs öffentlicher und privater andere Projekte übertragen werden können, aber Dienstleistungen vor Ort (wie Gesundheitsversor- auch um wahrscheinliche Risiken oder Hindernisse gung, Kultur und Einkaufen) und hat daher einen zu identifizieren. Jede Fallbeschreibung enthält erhöhten Personentransportbedarf. Die Reduzie- auch einen Ausblick auf die nächsten geplanten rung der staatlichen Subventionen für öffentliche Schritte sowie zugehörige Bilder und manchmal Buslinien in abgelegenen Gebieten Finnlands er- Zitate von Nutzern, Fahrern oder Koordinatoren. wies sich als zusätzliche Motivation, neue, inno- 20 Mobilität für alle im ländlichen Raum
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